Flensburg Programm 04_2020

Page 20

FLENSBURGHISTORISCH Historische Ansicht vom Südermarkt

900 Jahre – kurz gefasst von Dr. Broder Schwensen, Direktor des Flensburger Stadtarchivs:

Fischer, Händler und Handwerker waren es, die um 1100 am innersten Winkel der 35 km langen Förde eine geschützte Niederlassung mit der St. Johannis-Kirche als Zentrum gründeten. Es folgten weitere Siedlungszellen auf dem Westufer: St. Marien mit der Schiffbrücke (1170) und St. Nikolai mit dem Südermarkt (1200). Der schilfumstandene und wasserumspülte Wehrturm des Landesherren gab dem Kirch- und Marktort seinen Namen: Flensaaburgh, das 1284 von Herzog Waldemar IV. das „Stadtrecht“ erhielt. Jetzt durfte der Rat eigene Einnahmen verwalten, Gerichtsbarkeit ausüben und Kontrakte schließen, die seither im Stadtarchiv (Rathaus) verwahrt werden. Trotz Pest, Krieg und Feuersbrunst gediehen Handel und Schifffahrt dank des Fleißes und Erwerbsinnes der Einwohner. Flensburg entwickelte sich zur bedeutendsten Ostseehandelsstadt im dänischen Gesamtstaat. Um 1600 zählte die mit Mauern, Türmen und Burg geschützte Stadt 6.000 Bewohner und 200 Schiffe – deutlich mehr als Kopenhagen.

Die Flensburger Kaufleute tätigten Geschäfte in Norwegen und Russland, in Flandern, England und Frankreich. Das Kunsthandwerk gedieh, die Kirchen füllten sich mit Kleinodien wohltätiger Mäzene. Der Reichtum in der Stadt war so prächtig, dass der Rat Anti-Luxus-Gesetze erließ. Aber nicht ohne Grund lautet der Flensburger Wappenspruch am Nordertor: „Friede ernährt – Unfriede verzehrt“. Tatsächlich gingen im „Jahrhundert der Kriege“ zwischen 1627 und 1721 Reichtum und Flotte verloren, und Flensburg büßte seine wirtschaftliche Vormachtstellung an Kopenhagen ein. Die Grönlandfahrt mit dem Walund Robbenfang, der Weinhandel mit Bordeaux und seit 1755 die Karibik-Fahrt zu den dänischen Inseln St. Thomas, St. John und St. Croix führten die Stadt bis 1800 zu neuer Blüte. An der Schiffbrücke stapelten sich die begehrten „Kolonialwaren“: Mahagoni-Holz, Tabak, Zucker, Kaffee und natürlich die eichenen Pure-Rumfässer. In der „Neustadt“ entstand nach 1796 das Zentrum der neuen Maschinenzeit: Dampfkessel, Metallgießereien und Großfabriken, Gas- und Wasserwerk sowie seit 1872 die

Flensburg um 1870, im Hintergrund die St.Nikolai-Kirche mit altem Kirchturm, der 1872 durch Blitzschlag abbrannte

18


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.