22 minute read
REAL CIRLCE
Real Circle #25
Dauerbrenner Wohnimmobilie
Rundes Jubiläum. 30 ausgewählte Entscheidungsträger diskutierten beim 25. Real Circle auf Einladung von ERSTE BANK, ERSTE Immobilien KAG, IMMOunited, PwC Österreich und dem ImmoFokus im Wintergarten des Erste Bank Campus die brennendsten Fragen rund um das Thema Wohnimmobilie.
Autoren: Patrick Baldia, Gerhard Fritz, Lisa Grüner, Amelie Miller, Rudolf Oezelt und Heimo Rollett
Leistbares Wohnen: Wie kann man es garantieren? Wie kann klimaneutrales Wohnen gelingen? Wo gibt es in rechtlicher Hinsicht Optimierungspotenzial? Wie kann der Kampf gegen die Bodenversiegelung gewonnen werden? Ist der Immobilienmarkt fit für die demographische Zeitbombe? Und: Leiten Lieferkettenprobleme, hohe Inflation und neue Kreditvergabe-Kriterien das Ende des Immobilienbooms ein? Mit kaum einem Thema sind so viele Fragen und auch Emotionen verbunden wie mit Wohnen. Das ist auch kein Wunder: Denn auf die eine oder andere Art ist davon jeder einzelne Mensch betroffen.
Steigen Preise weiter?
Der Immobilienboom hält nun seit mehr als zehn Jahren an. Vor allem im Wohnbereich kannten die Preise seitdem nur eine Richtung: Schnurstracks nach oben. Nachdem die Corona-Pandemie den ohnehin schon starken Run auf die Wohnimmobilie noch einmal befeuert hat, sind zuletzt einige Wolken am Himmel aufgetaucht. Bedeuten rasende Inflation, hohe Baukosten, strengere KreditvergabeKriterien und der Krieg in der Ukraine den Anfang vom Ende des Investmentbooms? Oder wird die Wohnimmobilie auch diesem Sturm standhalten? „Was das institutionelle Geschäft betrifft, ist die Investorennachfrage zuletzt sicher nicht geringer geworden“, berichtet EHL Investment-Chef Franz Pöltl über seine Erfahrung seit dem Kriegsausbruch. Er geht davon aus, dass die Assetklasse Wohnen zumindest nicht leiden werde. Denn die Vergangenheit habe gezeigt: „Je höher die Risiken, umso gefragter ist die Wohnimmobilie.“ „Derzeit ist sehr viel Geld im Markt“, schlägt Rudolf Krickl, Partner und Markets Leader bei PwC Österreich, in dieselbe Kerbe. Unter anderem würden große internationale Fonds nach Europa drängen. Krickl glaubt, dass das Investitionsklima bis auf Weiteres ungetrübt bleiben wird. Denn, anders als in den USA, sollten die Zinsschritte in Europa nur langsam und verhalten erfolgen.
Große Dynamik am Markt
„Wir als Nischenanbieter erleben gerade eine sehr gute Zeit“, meint auch Karl Derfler, Geschäftsführender Gesellschafter von Adeqat. Vor allem im professionellen Segment sei die
„Derzeit ist sehr viel Geld im Markt.“
Rudolf Krickl, PwC Österreich
Dynamik riesig. Aber selbst, wenn nach wie vor massiv gekauft werde, empfiehlt er, zunehmend Vorsicht walten lassen. Er verweist auf die rasante Entwicklung der Baukosten, die hohe Inflation und – damit einhergehend – das zunehmende Problem der Leistbarkeit für Mieter. „Steigende Zinsen werden wahrscheinlich kurzfristig nicht unser Thema sein, später vielleicht umso mehr“, so der Investment-Experte.
Peter Karl, CEO der ERSTE Immobilien KAG, macht derzeit vor allem am Wiener Investmentmarkt für Wohnimmobilien ein ganz anderes Problem aus. „Der Investoren- und der Mietermarkt laufen völlig auseinander“, so Karl. Das, was unter Investoren gefragt sei und von den Bauträgern dementsprechend auch gebaut werde, sei nicht das, was potenzielle Mieter nachfragen würden beziehungsweise bereit wären zu zahlen. „Dem Aspekt der Leistbarkeit wird zu wenig Beachtung geschenkt“, hält Karl fest. Zusätzlich verschärft werde dies durch die hohe Inflation. „Die Frage ist, ob sich die Menschen die Indexsprünge in den Mietverträgen leisten können. Ein Umdenken ist meiner Meinung nach gefragt“ Mit Hinblick auf die durchschnittlichen Nettolöhne bezweifele er das.
„Als Wohnbauträger spüre ich die steigenden Baukosten“, sagt Maxim Zhiganov, CEO der WK-Development. Er macht in diesem Zusammenhang einen direkten Konnex zum Angriffskrieg auf die Ukraine aus. Plötzlich habe man festgestellt, wie abhängig die Baubranche von Rohstoffen aus dem Land sei. Er befürchte daher, dass Bauprojekte nicht fertig würden und Wohnungen nicht übergeben. Er habe auch schon davon gehört, dass manche Bauträger, weil sie keine Fixpreisangebote mehr bekommen würden, Projekte einfach
„Plötzlich haben wir festgestellt, wie abhängig die Baubranche von Rohstoffen aus der Ukraine ist.“
Maxim Zhiganov, WK-Development
„In Zukunft werden die Energie- und Betriebskosten ein wesentlicher Faktor beim leistbaren Wohnen sein.“
Harald Galla, LeitnerLeitner
Franz Pöltl, EHL Investment Consulting
Andreas Holler, Buwog
stilllegen. „Daher glauben wir auch nicht an weitere Preissteigerungen, sondern eher an eine stabile Entwicklung“, so Zhiganov.
Herausforderung: Leistbares Wohnen
Die Frage der Stunde ist jedoch sicherlich, wie leistbares Wohnen künftig zu realisieren ist. Wobei Andreas Holler, CEO der Buwog, rein begrifflich „bezahlbares Wohnen“ bevorzugt. „Unter leistbares Wohnen wird in Österreich meist gefördertes Wohnen verstanden“, erklärt er den Hintergrund. Man sei durch die starken regulativen Eingriffe geradezu verwöhnt. Insgesamt wären in Österreich nur zwölf Prozent der Wohnungen frei verfügbar. „Von rund einer Million Wohnungen in Wien sind nur ein Viertel frei verfügbar, der Rest ist in der Hand der Stadt Wien, von Gemeinnützigen oder unterliegt dem Richtwertzins“, so Holler.
Für Bernhard Klein, Head of Brand and International Marketing bei der Immofinanz, stellt sich die Frage, wohin sich der Markt entwickelt, da freifinanzierte Wohnungen für junge Menschen fast nicht mehr leistbar wären. Gleichzeitig würden die Ansprüche immer mehr steigen, und mitunter auch Singles in viel zu großen Wohnungen leben. „Das Streben nach besser, größer, schöner ist nur im frei finanzierten Wohnbau möglich“, meint dazu Wolfgang Fessl, Geschäftsführer Reinberg & Partner. Im geförderten Wohnbau gehe es um die Erhaltung des Status Quo, oft hätten die Menschen auch keine Wahlmöglichkeit. Insgesamt würden viele Wege zum leistbaren Wohnen führen: „Darunter ist keiner, der billiger wird.“
Neue Probleme
Die Experten sind sich jedenfalls einig, dass die Pandemie und der Krieg neue Herausforderungen sind, die das leistbare Wohnen nicht gerade fördern. „Die Probleme mit den Rohstoffen und den Lieferketten können durch die Erhöhung des Vorfertigungsgrades bewältigt werden“, so Holler. Das schaffe letztlich auch Kostensicherheit und beschleunige auch das Bauen. Denn nur, wenn die Wertschöpfungskette schneller werde, könne es auch günstiger werden. Evgeni Gerginski, Partner und Geschäftsführer Hawlik Gerginski Architekten, betont, wie wichtig es sei, den Bauprozess zu beschleunigen und bei den Bauprodukten auf regionale und recycelte zu setzen.
Leistbares Wohnen bedarf für Holler vor allem aber weiterer politischer Maßnahmen. So könnten etwa ungenützte Grundstücke durch Abgaben oder eine Spekulationssteuer auf den Markt „gebracht“ werden. Der Mangel an preislich wie wirtschaftlich geeigneten Grundstücken sei jedenfalls ein Riesenthema. „Die Preissteigerungen waren in den letzten Jahren exorbitant“, hält er fest.
Peter Karl, ERSTE Immobilien KAG
„Vor allem im professionellen Segment ist die Dynamik aktuell riesig.“
Karl Derfler, Adeqat Investment Services
Verkauf nur bei überdurchschnittlichem Preis
„Grundstücke gibt es grundsätzlich genug, sie werden auch nicht mehr und nicht weniger“, sagt Wolfgang Fessl. Das Problem sei nur, dass sie bereits jemandem gehören würden. Die Bereitschaft zu verkaufen sei heute nur dann gegeben, wenn überdurchschnittliche Preise erzielt werden könnten. Fessl macht zudem den Trend aus, dass das Thema Baurechte eine immer größere Rolle spielen würde. „Dass bald jedes zweite Projekt im Baurecht realisiert wird, haben sich die heutigen Grundeigentümer von den Stiften abgeschaut“, so Fessl. In einer Hinsicht sind sich Wohnexperten einig: Ein Weg hin zum leistbaren Wohnen kann sicherlich die Nachverdichtung sein. Allerdings nicht der einzige, da in die Höhe zu bauen teuer sei, so der Grundtenor. Für Architekten sei es immerhin interessant, dass die Kultur des Hochhauses, wenn auch mit Verspätung, in Wien angekommen sei. Allerdings werde in den Verkaufsprospekten oft der Blick auf den Schneeberg angepriesen, während man in Wahrheit auf die Autobahn schaue. Trotzdem hätten sich Hochhäuser in der Pandemie als ideale Lage erwiesen, da sie ja oft in der Nähe zum Grünen stehen würden – sei es zum Prater oder der Donauinsel. Und obendrein wären sie in verkehrsgünstiger Lage errichtet worden.
Für Harald Galla, Partner und Geschäftsführer LeitnerLeitner, werden künftig die Energie- und Betriebskosten ein wesentlicher Faktor im Zusammenhang mit leistbarem Wohnen sein. „Die Mieter sind an günstigen Mieten interessiert, die Hauseigentümer hingegen an günstigen Errichtungskosten“, meint er. Vor allem bei Bestandsbauten müsste es nach Einschätzung des LeitnerLeitner-Experten mehr Anreize geben, um die Energieeffizienz zu heben. „Energieeffi-
IMMOBILIENBEWERTUNG.
Warum wir? Weil wir´s können.
„Es bräuchte klare Vorgaben der Stadt Wien zu strategischen Zielen in der Stadtentwicklung.“
Alexander Rössler, Immofinanz
Christian Leikam, teamneunzehn
„Wenn die Stadt mithilft, kann der Markt rasch neuen, leistbaren Wohnraum schaffen.“
Stephan Pasquali, 3SI Immogroup
zienz und Ökologie sind vor allem eine Frage der guten Planung“, fügt Gerginski hinzu. Sanieren sei dagegen nur ein Thema für energetische Verbesserungen: „Wohnraum wird dadurch nicht geschaffen, das geht nur durch Nachverdichtung.“
Gefragter Speckgürtel
„Der Speckgürtel wird noch weiter an Attraktivität gewinnen“, glaubt Michael Priebsch, Leiter Großvolumiger Wohnbau bei der ERSTE Bank. „Wohnungen mit einem kleinen Büro und Außenfläche sind die Zukunft, da sich Home-Office gut etabliert hat. Es kommt zu einer Verschiebung der Hauptwohnsitze aufs Land und der Nebenwohnsitze in die Stadt.“ Dem pflichtet Christian Leikam, Geschäftsführer Investment Consulting team neunzehn, bei. „Wir als Vermittler bekommen vermehrt Objekte außerhalb von Wien, was zeigt, dass auch die Entwickler verstärkt in diesen Regionen tätig sind.“ Aleksandra Mitrovic, Leiterin Wohnimmobilien Miete ÖRAG, bestätigt die hohe Nachfrage: „Bei Mietobjekten haben wir einen Überhang, weil es viele Investoren gibt, die kaufen. Im Bereich Eigentum haben wir zu wenig Objekte, die wir anbieten können. Überraschend ist, dass die Nachfrage bis über Baden hinausgeht, was vor Jahren undenkbar war.“ Für Alexander Rössler, Head of Development Office Immofinanz, stellt sich nicht die Frage, wo der Speckgürtel jetzt ist, sondern wo er zukünftig aufhört. „Da wird die Entwicklung der Infrastruktur, u. a. die Entwicklung der Bahn, eine große Rolle spielen. Für mich endet der Speckgürtel, getrieben durch die COVID-19- und Lockdown-Situation, mittlerweile im Raum des nördlichen Burgenlands.
Nachverdichtung
Spricht man von Nachverdichtung, ist es für Stephan Pasquali, Geschäftsführer Neubau 3SI Immogroup, wichtig, die richtigen Konzepte für die Zukunft zu schaffen: „Die Stadt Wien schafft es meiner Meinung nach nicht, ein vernünftiges Konzept für Nachverdichtung und
Urbanisierung einer nachhaltigen Grünflächenpolitik zu erstellen. Wir haben das Glück, eine schöne Altstadt mit Gründerzeithäusern zu haben, im Bereich Neubau funktioniert das nicht.“ Für Pasquali ist eine vernünftige Gesetzgebung für Nachzonungen sinnvoll. Die Immofinanz hat mit On-Top-Living eine Antwort auf die Frage nach der Nachverdichtung gefunden. „Wir überbauen bestehende Fachmärkte mit nachhaltigen und leistbaren Wohnungen im Umwidmungsverfahren“, so Rössler. Pasquali findet das ein gutes Konzept: „Hofer, Aldi, Spar etc. sind daran interessiert, auf ihrer Liegenschaft nachzuverdichten, doch oft spielt die Stadt nicht mit und beharrt auf weltfremden Vorschriften. Es kommen gute Konzepte vom Markt, von einer freien Marktwirtschaft, die nicht beschränkt werden möchte. Die Menschen wollen nachhaltig, billig und grün wohnen, mit Außenflächen und Shared-Living-Angeboten. Das muss vom Staat unterstützt oder zumindest nicht behindert werden.“
Wolfgang Fessl, Reinberg & Partner
„Die Frage ist, wohin sich der Markt entwickelt, für junge Menschen ist eine Wohnung fast nicht mehr leistbar.“
Bernhard Klein, Immofinanz
Leikam fügt hinzu, dass es auch am Land wichtig ist, vernünftig nachzuverdichten: „Die Kommunen sind gefordert, die Infrastruktur attraktiv zu machen, damit tote Ortskerne nachverdichtet und belebt werden können.“ Das Eck Linz-Wels-Steyr ist in diesem Zusammenhang spannend. Da wird viel nachverdichtet, weil kein Industriegrund fürs Wohnen umgewidmet wird.
Gescheiterte Nachverdichtung
Priebsch sieht eine Möglichkeit für die Nachverdichtung, Bauten aus den 1950er/1960erJahren abzureißen und höher aufzubauen. „Damit werden keine neuen Flächen versiegelt, das Grundstück ideal genutzt.“ Leikam glaubt dagegen, dass die Entscheidung gegen den Lobautunnel weitreichende Folgen hat. „Seit vielen Jahren bereiten die Entwickler dort die Flächen vor, und jetzt steht das ‚Projekt Hausfeld‘. Das Nein zum Tunnel war nicht die klügste Entscheidung, wenn es darum geht, neue Flächen zu entwickeln.“
Priebsch wirft ein, dass, als die Seestadt Aspern geplant wurde, klar im Konzept verankert wurde, dass es einer höherrangigen Straße bedarf, um dort für 50.000 Menschen Wohnraum zu schaffen. „Das war eine Möglichkeit, leistbaren Wohnraum zu schaffen.“ Pasquali merkt den fehlenden Willen der Stadt Wien zur Nachverdichtung an. „Wenn die Stadt wollte, würden einem nicht so viele Hürden in den Weg gelegt werden.“
Klare Vorgaben
Rössler ergänzt: „Ohne Unterstützung der Stadt vor allem im rechtlichen Bereich ist es sehr schwierig, etwas umzusetzen. Es bräuchte klare Vorgaben von strategischen Zielen in der Stadtentwicklung, die in der Planung umgesetzt werden müssen, und dann gäbe es eine rasche Umwidmung. Derzeit dauern Umwidmungsverfahren zu lange und treiben damit auch die Preise in die Höhe. Die Behördenflut macht uns auch das Leben schwer. Es wäre z. B. sinnvoller, sich einmal einer Kommission zu stellen, wo alle zusammensitzen und Verbesserungsvorschläge bekannt geben. Das würde viel Zeit sparen.“ Für Priebsch wird das Thema ESG spannend. „Gut wäre ein Bonus für Nachverdichtung.“
Leikam bringt das Thema Wohntürme als weitere Möglichkeit für neuen Wohnraum
Michael Priebsch, ERSTE BANK
ein. „Der Österreicher ist eher kein Hochhausbewohner“, so Priebsch. Das bestätigt Rössler: „Hochhäuser sind in Wien nicht en vogue, außerdem machen ab 35 Metern die Bestimmungen für Brandschutz und Sicherheit sowie die Instandhaltung das Wohnen sehr teuer.“ Auch Mitrovic bestätigt aus Maklersicht, dass Hochhäuser nicht gefragt sind, u. a. wegen der hohen Betriebskosten. Pasquali ergänzt, dass Nachverdichtung nicht gleich den Bau eines Hochhauses bedeuten müsse. „Auch vier-, fünfgeschossige Wohnbauten sind spannend. Aber generell sollte die Stadt Wien festlegen, wo nachverdichtet werden soll und wo nicht.“
Interessant wird auch die neue Situation durch die 300 bis 500.000 flüchtenden Ukrainer, die vielleicht in Österreich bleiben möchten. Aktuell wächst Wien auch wieder mehr, da erhält das Thema Nachverdichtung noch mehr Gewicht.
Sanierungshürden im urbanen Bereich
Der Begriff Green Deal ist längst kein Fremdwort mehr und gerade im Neubau von Immobilien gelebte Praxis. Das Strategiepapier der Europäischen Kommission hat als oberstes Ziel, die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Österreich will bereits 2040 klimaneutral sein. Schon ab 2030 sollen 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden. Das erfordert ein Umdenken, nicht nur in Politik und Wirtschaft, sondern auch bei den eigenen Lebensgewohnheiten. Wie müsste also ein Fahrplan für klimafitte Gebäude im Bestand aussehen? Thermische Sanierung, Photovoltaik und erneuerbare Energien sind wohl die ersten Lösungsvorschläge, die einem in den Sinn kommen. Dass die Umsetzung in der Praxis jedoch alles andere als einfach ist, zeigt die folgende Diskussion.
„Das Wichtigste ist, ein Bestandsgebäude nicht abzureißen. So klimaneutral kann man ein neues Gebäude gar nicht mehr bauen“, ist Jasmin Soravia, Geschäftsführerin Kollitsch & Soravia Immobilien, überzeugt. Den größten Hebel hätte man sicher mit dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern, so Elisabeth Rauter, Senior Managerin, Real Estate und Infrastruktur, EY. Der Umstieg auf Fernwärme sei aber mit hohen Anschlusskosten verbunden. Auch die Möglichkeiten der Dämmung von Bestandsimmobilien seien meist begrenzt, vor allem dann, wenn sich das Gebäude in einer Schutzzone befindet, wirft Dominik Wegmayer, CEO Payuca, ein. Und auch die Dächer von Bestandsgebäuden im urbanen Bereich seien oftmals zu klein, um auf ihnen Photovoltaikanlagen zu montieren. Anders sieht es hingegen bei Fassaden- und Dachbegrünungen aus, so Soravia. „Diese können die Wohnqualität verbessern und haben eine kühlende Wirkung; zusätzlich sorgen sie für Biodiversität.“ Abschließend hält Rauter fest, dass man es mit dem Sanieren vielleicht auch nicht übertreiben müsse: „Überall, wo es möglich ist, sollte man alternative Energie erzeugen und so einen hohen Verbrauch kompensieren.“
Evgeni Gerginski, Hawlik Gerginski Architekten
„Hochhäuser sind am Markt nicht besonders gefragt.“
Aleksandra Mitrovic, ÖRAG
www.cerhahempel.com
CERHA HEMPEL ist eine der führenden Rechtsanwaltskanzleien Österreichs mit integrierter Praxis in Mittel- und Osteuropa. Seit fast 100 Jahren steht der Anspruch höchster Qualität im Mittelpunkt unserer Beratung.
„Wohnungsunternehmen sollten nicht nur in den Neubau, sondern vermehrt in den Bestand investieren, um eine Klimaneutralität erzielen zu können.“
Dominik Wegmayer, Payuca
Petra Moser, ERSTE Immobilien KAG
„Für die großen Bestandshalter ist weniger die Frage, ob sie sanieren, sondern wann.“
Jasmin Soravia, Kollitsch & Soravia Immobilien
Bevor aber entschieden werden kann, welche Sanierungsmaßnahmen im Bestand überhaupt sinnvoll sind, braucht es vor allem eins: Daten. Zahlen bilden den tatsächlichen Verbrauch einer Immobilie ab. Das Problem beginnt allerdings schon bei der Datenerhebung, denn diese steckt noch in den Kinderschuhen. „Die Datenerfassung ist eben auch ein Datenschutzthema. Selbst große Anbieter wissen intern nicht, welche Daten sie herausgeben dürfen und welche nicht“, berichtet Petra Moser, Real Estate Asset Management Sales, ERSTE Immobilien KAG, aus der Praxis. In einem weiteren Schritt spielt die Gebäudetechnik eine zentrale Rolle bei der Sanierung. „Um Verbräuche zu monitoren und entsprechend zu regulieren, lohnt es sich, ordentlich in die Gebäudetechnik zu investieren“, ergänzt Soravia. Ein Gebäude sinnvoller zu nutzen, beinhaltet aber nicht nur Daten und Technik. „Es kommt viel auf das Nutzerverhalten an“, ist Moser überzeugt. „Den Mieter interessieren Nachhaltigkeitskriterien jedoch nicht – noch nicht. Es geht um Lage, Grundriss und Preis.“ In puncto Nachhaltigkeit ist es, so Soravia, wichtig, zwischen Miete und Eigentum zu unterscheiden: „Jemand, der eine Eigentumswohnung kauft, hat einen anderen Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit als der Mieter. Den Mieter kann man nur über mögliche Einsparungen in den Betriebskosten locken.“ Aber kann die Energieversorgung in einer Mietwohnung überhaupt smart gesteuert werden? „Das kommt ganz auf den Standort an, an dem ich eine Mietwohnung anbiete. In einer guten Lage mag das vielleicht ein Thema sein, aber bei der klassischen Mietwohnung im 10. Bezirk interessiert das vielleicht einen von hundert“, so Moser. In einem Punkt ist sich die Runde jedenfalls einig: Es wird noch viele Innovationen und neue Lösungen brauchen, damit die Klimaneutralität im Bestand Realität wird.
Fördern statt strafen
Bei der Umsetzung sind vor allem die Stadt und die Politik gefragt, aber auch die Eigentümer. „Gerade im Bestand ist relativ viel mit Miete. Speziell in den Altbaubereichen kann man die Miete schwer erhöhen. Das ist ein Grund, warum viele alte Gebäude verfallen“, argumentiert Soravia am Beispiel von Wien. „Für die großen Bestandshalter wird es schwierig werden. Für diese ist es keine Frage, ob sie sanieren, sondern ein Abwägen, wann. Das wird dann auch eine Frage der Finanzierung.“ Damit die entscheidenden Schritte Richtung Klimaneutralität im Bestand besser früher als später gesetzt werden, braucht es vor allem eins: Förderungen.
Heftig diskutiert wurde auch das „Bestellerprinzip“, ein brandaktuelles Thema, dessen Popularität nicht unerwartet kam. Für EHL Wohnen Geschäftsführerin Karina Schunkerwar klar, dass das Bestellerprinzip kommt: „Wir haben uns schon in den letzten Jahren darauf vorbereitet.“ Groß gejubelt wird jedoch nicht. Befürchtungen, dass es zu einem Maklersterben kommen wird, teilt Schunker aber auch nicht. „Ich habe keine Angst, dass uns das Geschäft wegbricht“, sagt sie.
Die Zeche dafür werde der Interessent zahlen müssen. „In Deutschland ist nach der Einführung des Bestellerprinzips das Angebot stark zurückgegangen“, erklärt Schunker weiter. Viele Eigentümer haben in einem ersten Schritt die Vermietung selbst in die Hand genommen. Andere haben bewusst weiterhin auf die Dienstleistung von Maklern gesetzt – und die Kosten auf die Mieten aufgeschlagen. Eine dritte Gruppe an Eigentümern überlässt die Nachmieter-Suche nun dem Vormieter – inklusive Provision: „Wenn ich Dich vorschlagen soll, dann möchte ich …“, oder Ablösen für Investitionen: „Da sind super Möbel eingebaut.“
Es wird nicht einfacher werden
Auch für trovato-Gründerin Anita Körbler tauchte das Bestellerprinzip nicht überraschend auf: „Es war allen klar, dass es kommt.“ Einige Maklerbüros hätten typisch österreichisch reagiert. „Wir setzen uns erst mit dem Thema auseinander, wenn es da ist – auch, wenn es jetzt schon im Regierungsprogramm steht. Jenen Maklern, die jetzt sagen: ‚Ich mache keine Miete mehr, sondern nur Eigentum‘ wünsche ich viel Spaß. Es wird nicht einfacher werden.“
Das Bestellerprinzip wird zweifellos zu Veränderungen führen, die aber vielleicht nicht unbedingt immer negativ sind. Andreas Millonig, IMMOunited COO, ist prinzipiell für die Einführung. „Die Umsetzung ist einfach schlecht“, bringt es Millonig auf den Punkt. „Ich finde es vollkommen in Ordnung, dass derjenige, der jemanden beauftragt, den auch bezahlen soll.“ Aber: „Warum darf der Mieter – sofern der Vermieter der Auftraggeber ist ¬ eine Beratungsleistung in Anspruch nehmen, für die er nicht zahlt?“ Wobei Vermieter die Maklerprovision von der Steuer absetzen können, Mieter hingegen nicht. „Ein Ungleichgewicht“, urteilt Millonig. Unter dem Strich sieht er das größte Problem darin, „dass der Makler vom Mieter nicht bezahlt wird, sich aber trotzdem vor dem Mieter rechtfertigen muss.“ In diesem
Elisabeth Rauter, EY Österreich
Christian Hrdliczka, RE/MAX Austria
Falle solle sich der Mieter, sofern er eine Beratung für angebracht hält, selbst einen Makler suchen, der diese Aufgabe übernimmt ¬ und diesen auch bezahlen. „Käufer- und Verkäufer-, sowie Mieter- und Vermietermakler müssen unter dem Strich nicht die gleiche Person sein“, blickt Millonig über den großen Teich in die USA.
Für Christian Hrdliczka, Head of Training RE/ MAX Euroversity bei RE/MAX Europe, ist das Bestellerprinzip, so wie wir es auch international kennen, ein durchaus übliches Modell: „Für mich ist das Bestellerprinzip nur ein Zwischenschritt zu Abschaffung des Doppelmaklers. Kurz oder lang werden wir keinen Doppelmakler in Österreich mehr haben.“
Bundesregierung ist in der Kritik
Heftige Kritik übt Hrdliczka an der Vorgangsweise der Bundesregierung – speziell an der Justizministerin Alma Zadić. „Was mich ein bisschen verwundert, ist, dass wir seit zehn, zwölf Jahren über das Bestellerprinzip in
Andreas Millonig, IMMOunited
Österreich diskutieren. Man hatte immer die Hoffnung, dass es in der Regierung einen gibt, der dagegen ist. In Wahrheit war es aber so: Es waren immer alle dafür und einer dagegen und dieser eine ist zuletzt auch umgefallen. Als es um die Regierungsverhandlungen gegangen ist, war das dann plötzlich ein Thema, dass es auch im Koalitionsabkommen drinstehen muss.“ Verwundert zeigt sich Hrdliczka auch über den Zeitpunkt. „Da steht der 1. April inklusive Erhöhung der Richtwerte vor der Tür und plötzlich ist es ein Thema, dass es eine Einigung gibt, obwohl im Vorfeld über Monate im Ministerium auf Anfrage immer wieder mitgeteilt wurde, dass es nicht einmal einen gescheiten Entwurf gebe. Aber auf einmal ist alles fertig und liegt auf dem Tisch.“
Wiener Problem zu einem Bundesthema hochgespielt
Was Hrdliczka sauer aufstößt, ist die Tatsache, dass ein Wiener Problem zu einem Bundesthema hochgespielt wird: „Am Land gibt es das Thema Provision nicht. Ich kenne keinen
Karina Schunker, EHL Wohnen
Anita Körbler, trovato
„Wir sehen noch sehr wenig Nachfrage für seniorengerechtes Bauen – sowohl bei Bauherren, als auch bei Investoren.“
Andreas Hawlik, Hawlik Gerginski Architekten
„Wir erkennen in den letzten fünf Jahren einen steigenden Bedarf an altersgerechten Wohnen.“
Daniel Thum, ERSTE Immobilien KAG
Abgeber am Land, der nicht mindestens eine, wenn nicht sogar zwei Monatsmieten Abgeberprovision zahlt. Das ist eigentlich ein Ballungsraumproblem und speziell ein Wiener Problem und wir versuchen immer, ganz Österreich mit einem Wiener Problem totzuschlagen.“ Hrdliczka ist jetzt richtig in Fahrt: „Klar, in Wien leben die meisten Menschen, da kann ich am besten entsprechend auftreten und Wählerpotenzial abholen. Das ist für mich eine Schwäche der Politik, wenn man populistisch versucht, nur eine Region ein bisschen besser hinzubekommen.“
Justizministerin Alma Zadić sei in ihrer Argumentation entschieden zu weit gegangen. „Es sei nun ‚Schluss mit der großen Ungerechtigkeit‘, dass Mieterinnen und Mieter den Makler zahlen müssten, dieser aber hauptsächlich für die Vermieterseite arbeite.“ „Das war eine Frechheit“, legt Hrdliczka nach. „So kann man nicht über einen Berufsstand sprechen. Entschuldigung, was für eine Ungerechtigkeit? Es war niemand gezwungen. Wenn alle gezwungen werden, beim Makler zu mieten, wieso ist der Marktanteil des Maklers dann nicht bei hundert Prozent?“
Ich glaube, dass eine Spezialisierung hin zu Abgeber- und Interessentenmakler am Ende des Tages das fairste System wäre. Wir müssen den Menschen, nicht nur denen in der Branche, sondern auch denen am Markt draußen, beibringen, dass es für sie die bessere Lösung ist, wenn ein Profi ihre Interessen alleine vertritt.
Das „S“ in ESG gewinnt immer mehr an Bedeutung
Dass die Gesellschaft immer älter wird beziehungsweise der Anteil älterer Menschen stetig steigt, ist eine Tatsache, die nicht von der Hand zu weisen ist. Auf den Immobilienmarkt hat das bereits jetzt Auswirkungen. „Wir erkennen in den letzten fünf Jahren in Österreich und Europa einen steigenden Bedarf an altersgerechtem Wohnen“, sagt Mersiha Varnica-Niederl, Asset Class Lead – Real Estate Finance, Raiffeisen Bank International (RBI). Für die Expertin hängt das auch mit der EU-Taxonomie zusammenhängen. Schließlich gewinne das „S“ in ESG immer mehr an Bedeutung. Varnica-Niederl glaubt auch, dass Social Living mit der Zeit eine sehr wichtige Assetklasse werden wird.
Aktuell macht Andreas Hawlik, Partner und Geschäftsführer Hawlik Gerginski Architekten, noch sehr wenig Nachfrage für Seniorengerechtes Bauen aus. „Und zwar sowohl bei den Bauherren, noch bei den Investoren“, sagt er. Aber da man heute schon dazu angehalten sei, barrierefrei zu bauen, werde man mit den Immobilien, die man heute errichte, in dreißig Jahren nicht das Problem haben, wie das heute mit Wohnungen aus den 90er Jahren der Fall sei.
Wie bedeutend das Thema ist, zeigt nicht zuletzt, dass es längst spezielle Fonds gibt, die in altersgerechtes Wohnen investieren, angefangen mit betreubares und betreutes Wohnen bis hin zu Pflegeheimen. „Entscheidend ist, ob es dem Immobilienbesitzer gelingt, den richtigen Betreiber langfristig zu gewinnen“, weiß Daniel Thum, Bereichsleiter Investments Real Estate, ERSTE Immobilien KAG. Denn schlussendlich sei es für die Qualität der Immobilie von großer Bedeutung, ob sich die Bewohner auch wohlfühlen. „Und da sehe ich die Herausforderung“, so Thum.
Varnica-Niederl erwartet, dass künftig die Mischung verschiedener Wohnformen in der Residential Class immer attraktiver werden wird. „Also beispielsweise die Mischung aus betreutem Wohnen, leistbarem Wohnraum für junge Familien und Studenten, eventuell mit einem Kindergarten und einer Gemeinschaftspraxis in einem Objekt.“ Konkret: Wo das Mehrgenerationenhaus in einem Projekt integriert ist.
Eine besondere Herausforderung im Zusammenhang mit dem Ausbau des betreuten Wohnens und der Pflegeheime sind jedenfalls die zunehmenden Personalsorgen. „Dort, wo qualifizierte Pflegekräfte fehlen, kann es keine kontinuierliche Entwicklung geben“, bringt es Thum auf den Punkt. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Einrichtungen, wo sich der Betreiber mit engagierten Mitarbeitern für die Bewohner einsetzen, gut funktionieren und auch ein Erfolg sind.
Hier geht‘s zum Video
www.immo-timeline.at