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TOP-UNTERNEHMENSBERATER ÜBER ESG
ESG als Unternehmensprozess
Zieldefinition. Auf dem Markt werden langfristig nur jene Unternehmen erfolgreich sein, die eine sinnvolle ESG-Strategie verfolgen. Vier Top-Berater von KPMG, Deloitte, EY und PwC im Interview über Nachhaltigkeit, Rendite und Digitalisierung.
Autor: Lisa Grüner
Egal, um welche Branche es sich handelt: Der ESG-Zug rollt und der Druck von Kunden, Kreditgebern, Aktionären und Mitarbeitern steigt. Alle Unternehmen, und insbesondere auch Immobilien-Unternehmen und -Investoren, müssen sich priorisiert und intensiv mit ESG auseinandersetzen. „ESG-Ziele sollten Teil einer gesamthaften Strategie sein. Die Ziele sollen relevant und stakeholder-fokussiert sein und zur Resilienz und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens beitragen“, so Marius Richter, Partner und Leiter Real Estate Assurance bei PwC Österreich. „Das ist wichtig für den langfristigen Unternehmenserfolg und die Glaubwürdigkeit nach außen.“ In die gleiche Kerbe schlägt Jürgen Buchelt, Partner im Bereich Real Estate bei KPMG. „Man muss messbare und relevante Ziele beschreiben und einen klareren Fokus auf Energieeffizienz und Treibhausgasemissionen haben. Das könnten die beiden zentralen Zielgrößen in jeder Nachhaltigkeitsstrategie werden, weil hier die meisten Chancen und Risiken schlummern.“ Zielwerte dazu lassen sich differenziert aus dem Transformationspfad zum Pariser Klimaabkommen ableiten. Damit kann man sowohl die Unternehmensebene als auch die Portfolioebene gut und mit Übersicht steuern. Stefan Merl, Manager bei Deloitte Österreich empfiehlt den Unternehmen, sich zu Beginn drei Fragen stellen: Was bedeutet ESG für mein Unternehmen? Wer sind meine relevanten Stakeholder und welche Informationen benötigen sie? Und welchen Beitrag kann ich leisten, um meine Nachhaltigkeitsleistung zu verbessern? „Die letzte Frage führt bereits zur Formulierung von Zielen“, so Merl. „Um sich jedoch sinnvolle Ziele zu stecken, ist es notwendig zu wissen, wo man sich befindet. Idealerweise sind dazu aktuelle Daten, aber auch Daten aus den vergangenen Jahren vorhanden, um daraus eine Entwicklung der eigenen ESGPerformance ableiten zu können. Auf Basis dieser Informationen lassen sich dann wesentliche Handlungsfelder identifizieren, für die konkrete Ziele und entsprechende Maßnahmen bestimmt werden.“ Diese Maßnahmen sollten klar verständlich und realistisch formuliert sein, zudem sollten sie laufend überwacht werden, um die Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls gegenzusteuern oder die Zielsetzung auch adaptieren zu können. „Bei Nicht-Erreichen der Ziele sollte auch das offengelegt werden“, so Merl. „Inklusive der Gründe, weshalb diese nicht erreicht werden konnten.“ Um grobe Fehler zur vermeiden, ist es gerade zu Beginn sinnvoll, externe Experten heranzuziehen, die diesen richtungsweisenden Prozess beim Projektstart begleiten. Dazu gehört auch die richtige, ergo positive Einstellung zu ESG. „Bis heute begehen immer noch viele Unternehmen den Kardinalfehler, Nachhaltigkeit als Gegenpol zur Rendite zu betrachten“, zeigt Alexander Hellmuth, Senior Manager Strategy and Transactions bei EY auf. „Das ist einerseits deshalb falsch, weil nachhaltige Faktoren durch Regulatorik zunehmend eingepreist werden. Wenn etwa CO2 -Emissionen Kosten verursachen, dann haben sie direkten Einfluss auf die Rendite, weniger Nachhaltigkeit bedeutet dann mehr Kosten und eine geringere Rendite. Andererseits ist es auch falsch, weil der Nachfragedruck nach nachhaltigen Produkten auf Anlegerseite wächst und sich künftig in höheren Werten niederschlagen wird.“ Die richtige Frage, die sich Unternehmen stellen sollten, ist die nach der besten Rendite durch nachhaltiges Wirtschaften und nicht die nach Rendite oder Nachhaltigkeit..
Die ersten Schritte
„Wichtig ist, dass Unternehmen die nachhaltige Transformation strategisch und bedacht angehen und kein Flickenteppich von Einzelmaßnahmen entsteht“, so Hellmuth. „Mit einer ESG-Strategie werden messbare Indikatoren aufgestellt, anhand derer Maßnahmen ergriffen werden können, die dann in Hinblick auf definierte Ziele gemessen, bewertet und gegebenenfalls angepasst werden können. Nur so lässt sich eine konkrete Steuerungsfähigkeit erreichen.“ Zu Beginn ist immer eine Erhebung des Status quo notwendig: Welche Daten wurden bereits gesammelt und sind ohnehin schon vorhanden? „Die Erfahrung zeigt, dass sich in vielen Fällen bereits verschiedene Personen in unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens bis zu einem gewissen Ausmaß mit ESG-Daten beschäftigen“, so Merl. „Oftmals fehlt nur die koordinierende Stelle, die diese Personen und Daten zusammenbringt.“
Jürgen Buchelt, KPMG
„Es werden jene Unternehmen am Markt erfolgreich sein, die nachhaltig agieren.“
Marius Richter, PwC Österreich
Jedenfalls erfordert ESG eine authentische und langfristige Antwort. „Es wäre zu kurz gesprungen, sich von Reporting-Anforderungen oder Regulierung treiben zu lassen“, so Buchelt. „Es geht darum, Nachhaltigkeit als unausweichliche Transformation zu begreifen und vorausschauend zu managen, eigene Antworten und Strategien zu entwickeln.“ Immobilien-Unternehmen und Investoren müssen sich eine klare und transparente Strategie rund um ihr aktuelles Geschäftsmodell und dessen künftige Ausrichtung auferlegen, sowie Maßnahmen und Regelungen zur Lenkung dieser strategischen Ausrichtung. Richter empfiehlt hierfür folgende Herangehensweise in puncto Strategie: Berücksichtigung von ESG-Anforderungen der Stakeholder sowie regulatorischer Änderungen in der (ESG-)Strategie des Unternehmens; Setzen von Zielen für CO2 -Reduktion und Kreislaufwirtschaft (Stichwort „Nachhaltiges Bauen“), in puncto Geschäftsmodell: Bewertung der aktuellen Wertschöpfungskette im Hinblick auf die definierte Strategie und die ESG-Risiken/Chancen – ESG-Kriterien sollten Teil der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen werden und im Bereich Lenkung: Identifikation von relevanten ESG-KPIs für die Strategieumsetzung und Integration in Management-Dashboards und Anreizsysteme.
Von ESG profitieren
Wie alle Unternehmen können und sollen auch Immobilienunternehmen das Thema als Chance nutzen. „Die Vorteile einer guten ESGPerformance reichen von gesenkten Kosten im Energiebereich über bessere Konditionen bei Finanzierungen bis hin zu einer besseren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit“, so Merl. Jedenfalls kommen die Märkte in Bewegung und der Renditebegriff wird um Soziales und Ökologisches erweitert. „Das bietet neue Chancen, sich im Wettbewerb zu differenzieren, Nischen zu besetzen oder aktiv Mehrwert zu schaffen“, erklärt Buchelt. „Zum Beispiel könnte eine stärkere Spreizung der Immobilienpreise zwischen nachhaltigen und wenig nachhaltigen Investments dazu führen, dass Letztere für aktive Strategien nach dem Motto ‚Manage-to-Green‘ sehr attraktiv werden.“ Nachhaltigkeit bietet auch die Chance, stärker in den Austausch mit Kunden und Investoren zu treten. Das kann Produkte und Leistungen verbessern und langfristig helfen, diese Beziehungen zu stärken. Nicht zuletzt adressiert ESG auch Risiken, denen Immobilienunternehmen besonders ausgesetzt sind, etwa im Bereich der Compliance oder der öffentlichen Wahrnehmung. Vor allem im Bereich der Compliance empfiehlt Richter, die Mindestanforderungen zu erfüllen. „Im Bereich der Investitionsentscheidungen ist das Bauen mit nachhaltigen Materialien und das Anbieten von grünen und gesellschaftlich nachhaltigen Assets (Stichwort ‚leistbares Wohnen‘) sehr wichtig, da bereits jetzt gerade institutionelle Investoren ESG-Mindestkriterien in ihrem Ankaufsprozess erfüllen wollen und müssen“, so Richter. „Im Bereich von Immobilienankäufen müssen sich Investoren neben den Financial und Commercial Due Diligences noch stärker auf ESG Due Diligences fokussieren.“ Das heißt: Kein Investor und kein Immobilienunternehmen wird mittel- bis langfristig um ESG herumkommen. Nur diejenigen, die das E, das S und das G in ESG ausgewogen und auf Basis sinnvoller, nachhaltiger Stakeholder-Analysen in ihren Geschäftsmodellen und Unternehmensstrategien implementieren, werden für sich und die Stakeholder Mehrwert generieren, damit auch den langfristigen Unternehmenserfolg sichern und von ESG klar profitieren können.
Rolle der Digitalisierung
„Strategische Positionierung und Ziele vorausgesetzt, gilt es, alle Produkte sowie Prozesse, Mitarbeitende und IT Schritt für Schritt mit ESG zu durchdringen“, so Buchelt. „Weil kurzfristige Erfolge und Lernprozesse dabei wichtig sind, braucht es besonders am Anfang pragmatische, schnelle Lösungen statt eines perfekten Big Bang. Messen, Steuern, Optimieren, Kompensieren und Berichten – in diesen Dimensionen findet die Umsetzung statt.“ Richter merkt an, dass die Digitalisierung im ESG-Bereich denselben Stellenwert in Unternehmen haben sollte, wie Finanzdaten. „Es gilt, Systeme und Prozesse zu implementieren, die einerseits
Artenvielfalt
Klima
Wasser
Environment (Umwelt)
Ressourcenknappheit
ESG-Kriterien
Ernährungssicherheit Demografischer Wandel Risiko- und Reputationsmanagement
Social (Soziales)
Korruption
Governance (Unternehmensführung)
Compliance
Mitarbeiter Sicherheit und Gesundheit Aufsichtsstrukturen
eine Compliance mit den Taxonomie-Anforderungen gewährleisten, andererseits darüber hinaus auch eine fundierte Basis für Investitions- und Desinvestitions-Entscheidungen bieten.“ Dazu ist es notwendig, passende Systeme für die eigenen Portfolios zu finden, die neben klassischen Asset Management-Daten auch ESG-Daten in Echtzeit und mit hoher Datensicherheit ausgeben können, etwa den laufenden CO 2-Ausstoß. „Nur wenn ESGrelevante Daten in Echtzeit und mit hoher Datensicherheit vorliegen, können diese im Rahmen der jeweiligen Immobilienzyklen Risiken rechtzeitig identifiziert, ausgewertet und adressiert werden“, so Richter weiter. Wird ein Unternehmen im Tagesgeschäft in Hinblick auf ESG-Kriterien geführt, sind also jederzeit wichtige Management-Entscheidungen davon beeinflusst, dann muss das Unternehmen auch in sehr hoher Frequenz aktuelle Daten erheben, messen und auswerten können. Und das funktioniert nur mit digitaler Technologie.
Hellmuth führt dazu praktische Beispiele an: Im Betrieb kann mittels Sensorik die Flächenauslastung, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO 2-Sättigung gemessen, alles im Verhältnis zueinander analysiert, darauf basierend automatisch Beleuchtung, Belüftung sowie Klimatisierung gesteuert und so Energie gespart werden, wo vorher dauerhaft das Licht brannte und die Heizung bei geöffnetem Fenster durchgehend lief. „Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor einer Ankaufsentscheidung. Welchen Einfluss hätte der Ankauf auf die Portfolioperformance? Erfüllt das Portfolio noch seine Emissionsziele? Werden die CO 2 -Kosten über den gesamten Verlauf der langfristigen Haltedauer zu hoch? Das sind Fragen, die man sich beim Ankauf heute stellen muss, deren Beantwortung ohne digitale Technologie aber Wochen dauert“, so Hellmuth weiter und spannt den Bogen von den Transaktionen zum Asset Management: Ein Portfolio soll weniger Emissionen verursachen. Dafür gibt es ein bestimmtes Budget. „Was machen Sie: Alle Gebäude dämmen? Aber jede Immobilie ist einzigartig. Vielleicht benötigen manche eine
Alexander Hellmuth, EY
bessere Dämmung, andere aber eine neue Heizung oder Beleuchtung“, führt der EY-Berater aus. „Bei mehreren hundert Gebäuden einen Maßnahmenmix zu finden, der einerseits die Emissionen minimiert, gleichzeitig die Rendite maximiert – so etwas schafft man nicht mit dem Taschenrechner.“
ESG-PropTechs
Aktuell beschäftigt sich eine große Anzahl an innovativen PropTech-Unternehmen mit ESG. „Wichtig ist, auf Basis der eigenen ESG-Analysen die für sich und seine Portfolien angepassten wichtigsten Bereiche zu definieren und auf dieser Grundlage den richtigen Anbieter von ESG-Lösungen zu finden“, so Richter. Eine sehr gute Gelegenheit, um sich einen Überblick über die Möglichkeiten von PropTechs und die diversen Anbieter zu verschaffen, ist z.B. die im März stattfindende „Real PropTech Pitches“ Veranstaltung oder „Real PropTech“ Messe im September.
Späte Erkenntnis
Rund 35 Prozent des Gesamtenergiebedarfs entfallen auf den Gebäudesektor, da stellt sich die Frage, ob die ESG-Richtlinien nicht zu spät kommen. „Dafür, dass die Klimakrise seit Jahren bzw. eigentlich Jahrzehnten absehbar war, kommen diese strengeren Vorgaben sehr spät“, bestätigt Richter. „Es ist quasi 5 vor 12. Dadurch wurden auch in den letzten Jahren noch viele Gebäude entwickelt und gebaut, die in Zukunft wohl zu ‚stranded assets‘ werden, wenn nicht entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.“ Für Merl ist die Frage weniger, ob die EU-Vorgaben zu spät kommen, sondern vielmehr, ob sie genügen, um die gesteckten Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen zu erreichen. „Gebäude sind dafür ein wesentlicher Baustein und daher auch beim Green Deal ein wesentlicher Teil“, so Merl. „Förderungen zur Verbesserung der Performance des Gebäudesektors sind vorhanden und werden auch verwendet. Letztlich stellt sich aber auch die Frage, ob die Taxonomie-VO ausreichend ist oder ob hier strengere Maßnahmen mit konkreten Grenzwerten notwendig wären.“ Da unser Leben nun mal überwiegend in Gebäuden stattfindet, wird der Gebäudesektor prozentual also immer einen hohen Energiebedarf haben. „Es geht auch nicht nur darum, den Energieverbrauch zu senken, sondern ihn nachhaltiger zu gestalten“, so Hellmuth. „Sicher ist es immer besser, mit großen Aufgaben früher als später anzufangen. Einzelne Vorreiter gab und gibt es auch in der Immobilienwirtschaft. Für viele war die Thematik aber bislang schlecht greifbar und selbst mit den besten Absichten kaum in konkrete Handlungen umzusetzen. Für den Großteil der Unternehmen stellen die ESG-Kriterien und neuen regulatorischen Vorgaben dadurch sehr hilfreiche Leitplanken dar, an denen man sich erstmals gut orientieren und messen kann.“ Buchelt sieht beim Thema ESG kurzfristig mehr Unsicherheit, aber auch mehr Innovation und mehr Differenzierung. „Die Quick-Wins werden gehoben, z.B. im Stromeinkauf oder bei der Anlagensteuerung“, so Buchelt. „Wirtschaftliche energetische Maßnahmen werden angegangen, und steigende CO2 -Preise machen weitere Maßnahmen wirtschaftlich. Wir sehen neue Dienstleistungsangebote, und Fortschritte beim Einsatz ökologischer und sozialer Baustoffe und -methoden. Langfristig wird Nachhaltigkeit der Branche sicher gut tun, aber es könnten auch die Zielkonflikte zwischen Ökologie, Sozialem und Finanziellem deutlicher zu Tage treten.“
Dennoch werden die Taxonomiekriterien für ökologisch nachhaltige Immobilienaktivitäten als Fortschritt gesehen, weil sie für Transparenz sorgen werden. Sie sind ambitioniert und legen die Messlatte hoch. Sie sind vergleichsweise einfach, und deshalb natürlich nicht perfekt. Vor allem fehlen noch die wichtigen Kriterien für die Kreislaufwirtschaft, zu der die Bau- und Immobilienwirtschaft auch einen erheblichen Beitrag leisten kann. Und es fehlt an etwas Vergleichbarem für sozial nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten.
Zukunftssicherheit
Dass Immobilien nur mit ESG zukunftssicher sind, wird von allen vier Beratern eindeutig mit Ja beantwortet. Schließlich will kein Unternehmen höhere Kosten im Bestand und Preisabschläge bei einer zukünftigen Veräußerung in Kauf nehmen. „Die Nachhaltigkeitsaspekte
werden ja bereits heute stärker beachtet und Immobilien mit hoher ökologischer, sozialer und finanzieller Nachhaltigkeit erzielen die höchsten Preise“, so Buchelt. „Die Wirkmechanismen der Dekarbonisierung der EU sind aber vergleichsweise komplex, sie greifen in Mietmärkte, Kapitalmärkte, Märkte für Güter und Leistungen gleichermaßen ein. Mittelfristig sorgen die niedrigen Zinsen für viel Liquidität im Markt, was eine schnelle und deutliche Differenzierung der Preise etwa im Sinne eines Green Premium oder Black Discount verzögern dürfte. Die Lage ist also eher undurchsichtig für Investoren wie für Bewerter. Langfristig spricht natürlich einiges dafür, dass nachhaltige Immobilien im Vergleich wertstabiler und risikoärmer sein können als weniger nachhaltige Gebäude.“ Die ESG-Performance ist stark von Investoren getrieben, die immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit legen, andererseits auch von der Finanzseite – etwa, wenn Banken bei Finanzierung, Krediten oder Investitionen die ESG-Performance in ihre Rechenmodelle einpreisen und so die Finanzierungskosten je nach Nachhaltigkeitsleistung variieren. „Die Folge daraus ist, dass Gebäude energieeffizienter und ökologischer gebaut oder saniert werden, um sich Finanzierungsvorteile zu verschaffen oder Zugang zu Förderungen im Rahmen des Green Deals zu erhalten“, so Merl.
Rentabilität
Da Mieter immer mehr nachhaltige Gebäude nachfragen, ist langfristig auch mit höheren Mieteinnahmen zu rechnen. Investitionen werden sich langfristig nicht nur lohnen, sondern notwendig sein. Es gilt, die Anforderungen der Stakeholder zu bedienen. „Niedrigere Renditen für ESG-konforme Gebäude bedeuten höhere Verkaufspreise, einen geringeren Investitionsbedarf, niedrigere Finanzierungskosten und ein geringeres Risiko für Leerstand und Mietausfall“, fügt Richter hinzu. Zusätzlich ist die Schaffung höherer sozialer Akzeptanz ein Asset. Die Bekämpfung des Klimawandels, ein geringerer CO2-Fußabdruck, gute Unternehmensführung, gute Behandlung von Arbeitnehmern und Interaktion mit der Umgebung sorgen dafür. „Am Anfang stehen sicher die hochrentierlichen Maßnahmen auf dem Plan und es gibt neue Opportunitäten für die Mutigen, die Pioniere, die auch ein entsprechendes finanzielles Risiko beinhalten“, so Buchelt. „Später ist es bei ESG-Maßnahmen sicher nicht anders als bei einem herkömmlichen Instandhaltungsstau. Kurz- und mittelfristig lässt sich einiges herauszögern, aber irgendwann materialisieren sich Verluste an Ertragskraft und Wert. Und dann werden die Maßnahmen auch wirtschaftlich sein.“
Neubewertung von Immobilien
Kommt es durch ESG zu einer umfassenden Neubewertung von Immobilien am europäischen Markt? „Diese wird schon allein aufgrund der Taxonomie-VO durchgeführt werden müssen“, so Merl. „Denn Unternehmen, die unter die EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung fallen, müssen den Anteil jener Umsätze, Betriebs- und Investitionskosten, die gemäß TaxonomieVO nachhaltig sind, offenlegen.“ Das betrifft die Immobilienwirtschaft sowohl direkt als auch indirekt – etwa über die finanzierenden Banken, die diese Informationen von den Immobiliengesellschaften benötigen, um ihre Anforderungen aus der Taxonomie erfüllen zu können. „Unternehmen, die an ihrer ESG-Performance arbeiten, weisen bereits jetzt auch eine langfristig stabilere Finanzperformance auf“, so Merl. „Durch das steigende Interesse der Investoren, die regulatorischen Anforderungen und den gesellschaftlichen Druck werden in Zukunft nur jene Unternehmen am
„Unternehmen sollten sich so schnell wie möglich mit dem Thema ESG auseinandersetzen.“
Stefan Merl, Deloitte Österreich
Markt erfolgreich sein, die nachhaltig agieren. Und letztlich sind effizientere Gebäude im Betrieb kostengünstiger.“ Richter sieht vor allem, dass Core/Core+ Liegenschaften in Prime Locations, die ESG-Standards erfüllen, von diesem Trend profitieren werden. „Liegenschaften, die ESG-Standards erfüllen, zeigen niedrigere Cap Rates, ergo höhere Verkaufspreise und niedrigere Finanzierungskosten für diese Liegenschaften.“
Zusammenfassend kann man sagen, es führt kein Weg an ESG vorbei: Der Druck am Markt ist groß, für die Umwelt ist es unumgänglich und letztlich ist es eine Reputationsfrage für alle Unternehmen.