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ESG IM BANKENSEKTOR
Nachgefragt. ESG-Risiken betreffen Banken in vielen Bereichen. Angefangen bei der Geschäftsstrategie über das Risikomanagement bis hin zur Governance. Ein Status quo, den Immobilienbereich betreffend, von RBI, Oberbank, Erste Bank und UniCredit Bank Austria.
Autor: Lisa Grüner
Die EU verfolgt das Ziel, nachhaltiges Wirtschaften zu fördern und die Finanz- und Kapitalmärkte in der Förderung dieses Ziels einzubinden. Dazu kommt, dass die Europäische Bankaufsichtsbehörde einen Bericht zu einer möglichen Berücksichtigung von ESG-Risiken in der Prüfung und Beurteilung von Banken durch den Regulator vorgelegt hat und gemäß NFRD (Non-financial Reporting Directive bzw. EU-Richtlinie 2014/95/EU) eine verpflichtende Offenlegung von ESG-Risiken durch Banken zu erfolgen hat. Insbesondere schreibt Artikel 8 vor, dass Unternehmen, die der NFRD unterliegen, in ihrem nichtfinanziellen Abschluss darüber berichten müssen, wie und in welchem Umfang die Aktivitäten des Unternehmens mit umweltverträglichen wirtschaftlichen Aktivitäten verbunden sind, einschließlich dem Anteil ihres Umsatzes, der aus Produkten oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten stammt, die als umweltverträglich gelten, und dem Anteil ihrer Investitionen im Zusammenhang mit Vermögenswerten, die als umweltverträglich gelten. Die TEG hat zudem einen „Usability Guide“ zum EU Green Bond Standard (GBS) veröffentlicht. Dieser beinhaltet praktische Leitlinien für zukünftige Emittenten von EU Green Bonds. Darüber hinaus erfährt das Thema Nachhaltigkeit immer mehr Bedeutung in der öffentlichen Wahrnehmung, aber ebenso seitens der Investoren und Kunden. Im Banksektor ist Nachhaltigkeit aber schon länger ein Thema.
Nachhaltigkeitsrisiken
Nachhaltigkeitsrisiken umfassen Risiken im Hinblick auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. „Nachhaltigkeitsrisiken und insbesondere Klimarisiken können nicht nur die Performance einzelner Vermögenswerte und Finanzmarktteilnehmer, sondern potenziell auch die Finanzstabilität selbst negativ beeinflussen“, erklärt Andrea Sihn-Weber, Leiterin Nachhaltigkeitsmanagement der RBI. Von Klimarisiken sind all jene Risiken umfasst, die durch den Klimawandel entstehen oder die infolge des Klimawandels verstärkt werden. Unternehmen und deren Wertschöpfungsketten, insbesondere Lieferanten, können direkt oder indirekt betroffen sein (z.B. durch sich ändernde klimatische Rahmenbedingungen und Naturgefahrenpotenziale, regulatorische Vorgaben im Klimaschutz oder durch technologische Entwicklungen und gesellschaftliche Veränderungen). Klimarisiken lassen sich in zwei Risikokategorien einteilen, die jedoch Wechselwirkungen aufweisen können. Dazu zählen die physischen Risiken als Folge veränderter klimatischer Bedingungen und die Transitionsrisiken als Folge der Entwicklung hin zu einer CO 2 -armen Wirtschaft und Gesellschaft. Hinsichtlich der gesellschaftlichen/sozialen Risiken können beispielsweise schlechte Arbeitsbedingungen, Gesundheitsgefährdung und Verfehlungen beim Einhalten der Menschenrechte in Zusammenhang mit getätigten Finanzierungen oder Investments eine Rolle spielen.
Nachhaltigkeit im Portfolio
„Wir sehen ESG als wichtige Chance für langfristiges Wachstum und Nachhaltigkeit“, so Reinhard Madlencnik, Head of Real Estate der UniCredit Bank Austria. „Wir haben unsere Corporate Governance gestärkt, um ESG noch stärker in die Geschäftsstrategie und die Kernaktivitäten unserer Bank zu integrieren. Und zwar von der Kreditvergabe über das Risikomanagement bis hin zu klaren Zielen, um den breiten Zugang zu Finanzmitteln und die Inklusion benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu unterstützen.“ Die Oberbank setzt auf ein nachhaltiges Produktportfolio als Hebel für eine nachhaltige Entwicklung von Gesellschaft und Umwelt. „Als Kreditinstitut haben wir eine Schlüsselrolle im Wandel hin zu einer CO 2-armen Wirtschaft. In Übereinstimmung mit dem Aktionsplan der Europäischen Union zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums beabsichtigen wir, die Kapitalflüsse noch stärker auf nachhaltige Investitionen zu lenken“, so Matthias-Munir Midani, Geschäftsführer der Oberbank Immobilien Service. „Zur
„ESG macht umfangreiches Reporting und Abstimmungen in der gesamten Gruppe erforderlich.“
Andrea Sihn-Weber, RBI
Reinhard Madlencnik, UniCredit Bank Austria
Erreichung dieses Zieles haben wir ein Maßnahmenpaket geschnürt, mit dem wir unser Produktangebot um nachhaltige Alternativen erweitern möchten und eine entsprechende Kreditpolitik etablieren.“
Die Erste Group ist ECORE, dem „ESG Circle of Real Estate“, beigetreten. „Der interdisziplinäre und branchenübergreifende Austausch und das Ziel, einen gemeinsamen Standard zum Scoring von Immobilien zu entwickeln, hat unsere volle Aufmerksamkeit“, konstatiert Wolfgang Hausner, Geschäftsführer der Erste Group Immorent. „Wir beschäftigen uns schon seit vielen Jahren mit sogenannten Immobilienratings etc., jetzt können und wollen wir unsere internen Betrachtungs- und Bewertungsmethoden auch mit den ESG-Kriterien erweitern.“ Für die Erste Group Immorent, die auch als Immobilienentwickler aktiv ist, ist es wichtig, dass die ECORE-Standards europaweit anwendbar und ein verlässlicher Branchenstandard werden. Die UniCredit als paneuropäische Geschäftsbank sieht sich als Global Player und ist eine der ersten Adressen bei ESG-Finanzierungen. „Wir sind ein strategischer Finanzpartner für unsere Kunden zum Thema ESG“, so Madlencnik. „Unternehmen brauchen Beratung und Betreuung, wenn sie den Weg von der klassischen hin zur nachhaltigen Finanzierung einschlagen wollen. Denn dieser Weg ist immer auch mit Neuerungen und Umstellungen verbunden.“
ESG und Liquidität
„Die ESG-Kriterien im eigenen Unternehmen zu berücksichtigen wird immer wichtiger, wenn es darum geht, den eigenen Zugang zu Liquidität sicherzustellen – gerade auch in anhaltend schwierigen Wirtschaftsphasen“, so Madlencnik. „Umweltrisiken etwa fließen im Rahmen der Beurteilung des kommerziellen Risikos bereits jetzt in die Gesamtbeurteilung von Unternehmen ein, das wird aber in Zukunft noch viel stärker der Fall sein.“ Das bedeutet, dass Unternehmen, die die Umweltstandards nicht erfüllen, in Zukunft einen deutlich erschwerten Zugang zu Kapital haben werden. „Wir haben ein sogenanntes Technisches Objektrating (TOR) und Location Rating (LOR) entwickelt, welche bereits gruppenweit Anwendung finden, und werden ab sofort die durch unsere ECORE-Teilnahme gewonnenen neuen Erkenntnisse und Kriterien diesen hinzufügen“, so Hausner. „Somit fließen die ESG Kriterien nun auch in unsere Investment- und Kreditentscheidungen ein.“ Bei der RBI erfolgte eine Erweiterung der Information in Bezug auf die Kreditpolitik und Kreditentscheidungsprozesse bzw. des ESG-Bewertungsprozesses und der diesbezüglich relevanten Kennzahlen. „Darüber hinaus haben wir erstmals ein TCFDIndex integriert“, so Sihn-Weber.
Immobilienfonds
Die Thematik rund um ESG gewinnt auch in alternativen Anlageklassen wie Immobilien an Bedeutung. Im Immobilienbereich sollen diese Aspekte sowohl in der Immobilienentwicklung (umweltfreundliche Materialien, Reduktion von Abfällen usw.), in der Nutzung (Energieeffizienz, geringer Ressourcenverbrauch) als auch im Umgang mit Mietern, der Gesellschaft und Arbeitern berücksichtigt werden (gerechte Entlohnung von Arbeitern, keine Diskriminierung). „Besondere Berücksichtigung erfahren solche Überlegungen in Emerging Markets, wo es zu beachten gilt, dass
etwa Korruption ausgeschlossen wird oder Naturschutzgebiete nicht zerstört werden“, so Midani. „Diese Überlegungen betreffen die gesamte Wertschöpfungskette der ImmoBranche.“ Die konkreten Auswirkungen auf Immobilienfonds sind noch nicht eindeutig abzusehen. Bei Veranlagungen in ImmobilienAktien, wie dies im Rahmen der 3 Banken Immo-Strategie erfolgt, wäre ein Screening der Unternehmen nach ESG-Gesichtspunkten vorzunehmen, was aktuell noch nicht geschieht. Aber solche Immobilienfonds profitieren natürlich davon, wenn immer mehr börsennotierte Immobilien-Unternehmen verstärkt ESG-Prinzipien miteinbeziehen. Der Einfluss von ESG auf Immobilienfonds ist daher noch nicht ganz so stark ausgeprägt, wie man das in anderen Sektoren beobachten kann, aber es ist zu erwarten, dass auch Immobilienfonds vermehrt ESG-Kriterien in den Research- und Veranlagungsprozess aufnehmen werden. Das aktuelle Angebot an ESG-Immobilienfonds ist jedenfalls noch sehr überschaubar.
Thema Digitalisierung
„Das Management von ESG-Risiken stellt uns unter anderem im Bereich des Datenmanagements vor neue Herausforderungen“, erzählt Midani. „Wir beschäftigen uns derzeit zum Beispiel mit der Implementierung eines Systems zur Einschätzung und Beurteilung von Nachhaltigkeitsrisiken in unserem Kreditportfolio. Auf Basis dieses Systems werden wir unser Kreditportfolio in Richtung eines nachhaltigen Portfolios weiterentwickeln.“
Veränderungen in der Immo-Branche
„Wir verbringen einen Großteil unseres gesamten Lebens in Gebäuden. Angefangen mit dem Kindergarten und der Schule, dem Arbeitsleben im Büro, dem Einkaufen im Shopping-Center bis zum Urlaub im Hotel“, so Midani. „Die Immobilienbranche ist daher in der Pflicht, weil die Gebäude einen hohen Anteil am CO 2 -Ausstoß verursachen. Deshalb ist die gesamte Branche aufgerufen, für ihren Bereich Strategien zu entwickeln, um nachhaltige Trends zu setzen.“ Die langfristigen Veränderungen sieht er darin, dass sich alle Projekte und Aktivitäten an der Nachhaltigkeit der ESG-Richtlinien orientieren werden. Und die Branche sollte diese Vorgaben auch als Chance sehen, sich einerseits am Markt neu positionieren zu können und gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
„Neben der höheren Nutzungsqualität und offensichtlichen Vorteilen für die Gesellschaft sind nachhaltig errichtete Gebäude auch langfristig wirtschaftlicher“, ergänzt Madlencnik. „Das beginnt mit einem geringeren Ressourcenverbrauch, setzt sich fort mit der einfachen Reparierbarkeit von Gebäudekomponenten sowie besserer Vermietbarkeit und endet mit der kostengünstigen Entsorgung von Bauteilen.“
Hausner glaubt an eine wesentliche Veränderung. „Die gesamte Branche mit der zusammenhängenden Wertschöpfungskette hat nun ein gemeinsames Ziel, und kurzfristige Arbitragen werden keine Nachhaltigkeit erfahren bzw. keinen Investor mehr finden“, erklärt er. „Die ESG-Kriterien haben bei vielen das Bewusstsein unseres Wirkens massiv positiv beeinflusst – und sie werden das noch mehr tun. Manche mögen das als notwendiges Übel abtun und wollen noch immer ihre Produkte in altgewohnter Weise herstellen und verkaufen,
„Das Management von ESG-Risiken stellt das Datenmanagement vor Herausforderungen.“
Wolfgang Hausner, Erste Group Immorent
doch das wäre weder Entwicklung noch Fortschritt noch Evolution – und auch nicht verantwortungsvoll gegenüber der Gesellschaft und zukünftigen Generationen.“ Midani ergänzt, dass es aus Sicht der Bautechnik viele Möglichkeiten, angefangen bei Solaranlagen über nachhaltige Baustoffe bis zu smarter Regelungs- und Steuerungstechnik für Heizungs-, Wasser- und Stromverbrauch, gibt, um einzusparen.
Einen weiteren Schwerpunkt sieht Sihn-Weber im weiteren Ausbau der internen ESG-Kompetenz, um sicherzustellen, dass entsprechende Produkte und Beratungsdienstleistungen im Bereich nachhaltige Finanzen und Investitionen überhaupt angeboten werden können.
Neubewertung von Immobilien
„Wir gehen derzeit nicht von einer umfassenden Neubewertung von Immobilien am europäischen Markt aus“, so Midani. „Wir glauben aber, dass sich viele neue Projekte an den ESGFaktoren ausrichten werden und die Nachhaltigkeit eine große Rolle spielen wird.“ Die Zertifizierungen von Gebäuden werden die Projekte verändern und daran werden sich auch alle Stakeholder in Zukunft richten. Hausner sieht eine mittelfristige Neubewertung für Commercial Real Estates. „Für sonstige klassische Anlage- und Deckungsstock-Portfolien wird diese Entwicklung langsamer sein. Ad hoc denke ich, dass es aufgrund der Überliquidität am Kapitalmarkt und der Niedrigzinspolitik in den nächsten Jahren nicht spürbar zu Kapitalabflüssen aus Immobilien kommen wird und die Nachfrage hoch bleibt – und damit verbunden auch die Bewertungsansätze“, so Hausner. „Im nächsten Aufwärtszyklus und der damit potentiell verbundenen Zinshochphase wird das aber ein Thema, da dann wieder andere Produkte für Investoren interessanter werden und der sichere Immobilienhafen vielleicht schneller verlassen wird.“ Auch Madlencnik rechnet eher mit einer mittelfristigen Neubewertung. „Abschätzen kann man heute nur die Richtung, soll heißen, ein energetisch ineffizientes Gebäude wird durch höhere Energiekosten, schlechtere Vermietbarkeit und hohe Sanierungs- bzw. Recycling-Kosten sicher deutlich rascher und stärker an Wert verlieren als ein ESG konformes Gebäude“, ergänzt er.
Fazit
Ob sich die Kosten bzw. Investitionen rechnen werden, hängt davon ab, ob der Markt bereit ist, diese Kosten auch zu tragen. Es ist eine Sache, bei Projekten ESG-Faktoren anzuwenden, aber wieder eine andere, ob alle Stakeholder, wie zum Beispiel Investoren, Fonds, Anleger und Mieter, auf die gestiegenen Kosten reagieren werden. Für die Nachhaltigkeit und den Umweltgedanken werden sich die erhöhten Kosten auf jeden Fall rechnen, nur müssen eben alle bereit sein, diese Ausgaben mitzutragen. Immobilien mit einem besseren ESG-Scoring sind künftig fungibler und werden deshalb stärker nachgefragt werden. Beobachtet man den Investorenmarkt, ist gut sichtbar, dass viele, auch Kleininvestoren, nur noch Green Building Fonds nachfragen. Viele Fonds reagieren schon auf diese Entwicklung und bieten entsprechende Investmentmöglichkeiten an, auch wenn sie etwas weniger Rendite bringen. ESG-Immobilien sind damit etwas zukunftssicherer. Ob das dann das Ende der Entwicklung ist? Vermutlich nicht, denken Sie etwa an Gebäude aus dem 3D Drucker, neue Baustoffe und Energiekonzepte.