20 JAHRE Stadt the ate r B o zen 1999
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S T IF TUNG STADTTH E AT E R U ND KO NZ E RTHAUS B OZE N Verdiplatz 40 39100 Bozen info@stiftungstadttheater.bozen.it www.stiftungstadttheater.bozen.it
IM PRE SSUM © Stiftung Stadttheater und Konzerthaus Bozen | Verdiplatz 40 | 39100 Bozen In Zusammenarbeit mit Teatro Stabile di Bolzano, Vereinigte Bühnen Bozen, Stiftung Haydn von Bozen und Trient ED IT ING Claudia Cannella REDAKTION Mariaclara Pagano, Stefano Cattozzo, Helena Soppera Ü B ERSE TZUNGE N Helena Soppera, Monica Rungaldier, Roberta Cattoni, Stefano Cattozzo F OTO Federico Pedrotti, S. 2, 7, 12, 14, 15, 18, 30, 31 | Franco Tutino, S. 4, 20 | Archiv SST, S. 5 | Stadtarchiv Bozen, S. 6, 9 | Archiv Haus der Kultur Walther von der Vogelweide, S. 10 | Archiv Kleinkunsttheater Carambolage, S. 10 | Archiv Schloss Maretsch, S. 11 | Archiv Stadtklub Bozen, S. 11 | Archiv Stadtgemeinde Bozen, S. 11 (Stadttheater Gries) | Hermann Maria Gasser, S. 16, 23, 28 (J. Gschnitzer) | Tommaso Le Pera, S. 22, 26 (P. Bonacelli), 28 (P. Milani) | Christoph Sebastian, S. 23 | Claudia Corrent, S. 24 | Angelo Redaelli, S. 25 (G. Mauri, R. Sturno) | Raffaello Raimondi, S. 26 (C. Abbado) | Filippo Milani, S. 26 (G. Lavia) | Gianmarco Chieregato, S. 26 (A. Gassmann) | Claudio Porcarelli, S. 27 (M. Melato) | Roberto Cifarelli, S. 27 (P. Fresu) | D. MatvejevC, S. 27 (E. Nekrošius) | Valentina Cenni, S. 27 (S. Bollani) | Gioia Casale, S. 27 (P. Rossi) | Fiorenzo Niccoli, S. 28 (P. Poli) | Yasmina Haddad, S. 28 (G. Drassl) | Gregor Khuen Belasi, S. 28 (L. Spisser), (L. Lobis, T. Hochkofler), 29 | Sabine Hauswirth, S. 28 (M. Futterknecht) | Othmar Seehauser, S. 32 G RAFIK DESIGN blauhaus.it, Bozen D RUCK Karo Druck KG Juli 2019
IN HA LT DA S W O RT DEN I NSTITUTIONEN
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Renzo Caramaschi, Bürgermeister von Bozen ______________________ 2 Arno Kompatscher, Landeshauptmann der Provinz Bozen – Südtirol ______________________________________ 4 Chiara Tanesini, Präsidentin der Stiftung Stadttheater und Konzerthaus ________________________ 5
WA RU M N U R 2 0 JAHRE?
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Theaterstätten in Bozen, von Massimo Bertoldi _____________________ 8 Die wahre Geschichte des neuen Theaters, von Marco Bernardi_______ 12 Die Skepsis der deutschsprachigen Bevölkerung, von Waltraud Staudacher __________________________ 16
WA S I ST I N DI ESEN 20 JAHREN PASSIERT?
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Die Stiftung Stadttheater und Konzerthaus, von Manfred Schweigkofler und Mariaclara Pagano________________ Das Teatro Stabile di Bolzano, von Marco Bernardi und Walter Zambaldi _______________________ Die Vereinigten Bühnen Bozen, von Thomas Seeber und Irene Girkinger_________________________ Die Stiftung Haydn von Bozen und Trient, von Valeria Told __________
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FU N K EL N DE ST ER NE IM TEMP EL VON ZANUSO
von Fabio Zamboni__________________________________________ 25
T H EAT ER ST I MMEN
Hinter den Kulissen ... _______________________________________ 30 Wir, von außen gesehen ... ____________________________________ 32
RENZO CARAMASCHI*
Der Bau des ersten öffentlichen Theaters der Stadt
Bozen im Bahnhofspark, das den historischen Fotografien aus dem Archiv nach zu urteilen prächtig gewesen sein muss, ist auf Bürgermeister Julius Perathoner zurückzuführen. Das Teatro Civico/Stadttheater war von Max Littmann geplant worden, dem damaligen Stararchitekten aus München, und wurde am 14. April 1918 eröffnet, dann aber leider durch die Bombenangriffe des Zweiten Weltkrieges am 2. September 1943 zerstört. Nach dem Krieg begann eine lange Diskussion über seinen Wiederaufbau; Bozen musste jedoch ganze 56 Jahre lang auf ein neues eigenes Theater warten. Das neue Stadttheater wurde vom Mailänder Architekten Marco Zanuso geplant und in nur vier Jahren errichtet. Die Einweihung fand am 9.9.1999 in Anwesenheit des damaligen Vizepräsidenten des Ministerrates Sergio Mattarella statt. Beim Durchstöbern der Archive wird mir klar, dass die Kulturprogramme in diesen zwanzig Jahren aktuelle kulturelle Debatten unserer Zeit widergespiegeln und dabei
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DAS WORT DEN INSTITUTIONEN
das richtige Maß an Tradition und Forschung, nationaler Dramaturgie und ausländischem Repertoire sowie eine weitläufige Palette an Musik mit großen Jugendorchestern, berühmte Opern und internationalen Tanz geboten haben. Das kulturelle Angebot stellte immer wieder aktuelle Fragestellungen in den Mittelpunkt, und wurde dabei dank der aufmerksamen Tätigkeit der ansässigen Vereine (Teatro Stabile, Vereinigte Bühnen) den verschiedenen Seelen der Stadt gerecht. Auch die Stiftung Stadttheater, welche die Führung des Theaters innehat, konnte sich mit den eigenen Theaterbelegschaften - auch in der internationalen Szene - behaupten und dank der Leidenschaft aller Beteiligten einen wichtigen Beitrag zum allabendlichen Zauber der Bühne leisten. Ich wünsche unserem Theater, diesem magischen Topos, sich immer mehr als Ort zu etablieren, an dem die Durchforstung des menschlichen Bewusstseins und Unterbewusstseins in den verschiedensten Ausdrücken der humanen Kreativität aufzublühen und uns viele Momente kulturellen und gesellschaftlichen Wachstums zu gewähren vermag. 3 * Bürgermeister von Bozen
A R N O KOM PAT S C H E R *
Die „Stiftung Stadttheater und Konzerthaus Bozen“ wurde 1999 von der Gemeinde Bozen und der Autonomen Provinz Bozen gegründet, um die drei Sprachgruppen in Südtirol unter einem gemeinsamen Dach zu vereinen. Das Stadttheater, damals mit ziemlich heftiger Kritik am Standort und zugleich am architektonischen Konzept erbaut, ist heute eine Struktur, welche sich über die Jahre zu einem Fixpunkt der Südtiroler Kulturszene entwickelt hat. Als Schnittstelle der Kulturen und Sprachen wurde das Stadttheater gemeinsam mit dem Konzerthaus Bozen in der Dantestraße innerhalb weniger Jahre zu einer Erfolgsgeschichte. Gepaart mit dem innovativen Angebot, welches auf oft unkonventionelle Weise zentrale Themen der gesellschaftlichen Diskussion aufgreift oder hinterfragt, hat sich die „Stiftung Stadttheater und Konzerthaus Bozen“ über die Jahre große Anerkennung im In- und Ausland erarbeitet. Davon zeugen auch die zahlreichen Koopera-
Salome, SST 2011/12
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tionen mit international renommierten Schauspielhäusern und Orchestern. Als Land mit einer starken Verwurzelung und vielen gelebten Traditionen, ist es besonders wichtig, den Blick nach außen und für Neues zu öffnen. Theater- und Konzerthaus bieten dazu die ideale Struktur. Das zwanzigjährige Bestehen der „Stiftung Stadttheater und Konzerthaus Bozen“ nehme ich zum Anlass, um allen, die in der Stiftung Verantwortung tragen und getragen haben, meine Anerkennung auszusprechen. Im Bewusstsein, dass es nicht immer einfach ist, die verschiedenen Interessen der „Hausherren“ in Einklang zu bringen, gilt der Stiftung meine Anerkennung und zugleich mein Dank. Den Mitgliedern des Verwaltungsrats und dem Team rund um die Direktorin Mariaclara Pagano gratuliere ich zur erfolgreichen Tätigkeit und wünsche für die Zukunft weiter viel Erfolg! * Landeshauptmann der Provinz Bozen – Südtirol
Dolomytica, SST 2002
C H IA R A TA N E SI N I *
Ich hatte das Glück, das Stadttheater seit seiner Geburtsstunde in all seinen Facetten zu erleben. Am Tag der Einweihung, dem 9.9.1999, war ich als Solo-Tänzerin auf der Bühne. Anschließend, in der Zeit als Manfred Schweigkofler Direktor der Stiftung Stadttheater und Konzerthaus war, entwickelte ich die Choreographien zu Dolomytica (2002), Rockquiem (2004) und Il filo di Arianna (2007). Seit 2016 bis heute lebe ich das Theater in meiner Rolle als Präsidentin der Stiftung Stadttheater und Konzerthaus und bringe meine umfangreiche, sich seit jeher um das Theater und die Kultur drehende Erfahrung als Künstlerin, Tänzerin und Choreographin mit ein. Als Präsidentin war und ist es mein Ziel, ein 360-Grad-Theater zu schaffen; das heißt, es zu einem wichtigen Anziehungspunkt für Künstler und Publikum zu machen: ein Theater von allen für alle im Zeichen der Qualität. Um dahin zu gelangen, müssen wir den Weg in Richtung organisatorischer und verwaltungstechnischer Verbesserungen, den wir in den letzten Jahren eingeschlagen haben, fortsetzen. Dies wird dem Stadttheater Bozen den europäischen Charakter verleihen, welchen unsere Stadt verdient und ich werde all meine persönlichen und professionellen Fähigkeiten nutzen, damit dies geschieht. * Präsidentin der Stiftung Stadttheater und Konzerthaus
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Theater zur Kaiserkrone / Stadttheater
Stadttheater / Teatro Civico / Teatro Verdi
Haus der Kultur Walther von der Vogelweide
Stadttheater Gries
Stadttheater
18 0 5- 1 90 4 ..................................
1 9 1 8 - 1 9 4 3 ................................
1 9 6 7 ..................................................
1 9 7 0 .................................................
1 9 9 9 .................................................
WA RU M NUR 20 JAHRE? 9.9.1999 Die Eröffnung des Stadttheaters Bozen ist ein denkwürdiges Ereignis. Das Projekt des Architekten Marco Zanuso, das anfangs auf so manchen Widerstand gestoßen war, wird dank der Unterstützung der Stadtbevölkerung ein wesentlicher Bezugspunkt für die kulturelle Szene der Stadt und der umliegenden Gebiete.
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M A S SI M O B E RT O L D I *
Zerstörung, Wiederaufbau und Neubau. Theaterstätten in Bozen im 20. Jahrhundert 1 9 4 3 : BO MBEN Z ER STÖ REN DAS THEATER Hätten die amerikani-
schen Bomben 1943 nicht mehrmals das Theater im Bahnhofspark getroffen, wäre die Theatertätigkeit in Bozen wohl anders verlaufen. Das Stadttheater, für das sich vor allem der Bürgermeister Julius Perathoner eingesetzt hatte, war 1918 feierlich eröffnet worden. Der nach einem Projekt des bayerischen Architekten Max Littmann errichtete Bau umfasste einen Musik- und Theatersaal mit 750 Plätzen. Nach der Schließung des privaten Theaters Zur Kaiserkrone (1805 –1904) am Musterplatz erhielt die Stadt nun endlich wieder ein Theater, zum ersten Mal in öffentlicher Hand, welches 1923 in Teatro Civico und 1938 in Teatro Verdi umbenannt wurde.
AU S T RÜ MMER N AU FER S TAND EN In der Nachkriegszeit zwangen die Trümmer die Stadt, nach neuen Standorten für die kulturellen Aufführungen zu suchen. Für die Konzerte boten sich der große elegante, 1949 eröffnete Konzertsaal im Konservatorium Claudio Monteverdi, die Räume des Stadtmuseums und des Stadtklubs sowie der kleine Saal der Technischen Fachoberschule Battisti an. Ebenso vielfältig waren auch die Standorte, die für die Theatertätigkeiten herangezogen wurden. Etwa zwei Jahre lang war das Teatro del Lavoratore in einer Halle des ehemaligen Durchgangslagers in der Reschenstraße aktiv. Andere Aufführungen fanden in der Sala Veritas von Christ König (das spätere Kinotheater Concordia) statt. 1949 kam das Theater Minerva mit 450 Sitzplätzen in der Trieststraße hinzu, das allerdings 1966 wieder abgerissen wurde, um den Bau der Pfarrkirche zur Hl. Familie zu ermöglichen. DI E BEDEU T U N G DER K I NOTHEATER Neben dieser Vielzahl an
Räumlichkeiten, die hauptsächlich für volkstümliche Aufführungen gedacht waren, gewannen für das Bürgertum auch die Kinosäle immer mehr an Bedeutung. Der wichtigste war sicher das Kinotheater Corso, das nach den Kriegsschäden 1946 schnell wieder aufgebaut wurde. Dort fanden wichtige Musikaufführungen, vor allem aber die ersten Aufführungen der von Fantasio Piccoli gegründeten neuen Kompanie des Teatro Stabile di Bolzano statt. Eine bedeutende Rolle spielte auch das Kinotheater Dante, das ebenso den Bomben erlag, nach dem Krieg als Kino Augusteo wieder aufgebaut und 1999 zu dem heutigen Konzerthaus umgebaut wurde. Zu erwähnen ist auch das Kinotheater Druso, das heute nach einem grundlegenden Umbau Sitz der Eurac ist.
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DER AUF RUH R DER SECH Z I GER U N D S IEB Z IG ER JA H R E In den Sechziger und Siebziger Jah-
ren wurde die Stadt mit neuen Theaterstätten bereichert; diese konnten aber nicht den Umstand vertuschen, dass immer noch ein wahres Stadttheater fehlte. Während die deutsche Kultur mit dem großen Saal im Haus der Kultur Walther von der Vogelweide seit 1967 eine recht stabile Kulturstätte aufzuweisen vermochte, wurde für die italienische Kulturwelt 1963 das Cristallo-Theater in der Dalmatienstraße eingerichtet, das allerdings 1973 aus finanziellen Gründen geschlossen werden musste und erst 2005 nach dem Umbau mit der Planung eines großen Saales wieder seine Tätigkeit aufnahm. 1970 öffnete auch das Stadttheater Gries seine Tore, die sogenannte „Bombonniere”, in der zuvor ein nie eröffnetes Kino geplant gewesen war. Das Stadttheater Gries blieb bis 1999 der Sitz des Teatro Stabile. Die Zuschauer besuchten zudem auch noch andere Räumlichkeiten der Stadt, die zwar nur sporadisch zum Einsatz kamen, aber dennoch bedeutend waren – so zum Beispiel den Kaminsaal im Stadthotel, die große Halle der ehemaligen Messeanlage in der Romstraße, den Hof von Schloss Maretsch oder etwa Schulsäle wie das Auditorium Roen. 1999 wurde zudem das Kleinkunsttheater Carambolage in einem ehemaligen gewölbten Keller, der zuvor als Lager einer Eisenwarenhandlung gedient hatte, mit 99 Sitzplätzen eingeweiht.
9.9.1999: EIN DEN K W Ü R DI GES DAT UM
Vor allem nach dem Brand, der die Schließung des Stadttheaters Gries von 1988 bis 1992 zur Folge hatte, war die Errichtung eines öffentlichen Theaters dringender denn je. Doch das Projekt wollte nicht so recht abheben und stieß immer wieder gegen politische Hürden. Die Einweihung am 9.9.1999 war somit das Ergebnis eines langen, schwierigen geschichtlichen Prozesses, der aber stets von der Leidenschaft und der Teilnahme der Bevölkerung mitgetragen wurde. Heute ist das prächtige Stadttheater am Verdiplatz ein wesentlicher Bezugspunkt des lokalen, kulturellen und gesellschaftlichen Wachstums. * Theaterhistoriker
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M A R C O B E R NA R D I *
Die wahre Geschichte des neuen Theaters von einem Augenzeugen erzählt Ich kann mich gut an das Klima rund um die in den 80er-Jahren heranreifenden bürgerlichen und politischen Debatte über die Notwendigkeit, in Bozen ein öffentliches Theater zu errichten, erinnern. Einerseits hat sich eine regelrechte Volksbewegung zu dessen Gunsten gegründet, mit politischen Interventionen und sogar einer Unterschriftensammlung (welche vom Circolo La Comune in Gang gebracht wurde), andererseits widersetzte sich ein Teil der Bevölkerung hartnäckig dagegen und tat ihr Möglichstes, um die Realisierung des Projekts zu verhindern. Am Tag der Grundsteinlegung, dem 27. Mai 1995, nahmen die Autoritäten, die Vertreter der kulturellen Einrichtungen, die Künstler, die Medien, die Theaterbegeisterten teil, aber auch eine beachtliche Gruppe Demonstranten mit ihren expliziten Schildern: „Theater? Nein, danke!“. Das Theater wurde dank der Gemeinde Bozen und der wirtschaftlichen Unterstützung der Provinz errichtet, doch ich wäre nicht ganz ehrlich, wenn ich nicht auch auf die konstante Bestrebung zur Gründung eines Publikums und eines Theaterbewusstseins in der Gesellschaft aufmerksam machen würde.
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Diese Arbeit wurde vom Teatro Stabile und der Beständigkeit der Kulturräte Claudio Emeri und Claudio Nolet gefördert, welche die Geduld hatten, das Netz der Politik zu spannen. Es bedarf jahrelanger Debatten, ob das Theater nun gebaut werden soll oder nicht und über dessen Standort, dann weitere Jahre, um es zu planen. Der Auftrag wurde an Marco Zanuso erteilt, einem international anerkannten Architekten, welcher kurz davor den neuen Sitz des von Giorgio Strehler geführten Piccolo-Theaters in Mailand entworfen hatte. Die Moral der Geschichte: die Fehler, die dort gemacht wurden, wurden bei uns nicht wiederholt und ich glaube behaupten zu können, dass unser Theater eindeutig besser gelungen sei. Während der vier Baujahre habe ich mindestens einen Tag pro Woche mit den Technikern der Gemeinde und der Firma Rizzani de Eccher auf der Baustelle verbracht, um weiterhin dazu beizutragen kleine aber wichtige Entscheidungen zu treffen (wie man weiß, steckt der Teufel im Detail): es war eine der interessantesten Erfahrungen in meinem Leben. Ein weiteres diskutiertes Thema war die Verwaltung der Struktur. In der Gemeinde dachte man, dass man mit vier, vielleicht fünf Personen alles bewältigen könnte. 13
An einem bestimmten, ziemlich besorgnis erregenden Zeitpunkt sammelte ich eine Reihe von Daten über Theater, die unserem ähnlich waren. Diese Daten wiesen die Notwendigkeit eines verwaltungstechnischen Teams nach, welches deutlich größer war. Also brachte ich sie in die Gemeinde, damit Politiker und Beamte sie einsehen konnten, doch der einzige, der mir versprach, sich persönlich darum zu kümmern, war der Bürgermeister Giovanni Salghetti-Drioli, heute Präsident des Teatro Stabile. Einige Monate darauf, während eines Treffens zwischen dem Stadt- und dem Landesrat, wurde die Entscheidung getroffen, eine Stiftung für die Verwaltung des Theaters und des Konzerthauses zu gründen. Am Anfang war dies ein Schock, wir fühlten uns ein
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wenig „beklaut“, doch jetzt kann man sagen, dass es eine weise, wirksame und demokratische Entscheidung war. Endlich kam die Einweihung: zunächst die traditionelle Arbeiterfeier (lustig und ergreifend) und dann der lang ersehnte 9.9.1999. Am Morgen der Banddurchschnitt mit dem damaligen Vizepräsidenten des Ministerrates Sergio Mattarella und den lokalen Autoritäten, am Abend eine unendliche Eröffnungsvorstellung in drei Sprachen; ein ausverkauftes Theater, Herzklopfen und reichlich Tränen der Befreiung. Besonders waren die darauffolgenden Tage der offenen Tür: das Theater wurde buchstäblich von tausenden neugierigen, ungläubigen und glücklichen Menschen überfallen. Erst nach der ersten Saison 1999/2000 fingen
wir an, uns auszukennen und im Herbst 2000 feierten wir 50 Jahre des Teatro Stabile mitten im Foyer im ersten Stock. Mit der Aufführung des von Renzo Caramaschi gewollten Simon Boccanegra von Giuseppe Verdi, meisterhaft dirigiert von Claudio Abbado am 7. Juni 2001, betrachte ich die „Inbetriebnahme“ des Theaters symbolisch als endgültig bestanden. Heute, zwanzig Jahre später, können wir uns über das, was passiert ist, bewusst werden: wir haben in Zusammenarbeit aller, die daran geglaubt haben, eine der zweckmäßigsten Theaterstrukturen Europas erschaffen, welche von allen beneidet und gelobt wird. Sie besteht aus einer ausgezeichneten technischen Ausrüstung, zwei Theatersälen, einem Probesaal (mit Blick auf den Rosengarten), einem Tanzsaal,
einer Turnhalle, funktionstüchtigen Bühnen für jede Form der Vorstellung, angenehmen Künstlerzimmern für die Künstler, Büros für die drei darin friedlich zusammenlebenden Theaterinstitutionen: die Stiftung Stadttheater und Konzerthaus, das Teatro Stabile di Bolzano und die Vereinigten Bühnen Bozen. Wir können pro Saison mit über zehntausend Zuschauern und hunderten von Künstlern aus aller Welt rechnen: Theater, Oper, Musical, Operette, Tanz und Musik. Der Traum, beziehungsweise die Utopie, ein Theater zu schaffen, welches das multikulturelle Zusammenleben in einer Grenzstadt symbolisiert, hat sich endlich verwirklicht. * Von 1980 bis 2015 Direktor und Regisseur des Teatro Stabile di Bolzano
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WA LT R AU D STAU DAC H E R *
Die Skepsis der deutschsprachigen Bevölkerung und die Geburt der Vereinigten Bühnen Bozen Eigentlich wollte die Gemeine Bozen das Stadttheater allein für das „Teatro Stabile“ als Heimstätte bauen. Der damalige Stadtrat Dr. Gernot Rössler erreichte aber für mich und eine kleine Abordnung von Theaterleuten, u.a. Arch. Zeno Bampi, eine Einsichtnahme in die Baupläne. Dabei bemerkte der damalige Kulturressorchef Dr. Renzo Caramaschi, heute Bozens Bürgermeister, dass die deutsche Sprachgruppe ja über keine Profi-Bühne verfüge und somit im neuen Theater eigentlich nichts verloren hätte. Meine Antwort darauf: „Was nicht ist, kann aber noch werden“. So war es dann auch: 1992 wurde die erste professionelle Bühne Südtirols gegründet: die Vereinigten Bühnen Bozen VBB. Nach Einsichtnahme der Pläne wurden einige Theaterleute von uns und der damalige Obmann Robert Pöder vom Theaterverband aktiv. Wir wollten ein Mitspracherecht für die deutsche Sprachgruppe und ein Hausrecht im neuen Theater erreichen. Da uns aber die geplante Bühne zu groß erschien, schlugen wir eine kleinere Spielstätte zusätzlich vor: eine Studiobühne. Dr. Giovanni Salghetti-Drioli, damals Bozens kommissarischer Verwalter, übernahm den für uns von Arch. Bampi ausgearbeiteten Studio-Bühnen-Vorschlag und beauftragte Arch. Marco Zanuso umgehend mit der Überarbeitung der Pläne.
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Die Walsche, VBB 2009/10
Der Bau begann - stets in Absprache mit den inzwischen gegründeten VBB. Dafür ein Dankeschön dem damaligen Bozner Vizebürgermeister Herbert Mayr und den Stadträten Dr. Inge Bauer Polo und Prof. Claudio Nolet (alle drei leider schon verstorben), aber auch Dr. Martha Stocker, damals Vorsitzende des Ausschusses für Schule und deutsche Kultur in der SVP, und Alt-Landeshauptmann Dr. Luis Durnwalder für ihren Rückhalt in dieser Bauphase, denn unter der deutschen Volksgruppe waren der Bau des Stadttheaters und die inzwischen gegründeten VBB sehr umstritten. Uns wehte von Seiten einiger Presseorgane und auch vieler Theaterleute ein äußerst frostiger Wind entgegen. Darum traute sich auch kein einziger deutschsprachiger Landtagsabgeordneter und Gemeindepolitiker, bei der Grundsteinlegung des Stadttheaters anwesend zu sein. Anwesend war allerdings der Bürgermeister von Innsbruck, Dr. Herwig van Staa. Das Stadttheater ist heute eine der wichtigsten kulturellen Einrichtungen Bozens. Und eine Erfolgsgeschichte! Gratulation! * Präsidentin der Vereinigten Bühnen Bozen in der Bauphase des Stadttheaters
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WA S I S T I N DIESEN 20 JAHREN PA S S I E R T ? 1999
DIE STIFTUNG S TA D T T H E AT E R UND KONZERTHAUS Die Stiftung Stadttheater und Konzerthaus wurde im Jahre 1999 mit dem Ziel gegr端ndet, einen Ort f端r alle zu verwalten. Sie stach immer schon wegen ihrer hochwertigen technischen Kompetenzen hervor, durch welche sie es geschafft hat, einen idealen Lebensraum f端r K端nstler und Veranstalter zu garantieren.
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M A N F R E D S C H W E IG KO F L E R *
EI N T H EAT ER FÜ R A L L E Es war ein Privileg, mit der Aufgabe
betraut zu werden, ein Theater quasi „erfinden“ zu dürfen. So war´s am 1.1.2001, meinem ersten Arbeitstag. Mein Ehrgeiz war, ein im Vorfeld vieldiskutiertes und auch nach der Eröffnung wenig geliebtes Theater für Gesamt-Bozen zu schaffen, ein kulturelles Zentrum für Deutsche und Italiener, für Junge und Alte, für Abonnenten und Gelegenheitsbesucher, Betuchte und Normale, aber auch für Migranten, für Schüler, für Event-Promis. Wir bastelten an einem Landestheater, mit einem einzigartigen Angebot, das es so sonst in Südtirol nicht gab. Wir erfanden eine Opernsaison, eine Tanzsaison, viele einmalige Inszenierungen und Abende, mit Weltstars, aber auch mit vielen innovativen Künstlern. Ich hatte das großartige Privileg das Theater 12 Jahre lang leiten zu dürfen, solange bis eine politische Riege die Leitung übernahm mit einem äußerst bescheidenen Verständnis für Kunst, Kultur und Gesellschaft. * Von 2001 bis 2012 Direktor der Stiftung Stadttheater und Konzerthaus
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Elektra, SST 2009/10
M A R IAC L A R A PAG A N O *
EI N T EAM MIT SOLID EN KOMP ETENZEN
Nach der Verlegung der künstlerischen Tätigkeit im Jahr 2015, verwaltet die Stiftung Stadttheater heute die Räume des Stadttheaters und des Konzerthauses. Diese Räume stehen den verschiedenen Veranstaltern zur Verfügung, in erster Linie dem Teatro Stabile, der Stiftung Haydn, der Vereinigten Bühnen Bozen und auch der Gemeinde Bozen mit den europäischen Jugendorchestern, dem Klavierwettbewerb Busoni, dem Konzertverein, dem Kulturverein L’Obiettivo und vielen anderen. Die Stiftung verwaltet die zahlreichen für die Realisierung der Veranstaltungen erforderlichen Dienste, vom Publikumsempfang über die kommerziellen Dienstleistungen bis hin zur technischen Unterstützung an den Gastensembles. Sie sorgt außerdem für die Instandhaltung der Strukturen. Das Team der Stiftung ist durch seine feste und markante professionelle Identität geprägt, es steht im Zeichen von Servicequalität, für die es immer große Anerkennung erntet. Die Stiftung setzt ihren Weg in Richtung technischer und fachspezifischer Verbesserung und Verstärkung der eigenen Kompetenzen fort mit dem allgemeineren Ziel, die Kultur in unserem Land in den Vordergrund zu stellen. * Seit 2016 Direktorin der Stiftung Stadttheater und Konzerthaus 21
Tempo di Chet, TSB 2018/19 Il Gabbiano, TSB 2008/09
TSB
Marco Bernardi hat während seiner langen Führungszeit des Teatro Stabile di Bolzano ein solides „Doppelgleis“ geschaffen, das Tradition und große Darsteller mit dem zeitgenössischen und experimentierenden Theater zu verknüpfen wusste. Walter Zambaldi hat nun seine Nachfolge angetreten und dabei das Angebot erweitert sowie neue Formate geschaffen.
M A R C O B E R NA R D I *
WA LT E R Z A M BA L D I *
D I E ZW EI ID EN T ITÄT EN DER K U N ST Im neuen Theater konnte ich die künstlerischen Identitäten der Produktionen unterscheiden: im Großen Saal die europäische Theatertradition mit Meisterwerken von Euripides, Shakespeare, Molière, Goldoni, Kleist, Tschechow, Feydeau, Shaw, Strindberg, Pirandello, Bernhard, Fo, die ich in einer poetischen, mit geteilter Vision hochwertiger künstlerischen Mitarbeitern - Gisbert Jaekel, Roberto Banci, Franco Maurina, Dante Borsetto – inszenieren durfte, mit Interpretationen herausragender Schauspieler wie Paolo Bonacelli, Patrizia Milani, Carlo Simoni, Maurizio Donadoni, Alvise Battain, Andrea Castelli, Corrado d’Elia. Im Studiotheater hingegen die Herausforderung des zeitgenössischen Theaters, mit Fausto Paravidinos Entdeckung (sechs Werke von 2000 bis 2014) und den Neuheiten von Cavosi, Scola, Bossi Fedrigotti, Massini, Kroetz, Lievi, Clerici, Pierattini, Demattè, Donadoni, Palladino, Rappa, Loperfido, Cainero, Castelli, Marcotto, Rossi, Montali, unter der Leitung von Pezzoli, Rifici, Muscato, Paravidino, Lievi, Dini, Panici, Bonaldi, Caldonazzi. Was die Gastaufführungen betraf, habe ich in der Spielzeit Grande Prosa das beste italienische Traditionstheater und in den Altri Percorsi die Highlights des experimentierenden Theaters ins Haus gebracht, von Emma Dante bis zu Pippo Delbono, von den Motus bis zu den ricci/forte, von Ascanio Celestini bis Danio Manfredini. 2006 wurde das Teatro Stabile mit dem Preis der Kritik des nationalen Verbandes der Theaterkritiker ausgezeichnet.
IN D IE ZUKUNFT INVESTIEREN Das Teatro Stabile di Bolzano wurde seit 2015 vom Kulturministerium als eines der 20 Theater von bedeutendem nationalen Interesse anerkannt. Seit vier Spielzeiten ist das TSB bestrebt, in die Zukunft zu investieren, die Ebene der Bildung zu erweitern, nebst Klassikern auch gegenwärtige Autoren auf die Bühne zu bringen, die Vorschläge zu erweitern, neue Theaterreihen und Formate innerhalb und außerhalb des Theatergebäudes vorzustellen und die Zusammenarbeit mit lokalen und nationalen Kultureinrichtungen zu stärken. Die in den letzten Spielzeiten gewählten innovativen Produktionen zeichnen sich durch die Genrevielfalt und die verschiedenen Theatervisionen aus und bringen Künstler wie Paolo Fresu, Daniele Ciprì, Serena Sinigaglia, Paolo Rossi, Arianna Scommegna, Fausto Russo Alesi, Stefano Bollani, Patrizia Milani, Marco Bernardi, Giampiero Solari, Mario Perrotta, Lucia Vasini, Natalino Balasso, Roberto Cavosi, Antonello Fassari, Leo Muscato, Fausto Paravidino und Vitaliano Trevisan nach Bozen und in die wichtigsten italienischen Theater. Außerdem sind in den Theatern der Provinz Produktionen, Regisseure und Schauspieler, die sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zu den angesehensten gehören, zu Gast.
* Direktor des Teatro Stabile di Bolzano von 1980 bis 2015
* Amtierender Direktor des Teatro Stabile di Bolzano
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West Side Story, VBB 2016/17 König Lear, VBB 2003/04
VBB
Unter Thomas Seebers Leitung werden die Produktionen von klassischen und zeitgenössischen Texte und Musicals ausgebaut. Irene Girkinger, seit 2012 im Amt, hat die Vereinigten Bühnen Bozem zukunftsorientiert weiterentwickelt, setzt sich verstärkt mit gesellschaftspolitischen Themen auseinander und startet neue Zusammenarbeiten mit lokalen und internationalen Institutionen.
T HOM A S SE E B E R *
K L A S S IK ER U N D Z EI TGEN O SSEN
Als ich 2001 die VBB Intendanz übernahm, war von meinen Vorgängern bereits wertvolle Vorarbeit geleistet worden. Sei es das Große Haus als auch das Studio Theater zur Verfügung zu haben, eröffnete den VBB neue Möglichkeiten der Spielplangestaltung. Neben Klassikern wie Brecht, Horváth, Lessing, Nestroy, Schnitzler, Shakespeare, Tschechow, kamen nämlich zeitgenössische Texte von Bernhard, Bärfuss, Belbel, Krötz, Letts, Mitterer und Zoderer zur Ur- bzw. Erstaufführung. Musicals wie Evita, Jekyll & Hyde, Into the Woods, La Cage aux Folles, Hair, My Fair Lady, wurden Publikumsrenner. Regisseure wie Bodinus, Herzl, Meschnigg, Schildknecht, Schilling, Schulte-Michels, arbeiteten mit Darsteller*innen von diesseits und jenseits des Brenners. Shakespeares König Lear inszeniert von Kurt Veth und Schillers Maria Stuart (R.: Monika Steil) waren für mich ebenso Höhepunkte wie die Uraufführung von Joseph Zoderers Die Walsche (R.: Torsten Schilling) und Erich Innerebners Harold und Maude mit der legendären Julia Gschnitzer in der Hauptrolle.
* Von 2001 bis 2012 Intendant und bis 2019 Präsident der Vereinigten Bühnen Bozen
IRENE GIRKINGER*
IN D IE ZUKUNFT BLIC KEN Der Auftrag an mich 2012 war es, die VBB zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitisch relevanten Themen der Region (dokumentarische Theaterprojekte zur Option, den Bombenjahren oder den Minderheiten in Europa), die regionale und internationale Vernetzung mit anderen Kulturinstitutionen (Haydn Orchester von Bozen und Trient, Festival Transart, Landestheater Niederösterreich, Stadttheater Klagenfurt, Toneelhuis Antwerpen u.v.m.) sowie die Förderung zeitgenössischer Dramatik (Elfriede Jelinek, Peter Handke, Martin Plattner, Ayad Akhtar, Ferdinand Schmalz u.v.m.) stehen im Zentrum unserer Theaterarbeit. Durch das Engagement zahlreicher renommierter Künstler*innen aus dem In- und Ausland auf und hinter der Bühne und die vielen Kooperationen konnte die Strahlkraft der VBB weit über die Landesgrenzen hinaus erhöht werden. Wichtigste Bestätigung war die Verleihung des Theaterpreises Nestroy 2018 für Iwanow von Anton Tschechow mit Gerti Drassl in der Hauptrolle.
* Seit 2012 Intendantin der Vereinigten Bühnen Bozen
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Written on Skin, Stiftung Haydn von Bozen und Trient, 2016/17
H AY D N
Valeria Told, zum Zeitpunkt ihrer Ernennung als Generalsekretärin der Stiftung Haydn von Bozen und Trient noch nicht einmal 30 Jahre alt, richtet ihre Arbeit auf Wachstum, Innovation und digitalen Wandel aus: Dies betrifft sowohl Aspekte des verwaltungstechnischen, künstlerischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Bereiches als auch nationale und internationale Beziehungen.
VA L E R IA T O L D *
EI N 3 6 0 - GR A D-WACHSTUM 2010 übergab man mir, einer damals noch nicht einmal 30-jährigen Kulturmanagerin, die Direktion der Stiftung Haydn, um ihr zu Wachstum zu verhelfen. Und genau diesem Auftrag versuche ich gerecht zu werden: Wachstum im Sinne langfristiger Visionen in der Geschäftsführung und im künstlerischen Bereich; Wachstum im Sinne einer Weiterentwicklung des Orchesterbetriebes zu einem Drei-Sparten-Haus (bis 2014 bestand die Stiftung Haydn ausschließlich aus dem Orchesterbetrieb, seit 2015 werden auch Opern- und Tanzaufführungen produziert und veranstaltet); Wachstum im Sinne einer Professionalisierung des Betriebes; Wachstum im Sinne einer Öffnung für innovative Opern- und Konzertformate; Wachstum im Sinne einer nationalen und internationalen Konzerttätigkeit; Wachstum im Sinne eines optimalen Ressourceneinsatzes, um Qualität und eine größere Zahl an Veranstaltungen in Balance zu halten und damit ein vielschichtiges Publikum anzusprechen; Wachstum im Sinne einer stetigen Weiterentwicklung unter dem Leitgedanken der Innovation, um gemeinsam Musik- und Tanzgeschichte von heute und morgen zu schreiben. * Seit 2010 Generalsekretärin der Stiftung Haydn von Bozen und Trient 24
FUNKELNDE STERNE IM TEMPEL VON ZANUSO Von Claudio Abbado bis zu Fura dels Baus, Eimuntas Nekrošius, Mariangela Melato, Gabriele Lavia, Matja Koleznik, Paolo Rossi, Stefano Bollani, Paolo Fresu und viele andere: da fällt die Wahl zwischen den zahlreichen denkwürdigen Künstlern und Schauspielern, die zur Geschichte des Stadttheaters beigetragen haben, sehr schwer.
Faust, TSB 2008/09
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Eros Pagni Claudio Abbado
Alessandro Gassmann
Fausto Paravidino
Gabriele Lavia
Paolo Bonacelli FA B IO Z A M B O N I *
Aufgabenstellung: Wähle die wichtigsten Künstler, die im Stadttheater Bozen in den ersten zwanzig Jahren Geschichte dieser kulturellen Einrichtung aufgetreten sind, bzw. die „denkwürdigsten“ Schauspiele. Lösung: unmöglich! Ein Dutzend Namen unter tausenden Schauspielern, Tänzern, Regisseuren, Sängern und Musikern auszuwählen oder unter den zwei- bis dreitausend Aufführungen, die im Tempel von Zanuso angeboten worden sind, die zehn wichtigsten zu nennen, ist wirklich ein Ding der Unmöglichkeit, ein Wagnis. Und dabei immer anders – denn Marco Bernardi, der in diesem Gebäude ganze 16 Spielzeiten des Teatro Stabile mit vielen Produktionen und Schauspielen geleitet hat, würde das Paar Patrizia Milani-Carlo Simoni nennen, das viele Produktionen auf die Bühne und später auch in andere italienische Theater gebracht hat; allerdings müsste er auch Fausto Paravidino nennen, der ausgerechnet in Bozen seine künstlerische 26
Laufbahn begonnen hat; und Paolo Bonacelli, Gabriele Lavia, Paolo Poli, Glauco Mauri, Franco Branciaroli könnte er wohl auch nicht auslassen! Zu lang wäre auch die Liste von Thomas Seeber und Irene Girkinger, welche die Vereinigten Bühnen geleitet haben: Sie könnten mindestens ein halbes Dutzend von Bozner Musicals nennen, sich der Aufführung des deutschen Superstars Matja Koleznik rühmen und alle Produktionen aufzählen, die unserer lokalen Umgebung gewidmet waren. Um ganz davon zu schweigen, in welche Verlegenheit wir Manfred Schweigkofler und Emanuele Masi mit der Bitte bringen würden, uns doch die Highlights der Opern- und Tanzaufführungen der letzten zwanzig Jahre zu nennen: Der erste würde preisgeben, ein Musical über Ötzi und Dolomytica produziert und Fura dels Baus nach Bozen geholt zu haben; der zweite hingegen, 2013 im Rahmen des Tanzfestivals Bozen die einzige italienische Vorstellung der antikonformistischen Tragédie von
Paolo Fresu
Stefano Bollani
Eimuntas Nekrošius
Mariangela Melato
Olivier Dubois, bei der achtzehn nackte Tänzer und Tänzerinnen 90 Minuten auf der Bühne getanzt haben, angeboten zu haben. Der Circolo La Comune könnte wiederum irgendeinen Namen unter den besten italienischen Komikern zitieren, und der Verein L’Obiettivo würde unter den Werken der Musa Leggera (Operetten und Musical) zumindest die herrliche Fassung von Metropolis von Ivan Stefanutti aus dem Jahr 2005 nennen. Last but not least, der neue Direktor des Teatro Stabile, Walter Zambaldi: er müsste im Rahmen der vier bisher von ihm geleiteten Spielzeiten entscheiden, ob er nun die unendliche Tournee mit Paolo Rossi, das Schauspiel mit Stefano Bollani oder Paolo Fresu mit der Vorstellung über Chet Baker wählen sollte. Aber überlassen wir jedem die Qual der Wahl und suchen wir uns selbst nur sechs „Häppchen“ aus: eine kleine Liste unvergesslicher Ereignisse, wobei wir vor allem die Darsteller in den Vordergrund stellen wollen.
Paolo Rossi
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Patrizia Milani Julia Gschnitzer
Lukas Spisser
Marie Therese Futterknecht
Gerti Drassl
Lukas Lobis / Thomas Hochkofler
Paolo Poli
Claudio Abbado: Am 7. Juni 2001 dirigierte er das Mahler Chamber Orchestra in der Oper Simon Boccanegra, welche zwar für die Puristen nicht unvergesslich ist, aber den Namen des großen Dirigenten in den Marmor des Theaters eingemeißelt hat. Mit seinem unerreichbaren Charisma hat der große Maestro vor allem mit den Jugendorchestern das Herz der Stadt Bozen erorbert. Eimuntas Nekrošius: Der geniale Regisseur aus Litauen, der 2018 im Alter von nur 66 Jahren verstarb, brachte 2002 Otelas, 2004 Hamletas und 2011 Idiotas nach Bozen. Dabei bewies er, ein wahrer Meister des europäischen Theaters zu sein, eines Theaters ohne Grenzen, bei dem sich Materialität und Visionen verknüpfen. Mariangela Melato: Die Liste der verstorbenen Schauspieler, die Teil der Theatergeschichte bleiben, endet mit der Mailänder Schauspielerin, die in Bozen in drei Schauspielen aufgetreten ist: in Fedra von Racine, Miserabili im Jahr 2010, aber vor allem in Chi ha paura di Virginia Woolf?, unter der Regie des mitspielenden Gabriele Lavia. Eros Pagni: Ein Matador des italienischen Theaters, der allein mit der Änderung im Ton der Stimme oder einem leichten Stirnrunzeln einen berauschenden Applaus auszulösen vermag.
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Viele Applause erntete er auch mit Aspettando Godot in der Spielzeit 2010/2011 und mit Minetti 2017; für uns bleibt aber vor allem seine meisterhafte Leistung Morte di un commesso viaggiatore von Arthur Miller (Februar 2006) ein unvergessenes Meisterwerk. Alessandro Gassmann (ja, genau so geschrieben, mit zwei N, seit er seinen ursprünglichen Familiennamen wieder übernommen hat): Ist die Gegenwart und die Zukunft des italienischen Theaters. In Bozen hat er dies vor allem mit dem mächtigen Riccardo III (Jänner 2014) als Regisseur und Schauspieler bewiesen. Die „Option“ der VBB: Im deutschen – aber auch zweisprachigen – Theater möchten wir das weniger auffällige, dafür aber das mutigste Theaterstück auszeichnen: Option. Spuren der Erinnerung, 2014 uraufgeführt und heuer wieder auf die Bühne geholt. Ein Happening, das einem Publikum ohne sprachliche Barrieren die Tore des Stadttheaters geöffnet und ganz klar die Berufung der VBB gezeigt hat, die lokale Welt zu durchforsten. Bravo, Zugabe! * Journalist
Die Schutzbefohlenen, VBB 2015/16
T H E AT E R STIMMEN
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HINTER DEN KULISSEN ... A L F R ED O BAGAT I N „liebt es, Schiffe vom
Stapel zu lassen”. So hat er es seit den Anfängen der 80er-Jahre gemacht, indem er Vittorio Garavelli beim Verwalten des Stadttheaters Gries unterstützt und 1990 dann dessen Platz übernommen hat. Seit dem Ende der 90er-Jahre bis 2018 hat er die Technik im Stadttheater und im Konzerthaus verwaltet.
G IA N C A R LO T U R ATO, Techniker mit
einer gefestigten Erfahrung. Zunächst für das Teatro Stabile di Bolzano, wo er 1977 seine Arbeit anfing und von 1982 bis 1999 leitender Bühnentechniker war. Später dann für das Stadttheater Bozen, wo er 2017 Leiter der technischen Dienstleistungen wurde. Seine Lieblingsvorstellung: Roman e il suo cucciolo, von und mit Alessandro Gassmann.
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LEONARD O C ANTELLI ist seit 1980 für
die verschiedenen organisatorischen Bereiche des Teatro Stabile di Bolzano zuständig und beschäftigt sich mit der Produktion und Distribution der Vorstellungen, mit der Beziehung zu den Gastensembles und den Tourneen. Unter all den Schauspielern, die er auf der Bühne des Stadttheaters gesehen und deren Auftritt er geliebt hat, erinnert er sich gern an Mariangela Melato, Eros Pagni und Patrizia Milani.
ROBERTO BANC I, ein echter Bozner, Bühnen- und Kostümbildner seit 1976. Unter all den Vorstellungen, die in der langen Zusammenarbeit mit Marco Bernardi für das Teatro Stabile di Bolzano entstanden sind, ist Le Troiane von Euripdes die, mit der er sich am meisten verbunden fühlt. Es ist eine Tragödie, welche sich von denen, die die Menschheit heute lebt, kaum unterscheidet und in der der Stolz und die Würde Hecubas und der Trojanerinnen zum Vorschein kommen.
IN A TA RT L ER ist seit 2008 Leitende Dramaturgin der Vereinigten Bühnen Bozen, wo sie sich sowohl um die Konzeption des Spielplans und die Produktion der Inszenierungen kümmert als auch um theaterpädagogische Projekte. Sie liebt visionäre Theatertexte und Inszenierungen, die an die Kraft der Poesie glauben wie Immer noch Sturm von Peter Handke oder Mother Song von Mokhallad Rasem. O L IV ER M Ö LT ER , 1969 in Dortmund gebo-
ren, ist seit 2004 Leiter der Kostümabteilung bei den VBB. Seine Abteilung umfasst die Schneiderei, den Kostümfundus, die Maske und die Garderobe. Oliver hat eine Vorliebe für große Ausstattungen im Theater, wie sie beim Musiktheater und in historischen Theaterstücken zum Tragen kommen. Hier kann er bei der Realisierung besonderer Kostüme der künstlerischen Fantasie freien Lauf lassen.
EM A N UEL E MA SI , aus Trient, war künst-
lerischer Leiter der Stiftung Stadttheater und Konzerthaus und seit 2013 ist er künstlerischer Leiter des Festivals Tanz Bozen, welches seit
2015 von der Stiftung Haydn organisiert wird. Seine Lieblingsvorstellung: Die Zauberflöte mit der Regie von Daniele Abbado, welche 2002 die erste Produktion war, für die er mit dem Stadttheater Bozen zusammenarbeitete. MATTHIAS LOŠEK, künstlerischer Leiter des
zeitgenössischen Bereichs der Bregenzer Festspiele von 2000 bis 2007 und von 2010 bis 2015 des Festivals Wien Modern, ist aktuell für OPER.A 20.21 der Stiftung Haydn verantwortlich. Mit dem Bewusstsein, dass man „am liebsten die eigenen Kinder liebt“, haben ihn zwei Haydn-Produktionen besonders berührt: Lulu von Alban Berg und Written on Skin von George Benjamin.
LUC IO PAONE liebt all die kleinen und großen
Schritte, die La Musa Leggera bewegt haben, die 20-jährige Reihe des Kulturvereins L’Obiettivo, die sich dem Musiktheater widmet. Eine Vielzahl an Operetten, musikalischen Komödien, Ehrengästen, renommierte Produktionen und Erstaufführungen, an die er sich besonders erinnert, wie beispielsweise Metropolis, das Musical von Ivan Stefanutti mit Musik der Queen und Giorgio Moroder.
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WIR, VON AUSSEN GESEHEN ... N IC C O LÒ PI PI TO N E, 13 Jahre alt, Schüler
der dritten Mittelschule, ist seit der Saison 2016/17 Abonnierter des Teatro Stabile di Bolzano. In seiner Freizeit teilt er sich selbst zwischen Theater (er ist seit 3 Jahren Mitglied der Gruppe Giovani in scena young) und Triathlon (Schwimmen, Laufen, Radfahren) auf. Er ist ein großer Fan von Marco Paolini. Von den Veranstaltungen dieses Jahres im Stadttheater Bozen hat er Turandot der Peking-Oper sehr geliebt.
WALTRAUD SANIN, 74 Jahre alt, Buchhalterin, ist seit 1992 VBB-Abonnentin. Das Theater ist seit jeher eine ihrer größten Leidenschaften, sodass sie auch beim Freilichttheater Unterland arbeitete. Früher fuhr sie gerne Ski und heute verzichtet sie nicht auf Gartenarbeiten. Von all den Vorstellungen, die sie von den VBB besucht hat, haben ihr Sonny Boys, Die Hauptstadt und Option – Spuren der Erinnerung besonders gut gefallen.
G LO R IA M A R A STO N I , Jahrgang 1938,
EVA MARIA BERNHARD ist Leiterin der
ist seit den sechziger Jahren Abonnentin. Theater ist für sie, neben Lesen und Spaziergängen, eine unverzichtbare Leidenschaft. Ihre Lieblingskünstler sind Paolo Poli und Pippo Delbono, ihre Lieblingsvorstellungen viele. Einige davon sind La parola ai giurati mit Alessandro Gassmann, Il piacere dell’onestà mit Leo Gullotta, Il padre von Zeller und L’ora di ricevimento von Stefano Massini. S US A N N E BA RTA , 52 Jahre alt, Magistra
der Rechtswissenschaften und Masterstudium „Solution Focused Coaching and Management”, arbeitet als Publizistin, Moderatorin und Coach mit einem Fokus auf Zukunftsthemen. Sie ist seit 2015 Abonnentin der VBB. Ihre Lieblingsvorstellung der letzten Saison war Die Hauptstadt von Robert Menasse, welche sie im Januar 2019 gesehen hat.
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Kulturredaktion der Tageszeitung Dolomiten. Sie liebt ihre Arbeit und verbringt ihre Freizeit sehr häufig im Theater, bei Konzerten und in Kunstgalerien. Doch ihre größte Leidenschaft ist das Reisen. Zwei Vorstellungen, die sie im Stadttheater besucht hat, haben sie tief berührt: Otelas und Hamletas von Eimuntas Nekrošius. PAOLO MAZZUC ATO, Programm redakteur der Rai Alto Adige, sieht dieses „Haus” als eines dieser neuen „School villages“, in denen verschiedene Schulrichtungen vereint sind: Lyzeum, Technologische Fachoberschule, Mittelschule und Musikinstitut. Außerdem ist es zweisprachig. In diesem Theater, sagt er, arbeitet ein stiller Kreativitäts- und Konfrontationsmotor, um die Gesellschaft in Richtung Zukunft zu begleiten.
ST I F T UN G STADT T H E AT E R UN D KO N ZE RT H AUS B OZE N Verdiplatz 40 39100 Bozen info@stiftungstadttheater.bozen.it www.stiftungstadttheater.bozen.it
IMP RE SSUM © Stiftung Stadttheater und Konzerthaus Bozen | Verdiplatz 40 | 39100 Bozen In Zusammenarbeit mit Teatro Stabile di Bolzano, Vereinigte Bühnen Bozen, Stiftung Haydn von Bozen und Trient E D I T I N G Claudia Cannella R EDAK T I O N Mariaclara Pagano, Stefano Cattozzo, Helena Soppera ÜB E RSE T ZUN G E N Helena Soppera, Monica Rungaldier, Roberta Cattoni, Stefano Cattozzo F OTO Federico Pedrotti, S. 2, 7, 12, 14, 15, 18, 30, 31 | Franco Tutino, S. 4, 20 | Archiv SST, S. 5 | Stadtarchiv Bozen, S. 6, 9 | Archiv Haus der Kultur Walther von der Vogelweide, S. 10 | Archiv Kleinkunsttheater Carambolage, S. 10 | Archiv Schloss Maretsch, S. 11 | Archiv Stadtklub Bozen, S. 11 | Archiv Stadtgemeinde Bozen, S. 11 (Stadttheater Gries) | Hermann Maria Gasser, S. 16, 23, 28 (J. Gschnitzer) | Tommaso Le Pera, S. 22, 26 (P. Bonacelli), 28 (P. Milani) | Christoph Sebastian, S. 23 | Claudia Corrent, S. 24 | Angelo Redaelli, S. 25 (G. Mauri, R. Sturno) | Raffaello Raimondi, S. 26 (C. Abbado) | Filippo Milani, S. 26 (G. Lavia) | Gianmarco Chieregato, S. 26 (A. Gassmann) | Claudio Porcarelli, S. 27 (M. Melato) | Roberto Cifarelli, S. 27 (P. Fresu) | D. MatvejevC, S. 27 (E. Nekrošius) | Valentina Cenni, S. 27 (S. Bollani) | Gioia Casale, S. 27 (P. Rossi) | Fiorenzo Niccoli, S. 28 (P. Poli) | Yasmina Haddad, S. 28 (G. Drassl) | Gregor Khuen Belasi, S. 28 (L. Spisser), (L. Lobis, T. Hochkofler), 29 | Sabine Hauswirth, S. 28 (M. Futterknecht) | Othmar Seehauser, S. 32 GRAF I K D E SI G N blauhaus.it, Bozen D RU C K Karo Druck KG Juli 2019
S T IF TUNG STA DTTH E AT E R U ND KO NZ E RTHAUS B OZE N 39100 Bozen, Verdiplatz 40 info@stiftungstadttheater.bozen.it www.stiftungstadttheater.bozen.it