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2. Marguerite Caetani – Hugo von Hofmannsthal (1925-1929

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929)

Am 21. Februar 1925 trifft Hofmannsthal, von Rodaun kommend, in der französischen Hauptstadt ein, wo sich seine Tochter Christiane schon seit dem 16. Januar aufhält und im Hôtel Foyot1 logiert. Er selbst wohnt „in dem reizenden Hôtel Beaujolais“2 in der Rue de Balzac 8 und verkehrt in den folgenden Tagen mit Rainer Maria Rilke, Carl J. Burckhardt und Paul Zifferer, aber auch mit Charles Du Bos, der eine französische Auswahl seiner Ecrits en prose vorbereitet, und anderen französischen Autoren. Im Rückblick wird Christiane den „Aufenthalt“ „ein bissl turbulent“ nennen, „es wurden gleich zu viel Leute u. Angelegenheiten“3. Marguerite Caetani lernt Hofmannsthal während eines gemeinsamen Frühstücks mit Rilke und Christiane im Restaurant Foyot am 25. Februar kennen4. Weitere Treffen bis zum 2. März sind nicht bezeugt, als er, eingeladen von der ‚Compagnie Générale Transatlantique’ und begleitet von Paul und Wanda Zifferer, zu einer vierwöchigen Reise nach Marokko und Tunesien aufbricht5. Am 1. April nach Paris zurückkehrt, kommt er erneut mit den Caetanis zusammen und erörtert dabei die Möglichkeit einer Aufführung von Roffredos Hypatia an der Wiener Staatsoper. Das jedenfalls ist aus einem nicht überlieferten Brief zu schließen, den Hofmannsthal vom Landsitz Schönenberg bei Basel, wo er zwischen dem 10. und 15. April Carl J. Burckhardt besucht,

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1 Vgl. B 2, Anm. 4. 2 Christiane von Hofmannsthal an ihre Mutter, 25. Februar 1925; in: HofmannsthalRilke, S. 279. 3 Christiane-Münchhausen, S. 50; zu den zahlreichen Begegnungen und dem gedrängten „Programm“ vgl. Christianes Berichte an die Mutter vom 25. Februar und 2. März 1925: Christiane-Münchhausen, S. 278f. 4 Vgl. Rilke an Christiane von Hofmannsthal, in: Hofmannsthal-Rilke, S. 106; ChristianeMünchhausen, S. 50. 5 Zur Reiseroute vgl. Christiane, Tagebücher, S. 279f.; dort auch Hofmannsthals Reiseberichte aus Casablanca, Marrakesch und Fez (S. 158-161); zwei Briefe an seine Frau Gerty aus Marrakesch vom 11. und 12. März 1925 in: Hirsch, S. 255-257.

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am „Ostermontag“, dem 13. April 1925, Christiane mit der Bitte zuleitet, ihn „gelegentlich offen dem Fürsten Bassiano“ zu übergeben: „Vielleicht ist es ihm bequemer, vor Wien nach München zu fahren“. Roffredos – ebenfalls verlorene – Antwort spiegelt sich in Hofmannsthals Nachricht vom Ende April an Christiane wider: „Den Fürsten Bassiano erwarte ich seinem Brief gemäß hier circa 3ten Mai u. werde Schalk6 auf den Besuch vorbereiten“7 .

Diese Begegnung findet am 6. Mai 1925 in Rodaun statt. Roffredo Caetani berichtet seiner Frau am folgenden Tag aus dem „Hotel Sacher / Wien“ (FCC): My Darling,

I lunched with the Hofmannsthals yesterday in their small country house in Rodaun8. – They were most sympathetic – so simple and sincere. He has read very carefully the libretto of Hypatia9 and told me things which gave me a great pleasure. – He also warned me that he would think it quite an exceptional case if Schalk accepted to undertake the performance. –

I would write a too long a letter if I went into all the details for which I understand that with a very small margin left they should prefere giving a new opera of an Austrian than to undertake such a strain for a foreigner. – What I cant understand is that they should give as a première such a stupid opera as that which is coming off this evening10 .

6 Franz Schalk (1863-1931), Dirigent und damaliger Direktor der Wiener Staatsoper; vgl. B 78, Anm 1. 7 Christiane, Tagebücher, S. 161, 163. 8 Vgl. dazu B 89, Anm. 8. 9 Roffredo Caetani, Hypatia: azione liricia in tre atti; 1927 gedruckt im Mainzer Musikverlag B. Schott’s Söhne. Der Text behandelt die hellenistische Mathematikerin und neuplatonische Philosophin Hypatia von Alexandria (um 370-415), jene, wie es im deutschen Libretto (Roffredo Caetani, Hypatia. Musikdrama in drei Aufzügen. Aus dem Italienischen. Weimar 1927 [vgl. B 77, Anm. 2], S. 9) heißt, „Jungfrau, die durch allzu reiches Wissen / und viel Beredsamkeit sich Ruhm erworben“ und als erste Frau an der Akademie (Museion) von Alexandria öffentliche Vorlesungen hielt; sie wurde an den „Iden des Märzes im Jahre 415 n. Chr. zur Fastenzeit“ (ebenda, S. 5) als ‚Heidin’ vom christlichen Pöbel ermordet; vgl. Rudolf Asmus, Hypatia in Tradition und Dichtung; in: Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte 7. 1907, S. 11-14; Annemarie Maeger, Hypatia Die Dreigestaltige. Hamburg 1992; dies., Hypatia II. Hamburg 1995; Maria Dzielska, Hypatia of Alexandria. Revealing Antiquity. Cambridge, Mass. 1996; Henriette Harich-Schwarzbauer, Hypatia. Die Testimonien zur alexandrinischen Philosophin. Graz 1997; Peter O. Chotjewitz, Der Fall Hypatia. Eine Verfolgung. Hamburg 2002. 10 An diesem Abend wird „zum erstenmal“ Don Gil von den grünen Hosen. Musikalische Komödie in drei Aufzügen nach dem Spanischen des Tirso de Molina von Walter Braunfels (1882-1954) gegeben.

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Kassner is such a nice man. – He is in love with Ninfa and says he has never seen such a beautiful place11. – […]

In great hurry as I am going sightseeing with Mme Schalk. -12

The Hofmannsthals are very poor having been ruined by the war. – The daughter is living on nothing, we’ll have to help her.

Die eigentliche Freundschaft entwickelt sich freilich erst, als Hofmannsthal am 22. Mai 1925 – zum dritten Mal in diesem Jahr – nach Paris kommt, mit zuvor sorgsam durchdachter ‚richtiger Disposition’ und „Einteilung“ samt genauen Vorstellungen über die dort zu treffenden Personen13. Am 26. Mai hält er vor den Schülern der École Normale Supérieure einen Vortrag Über Goethe oder über die Lebensalter14 . Obwohl die „Leute“ „nacheinander auf ihn los<stürzen>“15, bleibt Zeit für drei entscheidende Zusammenkünfte, die er in Briefen an seine Frau Gerty schildert16. Gleich am Samstag, dem 23. Mai, einem „ganz grau<en> u. recht kühl<en>“ Tag, an dem es „um 3h finster wie um 9h abends“ ist, gefolgt von einem „wütende<n> Regen den ganzen Nachmittag“, fährt er in Begleitung Rilkes und Thankmar von Münchhausens17 nach Versailles und „frühstückt“ „bei den Bassianos“, wo er unter den etwa zwanzig Gästen Paul Valéry trifft18. Sechs Tage später

11 Rudolf Kassner kann auf die frischen Eindrücke zurückgreifen, die er nur fünf Monate zuvor während einer Reise gewonnen hatte, die ihn mit Fürstin Marie von Thurn und Taxis vom 7. Dezember 1924 bis zum 16. Januar 1925 nach Rom, Neapel und zum ca. 70 km südlich von Rom gelegenen Caetanischen Familienbesitz Ninfa geführt hatte; vgl. Caetani-Kassner, unten S. 176. 12 Lili Schalk, geb. von Hopfen (1873-1967); vgl. B 102 mit Anm. 2. 13 Christiane, Tagebücher, S. 162, 163, 285. 14 Vgl. B 65, Anm. 6. 15 Christiane, Tagebücher, S. 285f.; vgl. Hofmannsthal-Rilke, S. 244f. 16 Eine Transkription der Briefe vom 23., 25., 29. und 31. Mai 1925 verdanken wir Dr. Konrad Heumann, Frankfurt am Main (FDH). 17 Unter dem gleichen Datum „Samstag 23. Mai 25“ notiert Thankmar von Münchhausen in seinem unveröffentlichten Tagebuch: „12h mit Rilke und Hofmannsthal im Bassianoschen Auto nach Versailles – dort unübersehbarer monde, worunter: Paul Valéry, Valéry Larbaud, Fargue, Jean Paulhan, Comte Castellane, Prince Beauvau, Duchesse de Polignac, Roffredos Schwägerin, und viele. Déjeuner an kleinen Tischen, danach Musik in der Halle, Roffredos Oper, von ihm mit fünf Sängern agiert. Durchaus schön. [...] Rückfahrt mit Rilke und Fargue und Hofmannsthal“. 18 Christiane von Hofmannsthal schildert ihrer Mutter zwei Tage später, am 25. Mai, den Empfang: „Papa [...] saß neben Paul Valéry und ich sah ihn von weitem sprechen“ (Christiane, Tagebücher, S. 285). Hofmannsthal selbst skizziert die Unterredung in einer Aufzeichnung vom „Mai“ 1925: „Frühstück bei Bassianos. Gespräch mit Paul Valéry, Mathematik und Sprache, Diderot: Blüte. Meine Schwierigkeit: daß ich aus allem sofort

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heißt es, er habe „beim Foyot mit den Bassianos gegessen, sehr gemütlich, sie ist so eine angenehme Frau, man kann so gut mir ihr Spass machen. Sie kann nicht sehr viel jünger sein wie Du19 (bei Amerikanerinnen weiß man es nicht genau) aber sie wirkt auch riesig jung. Am Sonntag muss ich noch einmal zu Ihnen hinaus – um Claudel zu treffen“. An diesem Pfingstsonntag, dem 31. Mai, notiert er „früh 10h“: „heut ist ein zwar kühler, auch keineswegs wolkenloser aber immerhin freundlicher Frühlingstag [...]. Ich fahre um 12h mit der Kleinen und dem Prinzen Beauvau20 nach Versailles zu den guten Bassianos, wo Claudel zum Frühstück kommt“21. Am folgenden Montag, dem 1. Juni22, bricht er nach London auf. Hier sieht er den alten Freund „Bui“ Georg von Franckenstein, österreichischen Botschafter in Großbritannien, wieder und hält einen bereits im vergangenen November vereinbarten Vortrag im PEN-Club23. Auf der Heimreise macht er Halt bei Rudolf Alexander Schröder in Bremen und Anton Kippenberg in Leipzig, ehe er um den 14. Juni nach Rodaun zurückkehrt. Jetzt setzt die erhaltene Korrespondenz ein; sie beginnt, wie sich aus Marguerite Caetanis frühester Antwort ergibt, mit dem Begleitbrief zur Sendung eines – bislang nicht ermittelten – Widmungsexemplars aus Hofmannsthals Hand, von dem wir durch einen Hinweis Rilkes wissen24 .

etwas machen will. Alles wird sofort Aufgabe. Der schwierige Mensch wird mir selbst zur Aufgabe und stellt sich dadurch zwischen mich und die ..“. (HGW RuA III, S. 578). Auch Valéry notiert im Tagebuch: „Hier Hoffmannsthal, le poète autrichien auprès de qui je déjeune chez les Bass. – cause et me considère et me trouve la physiognomie du Français 18ème typique […]“ (Paul Valéry, Cahiers. <Faksimile der Handschrift> Band X. Paris 1959, S. 727f. = Édition établie, présentée et annotée par Judith Robinson-Valéry. Band I. Paris 1973, S. 101f.). 19 Marguerite Caetani ist 1880, Gerty von Hofmannsthal 1881 geboren. 20 Vgl. unten B 66, Anm. 6. 21 In Hofmannsthal-Rilke, S. 246, irrtümlich auf „Pfingstmontag“ (1. Juni) datiert statt wie in Hofmannsthals Originalbrief auf „Pfingstsonntag“. 22 Am 29. Mai hatte Hofmannsthal seiner Frau mitgeteilt: „Am Montag [...] fahr ich nach London, bin 5h15 dort, der Bui hat schon telegraphiert, daß er mich an der Bahn abholt“. Fälschlicherweise schiebt Martin E. Schmid, Hugo von Hofmannsthal. BriefChronik. Regest-Ausgabe. Band 2. 1912-1929. Heidelberg 2003, Sp. 2559f., die Abreise auf Mittwoch, den 3. Juni 1925. 23 Vgl. Hofmannsthals Brief vom 21. November 1924 an Franckenstein, in: Georg von Franckenstein, Zwischen Wien und London. Erinnerungen eines österreichischen Diplomaten. Graz, Stuttgart 2005, S. 291f.; siehe auch Hofmannsthal an Willy Wiegand, 17.4.1925: „[...] ich bin in den letzten Maitagen schon in London erwartet“ (Hofmannsthal-Wiegand, S. 133). 24 Vgl. B 16 mit Anm. 7.

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Hofmannsthal ist, trotz hartnäckig wiederholter Bitten Marguerite Caetanis, zu Lebzeiten in Commerce nur mit der Übersetzung seines Prosastück Die Wege und die Begegnungen vertreten; postum folgt die von Saint-John Perse besorgte französische Version seiner Einleitung zu dessen Anabase. 25 Erst Botteghe Oscure werden, jeweils von Herbert Steiner aus dem Nachlaß ans Licht gebracht, im April 1952 die kurze ins Französische übertragene „Note“ zu Rudolf Kassner sowie im April 1957 Unveröffentlichte Fragmente in deutscher Sprache veröffentlichen26 .

Hofmannsthals Briefe verwahrt das Archiv der Fondazione Caetani in Rom (FCC), die Schreiben Marguerite Caetanis das Hofmannsthal-Archiv im Freien Deutschen Hochstift, Frankfurt am Main (FDH). In beiden Folgen sind Verluste zu verzeichnen, die sich aus Anspielungen oder sekundären Zeugnissen erschließen lassen.

25 Voies et rencontres in: Commerce VI, S. 141-150; Émancipation du lyrisme français in: Commerce XX, S. 7-11. 26 Rudolf Kassner in: Botteghe Oscure IX, S. 126-127; Unveröffentlichte Fragmente in: Botteghe Oscure XIX, S. 430-437; vgl. B 225, Anm. 1 und B 233, Anm. 3.

63.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

<Versailles,> le 1er Juillet <1925>

cher Monsieur Von Hofmannsthal

Je suis bien fière de mon petit livre que vous avez eu la gentillesse de m’envoyer avec sa belle dédicace1

Merci de votre pensée amicale dont je me sens toute enrichie –

Je passe des heures dans mon jardin avec vos livres, car je ne les lis pas comme si c’était de l’Anglais! Mais peutêtre justement cet effort que je dois faire pour comprendre, et le fait que souvent je dois relire plusieurs fois certaines phrases plus difficiles, me permettent de sentir ce que votre style a d’exceptionnel et de pénétrer plus profondément dans votre pensée –

J’ai hâte de vous parler de tout ça – Quelle joie de vous retrouver vous et votre famille dans un peu plus d’un mois2 – Je suis angoissée au sujet du Prince de Reuss3 car mon mari doit partir vers le 12 Juillet pour Rome et nous sommes sans nouvelles de lui – Si je pouvais seulement savoir à quel moment il va passer par Paris ou s’il a changé ses projets et prefère que Roffredo aille à Gera. Je vous racconte tout ceci parceque vous avez été tellement gentil et que vous avez agi envers nous comme si notre amitie était aussi vieille en années qu’elle est en réalité en semaines –

Nous avons eu un grand plaisir dans la visite de votre fille4 a qui j’envoie mes amities affectueuses et j’espère de tout coeur qu’elle reviendra à Paris l’hiver prochain et que nous seront ses gardiens bien discrets! „Commerce“ vous fait savoir qu’elle trouvera difficile de prolonger sa vie une seconde année sans l’appui de votre nom –

Nous vous envoyons mon mari et moi l’expression de notre reconnaissance et admiration les plus profondes

Marguerite Caetani di Bassiano

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DIE BRIEFE 1925-1959

63. <Mittwoch>. FDH. Wie B 12. Handschriftlich: Villa Romaine. 1 Entweder Das Salzburger Große Welttheater (Leipzig 1922) oder Die Gedichte und Kleinen Dramen (Siebente Auflage. 46. bis 50. Tausend. Leipzig 1923). Beide Bücher sind in den Listen der Bibliothek Caetani verzeichnet, jedoch zur Zeit nicht greifbar, so daß die wahrscheinlich datierte „dédicace“ nicht zur Klärung beitragen kann. Man könnte auch an den – in den Bestandslisten fehlenden – kleinen Sammelband Das Märchen der 672. Nacht und andere Erzählungen (1905) denken, der den ersten Buchdruck des künftig mehrfach angesprochenen Chandos-Briefs enthält. 2 Mit Bezug auf die in Paris getroffene Verabredung, Ende August bei den Festspielen in Salzburg zusammenzukommen. 3 Erbprinz Heinrich XLV. zu Reuß-Schleiz (1895-1945 vermißt) widmet sich nach seiner Abdankung Ende 1918 der Förderung des Reußischen Theaters in Gera. Von 1925 bis 1927 gibt er das Jahrbuch des Reußischen Theaters heraus und wirkt in den Jahren 1937 bis 1938 als Intendant des Hauses. 1945 von den Sowjets verschleppt, kommt er vermutlich im Lager Buchenwald-Ettersberg ums Leben. Hofmannsthal hatte Marguerite Caetani in Paris zugesagt, sich hinsichtlich einer möglichen Uraufführung von Roffredo Caetanis Oper Hypatia in Gera an den Erbprinzen zu wenden; denn sie und Roffredo haben „wie die Kinder ihre ganzen Hoffnungen auf Gera gesetzt“, wie Christiane von Hofmannsthal am 11. Juni 1925 Thankmar von Münchhausen mitteilt (Christiane-Münchhausen, S. 56). Das entsprechende Empfehlungsschreiben hatte Hofmannsthal nach einigem Zögern wohl noch vor seiner Abreise aus Paris niedergeschrieben und Münchhausen zugeschickt, der es dem Erbprinzen vorlegen soll (ebenda, S. 53f.: 28. und 31. Mai 1925). Dies tut Münchhausen vermutlich, als er am 5. Juni nach Gera fährt, um dem Erbprinzen die Oper zu bringen (so eine Notiz unter gleichem Datum im unveröffentlichten Tagebuch Anna Freifrau von Münchhausens, geb. v. Keudell, der Mutter Thankmar von Münchhausens). 4 Christiane von Hofmannsthal war am 16. Januar 1925 in Paris eingetroffen und hatte seit Ende Februar in freundschaftlicher Verbindung zu Marguerite und Roffredo Caetani gestanden. Bevor sie Paris am ersten Juni-Wochenende 1925 „ziemlich sang und klanglos“ verlassen hatte (Christiane-Münchhausen, S. 55), war sie ab dem 1. Juni einige Tage zu Gast in der Villa Romaine in Versailles gewesen; vgl. die Einführung zu Anhang II: CaetaniChristiane, unten S. 466.

64.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Rodaun, ce 2. juillet 1925

madame c’est un plaisir exquis de penser à vous. Vous vous entourez de poètes, d’artistes etc. et l’air autour de vous reste très pur et très limpide, sans l’ombre de snobisme. Vous parlez aux chiens comme il faut parler aux chiens,

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aux plantes comme il convient de parler aux plantes, aux poètes comme il faut parler aux poètes, et vous restez vous-même, d’une façon impeccable. Vous êtes admirable.

Vous m’avez fait connaître Claudel1, et je vous en reste infiniment reconnaissant. Tout dans ce souvenir, m’émeut étrangement, même ce qui semble embarassant: sa lourdeur, l’apparence bourgeoise, l’absence de goût, de finesse et de toutes leurs qualités qu’ils estiment trop.

Il ne s’agit pas de tout ceci, il ne s’agit nullement d’avoir ces dons qui voisinent avec l’intelligence, il s’agit de porter en soi une vision puissante et originale. Et, pour avoir cela, il est seul, seul, seul en France. Il ne s’agit pas de l’admettre, mais de l’ad-mi-rer. Relisez, madame, relisez „la Ville“2 dans sa première forme (ensuite, en changeant le stile3, en l’humanisant, en rendant plus français, il a plutôt détruit la beauté grandiose) mais relisez cela, c’est inouï, ce que cela contient, ce que cela étreint – et de quelle hardiesse de style, tellement nouveau, et tellement riche: terrible par endroits, et par d’autres endroits d’une beauté qu’on pourrait presque manger, comme un bouquet de roses peint par Manet. – Quelqu’un m’a dit, que Claudel, ce n’était plus son moment, à Paris – qu’on n’avait qu’une certaine provision de snobisme à sa disposition, et que cette provision, pour le moment, était allée à Valéry. Non, décidément, je ne les comprends pas, et je ne veux pas les comprendre.

Mais je n’oublierai jamais de quelle façon charmante, gracieuse, humaine vous avez insisté, lorsque je voulais ne pas venir le rencontrer.

Je suis infi<ni>ment content d’entendre par Christiane, qui vous aime beaucoup, que vous lisiez quelquefois dans mon ‚Lesebuch’4. Mais ne soyez pas trop longtemps sans lire ou relire ce que nous avons de vraiment grand en allemand: le premier Faust, le diwan oriental-occidental, la première partie de Wilhelm Meister (Lehrjahre). Vous qui avez assez le sens de la langue allemande pour avoir goûté Büchner5 – approchez vous de ce qui fait que nous soyons une des grandes nations européennes (même si l’on laisse à côté la musique).

Je pense tout le temps à ce Erbprinz de Gera. Que pourrai-je faire? – De dire qu’on ira voir quelqu’un et de ne pas le faire, cela me ressemble nullement à un Erbprinz honnête et grave. Que faire? Lui écrire encore? mais puisqu’il est parti pour l’Espagne? En tout cas, après quelque temps je lui écrirai encore.

Voilá! cette lettre est devenue très longue, je n’ai l’impression que d’avoir commencé et il me reste tout juste la place pour des hommages très sincérement respectueux.

Hofmannsthal

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DIE BRIEFE 1925-1959

64. <Donnerstag>. FCC. Handschriftlich: Rodaun bei Wien. 1 Die Begegnung hatte am 31. Mai 1925 in der Villa Romaine in Versailles stattgefunden (vgl. Hofmannsthals Nachricht an seine Frau Gerty, oben S. 98). Die entsprechende Einladung Marguerite Caetanis hatte Claudel am Donnerstag, dem 28. Mai 1925, bestätigt: „Chère Madame, [...] Comme ma femme a dû vous le téléphoner je viendrai avec grand plaisir Dimanche“ (FCC), ohne allerdings das Zusammentreffen in seinem Tagebuch zu erwähnen; auch sonst fehlt in den beiden gedruckten Bänden des Journals von 1904 bis 1932 und 1933-1955 (Paris 1968 und 1969) jeglicher Hinweis auf Hofmannsthal. Im Rückblick des 5. Juni teilt Christiane der Mutter mit: „Am Sonntag war das vielbesprochene und befürchtete Zusammentreffen mit Claudel, es lief aber sehr gut ab. Claudel war anfangs zurückhaltend dann aber sehr nett“ (Christiane, Tagebücher, S. 286). Unter dem unmittelbaren Eindruck hatte sie noch am 31. Mai Thankmar von Münchhausen ausführlich berichtet: „Ich muß Dir schnell schreiben, sonst vergess ich alles und es ist doch sehr wichtig: wir haben Claudel gesehen! Nachdem erst die kompliziertesten Hin und Hers waren und Papa durchaus nicht wollte, hat die Margueriterl ihn so lang sekkiert, bis wir also heute doch hinaus fuhren. Es gab das harmlose Ehepaar Beauvau <siehe B 66, Anm. 6>, den unvermeidlichen <LéonPaul> Fargue (er kam schon beim Fisch!) und Claudel. Erster Eindruck: sehr brummiger, steifer, förmlicher, schlecht angezogener dicklicher Herr. Bei Tisch gar nichts als ein paar ziemlich schlechte Witze von Claudel über die er selbst am Meisten lachte. – Nachher Café im Garten, und ich dachte schon es kommt sicher nicht in Gang, denn Papa hatte sich vorgenommen, ihn nicht anzureden. / Da plötzlich gab er sich sichtlich einen Ruck, ging auf Papa zu und sagte irgend etwas Formelles, über gemeinsame Freunde in Deutschland oder so .. so daß der Anfang für ein Gespräch gegeben war. Sie setzten sich dann zusammen ein bischen abseits und Marguerite war reizend, weil sie immer die anderen ‚in den Schatten’ führte um sie von dem ’Liebespaar’ zu entfernen. Ich blieb aber so nahe ich konnte sitzen und hab doch so ziemlich alles gehört. Papa fing gleich an von den Sachen zu sprechen, vor allem von ‚la ville’ und Claudel wurde ganz strahlend und sagte: vous êtes la première personne qui me dit du bien de cette œuvre“ und dann sprach man von seiner Stellung [...] von der Art wie man ihn in Deutschland versteht, ganz reizend. Dann von Politik: ‚Cette stupide politique du Rhin que font les français’ daß es ein Unsinn sei, Deutschland sich durch schlechte Behandlung zu verfeinden, sogar ohne Ärger über einen möglichen Anschluß von Österreich, über die Čechen, die er nicht mag; kurz so gescheit, ruhig, vernünftig wie nur überhaupt möglich. Zwischendurch war er sehr lustig, machte nette harmlose Witze, lachte über Fargue, hatte seine Hose hinaufgezogen u. seine Socken hinuntergefallen, so daß Du Dir vorstellen kannst was man dazwischen sah, kurz es ging alles à merveille. Nur ist er eben sehr verschlossen und schwer in Gang zu bringen. Papa war ganz zufrieden u. es hat ihm den Eindruck nicht zerstört. Übrigens hab ich selten jemanden gesehen qui est tellement français“ (Christiane–Münchhausen, S. 53f.). 2 Claudels zweites Theaterstück La Ville war nach dem Erstdruck von 1893 in zweiter Fassung 1901 in den Sammelband L’Arbre aufgenommen worden, von dem ein Exemplar in Hofmannsthals Bibliothek erhalten geblieben ist, mit dem Lesedatum zu La Ville „Wiederum Aussee 20. IX. 19“. Außerdem steht in seiner Bibliothek eine vierbändige Sammelausgabe von Claudels Théâtre, deren zweiter Band (Paris 1911) beide Fassungen enthält. Hier hat Hofmannsthal zahlreiche Bleistiftnotizen und Anstreichungen eingetragen, darunter Einfälle zum Turm (vgl. Marianne Billeter-Ziegler, Hofmannsthal und Claudel; in: Hofmannsthal-Blätter 17/18. 1977, S. 311-325). Auch die Dramenentwürfe Herbstmondnacht (ab 1920) und Die Kinder des Hauses (1927) bezeugen den Einfluß von La Ville (vgl. HSW XIX Dramen 17, S. 337f., 344, 347 und S. 469, 482).

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3 Zur altertümlichen Schreibweise ‚stile’ (von lat. ‚stilus’) hier und B 79 (Anm. 2) statt des gewöhnlichen „style“ (von griechisch‚ stulov) drei Zeilen später vgl. Trésor de la Langue Française. Tome 15. Paris 1992, S. 994. 4 Deutsches Lesebuch. Eine Auswahl deutscher Prosastücke aus dem Jahrhundert 17501850. Hg. von Hugo von Hofmannsthal. München: Verlag der Bremer Presse 1922; 1923 folgt – ohne den Untertitel – ein Zweiter Teil. In den Bestandslisten der Bibliothek Caetani werden beide Bände verzeichnet, sind derzeit aber nicht einsehbar. 5 In Commerce III. Hiver 1924, S. 145-223, war Georg Büchners Leonce und Lena in der Übersetzung von Denise Levé und Louis Aragon als Léonce et Léna erschienen; vgl. oben B 1 und B 12.

65.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Rodaun, ce 4. juillet 1925.

madame, je vous avais écrit avant hier, uniquement pour le plaisir de vous écrire, une lettre trop longue et trop courte, et voici qu’arrive votre lettre qui, étant de vous, me fait infiniment de plaisir à recevoir et à lire. Mais je suis navré de cette chose avec le prince de Reuss-Gera. Je me suis creusé la tête (même avant votre lettre) pour trouver comment je pourrais intervenir, mais je ne vois aucune forme. Münchhausen1 lui a écrit encore une fois, ce qui est presque trop. Vraisemblablement, pour Reuss se sont interposées des circonstances que nous ignorons: peut-être des difficultés de passe-port.

Maintenant, si j’osais donner un conseil ce serait: que M. de Bassiano n’attende pas et aille à Rome.

Si Reuss vient à Paris, c’est un signe de bonne volonté: vous le recevrez et vous lui annoncerez la visite de M. de Bassiano à Gera pour un moment qui lui convient.

Mais ne pas attendre! C’est un état indigne et malsain qu’il faut fuire.

Pour Commerce si vous voulez me faire l’honneur d’y publier quelque chose de moi, je proposerais cette lettre imaginaire d’un Lord Chandos qui n’a jamais existé!2 Il est vrai qu’elle date de 1902, mais c’est maintenant seulement que ce problème: la langue sans paroles commence à hanter les jeunes gens. J’écrirai tout de suite à M. Zifferer3 pour savoir s’il a enfin pris contact avec cette traductrice4 que m’ont recommandée MM. Desjardins5 et Lichtenberger6 .

Je pense à vous et à M. de Bassiano avec l’amitié la plus sincère. Hofmannsthal

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65. <Samstag>. FCC. Wie B 64. Umschlag: Frankreich / Madame la princesse de Bassiano / Versailles / 8, avenue Douglas Haig. Poststempel: Wien, Datum nicht zu entziffern; Rückseite mit (halbem) Ankunftsstempel, zu lesen ist: Versailles Seine <et Oise> 10 <Uhrzeit> 8 <Tagesdatum> (Monatsdatum fehlt) 26. 1 Briefe Thankmar von Münchhausens (1893-1979) sind in FCC ebensowenig erhalten geblieben wie entsprechende Gegenbriefe Marguerite oder Roffredo Caetanis im Nachlaß Münchhausens (freundliche Auskunft von Hieronyma Baronin Speyart van Woerden, geb. Freiin von Münchhausen, Bonn). Seit seinem Paris-Aufenthalt ist er in die Bemühungen um den Kontakt zum Prinzen Reuß und eine mögliche Aufführung der Hypatia in Gera (vgl. oben B 63, Anm. 3) – und später in Weimar – miteinbezogen. 2 Unter dem lapidaren Titel Ein Brief war am 18. und 19. Oktober 1902 im Berliner Tag Hofmannsthals imaginärer Chandos-Brief mit dem fiktiven Datum des 22. August 1603 erschienen, jener, wie es am Beginn heißt, „Brief, den Philipp Lord Chandos, jüngerer Sohn des Earl of Bath, an Francis Bacon, später Lord Verulam und Viscount St. Albans, schrieb, um sich bei diesem Freunde wegen des gänzlichen Verzichtes auf literarische Betätigung zu entschuldigen“. Der Brief war 1905 in den kleinen Sammelband Das Märchen der 672. Nacht und andere Erzählungen, zwei Jahre später in den Ersten Band der Prosaischen Schriften sowie 1924 in den Zweiten Band der Gesammelten Werke eingegangen. Die Aufnahme des Textes in die französischen Écrits en prose (siehe B 81, Anm. 3) und ein Vorabdruck in der Nouvelle Revue Française im März 1927 stehen offenbar einer Übernahme in Commerce im Wege. 3 Der österreichische Schriftsteller Paul Zifferer (1879-1982), seit 1919 Kultur- und Presseattaché an der österreichischen Gesandtschaft in Paris, hatte schon seit Herbst 1920 „wegen einer französischen Ausgabe“ von Hofmannsthals Prosaschriften „Verhandlungen“ „auf verschiedener Seite“ aufgenommen und schließlich in seinem Freund, dem französischen Literaturkritiker und Schriftsteller Charles Du Bos (1882-1939), einen kompetenten Ansprechpartner gefunden. Der hatte sich schon in jungen Jahren für Hofmannsthals Lyrik begeistert, nachdem sie ihm Ernst Hardt 1904 in Berlin nahegebracht hatte (vgl. seine Vorrede zu Hofmannsthals Écrits en prose, S. 11f., sowie entsprechende Vorformulierungen unter dem 23. Juli 1926, in: Charles Du Bos, Journal. Tome III. 1926-1927. Paris 1949, S. 78). Nach einer Unterredung am 19. Januar 1925 (vgl. dazu Du Bos, Journal. Tome II. 19241925. Paris 1948, S. 261) hatte Zifferer Hofmannsthal am 24. Januar erklärt, Du Bos werde „nun den Plan verwirklich<en>“ (Hofmannsthal-Zifferer, S. 92, 113, 174). Daraufhin hatte Hofmannsthal gegen Ende seines Paris-Aufenthaltes mit Du Bos über die Auswahl beraten (ein entsprechender Hinweis fehlt in Du Bos’ Journal) und rückblickend am 2. März, dem Tag seiner Weiterreise nach Marokko, die Ergebnisse festgehalten und angemerkt: „Mais je suis d’avis qu’il faut absolument garder la lettre de Lord Chandos“ (Hirsch, S. 439). In engem Austausch wird das Vorhaben in den nächsten Monaten unter zeitweiligen Stockungen vorangetrieben; auch beim letzten Treffen zwischen Du Bos und Hofmannsthal in Paris Ende Mai 1925 gehört es zu den Gesprächsthemen (vgl. Du Bos, Journal III, S. 107f.). Allerdings lassen sich die geplanten Termine nicht einhalten; der Band erscheint erst im Juni 1927 (vgl. B 81 mit Anm. 3). Hofmannsthals hier genannter Brief an Zifferer fehlt im Rahmen der überlieferten Korrespondenz. 4 Die Übersetzerin ist „Fräulein <Emma> Herrmann“, jene von Lichtenberger (siehe unten Anm. 6) empfohlene „alte Dame“, die, wie Zifferer bestätigt, „mit viel Fleiß und auch mit deutlicher Begabung“ die Prosaauswahl ins Französische übertragen wird. Zunächst widmet sie sich dem Chandos-Brief, dessen Übersetzung Zifferer insgesamt positiv bewertet: „Was sie zustande brachte, bedarf sicherlich noch der Feile – und ich habe ihr im Einzelnen alle meine Vorschläge und notwendigen Bemerkungen mitgeteilt – aber es ist doch als

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ein Ganzes sehr bemerkenswert. Denn die Übersetzung läßt die besondere Kadenz Ihrer Prosa ahnen, die zauberhafte Einmaligkeit des Sprachlichen, und es ist zugleich eine Freude, das Geistige aus der fremden Umkleidung unberührt und stark hervortreten zu sehen“ (Hofmannsthal-Zifferer, S. 186f.). In diesem Sinne wird Du Bos im folgenden Jahr im Tagebuch vom 29. September 1926 unter dem Stichwort „Hofmannsthal“ notieren: „Il faut que dans mes soirées […] je relise et corrige la traduction de Mlle Hermann, que je prenne rendez-vous pour déjeuner avec Zifferer la semaine prochaine“ (Journal III, S. 107). 5 Den französischen Philosophen und Schriftsteller Paul Desjardins (1859-1940), Begründer der berühmten „Dekaden“ in der Zisterzienser-Abtei von Pontigny, hatte Hofmannsthal am 22. Mai 1925 nachmittags „weit draußen“ vor Paris besucht (an Gerty von Hofmannsthal, 23. Mai 1925: Hofmannsthal-Rilke, S. 244). Schon am 2. März hatte er im Brief an Charles Du Bos den Wunsch geäußert, bei seinem nächsten Aufenthalt „dans la première semaine d’avril“ mit Desjardins zusammenzukommen (Hirsch, S. 439). 6 Henri Lichtenberger (1864-1941), französischer Germanist, den Paul Zifferer Hofmannsthal am 8. Januar 1925 als möglichen Übersetzer der Prosaischen Schriften genannt hatte, und der dann seinerseits Emma Herrmann für diese Aufgabe empfohlen hatte (Hofmannsthal-Zifferer, S. 168f., 186). Hofmannsthal korrespondierte mit ihm im Zusammenhang seiner Ansprache Über Goethe oder über die Lebensalter, die er am 26. Mai vor den Schülern der École Normale Supérieure in Paris gehalten hatte, eine, wie Willy Wiegand am 17. April erfährt, „sehr seltene Einladung, zu der, außer dem Eingeladenen niemand, auch nicht der Director der Schule oder sonst ein Lehrer zugelassen wird“ (Hofmannsthal-Wiegand, S. 133). Am 2. Mai 1925 fügt er im Brief an Yella Oppenheimer hinzu: „[...] die Studenten der École normale haben mich eingeladen, mit ihnen einen Abend zu verbringen; sie wollen mit mir sprechen, und nichts ist mir wünschenswerter, als mich durch die Berührung mit einer nachfolgenden Generation selber zu verjüngen“ (Hofmannsthal-Oppenheimer II, S. 119f.). Vgl. die nachgelassenen Aufzeichnungen in HGW RuA III, S. 575-579, sowie die Notizen Versuch über die Gegenwart in Fragmenten. Über Geschichtsschreibung vom 3. Mai 1926 (in: „Leuchtendes Zauberschloß aus unvergänglichem Material“. Hofmannsthal und Goethe. Im Auftrag des Freien Deutschen Hochstifts unter Mitwirkung von Renate Moering und Christoph Perels hg. von Joachim Seng. Frankfurt am Main 2002, S. 125f.); siehe ferner Hofmannsthals Briefe an seine Tochter Christiane vom 25. April und Ende April 1925: Christiane, Tagebücher, S. 162f.

66.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

<Versailles,> July 18e <1925>

Dear and honored Friend (So Sir Philip Chandos would have written1 and so I dare to do after your two such charming friendly letters) Thank you so much for them and

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I prize them more than I can tell you – How right you are in your judgment of Claudel + Valéry. So right – but then you must be always right I think – I would be so happy to give Sir Philip’s letter in Commerce – Will it be possible for Sept. 1st?

Münchhausen has written that Reuss was not permitted to stop in Paris2 and that as his director3 is en vacances he can only decide at the end of August – At any rate as we will be with you in Salzburg4 at that moment perhaps it might be possible [at] that moment to arrange that Roffredo should go to see him – I am going to write now in a few days to the Hotel d’Europe – 5

Ch. Louis de Beauvau6 has also promised to come with us, I think really to see you again.

I hope you will approve of Commerce No 4 which you will receive in a few days7 –

I hope you are all well and please give many friendly greetings to your daughter to whom I will write in a few days –

Roffredo est à Rome autrement il se joignerait à moi pour vous envoyer nos amities les plus sincères

Marguerite di Bassiano

66. <Samstag>. FDH. Wie B 12. 1 In Hofmannsthals Chandos-Brief wird der Adressat als „mein hochverehrter Freund“ angesprochen (HSW XXXI Erfundene Gespräche und Briefe, S. 45). 2 Auch sechs Jahre nach Kriegsende sind entsprechende Einreise- oder Aufenthaltsgenehmigungen für deutsche Staatsangehörige nur schwer zu erlangen. 3 Vermutlich Walter Bruno Iltz (1886-1950), von 1924 bis 1927 Generalintendant des Reußischen Theaters in Gera. 4 Christiane hatte Münchhausen bereits am 31. Mai angekündigt: „Die Bassianos kommen auch nach Salzburg“ (Christiane-Münchhausen, S. 55). Während des Aufenthalts vom 15. bis 21. August (vgl. B 55, Vorbemerkung) finden Aufführungen von Hofmannshals Salzburger großem Welttheater, Karl Vollmoellers Mirakel, Mozarts Don Juan (Don Giovanni) und Hochzeit des Figaro sowie verschiedene Kammerkonzerte und Liederabende statt (vgl. Josef Kaut, Festspiele in Salzburg. München 1970, S. 49-51). Im Laufe der Tage erörtern Marguerite Caetani und Hofmannsthal eine französische Übertragung von Carl Jacob Burckhardts Prosastück Kleinasiatische Reise zur Aufnahme in Commerce; vgl. B 83, Anm. 8. 5 Offenbar hatte Hofmannsthal Marguerite Caetani noch in Paris empfohlen, sich in Salzburg um Unterkunft im ersten Haus am Platze, dem „Grand-Hôtel de l’Europe“ am Bahnhof, zu bemühen. Er selbst logiert im „Österreichischen Hof“ (vgl. HofmannsthalBurckhardt, S. 172), wo auch die Caetanis im folgenden Jahr absteigen werden (vgl. B 56, Vorbemerkung). 6 Charles-Louis de Beauvau (1878-1942), 6. Fürst von Beauvau-Craon; verheiratet mit Mary Grace Gregorini (geb. 1896). Neben dem Stammsitz Schloß Craon bei Haroué,

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Meurthe-et-Moselle, Region Lothringen, wohnen sie in Paris XVI, rue Georges-Bizet 25. Hofmannsthal war ihnen bei jenem denkwürdigen Zusammentreffen mit Claudel im Versailler Salon am 31. Mai 1925 begegnet; vgl. Christiane-Münchhausen, S. 53, zitiert oben 64, Anm. 1. 7 Commerce IV. Printemps 1925 enthält Beiträge von Paul Claudel, Francis Jammes, Giuseppe Ungaretti, John-Antoine Nau, Marcel Jouhandeau, Paul Valéry (Préface pour une nouvelle traduction de la Soirée avec M. Teste), Léon-Paul Fargue, Sir Thomas Wyatt, Valery Larbaud, Giacomo Leopardi sowie Fragments mystiques von Meister Eckhardt in der Übertragung von Bernhard Groethuysen und im Anhang „la petite notice sur B<üchner>“ aus der Feder Rainer Maria Rilkes (vgl. B 13, Anm. 2).

67.

Hofmannsthal an Marguerite Castani

Bad Aussee, ce 19 septembre <1925>

madame, j’ai ouvert par mégarde (et je vous demande pardon!) une depêche destinée à Christiane – qui se trouve à Venise1 – et j’ai répondu en me servant de l’indication postale qui indiquait „Auville“. Auparavant j’avais adressé Blonville2 (et „der Turm“ heureusement est en vos mains3). Mais voici que la poste m’avertit que la dépêche adressée Auville ou Anville4 a été envoyée par poste à Rome (pourquoi à Rome?) et en même temps je reçois de vous une très charmante lettre, datée de Bénerville5, le 14 septembre6. Mais j’avoue que je reste un peu confus; ces noms d’endroits changent comme les couvertures de „Commerce“7 .

J’écris donc à Versailles, pour dire ceci d’abord: Lechner est une librairie des plus anciennnes de Vienne, très estimée, excellente situation au centre de la ville, public très cultivée8. C’est donc ce qu’il vous faut. Je crois avoir entendre dire, par mon éditeur, que pour les paîments des Beiträge, ils n’ont jamais été très exacts. Mais, puisque j’habite Vienne on pourra les surveiller (Je ne ferais pas ça pour les Beiträge9, mais pour Commerce.)

Êtes-vous aussi à la recherche d’un libraire à Berlin? J’en connais un, qui est mon libraire10, quand je suis là, qui a un public assez riche, assez snob, assez curieux – permettez vous que je lui écrive pour qu’il se charge de la représentation de Commerce? Je le ferai avec le plus grand plaisir. Mais à qui faut-il que je lui dise de s’adresser? est-ce qu’il y <a> un bureau à Paris?11

Je suis très heureux vraiment, chère et bonne amie, de voir que vous n’avez pas été mécontents de votre séjour à Salzburg! Pour moi, pour nous

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– on aurait voulu vous montrer encore bien des choses, bien des endroits, bien des églises dans bien des villages se mirant dans bien des lacs, et par un temps éclatant – j’aime tant ce pays, mon pays, le décor devant lequel jouent tous les rêves de mon enfance – et on aurait voulu davantage vous faire sentir, à vous deux, l’unité de tout cela: de ce paysage, de ses habitants, de leurs mœurs encore simples et doux, et de la musique de Mozart – et même de ce que je fais pour la scène.

Oui, il faut que vous alliez dans le Tyrol (italien – tous les beaux endroits sont „italiens“ maintenant)12 et de là, avec Salzburg, cela fera une belle symphonie de paysage et de musique.

On est en train de dresser la liste des „Amis de Salzburg“ en Europe et en Amérique13. Voulez vous me permettre que votre nom y paraisse? Mais, à côté de ce beau nom italien, il faudra bien mettre „Rome“ et non „Versailles“ je crois – because, after all, it is there you belong.

Maintenant j’ai très peu de noms français, trop peu. En général, je ne mets sur cette liste, que des personnes qui sont vraiment venues à S. – mais, pour une fois, j’aimerais mettre le nom du prince de Beauvau. Il est si sympathique, et je suis sûr qu’il sera un vrai ami de Salzburg. Voulez-vous le lui demander pour moi par une ligne? Merci!

J’ai lu trois fois la traduction d’Anabase14 – et je trouve vraiment que c’est bien – autant que la traduction d’une œuvre lyrique ou tout dépend de l’ordonnance des mots, peut être quelque chose. Voici un sujet sur lequel j’aimerais à vous causer. Mais il fait un diable de scirocco, et ma migraine devient trop forte. Amitiés bien sincères et respectueux!

H.

67. <Samstag>. FCC. Handschriftlich: Bad Aussee, Autriche. 1 Christiane war mit der einstigen Klassenkameradin am Lyzeum in Hietzing und dauernden Familienfreundin Gundl (Adelgunde) Krippel, später verheiratete Degenhart (vgl. Gundl Degenhart-Krippel, Die kleine Christiane; in: Für Christiane. Blätter für Christiane Zimmer zum 14. Mai 1982. Gesammelt von Leonhard M. Fiedler. Frankfurt am Main, S. 9f.), Anfang September nach Venedig gereist, wo sie mit Friedrich und Elisabeth (Elli) Gundolf Freundschaft schließt; vgl. ihre Briefe an Thankmar von Münchhausen aus Venedig, vom 7. und 13. September 1925. Wenn sie im letztgenannten erwägt, ob sie am 15. September zu den Eltern nach Bad Aussee abreisen oder „noch ein paar Tage bleiben“ solle (ChristianeMünchhausen, S. 62-65), hat sie sich, folgt man Hofmannsthals Hinweis, für die zweite Möglichkeit entschieden. 2 Blonville (Blonville-sur-Mer), Ort im Nordwesten Frankreichs im Département Calvados in der Region Basse-Normandie. 3 Hofmannsthals Trauerspiel Der Turm war in erster Fassung im Februar 1923 (Aufzüge I und II) und Februar 1925 (Aufzüge III bis V) in seiner Zeitschrift Neue Deutsche Beiträge veröffentlicht worden (HSW XVI Der Turm. Erste Fassung). Schon im November 1923

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 111

hatte er mit einer Umgestaltung des Stücks begonnen, die Ende April/Anfang Mai 1925 in die zweite Fassung mündet. Von ihr läßt er im Juli 1925 von der Bremer Presse vierzig Separatabzüge anfertigen, die im August in seine Hand gelangen: Der Turm. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen von Hugo von Hofmannsthal. Als Manuskript gedruckt (ohne Copyright). Wie er Josef Redlich am 10. Oktober erklärt, wollte er sich „mit ihnen ein paar mir sehr werten über Europa verstreuten Menschen ins Gedächtnis rufen“ (Hofmannsthal-Redlich, S. 58), zu denen auch Marguerite Caetani gehört. Das übersandte Exemplar ist in den Bestandslisten der Bibliothek Caetani verzeichnet, derzeit jedoch nicht einsehbar, so daß Angaben über eine zu erwartende Widmung nicht möglich sind. Ende November / Anfang Dezember wird die „erste Buchausgabe in zweihundertsechzig numerierten und von Hugo von Hofmannsthal signierten Exemplaren auf der Handpresse gedruckt“ vom Verlag der Bremer Presse ausgeliefert (vgl. HSW XVI.2 Der Turm. Zweite und dritte Fassung, S. 231-235; 260). 4 Die Lesung „Anville“ ist richtig. Anville ist eine kleine Gemeinde im Departement Charente im Südwesten Frankreichs. 5 Das kleine Seebad Bénerville (Bénerville-sur-Mer) liegt knapp einen Kilometer von Blonville (siehe Anm. 2) entfernt. 6 Dieser Brief ist nicht erhalten. 7 Die Commerce-Hefte sind in Kartonumschläge gebunden, deren blasse Pastellfarben als Zeichen der Jahreszeiten von hellgrün (Printemps) über ziegelrot (Été) und gelb (Automne) zu grau-braun (Hiver) wechseln. In Hofmannsthals Bibliothek ist die vollständige Reihe der zwanzig Bände von 1924 bis 1929, teilweise unaufgeschnitten, erhalten geblieben. Von den Bänden VI mit Hofmannsthals Voies et rencontres und XX mit dem postumen Druck von Émancipation du lyrisme français sind überdies sechs bzw. drei Dubletten vorhanden (FDH 909). 8 Die Rudolf Lechnersche Hof- und Universitätsbuchhandlung in Wien am Graben 30 / Ecke Stephansplatz besteht seit mehr als hundert Jahren und firmiert, nachdem Werner Müller 1878 in die Firma eingetreten war, als Buchhandlung „Lechner & Müller“. Auf einem Reklame-Faltblatt des Commerce, das Heft XXVIII (Été 1931) beiliegt, findet sich der Name unter den „Dépositaires a l’Étranger“ als Vertreter in „Autriche“. Hofmannsthal kennt die Buchhandlung seit seiner Jugend; vgl. entsprechende Hinweise aus dem Jahr 1893 in: Hugo von Hofmannsthal, Briefwechsel mit Marie von Gomperz 1892-1916. Hg. von Ulrike Tanzer. Freiburg im Breisgau 2001, S. 210f. 9 Nach mancherlei Präliminarien war es Hofmannsthal 1922 gelungen, sich mit Willy Wiegand und Ludwig Wolde, den Leitern der „Bremer Presse“ (vgl. B 83, Anm. 9), über das Projekt einer eigenen literarischen Zeitschrift zu verständigen, dem „Lieblingsplan“ seiner „reiferen Jahre“, den er „als das mir Liebste nächst meiner eigenen Produktion“ verfolgt (vgl. Hofmannsthal-Wiegand, S. 65, 67). Unter dem Namen Neue Deutsche Beiträge. Unter Mitwirkung Anderer herausgegeben von Hugo von Hofmannsthal war das erste Heft – im Impressum auf „Juli 1922“ datiert – nach Verzögerungen schließlich Mitte August 1922 im Verlag der Bremer Presse erschienen. Bis zum August 1927 werden zwei Folgen mit jeweils drei Heften herausgebracht. 10 Die Buchhandlung Calvary & Co in Berlin, Unter den Linden 75 (Inhaber Otto Mayer und Magnus Schade). Daß Marguerite Caetani auch Thankmar von Münchhausen in diese Fragen einbezieht, zeigt Christiane von Hofmannsthals Brief vom 11. Januar 1926 an den Freund: „Ja, ich glaub, Du fragtest nach Papas Buchhändler in Berlin wegen Commerce. Es ist Calvary. Du kennst ihn ja so wie so“ (Christiane- Münchhausen, S. 71). 11 Wahrscheinlich erinnert sich Hofmannsthal an eine Erfahrung Christianes: Als sie im März 1925 mit Rilkes Hilfe prominente Fürsprecher für eine Einreiseerlaubnis

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Thankmar von Münchhausens nach Paris sucht, hatte ihr Rilke am 16. März mitteilen müssen, daß der ins Auge gefaßte Commerce dafür „nicht in Betracht“ komme, „weil die Revue noch zu jung ist, um ein eigenes Briefpapier mit entsprechend repräsentativem ‚En-tête’ zu besitzen“ (Hofmannsthal-Rilke, S. 107). Inzwischen hätte Hofmannsthal auf dem Titelblatt des ersten Commerce-Heftes, das, obwohl auf „ Été 1924“ datiert, erst im Januar 1925 ausgeliefert worden war, lesen können: „Rédaction et administration 160, rue du Faubourg-SaintHonoré, Paris-VIIIe“, an welche Adresse, laut Schluß-Impressum, mögliche Manuskripte zu richten seien. 12 Nach dem ersten Weltkrieg hatte Österreich im Frieden von St. Germain (10. September 1919) Südtirol bis zum Brenner an Italien abtreten müssen; vgl. B 73, Anm. 1. 13 Hofmannsthal bemüht sich, „ziemlich viele Personen der haute-finance“ zusammenzubringen (an Georg von Franckenstein, [wie S. 98, Anm. 23], S. 293), um die drohenden finanziellen Schwierigkeiten der Salzburger Festspiele im kommenden Jahr zu verhindern. Am 27. September wird er mit ähnlichen Worten auch Paul Zifferer in Paris unterrichten: „Ich bin im Begriffe eine Liste der ‚Freunde der Salzburger Festspiele in Europa und Amerika’ zusammenzustellen. Es soll eine wirkliche Liste sein, keine zum Schein. [...] Ich habe sehr viele englische, amerikanische, deutsche Namen, aber nur drei französische“, unter ihnen den Fürsten Beauvau-Craon; daher bitte er um Hilfe bei der Suche nach weiteren „Menschen von marque“, „die man (unter Berufung auf Österreich oder auf Mozart, oder auf Reinhard und mich) legitim um ihre Namen bitten könnte“. Zifferer antwortet am 6. Oktober: „Französische ‚Freunde der Salzburger Festspiele’ lassen sich leicht finden“ und kündigt „demnächst eine Liste zur Auswahl“ an. Diese Liste vom 14. November 1925 wird Hofmannsthal am 22. November und 11. Dezember 1925 kritisch sondieren (Hofmannsthal-Zifferer, S. 189, 192-194, 196-200). Vgl. Edda Fuhrich, Gisela Prossnitz, Die Salzburger Festspiele Band I. 1920-1945. Ihre Geschichte in Daten, Zeitzeugnissen und Bildern. Salzburg 1990, S. 60. 14 Walter Benjamin hatte im Juli 1925 „Proben der Übersetzung nach Paris“ gesandt (Benjamin, Briefe III, S. 63), die dort allerdings auf große Vorbehalte gestoßen waren. Jedenfalls schreibt Christiane von Hofmannsthal am 26. Juli 1925 an Thankmar von Münchhausen: „Aus Paris bekam ich einen sehr netten Brief von Marguerite Bassiano, die nicht sehr glücklich über die Benjamin Übersetzung ist und dem Papa die ‚Anabase’ schickte, der sie aber absolut nicht verstehen kann“ (Christiane-Münchhausen, S. 62). In Hofmannsthals Bibliothek sind zwei Anabase-Exemplare erhalten geblieben; zum einen die erste Ausgabe von 1924: St-J. Perse, Anabase. Paris. Édition de la Nouvelle Revue Française (1924): Nr. VIII von L (insgesamt 627) Exemplaren im Quart-Format (FDH 6567) sowie die folgende Ausgabe: St-J. Perse, Anabase. Paris. Édition de la Nouvelle Revue Française 1925: Nr. 6 von 150 (insgesamt 176) Exemplaren in Folio (FDH 4028) (vgl. Bibliographie de l’œuvre poétique, in: Saint-John Perse, Œuvres complètes. Paris 1972, S. 1350f.). Bei einem dieser Exemplare muß es sich um jenes handeln, das Marguerite Caetani – laut Christianes Hinweis – Hofmannsthal zugesandt hatte. Wenn Christiane angesichts der väterlichen Ratlosigkeit fortfährt: „Jetzt wollen wir uns noch die Übersetzung von ihr schicken lassen“, so hatte sie diesen Wunsch offenbar auch an Benjamin herangetragen, der, wie er am 18. August 1925 schreibt, „der Aufforderung Ihrer Tochter folgend“, Hofmannsthal „die Anabase-Übersetzung“ zuleitet (Benjamin, Briefe III, S. 77). – Hofmannsthal war durch Florens Christian Rang 1922 auf Benjamin hingewiesen worden und hatte über diesen Mittelsmann seit Herbst 1923 indirekten Kontakt zu ihm als künftigem Autor der Neuen Deutschen Beiträge aufgenommen. Am 14. Februar 1925 hatte er Benjamin zu jenen „jüngeren Männern“ gezählt, die er – neben Carl J. Burckhardt und Hans Heinrich Schaeder –

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„unter dem Begriff eines Kreises – dem George’schen höchst unähnlich“, zusammenzuführen wünscht; und am 24. Juni 1925 hatte er ihn Willy Wiegand als „eine höchst bedeutende Persönlichkeit“ charakterisiert, „die auf jede Weise zu fördern mir als Pflicht erscheint“ (Hofmannsthal-Wiegand, S. 132, 134). Den eigentlichen Briefwechsel eröffnet Benjamins Schreiben vom 13. Januar 1924. Dabei steht zunächst die als Habilitationsschrift angelegte Studie Ursprung des deutschen Trauerspiels im Mittepunkt (vgl. Hugo von HofmannsthalFlorens Christian Rang, Briefwechsel 1905-1924; in: Die Neue Rundschau. 70. Jg. Drittes Heft 1959, S. 402-448; Walter Benjamin, Gesammelte Briefe. Band II. 1919-1924. Hg. von Christoph Gödde und Henri Lonitz. Frankfurt am Main 1996, S. 409-421 u.ö.), von der jedoch, nach mancherlei Ankündigungen, erst im letzten Heft der Neuen Deutschen Beiträge (Zweite Folge, Drittes Heft, S. 89-110) im August 1927 das „Melancholiekapitel“ als Teildruck publiziert wird (S. 89-110; auf S. 136-138 die „Kapitelüberschriften“ des „unveröffentlichten Werkes“, die „den Aufbau dieser bedeutenden Arbeit erkennen <lassen>“). Zuvor war im Ersten und Zweiten Heft der Zweiten Folge Benjamins Essay über Goethes Wahlverwandtschaften erschienen, der nach Hofmannsthals Urteil den Heften „einen sehr hohen Wert verleihe“; denn Benjamin „behandel<e> Hohes mit seltener Kraft und er erreich<e> dabei eine noch seltenere Schönheit der Darstellung“. Von Beginn an hatte Hofmannsthal die herausragende Begabung des jungen Wissenschaftlers erkannt und die Verbindung zu ihm „als einen jener Glücksfälle“ betrachtet, „ohne deren Eintreffen kein Unternehmen gelingen kann“ (an Florens Christian Rang, 26. Januar 1924, a.a.O., S. 443f.). Auch Benjamins Übertragungen aus dem Französischen nimmt Hofmannsthal zur Kenntnis und notiert im zitierten Brief an Rang: „Der Dienst am Wort ist vielfältig. Was in diesem Bereich die Übersetzung bedeutet, das ist von Benjamin in der Vorrede zu seinen Übersetzungen Baudelaire’scher Gedichte wunderbar dargelegt“ (Charles Baudelaire, Tableaux Parisiens. Deutsche Übertragung mit einem Vorwort über die Aufgabe des Übersetzers. Berlin 1923). Obwohl er einschränkend hinzufügt: „aber diese Übersetzungen selber erachte ich nicht für völlig schön“, dürften sie mit dazu beigetragen haben, daß er im Zusammenwirken mit Rilke Benjamin als Anabase-Übersetzer befürwortet, nachdem Thankmar von Münchhausen am 10. April 1925 mit „Helen <Hessel> wegen Übersetzung St. Léger – Benjamin gesprochen“ hatte (vgl. B 15, Anm. 2). Die verschiedentlich geäußerte Behauptung, Hofmannsthal habe Marguerite Caetanis ursprünglichen Gedanken, Bernhard Groethuysen mit dieser Aufgabe zu betrauen, „auf Grund des schwachen Eindrucks von dessen Hölderlin-Übertragungen“ im Commerce ‚widerraten’ (so Hofmannsthal-Rilke, S. 253f.; Rolf Tiedemann, Christoph Gödde, Henri Lonitz, Walter Benjamin. 1892-1940. Katalog zur Ausstellung im Deutschen Literaturarchiv. Marbach am Neckar 1990, S. 137-141), läßt sich nicht bestätigen. Ihr widerspricht grundsätzlich, daß Hofmannsthal von dieser Hölderlin-Übersetzung erst durch Marguerite Caetanis folgenden Brief vom 29. September (B 68) erfährt und daß sie ihm nicht vor Erscheinen des Heftes im November 1925 in die Hand kommt (vgl. B 69, Anm. 1) – zu einer Zeit, als der Auftrag an Benjamin längst ergangen war und die Übertragung seit Monaten im Manuskript abgeschlossen vorliegt.

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DIE BRIEFE 1925-1959

68.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Bénerville, le 29 Sept. <1925>

Cher Grand Poète – J’ai tant de choses à vous dire que je ne sais où commencer – D’abord je vous remercie de votre bonne lettre qui m’a permis pendant un moment de m’imaginer encore dans ma chambre à Salzburg causant avec vous – J’ai écrit à Charles-Louis de Beauvau, mais je suis sure qu’il sera heureux de voir son nom parmi les Amis de Salzburg1 – Quelle excellente idée! Je trouve aussi qu’il faut mettre notre adresse Romaine qui est Palazzo Caetani2

Ne voulez-vous pas mettre aussi la Pcesse de Polignac qui est si musicienne et bien plus sympatique que vous ne croyez? 3

J’ai écris à Lechner lui disant nos conditions et que vous les recommandez beaucoup pour Commerce et j’ai pris la liberté de lui dire que vous lui direz ou écrirez un bon mot sur Commerce pour l’encourager – Merci encore mais nous avons déjà Asher à Berlin comme représentant Allemand4, mais peutêtre quand vous serez à Berlin vous pourriez dire à votre Libraire que Commerce existe et si vous lui dites aussi comme à Lechner que nous aurons des inédits de vous c’est impossible que vous fassiez plus pour „Commerce“ et à propos d’inédits de vous j’ai encore bien des choses à dire. Mais d’abord en parenthèse laissez-moi vous dire cher grand ami que rien ne m’empêchera d’aller à Berlin pour la première de Der Turm –

Je trouve ça magnifique – Terrible, oui, si vous voulez, mais très, très beau – Est-ce que je me trompe en le plaçant très haut dans votre œuvre, c’est à dire très haut parmi les quelques belles œuvres de toutes les littératures? Je ne pense pas – Ou trouvera-t-on jamais un acteur pour jouer Sigismund?5 Quelle merveilleuse figure – Oh j’ai hâte de le voir sur la scène. Avec toute sa profondeur de signification et de pensée ça doit être excessivement dramatique. Je l’ai lu deux fois et je le lirai encore ces jours-ci car il y a certaines paroles que je n’ai pas comprises – J’étais trop emportée par l’action du drame et par le mouvement Lyrique de votre langue magnifique, pour pouvoir m’arrêter et regarder dans le dictionnaire – Maintenant ce que je voulais dire à propos de choses inédites est ceci –

Je crois bien faire pour „Commerce“ en fixant pour principe (nous l’avons déjà fait pour l’Angleterre et l’Amérique) à de rares exceptions près

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(une exception6 peut être „Der Aussätzige“ de Kassner7 parce qu’il est si peu connu me dit-on et que ce qu’il fait maintenant à moins d’intérêt général) de ne jamais publier dans „Commerce“ que des inédits de tout écrivain vivant ne faisant pas de distinction entre français et étranger, ou aussi, que ce qui m’intérèsse moi, personnellement le plus dans Commerce est justement son caractère international –

Aussi pour vous qui n’êtes pas seulement toujours égal à vous-mème mais autant que je puis juger dans chaque nouvelle œuvre vous vous surpassez vous-mème, ça serait stupide il me semble de traduire en Français, où on vous connais si mal, seulement des œuvres anciennes – ne trouvez-vous pas? De faire de vous un personnage historique quand vous êtes le plus grand le plus représentatif le plus actuel le plus jeune de tous les écrivains de langue Allemande –

Il me semble que nous pouvons toujours donner Die Wege8 que j’aime tant et qui est maintenant entre les mains de Léger, mais en mème temps si vous voulez bien, une chose recente – Ne serait-ce pas possible de donner un fragment de cette „Hélène d’Egypte“ que vous ne m’avez jamais racontée, ou peutêtre cette conference que vous avez faite aux étudiants de Paris?9 Je suggère à tort et à travers – Dites moi en tous les cas que j’ai raison en ce qui concerne vous et Commerce – Je désire tant votre approbation –

J’ai trouvé un collaborateur merveilleux en Groethuysen10 et nous sommes prêts à traduire tout ce que vous voudriez bien nous confier –

Je suis heureuse de ce que vous me dites de la traduction d’Anabase mais je pense que si vous approvez je pourrais demander à Groethuysen de la revoir11 – C’est si extraordinaire de trouver quelqu’un qui connait également bien le français et l’allemand et il sent la poésie si intensément – Je crois qu’il pourrait l’améliorer et puis on vous la soumettrait encore – Il est en train de faire de très belles traductions de quelques poèmes de Hölderlin pour Commerce12 – Je suis si impatiente de savoir ce qu’a décidé Christiane pour son hiver – J’espère tant qu’elle reviendra à Paris, et il faudrait qu’elle considère toujours la Villa Romaine comme une seconde home où elle peut venir quand elle est fatiguée du bruit et de la confusion de Paris – Mais j’espère tant que nous serons beaucoup en Allemagne pendant l’année qui va venir – Encore pas de nouvelles de Weimar13 mais j’espère toujours – J’ai honte de cette interminable lettre – Aurez-vous jamais la patience d’arriver jusqu’a la fin? Plus je pense à vous plus est profonde ma reconnaissance de vous avoir rencontré – Mes amitiés sincères pour vous tous –

Marguerite di Bassiano

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DIE BRIEFE 1925-1959

68. <Dienstag>. FDH. Aufdruck: „Mon Rêve“ / Bénerville par Blonville / (Calvados). 1 Auf der schließlich im Sommer 1926 gedruckten Liste der Freunde der Salzburger Festspiele (siehe B 71, Anm. 1) ist „Le Prince de Beauvau-Craon / Haroué“ verzeichnet. 2 Die Liste der Freunde der Salzburger Festspiele von 1926 nennt: „Roffredo Caetani, Principe di Bassiano, Rom“. 3 Prinzessin Edmond de Polignac, geb. Winnaretta Singer (1865-1943), Tochter und Erbin des amerikanischen Nähmaschinenfabrikanten Isaac Merritt Singer. Sie hatte in zweiter Ehe 1893 Edmond de Polignac (1834-1901) geheiratet und mit ihm in Paris einen einflußreichen Salon gegründet. Sie fehlt auf der Liste der Freunde der Salzburger Festspiele. 4 Die Wissenschaftliche Buchhandlung A. Asher & Co in Berlin, Unter den Linden 59; gegründet von Adolf Asher (1800-1853), war sie 1874 in den Besitz von Adolf Behrend und Leonhard Simion übergegangen. 5 Sigismund, Sohn des Königs Basilius, Hauptgestalt in Hofmannsthals Turm. 6 In gleichem Sinn argumentiert Marguerite Caetani gegenüber Rilke am 23. September 1925 in B 37. 7 Kassners Text Der Aussätzige. Apokryphe Aufzeichnungen Kaiser Alexander I. von Rußland war als zweiter Teil seines schmalen Buches Die Chimäre / Der Aussätzige 1914 im Insel-Verlag erschienen. Zum Druck in Commerce siehe unten B 69, Anm. 5. 8 Hofmannsthals Prosastück Die Wege und die Begegnungen war in erster Fassung am 19. Mai 1907 im Morgenblatt der Wiener Zeit veröffentlicht worden, 1913 gefolgt von einer leicht bearbeiteten Fassung, die als aufwendig gestaltete Buchausgabe in 200 Exemplaren als „Erster Druck der Bremer Presse“ herausgebracht wurde (vgl. HSW XXXIII Reden und Aufsätze 2, S. 152-158; S. 576f.). Für den Dritten Band seiner Prosaischen Schriften, der im November 1917 erschien, hatte Hofmannsthal den Text grundlegend überarbeitet und diese zweite Fassung 1924 auch in den Dritten Band seiner Gesammelten Werke übernommen (HSW XXXIII Reden und Aufsätze 2, S. 159-162; S. 578f.). Zum Druck in Commerce VI. Hiver 1925, S. 139-150, vgl. B 69, Anm. 4. 9 Vgl. oben B 65, Anm. 6. Weder diese „conference“ noch ein Stück aus der Ägyptischen Helena werden in Commerce gedruckt. 10 Zu Bernhard Groethuysen, der als Autor und Übersetzer häufig in Commerce vertreten ist, vgl. Zu Anabase, unten S. 362f. 11 Ähnlich am 23. September an Rilke: B 37. 12 Siehe B 69, Anm. 7. 13 Mit Bezug auf die geplante Uraufführung der Hypatia am Deutschen Nationaltheater in Weimar, für die sich Thankmar von Münchhausen eingesetzt hatte. Das unveröffentlichte Tagebuch seiner Mutter Anna Freifrau von Münchhausen bestätigt, daß er sich am 8. Oktober 1925 „um die Uraufführung der Oper Hypatia“ seines „ital. Freundes Principe Bassiano am Weimarer Theater“ „bemüht“ und zu diesem Zweck beim dortigen Generalmusikdirektor Ernst Praetorius (vgl. B 73, Anm. 3) „zum Thee“ vorspricht. Nachdem Anna von Münchhausen selbst am 22. Oktober bei Frau Käte Praetorius, geb. Ruhemann, „wegen Hypathia“ angefragt hatte, kann sie am 25. Oktober melden, daß „die Entscheidung“ gefallen und „H. angenommen“ sei, aber „der Principe zu einigen Besprechungen herkommen soll“. Bis zur Aufführung am 23. Mai 1926 werden freilich noch sieben Monate vergehen.

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 117

69.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Versailles, le 28 Nov. <1925>

Une lettre de vous1 est une grande joie en même temps qu’un fort excitant intellectuel et sentimental – Après l’avoir lue et relue je sens le désir de repondre au même moment à toutes les idées et à tous les sentiments divers et ondoyants si j’ose dire, que vos paroles éveillent en moi, et sans prendre patience pour mettre un peu d’ordre là-dedans. La joie de votre lettre est un peu obscurcie tout de même par l’impression qui s’en dégage que l’espoir de mes biens est remis indéfiniment, et cela me rend bien triste. Vous ne parlez plus de la première de „Der Turm“2, et si vous allez en Egypte3 qui sait quand nous nous rencontrerons! – Vous avez tellement de temps pour aller en Egypte et il me semble que l’Europe a bien besoin de vous cet hiver – En attendant autre chose de vous „Voies et Rencontres“ apparaîtra au Commerce de Janvier et dans un français digne de vous je crois4 –

Je suis bien contente de l’avoir laissé entre les mains de Saintléger Léger (qui me l’a rendu hier) car j’ai l’espoir que vous en serez satisfait. Vous me direz bien franchement n`est ce pas? „Le Lépreux“ aurait aussi beaucoup gagné au point de vu du français s’il avait eu le temps de le revoir5 – Comme vous avez dit gentiment tout le mal possible des traductions de Hœlderlin de la N.R.F6 – et pas un mot de celles de Commerce!7 – Mais je sais tout ce que vous aurez voulu dire et je suis tout-à-fait de votre opinion, seulement osant l’admettre à moi – mème après que je me sens forte de votre opinion. Pauvre Groethuysen! Comme vous avez bien défini et démoli son portrait de H!8 C’est absolument ça! C’est une grande désillusion pour moi et que je ne voulais pas voir, j’ai trouvé le Meister Echardt9 si bien, – Quand je pense que d’après la demande de Rilke je lui ai confié l’Anabase allemand pour comparer mot à mot avec l’original au point de vu de comprehension du français – Je tremble un peu – Il faudrait que vous soyez de nouveau et toujours un ange et que vous le relisiez encore une fois quand il me l’aura rendu –

Je pense que cela serait bien si Insel voulait le publier dans le même format que les poèmes de Valéry traduit par Rilke10. Heureux Valéry s’il pouvait vous avoir comme traducteur – Je m’informerai de la question Rilke sans parler de vous –

Nous cherchons une maison dans le midi Beaulieu possiblement pour passer Jan. et Fevrier – Qui sait si vous ne viendrez pas passer une semaine

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DIE BRIEFE 1925-1959

avec nous là-bas, si vous n’allez pas en Egypte – xxx xx xxx11 mais cela me plaît de penser à cette visite comme possible –

J’ai une grande immense faveur à vous demander mais je la demande seulement à la condition que ça ne représente pour vous le moindre ennui –

Voilà – Je désire faire traduire pour Commerce quelques fragments du livre que nous aimons tous les deux Burton’s Anatomy of Melancholy et puisque je sais que vous le connaissez bien mieux que moi j’esperais que vous m’indiquerez des pages, des passages que vous préférez entre autres – Je pensais que peutêtre vous aurez déjà en le lisant marqué des passages, en ce cas là seulement je vous demande ceci – jamais s’il s’agissait de le relire – Ça me serait infiniment précieux et aussi pour des raisons sentimentales! Une des grande joie que j’ai eu de votre lettre est l’impression qui s’en dégage que vous l’avez écrite avec plaisir – Je me flatte excessivement peutêtre! – Vous m’avez envoyé une belle page de prose allemande qui m’a vraiment beaucoup flattée, et en plus je l’ai comprise –

Dimanche le 6 Déc.

Ici on est venu me dire que ma petite fille12 n’était pas bien – Je l`ai mise au lit et j’ai découvert qu’elle avait 40-6 de fièvre – Vous pouvez imaginer mon affollement – Les deux enfants13 avaient eu un peu de grippe et je suppose que c’était une rechutte – Elle est resté avec cette température là jusqu’a Jeudi14 et une légère congestion pulmonaire s’est déclarée – Mais à partir de Jeudi sa temperature a commencé à baisser et aujourd hui elle n’a jamais eu plus de 37-4 – Nous avons passé quelques jours d’angoisse et puis le tourment de se dire que je n’aurais pas dû lui permettre de sortir si tôt etc – etc – Je me rend tout à fait malade –

Enfin nous respirons de nouveau –

Roffredo et moi pensions partir pour Weimar Mardi dernier – Maintenant il ira seul à la fin de la semaine –

Je vous ferai savoir aussitôt ce qui sera décidé pour Hypatia – Plus que jamais nous devons aller dans le midi et nous partirons aussitôt que la petite sera en état de voyager – Nous avons écrit à des amis pour nous chercher une Villa – Tant de choses affectueuses à Christiane à qui j’écrirai bientôt –

Je vous envoie mes amities les plus sincères

Marguerite di Bassiano Commerce vous envoie ceci avec ses remerciements reconnaissants –

69. <Samstag>. FDH. Aufdruck wie B 9. 1 Diese Antwort setzt einen verlorenen Brief Hofmannsthals voraus, in dem er sich kritisch zu Groethuysens Hölderlin-Übertragungen in der Nouvelle Revue Française (siehe unten Anm. 6) geäußert hatte – anders als Rilke, der am 14. November 1925 an Baladine

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Klossowska schreibt und damit ein letztes Zeugnis seiner Hölderlin-Begeisterung ablegt: „Groethuysen a assez bien réussi en traduisant Hölderlin, ne trouvez-vous pas? Comme il a donné avec un tact accompli ces vers tristes qui presque ne le sont plus à force d’épuiser la tristesse entière: Moitié de la vie. (Diese Hälfte des Lebens rangierte unter die Gedichte ‚aus der Zeit des Wahnsinns‘...); le connaissez-vous en allemand, ce poème inoubliable auquel le titre ajoute je ne sais quel désespoir consenti et quasi positif“ (Rilke-Merline, S. 546f.). 2 Der Turm wird erst nahezu zweieinhalb Jahre später am 4. Februar 1928 in München uraufgeführt; vgl. unten B 87, Anm. 2. 3 In seinem – verlorenen – Brief hatte Hofmannsthal offenbar vom Plan einer Reise nach Ägypten gesprochen. Am 12. November 1925 hatte er Raoul Auernheimer wissen lassen: „Ich hätte den großen Wunsch mit meiner Frau im Februar für ein paar Wochen nach Ägypten zu gehen“ (The Correspondence of Hugo von Hofmannsthal and Raoul Auernheimer; in: Modern Austrian Literature 7, No. 3/4, 1974, S. 209-301; hier S. 266). Allerdings wird sich dieses Vorhaben zerschlagen. Im Brief an Marie von Thurn und Taxis heißt es am 8. Januar 1926: „Aus meinem Ägypten im Februar wird nichts“ (zitiert in HSW XI Dramen 9, S. 829); ebenso erfährt Paul Zifferer unter dem 16. Januar desselben Jahres: „Ich habe es für geboten gehalten, um der Salzburger Sache willen, eine geplante Reise nach Egypten aufzugeben“ (Hofmannsthal-Zifferer, S. 203). Hinter der „Salzburger Sache“ verbirgt sich die anhaltende Sorge um den Fortbestand der Festspiele, die Ende 1925 vor dem Bankrott stehen, da erhoffte Spendengelder und günstige Auslandskredite ausgeblieben waren. So sind die ersten drei Monate des Jahres 1926 ganz von der Sorge bestimmt, die Festspielhaus-Gemeinde vor dem Zusammenbruch zu retten (vgl. Edda Fuhrich, Gisela Prossnitz [wie B 67, Anm. 13], S. 59-61); Hofmannsthal ist an diesen Beratungen maßgeblich beteiligt; siehe auch unten B 71, Anm. 1. 4 Die Betrachtung Voies et rencontres erscheint in: Commerce VI. Hiver 1925, S. 139-150; am Schluß gezeichnet: „Hugo von Hofmannsthal. (Adapté de l’allemand.)“. Ein Übersetzer wird nicht genannt. Der Commerce-Index, S. 22, erläutert: „traduit par l’auteur; revu par Alexis Léger“. Daß hingegen der Druck auf einer Übersetzung Marguerite Caetanis fußt, die Léger maßgeblich überarbeitet hat, bestätigen ihre Briefe vom 29. September 1925 (B 68) und 20. April 1926 (B 74). Die Übertragung weicht nicht nur im Titel erheblich von jener ab, die Emma Herrmann in den Écrits en prose als Les Chemins et les Rencontres vorlegt (vgl. B 81, Anm. 3). 5 Rudolf Kassners Der Aussätzige erscheint als Le Lépreux in der von B. Groethuysen bearbeiteten Übersetzung Marguerite Caetanis in Commerce V. Automne 1925, S. 93-122; die Mitarbeit Marguerite Caetanis bleibt hier ebenso unerwähnt wie später im CommerceIndex, S. 23. Vgl. B 38, Anm. 7, sowie Caetani-Kassner, unten S. 176, Anm. 8. 6 Die Nouvelle Revue Française XXV, S. 551-554, hatte kurz zuvor am 1. November 1925 unter dem Titel Hölderlin, Poèmes vier Gedichte Hölderlins (Rousseau, Début de Printemps, Sibylle, Moitié de la Vie) in der Übersetzung Bernhard Groethuysens veröffentlicht; eingeleitet von Groethuysens Aufsatz Hölderlin (ebenda, S. 544-550). 7 Commerce V. Automne 1925, S. 169-186, hatte sieben von Bernhard Groethuysen ins Französische übertragene Poèmes von Hölderlin gebracht: Patmos, Souvenir, L’Aigle, Ages de la Vie, Fragment, Le Chant du Cygne de Sapho, Fragment. 8 Gemeint ist Groethuysens einleitender Essay Hölderlin in der Nouvelle Revue Française (siehe oben Anm. 6). In Commerce V, S. 187-207, hatte Groethuysen seiner Übertragung einen literaturwissenschaftlichen Beitrag La Folie de Hoelderlin. Réflexions et Documents samt einer Notice bibliographique folgen lassen. 9 Maître Eckhart, Fragments mystiques. Traduits et précédés d’un portrait par Bernard Groethuysen; in: Commerce IV. Printemps 1925, S. 147-173.

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DIE BRIEFE 1925-1959

10 Paul Valéry, Gedichte. Übertragen durch Rainer Maria Rilke. Leipzig 1925; siehe B 42, Anm. 6. 11 Drei nicht zu entziffernde Wörter. 12 Die zwölfjährige Tochter Lelia. 13 Lelia und ihr Bruder Camillo. 14 3. Dezember 1925.

70.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Beaulieu, <Ende Dezember 1925 / Anfang Januar 1926>

Comme vous êtes gentil de vouloir être rassuré sur la petite. Bien merci elle s’est vite remise et j’espère qu’ici au soleil elle profitera beaucoup –

Nous sommes là depuis le 1er et je m’ennuie déjà mortellement1 – C’est le genre d’endroit que je déteste – Un magnifique pays abimé par les hommes – Trop de monde, trop d’automobiles, trop de maisons, trop de routes, trop de trains – Une mer de laquelle on ne peut pas profiter et rien a faire – Un pays pour les vieux et les malades2 – Mais le temps passera je suppose et si la petite devient grasse et rose cela aurait valu la peine – Savez-vous un des plus beaux cadeaux que j’ai eu pour Noël? Votre lettre, qui est arrivée juste le matin de Noël et qui m’a fait un si grand plaisir –

Et l’Egypte? Vous n’en parlez pas –

Roffredo part demain pour Weimar passer une semaine et j’espère qu’alors tout sera décidé – Je vous ai dit je crois qu’on donnera Hypatia en Avril – J’ai vu dans le journal le magnifique programme de la saison prochaine à Salzburg – J’y vois votre main3 – J’espère que nous pourrons assister à tout le festival cette année and I will make my plans accordingly and hope that nothing will interfere and I want to stay in your hotel this time, until you will get so sick of the sight of me! –

Asher is a fearful old stick-in-the mud so please tell me the name of your book-shop in Berlin4 – Nous avons reçu cette magnifique publication „Les Funérailles du Duke de Lorraine“5 C’est vraiment merveilleux –

J’aime tant ce que vous dites de ce „Quaint Old Book“ the Anatomy6 mais je crois qu’un choix serait très possible et surtout si vous intervenez – Il faut que nous le fassions – Pour de Challes7 – Geuthner me le recherche toujours mais s’il ne l’a pas trouvé à mon retour je me le ferais apporter d’une

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 121

bibliothèque comme vous suggérez – Je vous ferai envoyer dix8 exemplaires du „Commerce“ avec „Voies et Rencontres“ et j’espère tant, tant que vous l’approuverez plus que le dernier numéro! – Vous me direz n’est-ce pas? Et si vous en voulez d’avantage je serais si heureuse de vous les envoyer – A quand la première du „Der Turm“?

J’écrirai à Christiane ces jours-ci. J’aimerais tant d’avoir de ses nouvelles et savoir ce qu’elle fait en ce moment et ses projets9 –

Bien des amitiés cher grand Ami à vous à Mme von Hofmannsthal et à Christiane –

Marguerite di Bassiano To return to Burton for instance in the chapter Air Rectified and also in Cures for Melancholy10 there are marvellous things to choose from –

70. FDH. Handschriftlich: Villa Mercédes / Petite Afrique / Beaulieu. In HSW XXXIII Reden und Aufsätze 2, S. 591, unter den Zeugnissen auf „Winter 1925“ datiert. – Vorausgeht ein verlorenes Schreiben Hofmannsthals, das, laut diesem Brief Marguerite Caetanis, am Weihnachtsmorgen eingetroffen war. 1 Christiane spielt auf diese Zeilen an, wenn sie am 11. Januar 1926 Thankmar von Münchhausen berichtet: „Papa hat einen Brief von Marguerite B. aus Beaulieu wo sie sich langweilt, die Gute“ (Christiane-Münchhausen, S. 70). 2 Das Seebad Beaulieu (-sur-Mer) im französischen Département Alpes-Maritimes (A.M.) in der Region Provence-Alpes-Côte-d’Azur liegt etwa 8 km östlich von Nizza und 10 km westlich von Monaco entfernt. Im Süden schließt sich die Halbinsel Cap Ferrat an. Im 19. Jahrhundert erlebte der kleine Ort durch die Anbindung an die Straße und Eisenbahnlinie nach Nizza einen großen Aufschwung, viele berühmte Persönlichkeiten verbrachten hier die Wintermonate. Nach dem Ersten Weltkriegs entwickelte er sich zu einem allgemein frequentierten Tourismuszentrum. 3 Bei den Festspielen vom 7. bis 29. August 1926 stehen neben verschiedenen Orchester- und Kammerkonzerten sowie Mozarts Entführung aus dem Serail und Don Juan (Don Giovanni) auch Hofmannsthals/Strauss’ Ariadne auf Naxos und der Jedermann auf dem Programm; vgl. Josef Kaut (wie B 66, Anm. 4), S. 51-55. 4 Die Buchhandlung Calvary & Co; vgl. oben B 67, Anm. 10. 5 Nicht ermittelt; vgl. aber den reichillustrierten Beitrag Les funérailles lorraines du capitaine Petitjean in der Zeitschrift L’illustration vom 23. September 1911. 6 Robert Burtons The Anatomy of Melancholy; siehe unten Anm. 10. 7 Gemeint ist der französische Erzähler Robert (de) Challes (auch Challe oder Chasles) (1659-1721), dessen Buch Les Illustres Françoises Hofmannsthal in seinem verlorenen Schreiben offensichtlich für den Commerce empfohlen hatte. Schon 1907 hatte Harry Graf Kessler ihn auf das Werk hingewiesen, das bald danach für das Lustspiel Silvia im Stern wichtig werden sollte und auch im Andreas-Roman seine Spuren hinterläßt (vgl. Hirsch, S. 308-311). Ab 1922 gehört das Buch zu jenen, die Hofmannsthal für den französischen Teil der – als Gegenstück zu seinen Deutschen Erzählern gedachten – Sammlung Fremde Erzähler bzw. Französische Erzähler vorsieht. Am 19. Dezember 1924 erklärt er Katharina Kippenberg, der erste Band solle „eine der schönsten <Erzählungen> aus den ‚illustres françoises’ des De Challes“

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DIE BRIEFE 1925-1959

enthalten, „eines sehr großen Erzählers vom Ende des XVIIten, der auch in Frankreich fast völlig unbekannt ist“. Am 9. Juli 1925 fügt er hinzu, er habe sich für die am Beginn von Teil II stehende „‚Histoire de M. de Frans et de Silvie’ entschlossen. Von diesem merkwürdigen und bedeutenden Autor giebt es sonderbarer Weise keine modernen Ausgaben doch werden Ihre Beauftragten leicht in jeder öffentlichen Bibliothek und wohl auch bei Antiquaren die meist verbreitete vierbändige Ausgabe: Les illustres Françoises, histoires véritables nouvelle Edition à la Haye 1774 vorfinden. Auch die Amsterdamer Ausgabe von 1748 ist gut“. Noch am 10. Oktober betont er: „Es würde mir doch Spaß machen, die Sammlung herauszubringen, mit dem De Challes an der Spitze den in Frankreich keine hundert Menschen kennen!“ (Hofmannsthal-Insel, Sp. 927, 955f., 964) Nach welcher Ausgabe Marguerite Caetani sucht, muß offenbleiben; eine Edition im bekannten Pariser Verlag von Paul Geuthner nennen die einschlägigen Bibliographien jedenfalls nicht; vgl. die maßgeblichen Editionen von Frédéric Deloffre: Robert Chasles, Les Illustres Françoises. Paris 1959, bzw. die Bibliographie in Robert Challe, Les Illustres Françaises. Édition nouvelle par Frédéric Deloffre et Jacques Cormier. Genf 1991, S. 666-676. 8 In HSW XXXIII Reden und Aufsätze 2, S. 591, der Lesefehler: „deux“; vgl. auch oben B 67, Anm. 7. 9 Von ihren „Plänen“ spricht Christiane ausführlich am 11. Januar 1926 im Brief an Thankmar von Münchhausen: „Ich hab mir vorgenommen im Herbst die Matura zu machen, um dann doch etwas zu studieren (romanische Sprachen) was mir dann längere Aufenthalte in Deutschland u. Paris ermöglicht, ich möchte so gerne etwas vor mir sehen, was nicht immer gleich zu Ende ist und was einen nicht so bindet wie ein richtiger Beruf. Außerdem kann ich dazwischen tun, was ich Lust habe und auch immer einmal etwas übersetzen, wenn ich was krieg; aber dem nachzujagen finde ich langweilig. Zudem freut mich das Lernen jetzt plötzlich wirklich, ich lese schon Ovid u. Livius u. fang Vergil an, so daß alles ganz gut gehen wird. Die Lernbücher kann ich natürlich jederzeit in einen Koffer packen und sie woanders benutzen und meine Pläne hab ich daher an Hypatia geknüpft: Ich würde gern zur Aufführung der Hypatia nach Weimar (davor viell. einige Tage Berlin.) hernach via Heidelberg [...] und anschließend sogar (am Liebsten falls Du Ähnliches tätest) eine Zeit Paris: Es wäre schön, wenn sich wenigstens ein Teil dieser Pläne verwirklichen ließe“ (Christiane-Münchhausen, S. 70). 10 Robert Burton, The Anatomy of Melancholy. Two volumes. Ed. by Nicolas K. Kiessling, Thomas C. Faulkner, Rhonland L. Blair. Oxford 1989/90. Das Kapitel Ayre rectified. With a Degression of the Ayre findet sich als Sect. 2, Memb. 3 , Subsectio 1 in Teil II des Werks (vgl. Marguerite Caetanis Brief vom 4.4.1926: B 73), der unter dem Gesamttitel The Cure of Melancholy steht: Vol. II, S. 33-67; zu Hofmannsthals Burton-Ausgabe siehe B 72, Anm. 1.

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71.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Beaulieu, le 13 Fev. <1926>

J’ai attendu si longtemps pour vous ecrire très cher Ami dans l’espoir de pouvoir vous dire que j’ai pu répondre effectivement à votre appel – Mais hélas je ne peux rien vous dire encore de très encourageant et je désire tant aider mème un tout petit peu dans cette magnifique manifestation d’Art de laquelle vous êtes l’âme1 – J’ai écris à Lady Colefax2 (qui je crois est encore en Amérique), à Miss Kemp3 et à Madame H4

Hélas je connais si peu de gens très riches – je les fuis d’habitude! – et en Amerique j’ai perdu contact avec un tas de gens qui pourraient être utiles dans un moment pareil – La Princesse de Polignac nous aiderait peutêtre quoi qu’elle soit very close d’habitude, mais elle est aussi en Amerique et je ne la verrai guère avant le milieu de Mars – Je pense toujours à qui on ne pourrait encore demander secours et je trouverais peutêtre encore quelques personnes – Tout ceci est très pauvre et misérable et je voudrais tant que cela soit autrement! – Mais si vous ne m’aviez pas dit vos difficultes et que vous aviez fait appel à d’autres et pas à moi et si vous m’aviez laissé à côté comme si mon amitié ne comptait pour rien oh alors j’aurais été furieuse avec vous et sérieusement –

On me parle de votre „Hélène d’Egypte“ – Quand sera la première? Vous nous avertirez toujours n’est-ce pas? On m’a dit que ça aura lieu a Drèsde – Quand Roffredo était à Weimar ils ont fait une liste des critiques et gens importants qu’il faudra inviter à la 1ère d’Hypatia et Münchausen a gardé la liste5 – Je lui ai écrit pour la lui demander, car nous voulons vous l’envoyer en vous priant d’ajouter les noms que vous croyez utiles –

Par example à Dresde je crois que nous n’avons personne en vue, et il me semble très important justement, dans l’espoir que Hypatia pourrait être donné là par la suite –

Les enfants se portent si bien ici que nous resterons jusqu’a vers le douze Mars – Vous aurez Commerce6 dans quelques jours et puis vous m’écrirez immédiatement n’est-ce pas?

N’oubliez pas Burton! Vos suggestions pour Commerce me sont infiniment précieuses – Par ex. Landor7 est une idée merveilleuse – C’est Larbaud qui devrait le traduire – Il a une grande admiration pour lui et je vais lui en parler – Mais l’immense difficulté est de trouver des jeunes français de talent – Dites moi ce que vous pensez des poèmes en prose de Charles

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DIE BRIEFE 1925-1959

Mauron dans le prochain No 8 – C’est la première fois qu’on publie quelque chose de lui en France – C’est un chimiste de grande valeur, il a 26 ans et qui est en train de devenir aveugle de son travail! – C’est Roger Fry9 qui me l’a fait connaître – J’aimerais savoir aussi ce que vous pensez de Suarès10 –

Il y a si longtemps que je n’ai pas de nouvelles de Christiane et j’aimerais tant en avoir – Je ne lis pas Goethe en ce moment mais je donne une leçon d’allemand aux enfants, tous les jours! You will say „the blind leading the blind“!

Aurevoir et mille reconnaissantes amities

Marguerite de Bassiano

71. <Samstag>. FDH. Handschriftlich: Villa Mercédes / Petite Afrique / Beaulieu. A.M. 1 Offensichtlich hatte Hofmannsthal im verlorenen Brief sein bereits im Herbst 1925 erwähntes Vorhaben eines Komitees von „Freunden der Salzburger Festspiele“ (siehe B 67, Anm. 13) wiederholt. In diesem Sinne hatte er am 27. Dezember 1925 auch Georg von Franckenstein in London die Probleme im Einzelnen geschildert und gebeten, „zur Gewinnung der paar Herzen“ beizutragen, die „Ihre Namen für eine Liste der Freunde dieser internationalen wie künstlerischen Unternehmung, in deren Mitte der Cult von Mozarts Werken steht, zu geben bereit wären“. „Ich bitte Dich, hilf mir für England, [...] In gleicher Weise wie ich es von Dir für London erhoffe u. erbitte“, werde Alfred Grünberger, der österreichische Gesandte und Minister bei der französischen und spanischen Regierung, „als Mittelpunkt der ‚Freunde der S.F.’ tätig sein, und ebenso haben wir eine Persönlichkeit in New York gewonnen“ (Georg von Franckenstein [wie S. 98, Anm. 23], S. 293f.). Diese „Persönlichkeit“ dürfte der 1867 in Mannheim geborene und 1893 in die USA ausgewanderte Bankier und Mäzen Otto Hermann Kahn sein, mit dem sich, laut Hofmannsthals Brief an Josef Redlich vom 10. Oktober 1925 (Hofmannsthal-Redlich, S. 59), „durch Salzburg“ „Anknüpfungen“ ergeben hatten. Sein Name steht – neben dem Bankier James Speyer (1861-1941) und anderen – auf der Liste der „Freunde“, die schließlich im Sommer 1926 in Zusammenarbeit mit Paul Zifferer zusammengestellt wird. Hofmannsthal läßt sie von der Bremer Presse im Stil der Verlags-Prospekte in einer Auflage von 500 Exemplaren drucken und im August bei den Festspielen in Salzburg verteilen (vgl. Hofmannsthal-Wiegand, S. 148-150). Das gedruckte Faltblatt Die Freunde der Salzburger Festspiele 1926 (ein Exemplar verwahrt die Houghton Library in Harvard, ein weiteres das Archiv der Salzburger Festspiele/Max-Reinhardt-Archiv, Salzburg) wird Ellen Ritter in HSW XXXVI edieren und kommentieren; ihr sind die folgenden Erläuterungen zu danken. Vgl. Hofmannsthals nächsten Brief B 72. 2 Sibyl Lady Colefax, geb. Halsey (1874-1950), als Leiterin eines berühmten Salons in Westminster gehörte sie auch in Hofmannsthals zitiertem Brief an Franckenstein zu den „in Frage kommenden“ Personen. Sie ist als „Lady Colefax – London“ auf der Liste vertreten. 3 Nicht ermittelt; der Name fehlt auf der Liste. 4 Möglicherweise Fanny Jeanne Homberg, geb. Bourdeau (1884-1946); erste Ehefrau des französischen Diplomaten Octave Homberg (1876-1941). Schon am 1. Januar 1926 hatte Hofmannsthal Paul Zifferer mit Nachdruck auf „Madame Octave Homberg“ hingewiesen und gefordert: „(‚unbedingt aufnehmen’, weil sehr activ, sehr auf Musik ausgehend, sehr wohlhabend und schon voriges Jahr in Salzburg gewesen)“. Obwohl sie sich, laut Zifferer, „bereit erklärt, dem Salzburger Komitee beizutreten“ (Hofmannsthal-Zifferer, S. 205), steht ihr Name nicht auf der gedruckten Liste.

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 125

5 Daß Münchhausen sich um die Öffentlichkeitsarbeit zur Hypatia-Uraufführung kümmert, belegt sein Tagebuch: Am 21. April kommt er in Berlin im Auswärtigen Amt mit Ministerialdirektor Oscar Müller zu „Hypatia-Kritik-Besprechungen“ zusammen und erörtert am 25. April in Weimar mit dem Dirigenten Ernst Praetorius den „Berliner ‚Pressefeldzug’“. Müller (1877-?), gelernter Journalist und Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei, war vom 18. Juni 1921 bis 12. November 1922 unter Reichskanzler Joseph Wirth (1879-1956) Pressechef der Reichsregierung und des Auswärtigen Amtes; nach Amtsantritt des Reichkanzlers Josef Cuno (1876-1933) wurde er mit anderen pressepolitischen Aufgaben betraut; vgl. Peter Bauer, Die Organisation der amtlichen Pressepolitik in der Weimarer Zeit. Diss. masch. Berlin 1962, S. 69-71. 6 Commerce VI. Hiver 1925. 7 In seinem verlorenen Brief hatte Hofmannsthal offensichtlich vorgeschlagen, in Commerce Texte des englischen Schriftstellers Walter Savage Landor (1775-1864) aufzunehmen. Dessen Werk hatte er 1922 in seinem Zweiten Wiener Brief für die amerikanische Zeitschrift The Dial zu jenen gezählt, die Rudolf Kassners Erstlingswerk Die Mystik, die Künstler und das Leben beeinflußt hätten (HGW RuA II, S. 189); und am 4. Februar 1924 hatte er sich bei seiner Kritik an Rudolf Borchardts Prosastil auf „diesen großen alten Mann“ mit einem ausführlichen englischen Zitat als einem „hübschen Lehrstück“ berufen (Hofmannsthal-Borchardt, S. 331f.). Im Commerce ist Landor nicht vertreten. 8 Eine Auswahl von Charles Maurons (1899-1966) Poèmes erscheint in Commerce VI, S. 125-137. Der gelernte Chemiker entwickelt sich, nachdem er zu erblinden droht, in späteren Jahren, nicht zuletzt unter dem Einfluß von Roger Fry, zu einem anerkannten Literaturkritiker mit psychologischer Ausrichtung und zu einem herausragenden Übersetzer englischer Autoren (darunter Virginia Woolf und E. M. Forster) ins Französische. 9 Roger Fry (1866-1934), englischer Maler und Kunstkritiker; Commerce VII, S. 147-154, bringt seinen Text Moustiques in der Übersetzung von Charles Mauron. 10 André Suarès (eigentlich: Félix André Yves Scantrel) (1868-1948), französischer Schriftsteller und Kritiker, Mitarbeiter der Nouvelle Revue Française. Commerce VI, S. 81-122, bringt von ihm Saint-Juin de la Primevère; in späteren Heften (X, XV, XIX, XXII) folgen weitere seiner Arbeiten.

72.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Rodaun 19 II 1926.

Ich habe Ihren Brief vom 13ten Februar erst heute empfangen, und ich antworte augenblicklich, solange ich noch glaube, den Ton Ihrer Stimme zu hören. – Sie haben mir aber mit dem Burton eine fast zu schwierige Aufgabe gestellt, liebe gute Freundin. Das Buch liegt seit Wochen auf meinem Schreibtisch, ich blättere immer darin, aber der Charme des Ganzen

126

DIE BRIEFE 1925-1959

liegt gerade in dieser merkwürdigen pedantischen Gleichförmigkeit – nichts scheint mir unmöglicher, als da eine Auswahl zu treffen. Immerhin, ich will einen Vorschlag wagen – vielleicht reizt er Sie dazu, ihn zu verwerfen, und etwas Besseres auszuwählen, dann ist ja auch etwas gewonnen. Ich schlage also vor, Sie nehmen das Capitel Remedies against discontents (das ist Part 2. Sec. 3. Memb. 7.) in meiner Ausgabe (London 1898, Chatto and Windus) ist dies Seite 415-251. Aber man muss nicht den ganzen Abschnitt bringen. Was ich am hübschesten finde, ist der Schluss mit diesen kurzen Lebensregeln als ‘antidotes’ gegen schlechte Laune und Missmut. Man könnte auch erst S. 418 anfangen, mit ‚The noble family of the Colonni2 in Rome’ oder etwas später : (gleiche Seite): It is reported by Gualter Mapes3 u.s.f.

Die ‘aegyptische Helena’ hat zwei Acte. Von diesen ist erst der eine componiert4. Ich glaube nicht dass an eine Aufführung vor 1927 (Ende) zu denken ist5. Es wäre traurig wenn wir uns bis dahin nicht oft gesehen hätten, und alle Zeit gehabt hätten, Pläne dafür zu machen. Wir haben ja viel nähere Sorgen und Hoffnungen. Was mich betrifft so habe ich alles, was bei mir steht, getan, um Ende Mai frei zu sein und mit meiner Frau und Christiane rechtzeitig in Weimar6 einzutreffen. Nur bitte ich, meine Gegenwart dort im vorhinein nicht zu erwähnen. Es sind dort einige Menschen die ich von früher kenne, und nicht sehr gerne wiedersehen würde, wie z. B. die alte sehr nationalistisch gewordene Schwester Friedrich Nietzsches7. Ich möchte mir die „journées d’Hypatia“ nicht durch Begegnungen trüben, an denen tausend Dinge, Erinnerungen, Schwierigkeiten hängen. Weimar hat eine reizende Umgebung. Ich nehme mein kleines Auto mit8 und möchte ganz so leben, wie Sie in Salzburg gelebt haben. Es wäre mir eine unendliche Freude Ihnen und Don Roffredo gewisse Dinge dort zu zeigen, die durch die Erinnerung an Goethe einen großen Zauber haben. Aber es gibt ein Haus und einen Raum, das Sie nur allein betreten sollten, und dass auch ich – wenn ich es je wieder betreten würde – nur ganz allein betreten möchte, nicht einmal mit einem meiner Kinder. Ich meine Goethes Sterbezimmer in seinem Stadthaus am Frauenplan. – Ich werde mein Möglichstes tun, Vorschläge zur Ergänzung der Liste für die Première zu machen. Nur muss ich gestehen dass ich aus der Welt der Kritiker u.s.f. fast kein einziges Individuum persönlich kenne – weder hier noch anderswo. Ich habe mich nie mit einem dieser Individuen begegnet9 . Man sagt, sie hätten eine gewisse Wichtigkeit, könnten irgendwelchen Nutzen bringen u.s.f. Ich glaube es nicht. Ich habe von meinen 17ten Lebensjahr an eine Linie verfolgt: diese Leute als nicht-existent zu betrachten – und ich glaube, dass ich mir viel Langeweile dadurch erspart habe. Aber ich kann sehr gut an Personen vom Dresdener Hoftheater schreiben10, dass sie hinkommen sollen, und ebenso natürlich an Franckenstein, den Münchener Intendanten11. Die

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 127

Uraufführung der Oper eines ausländischen Componisten wird in jedem Fall von den anderen Theatern mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden.

Es scheint mir ganz natürlich, dass Sie an dem was mir Sorgen und Schwierigkeiten macht, Anteil nehmen, und ich nehme es hin und werde es immer wieder hinnehmen, ohne alle Redensarten. (Das Einzige, was mir manchmal, wenn es mir einfällt, fast unbegreiflich erscheint, ist dies, dass wir uns heute vor einem Jahr noch nicht gekannt haben.) Was mit Salzburg werden soll, wenn ich nicht einen gewissen fonds für die Inscenierung aufbringen kann – weiß ich nicht12. – Es ist, ganz abstract gesprochen, nicht richtig von uns, wenn wir den wirklich reichen Leuten aus dem Wege gehen – denn sie sind das, was früher die Fürsten waren, und es ist den Künstlern der früheren Zeit nicht eingefallen, die Fürsten ‘sich selbst zu überlassen’. Alles Schöne kann nur unter dem Schutze der Macht gedeihen, und der Reichtum ist die einzige lenkbare Macht unserer Epoche – alle anderen Mächte sind anonym und unlenkbar. Wäre ich jünger und nicht so bedrängt von Plänen und Entwürfen, für die ich meine Kräfte kaum mehr ausreichen fühle, so würde ich unbedingt jeden Winter nach New York gehen und nicht ruhen, bis ich für gewisse europäische Dinge ein Etwas von jener Macht unter meine Finger gebracht hätte. Heute wage ich es nicht mehr.

Ein Urteil über Suarèz abzugeben, ist mir sehr schwer. Ich erkenne in ihm einen glänzenden Geist, aber ich fühle unter dem Geist ein Individuum das ich nicht liebe13. – So lang ist dieser Brief – und scheint mir nur der Anfang eines kleinen Gespräches. Vieles sehr Freundschaftliche für Don Roffredo. Ich bin ihr

Hofmannsthal

72. <Freitag>. FCC. 1 Die genannte Ausgabe ist in Hofmannsthals Bibliothek erhalten geblieben: The Anatomy of Melancholy. What it is, with all the kinds, causes, symptoms, prognostics and several cures of it. By Democritus Junior <Robert Burton>. With a satirical preface, conducing to the following discourse. A new edition. London: Chatto & Windus 1898. Die genannte Section 3 trägt den Titel: A Consolatory Digression, containing the Remedies of all manner of Discontents; das Unterkapitel (Member) 7 ist überschrieben: Against Repulse, Abuses, Injuries, Contempts, Disgraces, Contumelies, Slanders, Scoffs, etc. (in der oben zu B 70, Anm. 10, genannten kritischen Ausgabe: Vol. II, S. 190-206). Keiner der vorgeschlagenen Abschnitte wird in Commerce gedruckt. – Burtons Werk ist eine der wichtigsten Quellen Hofmannsthals zur Charakterisierung seines Jedermann (vgl. HSW IX Dramen 7, S. 112 u.ö.; siehe auch HSW XIX Dramen 17, S. 169, und HSW XXX Roman. Biographie, S. 13). 2 Gemeint ist das römische Adelsgeschlecht der Colonna. 3 Burton fügt zum Namen erläuternd hinzu: „an old Historiographer of ours (who lived 400 years since)“; gemeint ist Walter (Gualter) Mapes oder Map (um 1130/35-1209/10), Weltkleriker und Dichter unter König Henry II. Sein Hauptwerk, auf das sich Burton

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DIE BRIEFE 1925-1959

bezieht, ist die fünfbändige Schrift De nugis curialium, die in satirischer und anekdotischer Form das höfische und klerikale Leben schildert, ergänzt um Berichte aus allen Lebensbereichen, besonders der englischen Geschichte: Gualteri Mapes De nugis curialium distinctiones quinque. Ed. from the unique ms. in the Bodleian Library at Oxford by Thomas Wright, London 1850; vgl. insgesamt die Artikel von Charles Lethbridge Kingsford in: Dictionary of National Biography XXXVI, 1893, S. 109-112, sowie von Andreas Bihler in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon XXIII, 2004, Sp. 1550-1555. 4 Am 4. Mai 1926 hatte Richard Strauss gemeldet, „daß die Partitur des I. Aktes ‚Helena’ am Arbeiterfeiertag <1. Mai> fertig geworden“ sei“ (Hofmannsthal-Strauss, S. 557). 5 Die Uraufführung wird erst am 6. Juni 1928 in Dresden stattfinden. 6 Zur Uraufführung der Oper Hypatia. 7 Hofmannsthal hatte Elisabeth Förster-Nietzsche (1846-1935) am 1. September 1902 im Rahmen einer Frühstücksgesellschaft bei Harry Graf Kessler in Weimar kennengelernt. Als er nach dem Frühstück „große Teile seines Kleinen Welttheaters“ vorliest, zeigt sie sich „von der Partie des ‚Wahnsinnigen’ sichtbar ergriffen“ (Kessler, Tagebuch III, S. 595). Nach weiteren Begegnungen in den Jahren 1906 und 1907 hatte er bereits am 25. April 1908 gegenüber Helene von Nostitz gewisse Bedenken angemeldet und zu „etwas Vorsicht“ geraten: „Sie ist eine sonderbar gemischte Person, die gute. Manchmal, besonders unter 4 Augen, wirkt sie sehr schön, manchmal ist sie von einer süßlichen, pastörlichen Kleinbürgerlichkeit und Tactlosigkeit daß man die Wände hinauflaufen möchte. [...] es ist gut wenn man es sich so einrichtet daß man es niemals notwendig hat, sie zu distancieren“ (Hofmannsthal-Nostitz, S. 60). Am 2. Februar 1911 charakterisiert er die „Atmosphäre“ im Försterschen Haus als eine Mischung „von Cultur, Klatsch und Albernheit“ (Hofmannsthal-Degenfeld, S. 88). Ab 1926 bewundert sie Benito Mussolini als ihren „grossen Freund“ (Kessler, Tagebuch VIII, S. 726, 752). Im Gespräch mit Harry Graf Kessler bezeichnet sie sich am 6. August 1932 als „Deutschnational“ und nimmt Stellung zur politischen Lage und zur Person Adolf Hitlers (Tagebuch IX, S. 484-486), den sie in den Jahren 1932 bis 1934 mehrfach im Nietzsche-Archiv empfängt. Vgl. den Briefwechsel Caetani – Förster-Nietzsche, unten S. 341-359. 8 Die Familie Hofmannsthal war seit Frühjahr 1925 im Besitz eines Autos; Hofmannsthal berichtete Yella Oppenheimer am 2. Mai: „Ich besitze seit ein paar Tagen ein kleines Automobil, die Buben fahren beide gut“ (Hofmannsthal-Oppenheimer II, S. 120); und Christiane von Hofmannsthal hatte am 21. Juni 1925 Thankmar von Münchhausen wissen lassen: „Die Familie im Zeichen des Autos. Autogespräche vom Aufwachen bis zum Schlafengehen. Großer Bruderzwist, Franz betritt das Auto der Familie nicht mehr, Raimund Alleinherrscher. [...] Das Auto erleichtert zwar das Leben, doch ist man dadurch gezwungen, noch mehr Einteilung zu machen und noch mehr zu besprechen als sonst“. Am 11. Januar 1926 heißt es weiter: „Unser Auto ist endgültig zertrümmert, auf der Margerellenstraße <so im Druck; verlesen statt: Margarethenstrasse (DLA, Kopie)> mit allen 4 Rädern in der Luft“ (Christiane-Münchhausen, S. 58f., 71). Wenn Hofmannsthal drei Wochen später abermals von seinem Auto spricht, dürfte sich entweder der Schaden haben beheben lassen oder er hatte einen neuen Wagen erworben. Jedenfalls berichtet Christiane am 14. Juni des folgenden Jahres, sie werde – während die Eltern vom 1. bis 15. Juli „an den Lido“ fahren – „ganz allein mit Köchin u. Auto“ in Rodaun bleiben; und am 28. Juli fügt sie hinzu, sie sei allein „im Auto herum<gefahren>“ (Christiane-Münchhausen, S. 81). Hofmannsthal selbst kündigt am 5. August 1927 Paul Zifferer an, er werde in Salzburg den „kleinen Wagen mit<haben>“, so daß man sich „für ganze und halbe Tage sehr schön isolieren“ könne (Hofmannsthal-Zifferer, S. 221).

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 129

9 Die ungewöhnliche, in Grimms Deutschem Wörterbuch I, Sp. 1283f., nicht belegte Konstruktion vermischt ‚ich bin (oder ‚habe’) jemandem oder jemanden begegnet’ (sowohl Dativ- als Akkusativ-Objekt sind möglich) und ‚ich habe mich mit jemandem getroffen’. 10 Hofmannsthal stand seit der Uraufführung der Oper Elektra am 25. Januar 1909 unter Ernst von Schuch in engem künstlerischen Kontakt zur Dresdner Oper: Nach den Uraufführungen des Rosenkavalier (wiederum unter Schuch) am 26. Januar 1911 und der Ägyptischen Helena am 6. Juni 1928 unter Fritz Busch folgt – vier Jahre nach seinem Tod – am 1. Juli 1933 die Arabella unter Clemens Krauss. 11 Hofmannsthals Jugendfreund Clemens von Franckenstein (1876-1942), Komponist und Generalintendant der Königlich Bayerischen Hoftheater (seit 1918 Bayerische Staatstheater). Er wird an der Hypatia-Uraufführung in Weimar teilnehmen (vgl. Kessler, Tagebuch VIII, S. 786). In der überlieferten Korrespondenz zwischen Hofmannsthals und Franckenstein (Hofmannsthal-Clemens Franckenstein) fehlen Briefe aus dieser Zeit. 12 In seinem oben (B 71, Anm. 1) zitierten Schreiben an Georg von Franckenstein vom 27. Dezember 1925 hatte Hofmannsthal erklärt, es sei notwendig, damit die Festspiele „nicht ins Stocken“ gerieten, „fürs nächste Jahr etwas Glänzendes als Hauptstück <zu> machen“, wobei an Mozarts Zauberflöte gedacht sei. Zu diesem Zweck müsse er, obwohl die letzten Festspiele „immerhin ohne jedes Deficit“ geschlossen hätten, „für die Ausstattung dieses Hauptstücks“ 2000 englische Pfund oder „ca 10.000 Dollar [...] zusammenbetteln“ (Georg von Franckenstein [wie S. 98, Anm. 23], S. 293). Obwohl er am 8. Januar 1926 noch fest von diesem Gedanken ausgeht – im Brief an Dory von der Mühll heißt es: „Wir sind jetzt sehr tätig, für Salzburg etwas Schönes vorzubereiten. Die ‚Zauberflöte’ im Großen Haus, und im kleinen die ‚Entführung’, ‚Ariadne’ und die ‚Fledermaus’“ (Hirsch, S. 318; vgl. auch B 73) –, wird Die Zauberflöte – sei es aus finanziellen Gründen, sei es wegen technischer und inszenatorischer Schwierigkeiten – aus dem Programm genommen und erst 1928 produziert (vgl. B 89, Anm. 9; Roland Tenschert, Salzburg und seine Festspiele. Wien 1947, S. 188-192). Damit erweist sich als „Hauptstück“ Hofmannsthals Ariadne auf Naxos, die als erste zeitgenössische Oper auf der Salzburger Bühne manche Widerstände zu überwinden hatte. Noch am 9. Juni 1926 gesteht Hofmannsthal: „Mit meinem Wunsch, die ‚Ariadne’ auf das Salzburger Festspielprogramm zu setzen, schuf ich mir persönlich ziemlich viel Sorge und Mühe, die mir aber nicht leid tut; ich handelte aus meiner Liebe für dieses Werk“ (Hofmannsthal-Strauss, S. 558). Insgesamt ist die allgemeine Finanzlage der Festspiele besorgniserregend. Da die Ausgaben für den Umbau des Festspielhauses weit überschritten worden waren, hatte sich das „Schreckgespenst“ eines Bankrotts abgezeichnet. Erst dank der tatkräftigen Initiative des Landeshauptmanns Franz Rehrl, eines vehementen Förderers des Festspielgedankens, wird die Bedrohung abgewendet, als der Landtag die nötigen Kredite mit den Vermögenswerten des Landes Salzburg abzusichern bereit ist (vgl. Stephen Gallup, Die Geschichte der Salzburger Festspiele. Wien 1989, S. 57-59; Edda Fuhrich, Gisela Prossnitz [wie B 67, Anm. 13], S. 59-61). 13 Ganz ähnlich hatte Hofmannsthal am 29. Juli 1924 Theodora von der Mühll bekannt: „Den Suares aber mag ich nicht; er ist grundgescheit, aber ich mag ihn nicht. Auf dem Schönenberg <hier hatte er sich vom 11. bis 28. Mai 1925 als Gast C. J. Burckhardts aufgehalten> wußte ich das noch nicht genau – jetzt weiß ich es“ (Hirsch, S. 317). Aus solchem „Nichtwissen“ heraus hatte er vier Jahre zuvor in seiner „nur für einige Freunde“ bestimmten Programmschrift Idee einer durchaus selbständigen und dem Scheingeschmack einer Epoche widerstrebenden Monatsschrift neben Claudel, Gide und dem „Kreis der Nouvelle revue française“ auch „Suarès“ als möglichen französischen Beiträger ins Auge gefaßt (HGW RuA II, S. 127).

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DIE BRIEFE 1925-1959

73.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Versailles, Easter Day

Happy Easter dear friend and so many affectionate wishes to you and your charming family – Pendant quelque temps nous avions une peur terrible que cette malaise entre l’Italie et l’Allemagne1 aurait compliqué l’affaire de Weimar2 mais le cher Prétorius3 a décidé de donner Hypatia willy-nilly le 23 Mai – Je suis enchantée et je vous prie d’inviter à Weimar toutes les personnes que vous croyez intéressantes pour Roffredo – surtout de Dresde – Je désidererais tant qu’on donne H. ensuite à Drèsde – Je vous envoie la liste faite par Munchausen des critiques qu’il voudrait inviter –

Nous sommes revenus ici depuis deux semaines, c’est à dire Lelia et moi – Roffredo est allé à Rome avec Camillo qui a immédiatement pris la grippe – un cas tout-à-fait banal mais ils ont du rester à Rome plus longtemps qu’ils n’auraient voulu – R. devrait être en ce moment à Weimar – mais il y sera vers le 15 – per incamminare tutto –

Merci d’avoir pensé à ce cher vieux Burton et je crois votre choix excellent<.> Je ferai traduire ce que vous indiquez et aussi le chapitre que j’adore Air Rectified. With a Digression on Air, Part II, Sect. II, Memb. III – Mais le chapitre que vous avez choisi est aussi un de ceux que je préfère – Nous verrons ensemble ce que ça donnera en français –

Je suis navrée d’apprendre qu’il faut attendre encore longtemps cette „Ägyptische Helena“! – Au moins la prochaine fois que nous nous verrons vous me raconterez l’histoire j’espère! Et Salzburg? On m’a dit que vous renoncez à donner „Magique Flûte“ – Comme c’est dommage – Je suis heureuse des bonnes nouvelles de Christiane et qu’elle a passé un hiver à son goût et surtout qu’elle voit la possibilité de venir à Paris continuer ses études4 – Mais nous causerons de tout cela bientôt – dans un peu plus d’un mois –

Quelle joie –

Mes sinceres Amities

Marguerite de Bassiano

73. <4. April 1926>. FDH. Handschriftlich: Villa Romaine / Versailles. 1 Entgegen den 1919/20 gegebenen Autonomieversicherungen hatte Italien das ihm nach dem Ersten Weltkrieg zugeschlagene Südtirol bis zum Brenner als Provinz Venezia Tridentina dem italienischen Staat eingegliedert. Der über die Jahre schwelende Konflikt

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 131

war durch eine Kampfrede Mussolinis am 6. Februar 1926 angeheizt worden, auf deren Drohungen und Beschimpfungen der deutsche Außenminister Gustav Stresemann am 9. Februar vor dem Reichstag in ebenso scharfer Weise antwortete. Nach diesem Rededuell verstärkte Italien seine ‚Entnationalisierungs’-Bestrebungen und setzte schon im Januar beschlossene Dekrete im Sinne einer Italianisierung um, die in Österreich und Deutschland als ‚Verwelschungsfanatismus“ gebrandmarkt wird: Alte Rechte werden aufgehoben, der Gebrauch der deutschen Sprache in Schule und amtlichem Verkehr unterdrückt und die verstärkte Einwanderung von Italienern gefördert, was in einen erbitterten deutsch-italienischen Pressekampf mündet. Beide Seiten rufen zum Reiseboykott und zum Boykott aller deutschen bzw. italienischen Waren auf, was wiederum in Deutschland zu einer nationalen Erregung führt, die Marguerite Caetani wenig später zu spüren bekommt (vgl. B 76). Vgl. Paul Herre, Die Südtiroler Frage. München 1927, bes. S. 352-404. 2 In diesem Zusammenhang hatte Christiane von Hofmannsthal am 11. März 1926 die Befürchtung geäußert, „Mussolini könnte irgendwie verhindern, daß Hypatia aufgeführt werde (natürlich indirekt verhindern.) Ist das möglich?“ (Christiane-Mücnchhausen, S. 75f.) Um derartigen Überlegungen entgegenzuwirken, werden der italienische Botschafter in Berlin, Luigi Aldrovandi Marescotti (1876-1945; Botschafter von Februar 1926 bis November 1929) und der thüringische Staatsminister Richard Leutheußer (1867-1945; von 1924 bis 1928 Staatsminister für Volksbildung und Justiz des Landes Thüringen und Vorsitzender des Staatsministeriums) während eines „festlichen Zusammensein“ nach der Aufführung gerade „die hohe Bedeutung der geistigen Verbindung“ beider Völker beschwichtigend hervorheben (Weimarer Brief, in: Das Theater. Berlin, 15. Juni 1926, S. 273). 3 Der Dirigent und Musikhistoriker Dr. phil. Ernst Praetorius (1880-1946). Nach Engagements u.a. in Köln, Bochum, Leipzig, Breslau und Lübeck war er von 1922 bis 1924 in Berlin Kapellmeister an der Großen Volksoper und der Staatsoper. 1924 wurde er zum Generalmusikdirektor am Deutschen Nationaltheater in Weimar berufen, wo er die Uraufführung der Hypatia leiten wird. Schon im Februar 1933 wird er von den Nationalsozialisten aus „kulturpolitischen Gründen“ seines Amtes enthoben – u. a. weil er die Aufführung der Oper Cardillac von Paul Hindemith dirigiert hatte. Zeitweilig schlägt er sich als Taxifahrer durch, ehe er im September 1935 dank der Vermittlung Hindemiths zum Dirigenten des Sinfonieorchesters in Ankara berufen wird, wo er außerdem das Kammermusik-Ensemble am Konservatorium leitet und das Fach Fagott unterrichtet. Im Laufe der Jahre wird er zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten im Musikleben der Türkei (vgl. Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen in der NS-Zeit, ab 2005 an der Universität Hamburg herausgegeben von Claudia Maurer Zenck und Peter Petersen; www. lexm.uni-hamburg.de). 4 Vgl. Christianes Brief vom 14. März 1926: B 260.

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DIE BRIEFE 1925-1959

74.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Versailles, le 20 Avril. <1926>

cher Ami, Un petit mot pour vous dire que Roffredo part demain pour Weimar1, Hotel Erb-Prinz2, passer cinq ou six jours, ensuite Berlin pour quelques jours et finalement Dresden – Berlin et Dresden pour faire la connaissance de certaines critiques que Münchhausen lui a indiques et qu’il désire intéresser à la première de Hypatia – Je pensais justement si il y a quelques personnes à Berlin ou à Dresde qu’il serait avantageux qu’il conaisse et que vous auriez la bonté de lui mettre en rapports avec ces personnes vous pourriez lui envoyer un mot à Weimar ces jours-ci – Je n’ai dit à personne que vous alliez venir à Hypatia mais j’y tiens tellement – You won’t disappoint us? Et Roffredo me charge de vous dire qu’il compte sur vous, votre femme et Christiane comme ses hôtes à Weimar pendant la semaine que nous y serons a l’hotel Erb-Prinz puis ceque nous n’avons pas mieux à vous offrir –

Si c’est vrai comme Christiane m’a écrit que vous avez été content de Voies et Rencontres3 je crois que vous feriez un immense plaisir à St-Léger Léger en lui écrivant un petit mot – un tout petit mot pour le lui dire – car si vous vous rappelez même vaguement de ma traduction que je vous ai lue à Salzbourg vous vous rendrez compte de sa transformation magique sous sa main – Je vous montrerai un jour ma traduction avec ses corrections, – c’est très amusant –

Un jour vous me donnerez quelque chose d’inédite pour Commerce n’est ce pas?

C’est bien entendu que toute personne que vous inviterez doit se considerer l’invité de Roffredo au point de vue voyage et Hotel à Weimar4 – Cela va sans dire5 –

Cher Ami je me rejouis infiniment à la pensée de vous revoir bientôt

Toutes mes Amitiés les plus sincères

Marguerite di Bassiano

74. <Dienstag>. FDH. Wie B 73. 1 Laut Thankmar von Münchhausens Tagebuch kommt Roffredo Caetani am Abend des 22. April 1926 um „6.53“ in Weimar an, wo Thankmar ihn am Bahnhof „verpaßt“, „da er sich lange mit seinem Gepäck zu schaffen macht“. Er trifft ihn am folgenden Tag

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 133

um 10.00 Uhr im Hotel Erbprinz und begleitet ihn von dort „ins Theater, allwo Concert“. Seine anschließende Bemühung, die Großherzogin Feodora, geb. Prinzessin von SachsenMeiningen (1890-1972), zweite Gemahlin des Großherzogs Wilhelm Ernst (1876-1923), „für Bassiano zu interessieren“, schlägt fehl, weil sie „schon abgereist“ ist. Am 24. April treffen beide Männer beim Tee in Münchhausens Elternhaus in Oberweimar zusammen, zu dem auch Frau Praetorius, die Gattin des Uraufführungsdirigenten, sowie Friedrich Gundolf geladen sind. Weitere fast tägliche Begegnungen folgen. Die unveröffentlichten Tagebuchnotizen von Thankmars Mutter, Anna Freifrau von Münchhausen, belegen darüber hinaus, daß am Abend des 1. Mai 1926 ein „glänzendes Fest bei Praetorius“ stattfindet, in dessen Verlauf Roffredo Caetani Hypatia spielt und „das Werk“ „allen großen Eindruck“ macht. Die Rolle der Hypatia übernimmt, wie bei der kommenden Uraufführung, die in Budapest geborene, damals führende Sopranistin am Weimarer Nationaltheater Priska Aich (1887-1943). Ab Donnerstag, dem 19. Mai, stehen die Tage dann ganz „im Zeichen der Hypatia“. 2 Das im Krieg teilweise zerstörte Hotel Erbprinz, jetzt Parkhotel Erbprinz, an der Südseite des Weimarer Marktplatzes, Markt 16, wird im Baedeker (Weimar und Jena. Leipzig 1932, S. 1) als erstes Haus am Platz mit einem Stern ausgezeichnet. Es gehört zu den historisch bedeutenden Adressen der Stadt. Hier logierten und verkehrten Großherzog Karl August mit Goethe und Schiller, Wieland, Napoleon, Wilhelm von Humboldt, Niccolò Paganini, Carl Maria von Weber, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Anton Rubinstein, Hans von Bülow, Friedrich Hebbel, Richard Wagner oder Franz Liszt. 3 Vgl. Christianes Brief vom 14. März 1926: B 260. 4 Christiane von Hofmannsthal spielt auf diese Einladungen an, wenn sie am 30. April im Brief an Thankmar von Münchhausen notiert: „Marguerite B. schrieb dem Papa, alle Menschen sollen Ihre Gäste sein, etc. es war wirklich komisch“ (Christiane–Münchhausen, S. 78). Vermutlich hatte Hofmannsthal angefragt, ob er Rudolf Alexander Schröder hinzubitten dürfe. Jedenfalls wird er dem Freund am 8. Mai 1926 eröffnen, er habe „Roffredo Gaetani, den ich seit vielen Jahren kenne (er ist ein Mann älter wie ich, und mir sehr wert, und er und seine Frau waren im vergangenen Winter überaus freundlich gegen Christiane) das Versprechen gegeben, zu der ersten Aufführung einer von ihm verfaßten Oper, ‚Hypathia’, (die erste Aufführung des Werkes überhaupt) nach Weimar zu kommen. Ich werde also den 21ten bis 24ten in Weimar sein. [...] könnte es Dir passen, am 25ten nach Weimar zu kommen – oder dann vielleicht schon lieber zur Première (am 24ten) was natürlich als große Auszeichnung empfunden würde. Es ist eine Oper neueren, aber durchaus nicht neuesten Stiles, und Gaetani ist nicht nur persönlich sondern auch aus der Tradition seines Hauses (das immer ghibellinisch war) ein Mann von einer Deutschfreundlichkeit einer zarten und tiefen Bewunderung des besten im deutschen Wesen, wie desgleichen unter Deutschen selbst schwer zu finden wäre“ (Abschrift: FDH). Gemäß Hofmannsthals abschließendem Wunsch: „Also laß uns versuchen, zusammenzukommen!“ wird Schröder mit seiner Schwester Dora nach Weimar anreisen (vgl. Zu ‚Anabase’, unten S. 364); auch Hofmannsthal bestätigt Paul Zifferer im Brief aus Rodaun am 20. Mai 1926: „Ich fahre heute abends mit Christiane nach Deutschland, d.h. Weimar, wo die Oper von Caetani aufgeführt wird und ich mir verschiedene alte Freunde, auch Schroeder, hingebeten habe“ (Hofmannsthal-Zifferer, S. 211). 5 Neben Hofmannsthal und Christiane nimmt auch Thankmar von Münchhausen an der Uraufführung der Hypatia am 23. Mai 1926 teil (vgl. Christiane-Münchhausen, S. 79). Anna Freifrau von Münchhausen notiert im Tagebuch: „großer Erfolg. Danach Festessen in der Augusta“ (d.i. das Hotel „Kaiserin Augusta“ in der Carl-August-Allee 17, gegenüber

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DIE BRIEFE 1925-1959

dem Bahnhof; vgl. die Tagebuchaufzeichnungen Harry Graf Kesslers in: Zu Anabase, unten S. 364f.); auch hält sie fest, daß Thankmar „mit den Bassianos u Hofmannsthals“ am 26. Mai „im Auto nach Naumburg“ fährt. Nach Kassners Ankunft in der Nacht vom 26. auf den 27. Mai (siehe Caetani-Kassner, unten S. 177) treffen Thankmar und Christiane am 27. Mai „zum Frühstück mit Hofmannsthals u Kassner“ zusammen, ehe am Abend „alle“ die zweite Vorstellung der Hypatia besuchen: „wieder Erfolg“, schreibt Anna von Münchhausen.

75.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Rodaun 4 VI 26.

Ceci, dear princess, n’est pas une lettre mais seulement un mot pour dire que j’ai demandé des renseignements sur Berchtesgaden à quatre personnes et que tous ont répondu unanimement que l’hôtel qu’il fallait choisir pour vous et pour les enfants à cause de la propreté, de la nourriture, de la situation et de tout était le Park-Hôtel Berchtesgaden1, mais qu’il faudrait écrire bientôt!

J’ai regardé la carte: la distance de Berchtesgaden à Salzburg est de 22 kilomètres, c’est probablement moins que de Paris à Versailles – excellente route que par une nuit de lune ou d’étoiles, on aimerait faire après la représentation. (Parce que je tiens à la pensée que l’on puisse être ensemble le soir quelquefois!)

J’espère que tout le monde va bien et surtout que Don Roffredo est un peu reposé et content en somme comme il peut et doit l’être.

Pour nous les journées ont été charmantes et l’interruption pour moi très bienfaisante. Mais je vous ai vue trop peu!

Yours most sincerely

Hofmannsthal

75. <Freitag>. FCC. 1 Das „Parkhotel-Schifferlehen“ liegt oberhalb der Königseerstraße in Berchtesgaden; vgl. Karl Baedeker, Süddeutschland. 32. Aufl. Leipzig 1926, S. 462.

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 135

76.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Versailles, Dimanche

Très cher Ami Je vous dois toutes sortes d’excuses et je vous les envoie en mème temps que mille pensées affectueuses et reconnaissantes.

En vérité j’attendais deux choses pour vous écrire – la réponse de Berchtesgaden où j’ai écrit immédiatement en recevant votre mot – et la décision de Paulhan sur votre voyage au Maroc1 – car P. lit aussi bien que moi (!) l’allemand et je ne pouvais ne pas lui prêter le petit livre que vous m’avez donné2 – Voici sa réponse que je crois au fond juste – Je trouve que s’est une charmante chose mais pas assai Vous qu’on connait si mal ici – Pourquoi ne pas demander a Mme de Margerie3 de traduire La Lettre à Lord Chandos pour moi4 ou pour Paulhan5 (comme vous voyez il tient beaucoup à quelque chose sur Mallarmé pour tout-de-suite) Il pourrait la prendre par la suite ou moi si vous ne m’offrez pas de l’inédit! L’hotel a Berchtesgaden ne veut pas de nous – Est-ce qu’il nous sait Italiens, ou estce qu’il est vraiment plein!6 – On me dit qu’il y a une ou deux excellentes pensions où on est mieux qu’a l’hotel, voulez-vous continuer d’être l’ange habituel et demander si vous avez l’occasion le renseignement? Roffredo est encore à Rome où il est allé cinq jours après notre arrivée ici et comme ça je n’ai aucune nouvelle de l’Allemagne mais il revient Mercredi et s’il a du nouveau à racconter je vous le ferai savoir –

Je vous envoie mille souvenirs affectueux et l’espoir d’avoir bientôt vos nouvelles

Marguerite di Bassiano J’ai reçu une si gentile lettre de cette chère Christiane7 à qui j’écrirai dans quelques jours –

76. <Juni 1926>. FDH. Aufdruck wie B 9. 1 Hofmannsthal hat Eindrücke seiner Reise im nördlichen Afrika, die ihn zusammen mit Paul und Wanda Zifferer vom 3. bis 31. März 1925 nach Casablanca, Marrakesch, Fez, Tlemcen, Biskra und Tunis geführt hatte (vgl. oben S. 95 mit Anm. 5.), in zwei Essays festgehalten. Der erste war mit dem Untertitel Fez am 12. April 1925 im Berliner Tageblatt und in der Wiener Neuen Freien Presse erschienen; Das Gespräch in Saleh folgte am 31. Mai 1925 in der Pfingstbeilage der Neuen Freien Presse und später im Insel-Almanach auf das Jahr 1926 unter dem Obertitel Reise im nördlichen Afrika (S. 82-92: HGW Erzählungen, S. 640-

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DIE BRIEFE 1925-1959

654). Zu einer französischer Übersetzung und zum Druck in La Nouvelle Revue Française kommt es nicht. 2 Wohl der vorgenannte Insel-Almnach auf das Jahr 1926 mit Hofmannsthals Reise im nördlichen Afrika; er war Anfang Oktober 1925 erschienen (vgl. Hofmannsthal-Insel, Sp. 962); siehe auch Zu Anabase, unten B 191 mit Anm. 9. 3 Hofmannsthal hatte Jenny de Margerie (1896-1991), geb. Fabre-Luce, im Mai 1926 in Weimar bei der Hypatia-Uraufführung kennengelernt. Sie stammt aus großbürgerlichem Elternhaus – ihr Großvater hatte das Bankhaus „Crédit Lyonnais“ gegründet – und ist mit dem Diplomaten Roland de Margerie verheiratet, der bis Anfang der dreißiger Jahre als Sekretär der französischen Botschaft in Berlin wirkt, zunächst unter seinem Vater Pierre de Margerie (Botschafter von 1922-1931), dann ab 1932 unter André François-Poncet. Ab 1962 (bis 1965) amtiert er als französischer Botschafter in Bonn. Mit dem Ehepaar, kenntnisreichen Liebhabern der deutschen Literatur, steht Hofmannsthal seither in lokkerer Verbindung. Madame de Margerie, eine glühende Verehrerin Rilkes (vgl. B 149 mit Anm. 5), überträgt keinen Hofmannsthal-Text ins Französische. – Wenige Wochen nach diesem Brief, einen Tag vor seinem Aufbruch nach Salzburg zu den Festspielen, wird Hofmannsthal auf Carl J. Burckhardts Schilderung „Ihrer Freundin, der jungen Madame de M“. – „Sie haben mir soviel von ihr erzählt“ – am 2. August 1926 antworten: „[...] in der kleinen Margerie ist die Prinzessin von Clèves und manche jansenistische kleine Nonne. Aber wer sagt Ihnen denn, daß sie gar so groß meine Freundin ist? Das hat Dory <von der Mühll> aufgebracht; immer bringen die Frauen wechselweise gern so etwas in Umlauf. Und alles weil ich einige Male ganz gern die kleine M. zur Tischnachbarin haben wollte. Sie ist das, was die Beichtväter une âme scrupuleuse nennen, die immer der besonderen Vorsicht empfohlen wird und der am schwersten das heitere Gleichgewicht der Seele, das die katholische Kirche sucht und liebt, zu geben ist. Sie hat ihre ganze Seelenkraft angespannt, sich vom Schicksal diesen Gleichaltrigen, der nicht schön, aber blendend begabt ist, zum Mann zu ertrotzen – und nun in Gefahr ist, daß sie an dem erfüllten Wunsch unglücklich wird“ (Hofmannsthal-Burckhardt, S. 200-204). Vgl. den Nachruf von Claire Lueques Hommage à Madame de Margerie; in: Blätter der Rilke-Gesellschaft 19. 1992, S. 159-162. 4 Das heißt: für Commerce. Der Plan wird nicht weiterverfolgt. Marguerite Caetani ist offenbar über die Einzelheiten der Écrits en prose Hofmannsthals nicht hinreichend unterrichtet. 5 Für La Nouvelle Revue Française, die – nach Jacques Rivières Tod – von Jean Paulhan geleitet wird. 6 Zur politisch aufgeheizten, italienfeindlichen Stimmung in Deutschland siehe oben B 73, Anm. 1. 7 Wohl nicht überliefert, denn der letzte zuvor erhaltene Brief Christianes an Marguerite Caetani (B 260) datiert bereits vom 14. März 1926.

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 137

77.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Versailles, le 24 Juin. <1926>

J’écris au jardin – pour expliquer le crayon1 –

Cher Ami – Roffredo est revenu hier de Rome et il m’a dit que de ce qu’il a vu dans les journaux allemands, la réponse de l’hôtel de Berchtesgaden est certainement parce que nous sommes Italiens!

Alors qu’est-ce que nous pouvons faire? Je suis désespérée – Je suis décidée d’y aller mème s’il faut camper sous une tente – si personne ne veut de nous – mais cela n’est peutêtre pas très pratique pour les enfants – Si on pouvait trouver une pension ou un convent ou un toit quelconque sur les hauteurs de Salzbourg?

Conseillez-nous très cher Ami je ne sais vraiment quoi faire – Si nous allons au Tyrol Italien nous sommes si loin de Salzbourg – Je vous demande beaucoup n’est-ce pas – et je vous ennuie –

Lichtenstein2 a écrit a Roffredo que la Suisse s’est mise en rapport avec lui en vue de la possibilité de donner Hypatia – Qu’est-ce que cela veut dire? La Suisse? Est-ce Berne et vos charmants amis?3 Nous ne savons pas encore – Aussi le Metropolitan à New York4 – Ça me plait mourir - Mais enfin.

J’espère voir votre fils5 ces jours-ci –

Mille bonnes Amitiés – Marguerite de B.

77. <Donnerstag>. FDH. Aufdruck wie B 9; Bleistift. 1 Am Kopf der Seite hinzugefügt. 2 Dr. phil. Erich Lichtenstein (1888-1967), Freund Thankmar von Münchhausens, mit dem er im April 1920 den Lichtenstein-Verlag in Jena gegründet hatte und den er, nach Münchhausens Ausscheiden, ab 1924 in Weimar allein weiterführt. Hier erscheint 1927 die zweite Auflage des Librettos: Roffredo Caetani, Hypatia. Musikdrama in drei Aufzügen (Aus dem Italienischen). In erster Auflage war das Textbuch anläßlich der Weimarer Uraufführung 1926 bei Hermann Böhlaus Nachf. Weimar herausgekommen; vorangegangen war 1925 ein Klavierauszug als Privatdruck in 300 numerierten und signierten Exemplaren bei B. Schott’s Söhne in Mainz; vgl. ... da werde ich lieber Seifensieder. Erich Lichtenstein im Spiegel seiner verlegerischen und publizistischen Arbeit. Hg. und mit einer Bibliographie des Erich Lichtenstein Verlages und der Jüdischen Buchvereinigung versehen von Hans-Udo Wittkowski. Berlin 2000, S. 24 und 181. 3 Gemeint sind die Familien Burckhardt und von der Mühll; vgl. B 78.

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DIE BRIEFE 1925-1959

4 Mögliche Bemühungen, Hypatia an der New Yorker Metropolitan Opera aufzuführen, sind nicht dokumentiert. 5 Raimund von Hofmannsthal war im Spätherbst 1925 zu einem „Semester auf französische Art“ nach Paris gekommen (vgl. Hofmannsthals Brief an den Sohn vom 1. November 1925; in: Hofmannsthal-Blätter 12. 1974, S. 363f. = Hirsch, S. 517f.). Dort hatte er seine JuraVorlesungen mit nur geringem Engagement besucht und vorübergehend in einer Fabrik gearbeitet. Nach mancherlei familiären Überlegungen war er im März nach Hause gekommen, aber unmittelbar nach dem 20. Mai 1926 nach Paris zurückgekehrt, um hier, wie Hofmannsthal betont, „nun noch 2 Monate <zu> verbringen“ (Hofmannsthal-Zifferer, S. 191, 195, 200, 207, 211; vgl. B 259, Anm. 11). Beide Söhne reisen Anfang September nach Amerika; vgl. unten B 79, Anm. 5.

78.

Hofmannsthal an Roffredo Caetani

Rodaun, 17 Juli 1926.

lieber und guter Freund,

Sympathie ist ein unanalysierbares Phänomen; aber Sie sagen zu viel über die kleinen und banalen Gefälligkeiten, durch welche ich Ihnen die meinige gelegentlich zu beweisen suchte; alle diese Dinge sind nicht der Rede wert.

Das Burgtheater in Wien spielt Tragödie, Schauspiel, und Lustspiel; es hat kein Orchester. Hier muss also ein Missverständnis vorliegen. An die Wiener Oper aber kann man eventuell wieder denken, wenn ein anderer Director da ist1. Die Wiener Volksoper ist ein zu schlechtes Institut2. Meine Schweizer Freunde haben mir geschrieben, dass sie hoffen (aber noch ohne Sicherheit) eine der Schweizer Städte, wo man Oper spielt – also wohl Bern oder Basel – für „Hypatia“ zu gewinnen3 .

Inliegend das Salzburger Programm; es hat sich aber nichts verändert, als dass wir in diesem Jahr (wo der Umbau erst knapp vor Beginn der Festspiele fertig wird)4 auf den technisch sehr complicierten „Faust“ verzichten müssen5. Statt dessen finden sie neben dem „Jedermann“ Ihre beiden Landsleute aus dem XVIII Jahrhundert, Gozzi und Goldoni, auf dem Repertoire6. Das darf Sie nicht verwundern. Die deutsche Schaubühne war niemals national beschränkt; diese beiden Italiener haben immer in unserem Repertoire fortexistiert, und da wir in diesem Jahr viele und gute Komiker zur Verfügung haben, um die maschere zu besetzen (und sogar

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 139

zu improvisieren)7 so haben wir diese Stücke gewählt – weil sie auch in den Rahmen von Salzburg gut hineinpassen. Denn das ist immer mein Lieblingsgedanke: dass die Darbietungen auf dem Theater mit der Stadt und der Landschaft dort eine Einheit bilden, und dass aus dieser Einheit das Fest entstehen soll8 .

Aber werden Sie beide dann auch wirklich nach Salzburg kommen? Lieber Freund, Ihr Brief bringt mich fast auf den Gedanken, dass ich Sie bitten sollte, in diesem Jahr nicht zu kommen. Denn ich sehe, dass Ihre Dispositionen sich verändert haben – dass der Salzburger Aufenthalt sich nicht mehr auf eine natürliche Weise in Ihre Sommerpläne einfügt, und dass Sie für diesen Ausflug einen Teil Ihrer Arbeitszeit opfern wollen.

Sie schreiben, dass Sie nur um mich zu sehen (also nicht um der Festspiele und der Concerte9 willen) hinkommen wollen – und dies bringt mich darauf10 dass es mein Kommen nach Weimar ist, das Sie erwidern wollen. Aber dies ist ganz außer der Proportion. Die Reise nach Weimar fiel in eine arbeitslose und für mich unangenehme Periode meiner Existenz und war eine reizende Recreation. Sie dagegen wollen diese Reise nach Salzburg in einem Moment unternehmen, wo Sie der Ruhe und Sammlung bedürftig sind. Das möchte ich nicht annehmen. Ich hatte bis jetzt den Gedanken, dass die Musik in Salzburg11, und vielleicht auch ein wenig das Theater, eine kleine Anziehung für Sie bildet. (Nicht für die Prinzessin; denn ihre Vorliebe ist so ganz und gar die Litteratur, und ich weiß sehr wohl, dass die Litteratur und das Theater zwei getrennte Gebiete sind.) – Aber wenn Sie nicht um der Festspiele willen kommen – sondern um meinetwillen, dann gibt es keinen schlechteren Ort, um mich zu sehen, als Salzburg. Denn, so einsam ich das ganze Jahr über lebe, dort, an dieser einzigen Stelle, diese 20 Tage gehöre ich nicht mir, kann mich auch nicht auf meine Freunde concentrieren, sondern muss für alle Menschen da sein, die der Zufall hinbringt. Und gerade dieses bunte Begegnen, im Contrast zu meiner sonstigen Einsamkeit, macht mir Spass. So lange ich dachte, dass die Festspiele es sind, für die Sie hinkommen wollen, war es für mich ein reizender Gedanke, Ihnen durch meine Gegenwart noch etwas dazugeben zu können, und mein größter Wunsch, Ihnen in diesem Jahr die Landschaft, die ich so liebe, und die der Hintergrund meines Lebens ist, zu zeigen. Aber wenn Sie nur für mich kommen, dann macht mich alles verlegen. Die schlechten Hôtels, die Unbequemlichkeit, alle die Stunden die ich nicht mit Ihnen verbringen kann, weil ich sie mit anderen, vielleicht viel weniger sympathischen Leuten verbringen muss, alle diese tausend Dinge würden für mich zu einer unendlichen Complication, während die gleichen Dinge mich gar nicht beschweren, wenn ich denken kann – wie ich es bei allen anderen Leute denke

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DIE BRIEFE 1925-1959

– dass die Festspiele und Concerte der Grund ihres Hinkommens und auch der Hauptinhalt ihres dortigen Aufenthaltes sind. – Wir sind so gute Freunde, und ich liebe so sehr die Klarheit in allen Situationen, dass ich dies alles lieber aussprechen wollte! Ich werde es nun unendlich gut begreifen, wenn Sie jetzt schreiben oder telegraphieren, dass Sie in diesem Jahr nicht kommen werden. Andererseits habe ich vielleicht die nuance in Ihrem Brief missverstanden: vielleicht sind es die Festspiele und unsere Gegenwart, welche es Ihnen der Mühe wert erscheinen ließen, für einen Aufenthalt von 6-7 Tagen (denn gewiss sollen Sie Ihrer Arbeit und die Prinzessin den Kindern nicht mehr Zeit entziehen) die Reise zu unternehmen!

Wie immer Sie sich entscheiden, werden wir es verstehen12 .

Aufrichtig und herzlich der Ihre

Hofmannsthal

78. <Samstag>. FCC. – Roffredo Caetanis Brief, auf den Hofmannsthal mit diesem Schreiben antwortet, ist nicht überliefert. 1 Direktor der Wiener Staatsoper ist der Dirigent Franz Schalk. Er hatte das Haus von 1919 bis 1924 zusammen mit Richard Strauss geführt, ehe er von 1924 bis 1929 die alleinige Leitung übernimmt. Hofmannsthals Einschätzung wird von Schalks Biograph bestätigt, der unterstreicht, jener habe, „als ziemlich vereinzelte Erscheinung, dem präpotenten Andringen einer vielfach überschätzten Moderne tapfer standgehalten, und nur ein einziges Mal schien er nachzugeben, indem er Hindemiths ‚Cardillac’ über die Bretter gehen ließ. Den gemäßigten Neuerern hingegen eröffnete auch er die geheiligten Pforten des ihm anvertrauten Instituts. Strawinskys ‚Oedipus rex’ und selbst Kreneks ‚Jonny spielt auf’ <vgl. B 104> wurden unter ihm, und mit großem Erfolg, aufgeführt“ (Victor Junk, Franz Schalk. Ein Lebensabriss, in: Franz Schalk, Briefe und Betrachtungen. Veröffentlicht von Lili Schalk. Wien, Leipzig 1936, S. 23). In diese Reihe hätte sich Roffredo Caetanis Hypatia unschwer einfügen können, zumal Schalk „unermüdlich hinter Novitäten her“ war (so Marcel Prawy, Die Wiener Oper. Geschichte und Geschichten. Wien u.a. 1969, S. 250) und neben den genannten Werken auch Erich Wolfgang Korngolds Wunder der Heliane, Ravels Die spanische Stunde und Strawinskys Pulcinella in das Programm aufnahm. 2 Vgl. Kassners Brief vom 5.12.1935: B 122. 3 In der Korrespondenz mit Carl J. Burckhardt kommt dergleichen ebensowenig zur Sprache wie in den veröffentlichten Briefen an Dory von der Mühll (Hirsch, S. 313-336). 4 Nachdem Hans Poelzigs gigantischer Entwurf eines phantastisch monumentalen Festspielhauses in Hellbrunn aus den Jahren 1920 und 1922 nur Projekt geblieben war, hatte man sich pragmatisch auf eine provisorische Lösung verständigt. In deren Folge war das von Eduard Hütter im ehemaligen Marstall, der sogenannten Hofstallkaserne, umgebaute Festspielhaus am 13. August 1925 mit Hofmannsthals Salzburger Großem Welttheater eröffnet worden. Da sich die Spielstätte als unzureichend erweist, wird sie Clemens Holzmeister ab Frühjahr 1926 abermals neu gestalten. Er verbessert die Akustik und läßt Seitengalerien anbringen. Das Eingangsfoyer schmückt Anton Faistauer mit über 200 Fresken, und die Kleine Winterreitschule wird als Pausenraum eingerichtet. Zudem wird die Felsenreitschule zur regelmäßigen zweiten Spielstätte bestimmt. Nach dem Festakt

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zur Eröffnung des Festspielhauses am 7. August 1926 gerät unversehens am 8. August Hofmannsthals Jedermann zur Eröffnungsvorstellung, da der Domplatz wegen schlechten Wetters nicht bespielt werden kann; vgl. Edda Fuhrich, Gisela Prossnitz (wie B 67, Anm. 13), S. 29, 41-43, 51f., 61-67). 5 Seit Hofmannsthals ersten Festspiel-Überlegungen gehört Goethes Faust – neben den Opern Mozarts – zum fest vorgesehenen Repertoire. Max Reinhardts Projekt, eine Zusammenfassung des Ersten und Zweiten Teils des Faust in den Bühnenbildern Anton Faistauers am 19. August 1926 im Festspielhaus zu präsentieren, wird wegen der sich verzögernden Bauarbeiten abgesagt (vgl. Heinrich Huesmann, Welttheater Reinhardt. Bauten, Spielstätten, Inszenierungen. München 1983, Nr. 1606). Erst sieben Jahre später, am 17. August 1933, wird Reinhardt Faust I mit Ewald Balser in der Titelrolle und Paula Wessely als Gretchen in der Felsenreitschule auf die Salzburger Bühne bringen (vgl. ebenda, Nr. 2262; sowie Josef Kaut [wie B 66, Anm. 4], S. 78; Edda Fuhrich, Gisela Prossnitz [wie B 67, Anm. 13], S. 141-145). 6 Auf dem Spielplan der Festspiele vom 7. bis 29. August 1926 stehen, jeweils in der Regie Max Reinhardts, Carlo Gozzis Turandot in einer Neufassung von Karl Vollmoeller sowie Carlo Goldonis Der Diener zweier Herren; vgl. Huesmann (wie Anm. 5), Nr. 1703 und 1704; Tenschert (wie B 72, Anm. 12), S. 153-156; Josef Kaut (wie B 66, Anm. 4), S. 51f.

7 Im Diener zweier Herren brillieren Hermann Thimig als Truffaldino, Richard Romanowsky als Silvio, Hans Thimig als Florindo; im Stegreifspiel des improvisierten Maskenquartetts der Turandot treten Romanowsky, Max Pallenberg, Oskar Homolka und Hans Moser auf (vgl. Tenschert [wie B 72, Anm. 12], S. 154). Während das GoldoniStück in der Felsenreitschule sich als großer Erfolg für Reinhardt erweist, gerät das Turandot-Experiment mit den vier egozentrischen Komikern im Festspielhaus zum „qualvollen Erlebnis“ (vgl. Gundi Adler, ...aber vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen. Erinnerungen an Max Reinhardt. München, Wien 1980, S. 190f.; Stephen Gallup [wie B 72, Anm. 12], S. 59f.; Edda Fuhrich, Gisela Prossnitz [wie B 67, Anm. 13], S. 69-71). 8 Diese Einheit von Festspielen und Salzburger Landschaft hatte Hofmannsthal von Anfang an als tragendes Element seiner Festspiel-Idee betrachtet; vgl. Deutsche Festspiele in Salzburg (1919), Die Salzburger Festspiele (1919) und Festspiele in Salzburg (1921): HGW RuA II, S. 255-257; S. 258-263, S. 264-268. 9 Auf dem Programm stehen Orchesterkonzerte mit den Wiener Philharmonikern unter Bruno Walter, Franz Schalk und Clemens Krauss sowie verschiedene Kammermusikensembles und Solistenkonzerte; vgl. Josef Kaut (wie B 66, Anm. 4), S. 53-55; u.a. werden Bruckners 8. Symphonie, Mahlers 4. Symphonie und Mozarts Violinkonzert in G-Dur gegeben; das Rosé-Quartett bringt Streichquartette von Haydn, Mozart und Beethoven zu Gehör. 10 ‚darauf’ über durchstrichenem ‚auf den Gedanken’. 11 In diesem Jahr steht – neben den in B 70, Anm. 3 genannten Opern – auf Wunsch Bruno Walters mit der Fledermaus von Johann Strauß zum ersten und einzigen Mal eine Operette auf dem Festspiel-Programm. Mit Fritzi Massary als Adele und Hans Moser als Gefängnisaufseher Frosch wird sie zur Attraktion der Saison; vgl. Edda Fuhrich, Gisela Prossnitz (wie B 67, Anm. 13), S. 67f. 12 Die Caetanis werden zu den Festspielen anreisen (vgl. B 51 und B 56). Während der gemeinsamen Tage bis zum 21. August 1926 trägt Hofmannsthal in den – in der Bibliothek Caetani erhalten gebliebenen – Band Hesperus. Ein Jahrbuch von Hugo von Hofmannsthal, Rudolf Alexander Schröder und Rudolf Borchardt (Leipzig: Insel-Verlag 1909) die Widmung ein: „A Marguerite Caetani / en souvenir de Salzburg / 1926 / Hofmannsthal“.

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DIE BRIEFE 1925-1959

79.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Salzburg 2 septembre 1926.

chère Amie est-ce bien le roman Jericho Sands de Mary Borden dont il s’agit?1 J’ai lu 10-12 pages de la traduction. C’est de l’allemand très vulgaire. Est-ce que c’est un roman qui a une certaine valeur, comme stile2, en anglais? La traduction ne le laisserait pas soupçonner.

Mais ceci m’a découvert un trait de votre caractère qui me charme et m’émeut: de penser quand quelqu’un dit qu’il sait faire une chose, qu’il sache vraiment la faire. Comme c’est sympathique. Comme vous êtes sympathique!

Gardez-moi votre amitié, et aussi à Christiane, pour qui c’est un trésor précieux3 .

Yours faithfully

Hofmannsthal Dès demain nous serons à Aussee4 et je me remettrai au travail. Les enfants sont tous à Vienne5 .

79. <Donnerstag>. FCC. Umschlag: Frankreich / Princesse de Bassiano / Versailles / 12 avenue Douglas Haig; von fremder Hand durchstrichen und umadressiert: Villa St Nicolas / Bénerville par Blonville (Calvados). Poststempel: Salzburg 3 IX. 26. Auf der Rückseite Ankunftsstempel: <Blon>ville 7. 9.26. 1 Den 1925 in London erschienenen Roman Jericho Sand der amerikanischen Autorin Mary Borden (1886-1968) hatte Marguerite Caetani entweder während der Tage in Salzburg oder in einem zu erschließenden Brief erwähnt. Die deutsche Übertragung von Eva Mellinger bringt der Berliner Verlag Th. Knaur Nachf. unter dem Titel Schloß Jericho heraus. Original oder Übertragung finden sich weder in Hofmannsthals Bibliothek, noch in den Listen der Bibliothek Caetani. 2 Zur Schreibweise siehe B 64, Anm. 3. 3 Christiane wird sich im Winter 1926 nach Paris begeben und von dort aus zwischen Mitte Dezember 1925 und Anfang Januar 1926 die Caetanis im südfranzösischen Beauvallon par Ste. Maxime besuchen; vgl. B 261 mit Anm. 1. 4 Entgegen dieser Ankündigung verläßt Hofmannsthal mit seiner Frau Salzburg erst einen Tag später – vorausgesetzt, das handschriftliche Brief-Datum ist richtig und muß nicht nach dem Poststempel auf den 3. September korrigiert werden (zu solchen nicht seltenen Fehldatierungen Hofmannsthals vgl. Klaus E. Bohnenkamp, Ad fontes! Hugo von Hofmannsthal im Herbst und Winter 1913/14. Daten, Fakten, Korrekturen; in:

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 143

Hofmannsthal-Jahrbuch 16/2008, S. 7-65). Im Diarium Herbst 1926 notiert Hofmannsthal rückblickend: „Wir fahren den 4ten September von Salzburg zum Gosauschmidt <gemeint ist der Berggasthof „Gosauschmied“ in der Nähe von Gosau im Salzkammergut, am Ende eines Hochtals an der Westseite des Hallstätter Sees>; von dort am 5ten nach Aussee“ (HSW XIX Dramen 17, S. 444). Am 6. September meldet er Willy Wiegand, er habe in Aussee „<s>eine Arbeit aufgenommen“ (Hofmannsthal-Wiegand, S. 152), damit vornehmlich auf die „Überarbeitung“ des Turm und den Kaiser Phokas anspielend (vgl. B 81, Anm. 6). 5 Christiane bewohnt vorübergehend die elterliche Stadtwohnung in der Wiener Stallburggasse 2, wo sie sich auf ihre Matura-Prüfung vorbereitet. Auch Raimund übernachtet bisweilen dort. Die beiden Brüder werden am 29. September nach Hamburg (Franz) und Paris (Raimund) aufbrechen (vgl. Christiane-Münchhausen, S. 83-86) und anschließend in die Vereinigten Staaten reisen, um sich dort eine Existenz aufzubauen. Während Franz, der in einer Bank arbeitet, im Mai 1927 „unverrichteter Dinge aus Amerika“ zurückkommt, „sehr kleinmütig und mit dem einzigen Resultat, daß er Amerika nie wieder betreten möchte“ (Hofmannsthal-Zifferer, S. 220: 24.5.1927), kann Raimund dort nach und nach Fuß fassen, da er „gleich wieder Glück gehabt <hat>, nämlich das ‚Mirakel’ <von Karl Vollmoeller> das eine Tournee durch ganz Amerika macht hat ihn engagiert, (als Bühnenarbeiter)“ (Christiane-Münchhausen, S. 87: 26.10.1926). Hofmannsthal selbst berichtet am 5. November 1926 Theodora von der Mühll, Raimund „sei ‚angestellt’ bei der Mirakeltourneé, das heisst wohl als besserer Bühnenarbeiter; oder unterer Inspicient“ (Hirsch, S. 324). Er spielt, so Diana Cooper, auch kleinere Nebenrollen, „a pilgrim (not a strenuous part) and a wounded soldier with a blood-stained cloth round his head“, einen „Robber“ oder einen der „Prince’s Companions. He had to kneel and pray before the miraculous statue, and at other times to run about the church in the dream-world with the rest of the surging crowd“. Rudolf Kommer (vgl. B 102, Anm. 6) hatte ihn in Philadelphia zur Truppe gebracht, zur Freude von Lady Diana Cooper, geb. Lady Manners, die Hofmannsthal 1925 bei den Salzburger Festspielen kennengelernt hatte, wo sie, wie in den USA, die Rolle der „Madonna“ im Mirakel verkörpert. Sie erinnert sich: „He was nineteen, spoke no word of English“, war aber „intelligent and made in our mould, unlike the other supernumeraries. He was shy and strange and clearly needed protection and affection“, die sie ihm gern angedeihen läßt. Als ihn Kommer – aus Eifersucht – zum 1. Februar 1927 aus dem Mirakel-Ensemble entläßt, engagiert sie ihn als „paid chauffeur“, damit er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann (vgl. Diana Cooper, The Light of Common Day. London 1959, S. 50, 66-68; 78; dies., in: Raimund von Hofmannsthal. A Rosenkavalier. 1906-1974. Reinbek bei Hamburg 1975, S. 17-21; zu den Rollen siehe auch Heinrich Huesmann, Welttheater Reinhardt [wie B 78, Anm. 3], Nr. 2588-2590). Daß sich überdies Karl Vollmoeller um „das große Kind“ kümmert, zeigen die zwischen ihm und Hofmannsthal in dieser Zeit gewechselten Briefe. Sie belegen, daß Raimund keine „Aufenthaltsverlängerung“ über den 14. März 1927 hinaus „erwirken“ konnte und deshalb kurzfristig nach Kanada ausreisen mußte, ehe er am 31. April 1927 nach Los Angeles zurückkehrt (Hans Peter Buohler, Die Briefe Karl Gustav Vollmoellers und Hugo von Hofmannsthals; in Hofmannsthal-Jahrbuch 18 / 2010, S. 105-137, hier S. 117, 132-135; sowie Hirsch, S. 519).

144

DIE BRIEFE 1925-1959

80.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Bad Aussee, 6 IX. <1926>

chère Amie ceci est pour vous dire que le dernier numéro de La Revue européenne (Leipsic, 1er septembre) contient un bel éloge, et intelligent, de Commerce1 .

Je vois que Valéry a publié un volume „Rhumbs“. Mon libraire de Basel est trop maladroit, il va de nouveau m’écrire que c’est épuisé. Auriez-vous bien la bonté de me faire envoyer ce volume?2

Pensées fidèles.

Hofmannsthal

80. <Montag>. FCC. Handschriftlich: Bad Aussee, Autriche. 1 Max Clauß, Komponenten; in: Europäische Revue. Hg. von Karl Anton Rohan. II. Jg., 1. Halbjahr, Heft 6. September 1926, S. 401-403. In seinem Bericht über die „zwei kulturell höchststehenden Vierteljahresschriften [...] ‚Commerce’ und ‚Die Kreatur’“ schreibt Clauß: „Freie Geister nur mit ruhig leuchtender Flamme, die keinerlei ‚-ismus’ als Schirm brauchten, durften die Ebene einer neuen Form hoch über das Gezänke legen. So entstand ‚Commerce‘. Der Name ist seltsam; möge es erlaubt sein, ihn unter Nichtachtung der leisen Zeitironie, die darin mitklingen mag, ganz geistig zu deuten: commercium ... commercium spirituale: Verkehr im Geiste. [...] Wenn man die in prachtvoll strenger Antiqua gedruckten Hefte zur Hand nimmt, meint man, die Autoren schrieben hier einen andern, reineren und volleren Stil. So stark wirkt die einmütig gewollte sprachliche Zucht. Ohne sie würden die grausamen Denkübungen von ‚Monsieur Teste’ und André Suarès wohl chaotisch erscheinen, die meisterlichen Reisebilder Valery Larbauds vielleicht nur geistvoll sein. Hier steht die Lyrik eines Claudel, Francis Jammes, Léon-Paul Fargue und Max Jacob am angemessenen Platz. Der wundervollste Prozeß jedoch ist die Angleichung des national fremden, geistig nahen Sprachgutes. Hofmannsthal und Ortega zwar schreiben zu europäisch, als daß man erstaunt wäre, sie französisch vollendet zu finden. Aber wenn berufene Mittler imstande sind, Kapitel des ‚Ulysses’ von James Joyce, Fragmente aus Meister Eckhart und der arabischen Spruchdichtung makellos einzufügen, so beweist ein solches Gelingen, daß diese letzte, im Namen des ‚esprit classique’ geschmiedete Edelfassung nicht nur für Frankreich sinnvoll, sondern wertvoll für Europa ist ... da unsere kostbarsten Steine dort am hellsten glänzen“. 2 Das Buch ist in Hofmannsthals Bibliothek erhalten geblieben: Paul Valéry, Rhumbs. Notes et autres. Paris: Le Divan 1926. Exemplar Nr. 122 von 1445. Teilweise unaufgeschnitten (FDH 6648). Diese erste Auflage war im März 1926 erschienen. Im selben Jahr kommen zwei weitere Ausgaben heraus: Rhumbs bei Gallimard und Rhumbs. Notes et documents bei Champion in Paris; vgl. die bibliographischen Nachweise in: Paul Valéry, Œuvres II. Édition établie et annotée par Jean Hytier. Paris 1960, S. 1423.

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 145

81.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Bad Aussee, ce 16 octobre <1926>

très chère Amie, ceci est très malheureux: je viens de recevoir votre lettre1 et le même courrier m’apporte une lettre de M. Zifferer2 qui depuis je ne sais combien d’années s’occupe de mettre en marche cette traduction de ma prose et qui a choisi du Bos (qui lui aussi, il faut le dire, est un ami de ces choses par moi écrites depuis vingt ans!) – et la lettre m’avertit que finalement tout est prêt et que le volume paraîtra en novembre3. Impossible donc de les prier maintenant de retarder la publication; cela les offenserait. Mais quelle malchance particulière que du Bos soit antipathique à ce point à vous et à vos amis! Mais je ne puis rien faire, n’est ce pas? Mais pour rétablir l’équilibre, j’écrirai quelque chose pour Commerce exprès, et aussi vite que possible4 .

Je pars demain matin pour Vienne où je dois (l’ayant promis depuis longtemps) présider à un congrès de la Fédération des „unions intellectuelles“. Je verrai Valéry et d’autres personnes intelligentes5, mais combien j’aimerais mieux rester ici et ne pas interrompre mon travail6 .

A vous, most faithfully

Hofmannsthal Et Stuttgart? J’écrirai un de ces jours à Erhardt pour savoir7. Je ne suis jamais sans penser un peu à Hypatia.

81. <Samstag>. FCC. Umschlag: Frankreich / Princesse de Bassiano / Versailles, 12 < von fremder Hand korrigiert zu: 8>, Avenue Douglas Haig. Poststempel: Bad Aussee, 18. X. 26. Auf der Rückseite Ankunftsstempel: Versailles, 20. 10. 26. 1 Nicht erhalten. 2 Gemeint ist Paul Zifferers Brief vom 5. Oktober 1926 aus Paris: Hofmannsthal-Zifferer, S. 212-215. 3 In Zifferers Brief heißt es: „Ich habe das Entstehen der französischen Ausgabe niemals aus dem Auge verloren und ihren Werdegang stets überwacht. Nun besprach ich mit dem Verleger <Jacques Schiffrin>, daß der Band anfangs November erscheinen soll. Das Papier ist gekauft, die Übersetzung wird von Du Bos durchgesehen und geht so Stück für Stück in Druck. Ich muß natürlich Du Bos die Verantwortung für den französischen Text überlassen (er schreibt bekanntlich auch die Vorrede), möchte Sie aber doch fragen: Wollen Sie die Korrekturbogen sehen, was sicherlich viel Ärger und Mißvergnügen bedeutet? Denn wie sollte die Übersetzung (welcher Art immer sie sei) Ihnen Befriedigung bringen“. Mit

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DIE BRIEFE 1925-1959

Blick auf diesen Termin setzt auch Du Bos unter dem 29. Oktober als Abgabetag seiner Einleitung den „10 novembre“ fest (Journal III [wie B 65, Anm. 3], S. 118). Hofmannsthal antwortet auf Zifferers Nachricht erst am 12. November: „Diese Zeilen haben einen einzigen Zweck: ich möchte nicht, daß es schiene, als gäbe ich der Angelegenheit meiner französischen Übersetzung nicht die gebührende Aufmerksamkeit, oder mäße ihr nicht eine – für mich – große Wichtigkeit bei. Das Gegenteil ist der Fall. Die Sache ist mir sehr wichtig und ich brenne darauf, daß sie endlich realisiert wird. [...] Nunmehr darf ich annehmen, daß es soweit ist, daß der Band in kurzer Zeit vorliegen wird und möchte da nur noch vielleicht in elfter Stunde darauf hinweisen wie wichtig es mir erscheint, daß Du Bos dem Band eine Einleitung vorausschickt und wie ich hoffe ein Essay vom Werte, der in seiner ‚Approximation’ enthaltenen. Daran scheint mir fast so viel zu liegen, als an dem Text des Buches. / Bitte informieren Sie mich [...] mit ein paar Zeilen“ (Hofmannsthal-Zifferer, S. 213, 217f.). Diese Vorstellungen hatte Hofmannstahl wohl schon während seiner letzten Begegnung mit Du Bos in Paris Ende Mai 1925 umrissen. Jedenfalls formuliert Du Bos im Rückblick des 29. Septembers 1926: „Cette étude doit être l’hommage que Hofmannsthal a tant attendu, que dans notre dernier entretien, en juin 1925, je l’ai senti triste qu’on ne lui ait pas rendu justice et que je l’aime personnellement, il faut que je lui donne satisfaction“ (Journal III, S. 107f.). Der November-Termin läßt sich jedoch nicht halten. Du Bos, der mehrfach mit Zifferer konferiert, gerät mit der Revision der Übertragung und seinem Essay, der im Tagebuch dieser Wochen und Monate nahezu täglich erwähnt wird, beträchtlich in Verzug. Man einigt sich schließlich auf einen Vorabdruck des Chandos-Briefs, wozu Du Bos am 13. November 1926 unter dem Stichwort „Hofmannsthal“ anmerkt: „En dépit de l’inappréciable délai que, par la publication dans la N.R.F. de février de la Lettre de Lord Chandos, les circonstances m’accordent, il faut que je ne dépasse point le 1er décembre pour avoir achevé cette étude. D’abord je veux que Zifferer, qui part pour Vienne vers la mi-décembre, emporte une copie dactylographiée qu’il soumetra à Hofmansthal“. Und unter dem 16. November ergänzt er: „Le problème Hofmannsthal est résolu: la Lettre de Lord Chandos paraît dans la N.R.F. de mars, notre livre, peu de jours après: de ce côté-là, c’est sur mon introduction que le grand effort est à donner“ (Journal III, S. 123, 128). Die genannte „copie dactylographiée de l’avant-propos“ wird er freilich erst am 8. März 1927 Hofmannsthal zuleiten und erklären „Comme l’éditeur n’attendait plus que l’avant-propos pour paraître – à la traduction elle-même je suis en train d’apporter les toutes dernières retouches et j’en donne le bon à tirer ces jours-ci – il me serait précieux de recevoir le plus tôt possible une simple carte postale de vous afin de pouvoir sans arrière-pensée donner l’avant-propos à composer et que la publication ne souffre plus nul retard“ (Hirsch, S. 443-445; vgl. auch Du Bos’ ausführlichen Brief an Ernst Robert Curtius vom 12. März 1927; in: Deutschfranzösische Gespräche 1920-1950. La Correspondance de Ernst Robert Curtius avec André Gide, Charles Du Bos et Valery Larbaud. Éd. par Herbert et Jane M. Dieckmann. Frankfurt am Main 1980, S. 230). – Während der Vorabdruck Lettre de lord Chandos Anfang März in La Nouvelle Revue Française. 14. Jg. Nr. 162: 1er Mars 1927, S. 283-295 erscheint: „traduit par E.H“. und mit der Fußnote 1: „Copyright by Edition de la Pléiade J. Schriffrin <sic> 1927 (Œuvres en prose de H. von Hofmannsthal)“ – der Druck fehlt bei Horst Weber, Hugo von Hofmannsthal. Bibliographie. Berlin, New York 1972 –, wird die Auslieferung des Buches von Mal zu Mal verschoben, bis Du Bos am 14. März 1927 notieren kann: „J’ai remis ce matin à Schiffrin les épreuves corrigées de la traduction de Hofmannsthal“ (Journal III, S. 207). Doch vergehen noch weitere Monate (vgl. Hofmannsthals ungeduldige Anspielungen vom 21. April und 24. Mai 1927 in Hofmannsthal-Zifferer, S. 219, 220), ehe der Band, dessen Druck laut Impressum „le 18 mai 1927“ abgeschlossen ist, Anfang Juni

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 147

1927 ausgeliefert wird: Hugo von Hofmannsthal, Écrits en prose. Traduction de E. H. <i.e. Emma Herrman>. Avant-Propos de Ch. Du Bos. Éditions de la Pléiade. Paris: J. Schiffrin. Der Band (1250 Exemplare, davon 50 „sur Hollande van Gelder“ und 1200 „sur Vélin du Marais“) enthält neben dem Ernst Robert Curtius gewidmeten Avant-Propos (S. 9-37) La Lettre de Lord Chandos; Des Caractères dans le Roman et dans le Drame; Les Chemins et les Rencontres; Rois et Grand Seigneurs dans Shakespeare; Entretien sur ‘Le Tasse’ de Gœthe; Les Couleurs; La Fille aux Yeux d’Or; Entretien sur la Poésie. Noch in seinem letzten Brief an Du Bos vom 13. Mai 1929 kommt Hofmannsthal auf diese Vorrede (nachgedruckt in: Charles Du Bos, Approximations. Troisième série. Paris 1929, S. 285-313) zurück und schreibt: „Die Einführung, die Sie für den Auswahlband meiner Prosa-Schriften geschrieben haben, halte ich für die einzige wirklich schöne, wirklich competente Darstellung meines Werkes der ersten Lebenshälfte (trotz einzelner höchst glanzvoller Seiten aus der Feder Rudolf Borchardts über den gleichen Gegenstand) und, wie mir mit gehaltvollen Dingen immer geschieht, ist mein Verhältnis zu dieser Darstellung heute wärmer und tiefer als vor einem Jahr, und wird sich immer erwärmen und vertiefen“ (Hirsch, S. 449). 4 Dazu kommt es nicht. Erst nach Hofmannsthals Tod wird die französische Übertragung seiner Vorrede zu St.-J. Perse’ Anabase unter dem Titel Émancipation du lyrisme français in Commerce XX. Été 1929, S. 5-11, aufgenommen; vgl. unten B 94 mit Anm. 3. 5 Hofmannsthal amtiert als Präsident beim Internationalen Kongreß des Verbandes für kulturelle Zusammenarbeit (Unions intellectuelles), der vom 18. bis 20. Oktober 1926 in Wien stattfindet. Er hält eine Eröffnungs- und Schlußrede in französischer Sprache. Am 16. Oktober erscheint in der Wiener Neuen Freien Presse sein kleiner Vorab-Beitrag Die Tagung des Kulturbundes. Ein Gruß an Kultureuropa; seine Eröffnungsansprache Der Deutsche in Europa wird am 20. Oktober in der Deutschen Allgemeinen Zeitung in Berlin gedruckt (beide Texte in HGW RuA III, S. 17-18 und S. 19-23). Hofmannsthal selbst schildert Paul Zifferer die Tagung am 23. Oktober: „Es waren interessante Menschen da, besonders die ebenso wohl faschistischen, als höchst cultivierten und geistreichen Vertreter Italiens ([...] alle glänzende Redner) repräsentierten wirklich eine neue Welt, in deren Geistiges man zum ersten Mal hineinsah. Frankreich war durch Valéry, <Emile> Borel, den gescheidten und liebenswerten Josef Baruzzi [...] und dem <sic> Ehepaar <Jean und Pauline> Pange vertreten. [...] Das Ganze war wirklich gelungen“ (HofmannsthalZifferer, S. 215f.). Und Christiane schreibt unter dem 26. Oktober an Münchhausen: „In Wien [...] gab es den Kongress des Kulturbundes [...] wobei Papa präsidierte und man eine Menge netter und wirklich gescheiter Leute aus allen Ländern sah, und auch reden hörte. Am Besten waren die Italiener, als Redner nämlich, dann auch Valéry. [...] Papa erstaunte alle durch freie französische Reden, die wirklich ausgezeichnet waren“ (ChristianeMünchhausen, S. 87). 6 Hofmannsthal hatte, wie aus seinem Brief an Zifferer vom 23. Oktober hervorgeht, Bad Aussee nur ungern verlassen, da „ein neuer Stoff“ „schon seit vielen Wochen mit solcher Gewalt von meiner Einbildungskraft Besitz ergriffen“ habe, „daß es eines starken nach innen gewandten Willens bedurfte, um nicht von der begonnenen Arbeit <d.i. die Neu-Fassung des Turms> abzuschweifen. Ich beginne in diesen Tagen das neue Stück“ (Hofmannsthal-Zifferer, S. 215). Gemeint ist das Drama Kaiser Phokas, das ihn seit 1924 beschäftigt hatte (vgl. HSW XIX Dramen 17, S. 148-230; zur Entstehung und Zeugnisse ebenda, S. 420- 446). Allerdings wird er die Arbeit abbrechen, sobald sich 1927 der Plan des Chinesischen Trauerspiels in den Vordergrund drängt, von dem er am 18. November 1927 seinem Sohn Raimund berichtet: „Ich habe ein neues Trauerspiel zu schreiben angefangen und bin so weit gekommen, daß ich es vielleicht noch in diesem Winter zu Ende bringen

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DIE BRIEFE 1925-1959

kann. Es heißt ‚Die Kinder des Hauses’ und spielt in China, zu unserer Zeit, d.h. etwa vor 20 Jahren“ (Hirsch, S. 520). Das Stück bleibt unvollendet; vgl. B 87, Anm. 1. 7 Dr. phil. Otto Erhardt (1888-1971) war von 1918 bis 1920 als Regisseur in Düsseldorf und Duisburg tätig, ehe ihn der damalige Generalmusikdirektor Fritz Busch zur Spielzeit 1920/21 als Oberspielleiter nach Stuttgart an das „Württembergische Landestheater“ holte, wo er bis 1927 mit richtungweisenden Inszenierungen und einer weitblickenden Dramaturgie hervortritt. Ab Herbst 1927 geht er, abermals auf Buschs Veranlassung, als Oberspielleiter an die Oper in Dresden (vgl. Jürgen-Dieter Waidelich, Vom Stuttgarter Hoftheater zum Württembergischen Staatstheater. Ein monographischer Beitrag zur deutschen Theatergeschichte. Diss. München. [masch.] 1956, S. 314-325). Dort wird er am 6. Juni 1928 die Uraufführung der Ägyptischen Helena inszenieren. Briefe Erhardts sind in Hofmannsthals Nachlaß nicht erhalten geblieben, wohl aber im Adreßbuch der Eintrag: „Prof. Dr. Otto Erhardt Urbanstrasse 42 Stuttgart“. Hofmannsthals – erfolglose – Bemühungen gelten einer möglichen Aufführung von Roffredo Caetanis Hypatia in Stuttgart.

82.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Beauvallon, le 12 Mars<19271>

Bien cher Ami, j’étais si heureuse d’avoir finalement un mot de vous2 et de savoir que vous étiez au soleil et se sentant mieux –

J’étais navrée d’apprendre que vous avez passé un si mauvais hiver3 – Non! il ne faudrait plus que vous restiez dans ce vilain climat, il faut que vous verriez passer les mois d’hiver auprès de nous quelque part dans le midi –

J’ai été si touchée de ce que vous m’avez dit de Erhardt et de votre désir de le pousser à donner „Hypatia“ à Dresde. Ça serait magnifique, mais il me semble que vous avez agi tout-à-fait sagement en attendant avant d’agir, qu’il soit installé dans sa nouvelle poste –

A Düsseldorf „Hypatia“ sera donné fin Avril au lieu de fin Mars –

Nous partons Samedi4 pour Versailles – Quand nous nous reverrons nous? Bientôt j’aimerais espérer – Pas de réponse de Kippenberg!5 – Patience! Tous les éditeurs ne sont pas comme nous cher Ami! –

J’aimerais bien avoir une nouvelle de T. Mann pour „Commerce“ – Comment faudrait-il faire?6 Et d’être sûr qu’il nous donnerait une bonne chose! Ou n’approuvez-vous pas que Commerce l’invite? Dans ce cas là je n’y songerais pas. Mais qui y a-t-il alors digne de „C“ ? –

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 149

Et vous ne me dites pas un mot de vous! J’étais heureuse de voir la belle „Lettre“ dans la N.R.F.7 Si je pourrais avoir quelque chose de vous pour le cahier d’ Été qui parait fin Juin! – Oui n’est-ce pas? – Nous pensons aller à Franckfort au mois de Juin pour le festival de Musique Moderne8 – Et Salzbourg?

Aurevoir cher Ami

Ecrivez-moi je vous en prie

Mes bien affectueuses amitiés

Marguerite de B.

82. <Samstag>. FDH. 1 Beauvallon mit seinem „Golf-Hotel“ ist ein bevorzugter Aufenthaltsort der Familie Caetani in Südfrankreich. Christiane von Hofmannsthal hatte während ihres Besuchs dort Thankmar von Münchhausen am 23. Dezember 1926 vorgeschwärmt: „[...] strahlende Sonne den ganzen Tag, eine große blaue Bucht und dahinter Hügel und alte Hafenstädte. Die Küste ganz einsam, hier ist überhaupt nur das Hotel, das nächste kleine Dorf ist 3 km. weit, der nächste größere Ort ist 30km (St. Raphael.) Und heute war ich also zum ersten Mal aus, unten am Strand, wo herrliche große Wellen waren, ich wäre gern im Sommer hier“ (Christiane-Münchhausen, S. 89f.). 2 Der entsprechende Brief mit dieser und anderen Nachrichen ist nicht überliefert. Hofmannsthal war mit seiner Frau am 8. Februar 1927 zu einer Reise nach Sizilien aufgebrochen (vgl. die folgende Anm.), die ihn nach Palermo, Agrigent und Taormina sowie schließlich nach Rom führt. Von dort hatte er Theodora von der Mühll am 2. März ausführlich Bericht erstattet (Hirsch, S. 329f.). Auch den verlorenen Brief an Marguerite Caetani wird er, zieht man deren Anspielung „que vous étiez au soleil“ in Betracht, mit ähnlichem Inhalt in Rom oder noch in Sizilien zu Papier gebracht haben. 3 Der Winter 1926/27 hatte ganz im Zeichen des Vortrags Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation gestanden. Hofmannsthal hatte die Rede unter größten Mühen entworfen und am 10. Januar 1927 im Auditorium Maximum der Universität München gehalten (vgl. B 261 mit Anm. 2). Sein Brief an Leopold von Andrian vom 24. Januar 1927 hatte die innere und äußere Situation zusammenfassend skizziert: „Ich war diese 8 Wochen abgehetzter als seit langem, ohne Pause, u. dabei immer ziemlich unwohl, abwechselnd durch Föhn oder Schnee. Es hat keinen Zweck, daß ich versuche, zu detaillieren. Fast drei Wochen schrieb <ich> an einem Vortrag, den ich unvorsichtig auf mich genommen hatte, und den zu halten (in München, am 10ten) mir schließlich keine Befriedigung brachte. Aber das ist nun vorüber [...], doch hoffe ich den 8ten Februar mit Gerty auf ein paar Wochen nach Sicilien fortzukönnen. Ich will von Triest zu Schiff direct nach Palermo. Es hat keinen Zweck daß ich mich so übermäßig mit dem hiesigen Winterklima abquäle“ (Hofmannsthal-Andrian, S. 392). 4 19. März 1927. 5 Siehe Hofmannsthals folgenden Brief sowie Anton Kippenbergs Brief an Marguerite Caetani vom 20. April 1927: B 196. 6 Marguerite Caetani war in dieser Angelegenheit schon im Sommer 1926 an Rudolf Kassner herangetreten, der daraufhin am 5. Juli 1926 geraten hatte, Hofmannsthals als Vermittler einzuschalten; vgl. B 97. 7 Gemeint ist Hofmannsthals Lettre de lord Chandos, in: La Nouvelle Revue Française vom 1. März 1927; siehe oben B 81, Anm. 3.

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DIE BRIEFE 1925-1959

8 Das – erstmals in Deutschland ausgerichtete – „5. Musikfest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik“ findet vom 29. Juni bis 4. Juli 1927 in Frankfurt am Main statt.

83.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Rodaun 20 III 27.

chère Amie la dame Kippenberg m’a finalement répondu1. Ces gens d’une intelligence vulgaire2 trouvent des formules admirables pour cacher leur refus. Elle me dit qu’ils admirent (elle et son mari) la poésie de Léger3 – et qu’ils comprennent bien que ce serait un honneur d’être son éditeur. Mais que, eux, étant à ce point sensibles à l’appel de l’Honneur (à l’envers des autres éditeurs) ils avaient déjà sur leurs épaules trop de livres qui leur apportent de l’Honneur et qui ne se vendent pas. Elle me cite le nom de Kassner et beaucoup d’autres noms et elle finit sa lettre en me reprochant d’une façon assez désagréable que je ne faisais pas assez pour les aider dans leur tâche difficile etc. – bref au lieu de publier les vers de Léger ils me proposent les cinq ou six articles que je devrais écrire pour leur rendre service.

Je n’ai pas répondu4 .

Si seulement la Bremer Presse5 était une maison éditrice normale, on pourrait facilement et agréablement leur offrir cela. Mais ils ont un programme tout spécial qui exclut entièrement la publication de littérature actuelle. Aussi ne pourraient ils jamais publier de mes vers, ou de ma prose, ou aucune de mes pièces6. La seule chose qu’ils font pour moi (en revanche de certains services que je leur rends comme éditeur, – préfaces, direction d’anthologies et autres choses7) c’est qu’ils m’impriment les Beiträge et quelquefois (sur ma propre responsabilité) ils réimpriment quelque chose qui a parue dans les Beiträge – comme le Journal de Voyage de Burckhardt8. Mais puisque le directeur, mon ami Wiegand9, est spécialement intéressé au problème des traductions, c’est à dire qu’il regarde comme moi la poésie lyrique comme intraduisible, et que c’est un homme très sympathique mais une tête de fer – je pourrais faire tout au monde sans lui faire accepter cette chose qui est doublement au dehors de son programme (comme œuvre d’un vivant, et comme poésie traduite) et qui ne trouverait sa place dans aucune des séries de publications prévues.

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 151

Il resterait de se servir de la Bremer Presse comme imprimeur, non pas comme éditeur, en leur payant leurs frais et en faisant imprimer une édition non publique de cette plaquette. Mais ceci, probablement, ne vous contenterait pas – et je ne sais pas même si je pourrais amener W. à faire cela pour moi10. Et je voudrais tant vous servir! ----

Pour Thomas Mann11 et Commerce – vous me posez une question trop difficile, chère amie. Pour moi, personnellement, une nouvelle de Th. M. dans Commerce, cela me paraît tout aussi drôle que serait une nouvelle de Claude Farrère12 dans les Beiträge. Mais d’autres personnes auront une autre opinion, et toute cette vie littéraire est un tel tissu d’opinions et de contre-opinions, de malentendus, d’erreurs „subjectives“ et „objectives“, de vains mirages, de préjugés et de parti-pris – que je veux plutôt m’abstenir de vous conseiller. Il y a certainement pas d’inconvénient à ce que le gérant de Commerce lui écrive directement: Poschingerstrasse 1, München13 .

Pour moi, Christiane m’a très bien fait comprendre que vous préférez mille fois toute œuvre de „Gestaltung“ (poésie, drame, récit) à tout ce qui ressemblerait à un discours ou un essay. (C’est absolument mon point de vue pour les Beiträge.) Il reste donc „der Turm“ et „Hélène d’Égypte“. Cette dernière comme drame lyrique, est absolument intradisuisible14. Pour „der Turm“ je ne dis pas qu’il serait intraduisible – mais je ne vois pas la personne capable de le traduire – et puis, à quoi sert de publier un acte d’une pièce en cinq actes qui forment une unité. On ne reproduit pas un bran d’un grand tableau!

Mais je vous ferai sous peu envoyer un volume d’un poète allemand peu connu et souvent méconnu (Alfred Brust) qui contient 8-10 pièces en prose, toutes très courtes, et je vous prie d’en lire les trois premières et surtout Sudseespiel que vous trouverez aussi dans le prochain volume de „Beiträge“15 .

Yours very sincerely

Hofmannsthal

83. <Sonntag>. FCC. 1 Diese Antwort ist nicht überliefert. Hofmannsthal hatte sich am 17. Februar 1927 aus Sizilien an Katharina Kippenberg gewandt: „Was mich aber heute bewegt, an Sie zu schreiben, das hängt auch wieder mit Rilkes Dahingehen zusammen. Er hatte der Prinzessin Bassiano versprochen, bei Ihnen und Kippenberg der Anwalt jenes schönen Gedichtes von St. Léger zu sein – Anabase – dessen deutsche Übertragung unter so großen Bemühungen und so sehr mit seiner Hilfe hergestellt wurde. Nun erhielt ich einen Brief der Prinzessin, die in Sorge scheint um diese Angelegenheit – und mich bittet, darüber an Sie zu schreiben. Ich kann nur sagen, daß ich Anabase ein sehr schönes Gedicht und St. Léger einen der

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merkwürdigsten unter den neueren französischem Dichtern finde, und daß mir alles willkommen wäre, was die Verbindung zwischen Commerce und diesem ganzen Kreis und der Insel befestigt. / Vielleicht schreiben Sie oder Kippenberg direct an die Prinzessin – unter Bezug auf diese meine freundlichen Zeilen“ (Hofmannsthal-Insel, Sp. 999-1001). 2 Ende 1928, am 13. Dezember, wird Hofmannsthal in anderem Zusammenhang in noch schärferem Ton urteilen: „K<ippenbergs> der Mann und die Frau sind beide starrsinnige dünkelhafte ungütige Menschen. Auf sie in einer solchen Sache Einfluss zu nehmen ist geradezu unmöglich. Sie wollen einem dann zeigen, dass man keine Autorität für sie ist, obwohl sie nach aussen natürlich mit der Beziehung zu einem prahlen. Es ist ein besonders unangenehmer Fall und ich habe in den letzten 10 Jahren zu viele Proben dieses Verhaltens bekommen“ (Hugo von Hofmannsthal – Walther Brecht. Briefwechsel. Mit Briefen Hugo von Hofmannsthals an Erika Brecht. Hg. von Christoph König und David Oels. Göttingen 2005, S. 166f.; vgl. Hofmannsthal-Taube, S. 230-232). 3 Über durchstrichenem: Kippenberg. 4 Anscheinend hat Hofmannsthal auf den nicht überlieferten Brief Katharina Kippenbergs dann doch am 11. April 1927 geantwortet; jedenfalls geht er unter diesem Datum auf ihre Bemerkungen über Kassner und andere Autoren wie Hans Carossa oder Otto von Taube ein (Hofmannsthal-Insel, Sp. 1001-1003), ohne freilich Saint-John Perse und dessen Anabase zu erwähnen. 5 Zur Bremer Presse siehe unten Anm. 9. 6 Entgegen dieser Angabe hatte die Bremer Presse bereits 1913 Hofmannsthals Die Wege und die Begegnungen (vgl. B 68, Anm. 8) und 1925 die erste Buchfassung seines Turms (vgl. B 67, Anm. 3) herausgebracht. Als Sonderveröffentlichung war 1925 der Versuch über Victor Hugo erschienen; 1927 folgt die Münchner Rede Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation (siehe B 86, Anm. 2). Auch Eranos, die Festschrift zu seinem 50. Geburtstag, war 1924 als Werkdruck des Verlags der Bremer Presse ausgegeben worden. 7 Dazu gehören die Anthologien Deutsches Lesebuch (2 Bände, 1922; 2. Auflage 1926), Deutsche Epigramme (1923), Schillers Selbstcharakteristik aus seinen Schriften (1926) und Wert und Ehre deutscher Sprache (1927). 8 Carl J. Burckhardts Aufzeichnungen über eine Reise in Kleinasien waren im Ersten und Zweiten Heft der Zweiten Folge der Neuen Deutschen Beiträge im April 1924 und Januar 1925 erschienen. Als Sonderveröffentlichung der Neuen Deutschen Beiträge war der Text 1925 unter dem Titel Kleinasiatische Reise als Werkdruck des Verlages der Bremer Presse herausgebracht worden. Daß Marguerite Caetani Teile des Textes in den Commerce zu übernehmen gedachte, war während der Salzburger Festspiele Ende August 1925 erörtert worden (vgl. B. 66, Anm. 4). In diesem Sinne hatte Hofmannsthal am 29. August 1925 an Burckhardt geschrieben: „[...] mit Eile läßt sich doch eine so subtile Sache, wie die Übersetzung dieser Prosa ins Französische (wenn es noch ins Englische wäre, die uns im Rhythmus verwandt ist!) nicht betreiben. Wir beschäftigen uns ja alle fortwährend damit! Raimund hat es vielleicht mit 6 Menschen probiert, alle brachten ihm den Anfang gleich unmöglich übersetzt. Ich besprach es neulich eingehend mit Dr. Max Clauß, dem jungen sehr klugen Secretär der europäischen Revue – der jüngere französische Schriftsteller gut kennt u. die ‚Reise’ sehr bewundert. [...] Marguerite Bassiano will für Commerce mit einem Stück den Versuch machen, es durch den geistreichen zweisprachigen Groethuysen übersetzen zu lassen und von St. Léger revidieren – vielleicht kommt man auf dieser Basis weiter“ (Hofmannsthal-Burckhardt, S. 172f.). Der Plan wird nicht verwirklicht. 9 Willy Wiegand (1884-1961) hatte nach der Promotion zum Doktor jur. mit seinem Schulfreund Ludwig Wolde im Jahre 1913 die „Bremer Presse“ gegründet, die sich bald zu

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einer der einflußreichsten deutschen Privatpressen entwickelt. Noch während des Ersten Weltkriegs war der Firmensitz von Bremen nach Bad Tölz und 1921 nach München verlegt worden. Die Leitung ging mehr und mehr in die Hände Wiegands über, der ab 1922, als Wolde wegen eines Herzleidens hatte ausscheiden müssen, dem Unternehmen alleine vorsteht. 1922 wurde der Presse ein Verlag angegliedert, der die beim Handdruck gewonnenen Erfahrungen auf das billigere Buch übertrug: die Texte wurden zwar weiterhin mit der Hand gesetzt, nun aber auf der Schnellpresse in größerer Auflage gedruckt; vgl. Josef Lehnacker, Die Bremer Presse. Königin der deutschen Privatpressen. München 1964; Bernhard Zeller, Werner Volke (Hg.), Buchkunst und Dichtung: Zur Geschichte der Bremer Presse und der Corona. Texte und Dokumente. München 1966; Hofmannsthal-Wiegand, S. 44-55. 10 In Hofmannsthals veröffentlichter Korrespondenz mit Wiegand kommt das Projekt nicht zur Sprache. 11 Thomas Mann und Hofmannsthal hatten sich 1908 persönlich kennengelernt. Ihre freundliche, gleichwohl distanzierte Verbindung ist aus ihrer Korrespondenz abzulesen (Thomas Mann, Briefwechsel mit Autoren. Hg. von Hans Wysling. Frankfurt am Main 1988, S. 193-226; dort auch Einzelheiten zur Biographie und zum Charakter der Beziehung). Während sich Hofmannsthal nie öffentlich über Thomas Mann geäußert hat, hatte Mann in seinem zweiten German Letter für die amerikanische Zeitschrift The Dial (vol. 74, nr. 6, Juni 1923, S. 612f.) Hofmannsthals Deutsches Lesebuch angezeigt (in gekürzter deutscher Fassung in: Vossische Zeitung vom 20. Juli 1923; Thomas Mann, Gesammelte Werke X, S. 636f.). In seinem Nachruf In memoriam Hugo von Hofmannsthal in der Wiener Neuen Freien Presse vom 21. Juli 1929 nennt er den Verstorbenen „Bruder in der Zeit“ und fügt hinzu: „Das Wort ‚Freundschaft’ bedürfte heute seiner Genehmigung. Aber trotz aller Unterschiede der Geburt, der Überlieferung und Lebensstimmung nenne ich, sehend gemacht durch den Tod, die Wahrheit beim Namen, wenn ich von Brüderlichkeit, von Schicksalsverwandtschaft spreche. Wären wir beide weniger ‚schwierig’ gewesen!“ (Gesammelte Werke X, S. 453-458). Vgl. auch Golo Manns Erinnerungen in: Für Christiane. Blätter für Christiane Zimmer zum 14. Mai 1982. Gesammelt von Leonhard M. Fiedler und überreicht vom S. Fischer Verlag Frankfurt am Main, S. 85-87. – Trotz Hofmannsthals negativem Urteil bemüht sich Marguerite Caetani um einen Beitrag Manns, der ihr Anfang Juli 1927 zugeht und den sie Kassner umgehend vorlegt. Obwohl dieser nach gründlicher Lektüre am 15. Juli 1927 zur Aufnahme in den Commerce rät (B 101), wird sie den Text schließlich ablehnen. 12 Claude Farrère – so das Pseudonym für Frédéric-Charles-Pierre-Edouard Bargone (1876-1957) – hatte nach einer Karriere als hochdekorierter Seeoffizier 1904 mit seinem Roman Fumées d‘Opium einen großen Publikumserfolg errungen; 1905 erhielt er für den Roman Les Civilisés den Prix Goncourt; 1935 wird er in die Académie Française berufen. Zahlreiche seiner weit über vierzig Romane werden verfilmt und sichern ihm eine lebenslange Popularität als vielgelesenem Autor. 13 Weder in FCC noch im Zürcher Thomas Mann-Archiv sind Zeugnisse der Korrespondenz zwischen Thomas Mann und der Commerce-Redaktion oder Marguerite Caetani erhalten geblieben. 14 Lies, wie in der folgenden Zeile: intraduisible. 15 Alfred Brust, Spiele. Leipzig: Kurt Wolff Verlag 1920. Der Autor hatte Hofmannsthal das Buch am 10. November 1926 zugesandt: „Nicht zum lesen, sondern nur, daß ich es in Ihrer Nähe weiß“ (Hofmannsthal-Blätter 41/42. 1991/92, S. 63). Der Band enthält die Dramen: Südsee-Spiel; Das Indische Spiel; Das Spiel Jenseits; Ein Bauspiel; Frühlingsspiel; Höllenspiel; Ostrom; Der singende Fisch. – Südsee-Spiel wird Hofmannsthal im August 1927

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in seinen Neuen Deutschen Beiträgen (Zweite Folge. Drittes Heft, S. 20-29) „mit Erlaubnis des Verfassers und des Verlages“ (ebenda, S. 138) abdrucken. – Zum Verhältnis insgesamt vgl. Lorenz Jäger, Alfred Brust als Briefpartner Hofmannsthals. Eine Dokumentation; in: Hofmannsthal-Blätter 41/42. 1991/92, S. 50-78; siehe auch B 104 mit Anm. 6.

84.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Versailles, le 22 Avril <1927>

Bien cher Ami

J’ai reçu hier une lettre très aimable de Kippenberg dans laquelle il se déclare pret à publier „Anabase“!!1 –

Qu’est ce qui s’est passé? En tout cas tout est bien qui finit bien et s’est certainement à votre intervention qu‘on le doit –

J’ai laissé votre dernière lettre trop longtemps sans répondre mais vous savez que je l’ai reçue au moment de mon départ du Midi et que depuis mon retour j’ai été tout-a-fait affolée de la quantité de choses que j’ai trouvées à faire ici –

Last but not least – un numéro de Commerce à faire le plus vite possible, un que vous recevrez ces jours-ci avec un long essai sur Stendhal par Valéry, et des Souvenirs d’Enfance de Fargue très charmants je trouve2. Ce qui me rappelle de vous prier d’écrire deux mots sur lui (un serrement de mains en somme) à l’occasion de ce cahier des „Feuilles Libres“ composé en son honneur3 – Je vous envoie cette feuille pour que vous vous rendiez compte de la chose et je sais que Fargue serait si heureux d’un tout petit mot de vous, mais seulement il faudrait l‘ envoyer immédiatement à Monsieur Maurice Raval4 Feuilles Libres 81 Av. Victor Hugo Paris

Si cela ne vous ennuie pas!5

Hypatia sera donné entre le 20 et le 25 Mai et nous serions si enchantés si vous et Christiane vouliez venir nous rejoindre à Dusseldorf à ce momentlà et passer quelques jours avec nous – Mais j’ai bien peur que cela soit bien loin excepté si peutêtre vous vous trouviez en voyage à ce moment-là? Comment pourrions nous faire sans vous? Et vous retrouverez les Beauvaus

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et Fargue et Groeth et Auric6 etc. etc. Enfin vous verrez – Je suis tout-à-fait navrée d’apprendre par la dernière si gentile lettre de Christiane que vous êtes plutôt ennuyé au sujet de vos fils et tout parait tellement plus grand et plus grave quand il y a l’océan entre!7 Ça m’ennuie toujours beaucoup de savoir que vous avez des ennuis et de ce genre surtout – Non – ce n’est pas vrai – Vous ne vous êtes jamais imaginé pour un instant que je vous en voulais pour cette affaire de Kippenberg –

Je ne le croirai jamais! J’ai trouvé tellement gentil à vous d’avoir écrit et ce n’est pas votre faute s’il est un vieux cochon – mais puis-ce qu’il ne l’est plus! – Sait-il peutêtre que St. Léger à été promu Ministre hier? –

Nous pensons et nous parlons si souvent de vous et nous serions si heureux de vous revoir bientôt -- Roffredo serait très reconnaissant si vous pourriez écrire un petit mot à Erhardt qu’il vienne à Dusseldorf possiblement. Naturellement il sera invité par le Théâtre –

Je vous demande beaucoup de choses! Est-ce à vous que je dois le livre de Alfred Brust? Je ne l’ai pas encore lu – et je vous remercie en attendant –

Mes bien affectueuses amitiés

Marguerite de Bassiano

84. <Freitag>. FDH. Aufdruck wie B 9. 1 Gemeint ist Anton Kippenbergs Brief vom 20. April 1927 an Marguerite Caetani: B 196. 2 Commerce XI. Hiver 1926, bringt auf Seite 7-69 Valérys Essai sur Stendhal sowie auf den Seiten 71 bis 131 Trouvé dans des papiers de famille en 1909 von Léon-Paul Fargue. 3 Nach einer Idee von Marcel Raval wird ein Band der von ihm 1919 gegründeten und herausgegebenen Zeitschrift Les Feuilles Libres im Juni 1927 Léon-Paul Fargue gewidmet. Die Doppelnummer 45/46 enthält nahezu fünfzig Beiträge, u.a. von Valery Larbaud und Adrienne Monnier, die Leben und Werk des Dichters würdigen. Fargue selbst ist an der Zusammenstellung maßgeblich beteiligt; vgl. Louise Rypko Schub, Léon-Paul Fargue. Genève 1973, S. 168-170. 4 Richtig: Marcel Raval (siehe die vorige Anm.). Raval gibt später die Briefe Rilkes an Madame Eloui Bey heraus: La dernière amitié de Rainer Maria Rilke. Avec une étude par Edmond Jaloux. Avant-propos de Marcel Raval. Paris 1949. 5 Hofmannsthal schreibt den erbetenen Beitrag über Fargue nicht. 6 Der französische Komponist Georges Auric (1899-1983); er und die übrigen Genannten hatten an der Uraufführung der Hypatia in Weimar teilgenommen; vgl. Harry Graf Kesslers Tagebuchbericht, zitiert in: Zu Anabase, unten S. 364. 7 Dieser Brief ist nicht erhalten geblieben. Zu Franz’ und Raimunds AmerikaAufenthalt siehe oben B 79, Anm. 5. Hofmannsthal bleibt während der Abwesenheit der Söhne in steter Sorge um ihr Ergehen und Fortkommen. In diesem Sinne hatte Raimund von Hofmannsthal am 14. Februar 1926 in einem Brief an Karl Vollmoeller auf die „Spannung“ zwischen ihm und dem Vater hingewiesen, „die bei diesem eigentümlichen Menschen, den Sie ja so gut kennen, nicht nur durch tatsächlich vorhandene Momente

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zu motivieren ist, sondern immer einer vagen nervösen Sorge meinetwegen und um meiner Zukunft willen, entspringt“. Vgl. auch Hofmannsthals entsprechende Briefe an Vollmoeller vom 23. April, 7. und 22. Oktober 1927; in: Hofmannsthal-Jahrbuch 18 / 2010, S. 136f.

85.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Rodaun 14 V. 1927

chère Amie oui c’est moi qui vous ai envoyé le livre de Alfred Brust contenant des petits drames que je trouve extraordinaires de force poétique et de concentration. Je vous prie lisez-en un ou deux – faites cela par amitié pour moi. C’est un homme très très doué qui vit à l’Est extrême de l’Allemagne (sur la frontière de la Lithouanie)1 Qui est poursuivi par la destinée la plus noire, qui a six enfants et toutes sortes de malheurs – mais ce n’est pas tout ceci qui me le rend intéressant – mais son grand talent2. Mais je voudrais tant faire ou amener quelque chose qui puisse le réjouir – et ce serait une joie si inattendue que de se voir compris et accepté par Commerce. (Vous comprenez que je l’estime énormément, pour penser à ceci. Moi aussi dans le prochain cahier de Beiträge, je publie une de ses pièces.)3

Je viens de recevoir une lettre de M. Ehrhardt, le régisseur de Dresde. Il dit qu’il fera son possible pour être à Düsseldorf le 254, mais qu’il n’a pas reçu d’invitation jusqu’ici. (Il ne sait pas encore la nouvelle date, mais par hasard il me fait mention qu’il doit être à Magdeburg le 11 juin pour y faire une conférence; il faudra donc lui écrire spécialement pour l’inviter à l’avant-dernière répétition, pour qu’il puisse combiner les dates.)

Ecrivez-moi, chère et bonne amie, au sujet de M. Brust. Les soucis des autres me pèsent – et j’en ai, les miens. – L’article de Valéry5 me paraît beau – mais pas extraordinaire. J’aimais peut-être mieux l’autre sur Montesquieu6 . Mais j’ai peut-être tort.

Bien des Amitiés à Don Roffredo.

Yours faithfully

Hofmannsthal

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 157

85. <Samstag>. FCC. 1 Brust, mit dem Hofmannsthal spätestens seit März 1926 in Verbindung steht, lebt in Cranz in Ostpreußen. Neben dem Südsee-Spiel hatte er Hofmannsthal am 10. November 1926 seinen eben erschienenen Roman Die verlorene Erde (Berlin 1926) zugesandt. Hofmannsthal ist davon so beeindruckt, daß er Willy Haas, dem Herausgeber der Literarischen Welt, sechs Tage später ankündigt, er werde „gern gelegentlich (nicht zu bald) über den Roman von Alfred Brust schreiben. Vielleicht kann also vermieden werden, daß er vorher angezeigt wird!“ (Hugo von Hofmannsthal – Willy Haas, Briefwechsel. Hg. von Rolf Italiaander. Berlin 1968, S. 70) Er hält seine Leseeindrücke in Stichworten fest (abgedruckt in: Hofmannsthal-Blätter 41/42. 1991/92, S. 73-74), ohne sie je zu einer druckreifen Anzeige auszuarbeiten. 2 Ähnlich erwähnt Hofmannsthal in einem undatierten Brief vom Anfang Februar 1927 an Robert Musil den „hochbegabten Alfred Brust, der sich mit seinen sechs Kindern wirklich wie ein Zughund durchs Leben quält, so daß einem seine Briefe das Herz zusammenschnüren“ (Robert Musil, Briefe 1901-1942. Hg. von Adolf Frisé. Reinbek bei Hamburg 1981, S. 414). 3 Südsee-Spiel von Alfred Brust; siehe oben B 83, Anm. 15. 4 Dieses Datum hatte Marguerite Caetani auch Christiane von Hofmannsthal genannt, die am 15. Mai Thankmar von Münchhausen unterrichtet: „Heute kam ein Brief von Marguerite Bassiano die mich für den 25ten nach Düsseldorf einlädt, doch hab ich geringe Lust und es ist mir auch zu weit“. Trotz solcher Bedenken wird sie zur Aufführung der Hypatia anreisen, die in neuer Fassung am 10. Juni 1927 am Großen Haus in Düsseldorf stattfindet. Regie führt der Oberspielleiter Dr. Friedrich Schramm (1900-1981), später langjähriger Intendant des Hessischen Staatstheaters in Wiesbaden; die musikalische Leitung liegt bei Hugo Balzer (1894- 1985), der als Dirigent in Essen, Bremerhaven und Düsseldorf tätig ist; 1929 geht er als Generalmusikdirektor nach Freiburg im Breisgau und übernimmt 1933 das gleiche Amt in Düsseldorf, wo er 1935 das Robert-SchumannKonservatorium gründet und bis 1945 im nationalsozialistischen Sinn tätig ist. Einen Tag nach der Aufführung schreibt Christiane an Münchhausen: „Ich bin so betrübt, daß Du nicht gekommen bist, und außerdem bin ich bös auf Bassianos, daß sie Dich nicht eingeladen haben, das hat mich direkt geärgert. [...] Es hatte eher Erfolg, besonders anfangs, am Schluß waren die Leute etwas ermüdet. Roffredo sehr süß, wie immer, wogegen Marguerite einen manchmal mit ihren ewigen Commerce affairen etwas langweilt“ (Christiane-Münchhausen, S. 107). 5 Paul Valéry, Oraison funèbre d’une fable; in: Commerce X. Hiver 1926, S. 137-142. 6 Paul Valéry, Au sujet des Lettres Persanes; in: Commerce VIII. Été 1926, S. 7-27.

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86.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Menton, Dec. 2nd <19271>

Bien cher Ami

J’ai tout-à-fait honte de ce long silence et de ne pas avoir remercier du petit livre qui contient de si grandes et profondes pensées2 – Mais je le fait maintenant de tout cœur et je vous prie de me pardonner et de me le prouver en m’écrivant très vite – J’ai si envie de vos nouvelles – Il y a une éternité que je ne sais rien de vous et des vôtres – Christiane devait m’envoyer son adresse de Heidelberg mais elle ne l’a fait – Voudriez-vous me la donner? Je serais si heureuse si jamais elle voulait venir ici nous faire une visite – Et vous? Quels sont vos projets pour cet hiver? Nous serions si heureux de vous voir aussi. Je n’ai pas encore envoyé les deux exemplaires à Eliot et à Groeth – Groeth viendra ici dans quelques jours pas chez nous mais pour rester à Menton pendant un mois ou plus j’espère et je pensais toujours voir Eliot3 – Mais maintenant je les lui expédierai – Nous avons mauvais temps comme partout mais certainement moins qu’ailleurs et bien moins froid – Aujourd’hui par ex. il fait 15 degrés! Pas mal pour le 2 Déc. Nous espérons toujours autre chose pour „Hypatia“ mais pour le moment ce ne sont que des espérances – En tous les cas nous irons sûrement à Vienne pour le festival au mois de Juin4 – Ça sera trop amusant –

Je vous fait envoyer le Discours de Valéry5 – Pardon de ne pas l’avoir fait plus tôt –

Ne croyez-vous pas que6 pourriez demander un drame à Mell pour Commerce?

Je l’admire beaucoup – S’il pouvait nous donner une chose inédite – Voulez-vous voir? Le dernier volume de votre revue7 était très beau – Ne lisez pas le Péret – dans le dernier Commerce8 – cela vous horripilera – Maintenant vous le lirez sûrement! C’est du nonsense écrit par un poète avec beaucoup de brio mais shocking – pour l’Académie Française! –

Que de choses je voudrais vous dire –

Mille bons souvenirs à votre femme et à vos fils s’ils sont avec vous et mes amitiés très affectueuses pour vous-même

Marguerite de Bassiano

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86. <Freitag>. FDH. Aufdruck: Villa Feuillée / Boulevard de Garavan / Menton – Garavan. 1 Marguerite Caetani hält sich seit November 1927 in Menton (Mentone) im Département Alpes-Maritimes an der Côte d’Azur in der Region Provence-Alpes-Côte d‘Azur auf (vgl. Jean Paulhan – Giuseppe Ungaretti, Correspondance [wie B 32, Anm. 3], S. 120; 135) und bewohnt dort die „Villa Feuillée“. 2 Es handelt sich bei diesem „petit livre“ um die vielbeachtete Münchner Rede Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation vom 10. Januar 1927 (vgl. B 82, Anm. 3). Sie war nach dem Erstdruck in der Neuen Rundschau (28. Jg., Heft 7, Juli 1927, S. 11-26) als Sonderveröffentlichung der Neuen Deutschen Beiträge Ende Oktober 1927 im Verlag der Bremer Presse in Buchform erschienen. Am 23. Oktober hatte Hofmannsthal von Willy Wiegand „etwa 40 broschierte Exemplare“ erbeten, um sie „an einen größeren Kreis mir geistig verbundener Männer“ senden zu können. Unter den Adressaten, die er in seinen Briefen vom 23. Oktober und 3. November namentlich anführt, fehlen sowohl Marguerite Caetani als auch Eliot oder Groethuysen (Hofmannsthal-Wiegand, S. 175f.). Die Bestandslisten der Bibliothek Caetani verzeichnen das Buch nicht. 3 Diesbezügliche Briefe Groethuysens sind nicht überliefert. 4 Vermutlich das einwöchige „10. Deutsche Sängerbundesfest“, das am 19. Juli 1928 in Wien eröffnet wird (vgl. B 267 mit Anm. 4). Die Neue Freie Presse hatte bereits in ihrem Leitartikel vom 2. Juli angekündigt, daß „hunderttausend Menschen [...] aus Deutschland und aus Amerika nach Wien kommen werden, um durch große musikalische Darbietungen Schubert zu ehren“, dessen Todestag sich am 19. November 1928 zum 100mal jährt. 5 Paul Valéry, Discours de réception à l’Académie française. Paris 1927. Valéry hatte diese Dankesrede bei seiner Aufnahme in die Académie am 23. Juni 1927 gehalten, als Remerciement à l’Académie française 1938 aufgenommen in Variété IV. 6 Zu ergänzen: vous. 7 Neue Deutsche Beiträge. Zweite Folge. Drittes Heft, August 1927. Mit diesem Heft wird die Zeitschrift eingestellt. Es enthält u.a. Alfred Brusts Südsee-Spiel, Carl J. Burckhardts Die Episode Randa, Leopold von Andrians Die metaphysische Ständeordnung des Alls (Auszüge) und aus Walter Benjamins Ursprung des deutschen Trauerspiels „den Schluß vom ersten Teil des unveröffentlichten Werkes“ (so S. 136). 8 Benjamin Péret, La Brebis galante (fragments) in: Commerce XIII. Automne 1927, S. 131-170. – Der französische Dichter (1899-1959) hatte sich 1920 den Pariser Dadaisten angeschlossen und 1924 die Surrealistengruppe in Paris mitbegründet. Von 1936 bis 1937 kämpft er im spanischen Bürgerkrieg und flieht 1941 aus Frankreich nach Mexiko, wo er politisch tätig ist und sich mit den Indianerkulturen Mittelamerikas beschäftigt. 1947 kehrt er nach Paris zurück.

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87.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Rodaun 21 décembre 1927.

Une lettre de vous, chère et bonne amie, c’est bien vous toute entière, c’est ce rhythme de vie, de sincérité, de bonté qui anime toute votre existence, c’est un peu de votre présence, bienfaisante et vivifiante. – Vous êtes infiniment bonne de me dire de venir à Menton, auprès de vous. Mais l’année passée, en Sicile, j’ai fait une découverte: c’est que je n’aime pas l’hiver dans le midi – que j’aime un pays comme la Sicile avec la puissance d’un soleil de mai et que, pour l’hiver, j’aime encore mieux mon pays qu’un autre. Cette fois-ci nous avons un vrai hiver: 14-18 degrés sous zéro, de la neige bien blanche, bien sèche, et qui reste – et je suis heureux de dire que, sous ces conditionslà, j’existe agréablement et que je continue de travailler à ma nouvelle pièce, comme j’y ai travaillé depuis septembre1 .

Vers le 20 janvier, je devrai interrompre ce travail pour assister aux répétitions du „Turm“ qui sera joué le 4. février à Munich, Francfort s. Main, Hamburg, Bochum, Bremen et quelques autres villes (mais Vienne et Berlin restent pour l’automne prochain.) Mais je ne me suis pas encore décidé à laquelle de ces premières j’assisterai, mais pour les répétitions je me partagerai entre Munich et Francfort2 .

Je suis donc très content de ce que Groethuyzen3 recevra de vos mains ma conférence de Munich4, parce qu’il pourra vous expliquer beaucoup de choses là-dedans: il a le clef pour tout ceci. En quelque sorte (et en partie) cette conférence est une réponse et5 certains amis anglais, français, italiens qui me posent (ou qui nous posent, à moi et à mes connationaux) ces questions: qui sont maintenant vos auteurs les plus en vue? quels sont vos romanciers représentatifs? quel est l’état actuel de votre littérature? – car toutes ces questions, vis à vis de l’état des choses tel qu’il est chez nous, paraissent saugrenues. Voilà pourquoi j’ai voulu toucher au fond de ces choses. Mais que Groethuyzen, après avoir lu, et s’il trouve le temps, m’écrive quelques lignes! Je voudrais beaucoup et ainsi pour toutes les personnes que j’estime, et j’ai reçu un grand nombre de lettres, et en partie très sérieuses et très intelligentes6 .

Mon ami Max Mell me prie de vous remercier chaleureusement. Il ne croit pas, pour le moment, avoir rien qu’il puisse vous offrir pour Commerce – mais il compte justement écrire certains dialogues dont il vous enverra le premier en manuscrit7 .

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 161

Christiane vous aura certainement écrit meanwhile (comment dit on meanwhile en français?) – Elle arrive, à Heidelberg, à unir ces deux choses: de travailler énormément et de s’amuser8. Elle tire vraiment un grand bien, pour elle, de l’existence de ces universités allemandes. Elle viendra nous voir entre Noël et le Nouvel An.

Je pense à vous, à Don Roffredo, et aux enfants, avec l’amitié la plus sincère et la plus intense.

Hofmannsthal

87. <Mittwoch>. FCC. 1 Bei der Arbeit handelt es sich um das unvollendet gebliebene Chinesische Trauerspiel, das ab Dezember 1927 unter dem Titel Die Kinder des Hauses weitergeführt wird; vgl. HSW XIX Dramen 17, S. 231-294, 467-470; siehe auch B 224 mit Anm. 4. 2 Diese Städte hatte Hofmannsthal am 12. Oktober 1927 auch seinem Sohn Raimund genannt: „Den ‚Turm’ lasse ich Ende Jänner zunächst in Frankfurt, München, Hamburg, Bochum, Bremen spielen (vermutlich an einem Abend) – Berlin und Wien erst später“ (Hofmannsthal-Blätter 12. 1974, S. 366 = Hirsch, S. 520). Allerdings ist der Plan einer gleichzeitigen Erstaufführung an diesen Orten nicht zu verwirklichen. Da die Frankfurter Premiere verschoben wird (Hofmannsthal an Christiane, 29.1.1928: Christiane, Tagebücher, S. 165), bleibt es bei den Erstaufführungen vom 4. Februar 1928 am Münchner Prinzregententheater, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und am Stadttheater Würzburg; über Bremen und Bochum liegen keine Informationen vor. Hofmannsthal reist am 23. Januar zu den Proben nach München, wo das Stück einen „Achtungserfolg“ erringt, den er als „eine erstklassige Vorstellung für ein Theater zweiten Ranges“ beurteilt (Erika Brecht, Erinnerungen an Hugo von Hofmannsthal. Innsbruck 1946, S. 24). Aufführungen in Berlin oder am Burgtheater kommen zu Lebzeiten Hofmannsthals nicht zustande; vgl. insgesamt HSW XVI.2 Dramen 14.2, S. 255-258; sowie Günther Erken, Hofmannsthal auf den deutschsprachigen Bühnen seit 1945; in: Hofmannsthal-Blätter 1. 1968, S. 38f. 3 Lies: Groethuysen. Offenbar schreibt Hofmannsthal den Namen hier wie wenige Zeilen später nach dem Gehör. Marguerite Caetani hatte Groethuysen in ihrem vorangehenden Brief vom 2. Dezember 1927 (B 86) mit der unter Freunden üblichen Abkürzung ‚Groeth’ angeführt. 4 Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation; vgl. oben B 86, Anm. 2. 5 Lies: à. 6 Vgl. entsprechende Briefe Otto von Taubes (Hofmannsthal-Taube, S. 216-220) oder Max Mells, der feststellt: „Ich halte die Rede für wahrhaft bedeutend. Die schöne Ausgabe der Bremer Presse war notwendig, die muß zugänglich sein wie ein Tizian oder ein Rembrandt, der das Auge sehen lehrt“ (Hofmannsthal-Mell, S. 209f.). 7 Hofmannsthal hatte Marguerite Caetanis Wunsch wohl am 16. Dezember 1927 bei einem Besuch Max Mells in Rodaun (vgl. Hofmannsthal-Mell, S. 210) vorgetragen. Die geplanten „Dialoge“ kann Mell allerdings nicht liefern; vielmehr muß er am 30. August 1928 bekennen, er sei mit seinen „dramatischen Plänen“ „in letzter Zeit nicht recht weitergekommen“ (ebenda, S. 217). Commerce veröffentlicht keinen Beitrag von Mell. 8 Christiane von Hofmannsthal war Ende Oktober 1927 zum Wintersemester nach Heidelberg zurückgekehrt und hatte dort „eine sehr nette Wohnung“ in der ‚Anlage 54’ gefunden (Christiane-Münchhausen, S. 113).

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88.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Rodaun 28 V <1928>

très chère Amie quelle très grande joie de vous revoir, vous et Don Roffredo1 . Mais pour le moment je suis un peu inquiet pour cette question de l’hôtel. Il y a un hôtel très agréable, très bien situé, sur le fleuve, c’est le Bellevue2 . Mais auront-ils des chambres libres? J’en doute malheureusesement! Jenny de Margerie vient de m’écrire qu’elle n’a pas pu avoir des chambres, et que pour cela elle n’arrive que pour la seconde (où je ne serai plus.) J’ai retenu mes chambres dès le mois de mars. Un autre hôtel, beaucoup moins agréable, s’appelle Europe. (Mais il est propre aussi.)3 Mais peut-être auront-ils des chambres libres au Bellevue au dernier moment?! Télégraphiez au Bellevue qu’ils vous placent chez eux ou ailleurs, avec r.p.4

Quant aux choix de Christiane5 j’en suis très heureux, infiniment plus content que si cela avait été M.6 par exemple. Cet homme (son fiancé) m’inspire une confiance absolue, il est très-intelligent, et d’une constante humeur excellente7 .

Je me réjouis de tout cœur de vous revoir bientôt. Ne venez pas au dernier moment!

Bien sincèrement à vous

Hofmannsthal

88. <Montag>. FCC. 1 Offenbar hatte Marguerite Caetani im vorangehenden – verlorenen – Brief angekündigt, zur Uraufführung der Ägyptischen Helena am 6. Juni 1928 nach Dresden kommen zu wollen. 2 Dieses „angenehme Hotel [...] an der Elbe“ empfiehlt Hofmannsthal auch Theodora von der Mühll; vgl. Hirsch, S. 332. 3 Anders als das Hotel „Bellevue“, ein „Haus ersten Ranges“ am Theaterplatz 1, gibt es in Dresden kein Hotel „Europe“ oder „Europa“; Hofmannsthal dürfte das Hotel „Europahof“ meinen, nahe dem Hauptbahnhof in der Sidonienstraße 9 (vgl. Karl Baedeker, Sachsen. 2. Aufl. Leipzig 1926, S. 4), dessen Namen er wohl mit dem berühmten „Grand Hôtel de l’Europe“ in Salzburg (vgl. B 66, Anm. 5) verwechselt. 4 Die Abkürzung steht im internationalen Postverkehr für: réponse payée = Antwort bezahlt. 5 Mit Blick auf Christianes künftigen Ehemann, den Indologen Heinrich Zimmer (1890-1943), den sie im Sommer 1927 in Heidelberg kennengelernt hatte und bei dem sie im Wintersemester 1927/28 zwei Übungen in Sanskrit belegt. Beide werden am 14. Juni 1928 in Heidelberg heiraten; vgl. B 267 mit Anm. 2.

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 163

6 Da die bloße Initiale „M.“ Marguerite Caetanis Vertrautheit mit der erwähnten Person voraussetzt, ist zweifellos Christianes enger Freund Thankmar von Münchhausen gemeint. Schon im Sommer 1926 hatte dieses Verhältnis zu Vermutungen im Bekanntenkreis geführt. Christiane jedenfalls läßt Münchhausen am 14. Juni 1926 wissen, „Kassner“ solle sich „etwas kopfschüttend über unsere Beziehung geäußert haben, und behauptet, daß die Prinzessin <i.e. Marguerite Caetani> auch seiner Ansicht sei“. Irritiert fügt sie hinzu: „Glaubst Du daß sie mit ihm über so was gesprochen hat?“ (Christiane-Münchhausen, S. 81) 7 Hofmannsthal war dem künftigen Schwiegersohn begegnet, als er nach der Münchner Turm-Premiere das Brautpaar vom 8. bis 11. Februar 1928 in Heidelberg besucht hatte; dabei war er von Heinrich Zimmer, wie Christiane rückblickend berichtet, „ausgesprochen entzückt“, „und umgekehrt desgleichen“ (Christiane-Münchhausen, S. 117). Hofmannsthal selbst hatte am 26. Mai Helene Burckhardt erklärt: „Er gefiel mir außerordentlich. Es ist ein Mann genau so alt wie Carl <J. Burckhardt>, fast genau so groß u. stark (aber nicht so schön!) Er ist unstreitig ein bedeutender Mensch. Dabei sehr heiteren Gemütes, frei und leicht im Verkehr. Ich freue mich über ihre Wahl“ (Die Neue Rundschau 70. 1959, Drittes Heft, S. 395); vgl. auch Hofmannsthals Bemerkungen im Brief vom 22. September 1928: B 90.

89.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Rodaun 28 VII 28.

Finalement, chère amie, j’ai lu tous les contes de D. H. Lawrence dans ce volume The woman who rode away1, qui ne sont pas très forts ni très intéressants, mais je les ai lus tous, uniquement pour un certain plaisir qu’ils me donnaient chacun quand je les commençais – à savoir que quand j’en commençais un, ma mémoire me répétait très exactement le petit geste amical que vous aviez en me donnant ce livre „parce que vous aviez un petit mal de tête“. Vraiment j’ai eu un immense plaisir à vous revoir tous les deux à Dresde et à vous entendre dire qu’un voyage ne vous ennuyait ni ne vous fatiguait et que ce plaisir que en s’offrant cette troisième fois après Weimar et Salzbourg2, pourrait encore se renouveler. Et puis, j’ai pu enfin vous dire combien je vous aimais d’une façon privée – je veux dire en dehors de nos occupations littéraires, les vôtres et les miennes. Et je pense depuis (avec plus d’assurance qu’avant cette rencontre) que ce serait délicieux d’être avec vous et les enfants quelque part à la campagne et que peut-être je pourrais venir en décembre là où vous serez3 .

En septembre, je perds Raymond – il va de nouveau en Amérique4. C’est un ami de tous les jours que je perdrai et je m’habituerai difficilement à ne

164

DIE BRIEFE 1925-1959

plus l’avoir auprès de moi, pendant de longs mois. Mais il doit se faire une existence, et la vaste Amérique (avec, au fond de son cœur, la petite vieille Europe) cela fait son affaire (et, ce qui est mieux, cela ne tarde pas de faire son éducation.) Cette fois, il n’ira pas directement en Californie, mais il restera à l’est pendant plusieurs mois, rayonnant entre New York, Boston, Baltimore, Washington. Entre autres choses, il doit préparer une exposition des livres de la Bremer Presse5. Il a un tas de lettres de récommandation, mais c’est surtout de rencontrer des personnes fines et cultivées qui rendra sa tâche plus facile et plus agréable, et j’ai pensé à votre sœur, ou à une de vos sœurs, dont je garde un souvenir très agréable, pour l’avoir rencontrée une fois chez vous à Versailles6 .

Voudriez-vous bien me donner une ligne d’introduction à elle, pour Raymond – ou cela vous ennuierait-il?7

Nous restons encore ici quinze jours au moins, dans cette vieille maison, adossée à la colline, et qui reste fraîche comme un cave dans les grandes chaleurs de cet été8, et nous attendons Christiane et son mari, qui habiteront notre maison9 jusqu’au Septembre, pendant que nous nous acheminerons vers Salzbourg et Aussee.

Je pense à vous à Don Roffredo et aux enfants dont je suis l’ami inconnu.

Yours most faithfully

Hofmannsthal

89. <Samstag>. FCC. 1 D<avid> H<erbert> Lawrence, The Woman Who Rode Away, and Other Stories. London 1928 (vgl. dazu Kassners Brief an Marguerite Caetani vom 16. November 1928: B 109). Der Band enthält neben der Titelgeschichte elf weitere Erzählungen, die sämtlich zwischen 1924 und 1928 entstanden sind. Weder dieses noch ein anderes Buch von D.H. Lawrence befindet sich in Hofmannsthals Bibliothek. 2 Gemeint sind die Begegnungen bei den Salzburger Festspielen im August 1925 und 1926 sowie bei der Hypatia-Uraufführung in Weimar im Mai 1926. 3 Dieser Gedanke wird nicht verwirklicht. Hofmannsthal hält sich im Dezember 1928 durchgängig in Salzburg, Wien oder Rodaun auf. 4 Raimund von Hofmannsthal tritt seine erneute Reise nach Amerika am 22. September 1928 an (vgl. B 269), und zwar „von Hamburg“ bzw. einen Tag später „von Southampton oder Cherbourg“ (Hofmannsthal-Burckhardt, S. 270, 272: 11.8. und 10. 9. 1928). Der Vater schreibt ihm am 25. Oktober 1928: „Deine drei Briefe, vom 9., 12. und vorher vom Schiff haben uns eine sehr große Freunde gemacht. Seit wir so viel gesprochen haben, ist Dein dortiger Versuch für mich etwas Interessantes, und Freudiges. Ob Du dort materiell etwas erreichst – das lasse ich ganz in der Schwebe. Es tritt zurück, weil sich Dir dort das Leben in seiner ganzen Breite aufgeschlossen hat. Eine solche Schule hätte das so viel reizendere Europa Dir nie bieten können, – ja dieses Nichteuropa ist es, das Dir Europa für immer

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 165

aufschließen wird. [...] Das Andere nimm wie es kommt, ohne Ungeduld“ (HofmannsthalBlätter 12. 1974, S. 367 = Hirsch, S. 520f.). 5 Auf Vorschlag Willy Wiegands hatte sich Raimund bereit erklärt, die Bremer Presse in den Vereinigten Staaten bekannt zu machen. In diesem Sinne hatte Hofmannsthal Wiegand schon am 4. April 1928 erklärt, Raimund stehe „dem Amerikanischen Project sehr interessiert gegenüber und es scheint mir wirklich, daß er die Interessen der Bremer Presse dort sehr gut vertreten könnte, soweit es sich um Bekanntmachen des Unternehmens handelt“. Nach Raimunds Ankunft in New York berichtet Hofmannsthal am 23. Oktober, der Sohn sehe „von dort aus die Chancen in der Büchersache hoffnungsvoller als von Europa“, warte aber auf „Prospecte und Probedrucke [...] ohne die er nicht anfangen könne“. Seine Bemühung führen schließlich zu einer umfassenden Ausstellung aller deutschen Pressen im New Yorker Grolier-Club, die Wiegand im April 1929 mit einem Vortrag eröffnen wird. Anschließend geht die Ausstellung nach Boston, Philadelphia und in andere amerikanische Städte (Hofmannsthal-Wiegand, S. 180f. mit Anm. 335). 6 Marguerite Caetanis jüngere (Halb-)Schwester, die Lyrikerin und Schriftstellerin Katherine Garrison Chapin (1890-1977), seit 1918 verheiratet mit dem Juristen Francis Beverley Biddle (1886-1968; vgl. B 220, Anm. 2). – Marguerite Caetanis zweite (Halb-) Schwester Cornelia Chapin (1893-1972) gilt als eine der bedeutendsten amerikanischen Bildhauerinnen des zwanzigsten Jahrhunderts. 7 Vgl. Christianes Brief an Marguerite Caetani vom 6. September 1928: B 269. 8 Hofmannsthals Wohnsitz, das barocke „Fuchsschlössel“ in Rodaun, Badgasse 2 (jetzt: Ketzergasse 471), das er im Frühjahr 1901 – noch vor seine Hochzeit am 8. Juni – gemietet hatte und bis zum Tod am 15. Juli 1929 bewohnen wird. Dem Freund Eberhard von Bodenhausen hatte er es am 16. März 1901 mit den Worten geschildert: „Das Schönste ist, daß wir ein unglaubliches kleines Haus auf dem Land gefunden haben, zwanzig Minuten (Eisenbahn) von Wien, in dem wir Sommer und Winter wohnen werden. Es ist zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia von einem Fürsten Trautsohn, der ein Schwarzkünstler gewesen sein soll, für seine Geliebte gebaut worden. Es ist nicht größer wie ein Bauernhaus, hat ein wunderschön geformtes altes Schindeldach, einen großen grünen Salon mit bemalten Wänden, und einen tiefen, in den schwarzen Felsen gewölbten Keller. / Der Garten, voller alter Obstbäume, geht steil den Berg hinauf, oben tritt man durch ein kleines Gartenpförtchen auf einen gepflasterten freien Platz, auf dem Gras wächst; dort steht eine ganz kleine Kirche, und in der werden wir heirathen“ (Hofmannsthal-Bodenhausen, S. 16f.). Roffredo Caetani kennt das „small country house in Rodaun“, seit er dort am 6. Mai 1925 zum Lunch geladen war (vgl. oben S. 165). Der Überlieferung nach wurde das Haus um 1724 als Jagdschlößchen für einen geistlichen Fürsten Trautson errichtet, vermutlich Veit Euseb Trautson (1684-1750), einen Sohn des Fürsten Johann Leopold Trautson (1659-1724). Nach dessen Tod hat, laut mündlicher Überlieferung, Kaiserin Maria Theresia das Schlößchen für ihre schon bejahrte Erzieherin, auch Erzieherin ihrer Kinder, und Obersthofmeisterin, die Gräfin Maria Karoline Fuchs (1681-1754) erworben. Seither heißt das Haus „Fuchsschlössel“. Von den beiden Töchtern der Gräfin kaufte um 1794 die Familie der Barone von Czedik-Eysenberg den Besitz. Die Kunde vom „Schwarzkünstler“ mag auf den im benachbarten Rodauner Badhaus experimentierenden bekannten Alchimisten Friedrich Sehfeld zurückgehen; vgl. Herta Staub, Die Rodauner Scene. Forschungen und Hinweise; in: Hofmannsthal-Blätter 6. 1971, S. 427-433, mit Abbildungen. 9 Christiane und Heinrich Zimmer treffen Ende Juli in Rodaun ein. Hofmannsthal berichtet Carl J. Burckhardt am 11. August 1928: „Christiane und ihr Mann sind nun seit zwei Wochen unsere Hausgenossen, und es ist nicht zu sagen, in welcher angenehmen und

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DIE BRIEFE 1925-1959

leichten Weise sich dies vollzieht“ (Hofmannsthal-Burckhardt, S. 270). Er selbst begibt sich am 17. August nach Salzburg zu den am 26. Juli eröffneten Festspielen und wohnt dort am folgenden Tag der Premiere von Mozarts Zauberflöte unter Franz Schalk bei. Am 4. September fährt er weiter nach Bad Aussee.

90.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Bad Aussee, ce 22 septembre <1928>

J’écris en grande hâte, chère amie, et avant tout je vous prie de m’excuser de ne pas vous avoir répondu tout de suite mais par une maladresse étrange j’avais égaré votre lettre avant de l’avoir lue! mais on l’a retrouvée à Salzbourg avec certains de mes manuscrits que j’avais aussi égarés.

Donc, naturellement j’écrirai cette préface1. Je ne pourrais pas ne pas le faire; je le fais pour vous, pour Léger, et pour Groethuyzen – je suis donc trois fois tenu à le faire.

Mais je ne peux écrire cette introduction sans avoir eu, pendant plusieurs jours, devant moi une copie du manuscrit de la traduction. Je dois me familiariser avec l’objet de ma petite introduction.

En outre, si jamais quelque chose de bien, quelque appréciation sérieuse de Léger a paru en France, veuillez me le faire envoyer, et aussi, si possible, le volume de Valéry (Variété) qui contient sa belle préface sur la poésie symboliste2 . (J’ai Variété à Rodaun, mais la maison est fermée, et ma bibliothèque surtout.)

Christiane est ici avec son mari3. Cet homme est très intelligent, entièrement libre de toute sorte de vanité, et foncièrement bon. Il inspire une confiance illimitée. Il est ce qu’il y a de plus différent du type français – mais il aime beaucoup la France. Je crois qu’elle est très heureuse.

Je pense à vous avec une grande amitié tout à fait en dehors de ‚littérature‘. Hofmannsthal

P.S.4 J’avertirai Kippenberg qu’il doit attendre la préface5 . Et merci mille fois pour les lettres pour Raymond!

90. <Samstag>. FCC. Handschriftlich: Bad Aussee, Autriche. 1 Marguerite Caetanis diesbezügliche Bitte ist nicht überliefert; jedoch läßt Bernhard Groethuysen Anton Kippenberg am 24. September 1928 wissen, die Prinzessin habe sich

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 167

– „auf mein Anraten“ – mit einem solchen Wunsch an Hofmannsthal gewandt; vgl. unten B 209. 2 Offenkundig ein Gedächtnisirrtum Hofmannsthals: In Paul Valérys Variété (Paris 1924; eine zweite Auflage „édition revue et corrigée par l’auteur et augmentée d’un chapitre inédit“ erscheint 1926) ist kein entsprechender Aufsatz enthalten. 3 Christiane und Heinrich Zimmer waren von Rodaun für eine Woche nach St. Gilgen und anschließend in der ersten Septemberwoche nach Bad Aussee gefahren, wo sie im Café Loitzl logieren. Am 11. September berichtet Christiane im Brief an Münchhausen: „[...] jetzt sind wir seit ein paar Tagen im Loitzl [...] installiert, wo es sehr gemütlich ist. Nur gibt’s bissl zu viel Bekannte, und alle sind neugierg, den Indo zu sehen. – / Ich bin weiter ebenso begeistert von der Ehe wie bisher u. er ist auch ganz zufrieden, ich schreib alle Kochrecepte der Familie ab und hoffe auf gute Wirtschaft in Heidelberg. / Wir bleiben bis ca 6. Oktober hier, dann bis 15ten Wien, dann Umzug und Heidelberg“ (ChristianeMünchhausen, S. 122). 4 Aus Platzmangel hat Hofmannsthal das „P.S.“ am Kopf und am linken Rand der ersten Seite festgehalten. 5 Hofmannsthal wird sich erst am 4. November, nachdem er das erbetene Manuskript der Übersetzung erhalten hat, an Anton Kippenberg wenden; vgl. B 93, Anm. 1.

91.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Bad Aussee, ce 5 octobre <1928>

très chère Amie, est-ce que ma lettre se serait égarée? C’est que vous aviez dit que vous quitteriez la mer „vers la fin“ septembre – et j’ai donc cru plus prudent d’adresser ma lettre à Versailles.

Dans cette lettre, je vous ai prié de me faire envoyer la version de Groethuyzen et, si possible, un article sur les œuvres de Léger, s’il existe quelque chose de sérieux, une vraie appréciation de son œuvre poétique. Voilà.

Bien des pensées amicales et devouées.

Hofmannsthal

91. <Freitag>. FCC. Wie B 90.

168

DIE BRIEFE 1925-1959

92.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

<Versailles,> le 15 Oct. <1928>

Bien cher Ami,

Aussitôt que j’ai reçu votre si charmante et gentille lettre je vous ai télegraphié mes remerciements avec l’intention de vous écrire dans un jour ou deux – J’ai toujours attendu pour la raison que je vais vous expliquer maintenant – Entre parenthèse je n’ai jamais compris pourquoi vous m’avez écrit un petit mot disant que peutêtre je n’avais pas reçu votre lettre!

Une copie de la traduction d’„Anabase“ part aujourd’hui ou demain à destination de Bad Aussee1 – Groeth voulait encore la revoir et c’est pour cela que vous ne l’avez pas encore reçue –

Maintenant pour ce qui a été écrit sur Léger mème par le cher Larbaud2 tout est si stupide and inadequate et pas ça du tout que ça serait inutile et mème peutêtre mauvais de vous l’envoyer – Alors puisque Groeth doit le voir ces jours-ci pour lui parler de quelques points douteux dans la traduction nous avons imaginé Groeth et moi de faire parler un peu Léger sur la poésie<.> La poésie ce que Groeth désire beaucoup pour lui-mème et alors il vous écrira immédiatement le résultat si notre complot réussit! –

Il a fallu attendre tous ces jours ci car Léger a été terriblement surmené avec toute cette affaire du document détourné. J’espère sûrement que cette semaine Groeth arrivera à le voir – Nous sommes ici à Versailles depuis le 1er Oct. et Roffredo est parti presque aussitôt pour Rome – pour la villa3 – En ce moment il est à Cannes a nous chercher une Villa pour cet hiver4 où nous vivrons bientôt – dans une semaine ou deux – un peu après le temps qu’il fait – J’espère que nous aurons un petit voilier à nous cet hiver – Pour Hypatia je ne sais rien de précis excepté Chemnitz5 mais aussitôt que quelque chose se décide ailleurs je vous le ferai savoir –

Mes très affectueuses Amities et remerciements bien sincères Marguerite di Bassiano

92. <Montag>. FDH. Handschriftlich: Villa Romaine; Bleistift. 1 Zum Verbleib des Manuskriptes bemerkt eine redaktionelle Notiz zur Erstpublikation in: Das Lot. Viertes Buch. Berlin 1950, S. 60-74 (vollständig zitiert in Zu ‚Anabase’: B 218, Anm. 2): „Erst 1948 wurde in Zürich unter der Hinterlassenschaft von Hugo von Hofmannsthal ein vergessener Koffer mit einer Manuskriptabschrift gefunden“. In Saint-

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 169

John Perse, Œuvres complètes, S. 1352f., heißt es ausführlicher: „Toutes traces du manuscrit de Benjamin et Groethuysen semblaient définitivement perdues, quand, en 1948, une copie en fut retrouvée dans une valise d’effets personnels laissée à Zurich par Hugo von Hofmannshal, peu avant sa mort. Le manuscrit fut communiqué par ses héritiers à Theodor W. Adorno, philosophe et sociologue allemand de Francfort-sur-le-Main, réfugié alors aux Etats-Unis et chargé de l’édition des œuvres inédites de Walter Benjamin, son ami. Ce manuscrit fut finalement confié par Adorno à l’écrivain de langue allemande Herbert Steiner […]. Steiner accepta de réviser lui-même et compléter le texte du manuscrit en question pour sa publication, en octobre 1950, dans la revue littéraire Das Lot […]“. – Zum Typoskript, das Marguerite Caetani am 13. Oktober 1926 an Rilke geschickt hatte, vgl. B 57, Anm. 2. 2 Valery Larbaud hatte zur russischen Übertragung der Anabase ein Vorwort geschrieben, das – nach einem Vorabdruck in der Nouvelle Revue Française (Nr. 148, 1. Januar 1926) – im Rahmen dieser russischen Ausgabe (Paris 1926) erschienen war; vgl. oben B 36 mit Anm. 1 und 2. 3 Die „Villa Caetani“ in Rom, Vicolo Tre Madonne; vgl. dazu B 94, Anm. 2. 4 Wie Marguerite Caetanis Adresse in ihrem folgenden Brief (B 94) zeigt, entscheidet sich die Familie für die „Villa Caldana“ in La Californie, einem Stadtteil von Cannes. 5 Roffredo Caetani hatte Kontakt zum Theater in Chemnitz und seinem Generalmusikdirektor Oscar Malata (1875-1959) aufgenommen. Laut einer kurzen Nachricht Malatas vom 27. Juni 1928 an Roffredo Caetani (FCC) läßt sich eine dortige Aufführung nicht verwirklichen.

93.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Bad Aussee 23 octobre 1928.

chère Amie j’ai bien reçu la traduction, mais j’attends d’un jour à l’autre les notes de Léger sur sa poésie, et avec grande impatience! Il me faut cela, il me faut quelque chose pour m’appuier dessus. Et puis – vos yeux ont peut-être glissé sur ces mots dans ma lettre – il me faut absolument l’original.

Si l’édition est épuisée envoyez-moi votre exemplaire, je vous le renverrai tout de suite – mais c’est impossible d’écrire sur un poème sans l’avoir devant soi, la chose elle-même, pas l’ombre défigureé qu’est toute traduction.

Il faut que je subisse la magie des mots, des rhythmes, la couleur des syllabes – je ne peux pourtant pas écrire de mémoire sur une chose unique et magique! Et la traduction ne m’aide pas, elle me paralyse plutôt, quoiqu’elle soit d’un être délicieux que j’aime beaucoup mais il n’a aucune idée de ce

170

DIE BRIEFE 1925-1959

que c’est une ligne de poésie en allemand1. Aussi sont-ce là des difficultés infernales et que, moi, je juge insurmontables.

Mais faites que je reçoive l’original et les observations de L!

Fidèlement à vous

Hofmannsthal

93. <Dienstag>. FCC. 1 Hofmannsthal wird am 4. November Anton Kippenberg mitteilen: „Die Prinzessin Bassiano hat mich freundschaftlich dringend gebeten für einen Druck von St. Legers ‚Anabasis’ eine Einführung zu schreiben. Wenn ich recht verstehe, erscheint dieser Druck bei Ihnen. Darf ich hierüber eine Frage stellen? Soll nur die deutsche Übersetzung, die mir vorliegt gedruckt werden oder, wie mir weit glücklicher erschiene gegenüber der französische Text. Eine Übersetzung eines solchen Gedichtes ist unmöglich; nie ist ein Gedicht von Mallarmé wirklich übertragen worden, nie auch trotz so vieler Bemühungen eines von Baudelaire. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein besonders dunkles Gedicht, um einen magischen Zusammenhang von Rhythmus und Silben, um die Gewinnung einer ganz anderen Ebene, als der auf welche das herkömmliche französische Gedicht projiciert ist. Die Übersetzung kann in diesem Fall nur als ein sehr gewissenhaftes Referat über den Inhalt gelten“. Diese Auffassung wiederholt Hofmannsthal am Schluß seiner Vorrede zur Anabasis: „Ich spreche von dem Original des Herrn St.-J. Perse, nicht von der Übersetzung. Ein Werk dieser Art ist schlechthin unübersetzbar. Auch Baudelaire ist nie übersetzt worden, trotz sich immer wiederholender Versuche. Die Übersetzung kann in solchen Fällen keine andere Rolle spielen als die eines sehr genauen, gewissenhaften Referates. Immerhin bleibt eine gewisse Faszination in der Ordnung des Inhalts über: sonst wäre es nicht erklärlich, daß uns die Übersetzung chinesischer Gedichte fesseln und entzücken können. Übersetzungen ins Englische und Deutsche, die nicht einmal nach dem Original, sondern nach lateinischen Transkriptionen hergestellt sind“. (HGW RuA III, S. 146) Umgehend erklärt sich Kippenberg mit einer zweisprachigen Ausgabe einverstanden und fügt hinzu: „Daß Sie, dem Wunsche der Prinzessin Bassiano folgend, eine Einführung zu der Ausgabe schreiben werden, ist mir natürlich höchst erfreulich“. Am 7. Dezember bittet Hofmannsthal, unter dem Vorbehalt, er „stehe doch der Sache ‚Anabase’ zu fern“, den Verleger: „Da ich aber einmal eine einführende Seite versprochen habe und sehr viel Arbeit vor mir sehe, also disponieren muß, so bitte ich sehr, schreiben Sie mir recht umgehend eine kurze Zeile nach Rodaun wann Sie den Druck herausbringen wollen, damit ich Sie nicht aufhalte“. Drei Tage später versichert Kippenberg in seinem letzten Brief vor Hofmannsthals Tod, daß „der ‚Anabase’ wohl vor dem Februar nicht erscheinen wird. Wenn ich also die einführende Seite etwa bis Mitte Januar von Ihnen bekomme, so ist es früh genug“ (Hofmannsthal-Insel, Sp. 1037-1040). Hofmannsthals Text wird separat gedruckt unter dem Titel Einige Worte als Vorrede zu St.-John Perse ‚Anabasis’ in: Neue Schweizer Rundschau. 22. Jg. von Wissen und Leben. Heft 5, Mai 1929, S. 326-328. Die beigefügte Fußnote: „Die deutsche Ausgabe der ‚Anabasis’ erscheint im Insel-Verlag, Leipzig“, erweist sich als voreilig, da die Veröffentlichung auf Wunsch von St.-John Perse schließlich unterbleibt. Zum späteren Druck des ins Französische übersetzten Hofmannsthal-Textes vgl. B 94, Anm. 3.

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 171

94.

Marguerite Caetani an Hofmannsthal

Cannes, le 19 Mars <1929>

Très cher Ami

J’ai attendu si longtemps pour vous parler de votre belle Préface parceque je voulais voir d’abord Léger (du reste il vous écrira lui-même –) Il m’a dit qu’il ne voit pas un Français capable d‘écrire sur la poésie Française aussi admirablement que ça – Il est tout-à-fait heureux de ce que vous avez dit – Merci de ma part mille et mille fois – Je savais bien qu’il n’y avait que vous pour faire une chose si difficile de la façon la plus admirable –

Quelle joie le bébé de Christiane et que tout est bien passé – Je suis si impatiente de la voir avec son bébé et son mari –

Malheureusement – There is nothing doing cette année pour „Hypatia“ mais des espoirs et plus pour l’année prochaine –

Ne viendrez vous pas à la Villa Romaine nous faire une petite visite? Comme cela serait bien – Mais vous êtes un homme si occupé! – Nous rentrons à Versailles à Pâques – J’aimerais tant avoir vos nouvelles et savoir un peu à quoi vous travaillez en ce moment – Il y a si longtemps que vous ne m’avez pas envoyé une de vos lettres que j’aime tant recevoir – Il y a ici une de vos grandes admiratrices, Madame de Margerie1 Mais je la vois pour ainsi dire pas.

Cet hiver je n’ai vu personne. J’ai été presque toujours seule avec les enfants et nous avons lu énormement ensemble – Roffredo a voyagé presque continuellement entre Versailles et Rome à cause de la Villa à Rome que nous construisons2 et des travaux qu’on faisait à Versailles –

Mes bien affectueuses Amitiés

Marguerite de Bassiano Je pense que Paulhan serait bien content de publier votre préface dans sa revue3 –

94. <Dienstag>. FDH. Handschriftlich: Villa Caldana / La Californie / Cannes / (A.M). 1 Siehe B 76, Anm. 3. 2 Gemeint ist die „Villa Caetani“ bzw. „Villa Tre Madonne“ in Rom, Vicolo Tre Madonne. Roffredo Caetani hatte das Anwesen, seit 1735 im Besitz der Familie Ginnasi, 1924 erworben (vgl. seine Briefe an Marguerite Caetani vom 29. November und 16. Dezember 1924: FCC) und war nach langen Vorbereitungen am 10. März 1927 von Paris nach Rom gefahren, „to lay the corner-stone of our villa“ (so Marguerite Caetani an Paul

172

DIE BRIEFE 1925-1959

Valéry, 9. März 1927: FCC). Mit ihrem Bau hatte er den bekannten Architekten Carlo Broggi (1881-1968) beauftragt. In der Folge wohnen Marguerite und Roffredo Caetani wechselweise hier und in Versailles, bis sie infolge der Weltwirtschaftskrise die dortige „Villa Romaine“ zum Januar 1933 aufgeben müssen. 1934 wird auch die römische Villa verkauft, als die Caetanis, nach dem Tod von Roffredos Mutter Ada, geb. Bootle-Wilbraham aus dem Haus der Earls of Latham (1846-1934), mit den Kindern in den „Palazzo Caetani“ in der Via delle Botteghe Oscure 32 ziehen. Vom damaligen Käufer Lord Berkeley geht die „Villa Caetani“ später an den belgischen Staat, dem sie als Sitz seiner Botschaft am Heiligen Stuhl dient. Anstelle der „Villa Romaine“ in Versailles wird sich Marguerite Caetani in Paris, 4 rue du Cirque, ein Appartement einrichten, das sie bis 1957 beibehält. 3 Hofmannsthals ins Französische übertragene Einleitung zur Anabase wird nicht in der Nouvelle Revue Française, sondern postum in Commerce XX. Été 1929, S. 5-11, gedruckt, unter dem Titel Émancipation du lyrisme français. Eine Note merkt an: „Ces pages inédits, et qui témoignent du profond intérêt porté par Hofmannsthal à l’évolution du lyrisme français, ont été écrites à Vienne, peu de temps avant la mort du poète“. Zur Übertragung heißt es im Commerce-Index, S. 22: „traduit de l’allemand par l’auteur; revu par Alexis Léger“ – eine Angabe, die sich, was Hofmannsthal angeht, nicht bestätigen läßt. Vielmehr dürfte Saint-John Perse den Text ins Französische gebracht haben.

95.

Hofmannsthal an Marguerite Caetani

Rodaun, ce 12 Avril 1929.

chère et bonne amie, je suis heureux d’avoir retrouvé votre lettre du 19 mars, elle s’était égarée et je ne l’avais pas lue, maintenant elle est là (elle était dans un coffre) je la lis et je suis tout pénétré de sentiment et du sympathie et du plaisir de vous avoir pu faire du plaisir avec cette pauvre préface – j’étais si vexé en l’écrivant: comment expliquer un phénomène purement littéraire à un public qui ne s‘intéresse nullement à la littérature comme le public allemand et comment sortir de ce duel des deux hobbies, votre hobby étant la traduction et le mien: l’impossibilité de la traduction – et par dessus le marché l’ennui de ne pouvoir louer cette traduction, et la peur de blesser cet être charmant Groethuyzen que j’aime tant1. – (C’est précisement cette difficulté qui m’a fait envoyer la chose directement à lui.) – Vous dites que je suis un „homme occupé“ – mais non, chère et bonne amie, ces mots s’appliquent très mal à moi, je suis un homme qui travaille peu, qui s’est un peu trop détaché de ses propres hobbies et des hobbies des autres – (c’est un peu dangereux de s’en détacher à ce point, et je ne suis peut-être pas encore assez vieux pour le

MARGUERITE CAETANI UND HUGO VON HOFMANNSTHAL (1925-1929) 173

faire) – qui se fait des soucis de père de famille etc. etc – non, chère amie, ne parlez pas de moi comme si j’étais un académicien, je suis un animal d’une autre race et très peu convaincu de l’importance de mon existence.

Vers la fin de janvier, pendant que Gerty se rendait à Heidelberg pour rester auprès de Christiane, je me suis transporté chez Carl Burckhardt qui habite une petite maison de campagne près de Bâle2, et j’avais cette idée: le bébé va naître (ce qu’il a fait très gentillement, le 10 février3) – il va devenir printemps dans dix ou quinze jours et peut-être, par Genève – Marseille je pourrais aller trouver ces amis à Cannes. Dix ou quinze jours plus tard, nous étions à 32 degrés de froid, les pauvres bêtes tombaient raides-mortes dans la forêt4, les tsiganes jetaient leurs enfants au feu pour se chauffer, les loups entraient dans les villages de la Grèce, et j’entrais dans un état de hébétement moral et physique, d’où une grippe prolongée et de formes variée ne m’a certainement pas fair sortir, mais y entrer plus profondément.

Je me suis porté comme un chien ces 8-10 semaines depuis la fin de février5, et j’ai un grand secours à demander au soleil du printemps.

Je vous prie de me croire, malgré la diversité des hobbies, d’un de vos amis les plus devoués et je pense à Don Roffredo avec la plus grande amitié du monde.

Hofmannsthal6

95. <Freitag>. FCC. Handschriftlich: Rodaun bei Wien. 1 Die kritischen Gedanken zur Unmöglichkeit von Übersetzungen, die Hofmannsthal im letzten Absatz formuliert hatte (vgl. oben B 93, Anm. 1), sind im französischen Druck ausgelassen worden – wohl verständlich nicht nur mit Blick auf die Leistung Groethuysens, sondern vor allem auf die Praxis des Commerce, fremdsprachige Beiträge durchgängig in französischen Übersetzungen zu präsentieren. In dieser Gestalt wird der Text – zusammen mit den Vorworten Valery Larbauds zur russischen (1925), T.S. Eliots zur englischen (1930) und Ungarettis zur italienischen Ausgabe (1931/1936) – übernommen in: Anabase. Édition revue et corrigée; augmentée d’une bibliographie. Paris 1948. 2 Das Ehepaar Hofmannsthal hatte Wien am 29. Januar 1929 verlassen und war zu Carl J. Burckhardt auf dessen Landhaus Schönenberg bei Pratteln im Baslerland gefahren. Dort war Hofmannsthal bis Anfang März geblieben, während seine Frau Gerty nach Heidelberg weiterreist, um Christiane bei der Geburt ihres ersten Kindes, des am 7. Februar geborenen Christoph Heinrich Hugo, beizustehen. Um den 10. März war auch Hofmannsthal in Heidelberg eingetroffen und hatte sich um den 17. März mit seiner Frau nach München begeben; vgl. B 270, Anm. 2. 3 Der kleine Christoph Zimmer, war – entgegen Hofmannsthals Angabe – am 7. Februar 1929 zur Welt gekommen; er wird am 26. Juli 1931 im Alter von knapp zweieinhalb Jahren sterben. 4 Über den ungewöhnlichen Kälteeinbruch klagt Hofmannsthal in verschiedenen Briefen dieser Wochen. Am 19. Februar schreibt er an Ottonie von Degenfeld: „Ein wenig sind wir doch die Gefangenen dieses strengen Winters, der Körper braucht alle seine

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DIE BRIEFE 1925-1959

Kräfte zu einer beständigen stillen Defensive und für die Phantasie bleibt nicht viel übrig“. „In den Wäldern“, fährt er fort, „<springen> die alten Buchenstämme vor Kälte und die verendeten Rehe <liegen> in den Büschen, und die toten Singvögel <fallen> auf sie herunter“ (Hofmannsthal-Degenfeld, S. 511). Und Bertha Zuckerkandl gegenüber spricht er im „Februar 1929“ vom Schönenberg aus von „diesem endlosen Winter, der bis ins Innerste der Organismen greift und auch mir nur gerade so viel Kraft überlässt um in diesem stillen, von Schnee umgebenen Landhaus von Tag zu Tag weiterzuleben“ (Hirsch, S. 130). 5 Von München (vgl. oben Anm. 2) war Hofmannstahl Ende März nach Rodaun zurückgekehrt. Hier zieht er am 6. April, vier Tage vor diesem letzten Brief an Marguerite Caetani, Bilanz: „Frühe schöne Frühlingstage sollte dieses Jahr nicht bringen, und jetzt ist wieder die Gasse und der Garten tiefverschneit, die Tannen gegenüber biegen sich unter der Last des Schnees, und wohin das Auge reicht, liegt dieses öde Weiß. Dazu aber bin ich seit vielen Wochen nicht gesund; schon die letzte Zeit auf dem Schönenberg war mir ärmlich zumut, in Heidelberg war ich ganz elend, hatte Lust an nichts und konnte fast keinen Bissen essen, in München endlich brach es durch mit ziemlichem Fieber und einer Bronchitis, dann war ich fieberfrei, hier am Ostermontag <1. April> kam ein Rückfall, und seit gestern scheint es vorbei, ich habe ziemlich Untertemperatur und auch innerlich kommt mir vor, als ob es sich wieder zum Besseren wenden würde“ (Hofmannsthal-Burckhardt, S. 287). 6 Hofmannsthal stirbt am 15. Juli 1929: Als er sich zum Begräbnis seines Sohnes Franz, der zwei Tage zuvor Selbstmord begangen hatte, aufmachen will, bricht er, vom Hirnschlag getroffen, zusammen und stirbt, ohne das Bewußtsein wiederzuerlangen, noch am selben Abend.

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