Cloud workflow

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Franco Roda, Generaldirektor der Fratelli Roda SA, vor dem Maschinenleitstand Prinect Press Center der Heidelberg-Speedmaster-XL-106-6+LDruckmaschine, in Betrieb bei Fratelli Roda SA seit Februar 2015.

Die Cloud kommt langsam, aber sie kommt gewaltig Die Tessiner Fratelli Roda SA musste im Zuge einer Ersatzinvestition ihren bewährten Agfa-Apogee-Workflow einem Update unterziehen. Zur Debatte standen ein klassisches Update mit der entsprechenden Hardware vor Ort, oder neu, eine komplette Apogee-Cloud-Lösung. Fratelli Roda entschied sich für die zweite Variante. Und es funktioniert! Für die grafische Branche ist diese Installation wegweisend. 2015 hat die grafische Branche der Schweiz weltweit für Aufsehen gesorgt. Mit Mengis hat ein Walliser Druck- und Verlagshaus den Digitaldruck für die konventionelle Zeitung eingeläutet. Weiter im Osten, und ebenfalls südlich der Alpen, hat Fratelli Roda den ersten Workflow, der komplett über eine CloudLösung läuft, in Betrieb genommen. Über diese Installation wird die internationale Fachpresse kaum berichten. Einerseits weil neben der Fratelli Roda auch ein deutsches Druckhaus gleichzeitig diesen Workflow implementiert hat. Andererseits erscheint das Thema viel weniger sexy zu sein als die Digitaldruckmaschine bei Mengis. Ein cloudbasierender Workflow im Zeitalter des

Cloudcomputings lockt doch keinen mehr hinter dem Ofen hervor … Könnte man meinen. Die Realität sieht anders aus. Cloudcomputing wird zwar in Teilbereichen der grafischen Branche schon seit längerem praktiziert. Beispielsweise bei Online-ShopLösungen, im Webauftritt, bei Redaktionssystemen. Mitten in der digitalen Revolution hat man auch in der grafischen Branche erkannt, dass man nicht mehr alles selber machen kann, dass gewisse IT-Dienstleistungen ausgelagert werden müssen. Doch dass eine Druckerei ihr produktionstechnisches Herzstück, den Workflow über eine Cloud laufen lässt, erschien bislang nicht möglich. Bis jetzt.

Warum und was bringt es? Im Gespräch erklären einem Franco Roda, Generaldirektor und Inhaber der Fratelli Roda SA, sowie Luisa Colombo Crivelli, verantwortlich für Marketing, die Gründe für die Investition in ein cloudbasierendes Apogee. Zunächst einmal: Die Fratelli Roda SA ist ein absoluter Vorzeigebetrieb. 1942 gegründet, fokussiert sich das Unternehmen heute auf den Verpackungsbereich mit Schwerpunkt Pharma- und Foodbranche. Immerhin 20% des Umsatzes werden mit Akzidenzprodukten und Büchern erarbeitet. Die Fratelli Roda verstand sich immer als Innovatorin, der mit neuen Technologien und Dienstleistungen aus dem Hochlohnland


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Agfa Apogee and more Apogee Portal stärkt die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Druckereien und ihren Kunden. Es ermöglicht allen Beteiligten die Zusammenarbeit an Projekten und Aufgaben über eine rund um die Uhr verfügbare Internet-basierte Anwendung. Apogee WebApproval ist eine ganzheitliche Lösung von Agfa Graphics für Druckund Medienunternehmen, die den Apogee Prepress Workflow um umfassende Möglichkeiten erweitert. Mit WebApproval lassen sich einzelne Seiten oder ganze Publikationen über ein schnelles und intuitiv bedienbares Internet-Portal an Druckdienstleister, Agenturen oder andere Unternehmen der Druckindustrie übermit-

Schweiz heraus konkurrenzfähig bleibt, weil sie ihren Mitbewerbern immer eine Nasenlänge voraus ist. Zu den Investitionshighlights der letzten Jahre gehört die Installation einer Heidelberger Speedmaster XL 106-6+XL, welche die KBA-Rapida-142-Grossformatmschine ergänzt. Eine ganz wichtige Investition war die Beschaffung von Bobst Accucheck, ein Inline-Qualitätskontrollsystem, welches in der Faltschachtel-Produktion bis zu 80 000 Verpackungen pro Stunde sicher kontrollieren kann. Fratelli Roda SA hat als eines der weltweit ersten Unternehmen (und als erstes in der Schweiz) Accucheck implementiert. Es ist ein System, welches bei der Kundschaft aus der Pharma-Branche äusserst gefragt ist. Seit vielen Jahren setzt Fratelli Roda auf Agfa-Druckplatten und CtP-Systeme, der Apogee-Workflow ist seit langem das Herzstück der Produktion. Dieser Workflow musste einem Update unterzogen werden, was auch einen Teilersatz der Hardware mit sich gebracht hätte. In dieser Situation überraschte Agfa Graphics Schweiz mit einem neuen Vorschlag: Update des Workflow, aber dies komplett cloudbasierend. Der ETH-Ingenieur Franco Roda wurde sofort hellhörig und schaute sich die ganze Sache genau an.

teln. Zusätzlich können Freigabeprozesse durch WebApproval individuell und flexibel gesteuert werden. Die Funktionsweise von Apogee WebApproval ist bewusst einfach und übersichtlich gehalten. So steht die Lösung der konkreten Aufgabe im Mittelpunkt und es ist keine lange Einarbeitungszeit nötig. Die intuitive Bedienbarkeit basiert auf einer HTML5-Oberfläche, die viele nützliche Funktionen direkt zugänglich macht und so keine Kundenwünsche offen lässt. Ausserdem sind mit HTML5 die ganzen Hilfsmittel wie Java, Adobe Flash, etc. obsolet und mobile Geräte können uneingeschränkt verwendet werden. Apogee Prepress bietet eine komplett JDF-getriebene Produktionszentrale für die Druckvorstufe, mit der alle Druck-

Pluspunkte dieser Lösung waren für ihn: – Verzicht auf eigene Hardware – Dadurch weniger Energieverbrauch und mehr Platz – Höchstmöglicher Datenschutz durch Agfa-Rechenzentrum – Kein Aufwand mehr für Betreuung von Hardware und Software – Workflow kann so jederzeit einem Update unterzogen werden Natürlich gab es auch Herausforderungen: – Wäre die Standardleitung mit 30 Mbit/ Sekunde auch schnell genug (2016 soll mit einer Glasfaserleitung mit bis zu 100 Mbit/Sekunde gearbeitet werden). – Verarbeitung der Kundendaten auf externen Server. – Was passiert, wenn die Leitung ausfällt? Bei Roda Fratelli ging man akribisch die einzelnen Punkte durch. Die Tests zeigten auf, dass die Kapazität der Datenleitungen ausreichend war. Dadurch dass Afga in seinem Rechenzentrum Tausende von Patientendaten sichert, ist der Datenschutz für die Kundendaten gegeben. Und das Risiko eines Leitungsausfalls ist nicht höher als die Möglichkeit

vorstufenprozesse verwaltet und gesteuert werden können. Die erweiterten Möglichkeiten zur Automatisierung erlauben die Verarbeitung von mehr Aufträgen in kürzerer Zeit. Zusätzlich können alle CtPGeräte von Agfa Graphics, neue Technologien wie Apogee InkSave zur Einsparung von Druckfarbe und Prozessstabilisierung sowie Apogee Platemaker für eine kontinuierliche Druckplattenausgabe genutzt werden. Apogee StoreFront ist eine Cloud-basierte Software-Lösung, die Druckdienstleistern die Möglichkeit gibt, ihre Produkte über das Internet zu vermarkten. www.agfagraphics.ch

eines Server-Hardwareproblems oder eines Stromausfalles. Agfa gab der Fratelli Roda obendrein die nötige Sicherheit, indem sie neben der Cloudlösung ein konventionelles Backup zur Verfügung stellt. Im Juli 2015 wurde das System installiert und sofort im Produktionsbereich eingeführt. Franco Roda zeigt sich überrascht, wie problemlos das System implementiert wurde und fehlerfrei arbeitete. Man testet auch verschiedene Applikationen wie *WebApproval, das dank Printsphere viel einfacher als bis anhin bei den Kunden installiert werden kann, derzeit aus, dies natürlich alles cloudbasierend. Bereits seit 2014 bietet die Fratelli Roda einen Online-Shop an, im Hintergrund arbeitet das Agfa E-Commerce-Tool *StoreFront. Warum Agfa? Dass Apogee nun komplett als Cloud-Lösung daherkommt, ist eine ziemlich neue Geschichte und auch nicht das Resultat einer brillanten strategischen Entwicklungsplanung. Vielmehr ging der erste Funke von der Schweiz aus, nämlich von Stefan Wundrig, seines Zeichens Business Development & Pro-

viscom print & communication | Nr. 23/24 | 7. Dezember 2015


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Als erste Kartonverarbeiterin in der Schweiz und dritte auf der Welt wendet Fratelli Roda SA, seit Oktober 2012, die ACCUCHECK-Technologie von BOBST an, die zur Inline-Qualitätskontrolle entwickelt wurde. Ist der Kartonzuschnitt einmal in die Faltschachtel-Klebemaschine eingeführt, werden Mängel mit einer ausserordentlichen Geschwindigkeit erkannt: Bis zu 80 000 Verpackungen pro Stunde werden überprüft!

duct Manager Prepress Software & CtP, Region Europe Central. Es pröbelte lange im wahrsten Sinne des Wortes im «stillen Kämmerlein», wie und ob man Apogee cloudtauglich machen kann. Zunächst hat man sein Ansinnen nicht wirklich ernst genommen, doch nach mehreren erfolgreichen Tests wurde man in Mortsel auf seine Ideen aufmerksam. Das Apogee-IT-Team nahm sich der Sache an, und die Lösung wurde anschliessend fertig entwickelt. Sieht sich Stefan Wundrig nun als der grosse Erfinder? Schmunzelnd meint er: «Ich dürfte es gar nicht sagen, aber Apogee cloudtauglich zu machen, war eigentlich keine grosse Herausforderung. Zu Beginn unklar war, wie wir mit den grossen Datenmengen umgehen, die permanent hin und her geschickt werden.

Die meisten grafischen Unternehmen sind an physikalische Netzwerke angeschlossen, die mit 5 bis 100 Mbit/Sekunde arbeiten. Da herrschte Skepsis, dass dies ausreiche. Wir haben aber dann bewiesen, dass es problemlos geht. Das was wirklich die Herausforderung darstellt, ist die Einstellung in unseren Köpfen. Mit dem Durchbruch bei der Breitbanddatenkommunikation ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Im privaten Bereich arbeiten wir mittlerweile fast alle mit Smartphones, nehmen Filme auf, sehen live Kinofilme an und schicken so sehr enorme Datenmengen in Sekundenbruchteilen hin und her. Alles selbstverständlich. Doch in der grafischen Branche arbeiten wir nach wie vor wie zu Zeiten, wo ISDN noch das höchste der Gefühle war.» Also alles so einfach? Nein, natürlich nicht. Cloudcomputing bedingt mächtige und perfekt eingerichtete Rechenzentren mit entsprechender Infrastruktur und Know-how. Ein zentrales Thema ist die Datensicherheit. Und genau hier kommt ein Vorteil der AgfaGruppe ins Spiel, den praktisch kein Mitbewerber hat: einen starken Medizinalbereich. Ähnlich wie in der grafischen Branche sind die analogen Technologien in den letzten Jahren von digitalen Lösungen abgelöst worden. Doch was passiert eigentlich mit all den digitalen Röntgenaufnahmen, wie und wo werden die abgelegt, geordnet? Bei Agfa HealthCare erkannte man schon sehr früh, dass man

diese Aufgabe nicht den einzelnen Spitälern und Ärzten überlassen konnte, sondern eine Gesamtlösung über Cloudcomputing anbieten musste. Als zertifizierter Anbieter, der mit Patientendaten umgeht, die vor unberechtigtem Zugriff Dritter geschützt werden müssen, war Datensicherheit von Anfang an ein wichtiges Thema. Dank der Entwicklung bei den Speichermedien mit Preiszerfall auf der einen und Leistungssprung auf der anderen Seite sind die Kapazitäten im Rechenzentrum von Mortsel heute so gross, dass man neben dem Medizinalbereich auch andere Datenmengen verwalten kann. Stefan Wundrig: «Dank unserem Medizinalrechenzentrum in Mortsel macht die Cloudcomputing-Lösung erst wirklich Sinn. Wer sicher mit weltweiten Patientendaten umgehen kann, der ist auch in der Lage, den Anwendern in der grafischen Industrie die nötigen Datenschutzgarantieren zu geben. Und dadurch, dass dies eine gruppeninterne Dienstleistung ist, sind wir auch flexibler beim Pricing.» Ein Wendepunkt Agfa wird ab der Drupa den komplett cloudbasierenden Apogee-Workflow zur Miete anbieten. Wetten, dass dieser Schritt im grossen Rummel rund um den Digitaldruck etwas untergehen wird? Gemäss den vorliegenden Informationen werden allerdings auch andere Anbieter das Thema aufgreifen


Focus 11 und neue Lösungen anbieten. Es bleibt also doch zu hoffen, dass die Branchenvertreter in Düsseldorf die Bedeutung der cloudbasierenden Applikationen für die Zukunft ihrer Unternehmen erkennen. Denn genau in diesem Bereich entscheidet sich das Schicksal der grafischen Industrie in den nächsten zehn Jahren, und nicht unbedingt bei den Druckmaschinentechnologien. Alle Zukunftsforscher sind sich einig: Digitale Kompetenz wird noch viel mehr als heute essenzieller Entwicklungsfaktor für Unternehmen sein. Dies gilt explizit auch für die grafische Branche. Da herrscht heute ein grosses Paradoxon: Auf der einen Seite arbeiten alle Unternehmen, die drucken, mit digitalen Daten und verwalten jeden Tag grosse Datenmengen. Doch bei den Abläufen und den Strukturen ist man, Stefan Wundrig von Agfa Graphics Schweiz beschreibt es treffend, im «ISDN-Zeitalter» stehen geblieben. «Ich habe meine Druckmaschine, also habe ich auch meinen Server», dies ist die Realität in den Betrieben. Dabei wird verkannt, dass die digitale Kompetenz in den meisten grafischen Unternehmen völlig ungenügend ist. Man kann dem anfügen, dass die Zuliefer industrie es bis heute auch nicht so viel besser macht. Mit den cloudbasierenden Komplettlösungen werden aber die Karten neu gemischt. Selbst Kleinstbetriebe, die von den finanziellen und personellen Ressourcen eigentlich keine Chance haben, in diesem digitalen Wettrüsten zu überleben, könnten dank Cloudcomputing den Anschluss halten und ihre Wettbewerbssituation sogar verbessern. Dabei geht es nicht in erster Linie um Kosteneinsparungen. Wer meint, Cloudcomputing sei ein grosses Sparprogramm, der irrt gewaltig. Franco Roda sagt es klar: «Finanziell gesehen macht es keinen Unterschied, ob wir unseren Workflow im Hause mit eigenen Servern haben, oder ob wir Apogee über das Cloudcomputing betreiben. Das grosse Poten-

BOBST ALPINA II, 150 000 Packungen/Stunde mit Inline-Qualitätskontrolle: Vorrichtung zum Lesen von Codes, zur Feststellung der vorhandenen Menge an Klebstoff sowie Vorrichtung zum Ausstossen nicht-konformer Verpackungsarten.

Computer-to-plate-Belichter Agfa Avalon N16S, mit FM-Raster, GLV-Technologie mit Laserdioden, Druckplattenformat 100 × 140 mit 31 Platten/Stunde und ununterbrochener Produktion.

zial sehen wir bei den Folgeeffekten wie Wegfall von IT-Systembetreuung, Lizenzfragen, begleitende Infrastrukturen für IT-Systeme wie Klimaanlagen. Vor allem: Wir müssen uns in Zukunft keine Sorgen mehr machen,

technologisch immer auf dem neusten Stand zu sein.» Dieser Artikel wurde von Agfa Graphics geschrieben

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