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5.4 Förderung
Grundsätze – Leitbild
Die Wasserentnahmeabgabe (WEA) ist im Rahmen der Zweckbindung ihres Aufkommens für den Gewässerschutz grundsätzlich auch für die Wasserversorgung einsetzbar.
Eine Förderung von Maßnahmen in Bereichen der Wasserversorgung setzt rechtlich u. a. zwingend voraus, dass ein erhebliches Staatsinteresse an der Erfüllung dieser Maßnahmen besteht, das ohne Förderung nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann.
Der tragende Grundsatz der Subsidiarität staatlicher Fördermaßnahmen ist bei einer Prüfung der Förderung von Maßnahmen im Bereich der Wasserversorgung von herausgehobener Bedeutung, insbesondere aufgrund des Grundsatzes der Kostendeckung für Wasserdienstleitungen und des Vorranges betriebswirtschaftlicher sowie organisatorischer Maßnahmen. Ziele – Umsetzungsstrategie
Die Einflüsse des Klimawandels auf die Wasserversorgung erfordern umfangreiche Investitionen und Anpassungsmaßnahmen zum Erhalt der Versorgungssicherheit. Wesentliche Bedeutung wird dabei den inhaltlichen Ausführungen und prognostischen Bedarfsdeckungsbilanzen der Wasserversorgungskonzepte zuteilwerden, da sie einen flächendeckenden Spiegel der Anpassungserfordernisse darstellen.
Besteht zur Sicherung einer nachhaltigen Trinkwasserversorgung ein erheblicher und überobligatorischer Investitionsbedarf, welcher über eine sozialverträgliche Gebührenanpassung, Ausschöpfung der kalkulatorischen und organisatorischen Möglichkeiten sowie die in den Grundsätzen benannten sonstigen Instrumente nicht abgedeckt werden kann, ist unter Nachweisführung der Aufgabenträger der Freistaat ermessensleitend gefordert, die Gewährung von Fördermitteln, vorbehaltlich der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln zu prüfen.
Eine mögliche Förderstrategie zur Klimawandelfolgenanpassung der Wasserversorgungsinfrastrukturen auch unter Berücksichtigung der Bedingungen im ländlichen Raum wird gemeinsam mit dem Fachbeirat abgestimmt, den für Haushaltsentscheidungen zuständigen Vertretern vorgestellt und deren daseinsvorsorgende Notwendigkeit konsequent hervorgehoben werden.
IST-Zustand – Status quo
Die öffentliche Wasserversorgung ist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SächsWG eine kommunale Pflichtaufgabe, die grundsätzlich auf der Basis kostendeckender Preise zu bewerkstelligen ist. Eine Förderung ist also nur im begründeten Ausnahmefall zulässig. Von 1991 – 2009 beförderte der Freistaat Sachsen die öffentliche Trinkwasserversorgung mit dem Ziel, infrastrukturelle Defizite gegenüber den westlichen Bundesländern aufzuholen und eine nach Güte und Menge ausreichende Wasserversorgung sicherzustellen, wirtschaftlich sinnvolle Versorgungsstrukturen zu erreichen und die Abgabepflichtigen zu entlasten.
Seit 2009 gibt es keine Regelförderung mehr für Maßnahmen der öffentlichen Trinkwasserversorgung, da ein den westlichen Bundesländern vergleichbarer Anschlussgrad, eine hohe Trinkwasserqualität und Versorgungssicherheit erreicht sind. Mit dem bis zum 31. Dezember 2023 befristeten Sonderprogramm zur Förderung von Maßnahmen zur Erweiterung der öffentlichen Trinkwasserversorgung im ländlichen Raum (Förderrichtlinie Sonderprogramm öffentliche Trinkwasserinfrastruktur, RL öTIS/2019199) wurde eine solche Ausnahme begründet durchgesetzt. Eine Abweichung vom Kostendeckungsgrundsatz ist nach § 6a Abs. 4 WHG i. V. m. Artikel 9 Abs. 1 der WRRL im Hinblick auf die bestehenden regionalen und klimatischen Besonderheiten gerechtfertigt. Konkretes Förderziel ist die Reduzierung der infolge des Klimawandels nicht nachhaltig betreibbaren privaten Anlagen zur Eigenversorgung durch eine standörtlich angepasste öffentliche Trinkwasserversorgung in den Grenzen des § 43 Abs. 1 SächsWG.
199 Ergänzende Hinweise abrufbar unter: https://www.smul.sachsen.de/foerderung/sonderprogramm-oeffentliche-trinkwasserinfrastruktur-rl-oen tis-2019-4185.html
Tabelle 5-1: Übersicht bisherige Förderrichtlinien für Maßnahmen der öffentlichen Trinkwasserversorgung
RL
RFW 1991
FRW 1994
FRW 1997
FRW 2002
SWW 2007
SWW 2009
SWW 2016
Zeitraum
Zuwendungszweck
01.01.1991 – 31.12.1993 Entlastung der Beitrags- und Gebührenpflichtigen des geförderten Vorhabens
01.01.1994 – 31.12.1996 Entlastung der Entgeltpflichtigen
01.01.1997 – 31.12.2001 Sicherstellung ausreichender Wasserversorgung nach Güte und Menge, Erreichung wirtschaftlich sinnvoller Versorgungsstrukturen, Entlastung der Abgabepflichtigen 01.07.2002 – 31.12.2006 s. FRW 1997
01.01.2007 – 03.02.2009 Sicherstellung ausreichender TWV nach Güte und Menge
04.02.2009 – 31.12.2015 Verbesserung der Versorgungssicherheit von Anlagen zur öffentlichen TWV. Förderung ist auf besonders begründete Ausnahmen beschränkt.
01.01.2016 – jetzt keine Förderung der Wasserversorgung
Fördergegenstand
Neubau, Erweiterung, Erneuerung zentraler Anlagen für eine nach Menge und Güte ausreichende WV.
Neubau, Erweiterung, Erneuerung zentraler Anlagen für eine nach Menge und Güte ausreichende WV.
Neubau, Erweiterung öffentlicher Anlagen der TWV, insbesondere von Anlagen zur Wassergewinnung und zum Druckausgleich.
Erstmalige Errichtung, Erweiterung, Ertüchtigung und der Ersatz von Anlagen zur öffentlichen TWV.
Baumaßnahmen zur Verbesserung der Versorgungssicherheit von Anlagen zur öffentlichen TWV. Förderung ist auf Einzelfälle beschränkt.
s. SWW 2007
Höhe der Zuwendungen [%]
80
80
80
75
Darlehen mit Zinsverbilligung
Darlehen mit Zinsverbilligung (Subventionswert max. 34 %)
Rechtsgrundlage – Handlungsrahmen
Gemäß § 91 Abs. 2 SächsWG ist das Aufkommen aus der Abgabe für die Wasserentnahme (WEA) ausschließlich für Maßnahmen, die der Erhaltung und der Verbesserung der Gewässerbeschaffenheit und des gewässerökologischen Zustandes, dem Hochwasserschutz unter ökologischen Gesichtspunkten und dem sparsamen Umgang mit Wasser dienen, zweckgebunden zu verwenden.
In diesem gesetzlichen Rahmen erfolgt die Verwendung der WEA wesentlich durch Förderprogramme, die im Einklang mit § 23 SäHO der umweltpolitischen Schwerpunktsetzung entsprechen und ohne die diese Ziele nicht oder nicht im notwendigen Umfang erreicht werden können (s. Kapitel 4.1.3 zur WEA). Die fachpolitische Schwerpunktsetzung im Rahmen der zweckentsprechenden Verwendung unterliegt einer regelmäßigen Prüfung und Abwägung, in die auch haushalts- und förderrechtlich maßgebliche Belange der öffentlichen Wasserversorgung eingestellt werden.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SäHO dürfen Zuwendungen (Fördermittel) nur unter den Voraussetzungen des § 23 SäHO gewährt werden. Hiernach dürfen Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für Leistungen an Stellen außerhalb der Staatverwaltung zur Erfüllung bestimmter Zwecke (Zuwendungen) nur veranschlagt werden, wenn der Staat an der Erfüllung durch solche Stellen ein erhebliches Interesse hat, das ohne die Zuwendungen nicht oder
nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann. Gemäß § 7 Abs. 1 SäHO sind bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. In dieses haushalts- und förderrechtlich zwingend vorgegebene Prüfprogramm können bei nachgewiesenem Bedarf
EXKURS: BEIHILFERECHT – KOMMUNALE ÖFFENTLICHE WASSERVERSORGUNG/ABWASSERBESEITIGUNG
Nach der Mitteilung der Europäischen Kommission (KOM) zum Beihilfebegriff (Notion of Aid – NoA)200 im Juli 2016 wird die Finanzierung des Baus (bzw. der Erweiterung oder der Sanierung) von flächendeckenden Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsnetzen nach Auffassung der KOM in der Regel als beihilfefrei angesehen. Ein unmittelbarer Wettbewerb zwischen Infrastrukturen bezüglich solcher Netze ist in der Regel ausgeschlossen, sofern sie ein natürliches Monopol darstellen, d.h. ein Nachbau unrentabel wäre. Damit hat die Finanzierung des Baus solcher Infrastruktur in der Regel keine Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und verfälscht den Wettbewerb nicht. Nach dem Wortlaut der Mitteilung zählen zu den Netzen die Infrastruktur für die Verteilung von Wasser und die Ableitung von Abwasser, insbesondere die dafür verwendeten Leitungen/Rohre. Ob davon auch integrierte Wasser- und Abwasserbehandlungsanlagen umfasst sind, blieb im Ergebnis offen. Zur Klärung dieser Fragestellung erarbeitete eine interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) aus SMWA, SMI, SMUL sowie der SSG einen Vorschlag zur Einbeziehung der Anlagen in den Begriff der Netze für die Bereiche der öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorgung. Diesem Vorschlag wurde seitens der KOM gefolgt. Mit einem Rundschreiben vom 19. Dezember 2017 wurden die betreffenden staatlichen Stellen informiert und ein darauf aufbauendes Prüfschema der IMAG zur Behandlung von die gemäß den Zielen und Grundsätzen dieses Kapitels ermittelten zukünftigen Herausforderungen im Bereich der Wasserversorgung, deren Begegnung auf dieser Ebene (auch mit Blick auf die Zielvorgaben der WRRL) im erheblichen staatliche Interesse liegt, eingestellt werden.
beihilferechtlichen Fragestellungen im Bereich der öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorgung übersandt (digitale Anlage). Im Ergebnis gelten die Ausführungen in Rdn. 221 der NoA umfassend auch für integrierte öffentliche Wasserversorgungs- und Abwasserbehandlungssysteme. Damit kann unter den dort genannten Voraussetzungen bei der Finanzierung des Baus (bzw. der Erweiterung oder der Sanierung) der Netze einschließlich der Anlagen (z. B. Wasserwerke oder Kläranlagen) für die flächendeckende öffentliche Wasserver-/ Abwasserentsorgungsinfrastruktur das Fehlen einer staatlichen Beihilfe angenommen werden. Die Feststellungen gelten für jegliche Beihilfen einschließlich damit zusammenhängender Bürgschaften oder anderer Sicherheiten.
Um sicherzustellen, dass die gesamte Finanzierung eines Vorhabens nicht dem Beihilferecht unterliegt, muss jedoch durch die öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorger gewährleistet sein, dass insoweit gewährte Zuwendungen für den Bau einer Infrastruktur nicht zur Quersubventionierung oder mittelbaren Subventionierung anderer Wirtschaftstätigkeiten einschließlich des Betriebs der Infrastruktur genutzt werden können.201
Auch die Ausführungen der KOM gelten gleichwohl unbeschadet der Auslegung des Begriffs durch die Unionsgerichte; der primäre Bezugspunkt für die Auslegung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist daher stets die Rechtsprechung der Unionsgerichte.202
200 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. C 262 vom 19.7.2016, S.1) 201 Vgl. Rn. 221 i. V. m. Rn. 212 NoA 202 Vgl. Rn. 3 NoA
Handlungsbedarf – Ausführungshinweise
Die Ausführungen in den vorangehenden Kapiteln der GK 2030 zeigen, dass die Wasserwirtschaft in Sachsen erheblichen Herausforderungen gegenübersteht, denen mit Weitsicht, Fachverstand und Kooperationsbereitschaft begegnet werden muss, um sinnvolle, wirtschaftliche und dauerhafte Lösungen im Sinne einer stabilen und sicheren Wasserversorgung zu finden. Das Ziel Erhalt einer größtmöglichen Versorgungssicherheit, hervorragenden Qualität und der Bezahlbarkeit des Gutes Trinkwasser wird Anpassungsbedarfe erforderlich machen. Der damit verbundene Investitionsbedarf ist vorausschauend zu planen und kalkulieren. Dort wo Leistungsfähigkeit oder Sozialverträglichkeit unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten auf nachweislich begründete Grenzen stoßen (s. Ausführungen im IST-Zustand), muss geprüft werden, inwieweit staatliche Unterstützung geboten ist. Eine Diskussion darüber, wie und mit welchen Prioritäten eine verursachergerechte und nachhaltige Finanzierung gewährleistet werden kann, muss dabei jederzeit geführt werden dürfen.
Den Wasserversorgungskonzepten wird eine Schlüsselstellung zukommen, da diese eine auswertbare und landesweit vergleichbare Informationsgrundlage darstellen, um Anpassungs- und Unterstützungsbedarf beurteilen und argumentativ begründen zu können.
Darüber hinaus ist zu erwarten, dass sowohl Bund als auch Länder für ausgewählte, unabweisbare Anpassungserfordernisse Instrumente verfügbar machen. Hingewiesen sei hier beispielsweise auf die Diskussionsergebnisse des Nationalen Wasserdialoges, die in einer nationalen Wasserstrategie203 mit eingeschlossenen Förderimpulsen münden sollen oder auch die Neuausrichtung des Bundes hinsichtlich der Stärkung der Resilienz kritischer Infrastrukturen, die ebenfalls mit Förderinstrumenten untersetzt sein wird. Der Vorrang der entsprechenden Förderinstrumente ist durch den Freistaat Sachsen zu beachten.
Das SMEKUL wird die Entwicklungen aktiv verfolgen und die Verantwortungsträger der sächsischen Wasserversorgung unterstützen. Eine mögliche Förderstrategie zur Klimawandelfolgenanpassung der Wasserversorgungsinfrastrukturen auch unter Berücksichtigung der Bedingungen im ländlichen Raum wird gemeinsam mit dem Fachbeirat abgestimmt, den für Haushaltsentscheidungen zuständigen Vertretern vorgestellt und deren daseinsvorsorgende Notwendigkeit konsequent hervorgehoben werden.
203 BMU – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. (2021)