Foto: © Claudia Posern
›› FRIZZ INTERVIEW
Redaktion: Kathrin Bode
MEISTER DER KOMIK Bernd Gieseking gilt als der König der Jahresrückblicke und tourt seit nunmehr 30 Jahren erfolgreich mit seinen Bühnenprogrammen durch die gesamte Republik. Seiner treuen Leserschaft ist er wahlweise als taz-Kolumnist oder als Finnlandkenner oder beides bekannt. Wir haben ihn zum Interview eingeladen, um mit ihm über die Pandemie, die Veranstaltungswirtschaft und sein neustes Buch zu sprechen.
Ein persönlicher Rückblick auf das Jahr 2021: Drei Dinge, die dich total genervt, und drei Dinge, die dich total gefreut haben? Ach, so schnell bin ich gar nicht zu nerven. (Lacht) Aber wenn mich wirklich was nervt, dann schreibe ich sofort einen Kabaretttext darüber, dann muss ich lachen und damit ist das ja schon wieder bearbeitet, „handhabbar“ und „ausgelacht“! Also direkt zu den drei Freuden: Ich habe im September eine anspruchsvolle Alpenüberquerung geschafft. Ein tolles Naturerlebnis. Und für mich ein „später“ sportlicher Erfolg. Damit verbunden, als zweite Freude: Mir gelang im Vorfeld eine erhebliche Gewichtsreduktion durch Training. Sogar zweistellig! (Lacht) Die dritte Freude: Ich hatte schon jahrelang eine Idee für zwei Weihnachtsgeschichten. Mit denen bin ich jetzt im legendären Reclam Verlag in einer Anthologie mit wunderbaren Kollegen. Die beiden Stories
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Januar 2022
werden jetzt Grundlage für ein Weihnachtsprogramm. Es heißt „Geschenkt!“ und kommt zum Winter 2022.
Wie hat die Pandemie dein Leben verändert? Ich weigere mich zu glauben, mein Leben habe sich verändert. Es gibt lediglich eine Zäsur. Eine schmerzhafte allerdings. Zu lang ist sie auch. Ich kann kaum auftreten, verdiene also (zu) wenig Geld, das fehlt auch später mal an der Rente, an die ich vorher noch nie gedacht hatte. Darum ja auch noch ein Weihnachtsprogramm. (Lacht wieder) Aber zu Corona und den Folgen: Ich war immer schon teilzurückgezogen – um zu schreiben. Klar, ich geh aktuell – wie fast alle – zu wenig in Kneipen, Kinos und Theater. Das ist Mist! Die brauchen uns wie ich sie. Aber es gab, durch Corona, auch Zeit, meine schwer erkrankten Eltern zu unterstützen, wo ich sonst auf Tournee gewesen wäre. Die Stadt Jena hat einen offenen Brief zu Corona-Wirtschaftshilfen versendet. Wie beurteilst du die aktuelle Situation der Veranstaltungswirtschaft? Es ist ein Wunder, dass es uns noch gibt! Aber man braucht diesen Wahnsinn, diese innere Flamme, um Kunst und Kultur zu produzieren und zu veranstalten. Und da war die „freie Szene“ www.frizz-kassel.de
schon immer unterfinanziert. Natürlich ist es für die Branchenriesen kein Problem, sogar ein paar Jahre zu „überwintern“, aber eben nicht für den „Mittelbau“ wie mich. Bei uns ist es eng. Und für die „Kleinen“ und den Nachwuchs ist es ganz bitter. Aber allen gemeinsam ist: Wir vermissen unser Publikum, die Bühne, den Kontakt, den Auftritt. Das „Lachen machen“. Man sagt: „Das Leben schreibt die schönsten Geschichten“. Was inspiriert dich? Gerade in meinen Finnland-Büchern sind es tatsächlich meine Erlebnisse mit Menschen im Land, da stimmt das Sprichwort absolut. Oft werden bei mir familiäre Begebenheiten zum Thema, Episoden mit meinen Eltern in Ostwestfalen. Da stimmt es auch. Aber ich schreibe ja in ganz verschiedenen Genres. Kinderhörspiel, Kabarett, Sachbuch, Kolumnen. Die Inspiration kann auch mal ein zufälliges Wort sein, ein Satz im Gespräch oder ein Ort, ein Blick, ein Anblick. Oder ein Zeitungsartikel. Im Kabarett ist es das jeweilige Ereignis, die Stellungnahmen der Verantwortlichen. Wenn ich dann für Kinder schreibe, kann ich „dem Affen richtig Zucker“ geben. Ich kann meiner Fantasie folgen, egal was mein Kopf sich ausdenkt. Ich kann Tiere sprechen lassen oder Steine. Und kann Freundschaften stiften sogar zwischen einem Wellensittich und