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SZENE
„ICH HAB IMMER MAL WIEDER ANS AUFHÖREN GEDACHT“
FRIZZ im Gespräch mit Ralf Duggen, Geschäftsführer des Umsonst & Draussen Festivals
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Am 31. Juli gab der Geschäftsführer des Umsonst & Draussen Festivals, Ralf Duggen, seinen Rücktritt zum Ende diesen Jahres bekannt. Wer seine Nachfolge antritt, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Sicher ist: Das U&D wird auch 2023 wie gepalnt stattfinden. Wir sprachen mit dem Festivalmacher u.a. über sein Lebenswerk, das er sich mit dem überregional bekannten Umsonst & Draussen geschaffen hat und seine Pläne für die Zukunft.
Nach 34 Jahren Festival und 28 Jahren als Geschäftsführer gibst du deinen Posten zum Ende des Jahres ab – was waren die Beweggründe für diese Entscheidung und wirst du dem U&D trotzdem weiterhin erhalten bleiben? Ich habe lange drüber nachgedacht, ob ich mir den Stress und die Verantwortung weiter antuen möchte. Gefühlt ist das Umsonst & Draussen immer noch mein Baby ... Ich hab immer mal wieder ans Aufhören gedacht und wollte mich doch nicht trennen. Warum ich es jetzt dennoch tue? Es gibt Entscheidungen und Entwicklungen im Verein, die ich zu akzeptieren habe, auch wenn ich sie nicht unbedingt richtig finde. Und wie in einer Beziehung ist irgendwann der Moment gekommen, wo es an der Zeit für Veränderung ist.Aber ich möchte gern weiter beim Umsonst & Draussen mitarbeiten – als ehrenamtlich tätiges Vereinsmitglied.
1988 hast du gemeinsam mit Hartmut Emser vom Jugendamt der Stadt Würzburg (und Sänger der Band „Doktor Sommer“) das erste Umsonst & Draussen in Würzburg veranstaltet. Damals noch auf der Bastion mit knapp 2.500 Besucher:innen. Wie kam es dazu? Ich kam damals (Mitte der 80er Jahre) zum Studieren nach Würzburg und freute mich auf die Musikszene der „Großstadt“. Nach einer Eingewöhnphase (in der ich rückblickend die Aschaffenburger Musikszene noch mehr geschätzt habe, als ich es eh schon tue …) besuchte ich das Jugendzentrumsfest in Heidingsfeld. Da war aber erschreckend wenig los – obwohl es auch eintrittsfrei war. Nachdem sich abzeichnete, dass es nicht fortgesetzt werden würde, marschierte ich zum damaligen „Stadtjugendpfleger“ Hartmut Emser und fragte, ob er sich vorstellen könne, mit modifiziertem Konzept und anderem Namen neu zu starten. Er fand die Idee offensichtlich gut und wir begannen das erste Umsonst & Draussen zu planen.
Seit damals hat sich das U&D zu einem großen Festival mit rund 75.000 Besucher:innen entwickelt und ist weit über die Stadtgrenzen Würzburgs hinaus bekannt. Wie ist das U&D zu dem geworden, was es heute ist und wie blickst du auf die Entwicklung zurück? Das U&D war vom Start weg erfolgreich und wuchs in den ersten Jahren sehr schnell. Diese Phase haben wir ganz gut hinbekommen – gleich im zweiten Jahr mit einem Umzug auf den deutlich größeren Sportplatz der TGW am Sebastian Kneipp Steg. Nach den ersten Jahren änderte sich auch die Trägerschaft (die ersten Jahre war das U&D ja noch eine städtische Veranstaltung) und ich war plötzlich halbtags beim neuen U&D-Verein angestellt. Mit Festival Nummer Fünf war das U&D dann auf den Mainwiesen angekommen.
Im Jahr 2000 spielten Reamonn beim U&D, obwohl sie zu dem Zeitpunkt den ersten Platz in den Charts belegten und es für Bands damals noch keinen Cent Gage beim U&D gab. Welche Künstler:innen sind dir persönlich besonders im Gedächtnis geblieben? Wir haben ab und zu ein ganz gutes Gespür für Bands, die später erfolgreich werden sollten, wie z.B. Wanda oder Gregor Meyle. Reamonn war natürlich der Wahnsinn, eben weil sie zum Zeitpunkt des
U&D wirklich auf Platz eins der Charts waren und trotzdem kamen. Apropos Gregor Meyle: Gregor hat bei uns für einige Jahre als Tontechniker gearbeitet – und wir wussten alle nicht, dass er selbst Musik macht. Haben wir dann übers Fernsehen erfahren – und uns riesig gefreut, als er dann als Künstler auf „seine“ Bühne zurückkam. Im Laufe der Jahre gab es viele Konzerte & Künstlerkontakte, die mir viel bedeuten – aber da hat sicher jeder Besucher, jede Besucherin ganz eigene Erinnerungen. Das ist ja das Schöne am U&D: Ein kollektives Erlebnis vieler unterschiedlicher einzelner Eindrücke..
Das U&D fördert den kulturellen Nachwuchs u.a. mit der U25-Bühne. 2005 hat der Umsonst & Draussen Verein den „Preis für junge Kultur“ ins Leben gerufen und erstmals verliehen. Was war der Gedanke dahinter? Zu der Zeit, als der Preis erstmals vergeben wurde, waren die „großen“ Kulturpreise der Stadt oft unerreichbar. Diese Lücke wollten wir schließen und ich sprach mit dem damaligen Geschäftsführer der Distelhäuser Brauerei, Peter Grethler, der sehr musik- und kulturbegeistert ist. Er sagte sofort zu, dass die Brauerei das Preisgeld übernehmen würde. Auf den Preis für junge Kultur bin ich stolz – es gibt derart viele tolle Künstler und Künstlerinnen in Würzburg. Wenn man sich anschaut, wer den Preis schon bekommen hat: Lilly among clouds, Andreas Kümmert, Steffen Boseckert, Jakob, Sara Teamusician … Auch die eigenwillige Konstellation, dass drei Beteilige gemeinsam einen Preis vergeben – eben U&D, die Distelhäuser und die Stadt Würzburg – ist bemerkenswert und ich freue mich sehr, dass diese Partnerschaft schon so lange hält.
Wer dich kennt, weiß, dass du ein Faible für guten Kaffee – besser gesagt Espresso – hast. Nicht ohne Grund gab es auf dem U&D viele Jahre lang den Espressotest im KunstZelt. Welche Programmpunkte lagen und liegen dir sonst noch besonders am Herzen? Ich bin überzeugt, dass das U&D zu dem geworden ist, was es ist, weil wir uns immer wieder getraut haben, Dinge zu probieren, die ein bisschen festivaluntypisch sind (waren): Das KunstZelt mit Ausstellungen und dem EspressoTest ist ein gutes Beispiel. Oder der „WortWeg“, bei dem großformatige Drucke von Gedichten gezeigt wurden oder unsere Gospelmesse. Manches klingt heute normal für ein Festival – als wir damit anfingen, war es neu. Diesen Freiraum, Dinge zu probieren, mag ich sehr. Niemanden zu irgendwas bekehren zu wollen – einfach ein Angebot machen. Und dann findet eine Auseinandersetzung statt – und wenn es nur ein Kopfschütteln über irgendeine Idee ist.
In einigen Dingen wart ihr eurer Zeit voraus – so habt ihr das Festival bereits 2009 online übertragen. Gab es noch andere Ideen, die sich letztlich nicht durchgesetzt haben? Ja, im technischen Bereich gab es immer wieder Ideen: Zum Beispiel haben wir Bands Live Videomitschnitte ihrer Auftritte angeboten, die wir quasi über Nacht produziert haben. Damals gab’s YouTube und überall verfügbare Handyvideos ja noch nicht und ein guter Live Mitschnitt war für die Bands echt hilfreich. Oder – ganz untechnisch – verschiedene Festivalmotive, die Besucher sich vor Ort auf Kleidungsstücke drucken lassen konnten. Es ist typisch fürs U&D, Dinge zu probieren – manches wird zum festen Bestandteil, manche Ideen funktionieren nicht, andere für ein paar Jahre …
In 34 Jahren Festivalgeschichte gab es auch dunklere Zeiten – von Stürmen und Hochwasser über wegfallende Sponsoren und fehlende Zuschüsse bis zur Absage wegen der Pandemie und den Verlust geliebter Wegbeleiter:innen. Was war dein Antrieb, trotzdem immer weiterzumachen? Ich hab das U&D immer als Auftrag empfunden. Die Besucher und Besucherinnen kommen und mögen das Festival und fordern uns damit auf, dafür zu sorgen, dass es auch im nächsten Jahr wieder ein U&D gibt. Es ist nach wie vor meine feste Überzeugung, dass unsere Gesellschaft diese barrierefreien, relativ konsumfreien Räume braucht (Randnotiz: ja, die Finanzierung eines eintrittsfreien Festivals ist schwierig – aber es geht nur darum, das Festival abzusichern, nicht um Gewinnmaximierung), wo man sich treffen kann, wo jeder und jede sein kann, wie er oder sie ist, wo ein Austausch stattfindet, wo es vielfältige Angebote gibt. Naja, und bei mir persönlich einfach die Freude am Planen und Organisieren, Ideen zu spinnen und mitzuerleben, wie Ideen Wirklichkeit werden. Und die Liebe zur Musik natürlich.
Seit der Premiere 1988 mit rund 2.500 Besucher:innen ist das Festival stetig gewachsen; in den vergangenen Jahren feierten durchschnittlich 75.000 Menschen auf die Mainwiesen. Wie siehst du die Zukunft des U&D bzw. was wünschst du dir für das Festival? Das U&D hat sich immer wieder neu erfunden und das wird auch weiterhin passieren. Aber ich hoffe sehr, dass der Kern des Festivals (das, was ich oben versucht habe zu beschreiben) erhalten bleibt. Ich finde, es enorm wichtig, dass sich beim U&D jede und jeder willkommen fühlt, sofern er oder sie respektvoll mit dem Gegenüber umgeht. Das U&D macht Angebote, bietet auch Raum für Diskussionen – aber es steht nicht für irgendwelche Dogmen, Belehrungen und widersetzt sich hoffentlich allen Versuchen, künstlerische und gesellschaftliche Freiheiten einzuschränken.
Die Abgabe deines Geschäftsführerpostens dürfte dir auch privat mehr Raum für andere Dinge bescheren. Hast du bereits Pläne, was du mit der neu gewonnen Zeit machen möchtest bzw. gibt es Hobbys oder andere Leidenschaften, denen du dich widmen wirst? Grad genieße ich es sehr, dass ich einfach nur ohne permanenten Zeitdruck arbeiten kann und auch mal wieder zum Lesen komme. Und ja, ich hab schon ein paar Ideen – mal gucken, ob sich was davon umsetzen lässt.