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Digitalisierung der Versicherung – Tunnelblick
Tunnelblick
Digitalisierung galt einmal als Mammutaufgabe, später als große Chance für Versicherer, Makler und Verbraucher gleichermaßen. Mittlerweile ist viel business as usual eingekehrt. Folgt man einer aktuellen Umfrage unter Managern großer Versicherungsunternehmen, geht die Entwicklung aber nun in eine völlig neue und auch teilweise überraschende Richtung. Makler sollten sich besser jetzt schon damit beschäftigen.
Im Hinblick auf das Thema Digitalisierung bestehen deutliche Verständnisunterschiede zwischen den einzelnen Playern im Assekuranzmarkt – Versicherungsunternehmen, Vertrieb und Endkunden. Das ist kein großes Geheimnis. Wie gut oder schlecht funktioniert aber hier zumindest die Kooperation zwischen Versicherungsunternehmen und Maklern? Oliver Pradetto, Geschäftsführer von blau direkt, sieht das differenziert: „Die meisten Versicherer haben für kleinere Maklerhäuser nur Standardbereitstellungen. Man kann sich meistens in einem Portal einloggen und da verschiedene Informationen abrufen. Gut und reibungslos läuft die Zusammenarbeit hingegen, wenn größere Häuser ihre Daten- und Dokumentenaustauschprozesse mit den Versicherern harmonisieren. Dafür müssen die Versicherer kritische Ressourcen einsetzen, aber auch die Vermittlerbetriebe müssen die technischen Kapazitäten und das Know-how bereithalten.“ Sei dies der Fall, ließen sich inzwischen nahezu alle Prozesse volldigital abbilden oder befänden sich gerade in der Umsetzung. Das hört sich nicht gerade nach Revolution oder neuem Zeitalter an. Wenngleich Rolf Schünemann, Vorstandsvorsitzender der BCA AG, beschwichtigt: „Prinzipiell hat die Umsetzung digitaler Projekte auch bei Versicherern deutlich an Fahrt gewonnen und nimmt eine höhere Priorisierung ein. Auch wird mehr Wert auf den Einsatz von Datenstandards und Normen gelegt. Das ist für uns als Maklerpool überaus vorteilhaft. So sehen wir uns als digitaler Treiber, da wir mit unserem Geschäftsmodell in der Lage sind, die Digitalisierung ganzheitlich, ungebunden und bestmöglich an den Anforderungen freier Vermittler und Makler auszurichten.“ Als Maklerpool ermögliche man es dem Makler, die isolierten digitalen Stränge der Gesellschaften auf einer Plattformlösung zusammenzuführen. Der Makler benötige nur noch einen digitalen Zugang für ein ganzheitliches Datenmanagement und eine 360-GradKundensicht für eine produktneutrale, umfassende Kundenbetreuung und -beratung.
Kunden interessieren sich nicht für Prozesse
Aber wieviel Digitalisierung erwarten am Ende die Kunden von ihren Maklern? Pradetto sagt: „Die Fragestellung ist irreführend. Kunden interessieren sich nicht für die Prozesse ihrer Versicherungspartner. „Wer seine Kunden fragt, ob sie gerne digital mit dem Makler arbeiten wollten, werde auf wenig Interesse treffen. Tatsächlich gehe es um etwas anderes. Digitale Prozesse ermöglichten es dem Kunden, sich weniger mit Versicherungen auseinandersetzen zu müssen. Es werde bequemer und einfacher für ihn. Auf einmal fange es an Spaß zu machen, Versicherungen zu kaufen und zu verwalten. Das sei der entscheidende Unterschied und der Grund, warum Kunden digital aufgestellte Makler bevorzugten, sobald sie die Wahl hätten. Schünemann erkennt eine aktuelle Veränderung im Verhalten: „Allgemein hat die CoronaPandemie die Nachfrage nach digitalen Angeboten deutlich beschleunigt. So dient das Smartphone mitsamt seinen vielseitigen Möglichkeiten inzwischen als Kommunikationsmittel, Info-Quelle, Online-Shop, Bezahlmittel, EntertainmentMöglichkeit, Fitness-Trainer, Impfausweis und vieles mehr.“ Auch in Bezug auf eine digitale Finanz- und Versicherungsberatung werde das Thema mehr vom Endkunden angenommen. Immer mehr Kunden wollten mittels Smartphones, Tablet und Co. ihre Geldanlagen tätigen, Einblick in Depots sowie Versicherungslösungen erhalten, Verträge anpassen und mit ihrem Berater datenschutztechnisch einwandfrei kommunizieren beziehungsweise Dokumente austauschen können. Für all diese Dinge und noch viel mehr erwarte der digital- und mobileaffine Endkunde entsprechende Anwendungen von seinem Makler. Und werden diese Erwartungen erfüllt? Laut Schünemann komme es prinzipiell auf die Erwartungen der Endkunden an: „Welchen Nutzen, welche Funktionen beziehungsweise welches Erlebnis erwartet der Anwender von der digitalen Anwendung? In diesem Zusammenhang gibt es bei den bestehenden Angeboten noch Luft nach oben. Das ist auch völlig normal. So befinden wir uns beim Thema Digitalisierung in einem stetigen Transformationsprozess.“ Bestehende digitale Technologien und Prozesse wür-
den kontinuierlich an aktuellen und kommenden Erwartungen angepasst und erweitert. Für BCA als Pool bedeute dies viel Einsatz – schließlich wolle man die Erwartungen der Maklerpartner bestens erfüllen. Schünemann: „Unser Anspruch ist es, dass wir hinsichtlich Technik umfassende Leistungen anbieten, damit ein Makler langfristig erfolgreich im Markt bestehen kann. Mit Angeboten, wie dem Maklerverwaltungsservice DIVA, dem asuro Finanzmanager, dem InvestmentShop, der digitalen Strecke zur einfachen Bestandsübertragung und vieles mehr, bieten wir unserem Maklerpartnern eine aufeinander abgestimmte Komplettlösung für die hybride Beratung und Kundenbetreuung.“ Dieses Full-Service-Angebot finde sehr guten Zuspruch, und die Nachfrage habe während der Corona-Pandemie deutlich zugelegt. Makler, die sich mit den digitalen Lösungen der BCA und persönlicher Fachkompetenz auf das hybride Kundenverhalten einstellten, seien bestens für die Zukunft gerüstet. Pradetto ergänzt: „Wir wollen Erwartungen übererfüllen, den Kunden positiv überraschen. Das gelingt den Maklern von blau direkt mit seinen Versicherungspartnern schon recht gut.“
Cloud, Cloud und noch mal Cloud
Wie auch immer – man wird sich zumindest seitens der Versicherer komplett umstellen, man wird deutlich weiterdenken müssen. Und das wird direkte Auswirkungen auch auf die Makler haben. Cloud Computing wird in den kommenden zehn Jahren zu einer gängigen Technologie in der Versicherungsbranche werden, wie Umfragen von Sollers Consulting zeigen. Robotic Process Automation (RPA) wird auf dem Markt als wichtiger angesehen als Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, während Telematik und das Internet der Dinge vergleichsweise gering gewichtet werden. Mehr als acht der zehn TopVersicherer in den Märkten werden im Jahr 2031 auf Cloud und robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) setzen. Künstliche Intelligenz und
maschinelles Lernen werden ebenfalls wichtig sein, aber sie schneiden etwas schlechter ab als RPA. Während offene APIs fast ebenso wichtig sind, werden das Internet der Dinge (IoT), Telematik und Blockchain in der Versicherungsbranche nicht als Topthema angesehen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von Sollers Consulting unter Führungskräften und Fachleuten aus der Versicherungsbranche. „Die Bereitschaft zur Innovation ist weit verbreitet, und Innovationen werden entscheidende Funktionalitäten beeinflussen. Die Versicherer werden mehr Partnerschaften eingehen. Um ihre IT zu modernisieren, werden sie stark auf Cloud-Lösungen setzen“, kommentiert Michał Trochimczuk, Managing Partner und Mitbegründer von Sollers Consulting. Versicherer zeigten eine hohe Investitionsbereitschaft; dies gelte insbesondere für Deutschland. Keiner der Befragten erklärt, dass sein Unternehmen nicht bereit ist, in Innovationen zu investieren, und nur 2,6 % der Befragten geben an, dass sie nur geringfügig in Innovationen investieren werden. „Die Unterschiede in der Einstellung zur Innovation in den Märkten könnten mit dem unterschiedlichen Grad der Digitalisierung und dem Bewusstsein für die disruptive Kraft in den jeweiligen Ländern zusammenhängen“, sagt Marcin Pluta, Managing Partner und Mitbegründer von Sollers Consulting. Sollers Consulting hat in den Jahren 2020 und 2021 sein zwanzigjähriges Bestehen gefeiert. In dieser Zeit hat das Beratungsunternehmen Manager
Oliver Pradetto
Geschäftsführer blau direkt GmbH & Co. KG und Fachleute aus der Versicherungsbranche in Europa, den USA, Japan und anderen Märkten befragt. Rund 80 Manager nahmen daran teil. Ein Teil der Umfrage widmete sich der Automatisierung, die bei der Entwicklung des Versicherungsunternehmens der Zukunft eine entscheidende Rolle spielt. Die Versicherer sehen das größte Potenzial der Automatisierung in den Bereichen Berichtswesen, Policenverwaltung, Back-Office-Prozesse und Schadenbearbeitung. Zwischen 68 % und 81 % der Befragten glauben, dass diese administrativen Prozesse in hohem Maße automatisiert werden. Der Vertrieb wird in der Branche immer noch als persönliche Interaktion gesehen. Allerdings sind 33 % der Versicherungsmanager und -spezialisten davon überzeugt, dass der Vertrieb in Zukunft zu 70 % oder mehr automatisiert sein wird. „Banken und Versicherer unternehmen große Anstrengungen, den Versicherungsvertrieb zu digitalisieren. Um dabei erfolgreich zu sein, müssen sie jedoch flexible Versicherungsplattformen implementieren, die es ihnen ermöglichen, schnell auf sich verändernde Märkte zu reagieren“, kommentiert Trochimczuk. „Aggregatoren haben die Versicherungsbranche auch aus technischer Sicht verändert. Die Versicherer waren gezwungen, Lösungen zu entwickeln, um Preisvergleichs-Websites sehr schnell zu bedienen. Schnelligkeit und Preis haben im Versicherungsgeschäft an Bedeutung gewonnen. Für die Versicherer ist das immer noch eine Herausforderung“, sagt Pluta.
Rolf Schünemann
Vorstandsvorsitzender BCA AG Die Versicherer schenken laut Befragung ihren Kernsystemen, die in vielen Fällen hinter der technologischen Entwicklung zurückbleiben, zunehmend Aufmerksamkeit. Versicherungsmanager und -experten sind überzeugt, dass die Kernsysteme in die Cloud verlagert werden. Kernsysteme „on cloud“ erzielen bei den Befragten der Sollers-Umfrage die höchsten Werte, „on premise“ die niedrigsten. „Die Fachleute in der Versicherungsbranche wissen, dass Cloud eine größere geschäftliche Flexibilität und operative Effektivität gewährleistet.
Versicherung noch immer ländertypisch
Beides wird in der Ära der integrierten und intelligenten Ökosysteme immer wichtiger“, so Pluta. Die Umfragen zeigen, dass national entwickelte Versicherungs-Kernsysteme wichtiger zu sein scheinen als Kernsysteme, die international entwickelt werden. „Angesichts der Globalisierung mag die nationale Einstellung in diesem Bereich überraschen. Aber Versicherung ist immer noch ein sehr länderspezifisches Geschäft. Die Regulierung ist einer von vielen Gründen dafür“, kommentiert Trochimczuk. Die Geschwindigkeit der Digitalisierung hat ihre Grenzen noch nicht erreicht, und dafür gibt es klare Anzeichen, fasst der Sollers-Bericht zusammen. Während die Versicherungsbranche viel über datengetriebene Geschäftsmodelle spreche, werde der Wert von Daten nur in sehr vereinzelten Bereichen genutzt. 5G werde die Menge der verfügbaren Daten erhöhen. Für die Versicherer sei es eine Herausforderung, diese zu nutzen. Branchen wie Gastronomie, Tourismus und Medien sind durch das Internet stark verändert worden. „Die Produkte haben sich nicht wesentlich verändert, aber die Art und Weise, wie sie angeboten und verkauft werden, ist völlig anders. Ich bin überzeugt, dass dasselbe auch in der Versicherungsbranche geschehen wird. Es wird sogar noch weiter gehen“, sagt Trochimczuk. (hdm)