Vectura #3 Sommer 2012

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[ lat.: das Fahren]

#3 | Sommer 2012

Sportwagen 2020

NISSAN DELTAWING

LAUTLOS AM START // ELEKTROAUTOS DOWNSIZING // VOLUMENMOTOREN MARITIME TRÄUME // SEGELYACHTEN MOTORMENSCHEN // QUEEN ELIZABETH II

EDITION ZUKUNFT www.prestigemedia.ch | CHF 10.–

9 77223 5 369 009


INHALT #3

EDITORIAL

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AUSSERIRDISCH Verdammt lang her: 1971 kam das Lunar Roving Vehicle mit Radnabenelektromotoren erstmals zum Einsatz

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ABGAS ADE Alle Elektroautos, die man bei uns bis Ende Jahr tatsächlich kaufen kann

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OFFEN FÜR NEUES Wie innovationsfreudig Schweizer Autokäufer wirklich sind, erklärt Max Nötzli

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SERIENERPROBUNG Einmal Hölle und zurück: Autos müssen vor ihrem Verkaufsstart viel erdulden – so auch der Smart ED

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TANKSTOPP Welche Auflademöglichkeiten für E-Autos es inzwischen gibt und worauf man achten sollte

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CALIFORNIA TODAY Objektivität oder Schwarzmalerei? Matt DeLorenzo über die Verkehrspolitik im Golden State

UNTERWEGS ZUM HORIZONT Luxuriöse Segelyachten sind das vielleicht letzte Refugium freiheitsliebender Männer

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PLAGIATS-AFFÄRE Was den Aston Martin Cygnet so einzigartig macht – und was das neue Sondermodell bringt

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TITELSTORY Welche Technologien künftige Sportwagen auf die Überholspur bringen sollen

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HAFTUNG ÜBERNEHMEN 048090 Reifenhersteller überbieten sich mit Superlativen. Aber welcher moderne Pneu taugt wirklich etwas? PORTRAIT Der Basler Mark Stehrenberger gehört zu den wichtigsten Auto-Illustratoren der Welt

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UNTER BEOBACHTUNG Teure Fahrzeuge werden heute dreister geklaut denn je. Entsprechend raffinierter wird der Diebstahlschutz

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ABGEZÄHLT Vier und weniger Zylinder: Sparmotoren erleben eine Renaissance, denn sie können inzwischen mehr denn je

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VENGA GUAPA! Mit dem frisch überarbeiteten Seat Ibiza Ecomotive durch die quirlige Designer-Metropole Barcelona KÖNIGLICH Der völlig abgefahrene Fuhrpark der Queen

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SACKGASSEN DES FORTSCHRITTS Technische Irrtümer in der Motorenentwicklung gibt es immer wieder

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STRAMME WADEN Ein Fahrrad-Profi steigt extra für uns auf das Porsche-Bike RS um

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BROT UND BUTTER Historische Kleinwagen folgten einst materiellen Zwängen. Schick-komfortabel wurden sie erst später

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BESSER SEHEN Neue Sonnenbrillen für den Sommer

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INTELLIGENTE STADTAUTOS Lust auf weniger: Eine Hand voll neuer Citycars stellt Interessenten vor die Qual der Wahl

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SELTENE EINSICHTEN Diese überraschende Bilderserie zeigt reales Industrie-Design aus ungewohnter Perspektive IMPRESSUM

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E DI T ION

ZUKUNFT

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AUSSERIRDISCH

KEIN GEGENVERKEHR E

WER DAS ELEKTROAUTO AUF DEN MOND WÜNSCHT, KOMMT ZU SPÄT: ES LANDETE DORT BEREITS VOR MEHR ALS VIER JAHRZEHNTEN

s zählt wohl zu den dringendsten Bedürfnissen der Menschheit, neue Territorien zu erobern. Der Weltraum und fremde Planeten gehören seit jeher dazu. Als zivilisiert im modernen Sinne gilt das Terrain aber erst, wenn Touristen mit Autos in ihm herumfahren.

Text Matthias Pfannmüller · Fotos NASA

Der Erdtrabant ist so gesehen längst erschlossen: Am 26. Juli 1971 hob Apollo 15 in Cape Canaveral ab. An Bord der Mondlandefähre «Falcon» befand sich – platzsparend an der Bordwand zusammengeklappt – das Lunar Roving Vehicle, ein offenes, vierrädriges Fahrzeug mit zwei Sitzen und Allradantrieb. Doch weder Chrysler noch Ford, sondern Boeing Aerospace und GM-Zulieferer Delco Electronics hatten das LRV in mehrjähriger Arbeit entwickelt. Was logisch war, wenn man sich die technischen Vorgaben ansieht: Leichtbau und geringer Energieverbrauch zählten schon damals nicht zu den Paradedisziplinen amerikanischer Automobilproduzenten.

008 VECTURA #3


SOMMER 2012 009


Scott und Irwin verbrachten fast drei Tage auf dem Mond. Eigentlich waren es nur wenige Stunden, denn ein Mond-Tag z채hlt knapp 28 Erd-Tage

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AUSSERIRDISCH

Zur Orientierung bediente sich die LRV-Besatzung eines elektromechanischen Navigationssystems, das Radeinschlag und Umdrehungen messen und so Entfernungen und die grobe Position ermitteln konnte. Per Sonnenwinkel und Funkkontakt mit Houston über die regenschirmartige Antenne liess sich die Stellung kalibrieren und ein exakter Kurs berechnen. Aus heutiger Sicht eine primitive Technik, die vom Chip jedes SpielzeugTaschenrechners übertroffen wird. Aber es hat funktioniert. Scott und Irwin verbrachten fast drei Tage auf dem Mond. Eigentlich waren es nur wenige Stunden, denn ein Mond-Tag zählt knapp 28 Erd-Tage. Weshalb am LRV eine Beleuchtung ebenso wenig erforderlich war wie Blinker. Man stelle sich das vor: allein. Kein Gegenverkehr, weder Ampeln, Parkuhren noch Strafzettel – nichts. Nur grauer, staubfeiner Sand, weite Täler, hohe Berge und dieses Wahnsinns-Panorama mit dem Blauen Planeten am Horizont. Ein gespenstisches Szenario. Selbst die Astronauten philosophierten, wenn sie den strengen Zeitplan in wenigen Momenten ausser Acht und ihren Gedanken freien Lauf liessen. Bei Charlie M. Duke Jr., dem Lunar-Module-Piloten auf Apollo 16, der folgenden Mondmission im April 1972, schlich sich in einer Schlafpause sogar ein irrealer Traum ein: Sie seien losgefahren, erinnerte er später, und kurz darauf auf eine zweite Reifenspur gestossen. Dieser unerschrocken gefolgt, bald eine dritte entdeckt. Und in der Ferne auch den Verursacher: ein anderes LRV! Es habe einfach so in der Gegend gestanden, an Bord zwei Astronauten, bewegungslos. Sie reagierten weder auf Funkrufe noch auf Winken, also hin zu ihnen. Duke parkte daneben, stieg aus, ging hinüber. Und als er die goldbeschichteten Sonnenvisiere zurückschob, erblickte er – sich selbst und seinen Kollegen John Young! Der irritierte Raumfahrer demontierte ein Teil des fremden Rover und brachte es mit zur Erde, wo sein Alter auf mehrere Millionen Jahre taxiert wurde. Duke hat uns allerdings verschwiegen, ob er schweissgebadet aufgewacht ist. Trotzdem eine gänsehautmässig gute Geschichte, fast so gut wie das hartnäckige Gerücht, die Mondmissionen hätten nie stattgefunden, sondern wären nur eine von vielen Medien-Inszenierungen der US-Regierung gewesen: Capricorn lässt grüssen. SOMMER 2012 013


Wer eines der Mondautos sehen will, braucht ein verdammt gutes Fernglas


AUSSERIRDISCH

Letzter Verdacht wird von dem Faktum genährt, dass die Mondexpeditionen für manche Kritiker zu problemlos verliefen. Tatsächlich sind von den drei LRV-Einsätzen nur wenige Pannen überliefert: So ging beim Ausladen des dritten Rover der Apollo17-Mission im Dezember ’72 ein Kotflügel zu Bruch, was im Fahrbetrieb viel Staub aufwirbelte. Commander Gene Cernan und Harrison H. Schmitt reparierten das Teil auf pragmatische Weise – mit Klebeband und einigen Blättern der über 200 Seiten starken LRV-Betriebsanleitung.

Mit Apollo 17 und nach nur zwölf Jahren wurde das Mondfahrprogramm der NASA frühzeitig beendet – man hatte alles erreicht. Seitdem hat kein Mensch mehr den Mond betreten. Trotzdem sind auch die Russen auf ihm herumgefahren; 1970 und ’73 schossen sie zwei ferngesteuerte Mobile namens Lunakhod rauf. Die sahen aus wie achträdrige Badewannen, wurden nachts radioaktiv beheizt und konnten so mehrere Monate eingesetzt werden. Sie und die drei LRV sind natürlich noch oben. Wer eines der Mondautos sehen will, braucht aber ein verdammt gutes Fernglas.

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ELEKTROANTRIEB RUBRIKEN

UNTER STROM Text map · Fotos Werk

HYBRIDAUTOS, VOR ZEHN JAHREN NOCH EINE SENSATION, SIND INZWISCHEN ALLTÄGLICH. HEUTE SIND E-MOBILE DER LETZTE SCHREI: ES GIBT UNZÄHLIGE KONZEPTE, DIE MEISTEN VON IHNEN BLEIBEN ILLUSION. DOCH WAS KOMMT WIRKLICH AUF DIE STRASSE? VECTURA NENNT ALLE ELEKTRO-SERIENAUTOS, DIE BIS ENDE 2012 IN DER SCHWEIZ VERFÜGBAR SEIN WERDEN 016 VECTURA #3



ELEKTROANTRIEB

Smart Fortwo Electric Drive

Chevrolet Volt

Tesla Roadster

Fisker Karma

W

er sich heute ernsthaft für ein bestimmtes E-Auto interessiert, muss allzu oft lesen: «Voraussichtlich lieferbar ab …» Das Label «emissionsfrei» sorgt momentan für die gewünschte Aufmerksamkeit, kommt aber ohne Anspruch auf Erfüllung. Entsprechend schwierig ist es für potentielle Käufer, die sich einen Überblick verschaffen wollen. Am besten, so sollte man meinen, geht das im Internet. Doch viele Webseiten sind hoffnungslos veraltet, andere lassen relevante Vergleichsdaten vermissen. Wir haben deshalb eine übersichtliche Tabelle mit allen kaufbaren E-Autos erstellt, die garantiert aktuell ist und sogar ohne Steckdose funktioniert. Auf Parameter wie Kraftübertragung oder Radstand wird hier bewusst verzichtet, weil sie in diesem Zusammen018 VECTURA #3

hang völlig unerheblich sind. Viel wichtiger erscheint die Anzahl der Sitzplätze oder das Gewicht, weil es vorrangig um Alltagsnutzen und Reichweite geht. Und natürlich um den Nutzungsausfall, also die Ladezeiten. Die Ausschluss-Kriterien bei dieser Auflistung lauten dagegen: keine Angebote wie den viertürigen Coda, weil es ihn nicht bei uns, sondern nur in den Vereinigten Staaten zu kaufen gibt. Dazu verzichten wir auf Dreiräder wie das Twike, weil das eben kein Auto ist. Der Toyota Prius Plug-in muss auch draussen bleiben: Er kann zwar über 20 Kilometer weit rein elektrisch fahren; trotzdem rangiert er unter Hybridfahrzeug. «Gehhilfen» wie der Meco EH Line EMH01 bleiben ebenfalls aussen vor – obwohl manche meinen, der hier aufgeführte Renault Twizy gehöre in diese Kategorie. Er ist als Tandem-Zweisitzer zwar grenzwertig, trägt aber ein richtiges Kennzeichen, kann also auch auf Autobah-


Viermal Renault (von links nach rechts): Twizy, Fluence, Kangoo, Zoe

nen bewegt werden. Und vielleicht bevölkern raumsparende Fahrzeugkonzepte wie er die Städte von morgen, sind bald modische Verbrauchsartikel wie das neueste Smartphone.

Volvo C30 Electric

Käufer haben also die Qual der Wahl, staunen über die wachsende Vielfalt des Angebots und die breite Preisspanne. 15 teils baugleiche Modelle (drei sind mit Range-Extender unterwegs) von einem Dutzend Anbietern sind aktuell in der Schweiz verfügbar. Von Anfang mit Elektro-Antrieb konzipierte Fahrzeuge wie der Nissan Leaf oder Think City bilden inzwischen die Mehrheit, doch auch umgerüstete Benziner wie Smart Fortwo oder Volvo C30 Electric sind unter ihnen. Dabei wird es nicht bleiben: Ford bringt Ende Jahr einen Focus Electric, Chevrolet lanciert 2013 den relativ günstigen E-Spark und VW unter anderem den Golf Blue-E-Motion. SOMMER 2012 019


PROTOTYP

024 VECTURA #3


AUF DIE HARTE TOUR E-MESSIAS ZUM KAMPFPREIS: DIE DRITTE GENERATION DES ELEKTRO-SMART SOLL DIE MOBILE WELT ELEKTRISIEREN. DAMIT BLOSS NICHTS SCHIEF GEHT, HAT DAIMLER DEN FORTWO FÜR DIE STECKDOSE IN GNADENLOSEN TESTS AUF DIESE MISSION VORBEREITET Text Ralf Bielefeldt · Fotos Dirk Weyhenmeyer

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ie schwarz-rote Motorenabdeckung mit Mercedes-Stern und V6-Kürzel prangt an der weiss lackierten Wand wie eine Jagdtrophäe. «Hybrid» und «221» steht gross darauf. Dazu, kleiner, mit dem gleichen weissen Filzer geschrieben: «Serien-Freigabe 02/2009». Auf Naht über dem Souvenir aus dem S 400 Hybrid (intern: W 221) hängt ein blau gerahmtes Foto mit dem Vermerk «19.02.– 10.03.2007». Mindestens 40 Leute grinsen auf dem Farbabzug um die Wette. Fast alle tragen schwarze Polohemden und Shorts. Ein paar von ihnen sind auch auf dem Bild mit dem Eintrag «Sommererprobung, 26.2.–12.3.2010, 169er + 451er». Die Baureihen-Kürzel für A-Klasse und Smart II.

Die Wand mit den Erinnerungsfotos gehört zu einem umfunktionierten Hangar am Rande des Flughafens von Upington in Südafrika. Drei Hebebühnen verraten, dass hier nicht nur Propellermaschinen gewartet werden. 25 mal 57 Meter misst die luftige Halle. Fünf grosse Türen und ein riesiges Rolltor dienen als Ein- und Ausfahrten – und als Schlupflöcher für die wabernde Hitze, die vor den Pforten des gelben Baus die Luft flirren lässt. 38 Grad zeigt das Aussenthermometer, mittags, kurz vor zwölf. «Warme Klimazone» nennt sich das im Entwickler-Jargon. Eine sehr nüchterne Betrachtung der Backofen-ähnlichen Wetterbedingungen am Rande der Kalahari-Wüste. Nachts im Durchschnitt 18 bis 20 Grad Celsius, tagsüber gern das Doppelte, macht im Mittel um und bei 25 bis 28 Grad – und in Autos bis zu 60 Grad und mehr, je nach Sonnenstand. Ideale Bedingungen für einen elementaren Praxistest im Leben eines nahezu serienreifen Autos: die «Sommererprobung». Weitab von allzu neugierigen Blicken, aber mit intakter Infrastruktur. Sogar eine HighspeedStrecke gibt es: 55 Kilometer Landstrasse, gesäumt von Telefonund Strommasten, tempolimitiert auf 250 km/h. «Nur autorisierte Fahrzeuge», warnt dann und wann ein gelbes Schild am Rand der Tiefflugpiste. Absperrungen gibt es nicht. An Bord des Frachtfliegers, der am 16. Januar 2012 in Upington auf der mit knapp fünf Kilo-meter längsten zivil genutzten Landebahn der Südhalbkugel aufsetzt, sind vier rein elektrisch fahrende Smart Fortwo Coupés, zwei ebenso motorisierte Cabrios sowie ein Fortwo Cabrio mit Verbrennungsmotor als Referenzfahrzeug. Finale Testreihen und Bestätigungen vorausgegangener Er-probungen stehen an, 14 Tage lang, mit 15 Mann. Dann folgt der Pflicht die Kür, nach fast drei Jahren intensiver Arbeit wird es ernst: Entwicklungsfreigabe, dann Qualitätsfreigabe und schliesslich Verkaufsfreigabe. Der Startschuss für die automobile Elektrifizierung von über 30 Ländern weltweit. Den Anfang machte Deutschland im Juni 2012; die Schweiz ist ab Oktober dabei.

SOMMER 2012 025


PROTOTYP

E-Autos werden für die Stadt gebaut – der Smart Fortwo sowieso

Von Geländetauglichkeit ist keine Rede im Lastenheft, von einwandfreien Leistungen selbst bei 60 Grad Hitze schon. Die offizielle Highspeedstrecke bei Upington erlaubt Tempo 250. Der E-Smart schafft gut die Hälfte

Mit Schnell-Lader ist das 17,6-Kilowattstunden-Kraftwerk im Fahrzeugboden in weniger als 60 Minuten wieder aufgeladen; normales «Stromtanken» dauert circa sieben bis acht Stunden. Entwickelt wurde die neue Lithium-Ionen-Batterie von der «Deutschen ACCUmotive», einem Joint-Venture von Daimler mit Evonik Industries. Die in der Schweiz obligatorische Wallbox zur gefahrlosen Entnahme von Strom aus dem Haushaltsnetz entfällt beim E-Smart. Der Stromer aus dem französischen Hambach stellt sich automatisch auf die Elektroinfrastruktur des jeweiligen Landes ein.

höhere Geschwindigkeiten interessieren nicht so», meint Schenk. «E-Autos werden für die Stadt gebaut», der Smart Fortwo sowieso. Mehr Dampf an der Ampel, mehr Reichweite für die Zauderer – darum ging es. Gleichwohl, für Statistiker: 13 Sekunden gibt Smart für den Spurt auf Tempo 100 an. Der Permanentmagnetmotor mit maximal 55 kW ermöglicht eine offizielle Höchstgeschwindigkeit von «über 120 km/h», je nach Ladezustand und Gegenwind. Viel schneller ist der Smart cdi (135 km/h) auch kaum – und auf Schweizer Autobahnen ist ohnehin nicht mehr erlaubt.

Wichtige Erkenntnisse hierfür lieferten die Feldversuche mit den Vorgängern. Generation I, ab 2007 exakt 100 Mal gebaut, und Generation II (ab 2009, 2000 Exemplare) standen jeweils nur einem übersichtlichen Kreis von Testpersonen zur Verfügung – die fünf Jahre lang fleissig Daten und Erfahrungswerte lieferten für die grosse Smart-Strom-Offensive anno 2012. Generation Nummer 3 ist für alle da und soll die Welt elektrisieren – als bezahlbarer Spassmacher mit schneeweisser Umweltweste und Karacho-Antrieb.

«Wir haben uns mit diesem Auto wirklich sehr, sehr viel Mühe gegeben», versichert Vollblutschwabe Schenk. Er gehört zu den Menschen, denen man so etwas glaubt. Ein Tüftler, Frickler, Entwickler durch und durch. Kurz: jemand, der frei nach der Landeswerbung «alles kann ausser Hochdeutsch». Fünfstellige Produktionszahlen peilt Daimler an – pro Jahr. Der Schweizer Startpreis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest; in Deutschland kostet der E-Smart rund 16 000 Euro plus Mehrwertsteuer und Batteriemiete (knapp 60 Euro netto/Monat). Ab 2013 wollen VW mit dem e-up! und BMW mit dem i3 dagegenhalten. «Das elektrische Zeitalter ist endgültig angebrochen», frohlockte Smart-Chefin Annette Winkler bereits bei der Präsentation auf der IAA 2011. Kein schlechter Spruch fürs nächste Erinnerungsfoto.

Fahraktiv wie ein Kart, spielt das neue Modell die Stärke des Elektromotors – volles Drehmoment ab null Umdrehungen – ungeniert aus. Nach fünf Sekunden erreicht der Zweisitzer Tempo 60, die magische Marke für E-Autos. «Die Beschleunigungszeiten auf 028 VECTURA #3



DIE KRAFT AUS DEM KABEL REICHWEITE UND EINSATZBEREITSCHAFT BESTIMMEN HEUTE ÜBER ERFOLG UND MISSERFOLG DES ELEKTROAUTOS. WIR ERKLÄREN DIE UNTERSCHIEDLICHEN LADEMETHODEN Text Marc Kudling · Fotos Werk

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lektroautos sind derzeit auf dem Vormarsch. Denn trotz vieler offener Fragen und Probleme, die sie noch mit sich bringen, scheinen die Vorteile zu überwiegen. Schliesslich herrscht Konsens darüber, dass wir uns von tradierten Energiesystemen verabschieden wollen. Und bei aller Skepsis darf nicht vergessen werden, dass das Elektroauto mit jeder Kilowattstunde Strom, die mit Hilfe eines neuen Wasser-, Wind- oder Solarkraftwerkes gewonnen wird, sauberer wird. Zudem ist der E-Antrieb mit einem Wirkungsgrad von 90 Prozent etwa dreimal so effizient wie ein moderner Verbrennungsmotor, bei dem mehr als die Hälfte jeder Tankfüllung als Verlustwärme in die Umwelt geblasen wird. Der hohen Effizienz des Elektroantriebes verdanken wir es aber überhaupt erst, dass die durchschnittliche Reichweite inzwischen bei praktikablen 150 Kilometer liegt – denn die Energiedichte von Batterien ist im Vergleich mit Benzin oder Diesel sehr gering. Da auch in naher Zukunft keine relevante Steigerung der Energiedichte zu erwarten ist, spielt die Ladezeit (und mit ihr die Standzeit) bei vollelektrischen Fahrzeugen je nach Nutzungsprofil eine entscheidende Rolle. Wir haben uns die einzelnen Ladetypen angeschaut und erklären die Unterschiede. 030 VECTURA #3

Standard-Steckdose Diese ist die einfachste aller Lademethoden, aber auch die langsamste. Jedes Elektroauto kann auf diesem Wege per handelsübliches Kabel bequem zuhause aufgeladen werden. Die Zeit, um leere Autobatterien über einen solchen Wandanschluss wieder aufzufüllen, beträgt zwischen fünf und 15 Stunden – abhängig davon, wie leer die Batterien sind und über welche Leistungsfähigkeit die Steckdose verfügt. In Europa liegt diese maximal bei 3,7 Kilowatt (230 Volt und 16 Ampere). Sind es bei der deutschen Steckdose meist noch Stromstärken von 16 Ampere, findet man in der Schweiz üblicherweise nur 13 oder sogar zehn Ampere vor – je nach Alter des Hauses und der Installation. Zudem ruft ein Elektroauto die volle Leistung über einen längeren Zeitraum ab, was zu einer Belastungsprobe für die örtliche Verkabelung werden kann. Da wundert es nicht, dass Nissan beim Leaf für diese Art von Ladevorgängen nur von einem «Notladekabel» spricht und den Ladestrom aus Sicherheitsgründen auf acht Ampere begrenzt. Generell empfiehlt es sich also, vor der Anschaffung eines Elektroautos die lokalen Gegebenheiten zu überprüfen und die maximale Ladeleistung bestimmen zu lassen. Alternativ kann auch eine sogenannte Wallbox installiert werden, die wie ein


LADETECHNIK

Neuer Schnelllade-Standard: Das Combined Charging System geht Ende 2012 in Europa und den USA an den Start

Da auch in naher Zukunft keine relevante Steigerung der Energiedichte zu erwarten ist, spielt die Ladezeit (und mit ihr die Standzeit) bei vollelektrischen Fahrzeugen eine entscheidende Rolle

Adapter funktioniert und für das sichere Laden sowie die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Steckdose sorgt. Die «Wandbox» zur gefahrlosen Entnahme von Strom aus dem Haushaltsnetz stellt also eine sinnvolle Ergänzung dar. Viele Hersteller von Elektroautos bieten eine solche Lösung meist gegen Aufpreis in Zusammenarbeit mit Ökostromanbietern an – beim neuen Toyota Prius Plug-in Hybrid, der ab Herbst diesen Jahres auf dem Schweizer Markt erhältlich sein wird, gehört die Wallbox sogar zur Standardausrüstung. Schnellladung Praktisch für gewerbliche Szenarien wie etwa Kurierdienste und Car-Sharing (aber auch für die monatliche Fahrt zur Oma aufs Land, die sich vielleicht finanziell am Autokauf beteiligt hat) sind Schnellladesysteme, mit deren Hilfe ein Elektroauto meist in unter einer Stunde wieder vollständig aufgeladen werden kann. Grundsätzlich gilt es zwischen AC- und DC-Schnellladungssystemen zu unterscheiden: Der Unterschied besteht darin, an welcher Stelle der Strom von Wechselstrom (engl. alternating current, AC) aus dem Netz auf den Gleichstrom (engl. direct current, DC) für die Batterie umgewandelt wird. Wo also sitzt das Ladegerät, das nichts anderes macht, als diese Ströme zu transformieren – inner- oder ausserhalb des Autos? Bei der Lademethode via Standard-Steckdose ist das Ladegerät immer im Fahrzeug eingebaut, da es aufgrund der geringen Ladeleistung von 3,7 kW relativ kompakte Dimensionen einnimmt und nur wenig Abwärme produziert, also keine aufwendigen Kühlsysteme benötigt. Beim Schnellladen werden jedoch Leistungen von bis zu 50 kW erreicht, weshalb auch die Ladegeräte deutlich grösser ausfallen. Befindet sich das Ladegerät ausserhalb des Autos, spricht man üblicherweise von einer DC-Ladesäule. Diese stationäre Anlage wandelt den Wechselstrom zu Gleichstrom, bevor

er in das Auto gelangt. Hier hat sich bisher der De-facto-Standard «CHAdeMO» etabliert. Das Akronym steht einerseits für die englischen Wörter «Charge» und «Move» und ist gleichzeitig eine Abkürzung des japanischen Satzes «O cha demo ikaga desuka». Übersetzt bedeutet das so viel wie: «Lasst uns beim Aufladen einen Tee trinken.» Fahrzeuge wie der Mitsubishi i-MiEV oder Nissan Leaf unterstützen diesen Standard, aber auch die neue TeslaLimousine Model S wird sich auf diese Weise schnellladen lassen. Der generelle Vorteil der DC-Ladestrategie ist, dass sich mehrere Fahrzeuge die relativ kostenintensive Stromzapfsäule teilen können. Umso wichtiger ist es deshalb, dass solche Anlagen in regelmässigen Abständen und an strategisch sinnvollen Standorten platziert werden, damit sich der Aktionsradius von E-Automobilen sinnvoll erweitern kann. Deutlich flexibler ist derzeit die Lösung des AC-Schnellladens, bei der jedes Auto sein eigenes Gerät an Bord hat. Da der Strom nicht extern in Gleichstrom gewandelt werden muss, gibt es theoretisch die Möglichkeit, das E-Auto an jedem Drehstromanschluss in kürzester Zeit wieder aufzuladen. Zwar sind auch hier (wie beim Standard-Laden) aus Sicherheitsaspekten Wallboxen notwendig; diese intelligenten Steckdosen kosten mit bis zu 3000 Franken jedoch deutlich weniger als DC-Schnellladestationen. Zudem verfügen viele der heute vorhandenen öffentlichen Ladesäulen (Liste unter www.lemnet.org) bereits über Drehstromanschlüsse mit 22 kW. Diese Leistung reicht aus, um die Batterien der meisten Elektroautos in etwa einer Stunde wieder aufzutanken. Erste Fahrzeuge mit Onboard-Schnellladesystemen werden der Renault ZOE und die neue Generation des Smart ED sein, die beide in der zweiten Jahreshälfte 2012 auf den Markt kommen (siehe S. 16ff.). Audi, BMW, Chrysler, Daimler, Ford, General Motors, Porsche SOMMER 2012 031


KLEIN & FEIN NEUE SPARMOTOREN GEIZEN NICHT NUR MIT HUBRAUM, ZYLINDERZAHL UND VERBRAUCH. SIE SIND AUCH INGENIÖSE WUNDERWERKE AUF TECHNISCH HÖCHSTEM NIVEAU Text Hubertus Hoslin · Fotos Werk

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ompakte, beinahe schon filigrane Triebwerke mit weniger als vier Zylindern kommen nach Jahrzehnten der Geringschätzung wieder gross in Mode im Automobilbau. Das geschieht jedoch nicht ganz freiwillig, sondern weil der Gesetzgeber diese Entwicklung per Ultimatum erzwingt: Künftige Verbrauchsnormen beziehungsweise die mit ihnen verknüpfte europäische C02-Gesetzgebung sind ohne ultimativ sparsame und saubere Triebwerke ganz einfach nicht erreichbar. 036 VECTURA #3

Während in Europa der je nach Wagengrösse mit genügend Hubraum dotierte Vierzylinder für kleine und mittlere Fahrzeuge während Jahrzehnten das Mass aller Dinge war, strebte beispielsweise der amerikanische Automobilbau lange zu Höherem. Nach dem vierzylindrigen Ford Model T machte zuerst der Reihensechszylinder Furore, bevor ab den fünfziger Jahren ein Achtender den US-motorischen Status quo markierte. Erst die Energiekrisen von 1973 und '79 führten in den Staaten zum so


2 DOWNSIZING

MINIMAL-MOTORISIERUNG

Zweizylindermotoren fanden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in das Automobil, zum Beispiel bei Opel oder Skoda. Als 1948 schliesslich der Citroën 2CV vorgestellt wurde, reichten noch 9 PS aus 375 cm3 Hubraum, um die Fuhre auf 65 km/h zu beschleunigen. Im Laufe seines langen Lebens wuchs der Hubraum dieses hier abgebildeten luftgekühlten Zweizylinder-Boxer bis 1990 in mehreren Schritten auf zuletzt 652 cm3 und 34 PS. Ein ähnlicher Motor mit 610 cm3 und zunächst 24 und dann 40 PS war bereits zwischen 1945 und '54 von Panhard verwendet worden. Auch der 1957 präsentierte Fiat Cinquecento wurde anfänglich von einem luftgekühlten Zweizylinder-Reihenmotor mit nicht mal einem halben Liter Hubraum befeuert. Trotzdem leistete er 13 PS, wenngleich ein findiger Carlo Abarth mehr als das Doppelte herauszukitzeln verstand. Im zweitürigen BMW 700 (1959–1965) tat ein bis 40 PS starker Motorrad-Boxer Dienst. Nicht zuletzt bei japanischen Kleinwagen der 60er-Jahre (Daihatsu, Honda, Mitsubishi, Subaru, Suzuki oder Toyota) kamen einige Reihen-Twins mit ähnlichen Leistungsdaten zum Einsatz, bevor man dort einen Topf hinzufügte: Ohne weitere Zylinder gab es damals einfach keine technischen Möglichkeiten, um mehr Power zu generieren. Mit dem 35 cm kurzen, 875 cm3 grossen und 85 PS starken TwinAir-Triebwerk, das der Fiat-Konzern sowohl im Fiat 500 als auch im Alfa Romeo Mito und Lancia Ypsilon verwendet, erlebt der Zweizylinder in Europa ein Comeback. Eine Stopp-Start-Automatik ist Serie. Das «Air» in der Namensbezeichnung bezieht sich auf eine elektrohydraulisch-variable Ventilsteuerung, die ohne Einlass-Nockenwelle auskommt: Das verbessert den Wirkungsgrad, und der betriebene Aufwand macht sich an der Zapfsäule bezahlt. Durchschnittsverbrauch im Fiat 500: 4,1 Liter – für Benziner ist das eine kleine Revolution. Weitere Twin-Air-Versionen sollen schon in Kürze folgen.

genannten «down-sizing» – Fahrzeuge schrumpften zum Teil erheblich und in der Folge gab es wieder vermehrt Sechs- oder Vierzylinderaggregate. Ähnliches geschieht jetzt in kleinerem Ausmass in «Old Europe» und es darf davon ausgegangen werden, dass diese Entwicklung bald auch andere Länder und Erdteile erreichen wird. Das Umdenken in den Führungsetagen der internationalen Automobilindustrie hat schon längst eingesetzt. Erste Ergebnisse des neuen Motor-Mainstream liegen vor und können nicht mehr nur auf Ausstellungen, sondern inzwischen auch beim Autohändler besichtigt werden. Drei Töpfe genügen Neben hubraumschwachen, aber aufgeladenen Vierzylindern, die im Extremfall sogar mit einer Kombination aus Kompressor und Turbolader aufgerüstet werden, feiert

neuerdings der Dreizylinder eine ungeahnte Renaissance. Zuletzt fristete diese Spezies ein liebloses Schattendasein, drückte sie doch meist kleinseriellen Öko-Mobilen mit unverkennbarem Stakkato den akustischen «Armut»-Stempel auf. Zu lange war es her, dass DKW ab den Fünfzigern mit seinem intelligenten 3=6 auch die Herzen von Sportfahrern erobert hatte! 3=6 hiess das Modell übrigens, weil sein Dreizylinder-Zweitakter mit exakt derselben Zündkadenz arbeitete wie ein feudaler Sechszylinder-Viertaktmotor. Dem Viertakt-Dreizylinder verhalfen bei uns ab Ende 70er-Jahre japanische Häuser wie Daihatsu und Suzuki zum Durchbruch, während europäische Hersteller den damit einhergehenden «Billig»-Status noch längere Zeit meiden sollten. In unseren Breitengraden wurde nun mal der Vierzylinder favorisiert, wenn auch mit geringeren Hubräumen als beispielsweise in den Drehmoment-verwöhnten USA. SOMMER 2012 037


RÜCKSPIEGEL

KURZ & GUT NICHT GLÄNZENDE PRUNK-KAROSSEN, SONDERN PRAGMATISCHE KLEINWAGEN HABEN EINST DIE MASSENMOBILISIERUNG ERMÖGLICHT. VECTURA BLÄTTERT DURCH DIE VIELFÄLTIGE MODELLGESCHICHTE DIESER FAHRZEUGGATTUNG Text Roger Gloor · Fotos Archiv Gloor, Archiv Görg, Werk

044 VECTURA #3


Der aufblühende Automobilhandel verlangte zusehends auch nach Motorwagen für Selbstfahrer

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leine Autos, einst als Fortbewegungsmittel des kleinen Mannes belächelt, sind heute beliebter denn je. Zu den Anfängen des Automobils war es genau umgekehrt: Weil sich ohnehin nur Gutbetuchte eine «motorisierte Kutsche» leisten konnten, spielten kompakte Modelle bloss eine Aussenseiterrolle. Zugegeben, die allerersten für den Privatgebrauch gedachten Automobile waren noch recht klein, sowohl die ab 1883 kommerzialisierten Dampfmobile von De Dion-Bouton wie die ab 1886 konstruierten Fuhrwerke mit Verbrennungsmotor von Karl Benz. Sie galten zunächst bloss als Spielzeuge der Hautevolee, und selbst reiche Adepten moderner Technik setzten sie denn noch kaum als Alternative zu Pferdewagen ein, mit denen man zuverlässig von A nach B reisen konnte. Erst um die Jahrhundertwende erwies sich eine Fahrt per Automobil auch für das Anpeilen ferner Ziele als zweckmässig. Damit ein «pferdeloser Wagen» hinsichtlich Komfort mit traditionellen, geschlossenen Kutschen mithalten konnte, mussten die Automobilhersteller zusehends grössere und stärkere Fahrgestelle und Motoren bereitstellen. Gleichzeitig transferierten Karosseriefirmen ihr Können und Wissen vom Kutschenbau auf das neue Verkehrsmittel, welches statt von einem Kutscher nun per «Chauffeur» gesteuert wurde. Immer mehr Selbstfahrer Parallel zu motorisierten Luxusgefährten verlangte der aufblühende Automobilhandel zusehends auch nach Motorwagen für Selbstfahrer. Diesen genügten mitunter bloss zwei Sitze und ein Notverdeck. Das niedrigere Gewicht solcher Modelle verhalf zu verbesserter Handlichkeit und höheren Fahrgeschwindigkeiten. Klar, dass damit auch mehr Fahrspass aufkam. Gleichzeitig erkannten die Automobilhersteller in solchen Leichtbauwagen das Potential rennsportlicher Einsätze und damit ultimativer Werbemöglichkeit. Unter dem Druck der rasch wachsenden Konkurrenz entstanden dem Prestige dienende Rennzweisitzer mit bis zu 20 Liter Hubraum. Solche weitgehend karosseriefreien Boliden kamen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in spektakulären, von den Publikumsmassen applaudierten Monsterrennen von Stadt zu Stadt zum Einsatz …

Zweimal Peugeot: links der von Ettore Bugatti konstruierte Bébé Typ BP1 (4 Zyl., 855 cm3, 10 PS, Bj. 1912); oben ein 1921er Typ 161 «Quadrilette» mit gleich starkem Antrieb und Tandem-Bestuhlung

Perfektes Kleinauto – und zudem Symbol für die Motorisierung der Frau: Citroën 5 CV (4 Zylinder, 856 cm3, Jahrgang 1921)

Zunehmend erschwinglich Auch nach der Jahrhundertwende blieb das Automobil ein Privileg der Oberschicht, sprich Adel und Industrielle. Und es war gerade die industrielle «Serienherstellung» – wenn auch noch längst ohne Fliessband –, die das Motorfahrzeug allmählich auch für kleinere Unternehmer und vermögende Private erschwinglich machte. Die zunehmend breiter werdende Modellpalette der grossen Hersteller wuchs am unteren Ende entsprechend stark. SOMMER 2012 045


048 VECTURA #3


RÜCKSPIEGEL

Damals Volksmodell, heute ein Klassiker: Der ab 1958 gebaute, keine drei Meter kurze Fiat Nuova 500 mit 13,5 PS aus luftgekühlten 479 cm3 und zwei Zylindern bewies Dolomiten-Tauglichkeit. Bis 1977 entstanden über 3,7 Millionen Exemplare

Das BMW 700 Coupé mit Michelotti-Karosserie war rassige 354 cm lang und kam 1959 zunächst mit einem 30-PS-Zweizylinder-Motorrad-Boxermotor daher. Ein Mini darf in diesem Beitrag nicht fehlen: Der 305-cm-Brite (1959–2000) gilt als genialster Kleinwagen und fuhr ursprünglich mit 33,5 PS; später gewann er sogar Rallyes. Im Bild die frühe Morris-XXL-Version namens Traveller

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7 SHOWROOM

3,71 Meter lang und 750 Kilo schwer – das war 1974 der erste VW Golf. Die inzwischen sechste Modellgeneration wiegt heute zwischen 1,1 und 1,6 Tonnen, misst in der Länge knapp 4,6 Meter. Da drängt sich die Frage auf: Warum sind Kompaktautos in den letzten Jahrzehnten immer grösser und schwerer geworden? Die Antwort ist vielschichtig. Zum einen sind die gesetzlichen Vorgaben zu den Themen Sicherheit und Emissionen im Lauf der Zeit immer strenger geworden, mussten die Autos immer mehr können – ein frugaler Tata Nano ist darum in unseren Breitengraden gar nicht zulassungsfähig. Das mit dem Wachstum einhergehende Mehrgewicht musste mit stärkeren Motoren kompensiert werden, denn natürlich sollte kein neues Modell langsamer sein als sein Vorgänger. Hinter dieser Strategie standen wachsende Ansprüche der Verbraucher, die sich zudem mehr Platz und Komfort wünschten. Ergo wurden beliebte Baureihen immer voluminöser, um ihre Stammklientel auch beim nächsten Autokauf zu binden – und um Fahrer anderer Marken anzulocken. Solche Beispiele machten Schule, sie funktionieren bis heute und so weiter.

ZWERGE WO HÖREN KLEINWAGEN AUF, WO FANGEN KOMPAKTE AN? ANGESICHTS VERWIRRLICHER KLASSENBEZEICHNUNGEN SPRECHEN WIR HIER ÜBER AUTOS DER VIER-METER-KATEGORIE VON 350 BIS 420 CM – UND BESTAUNEN DIE VIELFALT. BESONDERS EN VOGUE: PRAKTISCH-SCHICKE SPARWUNDER WIE DIESE HIER Text Hubertus Hoslin · Fotos Ian G.C. White, Werk

In der Konsequenz wuchsen neue Baureihen von unten nach, um die entstandenen Lücken zu schliessen. Denn nach wie vor sind erschwingliche Fahrzeuge unter (oder knapp über) vier Meter sehr beliebt. Das liegt zum einen an der Infrastruktur bestimmter Städte – in den Gassen von Rom beispielsweise würde ein SUV schlicht stecken bleiben. Zum anderen handelt es sich um besonders wendige und übersichtliche, also auch leicht beherrschbare Fahrzeuge. Und es soll ja Leute geben, die einfach kein grösseres Auto haben möchten. Nicht zuletzt sind es diese kleinen Autos, denen heute wieder eine starke Bedeutung zukommt. Denn nur mit ihnen gelingt es den Herstellern, kommende Abgasnormen und Flottenverbräuche zu erfüllen. Wer sich für einen Kleinwagen entscheidet, muss dabei keine Abstriche machen. Sicherheitsfeatures wie ABS, Airbags, aktive Kopfstützen oder automatische Notbremssysteme sind inzwischen kein Privileg der «Grossen» mehr. Mittlerweile haben diese Zutaten auch das A- und B-Segment erreicht; ESP ab Werk wird bald sogar gesetzlich vorgeschrieben sein. Selbst Optionen wie Abstands-Tempomat oder Kurvenlicht werden optional angeboten. Sparen und Spass haben ist also kein Widerspruch, wie unsere Auswahl beweist. Manche Modelle haben sogar Kult-Potential.

1 L FOR LARGE: FIAT 500L

Wenn Fiat eine 500er-Variante lanciert, geht es natürlich um Design. So war es beim Halb-Cabrio 500C oder den Abarth-Abarten und so wird es auch beim kommenden 500L sein. Dessen L in der Typenbezeichnung steht für «Large», also gross oder gedehnt, und das ist bei 410 cm Länge gerechtfertigt (500 Limousine: 354,5 cm). Der 500L ist also der Minivan in der Cinquecento-Familie und besonders schick, um gegen Trendsetter wie Mini Countryman oder Opel Meriva punkten zu können. Das sollte dem Italiener problemlos gelingen, denn er hat nicht nur Stil, sondern bietet auch viel Inhalt. Der beginnt mit einem luftigen Innenraum, der auch grosse Menschen problemlos aufnimmt. Hinter der verschiebbaren Rückbank schliesst sich ein 450 Liter grosser Kofferraum an (umgeklappt bis ca. 1500 L). Zunächst stehen vier Benziner mit zwei, drei und vier Zylindern sowie 85 bis 105 PS zur Verfügung. Nähere Details gibt es noch nicht, denn der 500L kommt erst im Herbst und dürfte dann ab geschätzten 23 500 Franken zu haben sein.

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FUTURE NOW: FORD FIESTA ECONETIC Der aktuelle, 2008 eingeführte Fiesta sieht nach wie vor sehr frisch aus. Und mit seiner jüngsten Motorisierung, einem 1,6-L-Duratorq-Turbodiesel, nimmt der 395 cm lange Kleinwagen gar für sich in Anspruch, der Sauberste aller je gebauten SerienFord zu sein. Dank Stopp-Start-System knausert der Selbstzünder mit dem Sprit; das Werk gibt nur 3,3 Liter Durchschnittsverbrauch und 87 Gramm CO2 pro Kilometer an. Die Passagiere der wahlweise mit zwei oder vier seitlichen Türen lieferbaren, Econetic II Diesel ge-nannten Sparversion müssen derweil nicht darben: 95 PS und das maximale Drehmoment von 205 Nm versprechen ordentliche Fahrleistungen und 175 km/h Spitze. Dazu kommen die saubere Verarbeitung und eine attraktive TrendAusstattung mit Fahrerknie-Airbag, ZV, Lederlenkrad oder CDRadio, kaufbar ab 24 980 Franken.

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VERLOCKUNG AUS FERNOST: KIA PICANTO

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GEHEIMTIPP? HONDA JAZZ HYBRID Vor über 15 Jahren wurde der Hybrid-Antrieb in Japan zur Serienreife gebracht. Honda gehörte damals zu den Pionieren. Seither hat die Marke viele weitere IMA-Hybriden (Integrated Motor Assist) auf den Markt gebracht; mit steigendem Volumen wird nun die Kleinwagenklasse teil-elektrifiziert. So ist der patente Jazz seit 2011 mit einem aus 1,3-L-Benzin- und Elektromotor kombinierten Antrieb zu haben. Der leistet insgesamt 102 PS (88 PS und 10 kW), und die sorgen via stufenloses CVT-Getriebe für erstaunlich flotte Fahrleistungen. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 175 km/h, der Durchschnittsverbrauch bei 4,5 Liter und die Emissionen bei 104 g/km. Das Auto überzeugt ausserdem mit viel Raum und Rundumsicht. Dazu verfügt es über Rücksitze, die sich auch hochklappen lassen und so Platz für Sperriges schaffen. Seit Markteinführung wurden weltweit schon über 140 000 Exemplare verkauft, allein in der Schweiz waren es über 1800. So geheim ist der Jazz Hybrid also gar nicht mehr; die Preise starten bei fairen 25 000 Franken.

Mit immer besseren Autos und vergleichsweise niedrigen Komplettpreisen lernen die koreanischen Hersteller Hyundai und Kia ihre europäischen Wettbewerber das Fürchten. Längst ist das Asia-Styling einer auch für unsere Sehgewohnheiten attraktiven Optik gewichen. Bei Kia verantwortet gar Ex-Audi-Designer Peter Schreyer die Linienführung. Entsprechend gut sieht auch der neue Picanto aus: Der 359,5 cm lange Fünfplätzer ist für Stadt- und Nahverkehr konzipiert, erträgt mit seinem guten Fahrwerk aber auch längere Strecken. Empfehlung: der 1.2 CVVTBenziner mit ausreichenden 85 PS und 121 Nm. Damit läuft der circa 900 Kilo leichte Koreaner 171 km/h Spitze; sein Drittelverbrauch beträgt in der Version mit manuellem Schaltgetriebe nur 4,3 Liter, die CO2-Emissionen liegen bei 100 g/km. Während die Preise für die 69 PS starke Picanto-Basis bei 14 650 Franken beginnen, ist man mit dem 1.2 ab 16 950 Franken dabei.

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LEINEN LOS

DIE MAGIE DES

SEGELNS HIGH FIDELITY ZUR SEE: GROSSE FLUCHTEN AUS DEM ALLTÄGLICHEN Text Erdmann Braschos · Fotos Carlo Borlenghi, Ernst Klaus, Toni Meneguzzo, Franco Page, Cory Silken, Hans Westerink, Werk

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Oben: Die 45 Meter lange Wally «Saudade» erhielt ein grosses permanentes Sonnendach (Bimini) in formschöner Ausführung. Unten: Nach achtern gepfeilte Salinge vereinfachen das Handling des langen Karbonmastes. Bei Yachten dieser Kategorie werden heute Haltedrähte aus ultraleichten Faserkabeln verwendet – statt der bisher üblichen Edelstahlstränge


LEINEN LOS

E

inem archaischen, bereits in der Bibel erwähnten Brauch zufolge soll man ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und eine Familie gründen. Sind diese Ziele erreicht, schweift der Blick zu weiten Horizonten hinaus aufs Meer. Es ist ein tief sitzendes, ein archetypisches Bedürfnis abzulegen, um auf eigenem Kiel entlegene Küsten anzusteuern. Dazu, für komfortable, sichere und schnelle Meeresreisen, braucht man eine gescheite Yacht. Und wenn sich der stolze Eigner am Strand der fernen Ankerbucht oder im Hafen mal umdreht und er zurückschaut zur eigenen Arche, soll der Anblick ringsum erfreulich sein. Mehr noch als das Auto drückt die Yacht Erfolg, Individualität und Geschmack aus. Ablegen, mit der Familie oder Freunden die Leinen zu einer langen Reise, vielleicht sogar zu einer Weltumseglung loswerfen, das ist ein gern gehegter Traum. Wer denkt nicht über eine berufliche Auszeit, das Sabbatical nach, das durchaus länger als das berühmte eine Jahr geraten kann? Jost Stollmann hat diesen Traum nicht bloss geträumt und ihn irgendwann wie einen farbenfrohen Segelkalender daheim an den Nagel gehängt. Der Vorzeigeunternehmer, der nach dem Verkauf seiner Firma CompuNet Hart am Wind: Die Crew hat auf der Regattabahn alle Hände voll zu tun


Beinahe so schön, wie zur grossen Seereise das Weite zu suchen oder ab und zu mal für eine kleine Spritztour die Segel zu setzen, ist es, über das nächste Boot nachzudenken und es zu bauen. Der kalifornische Software-Kaufmann Jim Clark hat es dabei 1998 zur 47 Meter langen «Hyperion», 2004 zum 90-Meter-Dreimaster «Athena» und 2009 zum 40-Meter-Renner «Hanuman» gebracht. «Hyperion» war vorübergehend die grösste einmastige Segelyacht der Welt und soll damals 19 Millionen Euro gekostet haben. Clarks vorerst letzte Yacht ist eine Replik des America’s-Cup-Herausforderers «Endeavour II». Damit unterlag der englische Flugzeugfabrikant Sopwith 1937 vor Newport der «Ranger» von Harold Vanderbilt. In dieser exklusiven Bootsklasse, der sogenannten J-Class, wo nur restaurierte Exemplare oder Repliken akzeptiert sind, werden gerade die letzten Slots vergeben. Der Claim der holländischen Traumschiff-Manufaktur «Royal Huisman» ist dabei so einfach wie bestechend: «If you can dream it, we can build it.» Das Budget einer J-Class aus dieser Werft liegt bei 20 Millionen Euro. 064 VECTURA #3


LEINEN LOS

«Endeavour II»-Replik: Die «Hanuman» ist stilecht bis ins Detail, wie man zum Beispiel am exponierten Deck-Steuerstand sehen kann. Jom Clarks vorerst letzter Yachtbau ist zugleich Rennyacht und Vintage America’s Cupper für die schönsten Segelreviere der Welt

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FAHRTERMIN

DAS HÄSSLICHE ENTLEIN EIN JUNGER SCHWAN WIRD IM ENGLISCHEN «CYGNET» GENANNT. AUSGERECHNET SO HAT ASTON MARTIN SEIN STADTMOBIL GETAUFT UND WIR UNTERSTELLEN, DASS ES MIT BRITISCHEM HUMOR GESCHAH. DENN ANDERS IST DIESER AUF DEM TOYOTA IQ BASIERTE KLEINSTWAGEN KAUM ZU ERKLÄREN – NICHT MAL IN DER EXKLUSIVEN «Q»-AUSFÜHRUNG Text Matthias Pfannmüller · Fotos Ian G.C. White

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einahe grimmig steht er da mit seinem breiten Kühlergrill, ist aber keine drei Meter lang: Einem Aston Martin Cygnet sehen viele nach. Doch ist es Bewunderung oder Sprachlosigkeit? Gelegentlich sind Lacher zu vernehmen. Tatsache ist: Hinter der in reiner Handarbeit aufwändig adaptierten Aston-Optik und dem stolzen Markenlogo mit dem klassischen Flügelmotiv verbirgt sich 1:1 ein Toyota iQ in der 98-PS-Serienversion, die bei technisch unangetasteter Ausstattung und identischen Fahrleistungen ganze 27 610 Franken weniger kostet. Der Cygnet richtet sich ganz offenbar an Leute, für die Geld keine Rolex spielt, und dagegen ist nichts einzuwenden. Der Clou liegt laut Hersteller in den Individualisierungsmöglichkeiten. Kunden können sich jede nur erdenkliche Lackfarbe anmischen lassen oder zwischen 25 Ledertönen auswählen – gegen Aufpreis, versteht sich. Damit hat es sich aber auch schon, und weil das so ist, versuchte Aston Martin schon zum Verkaufsstart im Frühling 2011, die Exklusivität mit einer speziell ausstaffierten «Launch Edition» zu steigern.

Firmenchef Ulrich Bez entzieht die ihm vor zwölf Jahren anvertraute Traditionsmarke gerne jeder Kritik, indem er sinngemäss sagt, Aston Martin sei eigentlich kein reiner Autohersteller mehr, sondern ein Luxusanbieter. Wir unterstellen Aston-Käufern derweil, dass sie die Markengeschichte kennen und auch etwas von Fahrdynamik verstehen. Der Cygnet ist da eine Enttäuschung, er ist sogar eine besonders dreiste Form von Badge Engineering – und dabei im Grunde genommen eine Verzweiflungstat. Hintergrund sind die sich immer weiter verschärfenden Abgasnormen in Europa und den Vereinigten Staaten. Solche Vorgaben sind von einem Hersteller, der ausschliesslich hubraumstarke Supersportler produziert, nicht erfüllbar: Ein V8 Vantage, mit seinen 426 PS und 470 Nm aus einem 4,7-L-V8 das schwächste Modell im Portfolio, emittiert 295 Gramm CO2 pro Kilometer. Das Topmodell One-77 (siehe Fahrbericht in VECTURA #1), dessen 7,3-L-V12 sagenhafte 760 PS und 750 Nm stark ist, gibt auf der gleichen Distanz über ein halbes Kilo von sich. Verbrauchs- und abgasmindernde Lösungen wie Hybridantrieb, ein StoppSOMMER 2012 073


PERSPEKTIVE

SPORTWAGEN

2020

WENN SPASSAUTOS GESELLSCHAFTSFÄHIG BLEIBEN MÖCHTEN, SIND LEICHTBAU UND ALTERNATIVE ANTRIEBE UNERLÄSSLICH. DIE HERSTELLER EXPERIMENTIEREN ZURZEIT MIT VIELEN VERSCHIEDENEN KONZEPTEN – WIR STELLEN SIE VOR Text Roland Löwisch · Fotos Werk

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a staunt die Welt: 1200 PS aus einem Achtliter-Sechzehnzylindermotor, 1,9 Tonnen Gewicht und als Laborwert die Werksangabe eines durchschnittlichen Spritverbrauchs von fast 26 Liter Super auf 100 Kilometer – das sind die Eckdaten des stärksten und teuersten Seriensportwagens, der im Jahr 2012 zu haben ist. Beim Bugatti Veyron 16.4 Super Sport kann einem immer noch die Kinnlade herunterklappen. Dies nicht nur wegen der Daten, sondern auch wegen der Erkenntnis, dass verschwenderische Verbrenner bald nicht mehr zeitgemäss sind. Denn eines steht fest: So kann es nicht weitergehen. Sollen Sportwagen in Zukunft noch eine Chance und Berechtigung haben, werden sie nicht vorbeikommen an Elektroantrieb oder der Kombination von Strom- und Verbrennungsmotoren. Viele Hersteller arbeiten bereits an Konzepten – allerdings sind diese alles andere als einheitlich. Das beginnt bei der Anzahl der E-Herzen pro Auto und macht auch vor der Art des Verbrennungsmotors nicht Halt. Einfach elektrisch Mit einem einzigen Elektromotor fing 2008 die Revolution im Seriensportwagenbau an: Als Pionier gilt der Tesla Roadster. Der pure Elektrosportler – das Chassis basiert auf dem Lotus Elise – ist mit einem 215 kW* und 370 Nm starken E-Motor ausgerüstet, der von 6381 Lithium-Ionen-Akkus (ursprünglich Laptop-Batterien) gefüttert wird. Das Gesamtpaket wiegt satte 450 Kilo. Muss es ausgetauscht werden, sind rund 12 000 Franken fällig. Nur dreieinhalb Stunden dauert der Aufladeprozess, gemeinsam mit der Rekuperation (Energierückgewinnung zum Beispiel beim Bremsen) sollen theoretisch 400 Kilometer Reichweite möglich sein. Allerdings werden nur noch etwa 200 Stück des je rund 120 000 Franken teuren und 1240 Kilo leichten E-Sportlers gebaut, dann ist das angekündigte Limit von 2500 Stück erreicht. Schade eigentlich: Denn ist die Akku-Lösung auch nicht optimal, fährt sich der Tesla dank sofort anstehendem Drehmoment und fehlendem Getriebe agiler als die meisten rein benzingespeisten Gegenwartsportler. 080 VECTURA #3

Dennoch setzt sich momentan immer mehr eine Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor durch – im umwelttechnisch optimalsten Fall fungiert bei solchen Hybridfahrzeugen der Verbrenner als Reichweitenverlängerer (Range Extender), der ausschliesslich dazu dient, frischen Strom für den E-Motor zu produzieren. Idealerweise lässt sich der Akku auch per Stecker extern aufladen (Plug-in). BMW zum Beispiel geht 2013 mit dem Plug-inHybridsportler BMW i8 ins Rennen. Dessen neueste Version ist eine offene Variante, der Concept Spyder. Der Zweisitzer leistet insgesamt 260 kW (354 PS), wobei an der Vorderachse ein 96 kW starker Elektromotor zum Einsatz kommt, während an der Hinterachse ein turbogeladener 1,5-Liter-Dreizylinder-Benziner mit 233 PS und 300 Nm sitzt. Beide zusammen entwickeln ein Drehmoment von 550 Newtonmeter. Vorteil: Werden Kraft und Grip gebraucht, ist der i8 ein Allradler. Rein elektrisch kommt der bayerische Sportwagen immerhin rund 35 Kilometer weit. Die Coupé-Version des i8 soll als 2+2-Sitzer in Serie gehen. Experten rechnen mit einem Preis von rund 240 000 Franken. Auch Ferrari bereitet derzeit den Einsatz eines seriellen Hybridsystems vor. Das aus der Formel 1 abgeleitete Projekt nennt sich «Hy-Kers» (Hybrid Kinetic Energy Recovery System) und besteht aus einem Elektromotor, der am Doppelkupplungsgetriebe eines V12-Benziners sitzt und diesen beim Beschleunigen unterstützt. Auf kurzen Strecken fährt der Ferrari sogar nur mit E-Power, während ein zweiter Elektromotor Nebenaggregate versorgt. Effekt laut Hersteller: zehn Prozent mehr Leistung bei bis zu 40 Prozent weniger Verbrauch. Das erste auch mit E-Antrieb bestellbare Automobil aus Maranello dürfte in zwei bis drei Jahren der F12 Berlinetta sein. Bei Jaguar wird ebenfalls elektrisch nachgeholfen – mit einem Kers-System im kompakten CX-16, den es ab 2012 zunächst als Roadster geben wird. Hier unterstützt der E-Motor auf Knopf*Elektromotoren werden grundsätzlich in Kilowatt angegeben. Umrechnung: 1 kW = 1,36 PS / 1 PS = 0,73 kW


Konkurrenzloses Konzept: Der Nissan Deltawing gehรถrt zu den Le-Mans-Teilnehmern 2012

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PERSPEKTIVE

Mercedes SLS AMG E-Cell

Rad ausgestattet sein, während zwei je 94 PS starke Mikro-Turbinen als Range Extender die leeren Akkus während der Fahrt aufladen und für eine Reichweite von 900 Kilometer sorgen würden. Doch Jaguar bekam die Kühlung der Turbinen nicht in den Griff, und deshalb kommt das Auto «klassisch» daher – zwei je 110 kW starke Elektromotoren geben ihre Kraft an alle vier Räder ab und werden dabei von einem auf 500 PS aufgeladenen 1,6-Liter-Cosworth-Vierzylinder-Turbo unterstützt. Der nur 1350 kg schwere Supercar wird ab 2013 genau 250-mal gebaut. Stückpreis: umgerechnet gegen eine Million Franken. Drei Elektromotoren Auch die Schweiz beteiligt sich aktiv an der Suche nach Lösungen für künftige Sportwagen – und kommt auf ein ungewöhnliches Konzept. Das Unternehmen Protoscar zeigt mit dem rollenden Labor Lampo3 GT, dass auch drei Elektromotoren für den Antrieb sinnvoll sein können. Auf der Vorderachse des 1700 Kilo schweren Wagens sitzen ein 120 kW starkes E-Triebwerk, Reduktionsgetriebe, Stromumwandler und Teile der Steuerelektronik. Die Hinterachse ist mit zwei weiteren je 150 kW leistenden E-Maschinen sowie der Schnellladetechnik bestückt Lamborghini Sesto Elemento

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– macht insgesamt 900 Newtonmeter Kraft. Der Energiegehalt der vier wassergekühlten Lithium-Polymer-Akkus beträgt 32 kWh. Der Verbrauch soll bei 16 Kilowattstunden für 100 Kilometer liegen; die Kosten für diese Strecke liegen bei unter fünf Franken. Allein das sollte genug Interesse generieren, und tatsächlich denkt man bei Protoscar über eine Kleinserie nach. Vier Elektromotoren Zwei plus zwei E-Aggregate nutzt der von Italdesign eingekleidete Frazer-Nash Namir. Die Firma Frazer-Nash Research Ltd. ersann einen Hybridantrieb mit vier Elektromotoren (zwei pro Achse) und einem 814 Kubikzentimeter kleinen Wankelmotor – macht zusammen 296 kW (397 PS) und Allradantrieb. Die Lithium-Polymer-Akkus wiegen 150 Kilo und liegen samt Wankelmotor und Generator nahe am Fahrzeugboden. Vielleicht können solvente Geduldige das System tatsächlich irgendwann ausprobieren: Nachdem Frazer-Nash 2011 den traditionsreichen britischen Autohersteller Bristol übernommen hat, könnte der Namir oder eine weiterentwickelte Evolutionsstufe mit Bristol-Logo auf den Markt kommen. Wer aber die Engländer kennt, weiss, dass Geduld nötig ist …


Porsche 918 Spyder

Als «umweltfreundlichster Supersportwagen der Welt» fährt der Mercedes SLS AMG E-Cell mit je einem Elektromotor pro Rad

Audi R8 e-tron Spider

Ebenso wie Italdesign Giugiaro befasst sich auch Pininfarina mit Sportwagen der Zukunft. Auf dem diesjährigen Genfer Salon präsentierten die Designer deshalb den Plug-in-Hybriden Pininfarina Cambiano – einen 2+2-Sitzer, der ebenfalls von vier Elektromotoren angetrieben wird. An jedem Rad sitzt einer, zusammen leisten sie 600 kW. Die Energie kommt aus einem Lithium-IonenAkku. Als reine E-Fahrzeit werden 200 Kilometer angegeben, danach muss ein Range Extender an die Arbeit. Das ist bei Pininfarina eine 40 Kilogramm leichte Jetturbine, die mit Diesel gefüttert wird. Sie leistet nur 68 PS, soll aber aus 50 Liter Diesel genug Strom für weitere 600 Kilometer produzieren können. Ob das Konzept tatsächlich serientauglich ist, muss allerdings noch bewiesen werden. Ebenfalls auf vier E-Motoren stützt sich der schon 2009 vorgestellte Audi R8 e-tron, der dabei komplett auf einen Verbrenner verzichtet. Je zwei Asynchron-E-Motoren gibt es pro Achse; zusammen leisten sie 230 kW und schier unglaubliche 4500 Newtonmeter. Jedes Rad verfügt also über seine eigene Antriebsquelle, die ihm bedarfsweise mehr oder weniger Drehmoment

zuführt. Fahrdynamik erreicht damit eine neue, rein elektronisch kontrollierte Dimension (Torque Vectoring). Im normalen Betrieb fliessen 70 Prozent der Antriebskräfte nach hinten und 30 Prozent nach vorne. Ein tolles Plug-in-Konzept, das auch 1,6 Tonnen Leergewicht relativiert: Allein die Lithium-Ionen-Akkus wiegen 550 Kilo, sollen aber auch eine Reichweite von knapp 250 Kilometer garantieren. Ende Jahr geht der Audi R8 e-tron in Kleinserie – zu einem Preis von rund 200 000 Franken. Stärkster Audi-Rivale ist der Mercedes SLS AMG E-Cell. Als «umweltfreundlichster Supersportwagen der Welt» tituliert, fährt auch dieser Renner mit je einem Elektromotor pro Rad. Insgesamt stehen so 392 kW und 880 Nm zur Verfügung. Damit schafft der Mercedes den Sprint in vier Sekunden, das Top-Tempo ist auf 250 km/h begrenzt. Die Module des Lithium-Ionen-Akkus (Energiegehalt: 48 kWh) sind im gesamten Wagen verteilt. Der Prototyp kam bisher 150 Kilometer weit, das Serienauto soll 50 mehr schaffen. Ab 2013 wird der Elektro-Flügeltürer entstehen. Für 420 000 Franken hat man dann einen ebenso rasanten wie attraktiven E-Sportler mit Öko-Appeal. Der allerdings mehr als zwei Tonnen wiegt.

Venturi Volage

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MOTORMENSCHEN

Wertsch채tzung: Stehrenberger schaffte es 체ber 250-mal auf diverse Titelseiten

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«MODERNE FERRARI SIND HÄSSLICH»

SEIN VERDIKT IST DIREKT, SEIN UNVERWECHSELBARER STIL WELTBEKANNT: BEGEGNUNG MIT DEM SCHWEIZER MULTITALENT MARK STEHRENBERGER Text Matthias Pfannmüller · Fotos Stehrenberger, Isaac Hernandez

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ie Augen hinter den Gläsern strahlen wie die eines Lausbuben. Die Brille selbst, ein randloses Modell mit knallblauen Bügeln, signalisiert: Ihr Träger ist ein Kreativer. Diese Eigenschaft ist die vielleicht treffendste für Mark Stehrenberger, der von sich selbst sagt, dass er sich standhaft weigert, erwachsen zu werden. Doch das hat ihn nicht daran gehindert, ernsthafte Jobs auszuüben: Er war Zeichner, Buchautor, Automobil-, Uhren-, Schmuck-, Möbel- und Mode-Designer, hat aber auch Videospiele oder medizintechnische Geräte gestaltet. Von 1987 bis 2002 ist er Teilzeitlehrer am renommierten Art Center College of Design in Pasadena gewesen – eine Tätigkeit, die er auch am mittlerweile geschlossenen Art Center Europe in Vevey ausgeübt hat. Damals drückten Michael Fink (Mercedes CLK/ W208 und CLS/W219) oder Benoit Jacob (Fiftie Concept und Zoe, beide Renault) bei ihm die Schulbank; heute sind sie Kollegen und eng befreundet.

Stehrenberger gehört längst zum inneren Zirkel der weltweiten Autodesigner-Gilde. Schon im zarten Kindesalter war klar, welche Laufbahn der dritte und jüngste Sohn eines Dachdeckermeisters einschlagen würde: «Von den bis zum Himmel ragenden Heckflossen der damaligen US-Strassenkreuzer konnte ich nicht genug kriegen», bekennt er: «Selbst Autos entwerfen zu können, war von da an mein Traumberuf und ist es bis heute.» 1943 in Muttenz bei Basel geboren, was seinerzeit nicht gerade ein automobiler Höhepunkt war, würde Stehrenberger seinen eigenen Zugang in die Auto-Welt suchen und auch finden. Wir treffen uns in Muttenz und er begrüsst mich gewohnt kumpelhaft: «Na Junge, wie gehts dir? Lange nicht gesehen!» Hier, einen Steinwurf vom Oldtimer-Tempel Pantheon entfernt, wohnt seine Schwester. Bei ihr ist er gelegentlich zu Gast, wenn er sich in der Deutschschweiz aufhält und nicht in Montreux, seinem selbst SOMMER 2012 097


Genie und Wahnsinn: In den späten 60er-Jahren entstanden diese nicht ganz ernst gemeinten Skizzen. Luigi Colani liess grüssen

gewählten Zweitwohnsitz. Den Lebensmittelpunkt allerdings hat der 69-Jährige nach wie vor in Los Angeles – in Ventura, um genau zu sein. Er lebt dort mit seiner dritten Ehefrau Pamela, sechs Kindern (zwei Töchter sind ebenfalls als Illustratoren tätig, ein Sohn entwirft Mountainbikes) und sechs Enkeln. Stehrenberger, der seit einigen Jahren ein fein getrimmtes Grunge-Bärtchen trägt, ist Kosmopolit. In der Umgebung seiner Kindheit wirkt er ebenso souverän wie in New York oder Tokio, aber auch erdverbundener, wenn er von seiner Ausbildung erzählt. Auf die Real- folgte 1959 die kantonale Kunstgewerbeschule in Basel, die er 1963 mit Schneider- und Modedesign-Diplomen 098 VECTURA #3

abschloss, während in Italien ein gewisser Ferruccio Lamborghini seine eigene Sportwagenmarke gründete. Kein Jahr später emigrierte Stehrenberger nach Kalifornien – nicht wegen Lamborghini, sondern weil er die seinerzeit beste Automobildesign-Schule der Welt besuchen wollte: das besagte Art Center. Dort, im Einzugsgebiet von Los Angeles, befand er sich im Auto-Paradies: «Es gab damals schon ein Dutzend Studios in der Gegend, mehr als sonst wo. Das waren natürlich die Amerikaner und Japaner; europäische Marken kamen erst später.» Vor der begehrten Ausbildung musste der Exil-Schweizer allerdings kleine Brötchen backen und entwarf zunächst Lampen und Deckenleuchten für einen lokalen Hersteller.


MOTORMENSCHEN

Eine Frage des Talents: Mit Reklamebildchen für US-Hersteller begann Stehrenbergers Illustratoren-Karriere

1969, mit dem Pasadena-Abschluss in der Tasche, verlor der damals 26-Jährige keine Zeit und gründete selbstbewusst seine erste Firma MSD – ein Kürzel, das natürlich für Mark Stehrenberger Design stand (www.stehrenbergerdesign.com). Mit diesem professionellen Auftritt warb er mit Erfolg um Industrieaufträge. Unter den Interessenten war auch Volkswagen of America; der Beetle sollte gar ein Schicksals-Modell für Stehrenberger werden. 1971 entwarf er mit ganz geringem Aufwand, aber viel Kreativität den «Sports Bug», um die inzwischen eingebrochene Nachfrage neu zu beleben – der «Rabbit» (US-Golf) stand bereits in den Startlöchern. Der auf einige tausend Exemplare limitierte Stehrenberger-Käfer wies neben breiteren Felgen, schwarzen Stossstan-

gen, Rallyestreifen und Sportsitzen wahlweise eine silberne oder knallgelbe Lackierung auf, war entsprechend grell und verkaufte sich auch recht ordentlich. «Ich hätte damals einen erwerben sollen», sinniert er reumütig. Tatsächlich hat ihn das Thema Käfer seither nicht mehr losgelassen. Immer wieder dachte er sich neue Varianten aus, zuletzt 2011: «Der Wagen ist eine Stil-Ikone, die mich stets aufs Neue fasziniert, aber auch ständig inspiriert.» Parallel hatten andere Automarken seine Eingebungen in Anspruch genommen: BMW, Chrysler, Ford, Jeep, Kia, Mindset, Nissan, Peugeot, Porsche, Renault, Rolls-Royce, Saab, Subaru oder Toyota zählen bis heute zu seiner Kundschaft. Um für diese realistische Modelle im Massstab 1:1 bauen zu können, SOMMER 2012 099


MOTORMENSCHEN

Variation des in den USA so beliebten Buggy-Themas: LSV-Studie (Life Style Vehicle) aus dem Jahr 1988. Den schrillen Ford-Van schuf Stehrenberger schon zehn Jahre fr端her

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Stehrenberger bei der Arbeit: Von 1987 bis 2002 unterrichtete er am Art Center College of Design in Pasadena

eingehaucht – sein CTS Coupé gefällt mir besonders gut. Nicht unterschätzen sollte man auch den Einfluss des ehemaligen BMW-Designers Chris Bangle: Er war zwar stark umstritten, hat aber massgeblichen Einfluss genommen auf die heutige Fahrzeuggestaltung.» Aus Stehrenberger, der sein Gespür für Formen und Proportionen noch handwerklich-praktisch geschärft hat, spricht der geschulte Blick für Design-Strömungen, aber auch das instinktive Erkennen von Irrwegen und sich wiederholenden Trends: «Du weisst ja selbst», sagt er lächelnd: «Ist alles schon mal da gewesen, oder?» Entsprechend früh sah er kommende Serienmodelle voraus – zum Beispiel einen neuen Mercedes-Flügeltürer, der dann 2009 als

SLS in verblüffend ähnlicher Form tatsächlich in Serie ging. Ja, gibt es denn überhaupt nichts Neues mehr, Mark? Welches aktuelle Auto findest du wegweisend? Er überlegt und blickt dabei ein Loch in die Wolken, bevor er antwortet: «Bei Hyundai gefällt mir die neue i40-Limousine und bei Lexus die Verarbeitung; das schafft in dieser Qualität meiner Meinung nach kein deutscher Hersteller mehr. Aktuelle Ferrari liessen zuletzt die sauberen, typischen Pininfarina-Linien vermissen und waren einfach nur noch hässlich. Dagegen macht mir der neue F12 wieder Hoffnung.» Okay, und dein absoluter Favorit? «Das Bertone B99 Concept, kein Zweifel. Eleganz und Schönheit in Reinkultur, trotzdem modern – einfach fabelhaft! Wenn man sich dagegen den aktuellen Jaguar XJ ansieht …»


FAHRTERMIN

SALZ DES SÜDENS SEAT KOMBINIERT GESTANDENE VW-TECHNIK MIT WÜRZIGEM DESIGN. MIT DEM 180 PS STARKEN IBIZA R-EVOLUTION HABEN DIE SPANIER EINE ECHTE RENNSEMMEL IM PROGRAMM, ABER WIR MÖCHTEN DIESMAL GNADENLOS SPRIT SPAREN. DIE WAHL FÄLLT DESHALB AUF DEN NEUEN 1.2 TDI E-ECOMOTIVE – UND DER IST VERBRAUCHSTECHNISCH EINE OFFENBARUNG

Text Matthias Pfannmüller · Fotos Ian G.C. White

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ünf Liter. Mehr Sprit werde in 24 Stunden kaum nötig sein, heisst es am Telefon. Also auf zum Ortstermin in Barcelona, der Hauptstadt Kataloniens und zweitgrössten Metropole Spaniens, um den frisch überarbeiteten Ibiza in der Extremsparversion E-Ecomotive kennen zu lernen! Die 1,6-Millionen-Stadt am Mittelmeer ist die Heimat von Seat (Sociedad Española de Automóviles de Turismo, S.A., übersetzt: «Spanische Gesellschaft für Pw»): Der Automobilhersteller wurde hier 1950 gegründet und baute zunächst Fiat-Modelle in Lizenz. Später folgten dann selbst entwickelte Fahrzeuge; seit 1986 gehört die Marke zum Volkswagen-Konzern, bildet dessen iberische Speerspitze und residiert im nahe gelegenen Martorell. Die noch von Luc Donckerwolke (Designer u.a. von Lamborghini Murciélago und Gallardo) rassig gezeichnete vierte Ibiza-Generation basiert auf der Plattform des aktuellen VW Polo, sieht aber frecher aus und wurde Mitte 2008 eingeführt. Seit 1984 gibt es die Baureihe; über 4,6 Millionen Einheiten sind seither produziert worden. In Barcelona ist das Auto allgegenwärtig, und damit es auch so bleibt, hat man den patenten Südländer kürzlich überarbeitet. Die optischen Unterschiede sind derweil dezent: Äusserlich ist der Ibiza 2012 an seinem Trapez-Grill und einer vertikalen Lichtkante auf der Motorhaube zu erkennen. Dazu kommen Retuschen an Bug- und Heckpartie sowie den Hauptscheinwerfern; Letztere sind jetzt kantiger und kommen optional (wie die Heckleuchten) mit LED-Tagfahrlicht. Darüber hinaus ist das Ausstattungspaket FR ab sofort auch für die Kombi-Variante ST zu haben. 110 VECTURA #3

Innen finden sich besser ablesbare Instrumente, das leicht modifizierte Lenkrad, die optimierte Klimaregulierung sowie ein grösseres Handschuhfach. Ab November wird es wahlweise – in Verbindung mit einer Steckverbindung der optionalen Tomtom-Navigation – ein PID genanntes tragbares Infotainmentsystem («Portable Infotainment Device») samt Bluetooth-Verbindung und iPad-artiger Bedienoberfläche geben. Davon abgesehen ist der Ibiza so geblieben, wie man ihn kennt und schätzt – er ist ein praktischer Kleinwagen mit temperamentvoller Erscheinung. In der Schweiz war er 2011 mit 3373 Einheiten der beliebteste Seat und dürfte es auch in diesem Jahr bleiben. Das Angebot umfasst weiterhin drei Karosserievarianten mit drei oder fünf Türen sowie Benzin- und Dieselmotoren mit 60 bis 180 PS. Meistverkaufte Version ist neben dem Cupra der 1.2 TSI mit 105 PS, was sich aber langsam ändern dürfte. Seat erwartet, dass der neue 1.2 TDI mit seinen 75 Pferdestärken angesichts der verschärften CO2-Gesetzgebung an Bedeutung gewinnen wird. Und mit genau dem – Erkennungszeichen: sein riesiger Windspoiler – sind wir jetzt unterwegs. Um es hier gleich klar zu sagen: Wer vorrangig Fahrspass sucht, sollte sich für eine andere Motorisierung entscheiden. Durchdrehende Räder? Vergiss es; kleine Quietscherchen sind hier das höchste der Gefühle! Der E-Ecomotive – das zusätzliche E soll bei Seat den Öko-Gedanken noch ausdrücklicher betonen – ist konsequent auf Spritsparen getrimmt. Das geht so weit, dass die Motorelektronik im Stand verhindert, den 1200er-Dreizylinder über 3000 Touren zu drehen. So viel Rotation muss allerdings



«Do the Ecomotion», rufen wir uns da aufmunternd zu, lassen den Dingen ihren Lauf und siehe da – sind ganz uneilig unterwegs dabei

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FAHRTERMIN

Spartanisch: Der E-Ecomotive verzichtet in der Basisversion auf LED-Licht, Lederpolster, elektrische Fensterheber hinten, die getrennt umklappbare Rückbank und sonstige Extras

sein, denn unter 2000/min passiert so gut wie gar nichts, setzt sich der E-Ecomotive nicht mal in Bewegung. Erst darüber schiebt er unwillig knurrig, aber auch nachdrücklich an, während eine Schalt-anzeige möglichst frühe Gangwechsel anmahnt. «Do the Ecomotion», rufen wir uns da aufmunternd zu, lassen den Dingen ihren Lauf und siehe da – sind ganz uneilig unterwegs dabei. Während die Stopp-Start-Automatik des Öko-Ibiza an jeder Ampel brav abschaltet, wenn der Fahrer bewusst auskuppelt, lassen wir die quirlige Stadt bei offenen Seitenfenstern immer relaxter auf uns einwirken. Unser Fünftürer im schicken, aber auch 560 Franken teuren «Apolo Blue» gefällt mit leichter Zugänglichkeit und ausreichend grosszügigen Platzverhältnissen auf allen Sitzen. Dazu gibt es einen üppigen Kofferraum, der unser gesamtes Gepäck plus Fotoausrüstung schluckt. Im Nah- oder Stadtverkehr ist das mehr als ausreichend und Supermarkt-tauglich sowieso. Wer besonders praktisch denkt, kann diese Motorisierung aber auch mit der Kombi-Karosserie kombinieren. Als angenehm empfinden wir die komfortbetonte, dabei nicht zu weiche Federung. Der E-Ecomotive ist in der Basisversion Reference als möglichst leichtes Sparbrötchen natürlich sehr frugal ausgestattet, aber das macht schon wieder seinen Charme aus. Hier ist nichts an Bord, was nicht unbedingt sein müsste. Das bedeutet gleichzeitig, dass seine Besatzung mit viel grau-schwarzem Kunststoff zu tun hat. Etwas ärgerlich und antiquiert ist, dass es zwar einen USB-Port gibt, für das Musikhören vom iPhone ohne das erwähnte PID aber ein zusätzlicher Adapter benötigt wird. SOMMER 2012 113


BRITANNIENS MOBILE

THRONSESSEL

DEN THRON BESTIEG SIE BEREITS AM 6. FEBRUAR 1952 – DOCH MIT GEBÜHRENDEM GLANZ UND GLORIA GEFEIERT WURDE DIE 60-JÄHRIGE THRONBESTEIGUNG VON QUEEN ELIZABETH II ERST ANFANG JUNI. SECHS DEKADEN SPÄTER LIESSEN DIE BRITEN IHRE INZWISCHEN 86-JÄHRIGE MONARCHIN ERNEUT HOCHLEBEN – VIER TAGE LANG HULDIGTEN IHR LONDON UND DAS GANZE LAND. GRUND GENUG FÜR EINEN BLICK ZURÜCK AUF DIE EDELSTEN HOFLIMOUSINEN DER QUEEN Text Thomas Imhof · Fotos Getty Images, JDHT, Werk

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BLAUBLÜTER

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uch wenn das Königshaus der Windsors bekanntlich deutsche Wurzeln hat – einen Maybach oder Mercedes als Staatslimousine zu ordern, wäre den Royals nie in den Sinn gekommen. Zwar sah man die Queen auf einem Deutschland-Besuch in den 60er-Jahren schon mal in einem Mercedes 600 Landaulet und bei US-Visits in einem Cadillac, doch wenn es um das Thema der hauseigenen Staatslimousine ging, hiess ihr Motto stets «Buy British».

Tour durch Australien und Neuseeland neben Prinz Philip in einem jener schweren Daimler Straight Eight, an denen die Zeit scheinbar spurlos hinweggegangen war. Als Daimler 1960 von Jaguar übernommen wurde, waren die festen Stellplätze in den «Royal Mews», dem königlichen Marstall, schon längst von einer anderen Marke belegt: Rolls-Royce hatte die Rolle des Hoflieferanten – «By appointment to Her Majesty Queen Elizabeth II motor car manufacturers» – erobert.

Erste Kontakte zum Königshaus hatte 1900 die Marke Daimler geknüpft. Daimler aus Coventry, wohlgemerkt. Über 50 Jahre lang war danach «The Car for Kings», wie «der Daimler» respektvoll genannt wurde, rollender Thronsaal der Könige von Edward VII. bis George VI. Bis Anfang der 50er-Jahre sicherte sich das renommierte Unternehmen aus den Midlands bei der Belieferung des königlichen Fuhrparks eine Monopolstellung. Sie reichte noch bis in die Amtszeit der heutigen Königin. 1953/54 sass sie auf einer

Die Idee zum Umsatteln soll von Prinz Philip ausgegangen sein, der 1949 einen Auftrag für eine grosse Limousine nach Crewe gesandt hatte. Vorausgegangen war eine Probefahrt in einem Achtzylinder-Experimental-Bentley, die ihn wohl nachhaltig beeindruckte. Unter dem Codenamen «Nahba» entstand jedenfalls auf Basis eines verlängerten Silver-Wraith-Chassis der Rolls-Royce Phantom IV, welcher in den Folgejahren nicht nur Englands künftige Staatslimousine werden sollte.

Die aktuelle Bentley-Staatskarosse ist seit zehn Jahren im Dienst – hier 2011 auf dem Weg zur Hochzeit von William und Kate in der Westminster Abbey. Das Auto ist nicht schön, aber praktisch. «Selbstmörder-Türen» erleichtern der 86-jährigen Queen – mit Prinz Philip im Schlepptau – das Ein- und Aussteigen

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BLAUBLÜTER

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BLAUBLÜTER

Traditionell «well known» ist die Vorliebe der Queen und ihres Gemahls für Land und Range Rover. Geht es auf die königlichen Residenzen, setzt Elizabeth II auf Allradantrieb

Mit 164 PS bei über zwei Tonnen Lebendgewicht war gleiten statt heizen das Motto. Die Daimler-Limousinen waren und sind rollende Clubzimmer, die ihren Insassen eine «splendid isolation» verschafften, das Wohlgefühl der Abgeschiedenheit. Eine Trennscheibe separierte die herrschende Klasse vom Chauffeur, auf Wunsch gab es Minibar, Kühlschrank mit Eiswürfelbereiter und TV. Dicke Holzfurniere, Seidenvorhänge und Teppiche aus schwerem West-of-England-Stoff sorgten für ein hochadeliges Ambiente. Erst 1992 lief die Produktion der «grand old lady» aus. Nur Daimler, Rolls-Royce und Bentley schafften es in über 110 Jahren bis in die Hofgaragen. Was nicht ausschloss, dass die Royals zum Privatvergnügen auch mal fremdgingen. Prinz Charles' Schwäche für Aston Martins ist hinlänglich bekannt, genauso wie Prinzessin Dianas Flirts mit Jaguar – sie fuhr lange einen offenen XJ-S mit zwei eigens angefertigten Zusatzsitzen für die Prinzen William und Harry. Auch Audi gab bei der «Prinzessin der Herzen» mit einem 80er-Cabrio ein kurzes Gastspiel. Der VW-Tochter gelang es in jüngster Zeit sogar – dank angeblicher Nachlässe in Höhe von royalen 60 Prozent – einen Fuss in die Tür des Könighauses zu stellen. Das schrullige Pärchen Prinz Charles und

Camilla (Duchess of Cornwall) wurden von Paparazzis schon in einem A6 Allroad abgelichtet, aber auch einen A8 nennt der Prince of Wales sein Eigen. Prinz William scheucht gern eine S4 Limousine, während Herzdame Kate und Brüderchen Harry sich privat mit dem A3 begnügen: In der Boulevardpresse werden solche Begegnungen zur Freude des Herstellers prominent dokumentiert. Traditionell «well known» ist die Vorliebe der Queen und ihres Gemahls für Land und Range Rover. Geht es auf die königlichen Residenzen von Balmoral (Schottland) oder Sandringham (Norfolk), setzt Elizabeth II bevorzugt auf Allradantrieb. Wie im Film «The Queen» (2006) mit Helen Mirren in der Hauptrolle zu sehen, ist sie besonders gern in einem grünen Defender 110 unterwegs. Mit der Feststellung: «Ich war im Krieg als Mechanikerin tätig», prüft sie in einer Szene sogar fachmännisch den Unterboden, nachdem sie einen Wildbach etwas zu forsch durchquert hatte. Bis 2004 steuerte sie zudem noch selbst einen auf dem Jaguar XJ basierenden Daimler Super V8 mit 4,0-Liter-V8-Kompressor und 400 PS. Um ihre drei Welsh Corgis komfortabler unterbringen zu können, wurde auf ihr Geheiss eigens die zweiteilige Rückbank gegen eine einteilige Couch gewechselt. SOMMER 2012 135


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nsere Leser sind sich einig: Die Fotos von VECTURA sind echte Hingucker. Einige ausgesuchte Motive gibt es jetzt als wandfertigen Foliendruck auf Alusandwich (Dilite) in den Formaten 100x70 cm oder 200x140 cm, schon ab CHF 175.–. In Verbindung mit einem VECTURA-Jahresabo (CHF 39.– für vier Ausgaben) gibt es einen Druck gegen Zuzahlung von CHF 150.– plus Porto dazu. Einfach eine Email mit Bestellnummer und vollständiger Adresse an info@prestigemedia.ch senden, und los geht´s!


GALERIE

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NACH HAUSE

DAS MOTION-MAGAZIN AUS DER SCHWEIZ SOMMER 2012 149


LEERFAHRT

RÄUME

IN BEWEGUNG UNGEWÖHNLICHE EINBLICKE VON UNTERWEGS Text Bill Kona/marum · Fotos Markus Maria Thormann

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der sich ein paar Dutzend Werften befinden, und dem südkoreanischen Pohang an Bord – «eine Zeit, die ich natürlich auch zum Fotografieren nutzte», erinnert er sich. «Vor allem die fünf riesigen leeren Laderäume hatten es mir angetan.»

Der Fotograf Markus Maria Thormann hat den 2002 im russischen St. Petersburg gebauten, über 190 Meter langen Ozeanriesen im Auftrag des vorletzten Eigners für Werbezwecke in Aktion gefilmt. Das dauerte ein paar Tage und geschah deshalb unter anderem auf See, denn Zeit ist Geld, auch im Frachtgeschäft. Thormann war 48 Stunden zwischen der chinesischen Insel Zhoushan, auf

Dabei machte er eine Erfahrung der unvergesslichen Art: «Die Kolben des grossvolumigen Fünfzylinder-Zweitakt-Schiffsdiesel – die Bohrung beträgt über 60 Zentimeter – haben einen Hub von mehr als zwei Meter und schaffen ungefähr 80 Umdrehungen pro Minute. Während ich da unten im Bauch des Wales stand, überwältigt von der Stahlkonstruktion der bis zu knapp 32 Meter breiten und über zwölf Meter hohen Laderäume, pulsierte die Maschine wie mit Herzfrequenz, gleich einem lebendigen

ie Szenerie hat etwas Gespenstisches. Man mag sie im ersten Moment für eine Science-Fiction-Kulisse halten. Oder das Bühnenbild der nächsten Wagner-Inszenierung. Tatsächlich handelt es sich um die Laderäume eines Schüttgutfrachters, der heute einer griechischen Reederei gehört, unter liberischer Flagge fährt und «Valiant Star» heisst.

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LEERFAHRT

bezeichnet die Anzahl der gut sechs Meter (20 Fuss) langen Standard-Container, die ein Schiff aufnehmen kann. Auf die «Valiant Star» trifft Letzteres nicht zu, weil sie für die Aufnahme loser Güter konzipiert wurde. Ihre BRZ beträgt über 29 000 Tonnen. Die höchstzulässige Tragfähigkeit liegt sogar bei 48 460 Tonnen (eingetaucht bis zur Lademarke) und wird in der englischen Einheit DWT (Deadweight tons) gemessen. Die Geschwindigkeit der «Valiant Star» ist mit 13,75 Knoten angegeben, was etwa 25 km/h entspricht. Der Verbrauch beträgt 30 Tonnen Schweröl pro Tag; der Tank fasst 1000 Tonnen für eine Reichweite von über 9700 Seemeilen (18 000 km) plus Reserve. Das Massengutschiff kann also ohne einmal zu tanken den Atlantik plus Pazifik überqueren. 156 VECTURA #3

Die Idee, aus seinen Aufnahmen Kunst zu machen, kam Thormann schon damals auf dem Frachter: «Die Laderäume selbst, aber auch ihre Oberflächenstruktur oder der Farbmix, alles das zusammen hat mich sehr beeindruckt. Wände in einer solchen Dimension, dazu Schattierungen, die oft auf die letzte Fracht hinweisen. Von Kohle zum Beispiel stammt die dunkle Zeichnung auf blauem oder rotem Untergrund», erklärt der Fotokünstler (mmth@gmx.de). Seine Bilder leuchten intensiv und sind käuflich zu erwerben: Interessenten können aus mehreren Motiven und Grössen wählen, die Abzüge kosten 750 Euro pro Quadratmeter, wenn sie auf eine 3 mm dicke Aluplatte aufgezogen sind. So richtig zur Geltung kommen die Laderäume freilich erst im grösseren Querformat.


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Der Verbrauch beträgt 30 Tonnen Schweröl pro Tag; der Tank fasst 1000 Tonnen für eine Reichweite von über 9700 Seemeilen (18 000 km) plus Reserve. Das Massengutschiff kann also ohne einmal zu tanken den Atlantik plus Pazifik überqueren

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IMPRESSUM

Herausgeberin Prestige Media AG, Bösch 73, CH-6331 Hünenberg (ZG) Verleger Francesco J. Ciringione Chefredaktor Matthias Pfannmüller (map) m.pfannmueller@prestigemedia.ch Gestaltung Felix Bittmann | layoutdeluxe Mitarbeiter dieser Ausgabe Christian Bartsch, Ralf Bielefeldt, Erdmann Braschos, Adriano Cimarosti, Matt DeLorenzo, Roger Gloor, Eric Halbach, Hubertus Hoslin, Thomas Imhof, Bill Kona, Marc Kudling, Roland Löwisch, Max Nötzli, Jörg Rothweiler, Aldo Schaller, Helena Sukova Fotografen dieser Ausgabe Carlo Borlenghi, Isaac Hernandez, Ernst Klaus, Toni Meneguzzo, Franco Page, Wale Pfäffli, Cory Silken, Markus Maria Thormann, Hans Westerink, Dirk Weyhenmeyer, Ian G.C. White, map Lektorat Andreas Probst Produktionsleitung Julia Moos j.moos@prestigemedia.ch Verlag / Produktion Prestige Media AG, Leimgrubenweg 4, CH-4053 Basel Telefon +41 (0) 61 335 60 80 Telefax +41 (0) 61 335 60 88 info@prestigemedia.ch www.prestigemedia.ch www.prestigenews.ch

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Web & IT Dejan Djokic Koordination Laura Giarratana Abo Service Serpil Dursun Telefon +41 (0) 61 335 60 80 info@prestigemedia.ch Einzelnummer CHF 10.– Jahresabo CHF 39.– Erscheinungsweise vierteljährlich Marketing- und Anzeigenleitung Boris Jaeggi b.jaeggi@prestigemedia.ch

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von Redaktion und Verlag jede Haftung abgelehnt

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Titelfoto Matt Howell

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liegt ab dem 12. September 2012 am Kiosk. Abonnenten erhalten das Magazin eine Woche früher


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