VIRGIL Magazin - Einsam?

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Virgil kunstraum Neben Ausstellungen, Kunstgesprächen und Vernissagen ist die Arbeit mit jungen Künstler*innen in St. Virgil von großer Bedeutung. Über die Sommermonate stellt St. Virgil zwei Kunstschaffenden das Atelier und das Haus als Lebens- und Arbeitsraum zur Verfügung. Mitgetragen wird das Programm Artists in Residence von der Stiftung Würth. Im Sommer 2021 waren Franziska King und Marit Wolters zu Gast. Annelies Senfter (AS), für den Kunstraum zuständige Studienleiterin, spricht mit den beiden über ihren Aufenthalt und ihre Arbeit in St. Virgil.

FREIHEIT UND SICH VERTIEFEN KÖNNEN

AS: Wie ist es, als Artist in Residence in St. Virgil zu arbeiten und zu leben? Hatte der Aufenthalt Auswirkungen auf eure künstlerische Praxis oder euren Arbeitsrhythmus? FK: In St. Virgil arbeiten und leben zu dürfen hat meinem künstlerischen Schaffen einen enormen Auftrieb gegeben, da ich mich hier in den idealsten Bedingungen für künstlerische Produktion wiedergefunden habe. Drei wesentliche Faktoren bestimmen für gewöhnlich die künstlerische Produktion im Alltag – und zwar: Zeit, (Arbeits-)Raum und die finanzielle Deckung der Grundversorgung. In St. Virgil konnte ich mich ausschließlich auf die Weiterentwicklung meiner Arbeit fokussieren und war darüber hinaus in ein beeindruckendes Gefüge integriert, das glaubhaft vermittelt, dass eine achtsamere Welt nicht nur als Vision denkbar, sondern tatsächlich auch mit allen Herausforderungen lebbar und lohnend ist. MW: Die Ruhe, die das Haus inmitten der Landschaft gelegen ausstrahlt, gab viel Ruhe und Raum für die Arbeit. Der brutalistische Bau, die vielen Säulen aus Sichtbeton und andere architektonische Details, an denen wir Tag für Tag vorbei zum Atelier gegangen sind, gaben wieder und wieder Anreize für die Auseinandersetzung. Ich habe weiterhin tagsüber gearbeitet – ich bin ein absoluter Lichtmensch. Mir wurde während des Aufenthaltes sehr deutlich, wie viel Freiheit ich brauche, damit meine Arbeit entstehen kann. Ein allzu geregelter Alltag ist eher hinderlich. AS: Franziska, für dich stehen der Mensch und seine Verortung in der von ihm belebten Welt im Zentrum deiner künstlerischen Arbeit und Beschäftigung, genauso wie 62

die Übersetzung in die Malerei als sinnliche Erfahrung für den Betrachter. Wie konntest du dich in Salzburg und St. Virgil für deine Arbeit inspirieren lassen? FK: Auf ganz unterschiedlichste und vielfältige Weise – zum einen ist Salzburg mit seiner langen Tradition der Wertschätzung der Künste, man denke an die „Schule des Sehens“ von Oskar Kokoschka (1953), die Salzburger Festspiele und große Dichte an einzigartigen Museen und Galerien – zum anderen ist St. Virgil ein ganz besonderer Ort der Begegnung. Ich bin durch viele Gespräche mit in St. Virgil wirkenden Menschen auf Themen gestoßen, zu denen ich sonst vielleicht keinen Zugang gehabt hätte. Zum Beispiel hat mich eine Teilnehmerin eines in St. Virgil abgehaltenen Zen-Meditationsworkshops mit dem Konzept des Organismischen Bewertungsprozesses von Carl Rogers bekannt gemacht, welches mich wiederum auf eine tiefere Ebene der Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung und dem menschlichen Körper aufmerksam gemacht hat. AS: Die theoretische Auseinandersetzung ist in deiner Arbeit ein wichtiger Punkt. Du erwähntest 2021 etwa Marc Aurels „Selbsbetrachtungen“, Viola Spolins „Theater Games for the Lone Actor“ oder Susan Sonntag „Kunst und Antikunst“. Welche Theoretiker*innen begleiten dich aktuell? FK: Aktuell begleiten mich, das Thema der Wahrnehmung umkreisend, insbesondere zum Beispiel: „Gegen die Abwertung der Welt“ von John Berger, „Verzeichnis einiger Verluste“ von Judith Schalansky, „Kunst, Wahrnehmung, Wirklichkeit“ von Gombrich Hochberg und Max Black sowie Erich Fromms „Haben oder Sein“. AS: Marit, du untersuchst in deiner Arbeit das ästhetische Potenzial architektonischer Materialien, Prozesse und Strukturen sowie deren Wechselwirkung mit anderen gesellschaftlichen und ökologischen Systemen. Wie konntest du in St. Virgil mit deiner künstlerischen Praxis anknüpfen? MW: Das Haus selbst und die umgebende Landschaft waren für mich sehr inspirierend. Da ich mich in meinen Arbeiten stets mit dem haptisch und räumlich unmittelbar Erfahrbaren beschäftige – oft ist dies Architektur, aber eben auch die geologisch geformte Landschaft – habe ich mich ganz auf den Ort und seine Eigenarten und Besonderheiten eingelassen. Das Haus selbst interessiert mich aufgrund der klar sichtbaren brutalistischen Elemente, be-


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