Magazin GARCON - Essen, Trinken, Lebensart - Ausgabe 02 - 2009

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HEFT 2 / 2009 | 4€

Das Magazin für entdecker und genieSSer

GASTRONOMIE, HOTELLERIE & LEBENSART

RUTZ | NEU | GOLDENER GREIF | ALTE BRAUEREI PARADIESVÖGEL | SPARGELBRÜDER | BRATWURSTMEISTER MODULORHAUS | MICHALSKICLAN | WEINWETTBEWERB GARÇON

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Liebe Leserinnen und Leser, Es ist Spargelzeit. Auf meinem Lieblingswochenmarkt am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg bieten die Händler alles an, was die Binsenerkenntnis bestätigt: natürlich das königliche Gemüse bergeweise, Spargelschäler für Rechts- und Linkshänder, frische Eier, gute Butter und, für die Kochmuffel, auch Sauce hollandaise fix und fertig. Es gibt rohen und gekochten Schinken unterschiedlicher Provenienz, Schnitzel vom Kalb und vom Schwein, Hühnerbrüste und Zanderfilets. Ich entschied mich, meine Familie mit einem Klassiker zu beglücken - Schnitzel, Spargel, Kartoffeln - und für gebackenen Chili-Spargel mit Asia-Mayonnaise - ein Gericht, das Johann Lafer vor ein paar Tagen im Fernsehen gekocht hat. Das einzige, was der Wochenmarkt dafür nicht hergab, waren simple Semmelbrösel - weder an den beiden Ständen von Berliner Bio-Bäckern, weder bei Butter-Lindner noch bei den diversen Feinkosthändlern. Nicht mal ein paar alte Brötchen waren im Angebot. Eine Freundin half schließlich aus: 400 Gramm Semmelmehl in einem Plastikbeutel, hergestellt in einer Brandenburger Bäckerei, Preis 99 Cent. Die Liste der angegebenen Zutaten allerdings machte mich dann sprachlos: „Weizenmehl, Hefe, Salz, pflanzliches Öl, Verdickungsmittel E 412, Traubenzucker, Emulgator E 472e, Weizenmalzmehl, Malzextrakt, Weizengries, Säureregulator E 341, Süssmolkepulver, Enzyme, Mehlbehandlungsmittel Ascorbinsäure“. Ich vermute mal, dass der Cocktail auch in den Broten und Brötchen dieser Bäckerei zu finden ist, wahrscheinlich, um den Teig perfekt an die Backmaschinen anzupassen. Insgesamt über 70 Chemikalien sind in den sogenannten Backmitteln erlaubt, darunter zwölf Konservierungsstoffe, acht Farbstoffe, acht Verdickungsmittel, sechs Säureregulatoren, fünf Säuerungsmittel, vier Emulgatoren sowie Geschmacksverstärker und Treibmittel. Bei dem so unschuldig klingenden Emulgator E 472e beispielsweise handelt es sich um Mono- oder Diglyceride, Abbauprodukte von Speisefettsäuren also. Sie verhindern, dass der Teig auf der Backstraße klebt und erleichtern später das Einfrieren. Übrigens, wenn Sie mehr wissen wollen: Fragen Sie den Bäckermeister ihres Vertrauens oder besorgen Sie sich das rundum lesenswerte Buch „Unser kläglich Brot“ der Journalistin Eva Goris (Droemer Verlag München 2007, www.droemer.de). Spätestens nach dessen Lektüre kommen Sie mit Sicherheit zu dem Schluss, das tägliche Brot für sich und ihre Familie dort zu kaufen, wo Emulgatoren, Regulatoren und Stabilisatoren tabu sind und wo unser Grundnahrungsmittel noch aus dem gebacken wird, woraus es immer gebacken wurde - aus Mehl, Wasser, Hefe und Salz. Meine Berliner Brot-Favoriten jedenfalls sind das „Schweizer Brot“ der Kreuzberger Biobäckerei Beumer & Lutum, der „Ostblock“ von Soluna am Südstern, ein nussiges Schwarzbrot aus Gerste und Buchweizen, der „Frankenlaib“ der Münchener Hofpfisterei, die in Berlin inzwischen mehrere Filialen eröffnet hat und die „Allgäuer Seelen“ des Bäckermanns in der Pariser Straße in Wilmersdorf. In einer dieser Bäckereien werde ich nächstens dann auch nach einer Tüte Semmelbrösel fragen. Apropos - das Semmelmehl aus Guben im Osten Brandenburgs mit dem flotten E-Mix habe ich meiner Freundin zurückgegeben und meine Schnitzel mit gemahlenen Haselnüssen paniert, natürlich sparsam, wegen der Kalorien. Viel Freude mit dem neuen Garcon, und bleiben Sie uns gewogen. Ihre Yvonne Weinlich

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Spitzenzeit Die cleveren Spargelbrüder

Oetkergruppe Das neue Frischeparadies

INHALT MISE EN PLACE

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TITEL

34 Die Jakobs-Brothers Spitzenkönner im Spargelgeschäft

Die Marheineke-Markthalle Kreuzbergs Antwort auf das KaDeWe

40 Ein Mann, ein Wort: Spargel Peter Wardin und seine Alte Brauerei

LOKALTERMIN 14 Einzug in ein Paradies Delikatessenhaus in Prenzlauer Berg 19 Rutzologie Acht Jahre - Acht Köche 24 Guten Morgen Franz Ein Bistro mit Verbeugung 26 Leckeres - ganz einfach Die Rôtisserie Weingrün 28 NEU - und gut Das Bistro in den Heckmannhöfen 30 Goldener Greif Stabwechsel im Schloss Glienicke 32 Die Dampfmacher Brandenburgs Köche geben Gas

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KOPFSALAT

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42 Der Michalski-Clan Qualität hat einen Namen 46 Wie geht‘s...Gerhard Retter? Vom Adlon in die Fischerklause

HOTELLERIE 48 Assafir Arabische Botschaft in Brandenburg

GESCHMACKSSACHEN 49 Rauchzeichen in Berlin Die Grillsaison hat begonnen 50 Auf glühenden Kohlen Michael Schulz und sein Grillshop 52 Fleischer, wer ist mehr? Meister Gottschlich und sein Credo

54 Um die Wurst Die 7. Berliner Bratwurstmeisterschaft 56 Frische Dienstleistung Hausmesse der Frühstückskönige 58 Fuhrmanns Früchtekorb Heute: Die Avocado

WEINLESE 60 Weinladen Schmidt präsentiert: White MAX 2007 61 Wein-Award 2009 Gedanken zu einem Wettbewerb 62 Frisch und jung Notizen nach einem Sonntagsausflug

LEBENSART 64 Mythos Berlin Wie die Hauptstadt die weltweite Faszination für sich nutzen kann


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Geburtstagsparty Die lange Küchennacht

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Weinwettbewerb Die stolzen Pokalhelden

66 Die Prinzen vom Moritzplatz Ende eines Dornröschenschlafs 70 Decopierre

BOUQUET GARNI 72 Nachrichten und Neuigkeiten

RUBRIKEN 76 Coledampf´s Küchenkolumne Krisenbewältigung - am Beispiel eines Rumpsteaks 79 Gastroquiz 80 Nachgehakt Die Feinschmecker und das Kalbfleisch 82 Termine 83 Impressum

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Die Markthalle 1925

Die Marheineke-Markthalle. Zwischen diesen beiden Bildern liegen 84 Jahre, zwei Kriege, Zerstörung, Wiederaufbau und eine komplette Modernisierung. Hunderte Händler kamen und gingen in dieser Zeit, manche blieben auch ein Leben lang. Ebenso wie ihre Kunden. „Die Marheineke - Kreuzbergs Antwort auf das KaDeWe“, die Idee zu diesem Titel hatte unsere Grafikerin Karin Baetz. Sie lebt zwar in Neukölln, kennt die Markthalle in Kreuzberg allerdings seit Jahren. Als stille Beobachterin des Treibens und als Kundin von Brot und Tee. Vor der Runderneuerung im Jahr 2007 wäre ihr der Vergleich mit dem KaDeWe wohl nicht mal im Traum gekommen - jetzt allerdings... Sicher, er ist ein bisschen hoch gegriffen. Andererseits gibt es in der Halle weit mehr als nur die Dinge des täglichen Bedarfs. Die über 50 Händler haben sich ein Motto verordnet: „bio-frisch-regional“. Danach stellen sie ihre Angebote zusammen, wobei „regional“ durchaus nicht nur Brandenburg meint, sondern eher die Abgrenzung von anonymen Lebensmittelfabriken formuliert. „Meine Region ist die Bretagne“, sagt beispielsweise der Händler Charles Rocher, „nicht nur, weil die schönsten Franzosen von dort kommen, sondern auch die besten Artischocken, wunderbare Salzbutter und natürlich Sarrasin, eine Buchweizenart, deren Mehl ganz vorzüglich geeignet ist, Galettes zu backen.“ So kann man das auch sehen. Oder auch nicht. Die Marheineke-Halle jedenfalls ist ein historisches Stück Berlin und ein lebendiges dazu.

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Die Markthalle 2009


DIE MARHEINEKE-MARKTHALLE KREUZBERGS ANTWORT AUF DAS KADEWE VON MARC STEYER

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Freundliche Händler

Vielfältiges Angebot

Zufriedene Kunden

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TITEL Die Marheinekemarkthalle

„Berlin in Wort und Bild“. Das Buch von Paul Lindenberg stammt aus dem Jahre 1895 und beschreibt in blumiger Sprache die Hauptstadt zur Kaiserzeit, die sich „des hohen Ranges würdig zu erweisen wusste“. „Zusehends reckte und streckte die Stadt Tag für Tag immer weiter und weiter ihre steinernen Arme aus...neben den neuen Prachtbauten, den Denkmälern und Museen sprossten Parkanlagen empor, Markthallen und Schlachthäuser wurden ins Leben gerufen und so entstand das neue, das glänzende Berlin.“   Ein Teil dessen also die Markthallen. 1883 wurde der Grundstein für die Central-Markthalle am Alexanderplatz gelegt, knapp drei Jahre später waren drei weitere fertig gestellt. Es folgten noch einmal zehn - 14 Markthallen also insgesamt. Gelbe und rote Backsteinbauten, Kostenaufwand 25 Millionen Mark, eine für damalige Verhältnisse gigantische Summe.   Die Marheineke-Markthalle trägt die Nummer XIII und wird am 15. März 1892 feierlich eröffnet. 2437 Quadratmeter Handelsfläche, 290 Stände, je vier Quadratmeter, und noch ein Zitat aus „Berlin in Wort und Bild“: „Welcher Berliner hätte es sich träumen lassen, dass Butter, Radieschen, Fische und dergleichen mehr auf elektrisch erhellten Märkten und von hocheleganten Marmorplatten verkauft werden würden.“   1916 Volksküche, 1945 Zerstörung durch Bombentreffer, 1952 Wiederaufbau. Die für den Betrieb der noch bestehenden Markthallen zuständige Berliner Großmarkt GmbH beschließt im Sommer 2006 die Marheineke-Markthalle neu zu gestalten. Baubeginn ist Anfang 2007. Die einen trauern dem 50er-Jahre-Charme nach, die anderen jubeln, weil genau der sie störte. Am 1. Dezember 2007 wird die Halle wiedereröffnet – freundlicher, heller und hygienischer, das sehen schließlich auch die Umbaukritiker. Was ist für Sie jetzt das beeindruckendste an der Marheinekehalle?, eine damals viel gestellte Reporterfrage. Antwort eines älteren Herrn: „Die Klo’s im Keller - immer sauber, immer warm und immer noch kostenlos.“ 10

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Vor dem Personaleingang der Halle ein blauer Transporter, vollgestopft mit Grünzeug. Zwei Frauen schleppen Blumen an ihren Stand, es ist viertel vor acht, sie sind spät dran. Schnell ein Schluck Kaffee, der erste Kunde kommt. Eine Rose für die Dame. Katja Wagner grinst, man kennt sich. „Mancherleigrün“ steht über dem Stand, Hinweis darauf, dass es bei Karin Chmielski, Silke Diener und ihr nicht dieses kunterbunte Rosen-Tulpen-Nelken-Allerlei gibt. Die floralen Kreationen sind eher von herber Schönheit. Brandenburgs Landschaft und Theodor Fontane lassen grüßen.

Mehmet Soman kommt vorbei, eine Kiste mit frischen Feigen unterm Arm. Sein Stand ist weiter hinten. Der Kreuzberger, „aber ein echter“, fügt er hinzu, verkauft Obst und Gemüse und muss damit leben, dass die Kunden ihn an seinem Vorgänger messen. „Früher gab es immer Mangold! - Die Bamberger Hörnchen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren! - Wieso gibt es Mieze Schindler nicht mehr?“

Soman hat den Stand von einem Marheineke-Urgestein übernommen. Hans-Jürgen und Bärbel Lorenzen standen 41 Jahre hier, bis sie Ende 2008 in Rente gingen. Lorenzen - das war eine Kreuzberger Obst- und Gemüseinstitution. Mehmet Soman hat den StandNamen deshalb nicht geändert.   Auch Werler ist eine Institution, obwohl er erst seit 17 Jahren Marheinekeluft schnuppert. Werler, das sind Monica,


Jennifer und Michael. Und - Werler, das ist Tee, 240 Sorten, geballte Kompetenz. Soeben hat er Puttabong bekommen, einen Hochlandtee aus ökologischem Anbau, 100 Gramm für 9,60 Euro.   Gegenüber ist die Fress-Meile und Ulrike Piecha in ihrem Element. Chili con carne, Spaghetti bolognese, Bio-Burger und viel Kommunikation, das riecht nach Germanistik ohne Examen. Doch die Geschichte der jungen Frau ist viel

interessanter: aufgewachsen auf Rügen, Kochlehre im Düsseldorfer Victorian, Weltreise mit Herdpausen, schließlich Studium. Slow-Food Universität Turin mit Abschluss in Gastronomic Sciences. Eine Auskennerin mit viel Charme und noch mehr Selbstbewusstsein. Hey, ich bin kein Imbiss. Tatsächlich - Bio-Schnellrestaurant steht über ihrer Küche.   Charles Rocher ist es egal, wie man seinen Stand nennt. Charme hat er

auch, auch Selbstbewusstsein, nur Ulrike Piechas Ausbildung nicht. Er ist Fahrradmechaniker mit Hang zum Kulinarischen, Franzose eben, Bretone. Er serviert hundert Kleinigkeiten, Espresso, „die beste“ und Croissants, auch „die beste“. Bei soviel Stolz glauben das die Kunden gern. Le Bretagne steht auf seiner Visitenkarte: Café, Épicerie, Croissanterie, Sandwicherie, Traiteur. GARÇON

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TITEL Die Marheinekemarkthalle

Sitzen und quatschen wie Gott in Frankreich, und plötzlich eine Stimme: Guten Morgen, ich bin Horst Köhler. Horst Köhler? Hockerwende. Da steht der Mann, wache Augen, graues, kurzes Haar, grauer Drei-Tage-Bart, weißes Hemd, Gott sei Dank krawattenlos. Köhler ist - „blödes Wort“, sagt er - „Centermanager“. Zuständig für die Vermietung und Vermarktung. Er plant kulinarische Veranstaltungen, will eine Bierbar und eine Kochschule einrichten, spricht von Erlebniskauf und davon, dass der Eventcharakter der Markthalle deutlicher, die Ausstrahlung über den Kiez hinaus stärker werden müssen. Zum Glück ist der Mann Thüringer, da klingen die Forderungen nicht wie Befehle. Au revoir, Charles.

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Horst Köhler macht den Hallenführer. Wie geht’s Frau Knüttel? Frau Knüttel ist Wally und handelt mit Käse: Cheddar, Greyerzer, Reblochon, Vacherin 150 Sorten, locker.   Hallo! Das Kräuterhaus Kreuzberg grüßt zurück. Tausend Kräuter und Gewürze, sollte man sich merken. Schließlich Alimentari e Vini, Giuseppe Madia, der ultimative Italiener, Feinkost, Weine und ein freundlicher Wortwechsel: „Gute Stimmung - Gute Stimmung ist noch kein Umsatz - Aber Voraussetzung dafür.“ Letzte Station: der h.o.f. laden von Christian und Christiane Hoppe. Regionale Produkte, die meisten aus Brandenburg, fast alle Bio. Die Marheineke-Markthalle - sicher kein KaDeWe, aber eine gute Berliner Adresse auf jeden Fall.

Markthallenchef: Horst Köhler


Die MarheinekemarkthalleTITEL

Die frische Adresse in Kreuzberg

l a M s e d Je . l h a W e t s er BergmannstraĂ&#x;e | Marheinekeplatz

www.meine-markthalle.de

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EINZUG IN EIN PARADIES DELIKATESSENHAUS IN PRENZLAUER BERG VON JÖRG TEUSCHER

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Eröffnung FrischeparadiesLOKALTERMIN

Joachim Hauff und Kathrin Haupt haben den Überblick - und einen Fotoapparat. Und so knipsten der Vorstandsvorsitzende und die Sachbearbeiterin einer Behinderteninitiative mit Büros hoch über der Hermann-Blankenstein-Straße in Prenzlauer Berg ein Jahr lang das, was da unter ihrem Dachgarten geschah. Hochfliegende Pläne für das alte Schlachthofgelände gab es in der Vergangenheit mehr als Platz auf dem historischen Areal - verwirklicht jedoch wurden nur wenige. Die Idee, hier eine Zunfthalle zu bauen, scheiterte an fehlendem Geld, die einer Fitness-Factory an mangelndem Interesse. Joachim Hauff und Kathrin Haupt hatten erlebt, wie Bauschilder auf- und wieder abgebaut wurden, wie Bagger an- und wieder abrückten - also waren sie erstmal skeptisch.   Was allerdings binnen eines Jahres da entstand, nötigte ihnen dann doch hohe Achtung ab. Was wie eine überdimensionale Euro-Palette aussieht und trotzdem durch die Verkleidung mit sibirischer Fichte anziehend wirkt, ist die zweite Berliner Niederlassung des FrischeParadieses Lindenberg in Berlin. Die Traditionsfirma gehört seit Jahrzehnten zur Bielefelder Oetker-Gruppe, mit fast 23 000 Beschäftigen und einem Umsatz von 7,7 Milliarden Euro eines der größten europäischen Familienunternehmen.   Nicht kleckern, sondern klotzen mögen sich deren Manager gesagt haben. Und das taten sie dann auch.   10 Millionen Euro wurden investiert, das junge Berliner Architektenteam ROBERTNEUN engagiert, beinahe wöchentlich erst die Planungs- dann die Baufortschritte kontrolliert. Nach nur einem Jahr stand die Halle. „Keine Kunst, wenn man Dr. Oetker heißt“, so ein Berliner Gastronom. Darauf sein Begleiter: „Selbst wenn einer das nötige Kleingeld hat, muss er wissen, was er will.“ Und da ist wohl was dran. Die Halle entstand in kürzester Bauzeit, architektonisch be-

eindruckend, vor allem aber dem Zweck bestens entsprechend.   Betriebsleiter Jörg Pöhlmann, seit 1995 in der Frische-Paradies-Gruppe tätig, nennt Zahlen und Fakten: im Erdgeschoss eine 1200 Quadratmeter große Markthalle, in der rund 5000 Delikatessen von A wie Arganöl bis Z wie Zucchini-Blüten präsentiert und verkauft werden - eine 10 Meter lange Fischtheke - ein Bistro mit 30 Plätzen - im Obergeschoss Büros, Personal- und Technikräume - 2400 Quadratmeter Kühl-, Kommissionier- und Lagerfläche. „Ab sofort“, fügt Betriebsleiterin Stephanie Lobing hinzu, „erfolgt die gesamte Belieferung von Gastronomie, Hotellerie und Handel in Berlin und Brandenburg sowie in Polen, Tschechien und dem Baltikum von diesem Standort aus.“   Einzelhandel in großem Stil und Lieferservice in noch größerem Stil, es ist schon ein riesiges Rad, das Pöhlmann, Lobing und ihre 85 Mitarbeiter da täglich drehen.   Dennoch, die wirtschaftliche Krise geht auch am FrischeParadies Lindenberg nicht spurlos vorüber. „2009 wird für uns ein anspruchsvolles Jahr“, sagt Firmenchef Dr. August Oetker während der Eröffnungsfeier und übersetzt dabei das eigentlich gemeinte Attribut „schwierig“ in optimistisches Unternehmerdeutsch. Aber auch der Konzernchef weiß, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den kommenden Monaten nicht ändern werden. Immerhin 70 Prozent seines Umsatzes macht das Berliner FrischeParadies mit der gehobenen Gastronomie und Hotellerie. Und der wiederum geht es immer nur so gut, wie es ihren Gästen geht...   28 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete das FrischeParadies Lindenberg im Jahr 2008, 10,2 Millionen davon mit Fleisch und Geflügel, 9,7 Millionen mit Fisch und Seafood. Das soll auch 2009 erreicht werden, denn immerhin feiert das Unternehmen im November seinen 135. Geburtstag. „Man muss eben auch in der Krise seine Chancen erkennen.“, sagt Pöhlmann. GARÇON

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Fruchtexporteur aus Bangkok: Rafael Neitzsch

Konzernchef: Dr. August Oetker

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Eröffnung FrischeparadiesLOKALTERMIN

Gastrokritiker Berd Matthies

Regierender Klaus Wowereit

Sternekoch Christian Lohse

Betriebsleiter Jörg Pöhlmann

+++ 8. mai 2009, 11.30 uhr +++ offizielle eroeffnung frischeparadies lindenberg in berlin-prenzlauer berg +++ juengste tochter der frischeparadies-gruppe bietet feinkostsortiment mit 5000 artikeln +++ gruppe nun mit 8 niederlassungen in deutschland und einer in oesterreich groesster deutscher delikatessenhandel +++ regierender buergermeister klaus wowereit von dr. august oetker begruesst +++ hauptstädtische gastronomen begeistert ueber erweitertes angebot +++ hunderte berliner nutzten einkaufsmoeglichkeit bereits am eroeffnungstag +++ frischeparadies in prenzlauer berg soll markt in charlottenburger morsestrasse entlasten, nicht ersetzen +++ www.frischeparadies.com

Ehrengäste: Karl-Heinz Schulz, Mann der ersten Frischeparadies-Stunde und Gattin Gertraude

Olivenbauer aus der Toskana: Egidio Basso

Austernzüchter aus der Bretagne: Fabien Dublaix

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Französin und SB-Markt-Leiterin Laetitia Demange

Neben der Betriebsleiterin Stephanie Lobing ist eine zweite Frau neu im Frischeparadies-Team - Laetitia Demange. Sie ist Französin, weiß also, was eine gute Küche braucht. Das allerdings wird nicht der ausschlaggebende Grund gewesen sein, sie als Marktleiterin einzustellen. Eher waren es wohl ihre Erfahrungen im Geschäft mit Delikatessen. Die 36-jährige absolvierte in Paris die Hochschule für Internationalen Handel und kam vor 13 Jahren nach Berlin, um im Kaufhaus Lafayette zu helfen, die Feinkostabteilung aufzubauen. Nun suchte Laetitia Demange eine neue He-

rausforderung und das FrischeParadies einen Marktleiter. Eine gute Fügung, beide Partner wurden sich schnell einig. Frage an die Französin, wofür sie denn nun zuständig sei. Antwort: „Dafür, das alles gut läuft.“ Ein Lächeln, ihr Handy klingelt und wir werden wohl nie erfahren, was Laetitia Demange damit gemeint hat. „Spécialité de la maison“, sagt sie später dann noch, „die Spezialität unseres Hauses sind Qualität und Vielfalt - ob es um Essige, Gewürze, Gemüse oder Fleisch geht. Es zählt nur das Beste von allem. Das zu garantieren, daran arbeite ich mit.“

Betriebsleiter: Stephanie Lobing und Jörg Pöhlmann

Verkaufsleiter u. Küchenchef: Matthias Rechel (li.) u. Thomas Kurt

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RUTZOLOGIE Rutzologie ist die Wissenschaft vom Feiern in der Weinbar Rutz. Deren wichtigste Gesetze: gefeiert wird regelmäßig, ausgiebig und mit Freunden. Und das seit 8 Jahren.   Es war im Jahr 2000, als Anja und Carsten Schmidt, beide im Weinhandelsgeschäft tätig, in San Francisco eine Weinbar besuchten und von deren Konzept begeistert waren. Wieder in Berlin, redeten sie mit Jürgen Lund darüber, einem Weinhändler, der für ihre Firma arbeitet. Lund wiederum brachte die beiden Unternehmer mit Lars Rutz zusammen, damals Sommelier im Restaurant Harlekin des Berliner Grand Hotels Esplanade. Es entstand die Idee einer Weinbar, eines Weinhandels und eines Restaurants unter einem Dach.   Im März 2001 wurde die Weinbar Rutz in der Chausseestraße eröffnet. Inzwischen mit im Boot: Küchenchef Ralf Zacherl, der eine gehobene Bistroküche zelebrierte und ein Jahr später dafür 14 Gault-Millau-Punkte einheimste. Die Tester sahen bereits damals gute Aussichten und formulierten: „Hier steckt das Potenzial für einen Höhenflug.“ Sie behielten recht.   Die Gault-Millau-Ausgabe für 2003 vermerkte 15, die für 2004, erschienen im November 2003, 16 Punkte. Auch der Michelin war nicht knausrig und ließ einen Stern über der Weinbar leuchten.   Natürlich waren das Anlässe zum Feiern, ebenso wie die Rutz-Geburtstage, bis auf den dritten. Im Dezember 2003 war Lars Rutz gestorben, nach langem Kampf gegen den Krebs. Fast zur gleichen Zeit verließ Ralf Zacherl die Weinbar, das Fernsehen hatte gerufen.   Marco Müller folgte als Küchenchef; Jürgen Hammer, Hendrik Canis, Claudia Albrecht und schließlich Billy Wagner wurden nacheinander Sommeliers und führten, gemeinsam mit Müller, die Weinbar Rutz zu neuen Höhen. Der Michelin-Stern und 16 Gault-Millau-Punkte stehen heute zu Buche - Tendenz steigend. Grund genug, den 8. Geburtstag gebührend zu feiern.

ACHT JAHRE - ACHT KÖCHE VON JÖRG TEUSCHER

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Insgesamt 15 Männer - acht Köche, dazu fünf Winzer und zwei stadtbekannte Barkeeper - das waren die wichtigsten Akteure der 8. Rutz-Geburtstagsparty. Daraus leiteten wahrscheinlich stressgeplagte Werbeleute das Motto der Veranstaltung ab: „nullachtfünfzehn event“.   Die Geburtstagsgäste staunten, denn das war es nun wirklich nicht. 08/15 - Typbezeichnung eines Maschinengewehrs des Ersten Weltkrieges und Titel einer Romantrilogie von Hellmut Kirst aus dem Jahre 1954 - steht für alltäglich, gewöhnlich, langweilig.   Was Marco Müller & friends auf die Teller und in die Gläser taten, war alles andere als das. Ausgefallen, brillant, spannend - so lauteten die kulinarischen Attribute des Abends, der, wie immer wenn das Rutz feiert, erst am nächsten Morgen zu Ende war.

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Rutz WeinbarLOKALTERMIN


LOKALTERMINRutz Weinbar

Am Montag darauf - sonntags ist das Rutz geschlossen - herrscht wieder Alltag in der Weinbar. Die Töpfe sind gespült, die Gläser poliert, Marco Müller bedankt sich bei Köchen und Kellnern für eine außergewöhnliche Mannschaftsleistung, ohne die eine solche Geburtstagsparty nicht möglich gewesen wäre. Dann sitzen sie zusammen auf der sonnigen Dachterasse, reden über Kaninchenragout und Wildwassergarnelen und über früher...   Marco Müller erzählt vom Tag des Mauerfalls vor 20 Jahren, als er, 19-jähriger Jungkoch im Potsdamer Klosterkeller, zum ersten Mal nach Westberlin fuhr, mit Freunden und einem geborgten Lada. Wie sie die ganze Nacht feierten und am nächsten Morgen ins KaDeWe zogen. In der Feinkostabteilung kam der Schock, dem die Erkenntnis folgte nichts wie weg aus Potsdam. Bereits im Februar 1990 stand Marco Müller dann im Schlosshotel Gehrhus im Grunewald am Herd.   Als Müller dort anheuerte, wusste er nichts von Jacobsmuscheln in orientalischer Würze oder von Seezunge in Champagnersauce. Die Mauer war zwar gefallen, kulinarisch jedoch verlief sie wie eh und je zwischen Steak mit Würzfleisch und Steinbutt mit Trüffelbutter.   Müller hatte sein Handwerk in der Potsdamer HO-Ufergaststätte gelernt, einem Fischrestaurant, in dem auf die Teller kam, was es gerade gab. Forelle und Hering gab es fast immer, und so briet der junge Koch Forellen und marinierte Heringe, ertränkte seinen Frust darüber und spielte mit dem Gedanken, Tischler zu werden. Wäre die Wende nicht gekommen, hätte er wohl umgesattelt.   Müller begriff die gesellschaftliche Veränderung als Chance und holte nach, was ihm bis dahin verwehrt war. Er erlebte Klassik de luxe im Restaurant Imperial des Schlosshotels Bühlerhöhe und 22

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im Berliner Grand Slam bei Johannes King dessen experimentierfreudige Kreativküche. Im Harlekin des Grand Hotels Esplanade trat er dann seine erste Stelle als Chef de cuisine an. Die Kritiker bescheinigten ihm Talent, und der „Feinschmecker“ wählte ihn zum Aufsteiger des Jahres. Im Frühjahr 2001 jedoch warf er ebenso des Handtuch wie vor ihm etliche andere Küchenchefs.   Am 1. Januar 2004 übernahm Marco Müller in der Rutz Wein-Bar die Stelle von Ralf Zacherl, der als deutsches Jamie-Oliver-Double größere Karrierechancen sah und sich ganz und gar auf seine Fernseharbeit konzentrieren wollte. Der Rest ist bekannt.   Der inzwischen 38-jährige Sternekoch gehört heute zur Spitzengruppe der hauptstädtischen Herdkünstler. Exzel-

lente Produkte und kreative, sorgfältige Zubereitungen kennzeichnen seine Küche, ob es sich um Gegrilltes Kalbsfilet und Hummersalat, um Confierte Joselitobäckchen und Risotto vom grünen Spargel oder um ein Schwarzfederhuhn handelt, das mit Salbei gebraten und mit Stangenspargel und Nagler KipferlSobrasada-Ragout serviert wird. Marco Müller überzeugt mit Gerichten, die das Produkt hofieren, mit Aromenstärke und Anrichtrafinesse.   Apropos Produkt: Müller und drei seiner Kollegen hatten eine Idee, verbündeten sich mit einem Biobauern in der Schorfheide und planen nun, alte Gemüsesorten selbst anzubauen. Aber das ist schon wieder eine neue Geschichte, auf deren Erfolg man vielleicht zum 9. RutzGeburtstag 2010 anstoßen kann...


GARCON FRAGEBOGEN MARCO MÜLLER

Ihr Lieblingsgericht? Frisch angemachtes Tatar

Ihr Lieblingsgetränk? Kombucha

Ihr Lieblingsgewürz? Gemahlene und frisch angeröstete Korianderkörner

Ihr Lieblingsfisch? Thunfisch

Ihr Küchenmotto? Koche mit Herz!

Wen hätten Sie gern mal als Gast? Jeden, der Spaß an frischer Küche hat

Welches Gericht mögen Sie gar nicht? Milchreis mit Zimt und Zucker

Welches Getränk mögen Sie gar nicht? Synthetische Fruchtmilch aus dem Supermarktregal

In welchem Restaurant – außer Ihrem eigenen – essen Sie am liebsten? Restaurant Bieberbau

Was halten Sie von Kochbüchern? Im Grand Hotel Esplanade 1999: Marco Müller (li.) und Lars Rutz († 2003)

RUTZ-WEINBAR Chausseestraße 8 10115 Berlin-Mitte Tel. 030 - 24 62 87 60 www.rutz-weinbar.de

Die meisten, die in der heutigen Zeit erscheinen, sind Schnellschüsse - die Rezepte funktionieren nicht, wichtige Handgriffe fehlen, und selten wird erwähnt, warum man was macht und was passiert, wenn nicht. Ich mag gut recherchierte oder alte Kochbücher mit traditionellem Ursprung.

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LOKALTERMINGuten Morgen Franz

GUTEN MORGEN FRANZ EIN BISTRO MIT VERBEUGUNG VON HEIKO GRALKI

Küchenchef Matthias Bopp und Stephan Falke, v.li.

Küchen-Feen: Simone Müller und Julia Wolters, v.li.

Service-Schönheit: Annika Gebhardt

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Es gibt zwei Möglichkeiten, ein Restaurant zu eröffnen. Die eine: man lädt Gott, die Welt und vor allem die Medien ein, zieht die Spendierhosen an, schließt auf und feiert eine Party – natürlich mit dem Hintergedanken, dass viele drüber reden und manche drüber schreiben.   Die andere: man schließt auf und wartet auf Gäste, ohne Hintergedanken. Für PR-Strategen ein Ding der Unmöglichkeit – wer nicht wirbt, stirbt. Je größer die Trommel, desto lauter der Ton.   Stephan Falke kann über solche Sätze nur müde lächeln. Der 57-jährige Küchenarchitekt – Falke plant und baut Küchen- und Restauranteinrichtungen - ist ein Mann des perfekten Understatements. Nun hat er, auf dessen Konto beispielsweise die Küchen der Raue-Restaurants MA und UMA gehen, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Veronika Polak und einigen weiteren Partnern ein Bistro gestaltet und eröffnet. Still und leise, auf Falke-Art.

Mein Gott, ein Bistro, sagte Stefanie als ich sie zum Essen einlud und machte keinerlei Anstalten, das Abfällige in ihrer Stimme zu verbergen. Und irgendwie hat sie ja recht. Sowas wie das „Le Plat du Jour“ in Hamburg, das „Le Noir“ in Saarbrücken, auch „Roberts Bistro“ in Düsseldorf und gar nicht zu reden von „L’ Ecailler du Bistrot“ in Paris oder „Peck“ in Mailand muss man in Berlin mit der Lupe suchen.   In der Hauptstadt gilt noch immer: wo es zum Restaurant nicht reicht, wird’s eben ein Bistro.   Das muss Stephan Falke und seine Mitstreiter angestachelt haben. Herausgekommen ist „Guten Morgen Franz“. Untertitel: jederzeitgernessen. Der kann erstmal wörtlich genommen werden. Täglich ab 8 ist der kleine Laden nahe der Friedrichstraße geöffnet - ohne Pause, bis Mitternacht. Fröhliche junge Leute demonstrieren die Guten-Morgen-Franz-Philosophie: Spaß, gepaart mit Fantasie und handwerklichem Können. Eine kleine Karte und eine große Tafel erzählen, was die Gäste kulinarisch erwartet. Das große Frühstück (9,90 Euro) ist tadellos, mittags und abends bereitet die Küchenbrigade aus marktfrischen Produkten eine leckere Jahreszeiten-Küche.   Stefanie bestellte die 30 Stunden geschmorte Ochsenschulter mit Rote-Bete-Püree und Bärlauchgnocchi (13,50 Euro) und kommentierte das schnörkellose Gericht genauso schnörkellos: „Erstklassig“. Das gleiche Urteil verdienten sich auch das Maischollenfilet mit Jacobsmuschel, Speckchip, glasierten Schalotten und Kartoffelpüree (15,20 Euro) und der Beelitzer Spargel mit gebräunter Butter und einem kleinen Wiener Schnitzel (13,40 Euro).


Auch die Tagesgerichte – bei unserem Besuch gab es neben zwei Suppen und zwei vegetarischen Gerichten noch Currywurst (4,90 Euro), Rindsroulade (7,80 Euro), Hühnerfrikassee (8,60 Euro) und Seelachsfilet (9,50 Euro) – beweisen, wie viel Lust Küchenchef Matthias Bopp und seine beiden Herd-Grazien Simone Müller und Julia Wolters an ihrem Job haben.   Bistrolike auch das Guten-Morgen-FranzAmbiente: modern gestylt, gleichwohl gemütlich. Genau das waren Stephan Falkes Intentionen, der auch die Idee zum eigenwilligen Namen des Bistros hatte. Guten Morgen Franz, das ist – Branchenkenner ahnen es – Reverenz an den Altmeister unter den Berliner Küchenchefs, der Anfang des Jahres den Staffelstab in der Remise von Schloss Glienicke an seine Tochter Anja und deren Küchenchef Sebastian Marquardt übergab (s. unser Beitrag „Stabwechsel“ in diesem Heft).   Ehre, wem Ehre gebührt. Natürlich kennt Stephan Falke den Bibelspruch und interpretiert ihn auf seine Weise. Mit dem Namen seines Bistros setzt er dem Mann ein Denkmal, der Berlins Küche entscheidend verändert hat. GUTEN MORGEN FRANZ Am Weidendamm 1 A 10117 Berlin-Mitte Tel. 030 - 20 64 78 78


LOKALTERMINRotisserie Weingrün

LECKERES - GANZ EINFACH BELTLES SPIEßBRATEREI AN DER GERTRAUDENBRÜCKE VON JÖRG TEUSCHER

Herbert Beltle ist gesund und munter. Das waren die wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass sein drittes Restaurant am 18. April eröffnet werden konnte. Ohne Pauken und Trompeten, dafür aber mit dem guten Gefühl aller, die dabei waren, dass hier eine gastliche Stätte besonderer Güte entstanden ist. „Der Laden wird laufen“, lautete die einhellige Meinung.   Und wenn’s mal nicht ganz so laufen sollte, dann ist ja auch noch die heilige Gertraude da, auf der Brücke gleich nebenan. In Wirklichkeit ist sie zwar die Schutzheilige der Armen und Kranken, aber sicher wird sie ihre schützende Hand auch über Beltles Restaurant halten, zumal der Gastronom das Denkmal bei Dunkelheit beleuchten lassen will. Und zwar nach Beltle-Art, das heißt, auf eigene Kosten.   „Rôtisserie Weingrün“ steht nun an dem denkmalgeschützten neogotischen Geschäftshaus in der Gertraudenstraße - ein Name, der möglicherweise einer Erklärung bedarf.   Teil eins: In Berlin gibt es längst nicht mehr nur Restaurants, sondern inzwischen auch Bistros, Brasserien, Charcuterien. Nun also die erste Rôtisserie. Auf gut deutsch ist das ein Grillrestaurant. Aber wie klingt das, zumal diese Ecke immer noch von einem Hauch

Ostberliner Charme umweht wird? Grillrestaurant - da würden ja gleich die Broiler grüßen.   Also, Rôtisserie, auch mit dem Blick auf die Berlin-Touristen.   Der zweite Teil des Restaurantnamens gibt einen Hinweis auf das Getränkeangebot. Natürlich Wein, Beltle ist schließlich seit ein paar Jahren Weingutbesitzer - und, er erweist auch dem Kellermeister seines Gutes Ehrerbietung. Der heißt Wolfgang Grün und hat ein sicheres Gespür für Qualität. Das Ergebnis sind die Horcher-Weine - Gewächse, die sich nicht hinter denen der Pfälzer Traditionsweingüter verstecken müssen.   Wir sind eingeladen zur kulinarischen Generalprobe. Dem Öffnen der Tür folgt ein Aha-Erlebnis. Beltle, seine Innenarchitektin und Handwerker, die ihren Namen verdienen, haben aus dem kunterbunt ausstaffierten Vorgängerrestaurant eine – ich sag’s mal neudeutsch – „tolle Location“ gemacht. Eiche und Stahl dominieren, das Interieur passt punktgenau, viele Details lenken den Blick. Das Restaurant liegt jedoch nicht nur im Trend, was die Einrichtung betrifft. Auch die Küche ist ein Produkt kluger Marktbeobachtung. Acht Vorspeisen stehen auf der Speisekarte, darunter Beef-

Ärmel hoch...

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Rôtisserie WeingrünLOKALTERMIN

tea, in der Flasche gegart mit kleinen Maultaschen und Schnittlauch. Oder Schwarz-Rot-Gold - Zarenlachs auf dünnen Kartoffelrösti mit Meeräschenkaviar. Die Preise dafür liegen mit 8 bis 14 Euro ebenso im grünen Bereich wie die der Gerichte vom Flammenwandgrill, die mit 10 bis 15 Euro kalkuliert sind, Beilagen und Saucen schlagen dann noch mit 2 bis 4 Euro zu Buche – das ist in hohem Maße gästefreundlich.   Grillmeister, pardon, Chefrôtisseur, ist Heinz Klement, schon früher mal Beltles Partner. Klement, 52, gebürtiger Österreicher aus Graz, kam 1989 nach Berlin, war Küchenchef im Halali und Kantinenleiter im Tagesspiegel und setzt im Weingrün auf Fleisch aus der Region, geheime Gewürzmischungen und tolle Saucen, hausgemacht natürlich. Auf den ersten Blick ziemlich unspektakulär, beim ersten Bissen aber über die Maßen lecker. Dazu ein unverkrampfter Service – Gast, was willst du mehr.

Chef-Rôtisseur Heinz Klement

RÔTISSERIE WEINGRÜN Gertraudenstraße 10-12 10178 Berlin-Mitte Tel. 030 - 20 62 19 00 Rôtisserie Weingrün mit Volano-Aufschnittmaschine

...und Zeichen setzen!

Motto eines Machers: Herbert Beltle GARÇON

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LOKALTERMINRestaurant Neu

NEU - UND GUT DAS BISTRO IN DEN HECKMANNHÖFEN VON HANS-JÜRGEN BERGS

Vor sieben Jahren schrieb Deutschlands Gastro-Guru Wolfram Siebeck über McBride’s Brasserie in den Heckmannhöfen: „Sie gehört zu den Adressen, die man an gute Freunde weitergibt.“ Möglicherweise vergaßen das die Gäste – das kleine Restaurant musste jedenfalls trotz des Lobes des bekanntesten deutschen Gastronomiekritikers bald wieder schließen. Inhaber Brian McBride ging als Concierge ins Hotel de Rome, aus seinem Laden wurde eine Allerweltskneipe – bis Oliver Rother kam.   Der 31-jährige Spandauer stammt aus einer Gastronomenfamilie, absolvierte ein Pädagogikstudium - Sport und Geographie auf Lehramt - und wäre wahrscheinlich heute Pauker an einem Berliner Gymnasium, hätten die Gene nicht gesiegt. Er stemmte eine Reihe von Club-Projekten wie die BaambiLounge und die Relais-Bar und eröffnete schließlich Ende August 2008 das Restaurant NEU.

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Küchenchef Max Stoll und Inhaber Oliver Rother, v.li.


Restaurant NeuLOKALTERMIN

In Aktion: Max Stoll und Jan Haltinger

Als der Name bekannt wurde, mutmaßten einige, dass damit wohl dem deutschen Krautrock der frühen 1970er Jahre ein Denkmal gesetzt werden sollte. „Mitnichten“, sagt Rother. Dass es einst ein Düsseldorfer Duo gleichen Namens gab, wusste er nicht. Nun will er deren Musik mal spielen, die immerhin von Herbert Grönemeyer auf seinem Grönland-Label wiederveröffentlicht wurde. Na dann, „Hallogallo“, hoffentlich finden’s die Gäste genauso cool wie Grönemeyer.   Der kleine Laden auf den historischen Höfen an der Oranienburger Straße könnte inzwischen genauso beschrieben werden wie einst das McBrides: ein Bistro, das nur das verspricht, was es halten kann. Die Gerichte sind frisch und manchmal – was die Kombinationen betrifft - sogar ein bisschen frech. Das wichtigste aber: die kulinarische Mottenkiste bleibt zu.   Küchenchef Max Stoll, 31, und SousChef Jan Haltinger, 35, sind viel zu sehr Profis, um den Touristenabfütterungsstätten der Gegend eine weitere hinzu-

zufügen. Dumpfe Hausmannskost, nachlässig gekocht, das ist nicht ihr Ding.   Stoll haben wir vor Jahren an der Seite Stephan Garkischs im Bieberbau kennengelernt, dann aber aus den Augen verloren - kein Wunder, der Mann ist ein kulinarischer Globetrotter: Australien, Kalifornien, Neuseeland. Der gebürtige Heidelberger liebt neben dem Kochen das Reisen und das Surfen. Hoffentlich - es wäre gut für’s NEU - wird sein Fernweh nicht allzuschnell wieder akut. Aber da ist ja dann noch Haltinger, Berliner und zuletzt sechs Jahre Küchenchef im Kölner Balthazar...   Die beiden Männer haben eine Speisekarte mit hohem Güteanspruch geschrieben. Beispielhaft zubereitet sind die geschmorte Rinderschulter auf Bärlauchrisotto und das Zanderfilet auf Frühlingsgemüse. Auch für die Salate, Suppen und die Piadini – das sind Teigfladen, die dünn belegt werden, gilt: es gibt gute Qualität fürs Geld. Und wenn man mal vom Rucolaberg auf dem Steaksandwich absieht - auch frei von jeglichen modischen Banalitäten.

Alles echt, nichts übertrieben - das gilt auch für die Einrichtung des NEU - Bilder, Blumen, Lampen und schicke Stühle, „echte Supernatural Chairs“ des britischen Designers Ross Lovegrove, erfahren wir.   Die Weine empfiehlt und liefert Jürgen Hammer, der Auskenner, direkt aus seiner Kreuzberger Feinkostbar. Da kann also auch nichts schief gehen. Wenn es schon diese Zusammenarbeit gibt, sagte sich Inhaber Oliver Rother, weshalb daraus nicht ein zweites Standbein machen? Gesagt, getan - in der oberen Etage entsteht nun eine Wein-Lounge - ein Raum also, der für Hammer-Seminare zum Thema Wein genutzt werden soll, aber auch für andere Veranstaltungen zur Verfügung steht. CAFÉ RESTAURANT NEU in den Heckmannhöfen Oranienburger Straße 32 10117 Berlin-Mitte Tel. 030 - 66 40 84 27 www.restaurant-neu.de

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GOLDENER GREIF STABWECHSEL IM SCHLOSS GLIENICKE VON YVONNE WEINLICH

Gastronomieberater mit Harley: Franz Raneburger

Jahrelang war in der Remise von Schloss Glienicke die Aufgabenteilung klar geregelt. Inhaber und Küchenchef Franz Raneburger stand am Herd, Marija Vojković, seine Partnerin im Beruf wie im Leben, leitete den Service, und Tochter Anja kümmerte sich um die Organisation von Veranstaltungen. Ende des Jahres 2008 erhielten Freunde, Gäste und Geschäftspartner einen Brief, zwei Zeilen nur: Nach 15 Jahren als Inhaber und Pächter des Restaurants Schloss Glienicke wird Herr Franz Raneburger dieses der nächsten Generation übergeben.   Der Franz, der kann’s. Der abgegriffene Reim aus einem 50er-Jahre-Schlager musste in den vergangenen Jahren immer wieder herhalten, wenn über Franz Raneburger geschrieben wurde. Als der gebürtige Österreicher nach Koch- und Metzgerlehre im heimatlichen Tirol, Wanderjahren durch die halbe Welt, Zwi30

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schenstationen im Berliner Sportpalast und in der Cafeteria des Senders Freies Berlin 1982 den Bamberger Reiter in Schöneberg übernahm, war Berlin noch eine kulinarische Wüstenei, die Edelgastronomie bot sich „ungemein übersichtlich“ dar. Die Tourismusmanager warben mit Bulette und Eisbein und priesen die jährlich 63 Millionen verzehrten Currywürste als kulinarischen Superlativ.   Raneburger war einer der ersten, die gegen den fettigen Ruf Berlins ankochten. „Das Essen ist furchtbar teuer, aber dafür auch kreativ, kunstvoll und köstlich“, kommentierte 1989 der Tagesspiegel. Da hatte Franz Raneburger bereits das siebente Jahr in Folge einen Michelin-Stern erkocht. Wiederum fünf Jahre später trennte sich Raneburger von seiner Frau, verabschiedete sich aus der Kaviarliga und übernahm die Remise im Schloss Glienicke. Gemeinsam mit seiner neuen Partnerin Marija

Vojković machte er aus Schinkels Schlösschen nahe der Glienicker Brücke Berlins bestes Ausflugsrestaurant.   Nun also ist Raneburger, 61-jährig, in die zweite Reihe getreten.   Tochter Anja übernahm das Ruder, das Restaurant nahe der Glienicker Brücke heißt jetzt Goldener Greif. Die 39-jährige Berlinerin mit österreichischem Pass studierte in ihrer Heimatstadt Betriebswirtschaftslehre, Diplom 1996. Acht Jahre später kam der Master of Business Administration hinzu - Thema der Abschlussarbeit: Wettbewerbsanalyse und strategische Implikationen einer Veranstaltungsagentur. Beste Voraussetzungen also, um ein großes Restaurant zu betreiben, das sie neudeutsch auch als „Eventlocation“ bezeichnet. Was Anja Raneburger damit meint, wird klar, wenn sie über die Zukunft des Hauses spricht: „Wir planen spezielle Veranstaltungen, Konzerte und Kochkurse. Unser Team ist darauf spezialisiert, selbst größte Feste zu organisieren. Von den Ausflüglern allein können wir nicht leben.“

Diane Radcliffe, der gute Geist im Schloss und Inhaberin Anja Raneburger, v.li.


Goldener GreifLOKALTERMIN

Von ihrer letzten Arbeitsstelle, dem International Club Berlin hat sie die Servicebrigade um den weltgewandten Restaurantleiter Mario Pulver mitgebracht.   Die Küchencrew mit dem erfahrenen Sebastian Marquardt an der Spitze bleibt die alte, am Küchenkonzept ändert sich also nichts. Zum Restaurant, dem Saal mit Wintergarten und Terrasse wird bald noch das Café Lenné kommen mit hausgemachtem Kuchenangebot und einem Geschenkeshop rund ums Grüne.   Und Franz Raneburger? Der tut das, was viele Köche in seinem Alter tun. Er wurde kulinarischer Berater. Seinen ersten Auftrag bekam er von seiner Partnerin.   Schon in ihrer Kindheit in Kroatien träumte Marija Vojković von einem eigenen Geschäft. Vor ein paar Monaten erfüllte sich nun der frühe Wunsch. Weshalb es eine Cateringfirma wurde, mit der sich Marija Vojković selbständig machte und weshalb sich deren Sitz nicht im heimatlichen Split, sondern in ihrer Wahlheimat Berlin befindet - das ist eine Geschichte, die von den Zufällen des Lebens bestimmt wurde.

1989 kam Marija Vojković mit ihren Eltern nach Berlin. Im damaligen Sternerestaurant Bamberger Reiter absolvierte sie eine Lehre als Restaurantfachfrau, aus dem am Anfang fremden Beruf wurde Berufung.   Sie arbeitete in weiteren hauptstädtischen Spitzenrestaurants, dem Lorenz Adlon und dem first floor, vervollkommnete in einer Londoner Servicebrigade ihre Sprachkenntnisse und als Restaurantleiterin in der Remise von Schloss Glienicke ihre Fähigkeit, Teams zu führen und Veranstaltungen zu organisieren. So war der nächste Schritt, der in die Selbständigkeit, nur folgerichtig.   Dass Marija Vojković ihr junges Unternehmen Edelweiß Catering nannte, lag weniger auf der Hand. Der Name ist eine Verbeugung vor Franz Raneburger, ihrem Partner im Leben und nunmehrigem kulinarischen Berater im Beruf. Jahrelang war Raneburger einer der leidenschaftlichsten Statthalter österreichischer Gastlichkeit in Berlin. Dafür steht das Edelweiß.

Küchenchef Sebastian Marquardt

Das neue Team im Schloss Glienicke

RESTAURANT GOLDENER GREIF Königstraße 36 14109 Berlin-Wannsee Tel. 030 - 805 40 00 www.schloss-glienicke.de

Jungunternehmerin: Marija Vojković

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DIE DAMPFMACHER BRANDENBURGS KÖCHE GEBEN GAS VON JÖRG TEUSCHER

Die Dampfmacher: Magdalena Cupal-Schmidt, Stephan Malotki, René Tümmel, Dieter Kobusch, Frank Schreiber, Steffen Johst, Roy Augustin, v.li.

Bisher war es so: zurückgekehrt von ihren kulinarischen Frühjahrsausflügen urteilten die Berliner Restaurantkritiker unisono vernichtend über die Gastronomie in Brandenburg. Meist zu recht. Ein Tisch am See in frischer Luft ist eben noch längst kein Indiz für gutes Essen, von einem guten Dutzend Leuchttürmen und -türmchen zwischen Eich-, Finster-, Lucken- und Reichenwalde mal abgesehen.

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In diesem Jahr ist es zum ersten mal anders. Während ein Teil der meinungsbildenden hauptstädtischen Berufsesser nach wie vor dafür plädiert, bloß nicht in Brandenburg zu rasten, sondern direkt durchzufahren, bis Rügen beispielsweise (Nico Rechenberg), konstatieren die anderen neue Konzepte, überarbeitete Speisekarten und kulinarischen Ehrgeiz draußen im Lande (Bernd Matthies).

„Wir Brandenburger Köche sind besser als unser Ruf“, bemerkt Dieter Kobusch dazu. Der Küchenchef im Luckenwalder Vierseithof kann sich nach dem stressigen Hin und Her zwischen dem DämeritzSeehotel in Hessenwinkel und seinem noblen Stammhaus seit einiger Zeit wieder auf die Arbeit am Herd in Luckenwalde konzentrieren - und auf eine Aktion, die er vor Jahren mit ins Leben rief.


BrandenburgLOKALTERMIN

„Brandenburg unter Dampf“ startete im Jahr 2003 mit dem Ziel, das Interesse an Brandenburger Produkten zu wecken und den Beweis anzutreten, dass die Köche zwischen Prignitz und Lausitz mehr können als Fische totzubraten und Kürbis matschig zu kochen. Damals war das kein ganz leichtes Unterfangen. Tatsächlich kamen vielerorts anstelle einer gut gemachten Regionalküche zu vernünftigen Preisen bestenfalls halbgare Experimente auf die Teller. Lediglich im Spreewaldort Burg und in Luckenwalde vergab der Gault Millau 2002 zwei Kochmützen - für das Restaurant 17fuffzig im Hotel Zur Bleiche und für den Vierseithof.   Heute, sechs Jahre später, funkeln bereits drei Michelin-Sterne über dem Land, und die kulinarische Landkarte ist nicht mehr gar so dünn besiedelt. Dennoch, ein bisschen Klappern gehört nach wie vor zum Handwerk, sagten sich sieben der besten Brandenburger Köche und luden am 24. April 2009 zum Galadinner ins Residenzhotel am Motzener See.   Neben dem Hausherrn Roy Augustin, seinem Küchenchef René Tümmel, Steffen Johst, dem Brandenburger Meisterkoch 2009 und den bekannten Küchenkünstlern Dieter Kobusch, Stephan Malotki und Frank Schreiber stand dort auch eine junge Frau am Herd, deren Name selbst den meisten, gewöhnlich kenntnisreichen, hauptstädtischen Feinschmeckern bisher kaum etwas sagte: Magdalena Cupal-Schmidt.   Ihre Geschichte ist kurz und ungewöhnlich und beginnt damit, dass die Architektin Martina Marx in Brandenburg an der Havel ein alters Bürgerhaus sanierte und darin ein Restaurant einrichtete. Als sie sich entschloss, es auch selbst zu betreiben, wurde sie beim Arbeitsamt mit dem Wunsch vorstellig, ihr einen Koch ohne Job zu vermitteln. Mit dem Koch wurde es nichts, eine Köchin kam in das Restaurant am Humboldhain, Magdalena Cupal-Schmidt.

Brandenburger Aufsteigerin: Magdalena Cupal-Schmidt

Die gebürtige Polin landete vor zehn Jahren als Dolmetscherin auf dem Spargelhof von Jörg Buschmann und Ernst-August Winkelmann in Klaistow, begann später ein Fremdsprachenstudium an der Uni Potsdam, schmiss nach einem Jahr und lernte Köchin. Ob es die gute Ausbildung im Berliner Esplanade, die kulinarischen Gene oder beides war, Magdalena CupalSchmidt erreichte auf Anhieb 14 Punkte im Gault Millau. „Immer stimmen Garzeit, Würzung und Optik“, lobten die Tester, „und der Preis stempelt ohnehin alles zum Supersparangebot.“ Das einfache Fazit: Magdalena Cupal-Schmidt ist ein Glücksfall für Brandenburgs Gastronomie und eine Bereicherung für „Brandenburg unter Dampf“. www.brandenburgunterdampf.de

Hoteldirektoren: Herma Kasimir (Vierseithof Luckenwalde) und Roy Augustin (Residenz Motzen)

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DIE JAKOBS-BROTHERS SPITZENKÖNNER IM SPARGELGESCHÄFT VON JÖRG TEUSCHER

Wenn die Spargelzeit beginnt, steht in Brüggen die Welt Kopf. Das Städtchen ist für die niederrheinische Gegend westlich von Mönchengladbach und nahe der niederländischen Grenze das, was Beelitz für Brandenburg ist.   Der Spargel trägt in Brüggen den Beinamen „essbares Elfenbein“. Zu den Bauernfamilien, die davon lebten, gehörten die Jakobs – Vater, Mutter, vier Söhne, ein Hof.   Jürgen, der älteste und Klaus, der jüngste studierten. Jürgen ging ins Bank- und Klaus ins Telekommunikationsgeschäft. Josef und Dieter lernten Gärtner. Den elterlichen Hof schließlich übernahm Dieter, obwohl jünger als Josef. Alles klar?   Josef Jakobs jedenfalls zog in die Fremde, um sich einen eigenen Hof zu suchen, so war es besprochen. Dass er ihn schließlich in der Nähe von Beelitz fand, war reiner Zufall. 34

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Die Jakobs-Brüder 1975...

...und 2004


Die Jakobs-BrothersKOPFSALAT

Um einen unansehnlichen Wurzelstock dreht sich sowohl in Brüggen als auch in und um Beelitz fast alles. Der Grund dafür liegt darin, dass er in den Böden der Gegend optimale Bedingungen vorfindet. Die Erde hat einen hohen Sandanteil, es gibt wenig Lehm, kaum Steine, und der Nährstoffgehalt ist ausreichend. Der erste, der das herausfand, war der Beelitzer Glasermeister und Ackerbürger Karl Friedrich Wilhelm Hermann. 1861 begann er, Spargel in großem Stil anzubauen. Er lieferte ihn auf Berliner Märkte und begründete so die Beelitzer Spargeltradition.   Bereits 70 Jahre später bewirtschafteten die Bauern hier 450 Hektar. Das königliche Gemüse wurde in der Zentralmarkthalle der Hauptstadt verkauft, bis zu 37 Tonnen täg-

Spargelhof Schäpe 1996...

lich. Per Luftfracht gelangte es sogar nach Dänemark, Schweden und Norwegen.   Das vorläufige Ende des Spargelbooms kam mit dem Zweiten Weltkrieg, das Gemüse war den Machthabern nicht kalorienreich genug. Auch das Interesse der DDROberen an den weißen Stangen hielt sich in Grenzen, die Anbauerfahrungen verkümmerten. Bestenfalls im privaten Kleingarten kamen sie noch zum Tragen. Nach der Wende schließlich stiegen die Chancen des Spargels wieder, 1991 wurde der Beelitzer Spargelverein gegründet, und der Begriff „Spargelwirtschaftswunder“ machte die Runde. Das, was er umschrieb, war allerdings kein kurzlebiger Trend, sondern eine beispiellose Erfolgsgeschichte.   Mitgeschrieben wurde sie von Josef

und Jürgen Jakobs, den Brüdern vom Niederrhein. Josef, der Bauer, kam 1996 ins Beelitzer Revier, kaufte in Schäpe an der Spargelstraße einen heruntergekommenen Vierseithof, baute ihn wieder auf und begann, ringsum Spargelfelder anzulegen. Jürgen, damals Banker in Berlin, unterstützte das Projekt mit seinem betriebswirtschaftlichen Knowhow. Acht Jahre später wechselte auch er ins Spargelgeschäft. Ein zweiter Hof entstand in Beelitz, am Kähnsdorfer Weg, auf dem Areal einer ehemaligen genossenschaftlichen Bauorganisation. „Ohne Mut wäre das nicht möglich gewesen“, sagen Josef und Jürgen Jakobs. Die Liebe zur neuen Heimat kam hinzu. Und Banken natürlich, die mitspielten.

...und 2009

Krahne Lehnin

Die Beelitzer Spargelstraße

Josef und Jürgen Jakobs, v.li.

Klaistow Busendorf

BeelitzHeilstätten

Schlunkendorf

Blankensee

Beelitz Reesdorf

Zauchwitz

Schäpe Elsholz Rieben Wittbrietzen

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KOPFSALATDie Jakobs-Brothers

Eindrücke angesichts dieses Fotos: nichtssagend, unspektakulär, poplig, krakig.   Ein Paradebeispiel für die „HässlicheEntlein-Schöner-Schwan-Geschichte“, denn so sieht der Ursprung des Corpus feinschmeckerischer Begierde zur Spargelzeit tatsächlich aus. Anders gesagt: aus einer solchen Jungpflanze wächst der Spargel. Und das geht so: Der Fechser, so heißt die Jungpflanze, wird im Frühjahr gesetzt, rund 20 cm tief, Erde drauf, anhäufeln, düngen, bewässern. Im ersten Sommer lässt man sie wachsen, im Herbst wird das hohe grüne Spargelkraut gemäht, gehäckselt und als Humus für das weitere Wachstum der Pflanze verwendet. Im Jahr darauf geschieht das gleiche: Erde wieder anhäufeln, düngen, bewässern, Spargelkraut im Herbst mähen usw.   Erst im dritten Jahr ist der Spargelstock dann so weit, dass die weißen Stangen gestochen werden können, 36

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bevor sie das Licht der Welt erblicken. Auch die folgenden acht bis zehn Jahre bringt dieser Stock nun Ertrag, dann ist er am Ende und der Boden ist ausgelaugt. 30 Jahre lang sollte auf diesem Feld nun kein Spargel mehr angebaut werden.   150 Hektar Spargelkulturen, bewirtschaftet nach den Richtlinien des kontrolliert-biologischen Anbaus, gehören derzeit zum bäuerlichen Unternehmen der Jakobs-Brüder, der Josef Jakobs Spargelhof GbR Beelitz und Schäpe. Das ist rund ein Siebentel der Anbaufläche im Beelitzer Revier. Etwa 51 Dezitonnen des königlichen Gemüses wurden hier im vorigen Jahr von jedem Hektar geerntet, das sind 5100 Kilogramm, ein guter Schnitt.   Zwei-, manchmal auch dreimal am Tag fährt Michael Walter die 350 Spargelstecher der Jakobs mit einem ausrangierten Linienbus auf die Felder. 230 Saisonkräfte kommen aus Polen, darun-

ter auch einige, die letztes Jahr noch in Irland und England gearbeitet haben. Aber jetzt steigt auch dort die Arbeitslosigkeit, zudem hat der polnische Zloty seit 2008 mehr als 30 Prozent seines Wertes verloren. Zum ersten Mal haben Josef und Jürgen Jakobs auch 120 Rumänen hier. Josef Jakobs war dafür eigens als Headhunter in Südosteuropa, hat erklärt, was das ist – Spargel, Videos gezeigt und die Leute persönlich ausgewählt.   Vor allem, wenn der Spargel bei tagelangem Sonnenschein schießt, ist das Geschäft ein Wettlauf gegen die Zeit. Deshalb haben die Jakobs-Brüder in den letzten Jahren 100 Spargelspinnen in Holland gekauft, 2500 Euro pro Maschine. Die elektromotorisierten Erntehelfer, die die Abdeckfolie während des Spargelstechens hoch halten, erleichtern nicht nur die Arbeit, sondern steigern auch deren Produktivität. Immerhin ist Spargel das schnellste


Die Jakobs-BrothersKOPFSALAT

Die Beelitzer Spargelkönigin 2009 auf Berlintour

Gemüse der Welt – in nur 24 Stunden wächst eine Stange bei Idealbedingungen zu voller Größe.   Josef und Jürgen Jakobs haben auf ihren beiden Höfen Hofläden eingerichtet, in denen sie einen Teil ihrer Ernte anbieten. Die Brüder wissen, dass es kaum ein anderes regionales Brandenburger Produkt gibt, bei dem die Herkunft, das „Made in Beelitz“, so entscheidend ist für den Verkaufserfolg.   „Frische“, sagt Jürgen Jakobs, „ist nicht nur für die Kunden unserer Hofläden, sondern vor allem auch für die kritischen Berliner Küchenchefs von allererster Bedeutung.“ Der diplomierte Kaufmann und ehemalige Banker nimmt zwei der weißen Stangen und erklärt, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. „Frischer Spargel hat ein glattes pralles Schnittende, aus dem bei Druck der Saft quillt. Riecht er säuerlich, sollte man ihn liegen lassen.“   GARÇON

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KOPFSALATDie Jakobs-Brothers

Josef Jakobs

Jakobs demonstriert einen weiteren Test. Die Stange sollte schon bei leichter Biegung brechen, ansonsten ist sie holzig. Wenn der Spargel beim Aneinanderreiben quietscht, zeigt er Tagesfrische. „Er ist ein Geschenk der Natur“, beendet Jakobs seine sachlichen Erläuterungen mit einem lyrischen Epilog. Sein Mobiltelefon klingelt. Es ist in diesen Wochen ein

einen Streichelzoo, manchmal Blasmusik und in Schäpe tanzen die Kellnerinnen regelmäßig die Annemarie-Polka. Die Jakobs-Brüder sind längst nicht mehr nur Land-, sondern auch Erlebniswirte.   Besonders toll findet Josef Jakobs die Wortschöpfung nicht. „Das Bäuerliche darf auf keinen Fall verloren gehen“, betont er. Und so setzen die Brüder auf

Idylle pur: Schäpe zur Spargelzeit

die Romantik des Schäper Vierseithofes, die märkische Landschaft ringsum und, bitte, wenn das nicht genügt, ein paar Kilometer weiter auf die Nieplitztaler Exoten. „Nur kein Klamauk, der macht die Dörfer kaputt“, ein bekannter Berliner Professor mischt sich in unser Gespräch ein. Josef Jakobs pflichtet ihm bei. Er sitzt inzwischen als Abgeordneter im Kreistag von Potsdam-Mittelmark und weiß, wovon er redet. JOSEF JAKOBS SPARGELHOF Dorfstraße 21 14547 Schäpe/Beelitz Tel. 033204 - 419 70 www.beelitzspargel.de

JAKOBS-HOF Kähnsdorf Weg 1A 14547 Beelitz Tel. 033204 - 627 14 www.beelitzspargel.de Jakobs Hofladen in Beelitz

ganz guter Indikator, wie es um die Gastronomie in Berlin steht, dem wichtigsten Markt der Jakobs-Brüder.   Spargelbauern sind längst auch eine Art Tourismusmanager. „Wir müssen mehr tun als nur Spargel verkaufen“, Josef Jakobs erläutert die Erkenntnis. Hofläden allein genügen nicht, selbst, wenn es dort außer Spargel auch hausschlachtene Wurst, Brot vom Dorfbäcker und andere regionale Spezialitäten gibt. Gastronomie, natürlich. Auf dem Hof in Beelitz gibt es 38

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Jürgen Jakobs


Die Jakobs-BrothersKOPFSALAT

Busfahrer Michael Walter

Spargelstecher aus Rumänien

Spinne am Morgen...

Spargelspinne in Aktion

Investition 2009: 200 000 Euro-Verpackungslinie

Kundengespräch: Jürgen Jakobs mit Dieter und Marcus Fuhrmann, v.re.

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EIN MANN, EIN WORT: SPARGEL PETER WARDIN UND SEINE ALTE BRAUEREI VON YVONNE WEINLICH

Bärbel und Peter Wardin

Berliner Köche werben mit der Frische ihres Spargels: gestern gestochen, heute auf dem Teller. Peter Wardin sagt: „Vorhin gestochen, jetzt auf dem Tisch“. Kein Wunder, der Mann sitzt an der Quelle. Mit diesem Pfund wuchert er täglich kiloweise.   Wardin ist Inhaber der Alten Brauerei in Beelitz, eines historischen Landgasthofes, dessen Spezialität eine ordentliche, unaufgeregte Regionalküche ist - im Gegensatz zur billigen Wirtshausküche, die es auch in und um Beelitz immer noch gibt. Erstaunlich also, dass meine drei Brandenburger Restaurantführer „Essen in Brandenburg“, „Gut essen rund um Berlin“ und „Historische Gasthäuser in Brandenburg“ den kulinarischen Leuchtturm von Beelitz übersehen haben - aber das nur am Rande, und nur deshalb, weil im Lande Brandenburg, wenn es ums Kulinarische geht, so manches erstaunlich ist... 40

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Peter WardinKOPFSALAT

Wardin also, Wirt in neunter Generation in der Beelitzer Mühlenstraße. Wilder Wein überwuchert die Fassade des Hauses mit der Nummer 30 und lässt es älter aussehen als es in Wirklichkeit ist. Doch es steht erst seit 1956 hier. Das alte Vorgängergebäude musste damals nach einem Brand abgerissen werden.   Historisch und denkmalgeschützt dagegen sind die Tordurchfahrt, der Hof und die restlichen Gebäude - mühevoll saniertes Fachwerk, Mitte 17. Jahrhundert. Wardins Vorfahren brauten hier Bier, backten Brot und beköstigten Reisende. Die alten Ställe, Schlafstätten und Gaststuben des Vierseithofes überlebten Krieg, Nachkrieg und den Abrisswahn der DDR-Zeit. Ein Gasthaus gab es da allerdings schon nicht mehr, Peter Wardin lernte Landmaschinen- und Traktorenschlosser.   Erst nach der Wende sah er eine Chance, die Familientradition wieder aufleben zu lassen. Er investierte, sanierte, eröffnete sein Gasthaus Zur Alten Brauerei und ließ sich zum Restaurantfachmann ausbilden. Zum baulichen Fachwerk kam

gastronomisches Fach-Werk. Das sprach sich herum, Berliner und Potsdamer lieben solche Art urig-stilvoller Idylle umso mehr, wenn die Küche anständig und preiswürdig ist.   Zuständig dafür sind Birgit Schöneberg, Antje Becker und Marion Töpfer. Die drei Frauen kochen munter drauflos - in der Spargelzeit eine wunderbar samtig-milchig-milde Suppe und bissfesten Butterspargel bis zum Abwinken – mit Kartoffeln, Schinkeneierkuchen, Spiegeleiern, mit Kotelett, Räucherlachs, Schweineund Zanderfilet. Klassiker sind das Thema in der Alten Brauerei - für Spargelcurry, Spargelpizza oder Spargelstrudel haben die fleißigen Köchinnen keine Zeit und auf Spargel mit Schokoladensauce oder ähnliches keinen Bock. Bodenständiges ist angesagt - auch nach der Spargelzeit. ZUR ALTEN BRAUEREI Mühlenstraße 30 14547 Beelitz Tel. 033204 - 357 77 www.zuraltenbrauerei.de GARÇON

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DIE

FAMILIE

DER MICHALSKI-CLAN QUALITÄT HAT EINEN NAMEN VON MARC STEYER

Als ich den Titel dieses Berichtes vorlegte, griff die Herausgeberin zum Rotstift, ersetzte „Der“ durch „Die“ und „Clan“ durch „Familie“ und begründete es mit Dallas und Denver.   Sicher, seit die amerikanischen Kultserien in den 1980ern dem deutschen Fernsehen Traumquoten bescherten, hat das Wort „Clan“ einen ziemlichen Beigeschmack. Es steht unerschütterlich für hinterhältig, intrigant, verschlagen und meint doch eigentlich nur eine weitverzweigte Sippe, verbunden durch verwandtschaftliche Beziehungen und gemeinsame Interessen. Was ist daran so negativ? Aber gut, die Chefin entscheidet, beim Garcon ebenso wie bei Michalski. Damit wären wir endlich beim Thema.   Michalski, das ist also eine Berliner Familie, die es in den vergangenen Jahrzehnten zu etwas gebracht, das heißt, ein kerngesundes Unternehmen aufgebaut hat. Wer Michalski sagt, meint Fleisch, gutes Fleisch. Wer bei Michalski kauft, weiß, was er bekommt. Erstklassige Ware.   Morgens um sechs im nördlichen Charlottenburg. Der Riedemannweg ist in Wirklichkeit eine schmale Straße zwischen Friedrich-Olbrich- und Saatwinkler Damm. Transporter rangieren, Beifahrer dirigieren, wer zu dieser Zeit hierher kommt, den erwartet business as usual. Hausnummer 61-63, der Michalski-Fleischgroßhandel - Büros, Kühlhallen, Zerlege- und Verpackungsstationen und ein Abholmarkt für Otto Normalverbraucher, der hier frisches Fleisch, Wurst, Schinken und andere Lebensmittel für den täglichen Familienbedarf kaufen kann. Ansonsten geht es bei Michalski um größere Beträge, um Hotels, Kantinen, Krankenhäuser, Restaurants. 42

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Alle sagen Muttern: Ruth Michalski

Fleisch, Fleisch, Fleisch und das tonnenweise. Der Bedarf bestimmt das Geschäft.   Stolze 62 Kilogramm Fleisch verzehrt der Deutsche - statistisch gesehen - pro Kopf und Jahr. Michalski sorgt mit dafür, dass das so bleibt.   Ein Jahr nach dem Mauerbau fing alles an. Der junge Fleischermeister Lothar Michalski und seine Frau Ruth übernahmen ein Fleischereigeschäft in Charlottenburg, Leonhardtstraße 1. Eine Filiale in Schöneberg folgte. Die Läden liefen, Michalski wusste, was seine Kunden wünschen.   Dann der frühe Tod des Meisters. Er starb, 42-jährig, im Oktober 1978. Sohn Uwe, gerade mal 19 und Fleischergeselle, musste ran. Mutter Ruth unterstützte ihn, wo sie

konnte. Beider Vision: statt Ladengeschäft Großhandel. Der Grund lag auf der Hand. Das eingemauerte Westberlin erlebte die goldenen 70er. Neue Hotels wurden gebaut, Restaurants eröffneten wie vom Fließband, Kantinen wurden eingerichtet - und alle wollten Fleisch. Ein Bedarf, den keiner wirklich befriedigen konnte - das war Michalskis Marktnische.   Kurz nach dem Tod des Vaters startete er deshalb ins Großhandelsgeschäft. Zehn Jahre später platzte das Unternehmen bereits aus allen Nähten. Der Familienrat entschied, umzuziehen - neuer Standort Riedemannweg.   Und es ging weiter aufwärts. 2003, zum 25jährigen Firmenjubiläum, leistete sich Uwe Michalski eine ganzseitige Tages-


Der Michalski-ClanKOPFSALAT

Ralf Michalski

Uwe Michalski

spiegel-Anzeige. Er formulierte den Stolz auf das Erreichte und ein Plädoyer für den Mittelstand. „Allein in den letzten fünf Jahren wurden in unseren Fleischabholmärkten mehr als eine Millionen Menschen bedient. Wir haben im Jahr 2002 ein EU-gerechtes Kühlhaus gebaut, das über 500 000 Euro gekostet hat und in diesem Jahr einen weiteren Abholmarkt in der Leydenallee eröffnet...“ Weil das alles nicht ohne Hindernisse abging, machte Michalski auch die öffentlich: „Der Mittelstand darf nicht durch Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Gebühren und steigende Kosten jedweder Art drangsaliert werden.“ Erfolge und Sorgen eines mittelständischen Unternehmers vor sechs Jahren, die irgendwie ziemlich aktuell klingen.

Dennis Michalski

Michalski ist ein Dienstleister. Obwohl der Wettbewerb heute in seiner Branche mindestens doppelt so hart ist wie in seinen unternehmerischen Anfangsjahren, der 50-jährige Fleischermeister sieht auch in Zeiten pessimistischer Prognosen seine Chance.   Es ist inzwischen halb sieben. Die Männer, die Fleisch verpacken, auf Kisten Restaurantnamen schreiben, Lieferscheine ausfüllen – kommissionieren heißt das im Branchenjargon - sind schon Stunden auf den Beinen. Also erstmal Kaffee. In ein paar Minuten werden sie dann im dicksten Berufsverkehr stecken, auf dem Weg zu Hotels, Restaurants und anderen großen und kleinen Kunden.

Rind, Kalb, Schwein, Lamm, Geflügel und Wild, aber auch Exoten wie Strauß, Känguru und Krokodil, dazu Wurst, Schinken, Pasteten und, und, und - Michalskis Sortimentsliste umfasst 23 Seiten. „Nehmen Sie zum Beispiel Rindfleisch“, erklärt Werner Möbis, gelernter Koch und Fleischer und bei Michalski für die gehobene Gastronomie zuständig, „da gibt es Ware aus Deutschland, Argentinien, Brasilien, Frankreich, Uruguay und natürlich unser Spitzenprodukt „Ireland’s Finest“, irisches Edelfleisch von Donald Russell, das fast ausschließlich von Sternerestaurants gekauft wird.“   Wir verstehen - Fleisch ist nicht gleich Fleisch, aber die Qualität, das ist bei Michalski Gesetz, muss in jedem Preissegment stimmen. GARÇON

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KOPFSALATDer Michalski-Clan

Ralf Michalski, jüngerer Bruder des Geschäftsführers, nimmt den Telefonhörer. Ein paar Sekunden Pause, dann sagt er: „Kalbsmaske, o.k., haben wir!“ Er legt auf und lächelt: „Zufriedene Kunden sind unser wichtigstes Kapital.“   Das gilt auch für den großen Abholmarkt, der pünktlich um 8 öffnet, Frühstück, Mittagessen und ein großes Fleisch- und Wurstsortiment anbietet, auch für die Familie von nebenan. Den-

nis Michalski, 24, Sohn des Chefs, begleitet uns. Er ist der einzige der männlichen Michalskis, der beruflich aus der Art schlug - er hat Industrieelektroniker gelernt. Dann aber ist er dennoch in der Firma gelandet. „Die Tradition verpflichtet schon irgendwie“, zuckt er mit den Schultern.   Inzwischen kommen junge Damen in Air-Berlin-Outfit zum Frühstück. Direkt neben Michalskis Fleischgroßhandel hat die Airline ihr Trainingszentrum. Auch

Werner Möbis

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die Flugbegleiter sind Stammkunden, wie so viele, die Michalskis Qualitätsansprüche überzeugt haben. MICHALSKI FLEISCHGROßHANDEL Riedemannweg 61-63 13627 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 - 344 60 07 www.michalski-shop.de


DIE MICHALSKI-TRUPPE: RICHT‘GE MÄNNER WIE WIR...

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WIE GEHT‘S...GERHARD RETTER? VOM NOBELHOTEL IN DIE FISCHERKLAUSE VON JÖRG TEUSCHER

Mr. und Mrs. Fischerklause: Gerhard Retter und Ehefrau Claudia

Mr. Adlon: Gerhard Retter 2008

Gut geht es Gerhard Retter. „Sehr gut“, sagt er im Steiermark-Dialekt. Ein bisschen schlanker ist er geworden. „Sehnsucht nach Berlin?“ Retter zeigt auf den See vor der Haustür und lächelt. Auch eine Antwort.   Gerhard Retter war Mr. Adlon. Eine Karriere in Stichworten: aufgewachsen im steirischen Pöllauberg in der Nähe von Graz, Koch- und Kellnerlehre, Besuch der renommierten Gastronomiefachschule Bad Gleichenberg, Sommelier in Eckart Witzigmanns Münchner Aubergine, weitere Stationen in England, Österreich und der Schweiz, ab 2004 Berlin.   Dem Lorenz Adlon „verleiht er mit seinem Charme Lebensfreude, mit seiner Kompetenz Grandezza und mit einem Hauch Wiener Schmäh jedem Gast ein 46

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Gerhard Retter und Schwiegermutter Ingeborg Albrecht

VIP-Gefühl“, begründet der Gault Millau die Auszeichnung „Maître des Jahres 2006“. Weitere Ehrungen folgen: Berliner Maître 2006, Maître des Jahres 2007, International Service Award. Er gilt unter den Fachkräften für Camembert & Co. als Nummer 1. Unter den Sommeliers der europäischen Spitzenhotellerie gehört er zu den Top Five.   Ende Mai 2008 heiratet Retter die VAUSommeliere Claudia Albrecht. Anfang 2009 verlässt das Paar Berlin in Richtung Schleswig-Holstein, um in Lütjensee die Fischerklause zu übernehmen. „Ein Verlust für die Stadt - aber auch der Gewinn einer neuen Adresse für den Zwischenstopp auf dem Weg nach Hamburg“, heißt es in Berlin. Also gut, auf nach Hamburg mit Stopp in Lütjensee.

Der 3300-Einwohner-Ort gehört zu den reichsten Kommunen im Land. Hier, in der sogenannten Stormarner Schweiz, haben hanseatische Unternehmer, ehemalige Senatoren und bekannte Künstler ihre noblen Anwesen. Viele von ihnen sind Stammgäste der Fischerklause, dem ältesten Restaurant Lütjensees und einem typischen Familienbetrieb.   Gerhard und Claudia Retter betreiben das Restaurant am Lütjensee, das Claudias Urgroßvater 1920 mit dem Kauf des 34 Hektar großen Sees begründete, jetzt in vierter Generation. Sie haben umgebaut, renoviert, den 29jährigen Küchenchef Sebastian Sülberg an Land gezogen, Speise- und Weinkarte neu geschrieben. „Wir waren, sind und bleiben ein Wirtshaus“, fügt Gerhard Retter sofort hinzu.


Wie geht‘s ...Gerhard Retter?KOPFSALAT

Das heißt: statt Mille-feuille vom Neuseelandthunfisch wird Aal in Aspik serviert, statt roh marinierter Foie gras kommt Kalbsleber Berliner Art auf die Teller und statt Salat von der Etouffestaube gibt’s Backhendlsalat mit Kürbiskernöldressing, statt Geschmacksakrobatik de luxe also eine Küche, die weder Schnörkel noch Tamtam kennt. Die Gerichte sind von der Natur diktiert, tadellos zubereitet und liegen weit über dem Durchschnitt bürgerlich-regionaler Kost in deutschen Landen. Das gilt auch für die Weinkarte - 500 Gewächse haben Claudia und Gerhard Retter im Keller.   Übrigens: am 13. Februar 2009 kam Tochter Elisa Marai zur Welt. Die Zukunft der Fischerklause in Lütjensee ist also selbst auf lange Sicht geklärt. Davon überzeugen können sich die Gäste etwa am 1. Juli 2009: ab 17.00 Uhr steigt dann das große Fischerklausenjubiläum.

HOTEL & RESTAURANT FISCHERKLAUSE Am See 1 22952 Lütjensee Tel. 04154 - 79 22 00 www.fischerklause-luetjensee.de GARÇON

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HOTELLERIEAssafir

ASSAFIR

EINE ARABISCHE BOTSCHAFT IN BRANDENBURG VON HANS-JÜRGEN BERGS

Dass ein Araber - in Lybien geboren, in Marokko ausgebildet und mit tunesischem Pass – in Berlin ein Restaurant betreibt, ist nichts besonderes.   Dass dieser Araber in Brandenburg ein zweites Restaurant und ein Hotel eröffnet, sicher eher.   Dass er dabei allerdings voll und ganz

auch auf die arabische Küche setzt, das ist schon erstaunlich. Der Erfolg allerdings gibt Jawhar Errabia recht - möglicherweise gilt auch das Sprichwort vom Bauern, der nur isst, was er kennt, in Motzen noch nicht. Der Ort liegt schließlich dicht vor den Toren Berlins. Errabia jedenfalls, der vier Jahre lang

Leiter der Presseabteilung der Botschaft Saudi-Arabiens war und derzeit in Berlin noch ein BWL-Studium absolviert, sanierte das Haus, richtete ordentliche Zimmer ein und serviert im Restaurant den ganzen Reichtum der arabischen Küche - von Labne bil Toum, das ist Joghurt mit Knoblauch und Minze bis Kharoof Mahschi, Lammfleisch aus der Keule mit Basmatireis.   Für die körperliche Entspannung will er aus einer gegenüberliegenden Scheune noch ein Hammam machen, ein Dampfbad mit allem Drum und Dran. Übrigens: Assafir heißt auf deutsch – Botschafter. HOTEL & RESTAURANT ASSAFIR Kallincher Chaussee 1 15749 Motzen Tel. 033769 - 892 10 www.assafir-restaurant.de

Gastronom und Hotelier Jawhar Errabia

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Der April 2009 war der wärmste seit 119 Jahren, sagen die Meteorologen. Dementsprechend zeitig verwandelten sich die Berliner Parks und Gärten in glühende Landschaften, die Grillsaison begann so früh wie noch nie. In der deutschen Grillhauptstadt ist das Rösten von Bratwürsten, Maiskolben und Nackensteaks über einem Haufen glühender Holzkohle ein ungebrochen verwegenes Vergnügen - und deshalb Männersache. Stinknormale Buchhalter oder Busfahrer, deren Fertigkeiten am heimischen Herd bestenfalls das Attribut „minimal“ verdienen, verwandeln sich am Grill in kenntnisreiche Chefs de barbecue.   Sie wissen, dass die Marinade das A und O eines ungetrübten Grillgenusses ist und kreieren gewagte Aromaförderer. Liebevoll legen sie die höchstpersönlich ausgewählten Fleischstücke ein - das Beste ist dabei gerade gut genug. Pökelware, also Schinken, Kasseler oder Wiener Würstchen, nein danke. Sie werden zu Missionaren, wenn sie vor der versammelten Grillgemeinde über das Freisetzen krebserregender Nitrosamine bei Hitze dozieren und zu Magiern, wenn die archaische Zubereitungsart dann endlich ihren Lauf nimmt.   Am Anfang war das Feuer, und der Mensch wurde vom Sammler zum Jäger. Der uralte Trieb macht auch aus dem Griller von heute noch einen Triebtäter, der anderen nur dann einen Zugang zu seiner Feuerstelle gewährt, wenn sie einen Teller in der Hand und eine Bitte auf den Lippen haben. Übrigens: gegrillt wird längst nicht mehr nur Fleisch. Die Emnid-Meinungsforscher ermittelten, dass bereits mehr als 50 Prozent aller deutschen Griller auch Fisch und Meeresfrüchte auf ihre heißen Roste packen. Der größte Seafood-Händler des Landes reagierte prompt: bei www.deutschesee.de gibt es jede Menge Tipps zu Dorade, Makrele und Co. und zum richtigen Umgang mit den sensiblen Produkten.   Beim 4. Berlin Barbeque Anfang Mai am Bundespressestand blieb das Thema Fisch leider außen vor. 20 Teams aus der halben Welt wetteiferten in den Kategorien Bratwurst-, Geflügel- und Rindervariation sowie Vegetarisch und Dessert um den Grillmeister-Titel. Den heißen Kampf entschied schließlich eine Profi-Crew für sich - die TB & BBQ-Scouts aus dem nordrhein-westfälischen Lage. Den Ruf Berlins rettete mit Platz 2 die hauptstädtische Mannschaft L´Orient - L´Occident.   Gartengriller hatten hier keine Chance, selbst gestandene Küchenchefs hätten alt ausgesehen - was die These bestätigt: Grillen ist eine Wissenschaft für sich.

RAUCHZEICHEN IN BERLIN

DIE GRILLSAISON HAT BEGONNEN VON YVONNE WEINLICH GARÇON

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GESCHMACKSSACHENGrillzeit

AUF GLÜHENDEN KOHLEN MICHAEL SCHULZ UND SEIN GRILLSHOP VON HEIKO GRALKI

Grillfachhändler Michael Schulz

Michael Schulz ist kein Kerner, kein Wunsch-Schwiegersohn für Mütter, die sich um das Wohl der einzigen Tochter sorgen. Der 42-jährige trägt Pferdeschwanz, armfüllende Tatoos, fährt Harley und legt sich ganz gern mal mit Ämtern, Behörden und Politikern an – verbal natürlich.   „Grillen ist eine besonders ungesunde Art, ungesundes Fleisch zuzubereiten“. Auch Schulz hat diesen Satz in einem Interview gelesen, das taz-Redakteurin 50

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Ulrike Hermann kürzlich mit Karl Lauterbach geführt hat. Lauterbach, fliegetragender Talkshow-Dauergast, sitzt für die SPD im Deutschen Bundestag und ist im Hauptberuf Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Köln. Der Inhaber des Grillshops Berlin zuckt mit den Schultern: „Es gibt mit Sicherheit höhere Risikofaktoren, an Darmkrebs zu erkranken, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden als den gelegentlichen Verzehr von gegrilltem Fisch und Fleisch.“   Möglicherweise wird er dem Professor einen Brief schreiben. Tenor: Panikmache. Das hat Schulz schon mal getan – in der Diskussion um das Heizpilzverbot, weil ihm die veröffentlichten Zahlen nicht schlüssig erschienen. Er rechnete den CO2-Ausstoß, den Heizpilze in Ber-

lin verursachen, nach, kam auf andere Werte als die Verbotsbefürworter und schlussfolgerte: „Wahrheit oder Politik? Wie so oft lassen sich auch hier nur Aktionismus und ewige Profilierungssucht erkennen. Es grüßt Euch. Michael Schulz. schulz@heizpilze.de“. Die Webadresse lässt vermuten, dass es bei seiner Aktion auch um handfeste wirtschaftliche Interessen ging, denn Schulz handelt mit den Wärmequellen für Freiluftfanatiker.

Grillshop Berlin


Das gilt ebenso für seine Kritik an der professoralen Grill-Verdammung. Schulz verkauft und vermietet auch alles, was man gerätetechnisch fürs Barbecue-Vergnügen braucht: Anzünder, Bürsten, Handschuhe, Kohle, Spieße, Zangen und natürlich Grillgeräte, vom namenlosen Einfach-Grill bis zum Markengerät aus Deutschland oder der Schweiz für 600, 700 Euro oder auch mehr.   Der gelernte Brauer und studierte Brauerei-Technologe machte sich 1997 mit einem Heizpilzgeschäft selbständig, vor drei Jahren kamen die Grillgeräte hinzu. Schulz bietet auch den heute notwendigen Service, das heißt, er vermietet High-Tech-Grills wie die Weber-Gastro-Gasgrills, er lädt zu Grillvorführungen etwa mit den Schweizer Outdoorchef-Geräten ein, erklärt deren patentiertes Trichtersystem, spricht über die gesundheitsschädlichen Benzpyrene, die entstehen, wenn Fett ins Feuer tropft und wie man das vermeiden kann, gibt Tipps fürs Grillgut, die dann doch schon mal heftig abweichen von der gängigen Bratwurst-Monokultur und bricht eine Lanze für eine, wie er sagt, „Revolution auf dem Rost“ (nächster Aktionstag: 6. Juni 2009, 12.00 bis 18.00 Uhr).

Zur Wurst, zum Fleisch, zum Fisch …

Schon probiert?

Grillteller mit Schamel Meerrettich Seit vielen Generationen werden bei Familie Schamel in Baiersdorf handverlesene bayerische Meerrettichstangen täglich frisch gerieben und nach dem streng gehüteten Originalrezept zubereitet. Ob zum Würzen, Dippen, Mischen oder Garnieren: Deutschlands beliebteste Meerrettichmarke ist ein gesunder Genuss zur Krönung aller Speisen.

GRILLSHOP BERLIN Hohenstaufenstraße 42 10779 Berlin-Schöneberg Tel. 030 - 34 33 75 73 www.grill-shop-berlin.de

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Infos & Rezepte: Schamel Meerrettich, Baiersdorf / Bayern www.schamel.de GARÇON

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Das Original seit 1846


Fleischerei Fritz Gottschlich

Fleischerei Klaus Gottschlich

Fleischerei Christian Gottschlich

FLEISCHER, WER IST MEHR? MEISTER GOTTSCHLICH UND WAS IHM AM HERZEN LIEGT VON HANS-JÜRGEN BERGS 52

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Fleischermeister Christian Gottschlich

Möglicherweise hätte Christian Gottschlich auch Ingenieur werden können – ein typischer DDR-Beruf - aber er entschied sich, Fleischer zu lernen. Tradition verpflichtet eben. Bereits sein Ur-Ur-Urgroßvater war Fleischermeister, und Christian Gottschlich ist es nun in der sechsten Generation. Sein Meisterbrief, der Stolz jedes Handwerkers, trägt das Datum des 2. September 1993 und hängt seitdem im Laden in der Prenzlauer Allee.   Großvater Fritz hatte seine Fleischerei vor dem Krieg in der Hufelandstraße, Vater Klaus zog 1964 in die Prenzlauer Allee und übergab das Geschäft 33 Jahre später an seinen Sohn Christian. Handwerk, das ist häufig eben auch Kontinuität.   Das gilt nicht nur für die Meister, sondern auch für die Kunden. „Fleischer ihres Vertrauens zu sein, das ist unsere Chance“, sagt Christian Gottschlich.   Der 38-jährige, der auch einen Buffetund Lieferservice betreibt, zieht dafür alle Register. Trotz meisterlichen Handwerks sitzen auch Gottschlich die Discounter mit ihren anonymen Tiefstangeboten im Nacken.   Herkunftszeugnisse und Qualitätszertifikate zieren das Fachgeschäft, Broschüren und Faltblätter liegen aus, alles möglichst informativ und beweiskräftig. Billige Werbung mit vollmundigen Versprechungen passt ebenso wenig zu Gottschlich wie Stangenspargel zum Eisbein. Der junge Meister bezieht sein Fleisch - wie 15 weitere Berliner Berufskollegen - von einer Gemeinschaft deutscher Erzeuger, die unter der Marke Landjuwel

Anika, Lydia, Stephanie: Drei Damen vom Gottschlich-Team

ihre Produkte vermarktet. Dort ist tiergerechte Haltung Gesetz, Antibiotika und Leistungsförderer sind tabu. Bei den 80 verschiedenen Wurstsorten, die Fleischermeister Gottschlich und seine 13 Mitarbeiter herstellen und anbieten, gilt ein ähnliches Reinheitsgebot: Verwendung von ausschließlich frischen Rohgewürzen, Verzicht auf Farb- und Konservierungsstoffe und auf jegliche Geschmacksverstärker. „Das sollten Sie wissen!“ - steht auf der Titelseite eines Heftchens, in dem Gottschlich über seine Produkte und deren Herkunft informiert.   Übrigens: den Titel „Grillkönig“ weist der Meister zurück. „Jedes Fleischerfachgeschäft“, erklärt er, „hat zu dieser Zeit besondere Angebote für die Grill-

freunde.“ Bei ihm gerät die Aufzählung allerdings zum Dauer-Brenner. Grobe Bratwurst, feine Bratwurst, Merguez, ungarische Bratwurst, Filetspieße, Rumpsteakspieße, Hüftsteak, Lammsteak, Kammscheiben ohne Knochen in mindestens fünf verschiedenen Marinaden, Grillfackeln, Putenbrüste... Gottschlich zeigt wieder auf sein Heftchen. „Das liegt uns am Herzen!“, steht da. Man glaubt ihm das unbesehen.

FEINKOST-FLEISCHEREI GOTTSCHLICH Prenzlauer Allee 219 Berlin-Prenzlauer Berg Tel. 030 - 442 57 75 www.fleischerei-gottschlich.de

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UM DIE WURST

7. BRATWURSTMEISTERSCHAFT DER BERLINER FLEISCHERINNUNG VON JÖRG TEUSCHER

Trotz Currywurst und Döner – wer am letzten Aprilsonntag die Domäne Dahlem besuchte, konnte erleben, dass die Liebe der Berliner zur guten alten Bratwurst ungebrochen ist. Eine Tatsache, die auch die Grillverhaltensforscher bestätigen: zwischen Friedrichshagen und Frohnau ist sie das Grillgut Nummer 1, mit weitem Vorsprung vor Puten- und Nackensteak. Selbst Feinschmecker finden Gefallen an der Bratwurst, vorausgesetzt natürlich, es handelt sich bei dem Objekt der Begierde nicht um ein äußerlich wie geschmacklich uniformes, vorwiegend salziges Industrieprodukt.

Insgesamt zwölf Meister warben für ihre Würste und - eigentlich mehr noch - für ihren Berufsstand.

Für die Berliner Fleischermeister waren das im Jahr 2003 gute Gründe genug, eine Bratwurstmeisterschaft ins Leben zu rufen. Selbst kühne Optimisten rechneten damals allerdings nicht damit, dass das Spektakel den Nerv der Hauptstadt treffen und von Jahr zu Jahr erfolgreicher werden würde.

www.fleischer-innung-berlin.de

„Traditionelles Handwerk lässt sich durch nichts ersetzen“, sagt Klaus Gerlach. Der Innungsobermeister kennt aber auch die Fakten, und die sprechen eine andere Sprache. 2260 Fleischereien gab es vor 50 Jahren in Berlin, heute sind es noch 38. Die Supermärkte lassen grüßen. Das Fähnlein der 38 Aufrechten jedoch wird nicht müde, das zu propagieren, wofür ihre Familienbetriebe stehen und was ihre Fleischwaren unverwechselbar macht: Frische, Service, Sorgfalt und Qualität.

Nun also die 7. Auflage: Fleischermeister Jens-Uwe Bünger aus Halensee hatte Mut zur Minze und präsentierte eine Minzbratwurst. Fleischermeister Michael Kluge aus Neukölln versuchte, mit Mango und Chili zu punkten und Fleischermeister Jörg Oppen aus Weißensee mit Käse und Spinat. Ein bisschen konservativer kamen Bärlauch-, Frühlings-, Schaschlikund Schützenbratwurst daher.

Die Bratwurstmeister 2009

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KREATIVE BRATWURST Fleischerei Klaus Gerlach mit Schaschlikbratwurst www.fleischerei-gerlach.de


Testesser: Obermeister Klaus Gerlach

BERLINER BRATWURST Fleischerei Otmar Ullrich mit Bärlauchbratwurst www. ullrich-profifleischer.de

BRANDENBURGER BRATWURST Landfleischerei Zimmermann mit Waldpilzbratwurst www.landfleischerei-zimmermann.de

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GESCHMACKSSACHENHausmesse Fischdienst Berlin

FRISCHE DIENSTLEISTUNG HAUSMESSE DER FRÜHSTÜCKSKÖNIGE VON YVONNE WEINLICH

Frischdienst-Geschäftsführer Wolfgang Anduleit

Der bekannteste Frühstückstisch Deutschlands steht wahrscheinlich im ZDF-Volle-Kanne-Studio.   Das perfekteste Frühstück gibt es wohl im Schwarzwaldhotel „Bareiss“, jedenfalls wenn man Heinz Horrmann glauben darf. Und warum sollte man das nicht tun, der Mann testet schließlich seit Jahrzehnten die Luxusherbergen dieser Welt.   Was RTL-Hotelinspektor Horrmann vom Frühstück unserer Grafikerin Karin Baetz halten würde, wer weiß. Wir finden jedenfalls, es ist das lustigste im Land.   Wenn Wolfgang Anduleit vom Frühstück redet, vermeidet er Superlative. Der Geschäftsführer des Frischdienstes Berlin, des kompetentesten Dienstleisters in der Stadt für die erste Mahlzeit des Tages, antwortet auf die Frage, 56

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was zu einem guten Frühstück gehört so: „Erstens Zeit. Zweitens muss es ausgewogen, und drittens darf es nicht langweilig sein.“   Anduleit plädiert für Joghurt, Käse, Milch, Müsli und Quark, für Vollkornprodukte und frisches Obst. Begründung: nach sieben bis acht Stunden Schlaf sind die Energie- und Nährstoffreserven des Körpers aufgebraucht.   Vor allem Milchprodukte helfen, sie zu erneuern: Calcium für gesunde Knochen, Kalium für einen geregelten Flüssigkeitshaushalt, Magnesium für Muskeln und Nerven, Jod für eine normale Funktion der Schilddrüse. Hinzu kommt, dass Milchzucker vom Körper nur langsam aufgenommen wird und deshalb über den Tag für einen lang anhaltenden Energienachschub sorgt.

Das wissen natürlich auch all jene Gastronomen und Hoteliers, denen das frühe Wohl ihrer Gäste am Herzen liegt. Viele von ihnen sind deshalb Anduleits Kunden. Die anderen bestücken ihr Frühstücksbuffet mit Produkten zweiter Wahl vom Discounter und unterbieten sich im Preiskampf. Großes Frühstück für 3,50 - lächerlich.   Alle zwei Jahre lädt der Frischdienst Berlin seine Kunden und Lieferanten in die Hauptstadt ein - sozusagen zum Super-Frühstück. In diesem Jahr präsentierten sich über 40 Lieferanten im Postbahnhof am Ostbahnhof, die Vielfalt des Angebots beeindruckte selbst die Branchenprofis, und die Frischdienstler wurden wieder mal ihrem Ruf gerecht, die Frühstückskönige der Stadt zu sein. www.frischdienst-berlin.de


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Dieter Fuhrmann, Chef des gleichnamigen Fruchtgroßhandels, gehört zu den frischeverrücktesten, qualitätsbesessensten und kenntnisreichsten Männern seiner Branche. Lieber klein, dafür fein – mit diesem Motto startete er 1977 auf einem Berliner Hinterhof ins Obst- und Gemüsegeschäft. 1980 Umzug auf den Fruchthof an der Beusselstraße, 1996 Eintritt seines Sohnes Marcus als Juniorchef in die Firma, 2007 Übernahme einer neuen Kühlhalle. Inzwischen beschäftigen die Fuhrmänner 28 Mitarbeiter, die mit 18 Kühltransportern rund 500 Produkte ausliefern, pünktlich, zuverlässig und in hoher Qualität. Das Motto heute: Lieber kleiner, dafür feiner. Für Garcon stellen Dieter und Marcus Fuhrmann ihre Früchte vor.

Heute: Die Avocado

Fruchtgroßhändler Dieter Fuhrmann

FUHRMANNS FRÜCHTEKORB GRÜNE EXOTEN VON DIETER FUHRMANN

Ehrlich gesagt, ein besonderer Freund der televisionären KochShows und ihrer Brutzelstars bin ich nicht. Anspruchsvolle, vor allem informative Programme zum Thema Essen und Trinken dagegen verpasse ich selten. Dennoch bleibe ich auch mal bei Lafer, Lichter und Co. hängen. So geschehen beispielsweise zufällig am letzten Aprilmittwoch bei der ZDF-Küchenschlacht. Die Hobbyköchin Heide Schreiber aus Kiel bereitete ein Dessert zu. Der moderierende Herdprofi Steffen Henssler probierte: „Das schmeckt lecker, das schmeckt echt gut.“ Und auch Juror Andreas Studer, ein Schweizer, urteilte begeistert: „Avocado mit Himbeeren, das ist natürlich`ne verrückte Nummer.“   Das Rezept gab es im ZDF-Text, meine Frau hat es nachgekocht, ich schließe mich der Meinung der beiden Fernsehköche an und wette, dass es Heide Schreibers Rezept ziemlich schnell auch in etliche Restaurantküchen schafft. Das könnte durchaus dazu beitragen, dass die birnenförmige Frucht des Avocadobaumes, die botanisch gesehen eigentlich eine Beere ist, auch hierzulande mehr Beachtung gewinnt.   Mein Plädoyer für die Avocado hat seine Ursache zuallererst darin, dass sie zu den ernährungsphysiologisch wertvollsten Früchten überhaupt gehört – und das trotz ihres hohen Fettanteils von bis zu 25 Prozent. Das Frucht-Fett setzt sich allerdings vor allem aus ungesättigten Fettsäuren zusammen, die den Cholesterinspiegel senken, Herz und Gefäße schützen 58

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und so das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern. Hinzu kommen der erhebliche Anteil an Calcium, Kalium, Magnesium, Vitamin E und B-Vitaminen.   Die Farbe der Avocadoschale gibt übrigens keinen Hinweis auf den Reifegrad der Frucht, sondern lediglich auf die Sorte. Rund 400 sind weltweit bekannt, die meisten in der mittelamerikanischen Heimat der Avocado. Dort bezeichneten sie schon Majas und Azteken als „Butter des Waldes“. Das Angebot in Deutschland stammt vorwiegend aus Spanien, Israel und Südafrika. Dort werden die Avocados meist unreif geerntet, bei Zimmertemperatur aber reifen sie schnell nach. Verarbeitet werden sollten Avocados dann, wenn die Schale schon bei leichtem Druck nachgibt - etwa zu Guacamole. Dazu wird das Fruchtfleisch püriert und mit Limettensaft, Salz und Pfeffer gewürzt sowie je nach Gusto mit Gurke, Knoblauch, Tomate oder Zwiebel verfeinert. Vielleicht probieren Sie aber auch mal das Rezept von Heide Schreiber aus der ZDF-Küchenschlacht. Mit kulinarischen Grüßen

www.dieter-fuhrmann.de


Himbeer-Avocado-Quark Dessert von Heide Schreiber für die ZDF-Sendung Küchenschlacht vom 29. April 2009

Zutaten für zwei Personen: 250 g Quark, (40 %) 1 Avocado 2 Limetten, unbehandelt 1 EL Crème fraîche

Avocado-Sorte „Hass“

1 EL Zucker 1 Schote Vanille 150 g Himbeeren, frisch 2 EL Himbeersirup 2 cl Himbeergeist 1 Zweig Zitronenmelisse 1 EL Pistazienkerne

Avocado-Sorte „Fuerte“ und Avocadoschneider

Zubereitung: Die Limetten halbieren und auspressen. Die Avocado halbieren, den Kern entfernen, das Fruchtfleisch herauslösen und klein schneiden. Mit zwei Esslöffeln Limettensaft pürieren. Die Vanilleschote aufschneiden, das Mark herauskratzen. Quark mit Crème fraîche, Zucker, Vanillemark und Avocadopüree mischen. Crème in Dessertgläser füllen, anschließend Himbeeren und Sirup darüber geben. Diesen Vorgang einmal wiederholen. Pistazienkerne hacken. Restlichen Sirup mit Himbeergeist und dem restlichem Limettensaft mischen und zum Schluss über die Crème geben. Mit Pistazien und Zitronenmelisse garniert servieren.

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Unsere Passion: Genuss für Sie!

WEINLADEN SCHMIDT PRÄSENTIERT: 2007 White MAX QbA trocken Weingut Max Müller I Volkach/Franken (0,75 Liter)

Eine herrlich fruchtigduftige, ungemein belebende Cuvée aus dem 1692 gegründeten Traditionsweingut Max Müller im mainfränkischen Weinstädtchen Volkach. Der Silvaner verleiht der Cuvée Rasse und Bodenständigkeit, die Scheurebe das intensive Bukett und die Exotik. Ob Schinken, Schnitzel oder Lachs - diese Cuvée bietet Max-imalen Genuss für alle Spargelvariationen.

5 x in Berlin

 Berlin-Lichterfelde Curtiusstraße 9 Telefon: 2000 395 52 · Fax: 2000 395 92

 Berlin-Wittenau Oranienburger Str. 107 Telefon: 2000 395 53 · Fax: 2000 395 93  Berlin-Charlottenburg Reichsstraße 6 Telefon: 2000 395 54 · Fax: 2000 395 94

 Berlin-Prenzlauer Berg Kollwitzstraße 50 Telefon: 2000 395 55 · Fax: 2000 395 95  Berlin-Hermsdorf Heinsestraße 30 Michaelis – feine Spezialitäten Telefon: 2000 395 56 Fax: 2000 395 96 60

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Weinladen Schmidt

Erhältlich in allen Weinladen-Filialen zum Preis von 6,95 Euro (0,75 Liter)


Gastro-Wein-Award 2009WEINLESE

DER WEIN-AWARD 2009 GEDANKEN ZU EINEM GASTRONOMISCHEN WETTBEWERB VON HEIKO GRALKI

Der Philosoph Immanuel Kant war zwar nie in Berlin und auch nicht in Hamburg, dennoch hätte ein Satz aus seiner Kritik der Urteilskraft gut zu einer Aktion des Deutschen Weininstituts in beiden Städten gepasst: Das Angenehme vergnügt, das Schöne gefällt, das Gute wird geschätzt.   Das, sagten sich die Mainzer Marketingstrategen, trifft auf Qualitätsweine aus deutschen Anbaugebieten allemal zu und riefen den Gastro-Wein-Award 2009 ins Leben. Erste Austragungsorte: Berlin und Hamburg. Aufgabe der teilnehmenden Restaurants: deutsche Weine kreativ in Szene setzen. Simpler gesagt: die Juroren des Instituts suchten in beiden Städten jene Gastronomen, die am lautesten oder frechsten oder, sagen wir es mal ausschreibungstechnisch korrekt, am innovativsten für Gewächse aus deutschen Landen die Trommel rühren. Dabei ging es nicht um verständliche Weinkarten oder einleuchtende Weinberatung oder um einen möglicherweise sogar anonymen Test, was Sommeliers ihren Gästen mit welcher Erklärung so empfehlen - nein, das war dann wohl doch zu einfach.   Die 40 Wettbewerbsteilnehmer organisierten mehr oder weniger aufwändige Weinpräsentationen und kümmerten sich um entsprechende PR.   Anton Stefanov, Inhaber des Restaurants „Berlin - Sankt Moritz“ etwa lud zu „Der Maler, der Winzer, seine Kunstwerke und andere Köstlichkeiten“. Florian Hollerith, Pfalzwinzer mit künstlerischer Ader, mischte während eines Sieben-GängeMenüs Malfarben mit Wein und ließ dann seiner Phantasie freien Lauf. Die Bilder wurden am Ende der beiden Abende versteigert, knapp 700 Euro kamen in Not geratenen deutschen Künstlern zugute. Eine wirklich saubere Sache.   Das galt auch für „Tastin hoch 3“, einer Veranstaltung in Hammers Kreuzberger Weinkostbar, bei der Jürgen Hammer launig aus dem Nähkästchen

eines Sommeliers über Ausbaustile und Terroirs von Rieslingen und Spätburgundern plauderte und natürlich ebenso für „Schnuppern, Schlucken, Schlecken“ im Restaurant Balthazar. Und schließlich: „In Hartmanns Restaurant wurden die Gäste zu Künstlern, indem sie hochwertige weiße Etiketten der Exklusivfüllung eines Rheingauer Rieslings für das Restaurant gestalten konnten.“ Ein Zitat aus der Presseerklärung des Deutschen Weininstituts. Da allerdings müssen die Damen und Herren Juroren was falsch verstanden haben. Sicher, das Etikett war weiß und das Papier edel, aber die gestalterische Kreativität der Gäste nicht wirklich gefragt.

Das hatte schon einer übernommen, der es besser drauf hat. Thilo Heinzmann, Künstler und Freund des Hauses in der Fichtestraße, hatte mit Walfischknochen Rillen ins Papier geritzt, in jedes Etikett andere. Etliche der Flaschen wanderten dann - ausgetrunken natürlich - in diverse Taschen, wo gibt’s schon mal ein Heinzmann-Original umsonst. So ist das eben mit der Kreativität, liebe Leute in Mainz. Dennoch hatte der sommerliche Sonntagnachmittag in Hartmanns Garten was: einen hohen Spaßfaktor nämlich. Und das tat dem Wein und auch den Gästen gut - siehe Immanuel Kant und unseren folgenden Beitrag. www.deutscheweine.de

Winzer und Maler: Florian Hollerith, zu Gast im Berlin-Sankt Moritz

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FRISCH UND JUNG

NOTIZEN NACH EINEM WEINSELIGEN SONNTAGSAUSFLUG VON ANDREAS LANGHOLZ

Ein Hochdruckgebiet mit Zentrum über der holländischen Grenze und eins mit Zentrum über Warschau berührten sich am 19. April auf Berliner Stadtgebiet, genauer gesagt, über der Fichtestraße 31.   Folglich war es windstill im Garten des Hartmanns, kein Wölkchen hinderte die Sonne daran, die Premiere der Hartmanns Cuvée angemessen auszuleuchten.   Ich weiß nicht, wie das Wetter war, als Stefan Hartmann und sein Sommelier Martin Sperling beschlossen, einen eigenen Wein an den Start zu bringen, es geschah aber im selben Garten.   Es war auf jeden Fall der perfekte Tag für diesen Wein, eine Riesling-Cuvée vom Weingut Jakob Jung aus Erbach im Rheingau, die dessen Juniorchef Alexander Johannes Jung gemeinsam mit Martin Sperling kreiert hat.   Das Ergebnis ist ein leichter, frischer, fruchtbetonter Sommerwein, der schon deswegen gut ins Hartmanns passt, weil er das leistet, womit auch Stefan Hartmanns Küche immer wieder überrascht: mehr für den, der mehr schmecken will. Da ist die Mineralität des Bodens, da sind die typischen Riesling-Aromen, aber beide drücken die Frische nicht in die Ecke.   Apropos frisch. Frisch ist nicht nur der Wein (Jahrgang 2008), frisch ist auch Martin Sperling, allerdings nur in Bezug auf sein Alter (Jahrgang 1983) und seine Zeit im Hartmanns. Nach Stationen in den Sternerestaurants Margaux und Vau und in der ebenfalls besternten Weinbar Rutz kam Sperling Anfang Januar 2009

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Trio vini: Winzer Alexander Johannes Jung, Gastronom Stefan Hartmann, Sommelier Martin Sperling, v.li., feiern die Hartmanns Cuvée

Karin Edlbauer: „Lecker“

Michael Kempf: „Oberlecker“


Gastro-Wein-Award 2009WEINLESE

als Nachfolger von Mayk Blattgerste, der ins Restaurant elephant am Nollendorfplatz wechselte, als Maître und Sommelier ins Hartmanns.   Frisch ist auch Alexander Johannes Jung (Jahrgang 1982), der 2007 sein Weinbaustudium abschloss und jetzt den vor über 200 Jahren gegründeten Familienbetrieb in Erbach leitet.   Frisch ist der Kontakt zu Stefan Hartmann - Martin Sperling brachte die Verbindung zu diesem Weingut mit und - einen hab’ ich noch - frischgebacken ist auch Stefan Hartmann (Jahrgang 1976) und zwar als Berliner Meisterkoch 2008. Eigentlich ein Wunder, dass es bei so viel Frische windstill war - am Premierentag der Hartmanns Cuvée. www.hartmanns-restaurant.de

Etiketten-Künstler: Thilo Heinzmann

Die Berliner Gewinner des Wein-Awards 2009: Restaurant Hartmanns (Martin Sperling), Hammers Feinkostbar (Manuela Sporbert) und Restaurant Balthazar (Holger Zurbrüggen), v.li.

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LEBENSARTMythos Berlin

Seit alle Welt über Globalisierung, Virtualisierung und das Web 2.0 spricht, sieht es so aus, als ob in unserer Gesellschaft konkrete Orte überhaupt keine Rolle mehr spielten. Was heute zählt, ist nicht körperliche Präsenz sondern Erreichbarkeit. Was gilt, ist die Funktion und nicht die Substanz. Doch gerade deshalb lautet meine These: Die neue Kultur der Virtualisierung ist zugleich eine Kultur der Kultorte.

Prof. Dr. Norbert Bolz

Die Medienrevolution verlangt einen menschlichen Ausgleich - den gestalteten urbanen Raum. In unserer Kultur zeigt sich ein Unbehagen am Funktionalismus. Man sucht wieder Substanz, Symbol, Sinn und Identität. Wer eine Stätte sucht, lässt sich nicht mit einer Stelle abfinden. Und die Frage nach dem geschichtlichen Sein und dem konkreten Raum lässt sich offenbar nicht mehr mit dem Hinweis auf die Funktion erledigen. ***   Nur die alten Medien können die Wunden heilen, die uns die neuen Medien geschlagen haben. Und das älteste Medium ist die Architektur. Es ist ja wahr: Das Leben im Zeitalter des Internet ist durch eine allgemeine Entortung charakterisiert, weil in sozialen Netzwerken das Kooperieren der Menschen nicht mehr raumgebunden ist. 64

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Doch diese neuen virtuellen Lebensräume fordern als menschlichen Ausgleich eben architektonische Kultorte: den großen Platz, die Fußball-Arena, den Freizeitpark, die Abschirmung kleiner Paradiese. ***   Urbanität ist eine der wichtigsten Quellen des sozialen Reichtums. Als Berliner zögere ich ein wenig, meine eigene Stadt als Beweis für diese These anzuführen.

einem Haus, sondern in der Stadt, die als Ganzes zur Behausung wird. ***   Um die produktiven Arbeiter, kreativen Köpfe und zahlungskräftigen Touristen ist zwischen den Regionen Europas ein heftiger Kampf entbrannt. Wo studiere ich – in Duisburg-Essen oder doch besser in Groningen? Wo gibt es die interessantesten Jobs – in der Welt der Kumpels oder doch

„Berlin leuchtet, Berlin fasziniert“, machen die Tourismusmanager der Hauptstadt in Optimismus. Was sollen sie auch sonst tun? Problemstapelei und Schwarzmalerei können ihr Geschäft nicht sein. Dennoch: der Abwärtstrend ist unübersehbar. Eine der wichtigsten wirtschaftlichen Kennziffern der Hotellerie beispielsweise, der Erlös pro verfügbarem Zimmer, sank im ersten Quartal 2009 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres in den Drei- und Vier-Sterne-Häusern um rund sieben, in den Fünf-Sterne-Hotels sogar um mehr als acht Prozent.   Und auch für die Gastronomie wird die Luft dünner. Das im vorigen Jahr noch vielgelobte Private Restaurant im Bangaluu Club schloß bereits im April, das Shiro i Shiro in der Rosa-LuxemburgStraße wird Ende Mai folgen, und auch weiteren Restaurants steht das Wasser bis zum Hals. Einige versuchen es mit Rabattaktionen, andere verhandeln mit Vermietern und Lieferanten. „Die Krise wird uns einholen“, hatte Willi Weiland, Präsident des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes bereits Anfang Januar 2009 vorhergesagt. Natürlich, es wäre naiv zu glauben, dass die globalen Wirtschaftsprobleme die Branche nicht berühren würden.   Experten suchten am 27. April 2009 zum Tag des Tourismus Antworten auf wichtige Fragen: Was ist zu tun, damit wir auch in der Krise zu den Gewinnern gehören? - Wie kann Berlin seine einmaligen Stärken ausspielen? - Wie sollten wir uns positionieren für die Zeit danach? Auf dieser Konferenz hielt Prof. Dr. Norbert Bolz, Leiter des Fachgebietes Medienwissenschaft an der TU Berlin, einen ebenso anspruchsvollen wie anregenden Vortrag. Sein Thema: Der Mythos Berlin. Garcon veröffentlicht Auszüge daraus.

Aber eigentlich wird es wohl jeder, der ehrlich mit sich ist, zugeben: Wer heute auf sich hält, strebt nach Berlin. Natürlich ist Hamburg eleganter, München reicher, und in Freiburg kann man besser Spargel essen und Ski fahren. Aber keine deutsche Stadt kann sich mit dem Mythos Berlin messen. „Arm, aber sexy“, so hat der Regierende Bürgermeister seine Stadt glänzend vermarktet. Ich will es im Blick auf unser Thema anders formulieren: Berlin ist wirtschaftlich arm, aber sozial reich. Urbanität ist das große Potential der Hauptstadt. Oswald Spengler (dt. Kulturund Geschichtsphilosoph, 1880-1936 – die Red.) hat im Blick auf die modernen Metropolen einmal die Formel geprägt: statt einer Welt eine Stadt. Genau das meine ich mit dem sozialen Reichtum der Urbanität. Man wohnt als Berliner nicht nur in

bei denen, die alles können außer Hochdeutsch? Wohin reise ich übers Wochenende – ins Ruhrgebiet oder doch wieder nach Berlin? Natürlich spielen Informationen über technisch-sachliche Dinge bei diesen Entscheidungen eine große Rolle. Doch Information allein genügt nicht. Wer den Kampf um Aufmerksamkeit im 21. Jahrhundert gewinnen will, muss nicht nur informieren, sondern auch faszinieren. Kultorte sind Attraktoren. Es wird zwar immer viele Menschen geben, die leben, wo sie leben, weil sie dorthin „geworfen“ wurden. Aber immer mehr Menschen – und zwar gerade die kreativsten und produktivsten – leben, wo sie leben, weil sie diesen Ort „gewählt“ haben. ***   Um diese Wahl zu beeinflussen, muss eine Stadt in den entscheidenden Lebens-


Mythos BerlinLEBENSART

weltdimensionen faszinierende Angebote unterbreiten. Die Lebenswelt der Metropolen des 21. Jahrhunderts hat eine technische Dimension und eine soziale Dimension. In der technischen Dimension geht es um Kommunikation und Mobilität, also einerseits um die medialen Netzwerke, die uns die Welt zu Hause bieten. Andererseits geht es um Reisen, Passagierzonen und nomadisches Arbeitsleben: Wir sind in

Mainkaiufer in Frankfurt aus zu haben ist – weckt das Gefühl des Erhabenen. Bisher konnten wir das nur in Paris, London und New York erleben. Doch ist es heute nicht ein großartiges Gefühl, wenn man zum Beispiel am neuen Berliner Hauptbahnhof ankommt, zu Fuß die Spree überquert und dann an Kanzleramt und Reichstag vorbei zum Brandenburger Tor spaziert? ***

bestehen. Denn kreativ ist nicht derjenige, der seiner Phantasie freien Lauf lässt, sondern derjenige, dem es gelingt, Beschränkungen und Rahmenbedingungen in Steigerungsbedingungen zu verwandeln. So bitter die Einsicht für künstlerische Architekten und Romantiker der bürgerlichen Öffentlichkeit sein mag: Shopping ist heute die wichtigste öffentliche Handlung und damit das eigentliche Organisations-

MYTHOS BERLIN

WIE DIE HAUPTSTADT DIE WELTWEITE FASZINATION FÜR SICH NUTZEN KANN VON NORBERT BOLZ

der ganzen Welt zu Hause. In der sozialen Dimension geht es um Spiritualität und das gute Leben, also einerseits um Sinnstiftung, Bildung und Ideen – meine Geschichte! Andererseits geht es um das gute Leben und die Sorge um sich – meine Identität! Mit der Architektur einer Stadt verknüpfen sich Herkunftsgeschichten als Medium für einen Kult der Identität. Und jede Identität hat die Form einer Geschichte. Es geht also nicht um rationale Stadtplanung, sondern um „storying“. Zu Deutsch: Wer einem Fremden die Faszination Berlins erklären will, muss Geschichten erzählen. ***   Die monumentale Skyline von Manhattan ist auch heute noch das unüberbietbare Symbol der Stadt als Welt, der Weltstadt. Sie zu erleben – und sei es auch nur in der verkleinerten Version, die etwa vom

Ein erfolgreicher Oberbürgermeister verkauft heute seine Stadt auf dem Markt der Gefühle. Das nennt man Stadtmarketing. Und bei dem Versuch, eine Stadt als Marke zu positionieren, spielt die Architektur natürlich die Schlüsselrolle. Doch damit das funktioniert, müssen die Architekten vom Elfenbeinturm in den Kontrollturm wechseln. Statt Architektur immer nur romantisch-kritisch in einer zerreißenden Spannung zwischen Kunst und Kommerz zu sehen, wäre es viel produktiver, das Verhältnis von Kreativität und wirtschaftlichen Interessen einmal als Steigerungsverhältnis zu sehen. Die Kunst des Architekten ist Business Art im Sinne Andy Warhols: das Geschäft als Kunst. Er muss die lästige Konditionierung durch Fremdbedingungen wie knappes Budget und Bauherrenideen als Kreativitätstest

prinzip einer Stadt. Shopping ist die Energie, die das Urbanitätserlebnis in reiner Form ermöglicht. ***   Urbanität ist der soziale Reichtum einer Stadt. Es ist der Begriff für ihre Ganzqualität. Man kann aber ganz handfeste Elementarbedingungen für die Produktion dieses sozialen Reichtums der Urbanität angeben. Der Soziologe Arnold Gehlen hat die folgenden genannt: Mischung statt Funktionentrennung, volle Straßen, hohe Kontaktfrequenz der Menschen untereinander, leichte Erreichbarkeit von Museen und Kinos, Quartier-Charakter, Mischung von Weltstadtatmosphäre und Kleinklima, Konservierung von Altbauten, nutzlose Repräsentativbauten. Mit einem Wort: Berlin. www.visitberlin.de/tourismustag GARÇON

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Berlin, Anfang des vorigen Jahrhunderts. Die Stadt wächst rasant. Mit der zunehmenden Industrialisierung setzt eine extreme Bevölkerungsexplosion ein. Im Jahr 1910 leben über zwei Millionen Menschen in der boomenden Metropole.   Auch rund um den Moritzplatz, 1849 nach dem Feldherrn Moritz Nassau von Oranien (1567-1625) benannt, hat sich ein prosperierendes Stadtquartier entwickelt. Postkarten dieser Zeit zeigen Geschäfte, Kontore, Restaurants und ein Warenhaus. Bereits 1890 hatte Georg Wertheim am Moritzplatz sein erstes Berliner Geschäft eröffnet. Vier Jahre später vergrößerte es der Kaufmann und fügte seinem Namen die Bezeichnung „Warenhaus“ hinzu. Kein Kaufzwang, feste Preise, großzügiger Umtausch. Das neue Verkehrsmittel, die Straßenbahn, schaffte die Käufer heran.

MORITZPLATZ 1910

ZILLERTAL am Moritzplatz 1907

Gruß aus dem Etablissement Buggenhagen Berlin, Moritzplatz Dir. Albert Böhme 1909

1913 ließ Wertheim, überwältigt vom Erfolg, am Moritzplatz ein neues Gebäude errichten – mit vier Eingangsportalen, übersichtlichen Abteilungen und einem riesigen Konzert-Café. Außerdem zahlte er in den 1920er Jahren fünf Millionen Reichsmark dafür, dass die Planer der neu entstehenden U-Bahn-Linie 8 einen Knick über den Moritzplatz verpassten.   Am 3. Februar 1945, beim größten Luftangriff auf die Berliner Innenstadt, fielen nicht nur das Wertheim-Kaufhaus, sondern auch die meisten anderen Gebäude am Platz in Schutt und Asche. Den Rest besorgten die Enttrümmerungsaktionen in den 50er Jahren. Der einst urbane Platz verkam. „Brache mit U-Bahn-Anschluss“, titelte vor Jahren eine Berliner Tageszeitung treffend.

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Konzert-Restaurant Kaiserhallen 1916

WERTHEIM Moritzplatz 1926


Modulor-HausLEBENSART

DIE PRINZEN VOM MORITZPLATZ DER ANFANG VOM ENDE EINES DORNRÖSCHENSCHLAFS VON MARC STEYER Dritte Etage, links. Ein leerer Saal, groß wie eine Turnhalle. Lediglich ein paar Dutzend orange Plastikstühle sind zu einem Kreis gestellt. Ein Beamer wirft ein Bild an die kahle Wand, die zukünftige Ansicht des Gebäudes, in dem an diesem Donnerstagabend nach und nach rund 40 Männer und Frauen eintreffen.   Seit ein paar Wochen heißt es ModulorHaus, davor war es das Bechstein-Haus und wiederum davor die Textilfabrik Ertex - ein Stück jener Kotzbrockenarchitektur, die als Ergebnis der Kahlschlagsanierung des Berliner Senats während der 70er Jahre in der Stadt vielerorts entstand. Waschbeton, Bronzeglas, hässlich bis aufs Skelett.   „Mietinteressententreffen“ heißt die Zusammenkunft. Die meisten derer, die sich dafür interessieren, hier am Moritzplatz ein Atelier, Büro, einen Laden, eine Manufaktur, Kanzlei oder eine Werkstatt zu eröffnen, sind Kreuzberger oder Kreuzberg-Freunde und gehören der Generation der Nach-68er an. In ihrer Kleidung dominiert das existenzialistische Schwarz. Anzüge oder Krawatten, übliches Äußeres bei Treffen von Geschäftsleuten, sind hier Fehlanzeige.   Christof Struhk nimmt als erster das Wort. Er ist Anfang vierzig, wirkt jünger und stammt, trotz seiner schwarzgelb geringelten Stricksocken – Borussia-Dortmund-Fans bekämen feuchte Augen – aus Braunschweig. 1988 kam Struhk nach Berlin. Als es mit dem geplanten Architekturstudium nicht klappte, investierte Struhk 10 000 D-Mark und gründete ein Unternehmen, das

Das erste Treffen künftiger Mieter

Der Moritzplatz im Frühjahr 2009

er Modulor nannte. Anfangs belächelt, mauserte sich der Materialgroß- und Versandhandel für Architekten, Ausstatter, Designer, Graphiker, Messe- und Modellbauer, Kostüm- und Szenenbildner sowie Werbe- und andere Gestalter zum weltweiten Marktführer seiner Branche.

Modulor-Geschäftsführer Christof Struhk

„Material total“ steht auf Struhks Visitenkarte. Wer genau wissen will, was das heißt, sollte den 1048seitigen Modulor-Katalog zur Hand nehmen – über 16 000 Materialien und Produkte sind dort aufgelistet, vom Abachi-Brettchen bis zum Zypressen-Modellbaum.

Andreas Krüger, Matthias und Ingrid Koch , v.li.

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Christof Struhk, Brit Lippold und Andreas Langholz, v.li.

Angeboten, verkauft, verpackt und verschickt werden diese seit über 20 Jahren, zuerst in der Charlottenburger Franklin- von drei, später in der Kreuzberger Gneisenaustraße von heute über 80 Mitarbeitern. Weil das Geschäft bereits seit Jahren aus allen Nähten platzt, sind die Modulor-Leute ebenso lange auf der Suche nach einem neuen Domizil. Irgendwann entdeckten sie das seit 2007 leerstehende Bechsteinhaus am Moritzplatz, in der die C. Bechstein Pianofabrik AG seit Ende der 1980er Jahre ihren Sitz hatte - bis die Produktion 2001 ins sächsische Seifhennersdorf verlagert wurde. Der Nutzung der Immobilie durch den Solaranlagenhersteller Visolux folgte der Leerstand...   „Ab 2010 werden hier Architekten, Handwerker, Händler und Künstler einziehen. Mittelfristig sollen 400 Arbeitsplätze entstehen“, sagt Christof Struhk. Und Andreas Krüger, seit zwei Jahren neben Luisa Rodrigues ebenfalls Mitglied der Modulor-Geschäftsführung und zuständig für Kommunikation, ergänzt: „Am neuen Standort soll mit zahlreichen Partnern ein Universum für professionelle Kreative geschaffen werden, das keine Wünsche offen lässt. Ein Kaufhaus für Kreative.“   Ohne einen finanziell potenten Investor allerdings blieben die Aussagen fromme Sprüche. Allein könnte Modulor, trotz zweistelliger Wachstumsraten jährlich, das Millionenprojekt nicht stemmen. Der Mann, der das möglich macht, sitzt ebenfalls in der Runde. Seine Rede wechselt zwischen jugendlich-jovial und kaufmän68

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Kreativkaufhaus statt Konsumtempel

nisch-knallhart. Schnell wird klar: er hat das Geld. Und er weiss, was er will.   Matthias Koch spricht ohne erkennbaren Dialekt, obwohl oder vielleicht gerade weil der 65jährige in Dresden geboren wurde, in Berlin studiert hat und im Ruhrgebiet Gymnasiallehrer war. In seiner Vorstellung erwähnt er das nicht. „Wir sind seit 13 Jahren in Berlin im Immobiliengeschäft tätig“, sagt er lediglich. Auch die folgenden Erklärungen gibt er im Plural ab. Ob Koch damit die gemeinsam mit Modulor für den Kauf und die Entwicklung des Grundstücks am Moritzplatz gegründete Gesellschaft oder seine neben ihm sitzende Frau meint oder ob er den Pluralis modestiae wählt, um das permanente „ich“ zu vermeiden und bescheiden zu wirken, bleibt offen. „Wir können garantieren, dass das Projekt verwirklicht wird.“   Wer den Mann hört, glaubt die Aussage. Er zählt, das wurde schon klar als er im Oktober 2008 den insolventen AufbauVerlag kaufte, nicht zu jener Art Investoren, die die Telefonnummern großer Boulevardzeitungen in der Tasche haben, um sich für jedes Engagement entsprechend feiern zu lassen. Und er gehört offenbar auch nicht zu jener Art Anleger, die zur Jagd auf schnelle Rendite blasen und kurzfristigen finanziellen Kennziffern hinterherrennen. Wieder der Kochsche Plural: „Wir sind langfristig denkende Investoren.“ Matthias Koch erläutert, was er unter ökonomisch und ökologisch sinnvoller Sanierung des Gebäudes mit der Adresse Prinzenstraße 85 versteht. Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Mieter denken.

16.000 m² Nutzfläche, zwei sogenannte „Ankermieter“, wie es in der Sprache der Immobilienbranche heißt. Modulor wird auf etwa 5 000 m² seine Produkte und Dienstleistungen anbieten, drumherum werden sich Partnerunternehmen ansiedeln: Möbeltischlereien etwa, Fotostudios, Laserwerkstätten, Nähereien, Siebdrucker. 1 400 m² groß wird das neue Domizil des Aufbau-Verlages. Hinzu kommen eine Verlagsbuchhandlung, ein Theater und eine Galerie. Koch: „Der Aufbau-Verlag soll wahrgenommen werden.“   Dem jahrelangen Totentanz am Moritzplatz soll nun also ein Kreativballett folgen. „Kreatives Themenhaus“, heißt das Motto für die Entwicklung der Immobilie. Das Attribut wird von den Initiatoren häufiger als nötig gebraucht, die Zuhörer haben verstanden. Auch sie haben kein Interesse, in einen x-beliebigen Konsumklotz einzuziehen, um dort ihrem Gewerbe nachzugehen.   Das gilt natürlich auch für die Initiatoren einer Genusswerkstatt, die auf mehreren hundert Quadratmeter Fläche entstehen soll.   Andreas Langholz wird hier eine Zweigstelle seines erfolgreichen Kochwerkzeuggeschäfts Coledampf´s Culturcentrum einrichten, Brit Lippold wird mit ihrer kulinarischen Buchhandlung Kochlust und der zugehörigen Kochschule an den Moritzplatz ziehen. Die DT-Collection aus Markt Irsee im Allgäu, ebenfalls im Buchgeschäft tätig, wird einen Showroom einrichten. Ein Feinkostgeschäft wird entstehen und natürlich eine Gastronomie, die sowohl die im Modulor-Haus Beschäftigten als auch deren Kunden


Modulor-HausLEBENSART

Projektentwickler und künftige Mieter im Gespräch

und Gäste versorgen soll. Dafür suchen die Projektentwickler derzeit in Berlin und Kopenhagen ideenreiche Partner.   Matthias Koch erläutert knapp das für die meisten der künftigen Nutzer des Hauses wichtigste. „Wir werden eine Anfangsmiete von sieben Euro pro Quadratmeter aufrufen“, sagt er. Hinzu kommen 3,50 Euro Betriebs- und 0,25 Euro Werbekosten.   Ende 2010 soll das Modulor-Haus am Moritzplatz bezugsfertig sein. Dann ist auch dessen grässlicher 70er-JahreCharme endlich Geschichte. Ein gläserner Eingangsbereich ist ebenso geplant wie eine neue Fassade. Auf dem Dachgarten werden Kräuterbeete angelegt.   Über 11 Millionen Euro wird die Sanierung des Hauses kosten. „Endlich erwacht der Moritzplatz aus seinem Dornröschenschlaf“, heißt es in Kreuzberg ein bisschen schnulzig. Aber in diesen Zeiten wirkt das neue Leben am Moritzplatz tatsächlich wie ein Märchen.

Genusswerkstatt = Kochwerkzeuge

Kochbücher

Gastronomie

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Deutsche Handwerker trainieren die Technik...

Auf der Suche war der Bauingenieur Ulrich Leimer eigentlich schon lange, auf der Suche nach irgend einer interessanten Alternative.   Als Projektplaner fiel ihm immer wieder auf, dass viele Bauherren sich zwar für einen individuellen Stil in der Außengestaltung und dem Innenausbau entscheiden, bei Wänden und Fassaden allerdings meist eines dominiert: Reibeputz 3 mm, in weiß, gelb oder beige. Eventuell noch eine etwas gewagtere Farbe, aber das gilt dann schon als mutig. „Da langweilt sich das Auge, der Blick bleibt nirgends hängen und irgendwie fehlt solchen

Projekten auch der individuelle Stil – eigentlich schade“, sagte sich Leimer und ging auf die Suche.   In Frankreich wurde er fündig. In Montpellier, im Süden des Landes, entwickelte DECOPIERRE® ein Verfahren, das mit einem speziellen Putz aus Kalk, Marmorpulver und mineralischen Pigmenten das Aussehen von Naturstein nahezu perfekt nachahmt. Von den Möglichkeiten fasziniert, führte Leimer Gespräche, um dieses Putzsystem auch in Deutschland anbieten zu können. Für ihn stand fest: „Das Verfahren hat auch hierzulande beste Chancen, Kunden zu finden. Mit diesem Putz

DECOPIERRE® bei der Innenraumgestaltung - vier Beispiele 70

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...und Ulrich Leimer (re.) lobt die Ausführung

holt man sich nicht nur südliches Flair nach Hause, auch Freunde zeitloser Architektur bekommen jetzt die Möglichkeit, Ideen in Stein zu realisieren. Und: jedes Objekt wird ein Unikat.“   Ulrich Leimer erwarb die Rechte, die Marke DECOPIERRE® exklusiv in Deutschland zu vertreten.   Ob Bruchstein-, Kalkstein-, Feldstein-, Sandstein- oder Schieferbruchoptik, ob Fenstereinfassungen, Säulen, Torbögen, Kamine, Gewölbekeller oder Einfassmauern, ob Weinstuben, Häuserfassaden oder nur ein schmales Band vom Sockel bis in den Giebel, ob Neubau oder Renovierung - jedes Objekt


vorher

erhält mit DECOPIERRE® ein individuelles Gesicht. Selbst langweilige Häuser lassen sich mit diesem Putzsystem in schöne „Hingucker“ verwandeln. „Ihr neues Gebäude unter der alten Adresse“, lautet Leimers Werbeslogan. „Häuser lassen sich so völlig verwandeln, am besten zu sehen in unseren Vorher-Nachher-Beispielen“, sagt er. Und fügt hinzu: „Wir können auf nahezu jedem Untergrund arbeiten.“ Selbst Holz oder WärmedämmFassaden werden nach entsprechender Vorbereitung beschichtet. So bietet sich auch bei energetischen Sanierungswünschen eine anschließende Alternative zu einfachem Kratz- oder Reibeputz. „Hier müssen wir zwar auf die Schichtstärken achten, aber die für DECOPIERRE® typische Optik lässt sich dennoch erzeugen“, so Leimer. Die Kunden sind von der neuen 3DOberflächenstruktur begeistert. Schräg

nachher

angesetzte Beleuchtung verstärkt diesen Effekt zusätzlich.   Meist muss er neugierigen Interessenten, die sein Geschäft besuchen, erklären, dass das, was sie sehen, nur aufgetragener Putz ist und keine Steine, Fertigpaneele oder Platten aus Gips, Zement oder Kunststoff etwa.   Kalkputz übrigens, innen aufgetragen, schafft wegen seiner natürlichen Bestandteile ein angenehmes Raumklima und ist baubiologisch besonders zu empfehlen. Im Außenbereich kann diese äußerst witterungsbeständige Beschichtung auf Grund ihrer mineralischen Farbpigmente punkten, da ein Ausbleichen hier ebenso ausbleibt wie der so genannte Fensterladeneffekt durch die UV-Strahlung. Der Putz altert gediegen und zeigt in jeder Lebensphase eine angenehme Patina. Er ist langlebig, atmungsaktiv und bleibt wasserdampfdurchlässig.

Ulrich Leimer sieht viele Einsatzmöglichkeiten. Neben privaten Bauherren sind Handel, Gastronomie, Hotellerie, die Denkmalpflege und der gehobene Innenausbau seine Zielgruppen. Aber auch Gewerbebauten können mit DECOPIERRE® ihr Image völlig wandeln. In Frankreich jedenfalls wurden bereits hunderte Quadratmeter mit DECOPIERRE® beschichtet. Das Putzsystem erhielt den französischen Innovationspreis und viele weitere Auszeichnungen. Zur Anwendung in Deutschland wurden bereits Handwerker ausgebildet und erhielten Verarbeiter-Zertifikate.   Da dieses System der Wandbeschichtung hier bisher weitgehend unbekannt ist, sieht Leimer eine wichtige Aufgabe darin, die vielfachen Einsatzmöglichkeiten von DECOPIERRE® - was übrigens soviel wie dekorativer Stein heißt - in Deutschland weiter bekannt zu machen.

Decopierre Deutschland Weißenhöher Straße 54 12683 Berlin-Biesdorf Tel. 030-54 71 87 71 www.decopierre.de

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BOUQUET GARNI* Nachrichten und Neuigkeiten

SUPERPICKNICK

Osborn, Gordon Ramsay, Michel Roux und ihre Kollegen mit Jamie Oliver an der Spitze servieren dann den bis zu 40 000 Besuchern vier Tage lang ein Picknick der besonderen Art (in diesem Jahr vom 18. bis 21. Juni).   Warum sollte das, was in London funktioniert, nicht auch in Berlin möglich sein, fragte Beltle sich und andere. Aus der Idee wurde ein Projekt.

EHRENPLATZ Nachdem die Freistaatler im Mai 2006 in Holzhausen das Thüringer Bratwurstmuseum etabliert hatten, war es für Martin Löwer klar wie Ketchup: auch die Hauptstadt braucht einen solchen Ort der Erinnerung - natürlich an das kulinarische Wahrzeichen Berlins, die Currywurst.

Teilnehmer: Sonja u. Peter Frühsommer

Als Herbert Beltle, stadtbekannter Berliner Gastronom und im hauptstädtischen Hotel- und Gaststättenverband für die Gastronomie zuständig, vor zwei Jahren von einem London-Trip zurückkehrte, war der sonst eher sachliche Mann ungewohnt euphorisch. Beltle hatte das Festival „Taste of London“ besucht, das derzeit wohl weltbeste Foodfestival.   Seit 2004 verwandeln die Teams der 40 renommiertesten Restaurants der britischen Metropole den Regent Park im Stadtteil Marylebone in ein kulinarisches Zeltlager. Die Sterneköche Tom Aikens, Billy Drabble, Philip Howard, Shane

Teilnehmer: Thomas Kurt

Vom 30. Juli bis zum 2. August 2009 heißt es nun also zum ersten Mal „Taste of Berlin“. Vier Tage lang werden 30 Köche im Sommergarten der Messe Berlin zeigen, was die Hauptstadt kulinarisch so drauf hat - Motto: „Kochkunst erleben“. Ob Klaus Wowereit und Alfred Biolek in einem Kochduell gegeneinander antreten werden, war bei Redaktionsschluss noch nicht klar.   Schirmherr des Gourmetfestes ist der Berliner Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA. Dazu deren Hauptgeschäftsführer Thomas Lengfelder: „Als Vertreter der Gastronomie und Hotellerie übernehmen wir sehr gerne die Schirmherrschaft für Taste of Berlin. Gerade in der Sommerzeit, in der unsere Stadt wieder Gastgeber für besonders viele Besucher aus aller Welt sein wird, ist die Veranstaltung ein wichtiger Baustein in der Vermarktung Berlins.“ www.tasteofberlin.de

Löwers Firma, die E.I. Edutainment International GmbH, wird es am 16. August in der Schützenstraße 70 in Mitte offiziell eröffnen - mit rotem Teppich und Regierendem Bürgermeister.   Bisher wurde der Erfindung des einzig wahren deutschen Fast Foods durch die Imbissbetreiberin Herta Heuwer im Jahr 1949 lediglich durch eine schlichte Tafel gedacht.

Currywurst schwarz-rot-gold

Nun also soll der einst als „Boudin vom Landschwein an Curry-Tomaten-Coulis“ verspotteten Kultwurst ein angemessenes Denkmal gesetzt werden - auf über 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche mit Museumsshop und Imbisslounge.

*BOUQUET GARNI * URSPRÜNGLICH SÜDFRANZÖSISCHE KÖCHELBEILAGE; KRÄUTERSTRÄUSSCHEN, ETWA AUS LORBEER, PETERSILIE, ROSMARIN UND THYMIAN ZUM WÜRZEN VON BRÜHEN, SUPPEN UND SAUCEN

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Nachrichten und Neuigkeiten *BOUQUET GARNI

Rund fünf Millionen Euro investieren die Betreiber in das Haus am Checkpoint Charly - für die „Curry“ ist nur das Beste gut genug. Birgit Breloh, die künftige Museumsdirektorin, nicht ohne Stolz: „Wir wollen sämtliche Dimensionen der Currywurst beleuchten.“   Dazu gehört neben der kulinarischen und kulturhistorischen eben auch eine wirtschaftliche - schätzungsweise 1500 Exemplare der in Ketchup badenden und mit Curry bestäubten Schweinswurst werden in Deutschland verkauft, nicht täglich oder stündlich, sondern minütlich - Tendenz steigend. Es geht mit dem Museum also um weit mehr als nur um die Wurst. www.currywurstmuseum.de

ARMUTSZEUGNIS „Markt des guten Geschmacks“, so lautete der Titel der diesjährigen Slow Food Messe, die Anfang April 2009 auf dem neuen Gelände der Stuttgarter Messe über die Bühne ging. Für die Offerte aus Berlin und Brandenburg wäre allerdings das Motto „Angebot mit fadem Beigeschmack“ weitaus passender gewesen. Eine Metropole, die sich rühmt, die Welt zu Tisch zu bitten und ein Bundesland, das mit dem Slogan „Brandenburg isst gut“ wirbt, traten mit lächerlichen sechs Ausstellern in Stuttgart an.

Cornelia Schmidt, Mutter u. Schwester, v.li.

Neben der Schweinezüchterin Cornelia Schmidt aus Plattenburg, dem Weinbergschneckenzüchter Reiner Glass aus Gransee, der Sanddornkönigin Christine Berger aus Petzow, den Ölmüllern aus Werder und den Natursaft- und Obst-

weinproduzenten aus Hohenseefeld kam nur noch die Berliner Schokozeit AG (Garcon berichtete in der letzten Ausgabe) in die baden-württembergische Landeshauptstadt. Slow Food Berlin-Brandenburg mit einer small crew - und das, obwohl pro agro, der Verband zur Förderung des ländlichen Raumes im Land Brandenburg, 80 Prozent der Standmiete übernahm – wahrlich ein Armutszeugnis. Für Cornelia Schmidt jedenfalls, die in der Prignitz die selten gewordenen Bunten Bentheimer Schweine züchtet und in Stuttgart mit Fleisch- und Wurstspezialitäten an den Start ging, war die Slow Food Messe ein voller Erfolg: „Der Erfahrungsaustausch mit anderen Züchtern und der Kontakt mit Gastronomen, die individuelle Produkte solchen aus der Massentierhaltung vorziehen, waren es wert, hier dabeizusein.“

ÜBERLEBENSKUNST FAB, das Fernsehen aus Berlin ist tot, na ja, es gibt schlimmeres, zumindest für uns Zuschauer. Die besten Zeiten des kleinen Senders waren ohnehin vorbei - die also, in denen es zum Beispiel „Hechtsprung“ gab, ein Magazin für Angler. Was den Abschiedsschmerz zusätzlich lindert - der unbestrittene FAB-Favorit bleibt uns erhalten und zwar auf tv.berlin. Kein Problem, Hauptsache Werner. Nichts gegen Tagesspiegel-Matthies und seine profunden Restaurantkritiken, nichts gegen Morgenpost-Horrmann und seine subtilen Gastrokommentare und auch nichts gegen die Schar der übrigen Kulinarik-Diagnostiker - aber sie sind mit Verlaub - Verbal-Zwerge gegen die Gourmet-Größe Manuel Werner.   Während sie etwa über Stoff- statt Papierservietten parlieren oder Borlottibohnen und Koriandermolke analysieren, sagt Werner, wie es ist: immer oberlecker, immer superköstlich, immer topdelikat. Also, liebe tv.bler, danke, dass ihr uns Zuschauern den Werner erhaltet. Werner macht einfach Lust - ars vivendi eben.

WANDERBURSCHEN Raffaele Cesare Cannizarro, der Wanderer zwischen den Küchen, hat nicht nur das Hotel de Rome, er will auch Deutschland verlassen. Mitte Januar 2007 begann Cannizzaros Gastspiel in der Luxusherberge am Bebelplatz - nach Stationen im Wuppertaler Scarpati, im Kölner Da Bruno und auf Burg Schwarzenstein im Rheingau. Bereits damals waren sich Branchenkenner nicht sonderlich sicher, dass er auch bleiben wird. Sie behielten recht, Cannizzaro zieht es nach gut zwei Jahren Berlin in Richtung Wien. Neue Nummer 1 am Herd im Hotel-de-Rome-Restaurant Parioli ist ein alter Bekannter der hauptstädtischen Feinschmeckergilde - Jörg Behrend. Der 42jährige, geboren in Limburg an der Lahn, kam 2004 aus Hamburg nach Berlin und war als Küchenchef in den Restaurants Vivaldi im Schlosshotel Grunewald und San Nicci tätig. Ende 2007 wechselte Behrend als Nachfolger von René Bobzien in das Ilsenburger Landhaus zu den Rothen Forellen, erkochte hier auf Anhieb einen Michelinstern und 16 Gault-Millau-Punkte und überzeugte mit einer „aromastarken Küche, die allen Zutaten ihre Eigenheiten bewahrt, was sie klar und authentisch sein lässt“ (Gault Millau 2009).   Nun hoffen die Berliner Gourmets, dass Behrend im Hotel de Rome auch die Chance bekommt, zu zeigen, was er kann. www.hotelderome.com

Neuer Parioli-Küchenchef: Jörg Behrend

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BOUQUET GARNI* Nachrichten und Neuigkeiten

GRÜNDERZEIT

Restaurant Rodeo im Postfuhramt

Trotz großer Krise, ausbleibender Gäste und einiger spektakulärer Restaurantschließungen (Private, Shiro i Shiro) - es herrscht Gastro-Gründerzeit in Berlin. Dem Reinstoff in den Siemes- folgten das NEU in den Heckmannhöfen (s. unser Beitrag), das Speisezimmer unterm Dach - das ist die Kantine des Mahngerichts Wedding, Guten Morgen Franz an der Weidendammer Brücke (s. unser Beitrag), das Restaurant Fleischerei in der Schönhauser Allee, das Rodeo im Alten Postfuhramt und Herbert Beltles Rôtisserie Weingrün (s. unser Beitrag).

Herd-Sucher: Ralf Zacherl

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Die Restaurants Il Punto (Neustädtische Kirchstraße) und Sage (Köpenicker Straße) bereiten ihre Eröffnungen vor, und lange wird es wohl auch nicht dauern, bis Wolfgang Müller, der ehemalige Horváth-Küchenchef und Ralf Zacherl, der seinen Job als RTL-2-Kochprofi an den Nagel gehängt hat, ein geeignetes Domizil für ihr eigenes Restaurant gefunden haben. Da beide wissen, wie man einen Michelinstern erkocht - Müller erhielt ihn im Gourmetrestaurant Imperial des Schlosshotels Bühlerhöhe und im leider längst verblichenen Berliner Adermann, Zacherl als erster Küchenchef in der Weinbar Rutz - liegt die Vermutung nahe, dass Berlin mit der Müller-ZacherlNeugründung bald wieder eine Sternstunde schlägt.

QUARRÉRELAUNCH

Adlon-Schönheit: Joanna Dziersk

Joanna Dziersk wird sich nun nicht gleich als Germany’s Next Topmodel bewerben, aber spätestens seit dem 20. April ist klar, sie könnte es, und einige andere, die auf einem Adlon-Laufsteg die neue Frühjahrs-Sommer-Speisenkollektion des Restaurants Quarré präsentierten, könnten es auch. Die Damen und Herren der Quarré-Servicebrigade machten also auf dem Catwalk durchweg eine gute Figur, die von Adlon-Küchendirektor Christian Müller und Quarré-Küchenchef Axel Hirtzbruch kreierten neuen Gerichte für das Stadtrestaurant der Nobelherberge taten es bei der anschließenden Verkostung dann schließlich auch. Na bitte, es geht doch. Lange genug wurde das Restaurant für seine kulinarischen „Allerwelts-Tourismus-Standards“ kritisiert. 2006 12 GaultMillau-Punkte, 2007 ebenfalls 12, im Jahr

darauf mal 13, um 2009 wieder auf 12 abzurutschen, auf eine Küche also, die gerade mal das Alltägliche bietet. Das war sicher weder dem Geschäftsführenden Direktor Stephan Interthal, seinem F&B-Direktor Johannes Mayr noch Müller und Hirtzbruch, den für die Küche verantwortlichen Männern, einerlei. Also wurde dem Hotelrestaurant ein frischer Wind verordnet, der sich nun etwa so liest: Roh mariniertes Thunfischfilet mit Palmzucker und Wasabi; Beef Tatar, mal anders (das Gericht sollte dann auch auf der Karte – Adlon oblige – richtig geschrieben werden); Kalbsbries mit Tonkabohne und Papaya-Pfeffer-Risotto; Kalbsleber Berliner Art modern; Sushi, mal süß.

Neu im Quarré: Sushi, mal süß

Das klassische Adlon-Enten-Menü mit Spargel schließlich wird für 85 Euro in fünf Gängen serviert und zeigt, dass die Quarré-Köche um Chef Hirtzbruch zu durchaus mehr in der Lage sind als nur zu 12 mickrigen Gault-Millau-Punkten. Adlon verpflichtet eben.


Nachrichten und Neuigkeiten *BOUQUET GARNI

GRANITBLOCK In der Regel werden Messerblöcke aus Holz gefertigt, seltener aus Metall. Die wahrscheinlich einzige Aufbewahrung für Küchenmesser aus Stein stellte kürzlich die Solinger Messer-Manufaktur Franz Güde vor. Das repräsentative Stück wurde von Christoph Bongartz aus Aachener Blaustein geschliffen. „Gedacht ist es für Gastronomen“, so der Designer, „die beispielsweise einen großen Braten direkt im Restaurant vor den Augen der Gäste tranchieren.“ www.guede-solingen.de

Ed und Tom Mauersberger

Viel Fisch, viel frischer Ingwer, viel Liebe und keine Geschmacksverstärker - das sind die wichtigsten Zutaten der mit einem Berliner verheirateten Köchin. Anders hätte die Carabao Bar wahrscheinlich auch keine fünf Jahre bestehen können. „In Kreuzberg weiß man am besten, wie Thailand wirklich schmeckt.“, so Inhaber Tom Mauersberger.

keine großen Namen und deshalb auch in Deutschland nur wenige Kunden. Das müsste doch zu ändern sein, sagte sich Prof. Davide Sandalo, in der Provinz zuständig für die Vermarktung regionaler Produkte. Gesagt, getan. Der Professor ließ ProWein einen Tag ProWein sein, düste nach Berlin und stellte im Bocca di Bacco vier der besten Gewächse seiner Region vor. Die meiste Anerkennung erhielten ein Barbera vom Weingut Intersengna (www.vignale. de), dessen Besitzer Uwe-Jens Burchard übrigens aus Deutschland stammt und ein zweiter Barbera vom Weingut Colle Manera (www.collemanera.it). Aber auch die Kreszenzen der Güter La Spinosa Alta und Tenuta La Tenaglia waren nicht von schlechten Eltern.

www.carabao-bar.de

PIEMONTWEINE

Designer Christoph Bongartz

Wie gehabt - auch 2009 stellte Italien auf der Düsseldorfer ProWein mit mehr als 700 Ausstellern das zweitgrößte Kontingent, übertroffen lediglich von den deutschen Winzern. Alles, was in Italien vom „Bergweinstaat“ Südtirol im Norden bis ins sonnige Sizilien Rang und Namen hat, war gekommen, um zu siegen, sprich, um gute Geschäfte zu machen. Die Provinz Alessandria im südöstlichen Piemont hat ausgezeichnete Weine, aber

Marketingexperte: Prof. Davide Sandalo

THAIKÜCHE Rund 30 mehr oder weniger thailändische Restaurants gibt es in Berlin. Die Einschränkung ist deshalb angebracht, weil bei einigen zwar die Accessoires stimmen, das Essen jedoch irgendein asiatischer Mischmasch ist. Zu denen, die von sich sagen können, kaum kulinarische Zugeständnisse an den europäischen Gaumen zu machen, gehört die Carabao Bar (Berlin-Kreuzberg, Hornstraße 4). Das Motto „Home Style Cooking“ bedeutet: so, wie man bei Ed Mauersberger zu Hause in Ayutthaya, einer Stadt rund 100 Kilometer nördlich von Bangkok kocht, wird das Essen auch hier in Deutschland zubereitet.

Weine aus der Provinz Alessandria

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RUBRIKENColedampf‘s Küchenkolumne

COLEDAMPF´S KÜCHENKOLUMNE

KRISENBEWÄLTIGUNG - AM BEISPIEL EINES RUMPSTEAKS VON ANDREAS LANGHOLZ Als ich im dritten Quartal des letzten Jahrhunderts, genauer gesagt im Jahr 1975, zum ersten mal das T-förmig zusammengenagelte Rundhölzchen in die Finger bekam, um damit Teig auf einer heißen Platte in kreisender Bewegung gleichmäßig dünn zu verteilen, ahnte ich nichts von den riesigen Problemen an deutschen Herden.   Das mag daran gelegen haben, dass ich in meiner Familie damit nicht in Berührung kam, denn weder meine Mutter noch meine Großmutter brachten PTFE zum Einsatz, um mir eine ahnungslose Ostseescholle oder ein Kotelett von Onkel Johanns Sattelschweinen lecker zu braten. PTFE, ein Material, das Roy Plunkett 1938 eher zufällig entdeckte, für das die Firma DuPont 1941 ein Patent eintragen ließ und welches der französische Chemiker Marc Grégoire benutzte, um Angelschnur zu ummanteln – der leichteren Entwirrung wegen. Erst seine Ehefrau Colette hatte die Idee, Pfannen damit zu beschichten. Das Ergebnis kam unter dem Namen „Teflon“ auf den Markt - die erste KrisenZutat.

Langholz‘ Crêpe-House 1975

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Andreas Langholz, 48, geboren im SchleswigHolstein-Städtchen Eutin, aufgewachsen in Timmendorfer Strand, studierte in Berlin Kommunikationswissenschaften. 1995 eröffnete er Coledampf´s CulturCentrum in Wilmersdorf, fünf Jahre später am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg. Die „Kochtopfläden“ mauserten sich rasch zu den bestsortierten Haushaltswarengeschäften der Stadt.

Von all dem ahnte ich, wie gesagt, nichts in meiner Vier-Quadratmeter-Bude an der Timmendorfer Strandpromenade. Ich buk Crêpes Suzette, rief „lecker, lecker, lecker“, wenn ich Grand Marnier auf die Dinger kippte und erklärte den Kindern: „Ein Crêpe mit Apfelmus gibt Kraft und Energie – in nur zwei Minuten vom Mund direkt in den Oberarm.“   Ich wusste auch nicht, dass ein Pflanzenfett mit der Aussage beworben wurde: „Biskin schließt alle Poren und hält den Saft zurück“ - die zweite Krisen-Zutat. Wahrscheinlich wäre mir die Korrelation der beiden Krisenfaktoren nie klar geworden, hätte nicht die Politik der Regierung Kohl in Kombination mit Mauerfall und Aufpumpen der IT-Blase in mir den Wunsch geweckt, Bratpfannenverkäufer zu werden.   Und so stehe ich heute noch da und erzähle Menschen, die schon mindestens acht beschichtete Pfannen in die Tonne getreten haben, von dem Wunder der unfallfreien Wendung einer Crêpe, die einfach nur auf einer Eisenplatte gebacken wurde, er-

kläre die grandiose Eigenschaft des Eisens, Fett aufnehmen zu können, welches beim Erhitzen der Pfanne einen Film bildet, der wie eine Beschichtung wirkt.

Eisenpfanne im Einsatz

Natürlich verheimliche ich nicht, wie man eine Eisenpfanne wieder „repariert“, wenn man mal was falsch gemacht hat (z.B., wenn, was leicht passieren kann, die Ausstrahlung von Desperate Housewives mit der Zubereitung eines Omelettes zusammenfällt). Denn auch ein blutiger Laie versteht sofort, dass auf einer Crêpe-Platte geschmolzener Zucker, vermischt mit getrocknetem Apfelmus und reduziertem Bitterorangenlikör eine Klebkraft erzeugen, die die Produktentwickler bei Pattex verzweifeln lässt.


„Ausbrennen“ heißt der Geheimtipp. Einfach nur Salz in die Pfanne, den Boden bedeckt, ohne Flüssigkeit erhitzen, und schon zieht das Mineral die Verunreinigungen aus dem Eisen heraus – die Pfanne ist wieder wie neu.   Ich muss das schon deshalb verraten, weil sonst der Dialog Bratpfannenverkäufer: „kennen Sie einen Notar?“ Kunde: „Ja, warum?“ Bratpfannenverkäufer: „Weil Sie besser den Erben der Pfanne testamentarisch festlegen sollten, damit es später keinen Streit gibt“ Kunde: „Ach was!“ sonst gar nicht zustande kommen würde. Und dieser juristische Hinweis muss natürlich sein – angesichts einer Investition von 6 (in Worten sechs) Euro für eine 16er Omelettpfanne.

Meistens ist meine Glaubwürdigkeit als ungelernter (aber das lasse ich mir nicht anmerken) Bratpfannenverkäufer an diesem Punkt der Beratung leicht angeschlagen. Für mich kein Problem, ich habe kompetente Rückendeckung. Wolfram Siebeck schrieb vor Jahren mal in der Zeit sinngemäß: „Seit man den Menschen beigebracht hat, ein Steak muss in siedendes Fett, damit sich die Poren schließen, braten die Leute bei Temperaturen, dass man sich wundert, warum sie nicht gleich einen Flammenwerfer nehmen.“ Zum Glück hat Siebeck aus dieser Erkenntnis im letzten Jahr sein „drittes kulinarisches Gebot“ gemacht: „Nicht zu heiß!“   Diesen Text habe ich mir natürlich zum Vorzeigen kopiert, so dass ich mit einem wörtlichen Zitat nicht nur eine Pfannenberatung, sondern auch diese

Geschichte abschließen kann: „Die bratende Menschheit hängt dem Irrglauben an, in der Pfanne müsse es zischen und spritzen, wenn man Bratgut hineinlegt. In uns ist eine atavistische Vorliebe fürs Grobe, ein primitiver Instinkt aus der Steinzeit.“ P.S.: Willst Du ganze Geschichte, guckst Du http://www.zeit.de/2008/41/Siebeck-Herbst-3-41 COLEDAMPF‘S CULTURCENTRUM Uhlandstraße 54/55 10719 Berlin-Wilmersdorf Tel. 030 - 883 91 91 Wörther Straße 39 10435 Berlin-Prenzlauer Berg Tel. 030 - 43 73 52 25 www.coledampfs.de

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Eine Bratpfanne entsteht... Seit 152 Jahren sind es die gleichen Arbeitsgänge, die aus einem Stück Eisen eins der wichtigsten Küchengeräte machen. Im Jahre 1857 richtete Karl Albert Turk im sauerländischen Mühlhofe in der Mühle seines Schwiegervaters ein Hammerwerk ein. Schmiede fertigten auf dem großen Breitehammer Schaufeln und Pfannen, die bald über das Sauerland hinaus bekannt wurden. Das Unternehmen wuchs, überlebte einen großen Brand und zwei Weltkriege.

Made in Germany turk-Eisenpfannen erkennt man am durchgehenden Stiel, der weder angeschweißt noch angenietet ist und an der durch das Schmieden entstandenen charakteristischen Oberflächenstruktur. turk-Eisenpfannen sind für den Einsatz auf allen Herdarten geeignet und haben eine sehr lange Lebensdauer. turk-Eisenpfannen sind natürlich nicht beschichtet sowie kratz- und schnittfest. turk-Eisenpfannen verbessern mit zunehmendem Gebrauch ihre ohnehin hervorragenden Brateigenschaften. Die Bratfläche wird immer dunkler und glatter und bekommt eine Patina, die das Ankleben und Rosten verhindert.

Nach wie vor ist turk ein Begriff – für Kehr- und Kinderschaufeln, Herd-, Ofen- und Winterartikel, besonders aber für „freiform-warmgeschmiedete“ Eisenpfannen, die unter Profi- und Hobbyköchen Berühmtheit erlangten und in den Küchen der Welt kurz als turk-Pfannen bezeichnet werden. Jede dieser Pfannen ist ein Unikat.

ALBERT TURK GMBH & CO. KG MÜHLHOFE 58540 MEINERZHAGEN WWW.TURK-METALL.DE


Gastroquiz RUBRIKEN

GASTROQUIZ Preisfrage: Wieviele Eisdielen gibt es in Berlin? 50?, 80?, 110?, 220? Keiner weiß das so ganz genau. Was allerdings gesicherte Erkenntnis ist: die älteste Berliner Eisdiele befindet sich in Wilmersdorf. 1928 eröffnete Erna Monheim in der Blissestraße 12 ihr Café Monheim. Da feierte die erste Eisdiele in Deutschland bereits ihren 129. Geburtstag. Wir wollen nun wissen, in welcher deutschen Stadt sie 1799 eröffnet wurde?

A

in München?

B

in Hamburg?

C

in Leipzig?

Ihre Antwort bitte an Bildárt Media Verlag GmbH Redaktion GARCON Alt-Biesdorf 7 12683 Berlin Fax: 030 - 51 73 84 92 E-Mail: info@bildart-verlag.de Die Gewinne, drei Kochbücher deutscher Spitzenköche, werden unter den Teilnehmern verlost, die unsere Frage richtig beantwortet haben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss ist der 20. Juni 2009. Die Gewinne werden von der Redaktion per Post zugesandt.

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RUBRIKENNachgehakt

NACHGEHAKT

DIE FEINSCHMECKER UND DAS KALBFLEISCH VON DIETER GROßKLAUS Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Dieter Großklaus (li.), Jahrgang 1930, geboren in Mühlhausen/Thüringen. Schulung im Fleischerhandwerk, Studium der Veterinärmedizin in Berlin, Promotion. 1985 bis 1993 Präsident des Bundesgesundheitsamtes. Langjähriger Präsident der Weltvereinigung der Lebensmittelhygieniker. Bevollmächtigter der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft bei den Qualitätsprüfungen für Fleischerzeugnisse. 1996 bis 2008 Bailli Berlin-Brandenburg der Confrérie de la Chaîne des Rôtisseurs Paris, jetzt Ehrenbailli. Seit 1997 Juryvorsitzender Berliner Meisterköche bei Berlin Partner. Auf unserem Foto mit seinem Bruder Dr. Jürgen Großklaus in der Neulandfleischerei Bünger in Halensee.

Welcher Gourmet hat sich nicht schon mal über aromaarme und zu feste Kalbsschnitzel geärgert? Wem ist nicht schon mal aufgestoßen, dass es selbst in Fachgeschäften nur mit Schwierigkeiten gelingt, einen Kalbsnierenbraten zu ergattern? Und welchem Kenner ist nicht schon die zuweilen kräftig rote Farbe als für „Kalbfleisch“ eigentlich untypisch aufgefallen?   Die anspruchsvolle Gastronomie und der eingeweihte Verbraucher wissen um diese Entwicklung. Sie ist die Folge einer modernen Tierproduktion, die ihre Ursachen sowohl in der gestiegenen Nachfrage als auch in ökonomischen Zwängen hat. Doch nicht selten bleiben dabei traditionelle 80

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Mit den veränderten Aufzucht-, Haltungsund Fütterungsmethoden allerdings wurden immer ältere und schwerere Tiere unter Verlust der traditionellen Kalbfleischqualität hinsichtlich Farbe, Konsistenz und Geschmack auf den Markt gebracht.

Qualitätsansprüche auf der Strecke. Ein Beispiel dafür ist das Kalbfleisch, dessen Qualität der Feinschmecker vom Milchkalb herleitet. Er meint damit das Fleisch von Kälbern, die bis zur Schlachtung ausschließlich von Milch oder mit Milchaustauschfutter ernährt wurden.

Was zeichnet nun das Milchkalbfleisch aus, und was macht es zur Delikatesse? Da ist zuerst die auffallend helle, rosaweiße Farbe der Muskulatur. Deren Zartheit kommt durch die etwa zwei- bis dreimal dünnere Muskelfaser als die des mehr oder weniger erwachsenen Rindes zustande. Die Konsistenz des Muskelfleisches der bis zu 75 Kilogramm schweren und etwa 6 Wochen alten Tiere, die ausschließlich mit Milch und/oder Milchaustauschfutter


NachgehaktRUBRIKEN

ernährt wurden, ist eher schlaff und von feucht-klebriger Beschaffenheit, das geringe Bindegewebe ist auffallend locker, ebenfalls feucht und weich, und das Fettgewebe ist nur schwach entwickelt. Der Geruch ist aufgrund der Milchernährung leicht säuerlich und der Geschmack deutlich säuerlich-aromatisch. Gemeinsam mit der hellen Farbe und der zarten Konsistenz stellt dieser typische Milchkalbfleischgeschmack das Hauptqualitätsmerkmal dar. Übrigens: aufgrund seiner Zusammensetzung genügt solches Fleisch auch diätetischen Ansprüchen.   Bei der allmählichen Zufütterung von Rauhfutter und Getreide verändert sich die Beschaffenheit des Fleisches und damit auch seine Qualität relativ schnell. Die Farbe wird zunehmend roter, die Konsistenz fester und der frische Anschnitt trockener. Diese Veränderungen der Qualität haben allein physiologische Gründe. Durch die Futterumstellung, selbst schon durch eine Zufütterung von Rauhfutter und Getreide, nehmen die drei Vormägen des Rindes, der Pansen, die Haube und der Blättermagen, erstmals ihre Tätigkeit auf, deren Stoffwechselarbeit u.a. zu einer vermehrten Durchblutung der Muskulatur führt.   Bei einer ausschließlichen Milchernährung auf Flüssigbasis dagegen läuft die Nahrung

Fleischermeister Jens-Uwe Bünger

über die sogenannte Schlundrinne unter Ausschaltung der drei Vormägen direkt in den Labmagen (Drüsenmagen) mit der Konsequenz einer hellen, blaßrosafarbenen und besonders zarten Muskulatur. Mit dem typisch säuerlich-aromatischen Geschmack begründeten diese Fleischmerkmale die Qualität des Milchkalbfleisches und damit den hohen Genußwert.   Heute ist solches Fleisch auf dem Markt Mangelware. Nur Bekanntschaften und Beziehungen führen noch zum Erfolg. Der Grund: anstelle von Milchkälbern sind im Laufe der Jahre Tiere getreten, die älter und schwerer sind und damit jenseits der Qualitätsgrenze. Ihre Ernährung beruht auf Rauhfutter und Getreide mit einer Ergänzung durch Milch und Milcherzeugnisse und umgekehrt.   Zwar ist solches Fleisch gegenüber dem erwachsener Rinder zarter und farblich hellrot, mit der Güte des Milchkalbfleisches ist es aber nur bedingt vergleichbar. Nicht zuletzt durch die Akzeptanz der durch die Fütterungspraxis entstandenen Fleischqualität durch Gastronomen und Verbraucher wird diese nun auch offiziell sanktioniert. Dafür spricht sowohl die jüngste Handelsklassen-Verordnung Rinderschlachtkörper vom November 2OO8 als auch die EU-Verordnung 7OO/2OO7 zur Vermarktung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern. In Anpassung an diese EU-Verordnung wird im Sommer in

Deutschland das vierte Gesetz zur Änderung des Rindfleisch-Etikettierungsgesetzes die Kennzeichnung „Kalbfleisch“ für Tiere bis zu einem Alter von acht Monaten erlauben, sofern diese Tiere hauptsächlich mit Milch und Milcherzeugnissen ernährt wurden.   Durch den Zwang zur Milchfütterung gemeinsam mit Rauhfutter und Getreide bleiben zumindest einige Qualitätsmerkmale des Milchkalbfleisches erhalten. Die komplette Umstellung auf Rauhfutter und Getreide schließt dann aber die Kennzeichnung „Kalbfleisch“ aus.   Da in der Vergangenheit bei Kalbfleischgerichten nicht selten Fleisch von Jungrindern verarbeitet wurde, wird diese irreführende Bezeichnung jetzt geahndet. Das schließt nicht aus, dass mit diesem hochwertigen Rohprodukt immer wieder gemogelt wird.   Erinnert werden soll an die 1970er Jahre, als mit hormonellen Masthilfsmitteln Kalbfleisch produziert wurde. Dazu zählen international auch Manipulationen, bei denen mit Hilfe von Arzneimitteln durch Schaffung einer künstlichen Blutarmut (Anämie) die Farbe des Fleisches beeinflusst wird.   Feinschmecker, die beim Kalbfleisch keine Kompromisse machen wollen, müssen sich, auf welchem Weg auch immer, echtes Milchkalbfleisch beschaffen. Dann können sie einen traditionellen Kalbsnierenbraten genießen, der den Namen wirklich verdient. GARÇON

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RUBRIKEN Termine

TERMINE

EINE AUSWAHL IN BERLIN, BRANDENBURG UND ANDERSWO

BERLIN 13. Mai 2009 Das Cigarrenmagazin in den Berliner Kaiserhöfen ist an diesem Tag Schauplatz einer Vereinsgründung der besonderen Art. Acht „bekennende Zigarren-Gourmets“, wie sie sich selbst nennen, laden zur Gründungsfeier des CIGARRENCLUB UNTER DEN LINDEN e.V. Berlin ein. Fortan will der Club durch kollektives Qualmen und durch regelmäßige Veranstaltungen zum Thema „Cigarre und Genuss“ die Rauchkultur pflegen. www.berliner-cigarren-club.de 14. Mai 2009 Klappern gehört zum gastronomischen Handwerk - das weiß auch Danijel Kresovic vom Restaurant 44 im Swissotel Berlin. Der junge Küchenchef eröffnet deshalb am 14. Mai um 18.30 Uhr den hauseigenen Kräutergarten mit einem kulinarischen Gipfeltreffen. Zu Gast in der Augsburger Straße sind dann Stephan Garkisch (Bieberbau), Michael Kempf (Facil), Christian Lohse (Fischers Fritz), Marco Müller (Rutz) und Berlins Kräuterpapst Dr. Ali Moshiri. www.swissotel.com

15. Mai bis 14. September Der Siegfriedbrunnen am Rüdesheimer Platz verwandelt sich in den Sommermonaten wieder in einen RheingauWeinbrunnen. Täglich von 15.00 bis 22.30 Uhr präsentieren sich dann in Berlin-Wilmersdorf Winzer aus Deutschlands führender Weinprovinz. 16. und 17. Mai 2009 „Köpenick à la carte“ heißt es an diesem Maiwochenende in der Altstadt des 1209 erstmals erwähnten Ortes und heute gemeinsam mit Treptow - größten Berliner Stadtbezirkes. Neben Kleinkunst, Bühnen, einem Oldtimermarkt und Verkaufsständen von Fischern, Imkern, Metzgern und Winzern wollen sich die Köpenicker Gastronomen an beiden Tagen von 11.00 bis 22.00 Uhr von ihrer besten Seite zeigen. „Kreuzberg kocht“ lässt grüßen - hoffentlich auch, was die Qualität der kulinarischen Angebote betrifft.

POTSDAM 16. Mai (14.00 bis 22.00 Uhr) und 17. Mai (12.00 bis 18.00 Uhr) Gemeinsam mit dem 1870 gegründeten Traditions-Weingut Stigler aus Ihringen am Kaiserstuhl lädt Speckers Landhaus zum „Blütenfest der Extraklasse“ - wie die den Potsdamer Gastronomen betreuende Berliner PR-Agentur formuliert. Wie superlativ nun auch immer - Patron Gottfried Specker, Tochter und Sommeliere Tina sowie Küchenchef Steffen Johst werden Havelkrebse, Ostseeheringe, Werdererdbeeren und natürlich Beelitzspargel servieren. Dazu präsentieren Andreas und Regina Stigler Weine vom Winkelberg und Blumenfrau Jana Vierkes florale Kreationen. www.speckers.de

BEELITZ

30. Mai 2009 Am letzten Samstag im Mai, pünktlich um 17.00 Uhr, öffnet das Westin Grand Hotel in der Friedrichstraße seinen Dachgarten und startet in die BBQ-Saison 2009. Das Angebot der diesjährigen kulinarischen Grillreise klingt auf jeden Fall interessanter als deren Motto: „Grillen, das ist Genuss unter freiem Himmel“.

23. und 24. Mai 2009 Auf dem Marktplatz und rund um die Stadtpfarrkirche steigt am vorletzten Maiwochenende das traditionelle Spargelfest. Zahlreiche historische Höfe in der Beelitzer Altstadt sind dann geöffnet, es gibt einen Spargelpavillon, Spargeltänze und einen Wettbewerb im Spargelschälen. Der Festumzug findet am Sonntag um 13.30 Uhr statt.

www.westin.com/berlin

www.beelitz.de


IMPRESSUM HERAUSGEBER Bild Art Media Verlag GmbH Alt-Biesdorf 7, 12683 Berlin Fon 0 30 / 51 73 84 91 Fax 0 30 / 51 73 84 92 www.bildart-verlag.de www.berliner-garcon.de info@bildart-verlag.de REDAKTION Yvonne Weinlich (V.i.S.d.P.) Jörg Teuscher, Uwe Balluschk, Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Marc Steyer redaktion@bildart-verlag.de

ART DIRECTOR Grazyna Stepniak GRAFIK Karin Baetz FOTOS Helmut Biess, Heiko Gralki, Joachim Hanff, Kathrin Haupt, Thomas Hoffmann, Jörg Teuscher, Lisa Weinlich, Decopierre, Fleischerei Gottschlich privat, Josef Jakobs privat, Andreas Langholz privat, Marco Müller privat, Peter Wardin privat, Archiv BGM, Archiv Empore Dieter und Susanne Kahl, Archiv Michalski ANZEIGENMARKETING Heike Link, Heiko Gralki anzeigen@bildart-verlag.de VERTRIEB bpv Berliner Presse Vertrieb GmbH&Co. KG, PVB Presse Vertrieb GmbH&Co. KG Berlin, Five Star Media Verlag & Werbung Ltd. BEZUGSHINWEISE Zu beziehen in Zeitschriftenhandlungen oder im Abonnement über den Verlag. Einzelheftbestellung: Jedes Heft kostet 4,00 € zuzüglich 1,80 € anteilige Versandkosten pro Sendung. Bezahlung nach Erhalt der Rechnung oder im Lastschrifteinzugsver-fahren. Diese Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheber- rechtlich geschützt. Jede Verwertung bedarf der Zustimmung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Unterlagen und Fotos wird keine Haftung übernommen. Über die Verwendung der Materialien entscheidet die Redaktion. Eine Rückantwort ist nicht vorgesehen, wenn nicht individuelle Abspra- chen dem entgegen stehen. Aufnahme in Online-Dienste, Internet und Vervielfältigung auf Datenträgern nur nach schriftlicher Bestätigung des Verlages.

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