HEFT 1/ 2011 | 6€
Das Magazin für entdecker und genieSSer
GASTRONOMIE, HOTELLERIE & LEBENSART
Fischerkietz | Coledampf´s | SHabuko | Weltküche Massimo Mannozzi | Raymon Frost Rouladentest | Stintsaison | Tiroltrip
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MISE EN PLACE
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Liebe Leserinnen und Leser, es muss nicht immer Hummer sein, mit Trüffelöl und Thaispargel schon gar nicht. Auch auf Nashi-Birne kann ich gerne verzichten und auf Murahata-Melone sowieso. Köche, die wie Tatort-Kommissare den schrägsten Produkten nachjagen und mit Sicherheit, wenn es sie dort gäbe, karierte Maiglöckchen von den Malediven einfliegen würden, waren mir schon immer suspekt. Damit wir uns richtig verstehen, ich habe nichts gegen exotische Produkte, aber durchaus was gegen Küchenmottos á la „je ferner, desto besser“. Der Ort bestimmt die Speisenkarte. Dieser schlichte Satz stammt von Alain Ducasse und sollte eigentlich zum Grundrepertoire jedes Küchenchefs gehören. Wo das so ist, haben auch Produkte Vorfahrt, die nicht um die halbe Welt geflogen sind, um in deutschen Töpfen Fernweh zu erzeugen. Nun verweisen Ducasse-Kritiker gerne auf die Beschränktheit des heimischen Fleisch-, Fisch- oder Gemüseangebotes. Ein Argument, das sicher seine Berechtigung hat, wenn man beispielsweise mal auf einem Markt in Indien oder Thailand war. Andererseits jedoch gibt es auch hierzulande mehr als manche Köche glauben. Mein Gemüsehändler auf dem Kreuzberger Chamissoplatz etwa bietet zur Tomatenzeit allein acht verschiedene Sorten Tomaten an und die Domäne Dahlem genauso viele Kartoffelsorten. Bei Stefan Steinheuer in Bad Neuenahr habe ich JaromaKohl aus der Pfalz probiert, der gar nicht kohlig, sondern fein und nussig schmeckte, und bei Dieter Kaufmann in der Grevenbroicher Traube gehört rheinisches Stielmus zum Standardrepertiore. Das Bentheimer Schwein, der Mäusdorfer Gockel, das Taubertaler Lamm — alles erstklassige Produkte aus heimischen Landen, die mehr Zuwendung verdient hätten. Und um nochmal auf die eingangs zitierte Nashi-Birne zu kommen, die zu einem Achtel nach Birne, zu zwei Achtel nach Zitrone und zu fünf Achtel nach nichts schmeckt — Cornelia Poletto, die Hamburger Fernsehköchin, formulierte jüngst drastisch: „Die Birne hätte dort bleiben können, wo sie hergekommen ist.“ Das alles fiel mir ein, als ich vorige Woche von der Berliner Aktion „Koch sucht Bauer“ hörte, einem Hilferuf hauptstädtischer Spitzenköche, die händeringend saubere regionale Produkte suchen. Viel Spaß mit dem neuen Garcon. Ihre
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Yvonne Weinlich weinlich@bildart-verlag.de
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INHALT MISE EN PLACE TITEL La dolce vita Das süße Leben des Patissiers
33 Shabuki
6 La dolce vita
LOKALTERMIN
GESCHMACKSSACHEN
Fischerkietz 26 Regionales in Strausberg Shabuki 33 Asiatisches bei Mr. Hai
Zander 64 Fisch des Jahres 2011 Koch sucht Bauer Netzwerk für guten Geschmack
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Coledampf´s & Companies Kulinarischer Ort am Moritzplatz
Liebling Roulade Notizen zu einem Fleischwickel
70
Kleiner Fisch Die Spur der Stinte
76
36
Weltküche 40 Soziales Projekt in Kreuzberg Raymons Restaurant 48 Leckeres in Spandau
BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten
KOPFSALAT Der Padrone Massimo Mannozzi zum 70.
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GARÇON
84
Lebensart 52 36 Coledampf´s & Companies
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52 Der Padrone
70 Liebling Roulade
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Gastroquiz 106 Impressum 107
94 Stumm in Tirol
HOTEL BACCO Lido di Camaiore, Toscana, Italia Informationen in Berlin unter Tel.: 030/2118687 www.bacco.de
TITEL La dolce vita
Zwischen diesem Dessert und dem auf der folgenden Seite liegen exakt 105 Jahre und eine gewaltige kulinarische Entwicklung. Während beim „Kirschbaum“ von Carl Gruber aus dem Jahr 1906 (Hotel Bristol Frankfurt a. M.) einzig und allein die filigrane Präsentation wichtig war, spielen bei Sauli Kemppainens Kreation aus dem Brandenburger Hof in Berlin die subtilen aromatischen Akzente, etwa die Prise Bergsalz zur Schokoladenschnitte, die wichtigere Rolle. Dennoch: Für die Herstellung beider Desserts sind hohes handwerkliches Können und eine ebensolche Kunstfertigkeit nötig. Da hat sich im Laufe von über 100 Jahren nichts geändert. Geändert hat sich allerdings der Stellenwert des Patissiers vor allem in deutschen Küchen. Einst war er — als Chef-Patissier — eine Respektsperson, die im gleichen Rang wie der Küchenchef stand. Heute wird er selbst in guten Restaurants schon mal eingespart — aus Mangel an geeigneten Bewerbern oder weil es eben billiger ist. Deshalb bricht Garcon in dieser Ausgabe eine Lanze für einen Beruf, der sowohl eine komplexe Ausbildung als auch ein besonders feines Gefühl für das Spiel mit Aromen und Texturen erfordert. Ralf Hiener, Koch von Beruf, Mitbegründer der Essbaren Landschaften GmbH und heute als Lebensmittel-Entwickler in Berlin tätig, blickt auf die Entwicklung der Patisserie in Deutschland in den letzten 25 Jahren zurück. Jörg Teuscher und Anna Weber besuchten in Wolfsburg und Berlin drei Partissiers — junge Leute, die unsere Autoren mit geistreichen Desserts beglückten, vor allem aber mit ihrer Einstellung zu einer gewiss nicht leichten Arbeit begeisterten.
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GARÇON
La d Das süSSe leben des Patissiers von Ralf Hiener, Jörg Teuscher und Anna Weber
La dolce vita Titel
dolce vita GARÇON
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TITEL La dolce vita
aus: Kochkunst, Illustrirte Halbmonatsschrift für Hotel-, Restaurant-, Herschafts- und bürgerliche Küche. Herausgeber und Verleger: Internationaler Verband der Köche Frankfurt am Main, Achter Jahrgang, 1906
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GARÇON
La dolce vita Titel
DER LETZTE GANG VON RALF HIENER
Als Sohn einer Schwarzwälder Gastronomenfamilie — meine Eltern betrieben in den 1960ern eine Pension mit Restaurant — bin ich mit Schnitzel, Froschschenkeln, Schnecken und natürlich mit etlichen süßen Leckereien aufgewachsen. Favorisiert habe ich in meiner Jugend die typischen 70er-Jahre-Desserts, etwa den allseits beliebten Bananensplit. Das war damals schon großes Kino. Oder heiße Himbeeren! Auf jeden Fall musste Eis dabei sein, viel Eis, unbedingt!
Ralf Hiener
Während meiner Kochlehre zu Beginn der 1980er in einem Stadthotel am Hochrhein, kam ich mit den zu dieser Zeit üblichen opulenten Dessert-Klassikern in Berührung. Das waren hausgemachte Eisparfaits, Coupe Melba, Mousse au chocolat sowie das legendäre Omelette Surprise — für mich schon damals ein Graus. Bei Restaurantbesuchen kam ich aber auch in den Genuss der ersten Veränderungen durch die Nouvelle Cuisine. Die Patisserie bekam plötzlich einen anderen Stellenwert. In Eckart Witzigmanns legendärem Münchner Restaurant Aubergine entstanden Dessert-Schöpfungen wie Lebkuchensoufflé mit Altbiersabayon und Preiselbeerschaum oder Grießsoufflé mit Birne und Nougatschaum. Die ersten verzierten Saucenspiegel sorgten für Aha-Erlebnisse, und viele Dessertteller bekamen eine künstlerische Handschrift. Es war auch die Zeit, in der manche Köche ihren süßen Kreationen Namen gaben — etwa HansPeter Wodarz, der ein Dessert „Dialog der Früchte“ nannte.
Während meiner Wanderjahre in der Schweiz empfand ich die Pflege einer Tradition als wirklich großartig: den Dessertwagen. Darauf befanden sich in der Regel verschiedene Cremes, Tartes, Früchte, Saucen und selbstverständlich Karamelköpfli sowie ein Kübel mit halbgeschlagenem Rahm. Der üppig bestückte Wagen wurde zum Tisch gerollt, und die Gäste konnten ihren eigenen Dessertteller zusammenstellen. Für das damals kulinarisch eher konservativ orientierte Schweizer Publikum ein Muss und auch heute noch aus etlichen Häusern kaum wegzudenken. In moderneren Restaurants begann derweil die Epoche der Vordesserts. Die Speisenfolgen wurden größer, es gab die ersten Menüs mit Tasting-Charakter. Nach sieben salzigen Gängen wurden noch mindestens drei kleine Süßvarianten serviert, häufig auch zelebriert. Wenn ich auf die letzten zehn Jahre zurückblicke, dann fällt mir vor allem die Entwicklung der Convenience-Produkte im Dessertbereich auf. In kaum einem anderen Zweig gibt es ein so breites Angebot. Entsprechend haben selbst einfache Restaurants inzwischen die Möglichkeit, zeitgemäße und den Geschmack der Massen treffende Kreationen anzubieten, ohne dabei von einem Angehörigen einer inzwischen selten gewordenen Spezies abhängig zu sein: einem guten Patissier in der eigenen Küchencrew. Um auch das klarzustellen: Ich bin kein großer Freund von ConvenienceErzeugnissen, aber die besten Produkte gerade im Patisserie-Bereich halte ich allemal für besser als Selbstgemachtes, das nichts taugt. Was die Entwicklung des Desserts in der Spitzengastronomie betrifft, so hat sich auch hier eine neue Kultur etabliert. Vor allem die Akribie und der Ideenreichtum in diesem Bereich der Küche sind unglaublich vorangeschritten. Kaum ein Teller ohne aufwändige Ornamente, Zuckerspiralen und zahlreiche andere Komponenten.
Vergleicht man beispielsweise die Dessertkarte des besten deutschen Restaurants, der Schwarzwaldstube im Hotel Traube Tonbach in Baiersbronn, aus dem Jahr 1988 mit einer aktuellen Karte aus dem Jahr 2010, dann erkennt man schnell, welche Entwicklung die Patisserie genommen hat. Dessertteller mit Mokkavariation, Mohnnudeln auf Mandarinenragout mit Vanilleeis oder Soufflé von weißer und dunkler Schokolade klingen für heutige Verhältnisse bereits altbacken. Bei Pierre Lingelser, dem genialen Patissier der Schwarzwaldstube, klingt das aktuelle Angebot nun so: Souffliertes Macaé-Schokoladentörtchen auf Buttermilch-Passionsfruchtgelee, Ananas und Mango in Vanille-Karamell, dazu Limonen-Kokoseis. Oder: Mäusespeck von Limone und Eisenkraut, Orizaba-Schokoladenkrem, Aprikosen im Eisenkrautsud und Aprikosen-Sorbet. Auch die besten Berliner Restaurants setzen auf solche Art Desserts, leicht, frisch und mit deutlichen aromatischen Akzenten. So servierte etwa Christian Lohse eine Kaltschale von Aprikosen, Mispeln und Lavendel mit Haselnusskrokantparfait. Bei Marco Müller gab es Gratinierte Rosmarintrauben mit Sherryespuma und Ziegenkäseeis. Nicht viel anfangen kann ich, ehrlich gesagt, mit Speisenkarten, die nach dem Motto „Lass Dich überraschen“ verfasst sind. So serviert etwa Tim Raue in seinem Menü unique als Dessert: Tanariva — Jasmin, Birne, Tanarivaschokolade 33%. Hoffentlich weiß wenigstens der Service, was sich dahinter verbirgt. Was die weitere Entwicklung im Bereich der Desserts betrifft, so darf man gespannt sein. Mein persönlicher Wunsch wäre eine deutliche Reduzierung der Süße, weniger Komponenten, also mehr Klarheit auf dem Teller und vor allem ein verstärkter Einsatz von Gemüse im Süßspeisenbereich. Das kann ich mir sehr spannend vorstellen.
GARÇON
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TITEL La dolce vita
AQUA-KULTUR VON Jörg Teuscher
Die Wolfsburger Autostadt ist ein Ort vom Reißbrett. Faszinierend, sicher, aber alles wirkt ein wenig zu clean, zu perfekt. Doch das stört die meisten Besucher kaum. Einige meckern, dass auf den Wegen zu den MarkenPavillons oder zum VWKundenCenter öffentliches Rauchen unerwünscht ist, die meisten jedoch sind begeistert — von alten Autos unter Acrylhauben, moderner Architektur zwischen Wasserläufen oder von der Tatsache, dass sie bald einen neuen
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GARÇON
Volkswagen ihr Eigen nennen können. Alles dreht sich auf diesem Areal ums Auto — fast alles. Denn manche kommen einfach nur zum Essen hierher. Sie haben im Aqua reserviert, dem Drei-Sterne-Restaurant im Wolfsburger Ritz-Carlton Hotel, das am Rande der Autostadt erbaut wurde. Anfang der 1990er Jahre habe ich einmal in der Vorstandskantine des VWKonzerns gegessen, das war schon erstklassig. Aber was, wenn ein Vorstand einen wirklich hochkarätigen Gast hat, einen englischen Prinzen oder einen Scheich aus Katar etwa? Früher musste er dann wenigstens bis nach Celle fahren, um eine eini-
germaßen angemessene Bewirtung zu bekommen. Nun hat er eins der zehn besten deutschen Restaurants im eigenen Revier, und er tut, wie man liest, einiges dafür, dass das so bleibt. Schade eigentlich, dass es in Berlin keine VW-Vorstände gibt… Den wichtigsten Beitrag dafür, dass das Aqua — der Name steht für Klarheit und Transparenz — zu einem Wallfahrtsort der internationalen Feinschmeckergilde wurde, haben allerdings nicht die VW-Investitionen geleistet, sondern ein Mann und sein Team. Sven Elverfeld, 42, geboren im hessischen Hanau, kam im Expo-Jahr 2000 aus Dubai nach Wolfsburg.
La dolce vita Titel
Bescheidener Könner: Sven Elverfeld
Edler Arbeitsplatz: die Aqua-Küche
Bereits zwei Jahre später kürte ihn der Gault Millau zum Aufsteiger des Jahres: “Letztes Jahr kämpfte die Küche noch mit allerlei Problemchen, heuer steuerte sie voller Kraft voraus in selten so angenehm erlebte kulinarische Gefilde.“ Die Gourmets staunten und fragten: „Sven…wer?“ Das änderte sich als der Michelin nachzog: 2002 der erste, 2006 der zweite, 2009 der dritte Stern. Der gelernte Koch und Konditor war im kulinarischen Olymp angekommen, überhäuft mit allen Ehrungen, bedacht mit allen Superlativen, die die Branche zu bieten hat. Selbst FAZ-Kritiker Jürgen Dollase, schwärmerischer Verbal-
Teures Vergnügen: 9 Gänge für 205 Euro
GARÇON
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TITEL La dolce vita
Kartoffel-Pot au feu
Norwegische Jacobsmuschel & Kalbsbries
Garnele & Kalbstatar
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Duselei absolut unverdächtig, fühlte sich angesichts eines Tellers mit gesottenem Tafelspitz vom Müritz-Lamm an ein Mondrian-Gemälde erinnert. Ja, Sven Elverfeld gehört zu den Großen seines Fachs. Mit einer Küche, die er als kreativ, europäisch, französisch inspiriert und modern interpretiert beschreibt, holte er die Ess-Klasse nach Wolfsburg. Elegant die Suppen-Shots und LöffelDegustationen, erstklassig die Garnele mit Kalbstatar, sensationell die Gewürz-Taube mit Kefir, Granatapfel, Sesamcreme und CousCous — eine kulinarische Erinnerung an seine Zeit in Dubai. Alles, was von der erstaunlich jungen Küchenbrigade mit uhrmacherischer Präzision und ähnlichem Werkzeug auf dem feinen Porzellan in Stellung gebracht wird, verrät sicheren Sinn für Konsistenz, Kontrast und Harmonie — vor allem aber für Geschmack. Beobachtet man Elverfeld bei seiner Arbeit, wird deutlich, wie dieser Mann „tickt“. Er ist konsequent, aber nicht unsachlich — etwa, wenn er fordert: „Bitte kommunizieren, laut und deutlich, alle!“ Er ist ehrgeizig, aber nicht fanatisch — etwa, wenn er verlangt: „Jeder muss sich täglich neu antreiben!“ Und er ist irgendwie wohltuend normal, ebenso wie seine Patissière Nadja Hartl, deretwegen wir eigentlich nach Wolfsburg gekommen sind. Deutschlands beste Patissière also. „Sie präsentiert den Wandel der klassisch schweren Nachtische zum finalen Tischschmuck“, schrieb der Gault Millau zur Begründung des Titels „Patissier des Jahres“. Worüber redet einer, der im Sternerestaurant schon mal an Stelle des offerierten Desserts um ein paar Waldbeeren mit Champagner bittet, mit solcher Repräsentatin? Über seine Abneigung gegenüber aufgetakelten Schokoladen-Variationen? Über seine Kindheitserinnerungen an den warmen Bienenstich der Großmutter?
La dolce vita Titel
Nadja Hartl
Restaurant Aqua im Hotel The Ritz-Carlton Wolfsburg
TITEL La dolce vita
Nadja Hartl macht es Journalisten leicht, selbst denen, die zum spitzengastronomischen Süßkram ein gebrochenes Verhältnis haben. Also erstmal das Naheliegende, während sie ihren „Posten aufbaut“ und den finnischen Praktikanten Eric Räty einweist, der übrigens aus dem Chez Dominique in Helsinki, einem der besten Restaurants Skandinaviens, nach Wolfsburg gekommen ist, um bei Nadja Hartl zu lernen. Schon das zeigt, wie gut die Frau in ihrem Job sein muss. 33 ist sie, geboren und aufgewachsen im vogtländischen Rodewisch, Abitur in Klingenthal. “In der Schule waren Handarbeit und Zeichnen meine Lieblingsfächer.“ Die Kochlehre lag da zwar nicht auf der Hand, aber allzu weit weg auch nicht. Nach erfolgreichem Abschluss folgten die Wanderjahre: Zürich, London, St. Moritz. Das Interesse für die süßen Seiten ihres Berufes wuchs. “Ich wollte kein Fleisch parieren und keine Fische ausnehmen.“
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Commis Patissier, Demi Chef, Chef de Partie Patissier. 2001 kam sie ins Aqua. Die Gastrokritik schwärmte: „Höchst verführerisch diese Desserts, ob geliertes Holundersüppchen mit Haselnuss/ Schoko-Törtchen und Holunder/MinzeSorbet oder Himbeerküchlein mit passendem Sorbet. Wundervoll!“
Hartls Talent für die süßen Finales und Elverfelds Erfindungsreichtum in seinen Menüs ergänzten sich vortrefflich und brachten Erfolg. Nadja Hartl wurde 2004 von der German Pastry Academy zum Patissier des Jahres gekürt, Elverfeld vom Gault Millau zum Koch des Jahres.
La dolce vita Titel
Ein frischer Wind wehte in Wolfsburg, wo jahrelang — kulinarisch gesehen — bestenfalls braver Durchschnitt herrschte. Die Gourmandise machte sich auf den Weg, das Dreamteam zu erleben und staunte nicht schlecht. Was im Aqua auf die Teller kam, war zeitgenössische Küche der Spitzenklasse, technisch brillant und originell zugleich — vom Horsd’œuvre bis zum letzten Petit four. Dennoch zog es Nadja Hartl noch mal in die Welt. In Shanghai und Singapur, im Londoner Restaurant La Trompette sowie im Sao Gabriel an der portugiesischen Algarve suchte sie neue Ideen. 2008 kehrte sie ins Aqua zurück. Es ist 20 Uhr, Ende der Erinnerungen, die Bonleiste füllt sich. Irgendwann kommt einer: „Naddel, hast Du Schokoladeneis?“ Naddel? Nein, der Name passt nicht zu ihr. Naddel, das klingt eher nach dümmlicher Publicitygier — Motto: Ich mache am liebsten, was ich am wenigsten kann — und das am besten vor großem Publikum. Nadja Hartl tut das Gegenteil. 99 Prozent Perfektion, 1 % Improvisation. Ein gutes Dutzend superlativer Attribute wird wechselnd bemüht, wenn es gilt, ihre Desserts zu beschreiben — von filigran bis kreativ. Witzig gehört nicht zu diesem Arsenal. Aber ist es nicht witzig, wenn da in der Drei-Sterne-Menüfolge „Studentenfutter & Apfel“ steht, das Servierte genauso aussieht wie Studentenfutter und Apfel, sich aber am Gaumen als kulinarischer Gag entpuppt? „Alles wird nachgebaut“, sagt Nadja Hartl. Die Walnuss zum Beispiel. Die Schale: Walnusspüree und Kakaobutter. Das Innere: Walnusscreme und kandierte Nüsschen. Oder die Mandel. Sie ist aus gefrorener Mandelmilch gemacht, mit einer dünnen Geleeschicht. Optisch witzig, geschmacklich überraschend. Solche Desserts haben mit Süßkram so viel zu tun wie ein Lamborghini mit einem Trabi. Nadja Hartl sorgt dafür, dass der letzte Eindruck von der Aqua-Küche ein bleibender ist, bleibend begeistert. Chapeau, Madame Hartl.
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TITEL La dolce vita
Kakaobohne, Passionsfrucht & gr端ner Tee
La dolce vita Titel
Studentenfutter & Apfel
Champagner Cremesorbet
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TITEL La dolce vita
Thomas Gl채ser Restaurant Facil im Hotel The Mandala Berlin
La dolce vita Titel
FACIL-FACES VON ANNA WEBER
Zuerst ist eine namentliche Aufklärung nötig. Der Mann fürs Süße im Facil heißt tatsächlich Thomas Gläser und nicht Joachim, wie es der Gault Millau wissen will. Wir würden ja locker über solchen Lapsus hinwegsehen, aber Kohnkes Tester tun´s ja auch nicht und beschweren sich bitter, wenn es zum Beispiel nicht den angekündigten Rettich, sondern Sellerie als Beilage zu einem Gericht gibt. Thomas Gläser jedenfalls gehört zu den besten deutschen Patissiers — das Hamburger Gourmet-Journal Der Feinschmecker setzt ihn auf Platz 9, vor ihm ausschließlich Kollegen aus Dreiund Zwei-Sterne-Restaurants. Als Gläser vor 17 Jahren seine Kochlehre begann, war an Patisserie noch nicht zu denken. Erst als Renée Conrad, Küchenchef-Vorgänger von Michael Kempf im Facil, fragte, ob jemand Interesse am Süßen hätte, rief Gläser als Erster: „Ich will!“ Der Grund für die Spontan-Entscheidung: Der Mann ist verrückt nach Süßem. „Drei Tafeln Schokolade am Tag, sind für mich kein Problem.“ Außerdem mag der gebürtige Berliner die ruhige Arbeitsathmosphäre in der Patisserie. Der Autodidakt in süßen Sachen absolvierte Praktika bei Hans Haas und Dieter Müller, verschlang ein gutes Dutzend Dessert-Bücher und arbeitete sich vom Mousse-au-chocolat-Macher langsam in jene Gefilde vor, in denen die Zutaten teuer und die Zubereitung schwierig werden. Topfen-Soufflé mit Limonentarte und Ananas etwa — was so einfach klingt, ist nicht nur ein Dessert mit Suchtfaktor, sondern auch ein handwerkliches Kabinettstück. Gläser liebt solche Herausforderungen und weiß den Küchenchef an seiner Seite. „Die Patisserie in einem Sterne-Restaurant muss supersensationell sein“, so Kempf. „Das Dessert ist eben der letzte Eindruck, den der Gast von der Küche behält.“
Küchenchef Michael Kempf, li. und Patissier Thomas Gläser
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TITEL La dolce vita
Knusprige Feige mit Banyuls-Cremeeis
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La dolce vita Titel
TopfensoufflĂŠ mit Limetten-Tarte und Ananas
Mandarine, Tahiti-Vanille und Creme de Cacao
TITEL La dolce vita
Franziska Reichel Restaurant Guy am Gendarmenmarkt Berlin
La dolce vita Titel
GUY-CLOU
VON ANNA WEBER Sicher, im Restaurant Guy am Gendarmenmarkt geht es in der Patisserie weniger aufwändig zu als etwa im Wolfsburger Aqua oder im Facil am Potsdamer Platz. Doch Inhaber Hartmut Guy hat auch kein finanzstarkes Hotel im Rücken und keine Sterne zu verteidigen und leistet sich trotzdem eine Patissière mit allem, was dazu gehört — ein Arbeitsplatz, Produkte, Geräte und Werkzeuge. „Der Gast hat das Recht, für sein Geld das Bestmögliche zu bekommen, und das ist im Dessertbereich nun mal nicht Omas Schokoladenpudding.“ Guy grinst und stellt vor: „Das ist Franzi, die kann´s.“ Franziska Reichel, 28, stammt aus Lutherstadt Wittenberg und kam über die Konditorei zur Patisserie. Während Ihrer Lehre in einem bayerischen Kaffeehaus begann sie ein Ringbuch anzulegen — Rezepte, Rezepte, Rezepte. Abends nimmt sie es mit nach Hause — aus Angst, dass es wegkommen könne. Und man glaubt es ihr, wenn sie sagt: „Dieses Buch ist mein Leben.“ Ihr größtes Problem allerdings sind in Wirklichkeit nicht die Rezepte, sondern die Werkzeuge. Das meiste für ihre Arbeit kauft sie im Baumarkt — dünne Rohre, Vierkanthölzer, Pinsel aller Art. „Eigentlich eine Marktlücke für Existenzgründer.“ Auch im Guy geht es zwischen Küchenchef und Patissier nicht nur kollegial, sondern ausgesprochen freundschaftlich zu. Marcus Zimmer weiß die Arbeit seiner Dessertprinzessin zu schätzen. „Ohne süßen Abschluss mit Aha-Effekt kein gutes Menü“, sagt er, der selbst einen Hang zu allen süßen Sachen hat, die, Gott sei Dank, längst nicht mehr so zuckerstrotzend und schokoladentriefend sind wie etwa vor 20 Jahren. „Auch die Patisserie hat ihre kleine Revolution hinter sich“, meint Franziska Reichel, die süße Maus im Guy.
Küchenchef Marcus Zimmer und Patissière Franziska Reichel
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TITEL La dolce vita
Vanille Creme Br没l茅e mit Maronen, Zwergorangen u
und Sauerrahmeis
La dolce vita Titel
Süßholz-Creme Caramel, Quarkkeulchen, Blutorange
Zwetschgenessenz mit Schokolade und Vanille
GARÇON
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LOKALTERMIN Restaurant Am Fischerkietz
Viele, die sich mit einem gastronomischen Betrieb selbstständig machen, unterschätzen das Risiko. Sie sind Quereinsteiger oder kommen vom warmen Ofen des Angestelltendaseins. Sie haben Kredite aufgenommen, Räume renoviert, Küchen saniert, Personal eingestellt, aber nicht mit den Unwägbarkeiten ihrer Branche gerechnet. Oder sie haben sich mit ihren Konzepten kräftig verschätzt. Das Wahllokal in der Friedrichstraße, das Restaurant Ines in der Grolmannstraße, das Maremoto am Strausberger Platz oder Charlotte 43 in der Charlottenstraße sind Beispiele dafür. Vergangen, vergessen, vorbei. Sebastian Marquardt kennt diese Beispiele. Das ist auch der Grund dafür, weshalb der 38-jährige Berliner mit dem Schritt in die Selbstständigkeit so lange gewartet hat. Den Wunsch nach einem eigenen Restaurant hegte Marquardt schon lange, aber kein Standort überzeugte ihn. Schließlich half der Zufall. Er kam nach Strausberg, sah das Haus am Fischerkietz und entschied — hier oder nie. Ein Ort, nahe genug an Berlin, der noch kulinarisches Niemandsland ist. Dazu eine erstklassige Lage am Straussee und ein fairer Vermieter, seinerseits sicher auch zufrieden, einen guten Mann für sein Restaurant gefunden zu haben. Und Sebastian Marquardt ist ein guter Mann. Kochlehre im ehemaligen Grand Hotel an der Friedrichstraße bei Uli Horn, Sous Chef im Le Val d´Or auf Johann Lafers Stromburg, Küchenchef in der Remise von Schloss Glienicke bei Franz Raneburger. Erfahrungen, die prägen. Marquardt, soviel ist schon am Eröffnungstag sicher, wird hier nicht Fünferlei vom Adlerfisch auf die Teller bringen oder seinen Gästen Babysteinbutt zumuten. Der Mann steht für regionale Wertarbeit — Brandenburg kann´s brauchen.
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GARÇON
Restaurant Am Fischerkietz LOKALTERMIN
ICH WAR SOFORT VERLIEBT GEWESEN Sebastian Marquardt startete in Strausberg von Jรถrg Teuscher
LOKALTERMIN Restaurant Am Fischerkietz
Freundlich: Das Restaurant am Fischerkietz
Glücklich: Der alte Eigentümer und der neue Küchenchef
Hungrig: Die Gäste der Restauranteröffnung
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GARÇON
Der zweite Januarsonntag. Es regnet, die Schneeberge der vergangenen Woche sind schmutziggrau. Die S5 zuckelt in Richtung Osten. Biesdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf. Pastellfarbige Siedlungshäuser im Katalogbaustil. Bierstuben, Sicherheitsfirmen, Sonnenstudios und was man sonst noch so hier draußen braucht. Irgendwo die Berliner Stadtgrenze. Dann endlich Strausberg, Landkreis Märkisch-Oderland, 26.000 Einwohner, fast 300 Jahre Militärgeschichte, bis heute. „Wo, bitte, geht’s zum Fischerkietz?“ Ein netter Herr in Joggingklamotten erklärt: „Mit der Straßenbahn bis Endstation, zu Fuß durch die Große Straße, am Markt links, an der Klosterstraße wieder links, die erste Gasse rechts, der Fischerkietz.“ Knapp, präzise, keine überflüssige Gestik. Danke, Herr Major. Oder Herr Oberstleutnant a.D.? Egal. Typisch Strausberg. Die Altstadt bietet Buntheit. Viele kleine Geschäfte, die Back-, Drogerieund Getränkediscounter sind in verschwindender Minderheit. Die Billigheimer brauchen Fläche, vor der Tür und dahinter. Das gibt es hier nicht, zum Glück für Strausberg. Der Fischerkietz zweigt hinter dem Stadthaus ab, eine Tafel informiert: der Kietz war ursprünglich (in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts) eine Dienstleute-Siedlung zur Burg Struzeberg. Am Ende der Gasse eine ehemalige Fabrikantenvilla und ein früheres Fabrikgebäude, beides nach wechselvoller Geschichte und drohendem Verfall aufwändig saniert. Der auch im Land Brandenburg engagierte Oldenburger Energiedienstleister EWE brachte die dafür nötigen Millionen auf und eröffnete im Juni 2003 das Restaurant und Tagungszentrum am Fischerkietz. Dass der gastronomische Ort kaum über Strausbergs Grenzen hinaus bekannt wurde, mag einerseits am allzu konservativen Kochstil der bisherigen Pächter gelegen haben, andererseits
Restaurant Am Fischerkietz LOKALTERMIN
Gratulationscour: Strausbergs Bürgermeisterin Elke Stadeler...
...Österreichs Attaché Ernst Schleich aus Berlin...
vielleicht auch an einem Restaurantambiente, das von der Stange stammt und arg an Frühstücksräume in Drei-SterneHotels erinnert. Seit Januar führt nun also Sebastian Marquardt Regie im Restaurant am Fischerkietz. Er steht für eine frische Regionalküche, engagiert zubereitet, mit Fingerspitzengefühl gewürzt. Seine Speisenkarte im Berliner Restaurant Goldener Greif im Schloss Glienicke hatte Bodenhaftung mit einem hohen Anteil feinbürgerlich-klassischer Gerichte für den gastronomischen Normalverbraucher. Rehkeule mit Rübchengemüse, Jungschweinrücken mit
...die Künstelerin Margret Weise aus Naumburg...
...Bundeswehr-Akademie-Kommandeur Oberst Axel Hecht
Stielmuspüree, Kalbsfrikadellen mit Kartoffelsalat, Müritzlamm mit Wurzelgemüse oder Saibling mit Schmorgurken — das kam in Wannsee an und dürfte auch am Straussee problemlos punkten. Nun wird Marquardt hoffentlich schnell noch die lachsfarbenen Wolkenstores abhängen und die altrosa Tischdecken in der Versenkung verschwinden lassen. Neue Bilder gibt es immerhin schon, und über den Rest, die überdimensionierte Bar beispielsweise, kann Sebastian Marquardt sicher auch noch mit dem Eigentümer reden. Auf jeden Fall ist der Blick von Balkon und Terrasse auf den Straussee
direkt vor der Haustür selbst im kalten 2011er Januar von großem Reiz. Was der Küchenchef kulinarisch drauf hat, zeigt er bei einem Eröffnungsbrunch für geladene Gäste. Klappern gehört eben auch zum gastronomischen Handwerk. EWE-Chef Dr. Ulrich Müller spricht vom Aufbruch zu neuen kulinarischen Ufern, die Strausberger Honoratioren applaudieren, probieren und goutieren Marquardts Sonntagsbuffet. „Das kann so weiter gehen“, sagt einer. Ein anderer schreibt ins Gästebuch: „In Strausberg ist die Zeit reif für gute Küchenideen.“ Ein guter Start für Sebastian Marquardt.
GARÇON
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LOKALTERMIN Restaurant Am Fischerkietz
Kürbissuppe mit Zimtcroûtons
Marinierter Ziegenfrischkäse mit Honigkernen, Rucola und Portweinfeige
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche — Anfang März riecht es sogar schon ein ganz klein wenig nach Frühling in Strausberg. Sebastian Marquardt empfängt mit breitem Grinsen. „Alles super“, so sein knapper Kommentar. Soll heißen: die Strausberger mögen seine Art und seine Küche, das Reservierungsbuch ist gut gefüllt, selbst Stammgäste aus Berlin haben bereits den Weg in den Fischerkietz gefunden. Das liegt sicher nicht zuletzt an Marquardts Verlässlichkeit, wenn es ums Kochen geht. Da ist Klarheit angesagt. Seesaibling aus der Orangen-Gin-Beize mit Kartoffel-Apfel-Strudel ist da schon dicht an der Grenze zum Exotischen. Nein, Marquardt bleibt auch hier demonstrativ bodenständig. „Was ist gegen eine gute Regionalküche mit Produkten aus dem Umland einzuwenden?“, fragt er. Natürlich nichts. Mit Hummer hochkant kann hier draußen sowieso keiner was anfangen, mit bürgerlich im besten Sinne schon. Und dafür steht Sebastian Marquardt, auch im Fischerkietz am Straussee. So serviert er beispielsweise Kaninchen mit Petersilienwurzelsalat und Himbeervinaigrette, eine wunderbare Kürbissuppe mit Zimtcroûtons und ein Rehragut mit Butterspätzle, dass man kaum besser machen kann. Drei Gänge und vier mal Aha — einmal wegen des Preises. 26 Euro kostet dieses Menü. Kein Wunder, dass sich solches Preis-Leistungs-Verhältnis schnell herumgesprochen hat. Übrigens: Einmal im Monat präsentieren das Restaurant Am Fischerkietz und sein Vermieter, der Energieriese EWE, Kultur und Kulinarik, und auch diese Veranstaltungen sind meist bis auf den letzten Platz ausgebucht.
Restaurant am Fischerkietz Fischerkietz 6 15344 Strausberg Tel. 03341 - 49 79 00
Kalbsrücken mit Rahmwirsing und Zwiebelkuchen
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www.restaurant-fischerkietz.de
mrhai Shabuki LOKALTERMIN
bei Mr. Hai Zu Gast im Restaurant Shabuki von SHOKO KONO
In seinem Reisepass steht der vollständige Name: Tran Van Hai. Seine Freunde nennen ihn nur Mr. Hai. Den Namen hat sich der 45-Jährige vor zehn Jahren selbst verpasst, wahrscheinlich, weil es knackiger klingt und sich leichter merken lässt. Dass „Mr. Hai“ mal zum Synonym für eine unternehmerische Erfolgsgeschichte und zur gastronomischen Marke werden würde, das hätte der Mann aus Vietnam damals wohl nicht mal zu träumen gewagt. 1988 kam Tran Van Hai aus Saigon nach Ost-Berlin — als Vertragsarbeiter, wie das in der DDR hieß. In Oberschöneweide goss er Betonfertigteile für Plattenbauten, ein mäßig bezahlter Knochenjob. Als die Mauer fiel, verdingte sich Hai als Spüler, stieg zur Kü-
chenhilfe auf und landete schließlich im Sashiko Sushi am Savignyplatz. Hier erlernte er die Herstellung der mundgerechten Häppchen aus Fisch, Reis und anderen Zutaten, vervollkommnete seine Fähigkeiten im Restaurant Vox des Grand-Hyatt-Hotels und eröffnete schließlich im Mai 2000 eine eigene Sushi-Bar. Im Kabuki am Olivaer Platz servierte Hai nicht nur Spezialitäten, die es auch in den anderen 250 Berliner Roll-Läden gab, sondern kreierte Eigenes. „Mr. Hai´s Roll“ machte Furore, die Gastrokritik jubelte und schrieb schon mal euphorisch von „einer kulinarischen Neuerung ersten Ranges“. Der Erfolg machte Tran Van Hai mutig. Zur Kabuki-Bar am Savignyplatz kam Mitte 2004 das mrhai & friends, ein
vietnamesisches Restaurant fernab des häufigen Berliner Asia-Küchen-Einerleis aus vorgefertigten Frühlingsrollen und Garnelenspießen. Und ganz ohne Glutamat. Restaurant Nummer Drei folgte: das mrhai Life am Steglitzer Hermann-Ehlers-Platz, eine Mischung aus Sushi-Bar und Vietnam-Restaurant. Sein viertes Restaurant, das mrhai Shabuki, eröffnete der umtriebige Unternehmer im Juni 2010 und avancierte damit endgültig zu den erfolgreichsten Berliner Gastronomen, auf Augenhöhe etwa mit Josef Laggner und Herbert Beltle. Garcon-Autorin Shoko Kono, Japanerin aus Kyoto, Köchin von Beruf und Kochlehrerin aus Passion, besuchte das Restaurant am Olivaer Platz.
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Was bieten Asiaten an, wenn Freunde oder Verwandte zu Besuch kommen? Die einfachste Lösung lautet — sie kochen am Tisch. Für ein solches Ritual gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wir Japaner bevorzugen Shabu Shabu oder Yakiniku. Bei Shabu Shabu handelt es sich um ein Fondue aus Brühe, Fleisch und Gemüse. Bei Yakiniku wird Fleisch am Tisch gegrillt. Beide Formen geselligen Essens werden natürlich auch in der Gastronomie zelebriert, in Berlin sind sie allerdings fast unbekannt. Früher gab es mal ein Shabu ShabuRestaurant in der Nähe des Berliner
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Gendarmenmarktes, aber das Geschäft lief nicht, und nach einer Weile wurde es geschlossen. Nun versucht es Mr. Hai, der erfolgreichste vietnamesische Gastronom in Berlin, noch einmal mit Shabu Shabu in der deutschen Hauptstadt. Für uns Japaner, die hier leben, ist das eine große Freude, denn Shabu Shabu gehört zu unserer kulinarischen Kultur wie Fisch, Reis und Sake. Shabuki, so der Name des Restaurants am Olivaer Platz, hat eine Glaswand zur Straßenseite, und man kann von außen sehen, was sich innen abspielt. Wie beim Kaitensushi — SushiTeller vom Fließband — gibt es eine
lange Theke, vor der sich ein Fließband bewegt. Darauf stellen die Köche kleine Teller mit Zutaten: Rindfleisch, Garnelen, Gemüse, Tofu. Die Gäste nehmen die Teller ihrer Wahl einfach vom Fließband herunter. Dazu gibt es eine Auswahl von vier verschiedenen Brühen: eine Rindsbrühe mit Kombu-Seetang, eine Fischbrühe mit Dill, eine klare Hühnerbrühe und eine pikante Brühe mit Zitronengras und Galgant. Wenn man eine Brühe gewählt hat, kommt sie in einen kleinen Topf, der an jedem Platz eingelassen ist. Die Plätze verfügen außerdem über eine moderne Induktionskochplatte mit Temperatur-
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GARÇON FRAGEBOGEN Tran Van Hai Ihr Lieblingsgericht? Phở bò und Phở gà, vietnamesische Suppen Ihr Lieblingsgetränk? Mojito, alkoholfrei Ihr Lieblingsgewürz? Zitronengras Ihr Lieblingsfisch? Thunfisch Ihr Küchenmotto? „Am Besten gesund und kreativ” Wen hätten Sie gern mal als Gast? Klaus Wowereit regler für diesen Topf. Also anschalten, die Brühe erhitzen, fertig. Der Shabu Shabu-Spaß kann beginnen. Die Zutaten werden kurz in der Brühe gegart und mit einem Dip gegessen. Zur Zeit serviert das Shabuki-Team einen süßlichen Chili-Fisch-Dip mit frischem Knoblauch und Limetten, einen PonzuDip mit Sojasauce und Limettensaft und Goma Tare, einen würzigen Dip aus Sojasauce, verfeinert mit Ingwer und Knoblauch. Im Shabuki wird man also nicht bekocht, sondern muss selbst kochen, sich selbst entscheiden, was man isst. Fisch, Fleisch, Garnelen oder andere Krustentiere, Gemüse wie Chrysanthemen-Spi-
nat, vietnamesischer Rhabarber, Enoki-Pilze oder Nudeln — Udon-Nudeln, Reisnudeln, Süßkartoffel-Nudeln. Die Produkte sind frisch, die Einrichtung hat Stil, das Experiment scheint gelungen. Ich jedenfalls werde Mr. Hai´s Shabuki Leuten empfehlen, die etwas Neues entdecken wollen.
MRHAI Shabuki Olivaer Platz 9 10707 Berlin-Wilmersdorf Tel. 030 - 88 62 81 37 www.mrhai.de
Welches Gericht mögen Sie gar nicht? Sauerkraut In welchem Restaurant essen Sie am liebsten? Melia Tapas in der Friedrichstraße Wie viele Kochbücher besitzen Sie? über 200
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COLEDAMPF’S & COMPANIES Der kulinarische Ort am Moritzplatz Von Anna Weber
Am Morgen bringen proppevolle U-Bahnen Menschenmassen vom Hermann- zum Alexanderplatz und weiter in den Wedding und nach Wittenau. Gedränge auf jedem Bahnhof. Einzig am Moritzplatz, mitten in Kreuzberg, herrscht tote Hose. Nur selten steigen Leute aus, was sollen sie auch hier. Dem Platz, dessen Geschichte vor 170 Jahren begann, der einst Zentrum eines florierenden Viertels war und nach Krieg und Mauerbau trostlos in deren Schatten lag, fehlt alles, was ein Stadtquartier lebendig macht: Geschäfte, Menschen, Urbanität. Das wird sich nun ändern, die Anzeichen dafür sind augenscheinlich: Kräne,
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Mischer, Baulärm. Immer öfter bremsen Autofahrer am Moritzplatz ab, Fahrradfahrer bleiben schon mal stehen. Der Umbau des einstigen Bechsteinhauses ist auf der Zielgeraden. Anfang Mai wird das Aufbau-Haus eröffnet, benannt nach dem Berliner AufbauVerlag, der hier erster Mieter sein wird. Hinzu kommen Designer, Fotografen, Galeristen, Keramiker und andere Kreative. Die Modulor GmbH, ein hoch spezialisierter Materialhändler für Architekten, Bühnen- und Szenenbilder, Projektanten und Modellbauer wird ihren alten Standort in der Gneisenaustraße aufgeben und an den Moritzplatz ziehen.
Im Keller des Aufbau-Hauses eröffnet TAK — das Theater Aufbau Kreuzberg seine Pforten, und im Erdgeschoss gründet Coledampf’s, Berlins bekanntester Küchengerätehändler, einen kulinarischen Ort. Coledampf’s & Companies, so der Name der Unternehmung, wird ab Mai auf über 500 Quadratmetern Küchenwerkzeuge anbieten, Eisenpfannen von de Buyer, Gläser von Stölzle, KPM-Porzellan, Güde-Messer, Revol-Geschirr... Es wird ein Frühstückscafé und ein Tagesbistro geben, Feinkost und Weine, Kochbücher und Foodzeitschriften und — so die Vorstellungen der Betreiber — viel kulinarische Kommunikation.
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Um das zu bewerkstelligen, haben sich gestandene „Companies“ zusammengetan und eine neue Gesellschaft gegründet, die den kulinarischen Ort „bespielen“ wird, wie das dessen Geschäftsführer Andreas Langholz und Wolfgang Schuhmacher nennen: Coledampf’s CulturCentrum, Berlins bestsortierter Küchenwerkzeughandel — Kochlust, die erste kulinarische Buchhandlung der Stadt — Der Bäckermann aus Friedenau und die Essbare Landschaften GmbH, die den Ort am Moritzplatz nutzen wird, um neue Produkte exklusiv zu testen. In eigener Sache und nur am Rande erwähnt: auch die Redaktion des Gar-
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con wird unter diesem Dach ein neues Domizil finden. Langholz und Schuhmacher sind derzeit dabei Verträge abzuschließen und ihr Team zu formen. Susanne Stuhlert, etliche Jahre Sous Chefin bei Stefan Hartmann im Kreuzberger Sternerestaurant Hartmanns, wird als Küchenchefin tätig sein und eine regionale Bistroküche servieren, ganz ohne Chichi und Tamtam. „Die Gäste sollen die Landschaft vor der Haustür schmecken“, so die 32-jährige Eberswalderin, die in Berlin auch schon an der Seite von Matthias Buchholz, Uli Horn und Andreas Staack am Herd stand. Kreative Gerichte mit frischen Produkten, die sich nach den Jahreszeiten richten, werden also auf ihrer täglich wechselnden Bistro-Karte stehen. “Beispiele, Frau Stuhlert?“ „Bitte: Spargel-Creme-Brûlée; Frühlingssalat mit pochiertem Ei und Kartoffeldressing; Gebratener Hering mit KartoffelGurken-Stampf und Radieschen-Vinaigrette; Kaninchenragout mit Tomaten,
Kräutern und Polenta-Gnocchi; Kalbsbuletten mit Möhren, Zucchini und Schalotten; Maultaschen mit Giersch und Löwenzahn; Sauerkirsch-Kaltschale mit Zitronen-Quark-Mousse.“ „Danke, ist das alles?“ „Nein, noch nicht. Die Basis unseres Angebots bilden kleine Flammkuchen, etwa so groß wie ein DIN-A4-Blatt, vielleicht sogar eher kleiner und nicht nur klassisch, mit Sauerrahm, Speck und Zwiebeln also.“ Langholz und Schuhmacher besuchten im elsässischen Kaysersberg das dort angesagte Restaurant Flamme & Co., probierten Varianten der „tarte flambée“, etwa mit Saibling, Spargel und Zitronenmelisse oder mit Schokolade, Apfel und Calvados und beschlossen, es mit ähnlichen Kreationen auch in Berlin zu versuchen. „Der Gast kann testen und entscheiden, was er mag. Wir richten uns danach“, so die Geschäftsführer. Auch für ihre Frühstücksofferte hat sich das Team Anregungen aus dem Ausland geholt — etwa bei Ida Davidsen, der Kopenhagener Smørrebrød-Königin.
Im Aufbau-Haus: hier entsteht der kulinarische Ort
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Lee Ann Dördrechter, Frühstücksdirektorin am Moritzplatz, weiß natürlich Genaueres: „Wir werden unseren frühen Kunden das Angebot machen, sich etwa mit Hähnchenbrust, Pfirsich und Raukenpesto oder mit Lachstatar und Brunnenkresse, alles auf Roggenbrot angerichtet, für den Tag zu stärken. Natürlich bieten wir Müsli, Joghurts, Smoothies, Obst, Salate und Kuchen an.“ Neben dem Café richtet der Friedenauer Bäckermann Herbert Heinig eine kleine Handwerksbäckerei ein. „Hier werden wir täglich frisches Brot backen — zum Verkauf und für’s Frühstück“, so der Meister. Einer der wichtigsten Bestandteile des Konzepts sind die abendlichen Veranstaltungen. So wird es eine Kochschule geben, Kochbuchautoren werden ihre Bücher vorstellen. Besonders freut sich die Mannschaft von Coledampf´s & Companies natürlich darüber, dass internationale Spitzenköche wie Marc Haeberlin zugesagt haben, den kulinarischen Ort am Moritzplatz als Gastkoch zu besuchen.
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BÖREK, FATTUSH UND TABBOULEH Ein Besuch in der Kreuzberger Weltküche von Marc Steyer
Weltküche Kreuzberg LOKALTERMIN
Ein Schauspieler beehrt ein Restaurant, ein Modemacher eröffnet eine Bar. Ein Topmodel gibt Catwalk-Storys zum Besten, ein Dschungelcamper berichtet vom Überlebenskampf — Neuigkeiten aus dem gehobenen Sozialleben Berlins, die natürlich eine Schlagzeile wert sind. Die Leser wollen schließlich wissen, was ihre Promis den lieben langen Tag so tun — bei Adnan, im Borchardt oder am Grill Royal. Da bleibt für ein kleines Kreuzberger Restaurant leider kein Platz, obwohl es durchaus einiges zu bieten hat, zuletzt sogar eine Auszeichnung. Mitte Januar erhielt das Projekt Graefewirtschaft e.V. und mit ihm das Lokal Weltküche den Preis „Soziale Stadt 2010“ — vergeben vom Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt, dem Deutschen Städtetag, dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der Schader-Stiftung sowie dem Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung.
Die Jury wählte unter 179 Vorschlägen zehn für die Ehrung aus, darunter auch das Kreuzberger Projekt. Verständlich, dass in der Weltküche kräftig gefeiert wurde. Garcon-Autor Marc Steyer besuchte das Restaurant im Kiez zwischen Hasenheide und Kottbusser Damm, probierte Orientalisches, erfuhr Besonderes und erlebte Beeindruckendes.
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Ein Freitagnachmittag im Graefekiez. Buntes Kreuzberg. Die Geschäfte verströmen nicht die Noblesse der Shops am Hackeschen Markt, dafür geht es hier familiärer und freundlicher zu. „Kreuzberg not for yuppies“ — Hoffnung, an ein Haus gesprayt. Im kadó, Berlins erstem Lakritzgeschäft, drängen sich die Kunden. Gegenüber preist Uhrmachermeister Göring seine 50-jährige Erfahrung. Ein Fotograf lichtet die Bücherskulptur vor Umbras Kuriositätenkabinett ab, die gar nicht so kurios ist. Ein Aufsteller vor dem Haus Nummer 18 wirbt für preiswertes Essen im Restaurant Weltküche, offenbar mit Erfolg. Der Laden ist gut besucht. Studenten, Senioren, Geschäftsleute nutzen das Angebot. Die Einrichtung ist ebenso kreuzbergisch wie der Dialog mit dem jungen Servicemann: “Was darf´s sein?“ — „Ich bin mit Frau Jankowski verabredet.“ — „Wie heißt die denn mit Vornamen?“ — „Annette.“ — „Hallo Annette, hier ist einer für Dich.“ Annette Jankowski also, Vorstand des Vereins Graefewirtschaft e.V. Sie sieht gut aus, spricht mehrere Sprachen, ist genauso charmant wie konsequent und hat eine erstklassige Ausbildung. Abschlüsse in Betriebswirtschaftslehre, Kommunikationswissenschaften und Psychologie. Bei der Deutschen Bahn machte Sie Karriere,
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schaffte es bis in die Chefetage und hätte wohl alle Chancen für einen weiteren beruflichen Aufstieg gehabt. Die 47-Jährige verzichtete jedoch auf sechsstellige Jahresgehälter und luxuriöse Büros, verabschiedete sich aus dem Top-Management und engagierte sich vor zwei Jahren für die Graefewirtschaft und das von diesem Verein betriebene Restaurant Weltküche. Nach dem Grund für ihre Entscheidung gefragt, sagt sie: „Ich habe im Managerjob zunehmend den Sinn vermisst.“ Die Erkenntnis ist bemerkenswert und die Konsequenz daraus noch bemerkenswerter. Am bemerkenswertesten jedoch ist die Tatsache, dass Annette Jankowski dem Projekt auch privates Kapital in beträchtlicher Höhe zur Verfügung stellte. „Graefenwirtschaft e.V.“, erklärt sie, „ist ein soziales Unternehmen, das von Migrantinnen aus neun Ländern gegründet wurde, um nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen.“ Die Frauen betreiben eine Nähwerkstatt, die sich auf die Herstellung von Taschen spezialisiert hat, das Restaurant Weltküche und eine Cateringfirma. „Weil ich auch einen Migrationshintergrund habe, liegt mir das Projekt besonders am Herzen“, sagt Annette Jankowski. Sie wuchs in Mainz auf, Vater Grieche, Mutter Französin.
Vereinsvorstand: Annette Jankowski
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In der Küche des Weltrestaurants arbeiten an diesem Tag drei Frauen. Die Küchenleiterin Maria Mendoza de Krug stammt aus Ekuador, Jamila Al Sadi aus Syrien, normalerweise ist sie Chefin der Nähwerkstatt und Fatma Kilci aus der Türkei. Sie gehören zu denen, die den Weg in das Projekt fanden, weil sie nicht mehr von einer Beschäftigungsmaßnahme zur nächsten und von einem Integrationskurs in den anderen wechseln wollten — ohne Perspektive am Arbeitsmarkt. Sie haben mit Hilfe der Top-Management-Aussteigerin Annette Jankowski und von Beratern der Berliner Entwicklungsagentur für Soziale Unternehmen und Stadtteilökonomie ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen und sind stolz darauf. Ebenso stolz wie der junge Koch Jakob Lingscheid, der sein Handwerk bei Nola´s am Weinberg gelernt hat. „Sicher hätte ich nach der Ausbildung auch eine andere Stelle gefunden, aber hier kann ich in einem sympathischen Umfeld noch Dinge lernen, die ich woanders nicht gelernt hätte“, sagt der 21-Jährige. Inzwischen gab er seine Vollzeitstelle auf und arbeitet als Minijobber. Lingscheid will Abitur machen und studieren, „entweder was mit Film und Fernsehen oder was mit Wirtschaft und Sozialem.“ Gemeinsam bereiten sie ein Buffet mit traditionellen Gerichten vor, die aus den Heimatländern der Frauen stammen: Bulgursalat, Kichererbsenpüree, Pasteten, Teigröllchen, Fladenbrot... Es geht zu wie in jeder anderen Profiküche auch, lediglich manches Küchenzubehör würde dort automatisch in den Müll wandern — Billig-Kochmesser aus einem schwedischen Möbelhaus beispielsweise. Maria, die Küchenleiterin, lächelt entschuldigend und erklärt: „Weil unsere Preise so niedrig sind, müssen wir sparen. Und wenn sie im Herbst das Projekt selbstständig führen werden, erst
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Maria Mendoza de Krug aus Ecuador
Jamila Al Sadi aus Syrien
Fatma Kilci aus der Türkei
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Tabbouleh vom Feinsten: Jamlia Al Sadi und Jakob Lingscheid
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recht. Maria und die anderen Frauen hoffen natürlich auch auf Spenden. „Vielleicht braucht ein Restaurantbetreiber Geschirr oder ein Gerät nicht mehr, bei uns würde es helfen, dass wir unsere Arbeit noch besser machen können.“ Der Cateringservice des Vereins steht übrigens schon ziemlich gut da. Die Referenzen können sich sehen lassen: das Diakonische Werk der EKD, die Aids-Stiftung oder die Werkstatt der Kulturen haben das Angebot im vorigen Jahr gebucht und waren begeistert vom unverfälschten
Geschmack der Küchen so vieler Länder. Übrigens: es scheint wohl zu Kreuzberg zu gehören wie Moritzplatz und Mehringdamm, dass viele Menschen im Kiez das Projekt unterstützen — auch mit zinslosen Darlehen.
Die Weltküche Graefestraße 18 10967 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 - 61 67 14 04 www.die-weltkueche.de
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Die Wasserstadt Spandau ist ein idyllisches Quartier am Spandauer See. Wer hier lebt, lebt gut. Und wer hier ein Restaurant eröffnet, kann eigentlich nichts falsch machen. Das dachte sich auch Raymon Frost, als er sich entschloss, das ehemalige Tex-Mex-Lokal direkt am Wasser zu übernehmen. Schöne Räume, nette Nachbarn, eine riesige Terrasse — Gastronom, was willst du mehr. Am 4. Februar startete Frost mit einer großen Party. Glückwünsche, Blumen, Geschenke — sein Traum vom eigenen Restaurant wurde wahr.
Lecker Raymons Restaurant am Wasser von Heiko Gralki
Raymons Restaurant LOKALTERMIN
ecker Spandau
LOKALTERMIN Raymons Restaurant
„In Spandau gastronomisch nichts los? Denkste!“, sagt Raymon Frost. „Man erfährt im Rest von Berlin nur nicht viel davon.“ Der 45-jährige weiß, wovon er spricht. Frost hat den KüchenmeisterAbschluss, stand im Adlon, im A-Rosa Bad Saarow und in anderen noblen Herbergen am Herd, betreibt eine Beratungsfirma und ist auch sonst mit allen gastronomischen Wassern gewaschen. Dementsprechend hat er sein kulinarisches Konzept gemacht. Es gibt eine Tapas-Karte mit 19 Positionen, leichte Suppen und Salate, Berliner Spezialitäten, jeden Samstag Erbseneintopf mit Wiener Würstchen für 2,50 Euro und
jeden Sonntag ein opulentes Brunchbuffet für 14,90 Euro pro Person, wobei Kinder bis 10 gratis essen dürfen. Mit Küchenchef Carsten Krull und Restaurantleiterin Shirley Wagner hat der Gastronom zudem zwei Profis am Start, die ihm den Rücken freihalten, wenn es mal dicke kommt. Das wird es auf jeden Fall, spätestens dann, wenn sich die Sonne zum ersten Mal dauerhaft zeigt. Frosts Terrasse ist nicht nur besonders groß, sondern bietet auch einen besonderen Blick. Und das könnte dann nicht nur die Spandauer, sondern auch den Rest von Berlin heftig interessieren.
Küchenchef Carsten Krull
Tapas-Variation
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Für Spandau: Geschäftsführer Raymon Frost und Restaurantleiterin Shirley Wagner
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KOPFSALAT Massimo Mannozzi
DER PADRONE Massimo Mannozzi zum 70. Geburtstag VON JĂ–RG TEUSCHER
Massimo Mannozzi KOPFSALAT
Die Marburger Straße im Charlottenburger Osten ist nicht unbedingt das, was Reiseführer als hauptstädtische Nobelmeilen anpreisen. Eher ein Stück altes Westberlin hinterm Steigenberger. Mittendrin das Bacco. Massimo Mannozzi begrüßt persönlich: „Buongiorno, come va?“ „Danke“, antworten die Stammgäste brav, „und Dir, dottore?“ Mannozzi lächelt, er weiß um seine Ausstrahlung. Der 70jährige ist ein soignierter Herr, kurzes graues Haar, ebensolcher Bart, gepflegte Hände, die ständig etwas zu tun suchen. Der Anzug, sicher nicht von der Stange und wenn, dann von einer teuren. Am Revers eine winzige Ordensspange, die ihn als „Cavaliere della Repubblica“ ausweist. Neben der höchsten Auszeichnung seiner Heimat erhielt Mannozzi auch die höchste Auszeichnung seiner Wahlheimat. 2002 wurde ihm, dem Italiener in Deutschland, das Bundesverdienstkreuz verliehen. Auch diese Ehrung bekommt man nicht allein für gastronomisches, sondern zuallererst für gesellschaftliches Engagement. Mannozzi macht seit Jahren mit deutsch-italienischen Projekten von sich reden. Das bekannteste ist wohl der „Premio Bacco“, der Preis der italienischen Filmjournalisten, der seit 1992 während der Berlinale verliehen wird — in diesem Jahr also bereits zum 19. Mal. Wenn der Countdown für die große Auszeichnungs-Gala Notte delle Stelle läuft, wird das Bacco zum Organisationsbüro — Telefonzentrale, Poststelle, Anlaufpunkt für Journalisten aus der halben Welt. Barbara Dahms betreibt normalerweise eine kleine Veranstaltungsagentur, hier ist sie die gute Seele und der ruhende Pol des Geschäfts. Je näher der Termin rückt, desto hektischer wird Mannozzi. Sein Verbrauch an Toscani, das sind starke Toskana-Zigarren aus Lucca, steigt reziprok zur Zeit, die noch bleibt, bis im Ballsaal
des Maritim-Hotels in der Stauffenbergstraße die Party beginnt. In einer der wenigen ruhigen Minuten, das Handy klingelt mal nicht im Sekundentakt, zeigt Massimo Mannozzi Fotos, Bilder von Preisträgern der vergangenen Jahre: Lucia Alberti, Claudia Cardinale, Giancarlo Giannini, Marcelo
Lippi, Sophia Loren, Ornella Muti, Mario Adorf, Iris Berben, Moritz Bleibtreu, Bruno Ganz, Heiner Lauterbach, Jan Josef Liefers, Armin Müller-Stahl, Franka Potente, Katja Riemann, Til Schweiger, Wolfgang Stumph. Der Eindruck liegt nahe, dass Mannozzi die Liste der bisherigen Preisträ-
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KOPFSALAT Massimo Mannozzi
ger im Kopf hat und immer besorgt ist, dass er einen vergessen könnte, wenn er danach gefragt wird. Veronica Ferres, Christian De Sica, Heino Ferch und Florian David Fitz bekamen den Premio Bacco in diesem Jahr. Für 2012, wenn er zum 20. Mal verliehen wird, hofft Mannozzi, den Preis der einzigen großen italienischen Schauspielerin überreichen zu können, die ihn noch nicht hat — Gina Lollobrigida. Die 83-jährige Diva lebt in der Nähe seiner Heimatstadt und ist eine gute Freundin. „La Lollo für ihr Lebenswerk zu ehren, wäre für mich eine Herzensangelegenheit“, sagt der Padrone. Der Stolz auf die Notte delle Stelle ist ihm ins Gesicht geschrieben. Mehr kann man in einem Gastronomenleben nicht erreichen. Auf die Frage, wo er seinen Ruhesitz wählen wird, folgt langes Nachdenken. Dann der Satz: „Gastronomen sind wie Schauspieler. Wir brauchen den Applaus.“ Soll heißen: Ruhe gehört nicht zu seinem Repertoire.
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Notte delle Stelle 2011: Wie eine Nacht in Venedig
Massimo Mannozzi KOPFSALAT
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KOPFSALAT Massimo Mannozzi
Geboren wurde Massimo Mannozzi in Lido di Camaiore, aufgewachsen ist er gleich nebenan in Viaréggio, einer Hafenstadt in der Toskana, westlich von Florenz. Mit 16 wurde er Schiffsjunge auf großer Fahrt. Dann die Zufälle des Lebens — oder die Bestimmtheiten: ein Schiffskoch wurde krank, Mannozzi in die Kombüse befohlen. Er fand Spaß an dem Job, musterte nach 18 Monaten ab und beschloss, den Beruf richtig zu lernen — an einer Hotelfachschule in der Schweiz. Dort studierte auch eine junge Berlinerin: Massimo und Monika, das war Liebe auf den ersten Blick. 1960 Übersiedlung nach Berlin, von 1962 bis 1964 noch mal Italien, um den Wehrdienst abzuleisten, dann wieder Berlin — per sempre, für immer. Im April 1968 kamen die Kisten — Tische, Stühle, Flechtwerk, Schmiedeeisen, Tonwaren aus der Fabrik seines Vaters in Viaréggio. Freunde halfen, aus dem ehemaligen Elektrogeschäft in der Marburger Straße ein Restaurant zu machen, so schön toskanisch wie es nur möglich war. Heiß ist das 68er-Frühjahr in Westberlin: Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg, das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April, der Sturm auf das Springer-Haus, Protestmärsche, Vorlesungsstreiks... „Die Revolution lag in der Luft“, sagt Mannozzi, „und zwischendrin ich, ein kleiner Italiener.“ Am 4. Mai 1968 eröffnete er das Bacco mit einer Feier unter Freunden. Mannozzi setzte auf südländische Herzlichkeit und die Neugier der Berliner, die damals mit guter Gastronomie nicht gerade verwöhnt waren. Die Cucina seiner Heimat kam an, die Tatsache, dass im Bacco kostbare Weine glasweise ausgeschenkt wurden, tat ihr Übriges. Mannozzis wichtigstes Marketinginstrument war die Mundpropaganda. Anfang Dezember 1968 entdeckte der „Telegraf“ das italienische Restaurant und dessen Padrone Massimo Mannozzi: „Ein Abstecher zu ihm steht einer lukullischen Italien-Reise in nichts nach.“
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Gisberto und Alfonsina Mannozzi mit Sohn Massimo in Viaréggio (1946)
Schüler in Viaréggio, Lieblingsfach Mathematik (1948)
Student in St. Gallen (1959)
Massimo Mannozzi KOPFSALAT
Marinesoldat in Genua (1963)
Ankunft in Berlin, mit Frau Monika (1960)
Hochzeit in Berlin (1965)
KOPFSALAT Massimo Mannozzi
Nun kamen sie alle in das Ristorante mit dem rustikalen Pickelputz, den dunklen Decken und Paneelen, der authentischen Toskana-Küche und dem liebenswürdigen Service. Das Bacco avancierte zum Promilokal — zu einer Zeit, in der das Borchardt noch ein Farbenlager in der Hauptstadt der DDR war. 18 Bände Bacco-Gästebuch: Harry Belafonte, Willy Brandt, Claudia Cardinale, Steffi Graf, Günter Grass, Vladimir Horowitz, Henry Kissinger, Helmut Kohl, Gina Lollobrigida, Sophia Loren, Walter Scheel, Romy Schneider und Michael Schumacher. Opernstars und Schlagersternchen, Spitzenpolitiker und
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Hinterbänkler, Menschen, die am Rad der Geschichte gedreht haben und solche, die gern gedreht hätten. Und der Wissenschaftler Giko Takahashi, der nach langem Berlin-Aufenthalt eine Karte aus Tokio schickte: „Das Essen bei Ihnen war mir ein Trost in Deutschland.“ Massimo servierte Spaghetti all’ Arrabbiata, Ravioli mit Ricotta, Lammrücken mit Kräuterkruste, Kalbsnieren in Sahnesauce. Er flambierte Rinderfilets am Tisch und öffnete an guten Tagen ganze Flaschenbatterien Wein aus der Toskana. Die Fraktion jubelte und die Kritiker schrieben: „In südländischer Atmosphä-
re werden im Schein flackernder Kerzen toskanische Spezialitäten offeriert. Mit Nudelgerichten, Fischen, Scampi und Kaninchen liegt man hier nie falsch.“ Westberlin in den 1970er Jahren — goldene Zeiten für Gastronomen auf der Insel im roten Meer. Nach der Wende wurden die Zeiten rauher, die neuen Italiener chicer, ihre Küchen kreativer. Massimo Mannozzi blieb, was er immer war, ein Klassiker. Und so wird im Bacco nur die Patina der rauchgeschwärzten Wände dunkler. Die Stammgäste sind froh darüber, und Mannozzi fertigt heute alle, die ihm eine Rundum-Renovierung vorschlagen, mit dem
Massimo Mannozzi KOPFSALAT
Legendär: Bacco-Gästebücher
Alte Schule: Restaurantleiter Josef Weseßlintner flambiert...
Hinweis auf den Wert des Traditionellen ab. “Tutto a posto?“ Seinem Sohn Alessandro allerdings, geboren 1970 und Gastronom mit exzellenter Ausbildung, richtete er 2001 in der Friedrichstraße das Bocca di Bacco ein, großständisch und modern. Der nun wahrlich nicht grundloser Lobhudelei verdächtige Gault Millau zeigte sich entzückt: „… ein italienisches Restaurant, das erste in Berlin, das eine Art Metropolenathmosphäre verströmt.“ Tochter Jessica, geboren 1966 und im Hotelfach ausgebildet, managt das Hotel Bacco, eine kleine, feine Herberge in Mannozzis Heimatort Lido
...und tranchiert, wie es nur noch Wenige können
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KOPFSALAT Massimo Mannozzi
di Camaiore am Ligurischen Meer. 25 Zimmer, fünf Suiten, ein Restaurant, die schöne Dachterrasse, bald auch ein Pool im Garten und Italiens größte Grappa-Sammlung — Grappe des vor drei Jahren verstorbenen Brenners Romano Levi aus dem piemontesischen Dorf Neive, jede Flasche wegen ihres Etiketts ein Unikat. Außerdem gibt es ein Bacco-jointventure-Restaurant im russischen Samara, einer Millionenstadt an der Wolga, rund 900 Kilometer östlich von Moskau, zwei weitere auf Zypern, und ein viertes auf der griechischen Insel Kos. Am liebsten ist Mannozzi jedoch das Berliner Original. Zuweilen bekommt das Bacco in Charlottenburg den Charakter einer Außenstelle der Botschaft Italiens, Abteilung Lebensfreude. Dann etwa, wenn die Vertreter des Karnevals von Viaréggio für ihr Traditionsfest in Berlin werben. Mannozzi hat sie eingeladen, ihren Aufenthalt geplant, ihren Auftritt organisiert und sich um alles gekümmert, was nötig ist, wenn Gäste kommen. Ein Freundschaftsdienst oder besser, ein Dienst für die Freundschaft. Viaréggio lebt vom Tourismus und der Carnevale di Viaréggio gehört neben herrlichen Stränden und der historischen Uferpromenade zu den Anziehungspunkten der toskanischen Hafenstadt. Massimo Mannozzi erhält einen Orden, diesmal einen Karnevalsorden. Da steht er nun, der Padrone, und lächelt. Seit über 40 Jahren ist er der beste Repräsentant italienischer Ospitalità in Berlin. Dem einschlägigen Bacchus-Bild — der Weingott der alten Römer ist der Namenspatron seines Restaurants — wird er immer ähnlicher.
Massimo Mannozzi und Alessandro Santini, Präsident des Karnevals in Viaréggio, re.
Carnevale di Viaréggio...
RISTORANTE BACCO Marburger Straße 5 10789 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 - 211 86 87 www.bacco.de
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...jedes Jahr im Februar und März
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Lie b er M a ssim u nd e o, al ine k les G leine sa m e ute z n Ze A nek u m 70 it i dote .Ge bu dort m Ba aus u rtst cco. im me n ag s e r ta r er g Wir nur, rtuff ha b e e m ein weil n o Dich Du al bian Trüff co g s Pat früh el wa e e r na n n r on d e rst u M a nc t. N r Wäc n d De h m al icht h i t n w e e a r zu h r wei r es ü b er a b en ße n H auch d en , we a a re g ut, ka m s n n w t. I D e e u g i en. ne n ü b er ch w Tartu rasc Code ünsc he nd na m e ffi h he D n o ir, um d belst Dein d ass ie E , zu Holge c D k r u e Freu r Zur no c h (Holg de d brüg viele er Z eine gen. urbr r rants Gäste ügge n is Balt h . t In azar. ha b e ) r de s Re stau-
rono m m Gast e d n m Niiere chste gratul ö h r i f W u ! eine hnte a azione fü r s Jahrze rzen gratul e e n t l H o e c i n v o, n zieh ßte so Massim n Ba n m grö ü b er e e r n d r e i e b e t t d s e s i Li in a i , r m ner, ne n d gisch ert a i m Vate i a t e e m n d E r r ü , e d un ist e ben! in d er f d er K Hause n g es L r im m a e , u l d r z e n r , i u d e e v ea Freun m Zau b m u nd ie, de ischen pe die n r e a er i c l Fa m il a , u ng d imo m it erlass . Mass n s er e t d u h e c i r d u N e n a l u r br ül t er M erline a n ih n nd Wal d er B u wen n m r e o l t e re k Ga bri st Di Deine Wo ler i l ü M t. r irs (Walte w en) 70 geg er AG. n e u i Daim l n ist d Du as an d t s u s h d er a g auc ner, , d no c h n , e i n b Mut e r ich rinne lau er en m g m g e m n u e l i ka n Kol st m z ts wa r n g e n kau ? Ich ran Du u u a , D st ju mo ast ien . e i h g r R s h n e a h er iv M as no c g e g s er e n d ert Im m Kreat nd ls n b er e h i n a n . u e m t u i r a r n u u d rn rh in n l Jah rze z z ele Jah ns e em e n g u h e H a Mei l c di ein er te ät su en en D l r e t t l d o i e B i a T n u z i z Vi Ze si en er nti leg ng! Dir ein rigen tig t he rt, a b n kol e u n stu h A o sei e i c h e i e e s c t ß w L d n s wü Wor gefor gro sch ine nu n as in ne m t. Ich ür De r d . i e t h e l a h .) f h ä c auc Tel r m it ant lit ht kt e i r m a e c b u e u a p e a a d Q h t R es ge m ein uf ur R es Dir t a ist s z roße m rs i b n i e e o n m k u V g h D nt sa m t. lic ken . Mit rüh F Ehr epfleg en Be e t n u g r i s G lut tät ebe er lle bso g m a a t m s g Ga hsa de m sta Frü r ist u rt r b e e e G et mm n P hsa Dei r Frü te (Pe
kennenir uns w e i w d er ch, skreis Dich no F ü h r u ng e erst Du g n i n ße l i a r r m e da , er St a Massimo Dir. Der M a rb u rg e f r l e e Lie ber d h e Ich tge b r, o in ha ben? als Gas im Bacc r i 1 9 D 9 1 n gelernt / o lves1990 kt v auch Si eind ruc feierte e t b p t m t o o e r s z p m e ns ich c h wa r loren u e, d ass hten. I Wir ver er Küch . n e i t Weihnac er e h m D c m a n o r vo im S v er b istert bei Dir ehrfach m e i h so bege l ic i l i m a D Fa on it a b en m einer affen v . Wir h h n c e s g e u ter m it B A telle d en eim delle S warst b nie aus e u t h D t c o a , N n t a h r d s zu u u nd besuc ine Fra hast un oskana e T m , h r c e e i i d fl d in he n ft, r behil r w ünsc undscha m M ar m o imo, wi ine Fre s e s a s enische M h c r u w u n d u ns Lie be den. Es hrentag chten. E ö m m e n n eingela e i s e m is u D Lie be z ht m ehr ich nic , alles t i e h mungen. d h n nterne l Gesu U e i e v u e r n i D erviele ienst B nduleit a m no c h Frischd fgang A r l e o d ge m eins W r d e n r u fü h oswit ha schäfts Deine R t ist Ge i e l u d n ng A (Wolfga H.) lin G m b
Herzlichen Glückwunsch zum 70., lieber Massimo. Dein Geburtstag ist eine gute Gelegenheit, mich bei Dir – meinem Mentor – zu bedanken. Du warst derjenige, der meine Liebe zur Gastronomie geweckt hat. Von Dir habe ich gelernt, wie man Gäste glücklich macht, sie individuell und professionell bewirtet. Ich bin froh, bei Dir in die Schule gegangen zu sein, denn ohne Dich hätte ich es nicht geschafft. Vielen Dank für alles. Dein Anton Stefanov (Anton Stefanov ist Inhaber des Restaurants BerlinSankt Moritz.)
Lie be r M as simo, besch wir Ä eiden ltere e n g as Jahre n eri trono . Du n n er n m ische hast u ns n geset n m A i oc h g n t zt un ge bot Deine ut an d e m s in B e einen o w oh l Risto die e rlin rante eine Treff h er E nd e d b p B egehr unkt a zu G u c c e o r te Fe kreat 1 d nsten 9 a 6 m als 0er insch iver so m a ein Z We n n m e c ke Geist nc h e r eiche Du a m r e a r d r n u esse zu k u n 12. M nd G e b egeh als a ftstr ärz 2 d a n ke st, k u ä 0 c c 1 n h 1 die htige annst gesch rufsk r Pro Volle Du si affen olleg jekte nd u ng c h er – en u n Ausst i s D n e e d i i n B n , d as eine es 70 erlin rahlu . . s n n o g L e c s e b e ns ine g Ch a r m h grö kraft jahre , G as roße e p er ß er e s sönli Schar tfreu Zahl barke c n all d h ke n dscha vo n B it un e n f e r e t d e , n r, di geler große Gesel Deine e Dei nt ha m R es ligke Ba r b a ben, ne pekt i t ra un (Prof u nd D D ge d en einer d Die .Dr.Di e k i e n m t n e i er Gr . H er t tie n eter Brand oßkla zlich fer D Großk e n bur us en Gl anklaus g d er ü c ist E k w u ns Confr h re n b ch! érie ailli de la d er B a Ch aîn illia e d es ge Be Rôtis rlinseurs .)
herzlissimo, a M r e Lie b zu m 70. w unsch k c ü l G t ein c he n Du bis . g a t ru m G e b u rt s nd, wa er Gru g i d n e a b le it J hr c h e n se s t u e a D t die u m „I g er n e z o s n e Dich zehnt n. Lass e h e g liener“ Kolja . Dein u m ar m e n ist In lee berg K s a e j d l (Ko hef Küchenc d n u r ha b e U.) ants VA Restaur
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GESCHMACKSSACHEN Zander
Ehrung für einen Edelfisch Der Zander — Fisch des Jahres 2011 In Brandenburg von Wolfgang Schuhmacher
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Zander GESCHMACKSSACHEN
Zander-Küchenchef Sven Albrecht: nur kein Chichi
Im besten Prenzlauer-Berg-Lokal, dem Restaurant Zander am Kollwitzplatz, knallten vor ein paar Wochen Champagnerkorken. Die Gastgeber stießen mit ihren Gästen zu deren Überraschung auf den Namensgeber des Restaurant an — aus gutem Grund, denn das edle Tier aus der Familie der Barsche wurde zum Fisch des Jahres 2011 in Brandenburg gekürt. Der Fischereiverband Brandenburg/ Berlin, dem der Zander diese Auszeichnung verdankt, will damit auf die wirtschaftliche Bedeutung der Binnenfischerei aufmerksam machen. Über 700 Menschen sind in der Region in diesem Wirtschaftszweig tätig.
Rund 40 Tonnen Zander fangen sie jährlich, die meisten in der Havel. „Mindestens das Dreifache kommt allerdings in der gleichen Zeit in Berlin und Brandenburg auf die Teller“, schätzt Zander-Küchenchef Sven Albrecht und fügt hinzu: „Wenn alle Fische, die als Havelzander verkauft werden, wirklich welche wären, müsste die Havel so lang wie die Donau sein.“ Das ist sie aber nicht, und so verarbeiten viele Köche tiefgefrorenes Zanderfilet aus Importen. Weil es besser klingt, heißt es dann eben mal schnell „Havelzander“ auf der Speisenkarte. Nun wäre die Sache mit der Fischherkunft nur eine Mogelei, stünde nicht
dahinter auch ein Preisunterschied — zwischen Wildfang aus heimischen Gewässern und tiefgefrorener Ware aus fremden Aquakulturen. „Wenn Havelzander oder, wie bei uns, Zander aus der Dahme auf der Speisenkarte steht und keiner auf den Teller kommt, dann wird der Gast schlicht und einfach betrogen“, so Sven Albrecht knallhart. Der 39-jährige Küchenchef kann sich heftig über solche kulinarischen Manipulationen aufregen. Sein Konzept lautet „regional ist genial“ — nicht nur, weil es gut klingt, sondern vor allem, weil es lecker schmeckt. Und weil Albrechts Kreatio-
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GESCHMACKSSACHEN Zander
Dahmezander, Blutwurstgraupen, Bohnen, gelbe Rüben
nen rund um das Beelitzer Kaninchen, den Märkischen Weideochsen, die Prignitzer Wildente oder eben den DahmeZander nicht nur seine Leidenschaft für Produkte der Region belegen, sondern dazu erstklassig verarbeitet werden, schaffte es das Restaurant zwischen 2008 und 2010 auch in den Gault Millau und dort unter die besten 35 Berliner Restaurants. Umso erstaunlicher, dass die von Manfred Kohnke angeführte TesterCrew mit ihrem Kreativitätsdogma in der 2011er Gault-Millau-Ausgabe das Restaurant mit keiner Silbe mehr erwähnte, obwohl Albrechts Küchenleistung im letzten Jahr nicht nur beständig blieb,
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sondern eher noch kraftvoller wurde. Trösten kann die engagierte ZanderMannschaft lediglich die Tatsache, dass es beispielsweise mit dem Alten Zollhaus und dem e.t.a. hoffmann gute Gesellschaft hat. Auch deren Küchenchefs Günter Beyer und Thomas Kurt favorisieren statt Lakritztaube und Thunfischtataki Bauernente und Zanderbäckchen, womit wir wieder beim Fisch des Jahres 2011 wären. Im Zusammenhang mit der Ehrung gab es auch eine Information nicht nur von fischereitechnischer Bedeutung. Lars Dettmann vom Fischereiverband Brandenburg/Berlin erklärte, dass es märkischen Experten gelungen sei,
Jungfische für die Teichwirtschaft zu züchten und auch deren Futterproblem zu lösen. Damit, so Dettmann, könne den billigen Fischofferten aus dem Ausland erfolgreich Paroli geboten und die Marktchancen für Angebote aus Brandenburg erhöht werden. Das dürfte wohl auch Küchenchef Sven Albrecht vom Restaurant Zander freuen.
Restaurant Zander Kollwitzstraße 50 10405 Berlin-Prenzlauer Berg Tel. 030 - 44 05 76 78 www.zander-restaurant.de
GESCHMACKSSACHEN Koch sucht Bauer
Koch sucht Ba eIN bILD SPRICHT bÄNDE von maRC sTEYER
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Sechs Köche, bekannte Größen der Berliner Gastroszene, zwei Körbe. Ein Bild, dass Bände spricht. Gute Lebensmittel beispielsweise aus Italien oder Israel zu bekommen, ist kein
Problem. Aus der Region allerdings schon. Diese sechs wollten das nicht länger hinnehmen und gründeten deshalb ein regionales Netzwerk. Dessen Motto: Koch sucht Bauer.
Damit appellierten Matthias Diether (first floor), Jörg Eichhofer (Die Spindel), Sonja und Peter Frühsammer (Frühsammers Restaurant), Stefan Garkisch (Bieberbau), Matthias Gleiß (VOLT), Danjel Kresovic (44 im Swisshotel) und Marco Müller (Weinbar Rutz) an die Berliner und Brandenburger Bauern: „Es kann doch nicht sein, dass tolle Produkte hunderte Kilometer durch die Republik gefahren werden, um sie in Berlin auf die Teller zu bekommen.“ Und weil sie des Lamentierens über diese Tatsache Leid sind, starteten die Küchenchefs auch gleich noch einen Aufruf: „Bauern, die schmackhafte Tomaten oder aromatische Sommerbeeren anbieten, meldet Euch!“ Müller und Co. geht es dabei nicht um dieses oder jenes Biosiegel, sondern um naturnah erzeugtes Obst und Gemüse, Fleisch aus tiergerechter Haltung, Fisch aus heimischen Gewässern. „Ich wünsche mir Kräuter und Salate, auch alte, fast vergessene Sorten“, so Danijel Kresovic. Peter Frühsammer
möchte Bauerneier vom Hühnerhof und Matthias Diether Spargel, der nicht unter vierfacher Folie liegt und x-mal gegen die Spargelfliege gespritzt wurde. Ihr Netzwerk, so die Berliner Köche, garantiere den Landwirten, dass nicht nur geringe, wirtschaftlich uninteressante Mengen gekauft werden. „Wir können uns auch vorstellen, ein Dutzend Schweine nur für uns mästen zu lassen, die wir dann auch garantiert abnehmen“, erläuterten sie ihre Idee. Der Appell kam an. Brandenburger Bauern stehen offenbar bei den Küchenchefs Schlange. Ein Informatikprofessor hat sogar vorgeschlagen, mit seinen Studenten einen Online-Marktplatz für frische Produkte aus der Region zu programmieren. Offen bleibt allerdings die Frage, weshalb Berlins Großhändler nicht schon längst die Zeichen der Zeit erkannt und ihrerseits Kontakte zu Brandenburger Bauern geknüpft haben. Möglicherweise wachen ja die, die es angeht, gerade noch rechtzeitig auf.
Koch sucht Bauer GESCHMACKSSACHEN
auer
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GESCHMACKSSACHEN Rinderroulade
Cornelia Poletto mag sie klassisch mit Speck und Zwiebeln, aber ohne Gurke. Tim Mälzer bevorzugt sie mediterran, das heißt, mit einer Paste aus angerösteten Pinienkernen, getrockneten Tomaten und Olivenöl. Den Speck ersetzt der Hamburger Küchenbulle durch Pancetta, der sie durch seinen hohen Fettanteil besonders saftig hält. Alfons Schuhbeck wiederum füllt sie am liebsten mit einer Mischung aus Kalbsbrät, Karotten, Knollensellerie, Trompetenpilzen, Essiggurken, Sardellen, durchwachsenem Speck und Zwiebeln. Die Rede ist von einem edlen Fleischwickel, den nicht nur Deutschlands Fernsehköche immer wieder gern zubereiten, sondern der auch der Stolz jeder guten Hausfrau ist.
LIEBLING ROULAD Notizen zu einer Umfrage von Hans-Jürgen Bergs
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Rinderroulade GESCHMACKSSACHEN
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GESCHMACKSSACHEN Rinderroulade
Deutschlands unaufgeregteste (Kompliment!) TV-Service-Sendung, das ARD-Buffet, fragte Ausgang des vorigen Jahres nach den Lieblingsspeisen der Leute im Lande. Gemeinsam mit Wissenschaftlern des Bundesforschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe stellten die Redakteure der Sendung eine Liste mit 100 Gerichten auf — von Armer Ritter über Brathähnchen, Döner, Pizza, Rumpsteak und Rührei bis Zwiebelrostbraten. 50.000 Zuschauer stimmten online ab, und das Ergebnis der Koch-Charts dürfte wohl nur die Totalverweigerer deutscher Hausmannskost verwundern. Das Resultat nämlich fällt deutlich aus. Die Deutschen essen am liebsten deutsch, und zwar:
1. Rinderroulade 2. Spargel mit Sauce hollandaise 3. Kohlroulade 4. Rheinischer Sauerbraten 5. Wiener Schnitzel 6. Entenbrust 7. Tafelspitz mit Meerrettichsauce 8. Pellkartoffeln mit Kräuterquark 9. Hühnerfrikassee 10. Königberger Klopse
Man stelle sich ein Gasthaus vor, in dem die ARD-Buffet-Umfrage-Top-Ten auf der Speisenkarte stehen, frisch zubereitet, nicht als Brandenburger Sättigungs-, sondern als moderne Traditionsküche. Jede Wette, dass dieses Gast-
haus seinem Namen alle Ehre machen und hohe Gästegunst genießen würde. Der Spitzenreiter also: die gute alte Rinderroulade. Das Sonntagsessen in tausenden deutschen Haushalten von Schleswig-Holstein bis Baden-Württemberg. Kein Wunder: sie hütet die Aromen und hat ein Talent für Überraschungen — erst angeschnitten zeigt sie, was in ihr steckt. Wie oft sie allerdings noch hausgemacht auf den Tisch kommt, darüber macht die Umfrage keine Angaben. Vermutlich nicht allzu oft, denn Roula-
Rinderroulade GESCHMACKSSACHEN
den in Dosen und Gläsern haben Konjunktur, wie Supermarktmitarbeiter gerne bestätigen. Der Grund liegt auf der Hand. Erstens kosten diese Fix-und-fertigGerichte nicht viel, und zweitens geht es schnell — beim „Kochen“ und beim Essen. Also probierten auch wir „2 Rindsrouladen in pikanter Sauce“ (Omnimax Lebensmittel GmbH, 16816 Neuruppin, 2,39 Euro); „2 Rinderrouladen in pikanter Sauce“ (hergestellt für Netto Marken-Discout AG & Co. KG, 93142
Maxhütte-Haidhof, 2,35 Euro); „2 Rinder-Rouladen, natürlich aus Ostholstein“ (hergestellt von der Fleischerei Oldekop, Lübeck, 8,29 Euro) und „Du darfst — Rinderroulade in aromatischer Sauce mit würzigem Rotkohl und lockerem Kartoffelpüree“ (Unilever Deutschland, 22770 Hamburg, 1,99 Euro). Das Fazit vorweg: die Masse der Missstände auf den Tellern spottete jeder Beschreibung. Die beiden Lübecker Fleischrouladen, die „Genuss aus dem Land der Schlösser und Herrenhäuser“ versprachen, wirkten äußerlich zwar recht proper (Frischfleischeinwaage 380g), doch das war´s dann auch schon. Die Füllung: schleimige Gurke, matschiger Speck, ledrige Zwiebel. Das Fleisch kaum gewürzt, die helle Sauce dafür salzig. Weitere Zutaten: E 410 (Johannisbrotkernmehl als Verdickungsmittel), E 422 (Mod. Stärke als Bindemittel), E 330 (Zitronensäure als Säurungsmittel), E 211 (Natriumcarbonat als Konservierungsstoff), E 621 (Mononatriumglutamat als Geschmacksverstärker), Aromen, Branntweinessig, Karamell, Nitrit, Saccharin. Immerhin: der Cocktail war zwar orthografisch schlampig, aber vollständig deklariert. Was nach dem Essen blieb: ein erheblicher Saucenrest und ein gewaltiges Durstgefühl. Note: 5. „Von allem das Beste“ hieß es auf der Rouladen-Dose der Omnimax Lebensmittel GmbH Neuruppin. Auf dem Teller dann die Ernüchterung. Das hauchdünn geschnittene, weitgehend geschmacksfreie Fleisch enthielt eine nussige Füllung, in der lediglich die Gurke noch einigermaßen Konsistenz aufwies. Der Rest schmeckte, obwohl auf der Dose nicht vermerkt, als sei hier Weißbrot im Spiel gewesen.
Dazu eine fade, süßliche Sauce, ebenfalls geschmacksverstärkt — aber was soll man von einem Fertiggericht mehr erwarten? Note: 5. Apropos Weißbrot: Kein Geringerer als Eckart Witzigmann benutzte es übrigens einst im Münchner Restaurant Tantris für die Füllung von Rouladen. Der Großmeister schnitt daraus Croutons, die in geklärter Butter knusprig ausgebacken wurden. Dazu kamen Räucherspeckscheiben sowie feingeschnittenes und in Butter angedünstetes Gemüse — Karotten, Rosenkohl, Zwiebeln. Die damit gefüllten Rouladen gehören zu den Witzigmann-Klassikern, die relativ einfach nachzukochen sind — allemal meilenweit geschmackvoller als das Dosenfutter. Auch unser dritter Test brachte nur stummes Kopfschütteln. Zwei Rinderrouladen in pikanter Sauce vom Gut Ponholz, hergestellt für Netto MarkenDiscount. Auch hier das Fleisch in CarpaccioStärke, wahrscheinlich in gefrorenem Zustand geschnitten. Die Füllung: gehackte Gurken und Zwiebeln, Speckwürfel, alles von leicht süßlichem Geschmack. Wenigstens die Sauce war nicht überwürzt. Note: 4. Am besten schmeckte da noch die „Du-darfst-Roulade“, allerdings verzichteten wir darauf, Kartoffelpüree und Rotkraut des Fertiggerichtes zu probieren. Zwar war auch dieses Fleisch papierdünn, die Füllung aus Gurke, Speck und Zwiebel hatte aber noch Struktur und war einigermaßen ordentlich gewürzt. Note: 4. Und der wiederholte Beweis dafür, wie bizarr die Esskultur hierzulande ist. Während wir uns beim Lebensmittelkauf in beinahe kriminalistischer Manier als Schnäppchenjäger betätigen, kann es nicht teuer genug sein, wenn es beispielsweise um Autos, Kosmetik oder Mode geht. Lediglich 13 Prozent unseres Einkommens geben wir fürs „tägliche Brot“ aus, Restaurantbesuche inklusive. Tendenz weiter fallend — eine traurige Tatsache.
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GESCHMACKSSACHEN Rinderroulade
aus: Henriette Davidis, Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche, 1897
Wann in der Küchengeschichte zum ersten Mal dünne Fleischscheiben mit einer Farce oder anderen Würzbeigaben gefüllt, gerollt, verschlossen und geschmort wurden, ließ sich nicht endgültig klären. Ein Gericht der kulinarischen Neuzeit jedenfalls ist die Roulade nicht. Bereits um 1800 notierte Charlotte Fontane, die Großmutter Theodor Fontanes, ein Rezept für RindfleischRouladen, gefüllt mit einer Masse aus gekochtem Speck, Petersilie und Schalotten, gewürzt mit Pfeffer und Nelken. Auch Henriette Davidis, Kochlehrerin der deutschen Biedermeierdamen, beschrieb in ihrem 1844 erschienenen Kochbuch-Besteller „für die gewöhnliche und feine Küche“ geschmorte Fleischrollen. Ihr Vorschlag für die Füllung: „Mehrere hartgekochte Eigelb streicht man durch ein Sieb, verrührt sie mit 1 rohen Eidotter, zwei Löffel Tomatenbrei oder saurer Sahne, wenig gewiegter Petersilie und einer geriebenen Schalotte mit Pfeffer und Salz zu
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einer Farce, mit der man die Rouladen bestreicht, bevor man sie mit einer Speckscheibe bedeckt.“ Im 1892 erschienenen Illustrierten Victoria-Kochbuch hieß das Gericht Rollfleisch vom Rind, gefüllt mit Speck und Zwiebeln. Einzige Besonderheit: Autorin Hedwig v. Hohenwald warnte ausdrücklich davor, mit Kümmel zu würzen. Das Oberbayerische Kochbuch für jeden Haushalt von 1906 schließlich empfiehlt, in die Rindsrouladen eine Mischung aus Semmelmehl, fein gewürfeltem Speck, gehackten Zwiebeln, Petersilie, geriebener Zitronenschale, Kapern und Steinpilzen einzuwickeln. Doch nun kommt´s. Es ist leichter in alten Kochbüchern ein Rouladenrezept als in Berlin ein Restaurant zu finden, das den Küchen-Klassiker auf seiner Speisenkarte hat — nicht von fleißigen Metro-Bienen bereits gewickelt oder von anderen Warmmach-Experten mehr oder weniger liebevoll vorgekocht, sondern von Anfang bis Ende hausgemacht.
Auf der Suche nach Rinderrouladen — frisch gefüllt, gut gewickelt, sanft geschmort und mit einer kräftigen Sauce — wurden wir endlich in Charlottenburg fündig. In der Schlüterstraße macht Michael Eilhoff seit über 15 Jahren viele Stammund Zufallsgäste mit feiner Regionalküche, frei von modischen Banalitäten glücklich. Seine Antwort auf die Frage, weshalb man in den Restaurants rund um den Kurfürstendamm Rouladengerichte mit der Lupe suchen müsse, gibt zu denken. „Weil man“, sagt Eilhoff, „erstens damit nicht viel verdienen kann und weil zweitens viele junge Köche nicht gelernt haben, wie´s geht.“ Der Küchenchef zeigt es gerne, assistiert übrigens von einer alten Bekannten. Cindy Mentz war mal die Nummer eins am Herd im früher viel gelobten Grünauer Château 105. Nun bereiten Eilhoff und Mentz eine Rinderroulade zu, von der die Fans des Fleischklassikers sagen, sie sei die beste der Stadt.
Rinderroulade GESCHMACKSSACHEN
Küchenchef Michael Eilhoff
Souschefin Cindy Mentz
Rinderroulade klassich: die Zutaten und ihre Verarbeitung
LutTer & Wegner seit 1811 Schlüterstraße 55 10629 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 - 881 34 40 www.restaurantlutterundwegner.de
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Kleine F Dem Stint auf der spur VON Renate Peiler und Jรถrg teuscher
Fische
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Lothar Buckow: Elbfischer, wer ist mehr?
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Stint GESCHMACKSSACHEN
Kälte und Nässe sind Lothar Buckow über die Jahre deutlich sichtbar in die Knochen gewachsen. Die flinken Augen des 54-Jährigen und sein fröhliches Lachen verraten allerdings auch, dass ihm die Schinderei auf seinem Ein-MannKutter Freude bereitet. Es ist Samstagnachmittag, es ist kalt und es feuchtet, wie der Hamburger sagt. Wir stehen im Hafen von Neuenschleuse. Na ja, Hafen. Eher ein Anlegeplatz. Kein Deut maritime Romantik. Draußen liegt Buckows Kutter im Nebel, irgendwo dahinter Hanskalbsand, eine einsame Elbinsel, und am anderen Flussufer Blankenese, wenigstens das kennt man. Um das Schiff mit den eigenartigen Flügelkonstruktionen aus der Nähe zu sehen, müsste Buckow das Beiboot klarmachen. Das ist ihm zu viel, Zeitungsleute hin, Überredungskünstler her. Die Erklärung des Fischers schafft Verständnis. Der Samstag ist sein einziger freier Tag. Sonntagnachmittag läuft er wieder aus, Kurs Elbe abwärts, knapp 40 Kilometer bis Glückstadt oder, noch 20 Kilometer weiter, bis Brunsbüttel. Irgendwo in dieser Gegend, in der die Nordsee nicht mehr weit und der Fluss bereits zwei, drei Kilometer breit ist, geht Buckow auf Stintfang. Hier sammeln sich die silbrig glänzenden, 10 bis 15 Zentimeter langen Fische zwischen Februar und März in großen Schwärmen zum Laichen. Dann erwacht in Buckow das Jagdfieber. Die eigenartigen Flügelkonstruktionen an den Bordwänden seines Kutters, von denen schon die Rede war, sind sein Handwerkszeug. Die daran befestigten Auslegernetze heißen Hamen, der Kutter ist also ein Hamen-Kutter und damit ein selten gewordenes Exemplar seiner Art. Lothar Buckow hat den 1946 in Dänemark gebauten Kahn vor 30 Jahren gekauft, sorgfältig restauriert, auf den Namen Elise getauft und geht seitdem mit ihm auf Fischfang. Der Gezeitenkalender bestimmt seine Arbeit. Bei Niedrigwasser lässt Buckow die Netze herunter, rund fünf Stunden später, bei Hochwasser, holt er sie wieder ein.
Das Resultat: täglich fangfrischer Fisch. Jetzt ist es der Stint, später Aal, Barsch und Butt. Im vorigen Jahr hatte er mal einen 11 Kilogramm schweren Zander im Netz, das war Elbfischer-Rekord. Kaufen kann er sich dafür jedoch nichts. Dazu bedarf es schonungsloser Knochenarbeit, die sich kaum von der seiner Vorfahren unterscheidet. Seit 1648 sind die Buckows Fischer, seit 363 Jahren also gehen sie zwischen Finkenwerder und Brunsbüttel auf den Stint. Lothar Buckow ist dafür sechs Tage unterwegs, von Samstag bis Freitag. Die Nächte verbringt er auf dem Kutter. Uns fröstelt schon bei dem Gedanken daran. Temperaturen um den Nullpunkt, Feuchtigkeit, die durch alle Ritzen kriecht, ein Nachtlager unter Deck, ein winziger Ofen gegen die Kälte, dafür muss man geboren sein. Buckow lächelt. Er hat mal Einzelhandelskaufmann gelernt, Computertechnik studiert und sich dann doch für die Elbfischerei entschieden. Wenn alles gut läuft, fängt er in der kurzen Saison pro Woche rund zwei Tonnen Stint. Drei- bis viermal kommt Buckows Frau in dieser Zeit an die Elb-
fähre in Wischhafen, beide laden die mit 25 Kilogramm Fisch gefüllten Kisten vom Kutter in den Transporter. Rita Buckow beliefert dann Händler auf dem Hamburger Fischmarkt und Restaurants in der Hansestadt und der näheren Umgebung. Allzu viele sind es allerdings nicht — rund 50, sagt der Fischer — obwohl der schlanke Fisch mit dem leicht durchscheinenden Körper nicht zu den gefährdeten Arten zählt und richtig gut und noch ein bisschen wild schmeckt. Da unterscheidet sich die Hamburger Gastronomie nicht wesentlich von der in Berlin, die ihren Gästen auch lieber grätenloses und geschmacksfreies Pangasius-Filet aus vietnamesischer Aquakultur anbietet als eine frisch gefangene regionale Delikatesse, die nur ein paar kurze Wintermonate im Jahr zu haben ist.
Der Elbfischer Wisch 29b 21635 Jork Tel. 04162 - 94 27 10 www.elbfischer-buckow.de
Vor Anker: Buckows Hamen-Kutter „Elise“
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GESCHMACKSSACHEN Stint
Restaurant zum Storchennest: reetgedeckt und urgemütlich
Mathias Voigt: Küchenchef im Storchennest
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Mathias Voigt ist Koch und betreibt gemeinsam mit seiner Frau Bianka seit 15 Jahren das Restaurant zum Storchennest in Hamburg-Finkenwerder. Das ist ein klassisches Gasthaus hinterm Deich, wobei das Attribut sowohl für die Einrichtung als auch für Voigts Küche steht. Der 45-Jährige ist kein biederer Traditionalist, sondern sieht sich eher als behutsamer Bewahrer hanseatischen Kochens. Und das will schon was heißen in einer Stadt, in der nicht nur zehn Michelin-Sterne und zwölf Bib Gourmands glänzen, sondern viele junge Köche mit dem Mut zur Überraschung Zeichen setzen. Sicher, Mathias Voigt gehört nicht zur kulinarischen Avantgarde der Hansestadt, aber sein Anspruch an die Frische der Produkte und die Güte ihrer Verarbeitung ist mindestens ebenso hoch wie dort. Das Storchennest — eine gute Adresse also mit einer eingeschworenen Fan-Gemeinde. Eine halbe Autostunde braucht es von der Binnenalster nach Finkenwerder, einem Stadtteil, der
Stint GESCHMACKSSACHEN
sich zu Hamburg verhält wie Spandau zu Berlin. Vor 775 Jahren zum ersten Mal urkundlich erwähnt, erlangte Finkenwerder einst lokale Bekanntheit als Heimathafen einer stolzen Fischereiflotte, als Geburtsort des Dichters Jan Kinau, der sich Gorch Fock nannte und, seit 1936, als Standort des Flugzeugbaus. Berühmt wurde Finkenwerder — zumindest kulinarisch — durch eine regionale Spezialität, die Finkenwerder Kutter- oder Ewerscholle. Übrigens nur echt, wenn sie frisch gefangen ist und — unter Zugabe von rot-weiß gewachsenem Speck — in reichlich guter Butter sanft gebraten wird. So macht es Storchennest-Küchenchef Mathias Voigt. Mit gleicher Aufmerksamkeit brät er auch die kleinen Stinte. Die rare Fischspezialität liefert ihm Fischer Lothar Buckow von Anfang Februar bis Ende März. „Kopf ab, Innereien raus, salzen, mehlieren, dann schnell und heiß erst in Öl anbraten, anschließend mit Speckwürfeln fertig braten, anrichten und mit Bratkartoffeln, Kartoffelmus und frischem Gurkensalat servieren“, erklärt Voigt die Zubereitung der Stinte in einer für Norddeutsche ungewohnten Beredsamkeit. Nach einer Pause, in der Mathias Voigt frischen Dill für den Salat hackt, sagt er noch: „Viele frittieren den Stint, aber das ist Mist, denn dabei geht das leichte Gurkenaroma des zarten Fleisches völlig verloren.“ Wieder eine Pause. Dann der Satz: „Den Stint sollten nur Köche zubereiten, die den Fisch auch kennen.“ Wahrscheinlich war Wolfram Siebeck, Deutschlands bekanntester Berufsesser, vor Jahren bei einem Hamburger Koch zu Gast, dem der kleine Raubfisch fremd und die Friteuse lieb war. Siebeck schrieb: „Beim Stint handelt es sich um einen überladenen Teller mit einem Haufen toter Fische und ebenso leblosen Kartoffeln.“ „Irgendwer hätte ihm den Weg nach Finkenwerder zeigen sollen“, kommentierte Kollegin Renate Peiler trocken. Wo sie Recht hat, hat sie Recht.
Stinte: frisch gefangen...
...ausgenommen und mehliert...
...und frisch gebraten
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GESCHMACKSSACHEN Stint
Restaurant zum Storchennest Osterfelddeich 2 21129 Hamburg-Finkenwerder Tel. 040 - 742 68 50
Storchennest-Spezialit채t: Stint satt
Stintfans: Renate Peiler und Mathias Voigt
www.storchennest-finkenwerder.de
BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten
Ehre, wem Ehre gebührt: der Hombre del Habano für Dr. Maximilian Herzog
ZIGARRENHERZOG Das Mobiltelefon von Maximilian Herzog sammelte dieser Tage SMS im Minutentakt, und sein Rechner spuckte täglich mehr E-Mails aus als normalerweise in einer Woche. Der Grund des elektronischen Dauerfeuers durch Freunde und Bekannte: Herzog wurde zum Abschluss des XIII. Festivales del Habano, des jährlich stattfindenden Weltkongresses der Zigarrenliebhaber, mit der höchsten Auszeichnung seiner Branche geehrt — dem „Hombre del Habano“ in der Kategorie Handel.
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„Selten hat diesen ‚Oscar der Cigarrenbranche‘ ein Würdigerer erhalten“, hieß es einhellig unter den 1000 Gästen der großen Zigarren-Gala im Pabexpo von Havana. Maximilian Herzog, promovierter Psychologe, eröffnete 1997 am Wilmersdorfer Ludwigkirchplatz das erste Zigarrenhaus in Berlin. Elf Jahre später kam mit Zigarren Herzog am Hafen in der Stralauer Allee ein zweites hinzu. Außerdem steht der engagierte Fachhändler der Zigarrenlounge La Casa
del Habano im Savoy-Hotel vor, sitzt in internationalen Jurys, leitet Zigarrenverkostungen und ist Autor eines Ende 2010 erschienenen Buches über Zigarrensensorik, das er bescheiden „Der kleine Herzog“ nannte. Unter den Berliner Aficionados, die in der Regel des Spanischen, der Zigarrensprache, mächtig sind, ist Herzog längst der „gran duque“, der Großherzog. In der nächsten Garcon-Ausgabe wird Maximilian Herzog über den HabanosMarkt informieren. Für heute: Herzlichen Glückwunsch!
Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI
Computerkarte Die Manager des Duke-Restaurants im Berliner Ellington Hotel sind stolz wie Bolle. Nein, einen Michelin-Stern hat es nicht gegeben, die sind für 2011 verteilt, und auch der Gault Millau („alles nett, aber weit davon entfernt, große Begeisterung zu wecken“) ist nicht angetreten, sein Urteil zu revidieren. Der Grund für den Jubel im Duke gilt dem Einsatz moderner Technik. Stichwort: iPad-Weinkarte. „Ab sofort bekommen die Gäste anstatt der Weinkarte ein iPad überreicht. Damit setzt das Restaurant deutschlandweit einen Trend. „Die iPad-Weinkarte ist bisher nur in den USA und Hongkong im Einsatz“, heißt es in einer Presseerklärung. Das stimmt zwar nicht ganz — bereits vor einem Jahr wählten wir im spanischen Santiago de Compostela unsere Weine per iPad — aber sei’s drum, ein guter Service ist die elektronische Weinkarte allemal. Alle 510 Positionen der Duke-Offerte werden nun auch in Text und Bild detailliert beschrieben.
Zukunft in der Gastronomie: Weinauswahl per iPad
Im Steakhouse Chicago Cut, einem gehobenen Restaurant am Chicago River, gibt es die elektronische Weinkarte schon seit einem Jahr. Die 40 iPads, die dafür angeschafft wurden, seien zwar eine erhebliche Investition gewesen, erklärt Restaurantmanager Mat Moore, aber seitdem sei
der Weinumsatz auch um 20 Prozent gestiegen. Ein Hinweis aus den USA könnte übrigens auch für das Berliner Duke nützlich sein. Im Chicago Cut wurden die iPads mit einer Lokalisierungs-Software ausgestattet — als Abschreckung, damit die Geräte nicht gestohlen werden.
INTERNORGA
Internorga-Offerte: das SelfCooking Center von Rational
18. bis 23. März 2011 — diesen Termin haben sich viele Gastronomen, Hoteliers, F&B-Manager und Küchenchefs schon lange vorgemerkt. Es ist die Internorga-Zeit, das heißt, eine der größten Branchenmessen lockt nach Hamburg. Informationssammlung, Erfahrungsaustausch und Trendforschung — das sind die wichtigsten Disziplinen der Foodprofis. Die Aussteller tragen dem Rechnung. So bietet beispielsweise Rational, Primus unter den deutschen Großküchentechnik-Herstellern, die Möglichkeit, sich unter Gastronomiebedingungen von der Leistungsfähigkeit eines SelfCooking Centers zu überzeugen. Gleichzeitig hat sich das Team aus dem bayerischen Landsberg am Lech darauf vorbereitet, über das im küchentechnischen Bereich derzeit besonders angesagte Thema „Nachhaltigkeit“ zu informieren. (Halle A 3, Stand 213) www.rational-online.de
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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten
Persönlichkeit“, so das Schlagwort der Designer für schöne Alltagsdinge oder, wie es Windmühlen-Geschäftsführerin Giselheid Herder-Scholz formuliert, „das Besondere, das lange hält“.
Messer-Lady: Giselheid Herder-Scholz
Doch auch unter den kaum noch überschaubaren Küchenwerkzeug-Offerten in Frankfurts Messehallen definierten sich viele ausschließlich über den Preis. Billigware, nicht nur aus Fernost. Nachhaltigkeit, ein Fremdwort. Dennoch konstatierte Herder-Scholz, die MesserLady aus Solingen: „Die Ermüdung bei preisgünstigen Produkten hat sich in einen Boom bei Wertigem verkehrt.“ Hoffentlich merken das auch die Händler.
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Ambiente 2011: Was ist Design, was Styling?
Messenotizen Eine giftgrüne Salatschleuder, die wie ein Eimer aussieht; Küchengeräte, die von einem pedalbewegten Schwungrad angetrieben werden; Nackenrollen, die in Form und Farbe Fleischwürsten ähnlich sehen — präsentiert von den Designern Eva Solo, Christoph Thetard und Silvia Wald auf der Ambiente 2011. Die mit 4.300 Ausstellern größte Konsumgütermesse der Welt ging vom 11. bis 15. Februar auf dem Frankfurter Messegelände über die Bühnen. Ob es die salatschleudernde Neuheit aus Kopenhagen, das Konzept für eine stromsparende Küche oder die Berliner „Fleischprodukte“ aus Stoff fürs Sofa auch in die Läden schaffen, hängt nicht zuletzt von den Konsumenten ab. „Sie sind übersättigt und entwickeln den starken Wunsch, sich zu konzentrieren, Lieblingsstücke und einen eigenen, individuellen Stil zu finden“, so Claudia Herke, Trendforscherin und Chefin des Stilbüros bora.herke mit Sitz in Frankfurt und Berlin.
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Dem entspricht beispielsweise eine Porzellanlinie, die der Hamburger Stardesigner Peter Schmidt gemeinsam mit dem Berliner Promikoch Kolja Kleeberg für den fränkischen Porzellanhersteller Arzberg entwarf, der damit gute Umsätze macht. Dafür stehen auch ein feines Filierund Kochmesser der Solinger Windmühlenmanufaktur und ein emailiertes Topfset der Firma Riess Kelomat aus Ybbsitz in Niederösterreich, beides mit dem Design Plus Preis der Messe Frankfurt, des Rates für Formgebung und des Deutschen Industrie- und Handelskammertages ausgezeichnet. Die Teller, Töpfe und Messer sind „Produkte mit
Design Plus Award: Riess-Kochgeschirr
Wer schreibt, der bleibt. Das Motto cleverer Geschäftsleute scheint bei der Berliner Kochelite noch nicht angekommen zu sein. Im Gegensatz etwa zu Lafer und Mälzer sind Kammeier, Kleeberg, Kresovic und Co. ausgesprochen schreibfaul. Nur mickrige sechs Kochbücher flossen in den letzten Jahren aus ihren Edelfedern. Ein junger Mann ist nun angetreten, Berlin kochbuchtechnisch ein kleines Stück nach vorne
Autor, Koch und Turbanträger: Chakall
Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI
zu bringen. Sein Name: Chakall. Sein Markenzeichen: der Turban. Er wuchs in Buenos Aires auf, zog später nach Lissabon und lebt seit sechs Jahren in Berlin-Friedrichshain. Kochen lernte Chakall bei Mutter und Tante sowie während vieler Reisen nach Afrika, Asien, Amerika und Australien.
Leichte Kost: Chakall kocht
Dementsprechend international ist sein erstes Kochbuch in deutscher Sprache. 87 Rezepte, von Avocado-Salat über Bloody-Mary-Suppe bis EsskastanienPudding. Die meisten Zutaten gibt es im Supermarkt, die Zubereitungen sind denkbar einfach — ein Kochbuch für junge Leute, die sich den Geschmack nicht mit Dosengulasch und Tiefkühlpizza versauen wollen. „Chakall kocht — Schnelle Rezepte für gute Laune“ ist auch, was Aufmachung und Format betreffen, ein Buch für die Küche und gebärdet sich nicht als bibliophile Kostbarkeit für den Bücherschrank. Und so war der Andrang bei Chakalls Auftritt während der Ambiente 2011 am Stand der DT-Collection auch ziemlich groß. Kochbücher mit
Gebrauchswert überzeugen eben. Der Autor, der in Lissabon das Sternerestaurant Quinta Dos Frades betreibt, eröffnete übrigens Anfang März in der Moabiter Arminiusmarkthalle ein Bistro.
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Gemessen etwa an China oder Indien war die Zahl der Aussteller aus den USA in den Frankfurter Messehallen eher klein. Lediglich 50 Firmen boten Küchengeräte, Bestecke, Koch- und Bratgeschirr sowie Glas und Porzellan an — bei rund 2.000 Austellern im sogenannten Dining-Bereich eine bescheidene Quote. Die meisten Offerten Made in USA allerdings waren von hohem
Made in USA: Boards & Blocks
„Wir verarbeiten ausgewähltes Kernholz des Ahorns und in geringem Umfang auch Amerikanische Kirsche und Walnuss“, erklärte er. Hinzu kommen die über 120-jährige Erfahrung im Umgang mit diesen Hölzern und die Zusammenarbeit mit vielen Küchenchefs. Das Ergebnis: praktikables Design, perfektes Handwerk und hoher Gebrauchswert für Profi- und Hobbyküchen. www.boosblocks.eu
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Stolzer Ami: Barry Gravenhorst
Gebrauchswert und beeindruckender Qualität. Das gilt besonders für die Angebote der Manufaktur John Boos & Co. aus Effingham, Illinois. Der wahrscheinlich kleinste amerikanische Austeller in Frankfurt präsentierte Schneidbretter und Fleischerblocks am Stand der Solinger Güde-Messermanufaktur — sozusagen als Untermieter. „Wunderschöne Teile, fast zu schade, um darauf Schnitzel zu klopfen“, kommentierte GüdeChef Dr. Karl-Peter Born. Geschäftsführer Barry Gravenhorst, der auch ein Firmenbüro in Berlin unterhält und von dort aus den europäischen Markt betreut, verwies auf die natürlichen Ressourcen des waldreichen Staates im Norden der USA.
Auf der Ambiente 2011 konnte man nicht nur neue Küchenwerkzeuge begutachten, manche mehr, andere weniger nützlich, man traf auch alte Bekannte. Hans-Josef Decker etwa, einst Chefpatissier bei Eckart Witzigmann und Hans-Peter Wodarz und den Berliner Feinschmeckern aus seiner Tätigkeit im first floor, dem Sternerestaurant des Palace-Hotels bekannt. Nun leitet Decker seit 2008 die Delicatessen Manufaktur auf Gut Valenbrook zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. Das Unternehmen fertigt ausgefallene Feinkostprodukte von A wie Aromaessige bis Z wie Zuckerspezialitäten,
Süßer Profi: Hans-Josef Decker
betreut für die Bremer Feinkost GmbH die Marke Lapp & Fao, entwickelt für weitere Kunden Produktideen, realisiert sie und veranstaltet PâtisserieSeminare und Workshops. Gut Valenbrook“, wirbt Hans Decker, „ist ein Ort zum Genießen mit allen Sinnen.“ www.valenbrook.de
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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten
BUCHKRITIK An dieser Stelle bespricht Brit Lippold, Kulturwissenschaftlerin und Kochbuchhändlerin, aktuelle kulinarische Editionen. Die Kochlust-Inhaberin eröffnet ihr Geschäft Anfang Mai am Moritzplatz in Kreuzberg neu — unter dem Dach von Coledampf´s & Companies.
Brit Lippold
Das Frauenkochbuch ist ein Buch für alle Neugierigen, die sich neben Gala, Bunte usw. auch noch auf andere Weise über das Leben der Schönen und Bekannten (in diesem Falle ausschließlich Frauen) informieren möchten. Das vorliegende Kochbuch setzt deshalb auch gar nicht erst auf die üblichen Rubriken wie Salate, Suppen, Fleisch- und Fischgerichte sowie Desserts. Dieses Buch sortiert nach den Porträtierten, wobei ich mir ein Urteil darüber, ob sich aus der Reihenfolge eine irgendwie geartete Promi-Rangfolge ableiten läßt, wirklich verkneife. Erst beim gründlichen Durchblättern fällt auf, dass sich die Gliederung auch aus den Speisen ergibt.
Die grafische Gestaltung der Rezepte ist gewöhnungsbedürftig. So sind die wichtigen Fakten wie Zutaten, Zubereitungszeit und Anzahl der Pesonen mit drei verschiedenen Farben in kleinen Fenstern unterlegt (hellrosa, grau und pink!) und ziemlich klein geschrieben. Die Rezepte selbst sind abwechslungsreich und halten eine Reihe von durchaus verführerischen Ideen bereit; von „Boeses Steaksandwich“ über BioRote-Bete-Carpaccio, Pasta mit Kürbis und Trüffel, Zander-Süßholz-Sate mit Steckrüben bis hin zu Pfirsich-PfefferHühnchen und Champagner-HibiskusGelee. Fazit: Ein Muss für alle Promi-Junkies! Nicht empfehlenswert für Hobbyköche und Kochbuchsammler. Ulf Meyer zu Kueingdorf Mal was Leichtes — Frauenkochbuch Mosaik bei Goldmann, München 127 Seiten, 19,99 Euro
GERÜCHTEKÜCHE
Pierre Gagnaire
Sicher ist: das neue Waldorf Astoria Berlin entsteht an der Hardenbergstraße, zwischen Bahnhof Zoo und der Gedächtniskirche. Sicher ist auch: die Luxusherberge wird 15 Etagen des 32-stöckigen Wolkenkratzers belegen. Und sicher ist drittens: es wird ein FineDining-Restaurant mit 100 Plätzen geben. Ob der französische 3-Sterne-Koch Pierre Gagnaire dort Regie führen wird, das allerdings ist ein Gerücht. Aber immerhin — wenn es so wäre, käme die Berliner Gastronomie ohne eigene Anstrengungen zu drei weiteren Sternen.
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Kurznachrichten +++ Hirschfelde +++ „Brandenburg unter Dampf“, die märkische Genussinitiative, verleiht in diesem Jahr zum zweiten Mal das „Märkische Gaumengold“ für besondere Verdienste um die Brandenburger Küche und um Brandenburger Produkte. Der Preis geht an Sonja und Dieter Moor. Die Filmproduzentin und der Moderator züchten auf ihrem Bio-Bauernhof in Hirschfelde, einem Dorf in der Nähe von Bernau, italienische Wasserbüffel und irische Galloway-Rinder. Zudem engagieren sie sich für die nachhaltige Produktion geschmacksintensiver Lebensmittel in Brandenburg. Verliehen wird der Preis am 25. März 2011 während eines Gala-Dinners auf Gut Klostermühle in Madlitz-Wilmersdorf. www.gut-klostermuehle.com +++ Hamburg/Berlin +++ Jahrelang gehörten die Kolumnen von Bernd Matthies im Hamburger Magazin essen & trinken zum Besten der deutschen Gastrokritik. Anfang Januar 2011 war nun — zum Erstaunen vieler Leser — Schluss mit Matthies. Einem neuen e&t-Chefredakteur folgte eine neue e&t-Kolumnistin — Okka Rohd, die in Berlin lebt und „über gutes Essen und schlechte Manieren“ dichtet. Flotte Schreibe, wenig Inhalt, Nachschlag nicht nötig. Zum Glück bleibt Matthies seinen Fans erhalten — im Internet. www.tagesspiegel.de/blogs
LEBENSART Arxe
Arxe Mรถbel aus Barcelona Von Wolfgang Schuhmacher
Arxe LEBENSART
Ofiiziell ist Barcelona die Hauptstadt der nordostspanischen Provinz Katalonien, selbst ernannt die Hauptstadt des Mittelmeeres. Industrie- und Handelszentrum, Verkehrsknoten, Universitäts- und Hafenstadt. Bunt, lebensfroh, weltoffen, voller Geschichte und Geschichten. Hier erblickte zum Beispiel der Seat 600 das Licht der Welt, ein Nachbau des Fiat 500 und eine automobile Legende, die einst ganz Spanien in Bewegung brachte. Hier ist die katalanische Rumba zu Hause, deren besonderer Klang durch das Schlagen auf den Gitarrenkörper zustande kommt und die zu Barcelona gehört wie Kolumbusdenkmal und Sagrada Familia. Hier ragt mit dem Hotel W Barcelona ein Meisterstück avantgardistischer Architektur in Form eines Segels in den Himmel, entworfen von dem renommierten spanischen Architekten Ricardo Bofill. Übertroffen wird das alles noch von den kulinarischen Angeboten der Millionenstadt. Neben den traditionellen Tapas, die immer neu erfunden werden, servieren die experimentierfreudigen Chefs auch schon mal Langostino und mit Foie gras gefüllte Makkaroni oder Seeteufel mit Mandelcreme.
Man braucht sicher Wochen, um diesen Gastro-Dschungel zu durchqueren. Ein paar Stunden dagegen reichen schon für eine andere Einschätzung. Barcelonas Restaurants bestechen, nimmt man mal einige festlich-förmliche Hotelrestaurants aus, auch durch ihre Einrichtung. Einen nicht geringen Anteil daran haben drei junge Frauen. 2008 gründete Gloria Margenat die Arxe-Manufaktur. Ana Guilera ist von Anfang an dabei, Cristina Franck seit einem halben Jahr. Das Ziel ihres Unternehmens: Hotels, Restaurants, Bars und Geschäfte individuell auszustatten mit Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen, die nicht von der Stange stammen, sondern aus bereits benutzten Materialien — Bauholz, Alteisen, Industrieleder. Mehrere Restaurants und Feinkostgeschäfte in Barcelona tragen inzwischen die typische Arxe-Handschrift — originell, ursprünglich, gediegen. Die Recycling-Königinnen haben sich auch an ausgediente Studioscheinwerfer aus Hollywood gewagt. Die restaurierten Filmlampen gehen weg wie warme Semmeln — an Kunden, die sich von einem außergewöhnlichen Interieur eine größere Anziehungskraft ihrer Geschäfte und Restaurants versprechen. www.arxe.info
Gloria Margenat
Cristina Franck
Ana Guilera
LEBENSART Arxe
Impressionen aus der Arxe-Manufaktur
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KULINARISCHE EXKURSION Zillertal
STUMMER GENUSS Kalbsbackerl, Spinatknödel, Marillenstrudel und Co. von Jörg Teuscher
Tirol, das „Herz der Alpen“. Land der Berge und Täler, drittgrößtes Bundesland Österreichs und Tummelplatz für Touristen aus aller Welt, zu allen Jahreszeiten. Im Winter zieht es tausende Skifahrer auf die Pisten von Galtür, Ischgl oder Sölden. Im Sommer sind es Bergwanderer, Mou-
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tainbiker und Paraglider, die die Partyorte bevölkern. Und nicht nur die. Tirol lebt vom Fremdenverkehr. Über sechs Milliarden Euro bringt er dem Bundesland jährlich. Massentourismus mit allen Begleiterscheinungen, zu denen auch die kulinarischen Sünden gehören. Gerd Wolfgang Sievers,
Autor des 2007 im Grazer Leopold Stocker Verlag erschienenen Standardwerkes „Genussland Österreich“ formuliert diese Tatsache drastisch: „Vor allem in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die traditionelle Tiroler Küche nahezu umgebracht. Gekocht wurde
Zillertal KULINARISCHE EXKURSION
nicht mehr. Convenience war das Zauberwort.“ Inzwischen allerdings gibt es neue Hoffnung. Viele Tiroler Küchenchefs haben sich besonnen und gegengesteuert. Die heimische Küche und ihre traditionellen Spezialitäten machen wieder Furore. Das Niveau der bodenständigen Landgast-
höfe zwischen Tannheim, Innsbruck, Mayrhofen und Kufstein ist in den letzten Jahren erfreulich gestiegen. Dazu beigetragen hat vor allem auch der Verein „Tiroler Wirtshauskultur“, dessen rund 135 Mitgliedsbetriebe sich der Pflege der kulinarischen Kultur Tirols verschrieben haben.
Garcon-Autor Jörg Teuscher besuchte bereits im vorigen Jahr eine Reihe dieser Adressen, in denen sich die Einkehr besonders lohnt. Vielerorts entdeckte er Landgasthöfe mit einer unaufgeregten Regionalküche. Seinen Favoriten allerdings fand er in Stumm im mittleren Zillertal.
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KULINARISCHE EXKURSION Zillertal
Hannes Ebster: Lindenwirt und Küchenchef
„Du bist das Land, dem ich die Treue halte, weil du so schön bist mein Tiroler Land...“ — die Refrainzeilen eines Liedes, das zwischen Allgäuer und Kitzbüheler Alpen jedes Kind kennt. Text: Julius Mosen, Musik: Leopold Knebelsberger und seit 1948 die offizielle Hymne des österreichischen Bundeslandes Tirol. „Und wo“, fragt nun der neugierige Tourist, „ist das Tiroler Land am schönsten?“ Für Hannes Ebster, Inhaber und Küchenchef eines der ältesten Tiroler Gasthöfe, ist die Antwort klar wie Kloßbrühe: „Natürlich im Zillertal!“ Kein Wunder, Ebster ist im Zillertal geboren und aufgewachsen, seine Familie lebt seit Generationen in dieser
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Gegend rund 40 Kilometer östlich von Innsbruck, die ihren Namen dem Flüsschen Ziller verdankt. Die Fremdenverkehrsmanager werben mit dem ganzen Arsenal superlativer Attribute für das Zillertal: atemberaubende Berge, einzigartige Flora und Fauna, wunderschöne Wanderwege. „Weg von der Hitze der Großstadt kannst Du hier in angenehmer Frische jede Minute aktiv genießen, die Seele baumeln lassen und den Gaumen verwöhnen.“ Die beste kulinarische Adresse im Zillertal heißt Landgasthof Linde und befindet sich in Stumm. Hinter dem Namen, der faschierte Laibchen — so
heißen hier die Bouletten — und Feierabendbier vermuten lässt, verbirgt sich in Wirklichkeit eine Gourmetküche, die mit frischen Produkten aus einheimischer Landwirtschaft und deren subtiler Verarbeitung punktet. Stumm, 1.825 Einwohner, liegt im mittleren Zillertal. Ein Bilderbuchort, Bäcker, Kirche, Kaufmannsladen, aller zwei Jahre „Stummer Schrei“, ein internationales Kulturfestival. Ein großer Sohn: Stephan Eberharter, Skirennläufer, Olympiasieger, Ehrenbürger der Gemeinde. Und eben jenes Gasthaus am Dorfplatz mit der 300-jährigen Linde davor, dem idyllischen Garten dahinter, den gemütlichen Stuben und einer
Zillertal KULINARISCHE EXKURSION
Idyllisch: Landgasthof Linde in Stumm
Gemütlich: Hotel und Restaurant
Küche, die, Gott sei Dank, alle in Urlaubsregionen üblichen systemgastronomischen Grausamkeiten aus ihrem Repertoire verbannt. Neben der Rezeption ein Stammbaum, schriftlicher Traditionsbeweis der Inhaberfamilie: Franz Ebster. Josef Ebster, 1779-1833, Anführer der Zillertaler Freiheitskämpfer, Schützenhauptmann von Stumm, kämpfte mit Andreas Hofer 1805-1809 gegen die Bayern und Franzosen. Alois Ebster. Davit Ebster. Hans Ebster. Anton Ebster. Hannes Ebster. Hannes, Jahrgang 1956, wäre gern Profifußballer geworden und hätte wohl auch das Zeug dazu gehabt, aber Tradition verpflichtet eben, in Tirol allemal.
Gesund: Bio-Garten hinterm Haus
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KULINARISCHE EXKURSION Zillertal
Auf den Tellern...
...Tiroler Traditionsgerichte...
...und andere Alpenlandschmankerl
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Er absolvierte die Hotelfachschule Villa Blanka in der Landeshauptstadt und übernahm den familiären Hotelund Restaurationsbetrieb. Statt Wacker Innsbruck also Küche redlich. Haubenstatt Bundesliga. Die österreichischen Gault-Millau-Tester konstatierten: „Der Landgasthof Linde — ein Kleinod, in dem eine behutsame Verbindung von Tradition mit aktuellen Gästeansprüchen gesucht und gefunden wird.“ In Ebsters Küche wird deutlich, was das heißt. „Wir verwenden ausschließlich ehrliche Lebensmittel mit einer nachvollziehbaren Herkunft und der damit verbundenen Ethik“, erläutert der Küchenchef und zeigt, was er meint.
Zillertal KULINARISCHE EXKURSION
Freiwillige Küchenhilfen: Ebsters Tanten Frieda und Hedwig, re.
Abendliche Küchenschlacht: Schicken, bis der Arzt kommt
Gemüse und Kräuter stammen aus dem eigenen Biogarten, das Obst von den Bäumen hinterm Haus. Eier und Fleisch kommen von Höfen aus der Nachbarschaft, Süßwasserfische aus den umliegenden Gewässern, Wildbret aus heimischen Revieren. Ebster schwärmt von den bodenständigen Tiroler Grundprodukten, dem Fleisch vom Tuxer Ochsen und dem Innervillgratener Berglamm, den Achensee-Saiblingen, von Heumilchkäse und hausgemachten Marmeladen und vergisst nicht zu erwähnen, dass es immerhin eine Tirolerin war, die das erste österreichische Kochbuch verfasste: Philippine Welser aus Innsbruck, die
Mitte des 16. Jahrhunderts Gerichte á la tyrolienne hoffähig machte. „Sogar Auguste Escoffier hat unserer Küche mit der Aufnahme der Tiroler Sauce in seinen Kochkunst-Führer ein Denkmal gesetzt“, sagt Ebster noch. Dann macht er sich in der großen Gasthof-Küche ans Werk. Er serviert Tafelspitzsuppe mit Frittaten (Pfannkuchenstreifen), Bachsaiblingsfilet mit feiner Karfiolcreme (Blumenkohlcreme), Schlutzkrapfen (Tiroler Antwort auf die italienische Ravioli) mit SpinatRicotta-Fülle, brauner Butter und Parmesan, das Beste vom Berglamm mit Erdäpfelpaunzen (eine Art Gnocchi, die nach dem Kochen noch gebraten wird),
Hirschkalbsragout, Zwiebelrostbraten und Ebsters berühmte Tiroler Ofenleber mit Wirsinggemüse und Erdäpfelpüree. Eine astreine Regionalküche, bei der die suggestive Wirkung von Edelprodukten entfällt, dadurch das Handwerkliche besonders klar hervortritt und die Preise maßvoll bleiben. Übrigens: für viele Brandenburger Gastronomen, die meinen, mit Garnelenspieß und Tilapia aus der Tiefkühltruhe ihre Speisenkarte aufpeppen zu müssen, könnte der Landgasthof Linde ein ideales Vorbild sein. „Keine Entgleisungen“, sagt Ebster, „wir stehen zu unserer kulinarischen Tradition und Identität.“
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„Charmante Gastlichkeit im Zillertal“, heißt es in einer Werbebroschüre über die Linde in Stumm. Gemeint ist damit wohl in erster Linie der Service von Ebsters Frau Christina und ihrer Brigade. Freundlich, gewinnend, kompetent — vom Frühstück für die Hausgäste über die Versorgung müder Wanderer am Mittag bis zum Feinschmeckermenü am Abend mit entsprechendem Weinservice. Die 45-jährige Christina Ebster hat in Innsbruck ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert und formuliert dementsprechend: „85 sogenannte Genussregionen stehen derzeit für Regionalität und nachvollziehbare Herkunft unserer Produkte und leiten die Gäste durch das kulinarische Österreich. Und das wiederum ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für unser Land.“ „Inzwischen habe ich die Lektüre der Speisenkarte beendet und sehe mit großen Erwartungen dem entgegen, was ich an Essbarem bestellt habe: Zillertaler Krapfen, Zillertaler Ofenleber und Tiroler Lamm mit Bärlauchpesto. Die Krapfen sind in der Pfanne gebratene, mit Graukäse gefüllte Taschen aus geriebenen Kartoffeln. Ein wunderbarer Einstieg, welcher noch übertroffen wird durch ... die Ofenleber. Das Lamm ist zarter als seine französischen Verwandten, und ich verlasse die „Linde“ in Stumm mit der aufgefrischten Erkenntnis, dass es ein Leben nach der Haute Cuisine gibt.“ Wolfram Siebeck in: Siebecks Seitenhiebe — Aus dem Leben eines Berufsessers, München 2008
Lecker: Linden-Vorspeise
Fesch: Linden-Service mit Chefin Christina Ebster, re.
Landgasthof Linde Dorf 2 A-6272 Stumm im Zillertal Tel. 0043 5283 - 22 77 www.landgasthof-linde.at
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Lauschig: Linden-Garten
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RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb
Wenn in Berlin oder Brandenburg ein weißer 7,5-Tonnen-Kühltransporter mit dem Zeichen der Kirsche ein Hotel, Krankenhaus, eine Kantine oder ein Restaurant ansteuert, heißt es dort schlicht: Fuhrmann kommt. Dieter Fuhrmann, Chef des gleichnamigen Fruchtgroßhandels und der Grand Old Man seines Berufsstandes in Berlin, gehört zu den kenntnisreichsten Männern seiner Branche. Lieber klein, dafür fein — mit diesem Motto startete er 1977 auf einem Charlottenburger Hinterhof ins Obstund Gemüsegeschäft. 1980 Umzug auf den Fruchthof an der Beusselstraße, 1996 Eintritt seines Sohnes Marcus als Juniorchef in die Firma, 2007 Übernahme einer neuen Kühlhalle.
Firmenchef Dieter Fuhrmann
Inzwischen beschäftigen die Fuhrmänner 28 Mitarbeiter, die mit 18 Kühltransportern rund 500 Produkte ausliefern, pünktlich, zuverlässig und
in hoher Qualität. Für Garcon stellen Dieter und Marcus Fuhrmann im Wechsel ihre Früchte vor.
Heute: Topinambur
FUHRMANNS FRÜCHTEKORB Die Erdbirne von Dieter Fuhrmann
„Topi-wie?“ — fragte ich meine Mutter als sie das erste Mal — es muss so Ende der 1940 Jahre gewesen sein — eine Knolle mit eigenwilliger Form auf den Tisch brachte. Der Name klang wie der eines Indianerhäuptlings aus meinen Karl-MayBüchern. Dass ich damit gar nicht so falsch lag, erfuhr ich allerdings erst viel später. Topinambur war für nordamerikanische Indianer tatsächlich ein wichtiges Nahrungsmittel. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde die Pflanze, die übrigens eine Verwandte der Sonnenblume ist (in Italien heißt sie beispielsweise „girasole“, was so viel bedeutet wie „der Sonne zugewandt“), von Seefahrern nach Europa gebracht. Hier diente ihre Knolle als Gemüse für die menschliche Ernährung und die ganze Pflanze als Futter fürs liebe Vieh. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde sie jedoch nach und nach von der Kartoffel verdrängt. Ein kurzes Comeback
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erlebte sie in der Hungerzeit nach dem zweiten Weltkrieg, dann verschwand sie — wie die Steckrübe — fast völlig aus der Küche. Sehr zu Unrecht, denn Topinambur ist kalorienarm, enthält viel Kalium, Eisen und das wichtige B1-Vitamin sowie erhebliche Mengen des Polysaccharids Inulin, weswegen Diabetiker Topinambur als Kartoffel-Ersatz schätzen. Vor einigen Jahren hielt sie wieder Einzug auch in deutsche Küchen, auch in die der Spitzengastronomie. Feinschmecker schätzen den edlen, fein-nussigen Geschmack der Knolle, der stark an den von Artischocken erinnert. Die rohe Knolle eignet sich gehobelt oder geraspelt für frische Salate — am besten etwas Zitronensaft hinzugeben, um eine bräunliche Verfärbung an der
Luft zu vermeiden. Das typische nussartige Aroma, das beispielsweise in Kombination mit in Butter gebräunten Semmelbröseln noch besser zur Geltung kommt, entsteht allerdings erst durch das Garen der Knolle. Topinambur schmeckt auch als Gemüseauflauf, als Püree und als Cremesuppe. Eine wirklich wunderbare Topinambursuppe wird übrigens im Kreuzberger Restaurant Figl (www.gasthaus-figl.de) gekocht — sämig, nussig und von leicht angenehmer Süße. Leider wird sie mit grausigem Trüffelöl angeboten, aber ein Wort zum Service genügt, und das Öl bleibt in der Flasche. Meine Meinung: wenn schon, dann richtig. Also mit schwarzem Trüffel und ein bisschen Trüffel-Jus. www.dieter-fuhrmann.de
GESCHMACKSSACHEN Hammers Käsebrett
Manuela Sporbert und Jürgen Hammer
Manuela Sporbert und Jürgen Hammer — sie Hotelfachfrau aus dem sächsischen Rochlitz, er Sommelier
aus Würzburg — lernten sich in der Servicebrigade des Drei-Sterne-Restaurants von Dieter Müller in Bergisch
Gladbach kennen. Nach weiteren Stationen, u.a. in der Weinbar Rutz, eröffneten sie im November 2007 ein eigenes Geschäft in der Kreuzberger Körtestraße. Hammers Weinkostbar mauserte sich schnell zu einer der ersten Berliner Wein- und Feinkostadressen. Die kulinarischen Seminare von Manuela Sporbert und Jürgen Hammer gelten als gleichermaßen lehrreich wie unterhaltsam. Das Stadtmagazin Zitty zeichnete die Weinkostbar dafür als „Beste Genussschule Berlins“ aus. Im Garcon vermitteln die beiden Experten Wissenswertes über Käsesorten und deren Besonderheiten, geben Tipps für den Einkauf und empfehlen zum Käse passende Weine.
Heute: Banon de Banon
HAMMERS KÄSEBRETT Banon de banon von mANUELA sPORBERT
Deutschlands beste Restaurants wetteifern auch mit der Vielfalt ihrer Käseangebote. Das Bareiss in Baiersbronn-Mitteltal lässt als Spitzenreiter ein Sortiment von 70 Sorten auffahren, auf 60 bringt es das Leipziger Falco. 40 bieten das Aqua in Wolfsburg und die Schwarzwaldstube
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in Baiersbronn-Tonbach ihren Gästen. In Berlin offerieren das Fischers Fritz und das Lorenz Adlon immerhin noch 30 Sorten. Mit ziemlicher Sicherheit dürfte bei einer solchen Tour de Fromage auch ein Banon de Banon vorkommen — erstens, weil er zu den bekanntesten Käsekre-
ationen Frankreichs gehört, zweitens, weil es um ihn so viele Geschichten gibt und drittens, weil sein Geschmack einfach einzigartig ist. Der Banon de Banon stammt aus einem Ort mit gleichem Namen. Vor einigen Jahren fuhren wir während eines Provence-Urlaubs auch nach Banon.
Hammers Käsebrett GESCHMACKSSACHEN
Sollte es so etwas wie einen Wettbewerb um das schönste Dorf Frankreichs geben, Banon hätte gute Chancen auf einen Platz weit vorn. Mittelalterliche Gassen, hübsche Häuser mit typisch provenzalischem Charme, umgeben von weiten Lavendelfeldern — das ist Banon. An der Route de Carniol, am Ortsrand, befindet sich die Fromagerie de Banon, eine mittelständische Käserei, in der die Käsespezialität handwerklich hergestellt wird. Grundlage ist eine besonders gehaltvolle Milch, die natürlich aus der Region kommt und von Ziegen der Rassen Alpines chamoisées, Saanen blanches, Communes und Roves stammt, die übrigens nicht mit Silage gefüttert werden dürfen. Rund 3.000 Liter Milch von 18 Produzenten werden täglich geliefert, pingelig kontrolliert, auf 30 Grad Celsius erwärmt, mit Labferment angereichert und zum Gerinnen in große Becken gelagert.
Dann wird der sogenannte Bruch in Formen geschöpft, die Molke kann abtropfen. Von Hand gesalzen, verabschieden die Käser den noch weichen Teig vier bis sechs Tage zum Reifen in die Trockenkammer. Seine endgültige Aufmachung erhält der Banon de Banon anschließend
durch im Herbst in den Wäldern der Corrèze gesammelte Kastanienblätter. Sie werden gekocht, in Essigwasser eingeweicht und dann um die kleinen Käse gewickelt. Das ist nicht nur eine uralte Konservierungsmethode, die Gerbstoffe der Blätter verleihen dem Banon auch seine besondere Geschmacksnote. Nach nochmaliger Reifung bekommt er sein Qualitätssiegel. Als Faustregel gilt: je jünger der Banon ist, desto milder und nussiger schmeckt er. Bei länger gereiftem Käse wird das Aroma immer stärker, vollmundiger und pikanter. Die Franzosen empfehlen zu ihrer provenzalischen Käsespezialität natürlich einen Wein aus der gleichen Gegend, einen trockenen Weißwein, einen Coteaux du Ventoux rosé oder, zum länger gereiften, würzigen Banon, auch einen roten Coteaux du Ventoux. Gegenvorschlag: warum nicht mal einen Madeira — beispielsweise von der Madeira Wine Company im portugiesischen Funchal, fünf Jahre im Eichenfass gereift. Frankreich und Portugal, das passt doch, finden wir.
Hammers weinkostbar Körtestraße 20 10967 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 - 69 81 86 77 www.hammers-wein.de
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GASTROQUIZ
1892 gründeten die aus der Nähe von Karlsruhe stammenden Brüder August und Carl Aschinger in Berlin ihre erste Stehbierhalle, weitere folgten schnell. Bereits sechs Jahre später betrieb Aschinger 23 sogenannte Bierquellen,
15 Konditoreien sowie 8 Restaurants und war damit der größte Gastronomiebetrieb Europas. Gekocht wurde in einer Zentralküche, über deren Leistung zeitgenössische Quellen zum Beispiel folgendes berichten:
Wir wollen heute wissen, wo sich Berlins damals größte Küche befand:
Ihre Antwort bitte an: Bildart Media Verlag GmbH Redaktion GARÇON Marzahner Promenade 26 12679 Berlin E-Mail: info@bildart-verlag.de Die Gewinne, drei Kochbücher, werden unter den Teilnehmern verlost, die unsere Frage richtig beantwortet haben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss ist der 18. April 2011. Die Gewinne werden von der Redaktion per Post zugesandt.
A in Friedrichshain
B in Kreuzberg
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Das Original seit 1846
REDAKTION Yvonne Weinlich (V.i.S.d.P.), Jörg Teuscher, Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Claudia Lerch, Marc Steyer, Anna Weber, Nadja Kohlhagen (Praktikantin) AUTOREN DIESER AUSGABE Dieter Fuhrmann, Ralf Hiener, Shoko Kono, Andreas Langholz, Brit Lippold, Renate Peiler, Wolfgang Schuhmacher GRAFIK & LAYOUT Maik Kleinhanns/davin-c www.davin-c.de TITEL Karin Baetz www.karindrawings.de FOTOS Heiko Gralki, Jörg Teuscher, Christoph A. Puszkar, Rational GmbH, Massimo Mannozzi privat, Archiv Thorsten Tomski, Archiv Garcon Wir bedanken uns bei Katja Wagner (mancherleigrün GbR) und Veronika Polak (Lietzenburg Restauration KG) für ihre Hilfe. ANZEIGEN Yvonne Weinlich, Henriette Jüngel anzeigen@bildart-verlag.de BEZUGSHINWEISE Zu beziehen in Zeitschriftenhandlungen oder im Abonnement über den Verlag. Einzelheftbestellung: Jedes Heft kostet 6,00 € zuzüglich 1,80 € Versand- und Bearbeitungskosten pro Sendung. Bezahlung nach Erhalt der Rechnung oder im Lastschrifteinzugsverfahren. Diese Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung bedarf der Zustimmung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Unterlagen und Fotos wird keine Haftung übernommen. Über die Verwendung der Materialien entscheidet die Redaktion. Eine Rückantwort ist nicht vorgesehen, wenn nicht individuelle Absprachen dem entgegen stehen. Aufnahme in Online-Dienste, Internet und Vervielfältigung auf Datenträgern nur nach schriftlicher Bestätigung des Verlages.
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