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Blackout

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Kurzmeldungen

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Schwarzmalerei?

Ein europaweiter Stromausfall könnte wichtige Infrastruktureinrichtungen lahm legen und unser aller Leben innerhalb von Tagen auf den Kopf stellen. Diese Gefahr als Panikmache abzutun, ist grob fahrlässig.

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HARALD KOLERUS

„Die Dimension eines Blackouts ist den wenigsten Menschen bewusst. So auch der Politik.“

Herbert Saurugg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge S tell Dir vor, es geht das Licht aus. Das hätte am 8. Jänner 2021 passieren können, als eine massive Störung des europäischen Stromnetzes für eine Schrecksekunde sorgte. Um einen großflächigen Ausfall zu vermeiden, mussten kurzfristig europaweit mehrere Kraftwerke hochgefahren werden. Letztlich wurde der Vorfall unter dem Motto „gut gegangen, nichts passiert“ subsumiert. So einfach sollte man es sich aber nicht machen.

Ausfall der Infrastruktur

Aber worum handelt es sich bei einem Blackout konkret? Herbert Saurugg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge, erklärt im Gespräch mit dem GELD-Magazin: „Unter einem Blackout definiere ich einen plötzlichen überregionalen, weite Teile Europas umfassenden und länger als zwölf Stunden andauernden Strom- sowie Infrastruktur- und Versorgungsausfall. Entscheidend ist, dass nicht nur das Stromnetz sondern auch die anderen Infrastrukturen betroffen sind und eine Hilfe von ,außen‘ nicht erwartbar ist. Der Stromausfall ist nur der Ausgangspunkt für längerfristige Versorgungsunterbrechungen bzw. Engpässe.“ Auch bei Austrian Power Grid (APG) wird nicht beschönigt, auf der Homepage des Übertragungsnetzbetreibers für Österreich heißt es: „Die Stromversorgung folgt einem wesentlichen Grundprinzip: In jeder Sekunde muss exakt so viel Strom erzeugt werden, wie gerade verbraucht wird. Gerät dieses Gleichgewicht außer Kontrolle, kippt das System und die Stromversorgung bricht zusammen. Durch Störungen, Ausfälle bzw. aus dem Ungleichgewicht von Stromerzeugung und Verbrauch entstehen Netzschwankungen, die bei entsprechender Verkettung von widrigen Umständen zu einem totalen Netzzusammenbruch führen können.“

Katastrophale Konsequenzen

Massive Infrastrukturausfälle wären die Folge – der öffentliche Verkehr steht still, mangelnde Mobilität wird zu einem großen Problem, ebenso die Grundversorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln. Angesichts solcher Szenarien stellt sich die Frage, warum ein Blackout kaum Gegenstand der öffentlichen Diskussion ist. Saurugg dazu: „Wir alle haben ein so definiertes Blackout noch nicht erlebt, deshalb ist es auch sehr schwierig, sich so ein Szenario vorstellen zu können. Das ist auch ein Grund dafür, warum politische Entscheidungsträger oft nicht besser vorbereitet sind als Durchschnittsbürger.“ Wie groß ist nun das Risiko, dass der Total-Ausfall eintritt? Saurugg: „Die Wahrscheinlichkeit eines sehr seltenen Ereignisses lässt sich nicht mathematisch berechnen. Ich persönlich bin aufgrund meiner langjährigen Auseinandersetzung davon überzeugt, dass wir in den nächsten fünf Jahren ein Blackout erleben werden. Auch das Österreichische Bundesheer hat vor rund einem Jahr vor einem solchen Ereignis binnen der nächsten fünf Jahre gewarnt. Wobei es nicht um ein Datum, sondern um die kurzfristige Bedrohung geht, auf die wir überhaupt nicht vorbereitet sind.“ Genau genommen wird es laut Saurugg bereits bis Ende 2022 kritisch, da bis dahin viele deutsche Kohle- und Atomkraftwerke abgeschaltet werden: „Damit werden die bisherigen Sicherheitspuffer drastisch reduziert. Die geplanten Ersatzleitungen werden erst viel später fertiggestellt. Umfassende Puffer und Speichersysteme fehlen

Keine Seltenheit: Regionale Stromausfälle

Es kommt immer wieder vor, dass bereits lokale Blackouts erheblichen Schaden anrichten: Besonders betroffen sind die USA. Eine arktische Kältewelle führte erst im heurigen Jänner zu einer Unterbrechung der Stromversorgung für viele Millionen Menschen in Texas aber auch Mexiko. Der Blackout beeinträchtigte die Energieindustrie in Texas, brachte die Schließung von Ölraffinerien, Beschränkungen durch Erdgaspipelinebetreiber, sowie das Einfrieren von Windkraftanlagen. Zu einiger Berühmtheit brachte es der Stromausfall von New York im Jahre 1977. Er führte zu erheblichen sozialen Unruhen: Mehr als 1500 Geschäfte sollen vom Mob im Schutze der Dunkelheit geplündert und über 1000 Brände sollen gelegt worden sein. Berichte, die Geburtenrate sei in Folge um 35 Prozent gestiegen, haben sich später aber als Fake News herausgestellt.

überhaupt.“ Das Gesagte liefert also genügend Grund zum Schwarzsehen. Wobei Kurt Misak, Leiter Sachgebiet Versorgungssicherheit bei APG, in einem Kommentar relativiert: „Die Grundvoraussetzung unserer Betriebsführung ist, dass wir mit unvorhergesehenen (Krisen-)Situationen umgehen müssen und nicht jedes singuläre Ereignis sofort zur einer Blackout-Gefahr führt. Es müssten also mehrere Zwischenfälle gleichzeitig und unvorhergesehen eintreten, damit unser Stromsystem aus dem Gleichgewicht kommt.“ Die Gefahr dafür hält er für relativ gering.

Besser vorbereiten

Auf die leichte Schulter sollte man das Thema jedenfalls nicht nehmen. Saurugg: „Jeder sollte vorbereitet sein: der Einzelne, Organisationen, Unternehmen und Gemeinden. Die Letztgenannten müssen im Falle eines Blackouts zumindest eine Grundversorgung mit Wasser, Lebensmittel und auch Gesundheitsdienstleistungen sicherstellen können. Krankenhäuser sind in der Regel nur auf regionale Stromausfälle vorbereitet, nicht aber auf ein Blackout mit weitreichenden und länger andauernden Versorgungsunterbrechungen.“ Wird sich die Politik des Themas bewusst? Saurugg: „Es bewegt sich etwas, allerdings nicht in der ausreichenden Geschwindigkeit. Es gibt nun auch Bestrebungen, das Thema auf EU-Ebene zu thematisieren, da es alle betrifft und nur gemeinsam bewältigt werden kann. Ende September 2020 gab es eine parlamentarische Anfrage an den Herrn Bundeskanzler, der sich aber als nicht zuständig erklärte. Das Argument lautet immer wieder: Katastrophenschutz ist Ländersache. So eine Denkweise bringt aber natürlich niemanden weiter. Zusammengefasst: Die Dimension eines Blackouts, wie sie von mir dargestellt wird, ist den wenigsten Menschen bewusst. So auch der Politik.“

Blackout: Die unterschätzte Gefahr würde die Lebensmittelversorgung unterbrechen

Chronik einer angekündigten Katastrophe

Quelle: www.saurugg.net Phase 1

Kein Strom, totaler Stillstand Phase 2

Keine Telekommunikation, Stillstand

Stunden Tage Phase 3

Wiederhochfahren der Infrastrukturen und Wiederherstellung der Versorgung

Wochen Monate Jahre

Ein europaweiter Blackout wäre ein erstmaliges Szenario, deshalb kann er auch kaum prognostiziert werden. Auch ist es schwierig, vorherzusagen, wie lange die Reparaturen dauern würden. Experten gehen aber von Wochen und Monaten aus. Folgen eines Blackouts; wie man sich darauf vorbereitet

Mit der Covid-Pandemie und der damit verbundenen Rückbesinnung auf Sicherheit hat sich auch das Bewusstsein für ein mögliches Blackout zumindest ein wenig erhöht. Einige Experten halten die Eintrittswahrscheinlichkeit für gering, ausschließen kann den Total-Ausfall aber niemand. Ohne Panikmache sollte man sich möglicher Konsequenzen bewusstwerden und eine breitere Diskussion eröffnen.

Enorme Schäden für die Wirtschaft

Sicherheit, Kommunikation und weitere Grundbedürfnisse wären den Folgen eines totalen Stromausfalls ausgeliefert, heißt es seitens Austrian Power Grid. Ebenso lässt der wirtschaftliche Faktor die heimische Industrie vor einem Blackout zittern. So verursacht laut einer Studie der Johannes-Kepler-Universität Linz jede Stunde ohne Strom 92 Millionen Euro Schaden für die heimische Volkswirtschaft. Ein ganzer Tag im Blackout würde das Land Österreich über eine Milliarde Euro kosten. Zum Vergleich: Ein Tag Lock Down schlägt sich im Schnitt mit 100 Millionen Euro zu Buche. Somit könnte ein Blackout die heimische Wirtschaft täglich das Zehnfache der derzeitigen CoronaPandemie kosten

Tipps für den Fall der Fälle

Auf www.government.at wird als Vorbereitung für den Ernstfall geraten: „Planen Sie wie für einen vierzehntägigen Campingurlaub in den eigenen vier Wänden – so denken Sie auch an all das, was Sie ganz individuell benötigen.“ Weiters heißt es: „Sorgen Sie für einen Getränke- sowie Lebensmittelvorrat für alle Familienmitglieder für mindestens 14 Tage.“ Die Getränkeversorgung wird dabei oft unterschätzt; manche Experten raten, 35 Liter pro Person vorrätig zu halten.

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