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15.04.2013

11:24 Uhr

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Mai 2013· B 1309 | € 5,90 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 6,50 | Be/Ne/Lux € 6,90

SAMMLER JOURNAL

MAI 2013

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

Porzellan 250 Jahre KPM

Gemälde Jan Brueghel d. Ä.

Serge Mouille Design-Leuchten

Dialog Leser & Experten

GEMI

Berichte & Preise

Ausstellungen

05

Tipps & Termine

4 195488 705908

Auktionen


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15.04.2013

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I N H A LT

Mai 2013· B 1309 | € 5,90 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 6,50 | Be/Ne/Lux € 6,90

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

Porzellan

DESIGN

250 Jahre KPM

Serge Mouille

Gemälde Jan Brueghel d. Ä.

Regina Voges

Serge Mouille

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Design-Leuchten

Dialog Leser & Experten

Berichte & Preise

Ausstellungen

05

Tipps & Termine

4 195488 705908

Auktionen

PORZELLAN Titelfoto: Edition Serge Mouille

KPM Ina Knekties

DIALOG

4

MAGAZIN

12

MESSETERMINE

16

KUNSTMARKT

18

AUKTIONSNOTIZEN

42

AUKTIONSTERMINE

54

INSERENTENVERZEICHNIS

61

AUSSTELLUNGEN

68

AUSSTELLUNGSTERMINE

76

LITERATURTIPP

82

AUKTIONSPREISE

92

IMPRESSUM

98

VORSCHAU

98

GEMÄLDE Jan Brueghel d. Ä. Anja Iwa

K U N ST H A N D W E R K Henry van de Velde

TERMINE & KLEINANZEIGEN IN DER BEILAGE

Wolf-D. Pecher

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15.04.2013

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Mou ille Serge Mouille Regina Voges

Lampe oder Feuerwerk? Fünf unbewegliche Arme breiten sich von einer kleinen Halbkugel über die Wand aus, sie messen zwischen einem halben und einem Meter. Die Reflektor-Form trägt den Namen „Casquette" (Schirmmütze), die Wandleuchte war aber auch mit „Muschel"-Schirmen zu bekommen. Das seltene Stück aus den frühen 1950er-Jahren wurde von Sotheby’s New York im März 2012 für 53.125 Dollar verkauft (Foto: Sotheby’s) Serge Mouille bei einem Deutschlandbesuch im Jahr 1977 (Foto: Martin Nerbel)

EXTRAVAGANTE KREATIONEN Seine Lampen sehen aus wie eigenwillige, sympathische Insekten. Auf filigranen Gliedmaßen balancieren sie ihre eleganten Köpfe, andere breiten sich spinnenartig über Wände aus. Der Franzose Serge Mouille hat sie in den 1950er-Jahren geschaffen und einige Erfolge mit ihnen gefeiert. Doch dann gerieten seine extravaganten Kreationen für Jahrzehnte in Vergessenheit, um heute wieder begehrter denn je zu sein. Einrichtungsmagazine präsentieren Serge Mouilles Geschöpfe als unentbehrliche Requisiten eines eklektischen Wohnstils. Da wirft die „Lampadaire Simple" (zu Deutsch: Einfache Lampe) ihr lesefreundliches Licht über Sofas von Minotti, es recken sich die Glieder der dreiarmigen „Araignée" (Spinne) über einer Louis-Seize-Kommode, um ein Bild von Signac oder Sigmar Polke anzustrahlen.Wer noch ein Mouille-Original aus den 1950erJahren sein eigen nennt, darf sich glücklich schätzen, denn er besitzt etwas sehr Wertvolles: Im Auktionshandel werden solch seltene Stücke mit bis zu fünfstelligen Zuschlägen honoriert. Entschieden weniger kosten reedierte Modelle, die im Auftrag der Familie des 1988 verstorbenen Designers von Hand gefertigt und in alle Welt verkauft werden.


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DESIGN

Diese Wandlampe entwickelte Serge Mouille 1957 für das Zentrum junger Arbeiter in Cachan. Rund 200 Stück wurden davon produziert, es wird geschätzt, dass es noch rund hundert Exemplare davon gibt. Das Modell besteht aus zwei Elementen: Das obere, augenförmige Teil beschien die Zimmerdecke, das untere tütenförmige den Arbeitstisch. Die Kosten mussten für „Cachan” niedrig gehalten werden, deshalb verzichtete Mouille auf kostspielige Messing-Details. Ihm selbst erschien die Wandlampe zu simpel, wohl deshalb beließ er es bei der Auftragsproduktion. Heute ist das Modell sehr gesucht: Das Pariser Auktionshaus Tajan bot dieses Lampenpaar im Mai 2012 zu einem Schätzpreis von 4.000 bis 6.000 Euro an, zugeschlagen wurde es für 5.100 (Foto: Tajan) Wandlampe mit drei unbeweglichen Armen, entworfen 1955. Bei Tajan wurde dieses Modell im Mai 2010 für 22.951 Euro zugeschlagen (Foto: Tajan) Für das Universitätszentrum Antony entwickelte Serge Mouille 1956 eine gleichnamige Lampenserie, mit der die Zimmer in den Wohnheimen ausgestattet wurden. Ein Exemplar der in der Höhe verstellbaren Wandlampe bot Tajan im Mai 2012 bei einer Taxe von 1.800 bis 2.000 Euro an, einem Liebhaber war das Stück schließlich 3.443 Euro wert (Foto: Tajan)

Der 1922 in Paris geborene Serge Mouille entdeckte schon mit dreizehn Jahren seine Liebe zur Arbeit mit Metall. Sein Vater war Polizist, die Mutter Schneiderin, die Familie lebte in der Rue Mouffetard, dem quirligen Viertel der kleinen Leute mit seinen vielen Geschäften und Märkten. Aus der

Schule brachte er keine guten Noten nach Hause, er raufte häufig mit seinen Altersgenossen. Fast jeden Abend habe die Mutter die Kleider des jungen Serge reparieren müssen, berichtet Pierre Emile Pralus in seiner Biografie. Die Ferien verbrachte der Junge in der Provinz, im Gâtinais, wo der Großvater als Landarbeiter sein karges Brot verdiente. Bei diesen Aufenthalten entdeckte Serge Mouille seine Liebe zur Natur. Zurückgekehrt in Paris, vertiefte er die Beziehung durch häufige Besuche im Botanischen Garten. Hier zeichnete er, schaute fasziniert dem Wachstum der Muscheln zu und bewunderte die Muskulatur der Tiere.

Seine Eltern wollten ihren Sohn in die Lehre schicken, doch Frankreich befand sich Mitte der 30er-Jahre in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Alle Schlossereien klapperten Vater und Sohn ab – eine Stelle war nirgends zu finden. Auf den Rat seines Zeichenlehrers hin bewarb sich Serge Mouille an der Ecole des Arts appliqués, der Schule für Angewandte Kunst. Eine genaue Vorstellung von dem, was man dort lernte, hatte er nicht. Mit dreizehneinhalb Jahren wurde er Schüler von Gabriel Lacroix, einer Kapazität der Silberschmiedekunst. Lacroix genoss zu dieser Zeit auch als Tierplastiker großen Ruhm. Er schuf seine Skulpturen aus bis zu fünf Quadratmeter großen Metallplatten – ausschließlich unter Einsatz des Hammers.

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KP M KPM Ina Knekties

Die Figuren Braut und Bräutigam als Teile eines „Hochzeitszuges" als Tafelaufsatz, entworfen von Adolph Amberg anlässlich der Heirat Wilhelm von Preußens mit Cecilie, Herzogin zu Mecklenburg. KPM Berlin, Entwurf um 1904/05, Hetjens-Museum – Deutsches Keramikmuseum Düsseldorf (Foto: Horst Kolberg)

250 JAHRE Nicht an der Spree, sondern am Rhein wird das 250-jährige Jubiläum der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) mit einer großen Sonderausstellung im Düsseldorfer Hetjens-Museum – Deutsches Keramikmuseum gefeiert. Die traditionsreiche Berliner Manufaktur selbst zeigt seit einigen Jahren am historischen Standort nahe dem Berliner Tiergarten in der sogenannten KPMWelt einen beeindruckenden Überblick ihrer bedeutendsten Porzellanschöpfungen von der friderizianischen Zeit bis in die Moderne. Unter dem Titel „Königliche Eleganz, preußische Pracht" wird nun im HetjensMuseum die glanzvolle Geschichte der KPM und deren wegweisender künstlerischer und technologischer Leistungen eindrucksvoll vor Augen geführt. Unzählige Exponate aus eigenem Bestand und Privatbesitz sowie Leihgaben von renommierten Museen und Galerien, wie dem Berliner Kunstgewerbemuseum, der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten oder der Galerie Neuse in Bremen, veranschaulichen die prägenden Charakteristika der Königlichen Porzellan-Manufaktur: elegante Formgebung und reiche Dekorvielfalt. Der Fokus liegt dabei auf den drei bedeutendsten Produktionsphasen: der Zeit des Rokokos, des Klassizismus und des Jugendstils. Die modernen Geschirre im Bauhausstil setzen einen markanten Abschluss der Ausstellung. Die Geschichte der KPM ist untrennbar mit der preußischen und der Berliner Geschichte verbunden. Gleichzeitig verknüpft sich die Historie der einstigen europäischen Großmacht eng mit dem Rheinland, wurde dieses doch ab 1815 eine der preußischen Rheinprovinzen, mit Düsseldorf als Verwaltungssitz. Dank der engen Kontakte zur Hauptstadt gelang der Rheinmetropole rasch der Aufstieg zur einflussreichen Kunststadt, wozu die Wiederbegründung


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PORZELLAN

Putto als Advokat, Putto als Geistlicher und Putto als Arzt, Manufaktur Wegely, 1755, Hetjens-Museum – Deutsches Keramikmuseum Düsseldorf (Foto: Horst Kolberg) Tasse und Untertasse mit Porträt der Königin Luise und farbigen Immortellen. KPM Berlin, 1810, aus Privatbesitz (Foto: Horst Kolberg)

der Düsseldorfer Akademie als Königlich Preußische Kunstakademie in beträchtlichem Maße beitrug.

WEGELY – DIE ANFÄNGE Die Gründung der Berliner KPM – die bis heute zu den führenden Porzellanmanufakturen Europas zählt – geht auf Friedrich II. (1712-1786) zurück. Im Gegensatz zu seinem Vater Friedrich Wilhelm I., der 1717 ohne Zögern 151 in seinem Besitz befindliche chinesische Vasen gegen 600 sächsische Soldaten aus dem Heer Augusts

des Starken eintauschte, begeisterte sich Friedrich der Große bereits seit frühester Jugend für das „weiße Gold". Als Kronprinz bewunderte er die Meißener Porzellane am Dresdner Hof. Gleich nach seiner Thronbesteigung 1740 wünschte sich der junge Monarch, eine Porzellanfabrik ganz nach dem Vorbild der Meißener Manufaktur im heimischen Berlin anzusiedeln. Doch erst rund ein Jahrzehnt später entstanden in der Manufaktur Wegely die ersten Berliner Porzellane. Das Privileg zur Porzellanherstellung verlieh der preußische König 1751 dem Wollzeugfabrikanten Wilhelm Caspar Wegely (17141764), der mit Hilfe von Porzellinern aus Höchst, Fürstenberg und Meißen die erste Porzellanmanufaktur Berlins in einem ehemaligen Kommandantenhaus errichtete. Produziert wurden Geschirre und Figuren, die vornehmlich in Meißener Manier gestaltet waren. Exemplarisch hierfür stehen die in Düsseldorf ausgestellten Putten, die eine Serie von Figuren des Meißener Modelleurs

Adlervase mit Porträt Friedrichs des Großen. KPM Berlin, 1780-90, aus Privatbesitz (Fotos: Horst Kolberg)

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Brue ghel

Jan Brueghel d. Ä. Anja Iwa

Jan Brueghel d.Ä. und Peter Paul Rubens: „Flora und Zephyr”, um 1617, Holz, 136 x 109 cm; © Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, Schloss Mosigkau/Heinz Fräßdorf

FLÄMISCHER BAROCKKÜNSTLER Jan Brueghel d. Ä. (1568 Brüssel - 1625 Antwerpen), auch „Samtbrueghel” oder „Blumenbrueghel” genannt, war ein sehr erfolgreicher niederländischer Künstler und zugleich Sohn des berühmten niederländischen Malers Pieter Brueghel d. Ä. (um 1525 vermutlich Breda - 1569 Brüssel), genannt „Bauernbrueghel”. Er gehört zusammen mit Peter Paul Rubens (1577 Siegen - 1640 Antwerpen), mit dem er auch freundschaftlich sehr verbunden war, zu den bedeutendsten flämischen Künstlern zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Anders als sein Bruder Pieter Brueghel d. J. (1564 Brüssel - 1638 Antwerpen), der sich eng an den Werken seines berühmten Vaters Pieter Brueghel d. Ä. orientierte, entwickelte Jan Brueghel d. Ä. sehr früh einen eigenständigen Stil. Er wurde durch seine kleinformatigen Landschaftsbilder, seine naturgetreu wiedergegebenen Blumenstücke sowie seine sehr detailreichen Allegorien wegweisend für die flämische Barockmalerei. Jan Brueghel d. Ä. kam 1568 in Brüssel als Sohn von Pieter Brueghel d. Ä. und Mayken Coecke zur Welt. Der Vater verstarb bereits ein Jahr nach Jans Geburt, und nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 1578 wuchs er bei seiner Großmutter, der bekannten Miniatur- und Aquarellmalerin Mayken Verhulst Bessemers, auf. Von ihr erhielt er auch seine erste künstlerische Ausbildung. Um 1589 unternahm er eine Reise nach Italien, zu jener Zeit ein recht gebräuchlicher Schritt für junge Maler, um dort wertvolle künstlerische Erfahrungen zu sammlen. Von 1590 bis 1595 hielt er sich nachweisbar in Neapel und Rom auf. In Rom freundete er sich mit dem Landschaftsmaler Paul Bril an, machte Bekanntschaft mit Hans Rottenhammer und lernte auch seinen langjährigen Förderer und Mäzen Kardinal Federico Borromeo kennen, für den er von 1595 bis 1596 in


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GEMÄLDE

Mailand tätig war. Nach seiner Rückkehr nach Flandern wurde Jan Brueghel d. Ä. im Jahr 1597 als Meistersohn in die Antwerpener Lukasgilde aufgenommen. 1599 heiratete der Künstler Isabella de Jode, die Tochter des Kupferstechers Gerard de Jode. Am 13. September 1601 wurde der erste gemeinsame Sohn, der später ebenfalls erfolgreiche Maler Jan Brueghel d. J., geboren und ein Jahr später erblickte die Tochter Paschasia das Licht der Welt. Kurz nach der Geburt starb Isabella im Jahr 1603 und Jan ging bereits ein Jahr später im April 1604 eine neue Ehe mit Katharina van Marienburg ein. Diese zweite Ehe brachte acht Kinder hervor, darunter auch den Sohn Ambrosius (1617-1675), der sich später als ein weiteres Mitglied dieser Familie künstlerisch betätigte. 1604 unternahm Jan Brueghel d. Ä. eine Reise nach Prag und arbeitete im Anschluss daran häufig für den Hof des erzherzoglichen Statthalterpaares der Niederlande, Albrecht von Habsburg und Isabella Clara Eugenia, in Brüssel. Hier ist er erstmals 1606 dokumentiert. 1613 erhielt er die Privilegien eines Hofmalers in Brüssel und bereiste zusammen mit seinen Malerkollegen Peter Paul Ru-

„Belebte Waldstraße”, 1605, Kupfer, 25,3 x 35,9 cm, aus der Düsseldorfer Galerie; © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, München Jan Brueghel d. Ä. und Hendrik van Balen: „Der Frühling”, 1616, Kupfer, 58 x 86 cm, 1799 aus der Galerie Mannheim; © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, Staatsgalerie Neuburg a. d. Donau Jan Brueghel d. Ä. und Hendrik van Balen: „Der Herbst”, 1616, Kupfer, 56,7 x 85 cm, 1799 aus der Galerie Mannheim; © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, Staatsgalerie Neuburg a. d. Donau

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Henry van de Velde Wolf D. Pecher

Das sind die Preziosen, nach denen Sammler lechzen: Silberleuchter von 1904 (Landesmuseum Württemberg, Foto: Hendrik Zwietasch)

JUBILÄUM Henry van de Velde wurde 1863 geboren, vor 150 Jahren also. Ein schöner Anlass, wieder einmal sein reiches Schaffen auszubreiten. Den Anfang machte das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, das eines seiner schönsten Möbelensembles besitzt: das Arbeitszimmer des Verlegers Ludwig Loeffler mit dem imposanten Secessions-Schreibtisch. Seit Jahrzehnten im Depot dämmernd, wurden der Schreibtisch, der Bücher- und der Grafikschrank und der elegante Sessel effektvoll und aufwändig präsentiert, ebenso die anderen van de Velde-Objekte des Museums. Sie werden bis Ende September zu sehen sein. Derzeit ist in Weimar die große Jubiläumsausstellung zu sehen (bis 23. Juni). Sie geht anschließend nach Brüssel in des Künstlers Heimatland Belgien. Es ist die „größte van de Velde-Ausstellung, die es je gab“. Und auszustellen gibt es ja reichlich: Möbel, Teppiche, Tapeten, Silberwaren, Bestecke, Schmuck, Porzellan, Bücher, sogar Damenmode und Tabakpfeifen. Wahrscheinlich hat kein Designer je eine solche Vielfalt und

Henry van de Velde in Weimar, um 1905. 14 Jahre lebte er hier, nicht immer glücklich (Foto: Klassik Stiftung Weimar)


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K U N STA N D W E R K

Fülle an Werken geschaffen. Aber van de Velde hat auch als Architekt Ansehnliches hinterlassen, und er hat Schiffe ausgestattet und Eisenbahnen. Und er hat in vielen Schriften für seine Ideen geworben – fürwahr ein „Alles-Könner“, wie er in der Nürnberger Ausstellung genannt wird. Nichts von alledem hat van de Velde „gelernt“. Er wollte eigentlich Maler werden, hat auch einige Semester Malerei studiert, freilich bei Lehrern, die dem Historismus frönten. Mehr lernte er von den Altersgenossen, die impressionistisch oder pointillistisch malten. Der junge Maler versuchte wie van Gogh oder Seurat zu malen, aber nicht eigentlich wie van de Velde. Es war konsequent, dass er das Malen aufgab – und klug, denn er erkannte, dass es Wichtigeres gab, als Gemälde zu malen. Zum Beispiel: Sich aufzulehnen gegen die wildwuchernden Stilimitationen des Historismus, die von der Kaffeetasse bis zum Hauptbahnhof alle Bereiche des Lebens beherrschten. Dieses Aufbegehren begann zuerst in England, wo etwa William Morris zurück zu den Wurzeln des Designs strebte. Er endete jedoch wieder bei einer Art Gothic Revival und hübschen Stoffmustern. Aber er schwärmte auch von einer Art Urkommunismus und schimpfte über den schweinischen Luxus der Reichen. Beides interessierte den jungen van de Velde, er las auch die Schriften der russischen Revoluzzer Bakunin und Kropotkin. Die MorrisBlümchen überwand er schnell, die sozialistischen Flausen trieb ihm dann seine Luxuskundschaft aus. Wer 5000 Goldmark für einen van de Velde-Schreibtisch ausgeben konnte, gehörte sicher nicht zur Arbeiterklasse. Ein Arbeiter verdiente damals 50 Pfennig in der Stunde.

WELTVERSCHÖNERER Bis es soweit war, brauchte der junge Weltverschönerer einige Jahre. Er verkroch sich in einem einsamen

Dorf im sandigen Flandern, lief mit Holzpantinen herum und wollte Schäfer werden. Dass er es nicht wurde, verdankt die Welt einer jungen Frau, die den 30-jährigen Jungmann erweckte. Das war nun aber kein Meisje vom Lande, sondern die Tochter eines wohlhabenden Brüsseler Textilfabrikanten: Maria Sethe. Sie schenkte Henry ihre Liebe, und ihre Mutter schenkte das Geld. Nun konnte der Spätberufene seine Karriere als Designer starten, erst mit Möbeln für die Familie, dann auch gleich als Amateurarchitekt mit einem Haus für sich und seine Frau: Haus Bloemenwerf in Brüssel. Dieses Haus und seine Einrichtung wollte der Kunsthändler S. Bing aus Paris kennenlernen, der – ebenso wie van de Velde – einen neuen Stil propagieren und in seinem Geschäft vorstellen wollte. Van de Velde durfte vier Zimmer für die Erstausstattung des Ladens einrichten, sein erster großer Auftrag. Am Weihnachtstag 1895 wurde „L'Art nouveau – Die neue Kunst” eröffnet. Die Pariser fanden die Möbel scheußlich, der Figaro empfand sie als „lasterhaft, jüdisch oder als belgische Spekulation“. Ein glatter Reinfall also. Van de Veldes Zukunft lag nicht an der Seine. Der Künstler, in Antwerpen geboren, also Flame, hat sein Leben lang darunter gelitten. Er sprach zwar französisch, fühlte aber nicht so. Und der Kunstvermittler Siegfried Bing (der sich in France lieber Samuel nannte) war gar Deutscher (aus Hamburg). Belgier kennen die unüberbrückbaren Unterschiede zwischen romanischem und germanischem Denken und Fühlen aus ihrem schwierigen Zusammenleben. Van de Veldes Zukunft lag in Deutschland. Die gleichen Möbel, die die Pariser hässlich fanden, wurden 1897 in einer Ausstellung in Dresden gezeigt und weckten Interesse. Sie blieben zwar auch hier unverkauft (und sind verschollen), aber der Name van de Velde, der anfangs nicht einmal genannt worden war, wurde

Der Bloemenwerf-Stuhl mit MorrisStoff-Bezug, 1897. Ein hübsches Unikat (Privatbesitz, Foto: Alexander Burzik) „Van de Velde macht Schmuck für kluge Frauen”, rühmte ein Zeitgenosse. In diesem Fall mussten ihre Männer wenigstens reich sein: eines seiner teuersten Schmuckstücke, um 1898 (Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich)

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