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11.05.2013
12:22 Uhr
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I N H A LT
Juni 2013· B 1309 | € 5,90 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 6,50 | Be/Ne/Lux € 6,90
KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN
Über 2.000 Sammlertermine
Obelisken Kunstgewerbe und Kultur
K U N ST H A N D W E R K
Skulptur
Obelisken
Bettlerfiguren
Dieter Weidmann
Design Wilhelm Wagenfeld
22
Mode Taschen
Ausstellungen Tipps & Termine
Berichte & Preise
Dialog
06
Leser & Experten
4 195488 705908
Auktionen
SKULPTUR Titelfotos: Auktionshaus Hampel, Auktionshaus Nagel
DIALOG
4
MAGAZIN
12
MESSETERMINE
18
KUNSTMARKT
20
AUKTIONSNOTIZEN
34
AUKTIONSTERMINE
44
INSERENTENVERZEICHNIS
51
Bettlerfiguren Werner K. Weidert
MODE Taschen
LITERATURTIPP
60
AUSSTELLUNGEN
62
AUSSTELLUNGSTERMINE
70
AUKTIONSPREISE
84
IMPRESSUM
90
VORSCHAU
90
Bettina Krogemann
DESIGN Wilhelm Wagenfeld
TERMINE & KLEINANZEIGEN IN DER BEILAGE
Carlo Burschel
30 52 76
3
22_29_Obelisken
11.05.2013
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Obel isken Obelisken Dieter Weidmann
DIE FASZINATION ÄGYPTENS Die Gründe, warum Ägypten die Europäer fasziniert, sind vielfältig. Da ist zunächst das Geheimnis, das diese Kultur umgibt, vor allem sein rätselhafter Totenkult, die Tatsache, dass man hier toten Menschen ungeheuer große Monumente errichtete. Doch diese Monumente waren nicht nur groß, sondern in Material und Form für die Ewigkeit gebaut. Es gibt kaum ein Monument der Geschichte, das sich so sehr ins kollektive Gedächtnis gegraben hat wie die ägyptischen Pyramiden. Und neben ihrer Größe ist es vor allem die einfache, geometrische und abstrakte Form, die uns unmittelbar gefangen nimmt. Ein weiteres Faszinosum waren die rätselhaften Hieroglyphen, die man bis 1822, als dem Franzosen Champolion die vollständige Entzifferung gelang, nicht lesen konnte, da circa 400 nach Christus dieses Wissen in Vergessenheit geraten ist und die einzigen Schriftquellen, die man aus der Antike besaß, nach dieser Zeit datierten. Da die Hieroglyphen, wie bekannt, eine Bilderschrift sind, laden sie zum Rätselraten geradezu ein und in der Alchemie und anderen Geheimlehren hat man sich allerlei Reime darauf gemacht, die natürlich allesamt falsch waren. So war die altägyptische Kultur auch eine ideale Projektionsfläche für alle möglichen Fantastereien, so wie bis heute die Astrologie, die ja auch auf die alten Ägypter zurückgeführt wird. Ein wichtiges Zeugnis der altägyptischen Kultur sind die Obelisken, die vielfach bereits in antiker Zeit nach Europa gekommen sind, allein nach
Obelisken, Italien, 19. Jahrhundert, verschiedenfarbiger Marmor, H 75 cm. Diese Einlegearbeit mit harten Steinen war in Italien sehr beliebt und wird „pietra dura" genannt, was nichts anderes als „harter Stein” bedeutet (Foto: Auktionshaus Hampel)
22_29_Obelisken
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K U N ST H A N D W E R K
Pendule „A L'Obelisque", Paris, um 1760, Marmorgehäuse, vergoldete Bronze, Emailzifferblatt, H 56 cm. Die Szene auf dem Relief zeigt unten drei bekleidete Frauen, möglicherweise die drei Parzen, die das Schicksal bestimmen, darüber schwebt auf Wolken, von einem Engel gehalten, eine Pyramide, und über dieser wieder auf Wolken, eine Krone, bei der es sich nur um die französische handeln kann. Die symbolische Aussage, dass dem französischen Königtum ewige Dauer beschieden sei, hat sich, wie wir heute wissen, nicht bewahrheitet: Schon wenige Jahre später, genauer im Jahre 1789, war Schluss mit lustig! (Foto: Auktionshaus Nagel)
Jean-Nicolas Schmitt, Paris, 1789, Pendule, „A L'Obelisque", weißer Marmor und vergoldete Bronze, H 54 cm. Bei der Pendule „A L'Obelisque" handelt es sich um einen feststehenden Typus, denn es hat sich eine ganze Reihe mit mehr oder weniger großen Unterschieden erhalten. Hier tragen auf dem Relief zwei Frauen einen Erdglobus, auf dem wiederum Amor mit Bogen und einer Fackel steht. Der Obelisk selbst dient wiederum nur als Sockel für einen weiteren Erdglobus (Foto: Auktionshaus Koller)
Rom 13, von denen einige noch vorhanden sind. Der größte von ihnen – er steht vor dem Lateran – ist über 32 Meter hoch und wiegt mehr als 500 Tonnen. Berühmter als dieser ist aber der vor dem Petersdom in der Mitte des Petersplatzes. Er ist bedeutend kleiner und „nur" etwas über 20 Meter hoch. Dennoch stellte seine Errichtung im Jahr 1586 durch den Schweizer Architekten Domenico Fontana eine der ingenieurstechnischen Großtaten der Neuzeit dar, an der 150 Pferde, 900 Männer und 47 Seilwinden zum Einsatz kamen. Dabei war dieser Obelisk der einzige, der im Lauf der Zeit nicht umgestürzt war, weshalb er in einem Stück erhalten blieb. Er stand allerdings am falschen Ort, weshalb diese gigantische Umlege- und Neuaufstellungsaktion nötig wurde. Die anderen Obelisken waren leichter aufzustellen, weil sie in mehrere Stücke zerbrochen waren. Der Respekt, den die Antike bis in die
Neuzeit genoss, kam auch daher, dass Aufgaben, die die eigenen Kräfte zu überfordern drohten, von Ägyptern und Römern in jenen alten Tagen offensichtlich mit Leichtigkeit bewältigt wurden. Der Obelisk auf dem Petersplatz ist im Übrigen auch der einzige, der keine ägyptische Beschriftung trägt. Auf den anderen finden sich deutlich sichtbar Hieroglyphen, die bei den Obelisken in Ägypten immer auf der Seite des Tempels angebracht waren. Obelisken wurden in der Regel als Paare aufgestellt, was man bei den meisten Zierobelisken der Neuzeit beibehalten hat. Sie verkörperten im alten Ägypten Strahlen der Sonne bzw. die Verbindung der Erde mit dem Himmel. Das bevorzugte Material war rötlicher Granit, den man in den Steinbrüchen von Assuan brach und vor Ort in Form meißelte. Danach mussten die gigantischen Steinnadeln in riesigen Schiffen weiter transportiert werden. Wie die Ägypter
Jean Leonard Roque, Pendule um 1780, Marmor, vergoldete Bronze, Emailzifferblatt, H 62 cm (Foto: Sotheby’s)
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30_33_Bettler
11.05.2013
12:28 Uhr
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Bett ler Bettler Werner K.Weidert
ARMUT FÜR DIE SCHATZKAMMER Wenn heute „Altersarmut" als heißes Thema in aller Munde ist, wird leicht vergessen, dass Armut die zivilisierte Menschheit von Anfang an begleitet. Jede Gemeinschaft hatte und hat Mitglieder, die bestenfalls geduldet an ihrem Rande leben. In
An diesem älteren Paar deutet alles auf ein Leben unter den kläglichsten Bedingungen hin. Der Alte ist nicht nur blind, er braucht, gehbehindert, eine lange Krücke, die er unter die Achsel schieben kann. Seine Kleidung ist in erbärmlichem Zustand, dem linken Schuh fehlt die Kappe, die Hosenbeine enden in Fransen über den Knien, das Hemd klafft vom Hals bis zum Nabel weit auseinander. Nur der Umhang scheint noch einigermaßen zusammenzuhalten. Seine Gefährtin achtet besser auf ihre Kleidung, wobei auch ihre Kleidung am rechten Ellbogen ein großes Loch zeigt. Der Stock in ihrer Linken kennzeichnet den „Status" Bettlerin, genauso wie die Brotstücke in der Schürze sowie Löffel und Messer am Rock. Aus beider Gesicht sprechen die Entbehrungen des Lebens auf der Straße. – Von diesem Bettlerpaar (12 x 8,2 cm) gibt es eine zweite, mit 19 x 12,6 cm etwas größere Ausführung, ebenfalls aus Elfenbein. Sie ist – eine Ausnahme für das 17./18. Jahrhundert – erfreulicherweise signiert, so dass man den Künstler auch der zweiten Version des Themas benennen kann. Es ist Johann Christoph Ludwig Lücke, Bildhauer in Elfenbein, Stein, Holz, Ton, Wachs und Modelleur für Porzellan und Fayence. Wahrscheinlich in Dresden 1703 geboren, war er zeitlebens unterwegs. Als Arbeits- und Aufenthaltsorte sind bekannt: Dresden – hier arbeitete er für den Herzog von Mecklenburg-Schwerin –, Bremen, Hamburg, Wien, Meißen, Kopenhagen, Petersburg, Danzig, London. Er starb vermutlich 1780 in Danzig (Foto: Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Herrn Florian Eitle, Kunsthandlung Julius Böhler, Starnberg)
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SKULPTUR
den vergleichsweise spärlichen historischen Quellen der Frühzeit sind sie nicht vertreten. Sie waren kein Thema der Kunst. Doch als man beginnt, das tägliche Leben „abzubilden", tauchen auch Bettler auf. Ein Beispiel dafür bietet Pompeji, jenes blühende römische Gemeinwesen, das im Jahr 79 n. Chr. vom Vulkan Vesuv verschüttet wurde. Dort legte man im Hause der Julia Felix einen Raum frei, dessen Wände mit farbigen Darstellungen des täglichen Lebens in der Stadt bemalt waren. Und was ist da auch festgehalten? Ein Bettler mit Hund, der zwischen den Säulen des Forums sitzt und dem eine vornehme Bürgerin einen Obulus in die Hand legt. Ergiebiger für die Suche nach Bettlern ist das Mittelalter. Sie sind beliebt als „Beiwerk" von Heiligen. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Darstellung des Heiligen Martin, der einen frierenden Bettler mit einem Stück seines Mantels beschenkt. Auch in Darstellungen größerer Volksmengen auf Gemälden fehlen Bettler selten. Sie sind leicht zu erkennen an ihren Gebrechen. Der
Frierender Bettler:Was den vollbärtigen, kräftigen, durchaus gesund wirkenden Mann als Randfigur der Gesellschaft kennzeichnet, ist ein Gebrechen. Er ist verwachsen, hat einen deutlichen Buckel. Frierend, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, überlegt er seine Situation. Er hat nur das Mindeste, das jeder braucht, der auf der Straße lebt, bei sich: die Wasserflasche und den – verloren gegangenen – Bettelstab. Auch die Kleidung verrät den Landstreicher. Ihr Zustand könnte schlimmer kaum sein, wesentlichen Teilen steht der endgültige Zerfall bevor. Große Löcher, fransige Fetzen lassen an manchen Stellen eine zweite Lage Stoff hervorscheinen und an anderen die nackte Haut. Am Gesäß drängt durch einen Schlitz ein Stoffbausch, die Arme genießen durch etliche Öffnungen im Hemd frische Luft, die Zehen des linken Fußes ragen ins Freie. – Der Schnitzer hat ein detailreiches Bild geschaffen, das in seiner Lebendigkeit überzeugt. Die mit 12 cm für Elfenbein große, rundplastische Figur erlaubte ihm seine hohe Kunstfertigkeit zu beweisen, von der Warze an der Nase über die mit unterschiedlichen Stichen aufgesetzten Flicken bis zu den Fingerund Fußnägeln. Ein Glanzpunkt des Könnens des Schnitzers ist der unter frei hängenden Stofflappen bloße Unterschenkel. Die Vorlage zu dieser Figur gab eine Radierung von J. Callot (1592-1635). Die Kleinplastik weist große Nähe zu Arbeiten von Wilhelm Krüger (1680-1756) auf. Dieser Bildhauer arbeitete unter anderem am Dresdner Hof für August den Starken und dessen Nachfolger. Er war so bekannt, dass es sich Zar Peter der Große nicht nehmen ließ, ihn zweimal in seiner Werkstatt aufzusuchen
eine ist verwachsen, hat einen Buckel, oft fehlt ein Körperglied, die Kleidung verdient bestenfalls die Bezeichnung „Lumpen”. Nie aber sind sie zentrales Bildthema. Gesteigertes Interesse im Kunstschaffen wird Bettlern erst in der Renaissance zuteil. Es sind die Grafiker,
Ungeachtet seines erbärmlichen Zustandes, schreitet der vollbärtige Mann mit erhobenem Kopf, eine Fahne – sie ist verloren – über der Schulter, einer Prozession voran. Das rechte Bein ist seltsam verdreht, die dick verbundene rechte Hand hängt kraftlos herab, das Gewand befindet sich im letzten Stadium des Zerfalls. Um das linke Bein windet sich eine „Stofffahne". Ein Fuß ist verbunden, der Schuh am nackten zweiten zu groß. Zur Ausrüstung gehören Schnappsack, Wasserflasche und die Eisenpfanne für das offene Feuer. – Der unbekannte Schnitzer dieser detailreichen, fein gearbeiteten, 9,2 cm großen vollrunden Figur aus Elfenbein sieht seinen Bettler als einen Menschen, der ungeachtet aller Nachteile, die sein Dasein mit sich bringt, dem Leben zugewandt ist. Als Vorlage diente dem Künstler eine Radierung von J. Callot mit der Darstellung eines Prozessionszugs von Bettlern
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52_59_Taschen
11.05.2013
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T asc hen Taschen Bettina Krogemann
Lederbeutel mit Seidenstickerei, Süddeutschland, datiert 1604
GUT EINGEPACKT Taschen – sie sind heute ein kaum mehr überschaubares Thema. Nehmen wir etwas mit, transportieren wir etwas, zieren wir uns mit einem ästhetischen Accessoire? Geht eine Dame noch heute nicht ohne eine Handtasche aus dem Haus, so der Student wohl nicht mehr ohne seinen sperrigen Rucksack, den er den gesamten Tag über durch öffentliche Verkehrsmittel, Hochschulen, Supermärkte und Cafés schleppt, dies oftmals zum Leidwesen seiner Mitmenschen. Da kann es schon einmal zu lauten Meinungsverschiedenheiten über das Thema dieses auf dem Rücken getragenen Großbeutels kommen, je nach seinem Format, seinem Bewegungsradius und seinem Gewicht. Was für junge urbane Menschen und ihre Lebensart heute zum Everyday Life gehört, nämlich Laptops, Bücher, Proviant, Sporttextilien und Ähnliches für sie Bedeutsames am Körper rücklängs durch eine Metropole zu tragen, hat vom Prinzip her seine Wurzeln im Mittelalter. Schon in dieser Epoche gab es stoffliche, jedoch weitaus kleinere Behältnisse für Utensilien und Wertgegenstände aller Art, die vom Menschen mitgenommen wurden. Durch die Jahrhunderte hindurch bis in die Gegenwart haben sich Formen, Größen und Funktionen von Taschen stark gewandelt. Von einem ursprünglich offen oder versteckt getragenen kleinen Beutel sind sie zu einem gerne zur Schau getragenen Luxus-Gegenstand geworden. Vor allem der Wandel der Damenmode hat zu gravierenden Veränderungen der Gestaltung von Taschen beigetragen. Spätestens im 20. Jahrhundert kam die Damentasche breitenwirksam als sehr exquisites Mode-Gut empor. Es ist durchaus statthaft zu sagen, dass die Tasche selbst nun kostenintensiver in der Anschaffung und wertvoller sein konnte als das, was sie barg und transportierte. Eingedenk der mittlerweile museumswürdigen
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Tasche Maximilian IV, Jagdtasche mit Gürtel des Kurfürsten Maximilian I. von Bayern, grüner Seidensamt mit Goldund Seidenstickerei, Metallbügel und -schnalle, Posamentenarbeit, München, vor 1630 Börse mit Metallstickerei, Seidengewebe, Metallstickerei, Pergament, Posamentenarbeit, Seidenflechtkordel, Italien, 1660-1680 Brieftasche mit Seidenstickerei, Seidengewebe, Karton, Messingschloss, Frankreich, um 1750
Sattlerarbeiten von Hèrmes, der gesteppten Taschen von Chanel, der emaillierten Exemplare von Dior ist das für den Kenner keine Frage. Der Geschichte der Tasche, ausgehend vom Mittelalter bis hinein in unsere Gegenwart, geht nun die Ausstellung „Taschen" im Bayerischen Nationalmuseum in München nach, die von einer umfangreichen wissenschaftlichen Buchpublikation begleitet wird.
AM ANFANG WAR DER BEUTEL Taschen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Form und ihr Ausmaß eigentlich frei sind. Sie werden abhängig von ihrer Funktion gestaltet, das bedeutet, dass letztlich ihr Inhalt, das zu Tragende und zu Transportierende, ihre Struktur bestimmt. Funktionen von Taschen können unterschiedlich sein, mal dienen sie der Beförderung von Geld, mal als Börse für Wertgegenstände, persönliche Kostbarkeiten oder wichtige Dokumente. Auch sind sie geschlechterspezifisch. Mit dem Aufkommen der unterschiedlichen Handarbeiten, die allein das weibliche Geschlecht ausführte, gab es die sogenannten „Arbeitsbeutel", Vorläufer der heutigen Handtasche. Dazu sind Taschen in der Gesellschaftstruktur verankert und an die Geschichte der Technik
76_82_Wagenfeld
11.05.2013
12:33 Uhr
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W age nfeld Wilhelm Wagenfeld Carlo Burschel / Georg Schwarz
WIEDERENTDECKTE ENTWÜRFE Es ist noch nicht lange her, da konnten im Sammler Journal erstmals fotografische Darstellungen von Entwürfen Wilhelm Wagenfelds für die Porzellanmanufaktur Fürstenberg aus den 1930er-Jahren gezeigt werden, die bis dahin nur als Umrisszeichnungen im Gesamtwerkverzeichnis überliefert waren. Bei den Recherchen zu diesem Beitrag konnten einige Entwürfe von Wagenfeld ermittelt werden, die bis heute keine (fotografische) Aufnahme in das Gesamtwerkverzeichnis gefunden haben. Ein größerer Fund von Heften des Rosenthal Verkaufsdienstes (RVD) aus den Jahren 1952 bis 1955 brachte in Vergessenheit geratene, d.h. in der einschlägigen Sekundärliteratur unberücksichtigte Rosenthal-Entwürfe aus der Hand von Wilhelm Wagenfeld an den Tag, die in diesem Beitrag veröffentlicht werden. Dieser Fund ist eigentlich überraschend, denn kaum ein anderes gestalterisches Werk eines deutschen Industriedesigners des 20. Jahrhunderts hat so viel publizistische Aufmerksamkeit erfahren wie das Werk von Wilhelm Wagenfeld. Und es ist auch anzunehmen, dass die Hefte des RVD in den letzten Jahrzehnten im Rosenthal-Archiv vorzufinden gewesen sind.
WAGENFELD & ROSENTHAL AG
Cover der Firmenkundenzeitschrift „Rosenthal Verkaufsdienst" (RVD), Messe-SonderNr. 32, 1953; Rosenthal-Raumlicht (Kooperation mit der WMF AG) von Wilhelm Wagenfeld, 1952/53, nicht im Werkverzeichnis
Zu einer ersten Zusammenarbeit von Wilhelm Wagenfeld und der Rosenthal AG kam es in der Zeit des Dritten Reiches (1938); aus dieser ging das Porzellanservice „Daphne" hervor. Diesem Service dürfte in Folge, d.h. kriegsbedingt, kein großer Verkaufserfolg mehr möglich gewesen sein. Das bereits 1934 für die Porzellanmanufaktur Fürstenberg entstandene Service „639" war sowohl vor wie nach dem Zweiten Weltkrieg (bis heute) sehr viel erfolgreicher. Nach 1945 wurde „Daphne" nur kurze Zeit
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11.05.2013
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DESIGN
von der zur Rosenthal AG gehörenden Porzellanfabrik Thomas vor allem für den skandinavischen Markt produziert. Die erneute Zusammenarbeit mit der Rosenthal AG nach dem Krieg beginnt 1952 und endet relativ abrupt 1955. In dieser Zeit hatte Wagenfeld bereits erste Kontakte zur WMF AG, Geislingen/Steige, geknüpft und einen Beratervertrag mit der Peil &Putzler Glashüttenwerke GmbH, Düren, geschlossen. 1954 gründet er in Stuttgart die „Werkstatt Wagenfeld, Versuchs- und Entwicklungswerkstatt für Industriemodelle", die bis 1978 besteht. Für die Rosenthal AG entstehen laut Werkchronologie von K. Hager (in: B. Manske {Hrsg.} Wilhelm Wagenfeld {1900-1990}, Ostfildern-Ruit 2000) in der Zeit von 1952 bis 1953 das Porzellanservice „Gloriana" (Porzellanfabrik Thomas), eine Schale, die es auch mit Leuchtenmontierung (siehe Abb.) gibt, sowie das Trinkglasservice „Patricia". Die darüber hinaus dort erwähnten Vasen Nr. 298 und 299 sind nicht in Serie gefertigt worden, d.h. Einzelstücke geblieben. Es ist zu hoffen, dass die Durchmischung von Modellen, Einzel- und Serienstücken in dem angekündigten überarbeiteten Werkverzeichnis aufgehoben wird.
EXKURS: KERAMISCHE ARBEITEN Auch wenn an dieser Stelle der ein oder andere Wagenfeld-Purist widersprechen mag, so gehören die Arbeiten für die Porzellanindustrie von Wilhelm Wagenfeld nicht zu den besten seiner Entwürfe. Andere Gestalter – genannt seien hier Prof. Artur Hennig, Dr. Hermann Gretsch und nicht zuletzt Heinrich Löffelhardt – konnten mit vielen ihrer Serviceentwürfe bei „Designkritik & Kaufmann”, d.h. bzgl. gestalterischer Qualität und wirtschaftlichem Erfolg („Verkaufszahlen") sehr viel mehr überzeugen. Man darf nicht vergessen, dass Wagenfeld gelernter Silberschmied und sein Metier die Ent-
Rosenthal-Tischleuchte, Entwurf: Wilhelm Wagenfeld 1952/53 (vgl. RVD, Nr. 32), nicht im Werkverzeichnis Rosenthal-Leuchter, Entwurf: Wilhelm Wagenfeld, 1952/53; (vgl. RVD, Nr. 32), nicht im Werkverzeichnis Rosenthal-Ascher, Entwurf: Wilhelm Wagenfeld, 1952/53, nicht im Werkverzeichnis (vgl. RVD, Nr.32) Porzellanschale (auch mit Lampenmontierung (WMF AG), Werkverz.-Nr. 297, Entwurf: Wilhelm Wagenfeld, 1952/53
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84_89_Preise
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AU K T I O N S P R E I S E
FRAUREUTH PORZELLAN
€ 60,Deckelvase, Fraureuth, um 1930, Amphore gefußt, achtpassiger Dekor hellblau-weiß, Konturen und Rispen in Gold, Höhe 27 cm KAR
€ 66,Paar Vasen, Porzellanfabrik Fraureuth AG, 1920er-Jahre, bauchiger Korpus, polychrome Blumenmalerei, grüner Fond, rotbrauner Rand, Formnummer „1138“, Höhe 24 cm KHL
€ 120,Schäfer mit Schafherde, Entwurf M. Hermann Fritz, Fraureuth, 20. Jahrhundert, auf ovalem Sockel, Maße 34 x 22 cm FRA
€ 110,Deckeldose, Fraureuth, Kunstabteilung, 20. Jahrhundert, weiß, orangefarbener Fond, Goldränder und Goldstaffage, auf Deckel bunt gemaltes Motiv „Windmühle bei Wijk“, nach einem Gemälde von Ruisdal, Maße 7,5 x 13 x 9 cm DAN
€ 160,„Eicke’s selbsttätige Kaffeemaschine“, Fraureuth, um 1900, DekorNr. „25013 15“, Jugendstilornamentik, Messingmontierung, Kippdampfdruck-Kaffeemaschine mit selbstlöschendem Spiritusbrenner, Kaffeebehälter und Wasserkessel aus Messing, H 29 cm MEH
€ 130,Deckeldose, Fraureuth, um 1920, mit Blütenzweigen und geometrischen Ornamenten dekorierte Wandung, auf gewölbtem Deckel Blattornamente, polychrome, goldkonturierte Dekorausführung, Modell-Nr. „24/765 34’’, H 12 cm FIS
€ 140,Student, Kunstabteilung Fraureuth, 1920er-Jahre, Sockel bez. Schaubach, polychrome Aufglasurbemalung, Wandersmann in studentischer Kleidung mit Stock, sich auf efeuberankte Säule stützend, Mod.Nr. „20/302 12“, H 22,5 cm MEH
€ 160,Paar Deckeldosen, Fraureuth, um 1925, Porzellan, weiß, glasiert, Aufglasurdekor in Orangerot und Schwarz mit Goldstaffage, Nummer „23/365, 25. bzw. 28“, Höhe 9,8 cm QUI
84_89_Preise
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AU K T I O N S P R E I S E
€ 180,Schale, Kunstabteilung Fraureuth, gedrückte Kugelform seitlich plastische Papageien als Handhaben, Wandung mit Rosen in GrauGold, Goldstaffage, Maße 20 x 35 cm KAR
€ 240,Deckelvase, Fraureuth, 19151926, zwei Widderkopfhandhaben, Blütenknaufdeckel, auf Rundfuß mit Zungenbandrelief, Wandung umlaufend gemaltes Band gelber Rosen, goldstaffiert, Höhe 45 cm WEN
€ 280,Deckeldose, Fraureuth, um 1920, partiell blauer Fond, Bemalung in Schwarz und Gold, gerippte Wandung, verziert mit vertikalen Bändern, oberer Bereich und facettierter Deckel mit Floralmotiven, Vergoldung berieben, Dekornummer „20/ 594 U“, Höhe 20 cm MEH
€ 180,Taube, Fraureuth, Anfang 20. Jahrhundert, partiell vergoldet, im Stand gemarkt, Maße 21 x 15 cm ZOF
€ 250,Dose mit Steinbock, Fraureuth, um 1919, weiß, glasiert, Aufglasur in Violett, Goldstaffage, Nr. „19/645, 302“, Maße 22,8 x 23 x 14 cm QUI
€ 220,„Colombine“, Entwurf Carl Nacke, um 1922, Fraureuth, 1919-1926, weiß mit mattschwarzen und orangefarbenen Akzenten, H 27 cm WEN
€ 300,„Capriccio“, Entwurf Gustav Oppel, Fraureuth, 1920er-Jahre, Rokokodame auf Bären reitend, weiß glasiert, Aufglasurdekor vorwiegend in Grün und Blau mit Gold, Sockel bezeichnet, Höhe 14 cm QUI
€ 220,Putto mit Trauben, Fraureuth, um 1920, bunte Aufglasurbemalung und Goldstaffage, auf hohem Ovalsockel, H 21 cm FIS
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