Sammler journal 0713

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U1_Titel_SJ_0713

10.06.2013

20:26 Uhr

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Juli 2013· B 1309 | € 5,90 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 6,50 | Be/Ne/Lux € 6,90

SAMMLER JOURNAL

JULI 2013

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

Glas Weserbergland

Gemälde Alexander Rodtschenko

Porzellan Amoretten

Schmuck Bijoux d’artiste

Dialog Leser & Experten

GEMI

Berichte & Preise

Ausstellungen Tipps & Termine

4 195488 705908

Auktionen

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03_Inhalt

10.06.2013

20:32 Uhr

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I N H A LT

Juli 2013· B 1309 | € 5,90 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 6,50 | Be/Ne/Lux € 6,90

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

Glas Weserbergland

SCHMUCK

Gemälde Alexander Rodtschenko

Bijoux d’artiste

Porzellan

Sabine Spindler

Amoretten

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Schmuck Bijoux d’artiste

Dialog Leser & Experten

Berichte & Preise

Ausstellungen Tipps & Termine

4 195488 705908

Auktionen

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GLAS Titelfotos: Pierre Bergé & Associés; Clars Auction/USA (© VG Bild-Kunst, Bonn)

DIALOG

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MAGAZIN

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MESSETERMINE

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KUNSTMARKT

18

AUKTIONSNOTIZEN

31

AUKTIONSTERMINE

40

INSERENTENVERZEICHNIS

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LITERATURTIPP

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AUSSTELLUNGSTERMINE

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AUSSTELLUNGEN

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AUKTIONSPREISE

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IMPRESSUM

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VORSCHAU

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Weserbergland Oliver Gradel

PORZELLAN Amoretten Dieter Weidmann

GEMÄLDE Alexander Rodtschenko

TERMINE & KLEINANZEIGEN IN DER BEILAGE

Anja Iwa

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U2_Historia

10.06.2013

20:33 Uhr

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K U N S T AUKTIONS H A U S L E I P Z I G

Auktion No. 90 am 6. Juli 2013 Beginn 10.00 Uhr

Ernst Rudolphe (1854-1932), Öl/Holzplatte, 40,5 x 54 cm

Vorbesichtigung vom 29. Juni bis 4. Juli Sa./Di.-Do. 10.00 – 18.00 Uhr • So./Mo. 13.00 – 18.00 Uhr

D-04155 Leipzig • Gohliser Str. 19 Tel. (0341) 59 08 80 • Fax (0341) 5 90 88 90 www.kunstauktionshaus-leipzig.de


22_30_Bijoux

10.06.2013

20:39 Uhr

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Bijou x Bijoux d’artiste Sabine Spindler

Heinz Mack, Kette und Ohrringe, 2009, Gold, Auflage von 5 Exemplaren (Foto: Gallery Louis Guinness/London; © VG Bild-Kunst, Bonn)

SEITENSPRÜNGE Picasso tat es, Braque, Lucio Fontana und auch Nagelkünstler Günther Uecker. Erstaunlich viele Heroen der modernen Kunst haben ihren Fingerabdruck in einem Bereich hinterlassen, der auf den ersten Blick wenig mit ihrem ursprünglichen Metier zu tun hat: Sie haben Schmuck kreiert. In der Regel nicht, weil eines der großen Juwelierhäuser eine besonders avantgardistische Linie auflegen wollte. Auch nicht aus Popularitäts- oder Marketinggründen. Die ewige Lust am künstlerischen Gestalten, die Umsetzung vertrauter Formen in ein anders dimensioniertes, reduzierteres Medium und oft auch die Hervorbringung kleiner, ganz privater Kunstwerke für Freunde, Frauen und Geliebte waren der Treibstoff für die Seitensprünge in Gold und Silber. Nehmen wir Picasso und Dora Maar. Schon in den späten 1930er-Jahren hat er ihr Anhänger aus bemalten Kieselsteinen geschenkt, den glattpolierten Deckel einer Ring-Uhr mit einem eingeritzten Porträt verschönert und ihr eine winzige Zeichnung eines kolorierten Frauenaktes in einer üppigen Medaillon-Anhängerfassung zum Geschenk gemacht. Stücke wie diese mag man noch unter dem Begriff „Souvenir d’amour” abtun. Ernsthafter wurde es Picasso 1957. Zu dieser Zeit hatte er bereits in der Töpferei Madoura in Südfrankreich Keramiken entworfen und bemalt. Nun reizte es ihn, seine archaisch maskenhaften Gesichter, die man von seinen Steingut-Plaketten und Zeichnungen kannte, in Edelmetall umzusetzen. Die Wahl fiel auf den Goldschmied François Hugo, ein Nachfahre des Schriftstellers Victor Hugo. Picasso hatte im Laufe der Jahre bei ihm eine ganze Reihe keramischer Teller und Plaketten in Metall umsetzen lassen und auch einige seiner Medaillons. Aber erst ab 1967 hat Hugo die Schmuck-Medaillons Picassos als Edition herstellen dürfen.


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20:39 Uhr

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K U N ST / S C H M U C K

Zwanzig Exemplare der 24 Motive in Silber oder Gold waren ihm erlaubt – signiert vom großen Meister.

BEGRIFFSDEFINITION Für Schmuckstücke wie diese hat sich der Begriff „Bijoux d’artiste” eingebürgert. Mit der deutschen Übersetzung „Künstlerschmuck" trifft man nicht ganz ins Schwarze. Er wird auch in Zusammenhang mit Autorenschmuck verwendet. Hier aber handelt es sich um Entwürfe von Künstlern, die sich längst als Bildhauer oder Maler einen Namen gemacht haben. Ihr Schmuck reflektiert ihr künstlerisches Konzept und ihre Handschrift. Und so schnell man Skulpturen und Gemälde ihrem Namen zuordnen kann, sollte man auch den Künstler hinter den Schmuckstücken wiedererkennen. Wie etwa Louise Bourgeois hinter der krakenartigen Spinnenbrosche von 1996 aus dem Atelier Chus Burés. Die turmhohen Riesenspinnen der amerikanischen AvantgardeKünstlerin der 1960er-Jahre sind bis heute von London bis Tokio aufsehenerregende Kunstereignisse. Als Schmuckstück existiert das Motiv in einer Auflage von sechs Exemplaren. Charakteristisch, wiedererkennbar und eingebettet in das Gesamtwerk eines Künstlers – die drei Merkmale nennt Gerhard Dietrich vom Museum für angewandte Kunst in Köln in dem Ausstellungskatalog „Künstlerschmuck" als wichtige Kriterien, ohne jedoch bloße Verkleinerung eines bereits existierenden Werks zu sein.

VORREITERROLLE Avantgardekünstler wie Picasso, George Braque, Max Ernst und auch Jean Cocteau sind heute als die Schlüsselfiguren des Bijoux d’artiste zu sehen. Wer wen inspirierte, ist schwer auszumachen. Tatsache hingegen ist, dass sie um 1950 alle ein spielerisches Faible für die handlichen Kunststücke hatten. Als Künst-

George Braque, (im Uhrzeigersinn) Teree-Brosche, Gold und Saphire, sign. Bijoux de Braque EP, 1960er-Jahre; Megaletor-Brosche, Gold, Saphir und Türkise, 1960er-Jahre, sign. Bijoux de Braque Megaletor; Brosche Atalanta, Gold und Rubin, 1960er-Jahre, sign. Bijoux de Braque Atalanta; Brosche Procis, Gold und Emaille, sign. Bijoux de Braque Par Heger de Lowenfeld. Bei Christie’s 2012 zu Preisen zwischen 6.250 und 8.125 Pfund (inkl. Aufgeld) versteigert (Foto: Christie’s) Pablo Picasso, Medaillon „Visage", Gold, signiert, Ausführung François Hugo, Ende 1960er-Jahre, Auflage von 20 Exemplaren (Foto: Clars Auction/USA; © VG Bild-Kunst, Bonn)

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10.06.2013

20:44 Uhr

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W es er

Weserberg land Oliver Gradel

GLASLAND Das Weserbergland gehört seit dem Mittelalter zu den großen Glasregionen in Europa. Im Dreiländereck Nordhessen, Ostwestfalen und Südniedersachsen erstreckt sich das Mittelgebirge entlang der Oberweser zwischen Hannoversch Münden, wo Werra und Fulda sich bekanntlich küssen, ihre Namen büßen müssen und zur Weser werden, bis zu ihrem Eintritt in die norddeutsche Tiefebene bei Porta Westfalica. Seine Züge wie Hils, Ith, Süntel, Solling, Bramwald und Reinhardswald erreichen Höhen zwischen 400 und 530 Meter. Im alten Reich lagen in diesem Gebiet geistliche und weltliche Territorien und freie Städte, darunter das Hochstift Paderborn, die Landgrafschaft Hessen-Kassel, das Herzogtum Braunschweig und das Kurfürstentum Hannover. Bekannt ist die Gegend als Märchenland der Brüder Grimm. Ausgestattet mit viel Geschichte, Schlössern, Herrenhäusern, Klöstern und Fachwerkstädten in intakter Natur, ist hier seit einigen Jahren der Fahrrad- und Kulturtourismus stark auf dem Vormarsch. Bis in unsere Tage spielt die Glasproduktion hier eine tragende wirtschaftliche Rolle, denkt man an Großhersteller wie Noelle & von Campe in Boffzen als Lieferanten von Glasbehältern für Lebensmittel, Interpane in Lauenförde, einen Weltmarktführer für Spezialflachglas für extravagante Architekturprojekte, oder die Glashütte Grünenplan als Zweigwerk der Schott AG. Aus dem Grenzraum zum Eggegebirge bei Bad Driburg stammen allseits bekannte Namen wie Leonardo Glas der Firma Glaskoch, Walther-Glas und Ritzenhoff & Breker.

Pokal mit Wappen der Landgrafen von Hessen-Kassel. Fürstliche Glashütte Altmünden, um 1720. H 22,5 cm (Dr. Fischer, Heilbronn, Auktion vom 02.07.2011)


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GLAS

Krautstrünke. Weserbergland, Anfang 17. Jahrhundert. Das grüne Waldglas, das bei Grabungen im Boden gefunden wird (hier Beispiele aus Höxter), unterscheidet sich nicht von dem anderer Gegenden. Die irisierende Oberfläche ist typisch für Bodenfunde (Foto: Autor) Fragment eines Kutscherglases (auch Wachtmeister). Weserbergland, 18./19. Jahrhundert. Glasbruch dieser Art findet sich bei Grabungen in Siedlungsbereichen z. B. von Hannoversch Münden oder Höxter in Mengen. Schon normale Gartenarbeit kann entsprechende Stücke zutage fördern wie hier (Fundort: Wehrden, Schlosspark)

Die natürlichen Ressourcen Holz und Quarzsand boten hier die Voraussetzungen für eine Mengenproduktion von Waldglas, Gebrauchsglas, Flachglas und allem, was früher mit dem Begriff der groben Glasverhüttung bezeichnet wurde, und das schon seit dem 12. Jahrhundert. Noch heute kann der aufmerksame Wanderer an bestimmten Plätzen im Weserbergland, z. B. im Solling, Tonscherben mit anhaftender Glasmasse entdecken – es sind Fragmente von Glashäfen, in denen aus den Rohstoffen Sand und Holzasche, Pottasche oder Soda Glasgemenge erschmolzen wurde. Verglaste Steine können von einer alten gemauerten Hafenbank herrühren, während grüne und blaue Glastropfen als mittelalterliche glastechnische Relikte identifiziert werden können. Rodungen im Wald oder längliche Geländeerhebungen lassen ebenso noch manchen früheren Standort von Glashütten bzw. Schmelzöfen erahnen. Die groben Hütten für Fensterglas und grünes Hohlglas waren bis ins 18. Jahrhundert hinein Waldglashütten, die ihren Standort alle 15 bis 20 Jahre verlegten, wenn das Brennholz verbraucht war, und daher auch Wanderhütten heißen. Schon seit 1406 waren die Glaserfamilien, auch jene

im Weserbergland, im Spessartbund organisiert, der sich einmal im Jahr in Großalmerode in Nordhessen versammelte und 1537 vom Hessischen Gläsnerbund abgelöst wurde. Aus Großalmerode stammte auch der spezielle, weithin exportiert Ton, der den besonderen Anforderungen zur Herstellung von Glashäfen genügte. Schwerpunktgebiete im Weserbergland waren die bewaldeten Höhen Reinhardswald, Solling, Hils, Süntel und Deister. Archäologische Untersuchungen haben Hunderte ehemalige Glashüttenstandorte nachgewiesen. Die Hütten bildeten eine wichtige Einnahmequelle für Grundherren. Neben groben Glashütten bestanden besonders seit dem 18. Jahrhundert die sogenannten feinen Glashütten. Diese waren keine Wanderglashütten mehr, sondern ortsfeste Hütten, die mit landesherrlicher Förderung im Zeichen des Merkantilismus betrieben wurden und künstlerisch besonders verziertes weißes Glas herstellten.

GLASTYPEN Verbreitete Glastypen des 18. Jahrhunderts, die auch das Angebot der Hütten des Weserberglands beherrschten, sind Spitzkelch und Po-

kalglas als Weingläser sowie Deckelpokale, oft als Willkommpokale mit Wappenzier. Beim trompetenförmigen Spitzkelch bestehen Kuppa und Schaft aus einem Glasposten. Zur Erleichterung des schweren Glaskörpers wurden eine oder mehrere Luftblasen eingestochen. Der Pokal mit eiförmiger Kuppa besitzt einen Balusterschaft mit Nodus (Verdickung) und einen kuppelartig hochstehen-

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10.06.2013

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Amo retten Amoretten Dieter Weidmann

Heinrich Schwabe (1847-1924), Amor als Bettler, Meißen, um 1890, farbig bemaltes Porzellan, H 21 cm. Amor steht hier nicht als der muntere Lausejunge, der armen Menschen Streiche spielt, sondern selbst als Opfer der Liebe, dem diese so übel mitgespielt hat, dass er sogar auf Krücken gehen muss (Foto: Auktionshaus Kaupp)

ARISTOKRATIE UND SPEZIALISTEN Das Porzellan wurde in Europa Anfang des 18. Jahrhunderts erfunden, genauer 1710 in der sächsischen Provinzstadt Meißen, die seither ins Zentrum der Porzellanherstellung gerückt ist. Interessanterweise verbindet die Porzellanfabrikation Aspekte der elitären Luxusproduktion mit solchen der modernen Industrie. Auf der einen Seite ist hier die Herstellung, weil alles in Handarbeit gefertigt werden muss, schrecklich teuer, auf der anderen Seite aber muss man die Gesetze der Vervielfältigung, der Typisierung und nicht zuletzt der Marktgängigkeit beachten, was wiederum Einfluss auf die Themenwahl und ihre Aufbereitung hat. Es fehlt also noch die für die Industrieproduktion notwendige Mechanisierung, bei der Maschinen die Arbeit von Menschen übernehmen und dadurch die Produkte billiger machen. Von Anfang an war die Porzellanherstellung eine ausgesprochen feudale Angelegenheit, die in Meißen unter der unmittelbaren Kontrolle des Landesfürsten stand und zunächst natürlich auch für dessen Bedarf produzierte. Da aber ein solcher Apparat, wie es eine Manufaktur darstellt, für einen einzigen Auftraggeber zu groß ist, müssen auch andere Kundenkreise und letztendlich sogar der freie Markt angesprochen werden. Trotz seiner feudalen, d. h. im aristokratischen Milieu angesiedelten Heimat hat sich das Porzellan also aufgrund seiner frühindustriellen Herstellungsweise schon immer auch in Richtung auf den breiteren Markt aufstellen müssen, um die hohen Kosten zumindest ansatzweise einzuspielen. Dies gelang phasenweise und von Manufaktur zu Manufaktur abwechselnd mal besser, mal schlechter. Manche Manufakturen mussten schon nach wenigen Jahren wieder schließen, andere haben bis heute vielen Turbulenzen und Krisen getrotzt. Manche Manufakturen wa-


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Johann Pollack, Amorette mit Brieftaube und flammendem Herz, Meißen, um 1890, Porzellan, aufglasurbemalt, H 31 cm. Auch lange vor dem Zeitalter der Brieftauben gehörte die weiße Taube zur engeren Gefolgschaft der Venus. Der Aktionsrahmen der Liebe wird in dieser Figur medial erweitert, wobei allerdings Liebesbriefe zur damaligen Zeit in der Regel nicht poetisch von Tauben, sondern profan von Eisenbahnen und Postboten befördert wurden (Foto: Auktionshaus Herr) Heinrich Schwabe (1847-1924), Amor mit gebrochenem Herz, Meißen, um 1885, Porzellan, aufglasurbemalt, H 22 cm. Natürlich ist es hier nicht das eigene Herz Amors, das gebrochen wurde, sondern dem kleinen, mutwilligen Herzensbrecher wird hier unterstellt, dass er gelegentlich über seine eigenen Missetaten ordentlich traurig wird. Das tröste, wen es trösten mag! (Foto: Auktionshaus Herr) Michael Victor Acier (1736-1799), Devisenkind, Las de vaincre je ne repose, Meißen, 1775, farbig bemaltes Porzellan, H 13 cm. Der aus Frankreich stammende Acier wurde Nachfolger von Kaendler. Er steht für eine klassizistische Stilveränderung. Insgesamt wird sein Schaffen ungünstiger als das seines berühmten Vorgängers bewertet. Einiger Beliebtheit aber erfreute sich die Serie von 26 sog. Devisenkinder, die er nach Zeichnungen des Malers Schönau schuf. Hier ruht sich Amor nach seinen Eroberungen erschöpft aus (Foto: Auktionshaus Kaupp)

ren von vornherein Prestigeobjekte eines Luxus affinen Fürsten, andere wurden aus ökonomischen Zielsetzungen gegründet, wobei beides teilweise fließend ineinander überg e h t . In der Kunstgeschichte wurde, vor allem seit den glorreichen Tagen der 68er, viel von dem Unterschied von aristokratischem und bürgerlichem

Geschmack gesprochen. Und es gibt durchaus deutliche Unterschiede in dem, was Adelige und was Bürger von Künstlern erwarten. So finden wir in Schlössern mitunter große, dekorative Ausstattungsensembles, die in bürgerlichen Haushalten weder Platz finden noch Sinn machen. Auch der Rückbezug des eigenen Geschlechts bis in antike Götterkreise ist beim Adel beliebt, so dass Mythologie hier nicht selten einen besonderen Zungenschlag aufweist. Umgekehrt ist man in Adelskreisen in solchen Fragen mitunter wieder ziemlich lässig, wie man überhaupt die Lässigkeit als Lebensstil betont, während Bürger hier ausgesprochen bildungsbürgerlich verbiestert sein können, so dass sich hier die mythologische Bildungsbeflissenheit wieder gegenseitig relativiert. Durch die Tendenz zur kleinen Form ist das Porzellan dem feudalen Repräsentationsgehabe eher entrückt, so dass sich hier mehr die allgemein menschlichen Gesichtspunkte des Niedlichen, Interessanten, Putzigen, Heiteren oder Sentimentalen in der Themenfindung der Porzellanfiguren Bahn brechen, wobei es im einzelnen dann durchaus schwierig wird, genauer anzugeben, was hier nun aristokratisch oder aber bürgerlich inspiriert sein soll. In den Geisteswissenschaften und somit auch in der Kunstgeschichte haben wir eine ausgesprochene Neigung, sich zu spezialisieren. Das ist vielfach angemessen, doch in den Fragen der Ikonografie mitunter verhängnisvoll. Denn Symbole und Bildkomplexe funktionieren bei Menschen eher diffus ganzheitlich als gelehrtenhaft spezialistisch. In der Regel weiß keiner, dem ein junger geflügelter Knabe mit Pfeil und Bogen etwas sagt, in welcher antiken Schriftquelle dieser genau beschrieben und behandelt wird. Während also für Gelehrte die genauen schriftlichen Quellen zu regelrechten Fetischen werden, geht es bei Bildsymbolen um Themenfelder, die eher


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10.06.2013

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Rodt schen ko Alexander Rodtschenko Anja Iwa

„Selbstbildnis”, 1921; Sammlung Rodtschenko/Stepanowa, Moskau; © VG Bild-Kunst, Bonn 2013

RUSSISCHER AVANTGARDIST Alexander Michailowitsch Rodtschenko (1891-1956) war ein russischer Maler, Grafiker, Fotograf, Bildhauer und Architekt. Der Künstler gehörte neben Kasimir Malewitsch (1879-1935) und Wladimir Tatlin (1885-1953) zu den treibenden Kräften der russischen Avantgarde. In seinen Werken brachte er die dynamische Veränderung der Gesellschaft in den ersten Jahren nach der Oktoberrevolution in Russland ins Bild und setzte dabei zahlreiche künstlerische Medien ein. Während seiner Zeit auf der Kunsthochschule schloss er sich der Futuristischen Bewegung an und lernte seine Lebensgefährtin, die Künstlerin Warwara Stepanova (1894-1958) kennen. Rodtschenkos Werk ist vornehmlich von einer abstrakt-geometrischen Malerei sowie von monochromen Bildern geprägt und seine beweglichen Raum-Hängekonstruktionen (1918-1921) sind eine absolute Neuheit in der Kunstgeschichte. Bereits seit Anfang der 1920er-Jahre war er international bekannt und ab Mitte der 1920er-Jahre befasste sich der Künstler mehr und mehr mit der Fotografie. Alexander Rodtschenko wurde am 5. Dezember 1891 als einziges Kind von Michail Michailowitsch Rodtschenko und seiner Frau Olga Jewdokimowna Rodtschenko in St. Petersburg geboren. Sein Vater arbeitete als Theaterrequisiteur und die Mutter war Wäscherin. Die Familie wohnte über dem Theater des Russischen Klubs am Newski-Prospekt und somit wuchs Alexander in einem künstlerischen Umfeld auf, das ihn nachhaltig prägte. 1905 zog die Familie in die an der Wolga gelegene Stadt Kasan, wo Alexander die Kirchengemeindeschule besuchte. 1907 verstarb sein Vater und ab 1908/09 begann er eine Ausbildung zum Zahntechniker. Bald fing Rodtschenko auch an zu zeichnen und wandte sich immer mehr der Kunst zu. 1910


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„Weiblicher Akt”, 1915; Regionales A. und W. Wasnezow Kunstmuseum, Kirow; © VG Bild-Kunst, Bonn 2013 „Komposition aus der Serie Farbkonzentration”, gefertigt 1918; Sammlung Rodtschenko/Stepanowa, Moskau, © VG Bild-Kunst, Bonn 2013

schrieb er sich an der Kunstschule in Kasan ein, wo er 1914 seine Lebensgefährtin und spätere Ehefrau Warwara Stepanowa kennen lernte. Neben dem Studium erteilte er Zeichenunterricht und verfasste Gedichte. Ab Beginn des Ersten Weltkieges im Jahr 1914 wurde Rodtschenko in der Armee als Sanitäter eingesetzt und Ende 1915 zog er nach Moskau, wo er das Studium der Bildhauerei und Architektur an der Kaiserlichen Stroganow-Schule für angewandte Kunst aufnahm. 1916 traf er den Maler Wladimir Tatlin, der ihm die Möglichkeit bot, erstmals einige seiner Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der kommerzielle Erfolg blieb jedoch leider aus und so lebte Rodtschenko zusammen mit Stepanowa in Moskau unter absolut ärmlichen Bedingungen. Mit Künstlern wie Malewitsch, Tatlin und Majakowski (1893-1930) fühlte sich Alexander verbunden, da sie, genau wie er selbst, nicht anerkannt wurden, gegen die etablierten Regeln und Werte rebellierten, sich nicht kaufen ließen und in allen Zeitungen kritisiert wurden. 1917 wurde Rodtschenko Mitbegründer der Gewerkschaft der Künstler und Maler sowie Sekretär der jungen Föderation und entwarf zusammen mit Tatlin, Georgi Jakulow (18841928) und anderen Künstlern den Innenraum des Cafés Pittoresque in Moskau. Mit Tatlins Unterstützung erhielt er 1918 eine eigene Ausstellung in der Jungen Föderation, die zugleich auch seine einzige Einzelausstellung zu Lebzeiten bleiben sollte. 1919 begann Rodtschenko mit


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10.06.2013

20:49 Uhr

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VO R S C H AU / I M P R E S S U M

SAMMLER JOURNAL 8 / 2013

SAMMLER JOURNAL

ISSN 1863-0332

VERLAG

GEMI Verlags GmbH Pfaffenhofener Straße 3 85293 Reichertshausen Tel. 08441 /4022-0 Fax 08441 / 71846 Internet: http://www.gemiverlag.de eMail: info@gemiverlag.de

GESCHÄFTSFÜHRER

Gerd Reddersen Rudolf Neumeier

K U N ST H A N D W E R K Erhard & Söhne

ASSISTENZ DER GESCHÄFTSFÜHRUNG

Karin Teichmann

CHEFREDAKTEUR

Karl Ruisinger eMail: karl.ruisinger@gemiverlag.de

REDAKTEURE

Nicola Fritzsch Karin Probst Helene Stümpfle-Wolf Joscha Eberhardt

STÄNDIGE MITARBEIT

Dr. Graham Dry Dr. Dieter Weidmann Anja Iwa

AUTOREN DIESER AUSGABE

Dr. Oliver Gradel Anja Iwa Sabine Spindler Dr. Dieter Weidmann

REDAKTIONSASSISTENZ

Heike Genz

TERMINE

Anette Wagner, Tel. 08441/4022-35 Hans Neumeier, Tel. 08441/4022-34 eMail: termine@gemiverlag.de

LITHOS, SATZ, HERSTELLUNG

Westner Medien GmbH (Anschrift siehe Verlag)

ANZEIGEN

Markus Westner, Tel. 08441/4022-13 Axel Rosenthal Hohenwarter Straße 86a 85276 Pfaffenhofen Tel. 08441/805616 / Fax 08441/7974122 eMail: axel.rosenthal@t-online.de

KERAMIK Bürgeler Keramik

KLEINANZEIGEN

Heike Genz, Tel. 08441/4022-18 Marlene Westner, Tel. 08441/4022-12

VERTRIEB

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VU Verlagsunion KG

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Kössinger AG Schierling

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Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fallen die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-ROM.

DESIGN George Nelson GEMÄLDE Hans Thoma

Erscheinungstermin: Abonnenten-Versand: 22.7.13

Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/08 vom 01.11.2008

Erstverkaufstag Handel: 29.7.13

Diese Ausgabe enthält einen Beikleber vom Auktionshaus Metz. Wir bitten um Beachtung:


artprice 1/1

10.06.2013

20:33 Uhr

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AUKTION SAMMLERUHREN Samstag, 29. Juni 2013, 11 Uhr

Weitere Auktionen im Juni Freitag, 28. Juni 2013 Schmuck

Samstag, 29. Juni 2013 Kunst · Antiquitäten · Möbel

Samstag, 6. Juli 2013 Orientteppiche

Vorbesichtigung ab sofort · Farbkatalog telefonisch anfordern oder www.henrys.de

AUKTIONSHAUS An der Fohlenweide 10–14 · 67112 Mutterstadt · Telefon (0 62 34 ) 8011-0 · www.henrys.de


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