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11.06.2015

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Juli 2015 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50

SAMMLER JOURNAL

JULI 2015

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

DDR-Design Kunst & Alltag

Metall Silberdosen

Möbel

Abstrakte Sitzobjekte

Dialog Leser & Experten

Auktionen GEMI

Berichte & Preise

Ausstellungen Tipps & Termine


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11.06.2015

15:40 Uhr

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Herrschaftliche Möbel und Uhren von David Roentgen und namhafter Zeitgenossen Sonderauktion im Auktionshaus Demessieur, Düsseldorf

am 27.06.2015 ab 14 Uhr Vorbesichtigung: 19.06.15 – 25.06.15 Mo. bis Fr. 11.00 bis 18.00 Uhr Sonntag 13.00 bis 18.00 Uhr Zum Aufruf gelangen 50 Positionen musealer Möbel und Uhren von David Roentgen und namhafter Zeitgenossen, sowie weitere bedeutende Objekte. Unseren Katalog können Sie bei uns bestellen oder online einsehen unter: http://www.demessieur.de Sie können gerne auch online mitbieten unter: http://www.lot-tissimo.de

Secretaire Abattant, nach einem Model von David Roentgen, Paris, 3. Hälfte 19. Jh., auf der Schloßplatte signiert Paul Sormani

Versteigerungsort und Vorbesichtigung: Auktionshaus Demessieur Friedrich-Ebert-Straße 9 40210 Düsseldorf Tel. +49 (0)211-93.65.58.85 Fax +49 (0)211-93.65.58.86 Email: auktion@demessieur.de Home: www.demessieur.de


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15:48 Uhr

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I N H A LT

Juli 2015 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

DDR-Design Kunst & Alltag

MÖBEL

Metall

Abstrakte Sitzobjekte

Silberdosen

Dieter Weidmann

Möbel

24

Abstrakte Sitzobjekte

Dialog Leser & Experten

Auktionen Berichte & Preise

Ausstellungen Tipps & Termine

M E TA L L Titelfotos: Dorotheum / Phillips

Britanniens Silberdosen Regina Voges

DIALOG

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MAGAZIN

12

MESSETERMINE

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KUNSTMARKT

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PORZELLANKUNST

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AUKTIONSNOTIZEN

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AUKTIONSTERMINE

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INSERENTENVERZEICHNIS

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AUSSTELLUNGSTERMINE

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AUSSTELLUNGEN

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LITERATURTIPP

72

AUKTIONSPREISE

82

IMPRESSUM

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VORSCHAU

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KERAMIK Taschenuhrständer Staffordshire Klaus Mölbert

DESIGN DDR: Kunst & Alltag

TERMINE & KLEINANZEIGEN IN DER BEILAGE

Wolfgang Hornik

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Gestärkt mit Schäuferla 20. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen 2015 Die 20. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen finden vom 21. Juli bis 21. August 2015 statt. In der mittelalterlichen Domstadt Bamberg, einem Weltkulturerbe, haben sich Kunst- und Antiquitätenhändler sowie das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia zusammengeschlossen und veranstalten gemeinsam die Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen. Diese Kulturveranstaltung findet auf allerhöchstem Niveau statt und zieht sowohl nationales als auch internationales Publikum an. Im Umkreis von circa 500 Metern liegt unterhalb des Domberges das so genannte Antiquitätenviertel. Im historischen Barockzentrum und in der persönlichen Atmosphäre der Galerien bieten die Kunst- und Antiquitätenhändler ihre Schätze an. Alle Schauräume befinden sich in denkmalgeschützten Häusern. Es wird ein breites Spektrum an nationaler Kunst und internationalem Kunsthandwerk aus sie-

Vase mit Efeu, Daum Nancy, um 1912, farbloses Glas mit Pulvereinschmelzung in Rosé und Grün sowie Pulveraufschmelzung in Grün, Orange, Kobaltblau und Brauntönen. Umlaufend flach geätzter Dekor: Efeuranken mit blauen Früchten. Höhe: 43 cm; Glaserie Pusch bei den 20. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen

Tierkampf, Carl Borromäus Andreas Ruthart (1630 Danzig - nach 1703 Aquila), zugeschrieben; Schmidt-Felderhoff bei den 20. Bamberger Kunst- und Antiquitätentagen

ben Jahrhunderten geboten, und das Besondere daran: Die Händler ziehen an einem Strang und arbeiten miteinander. Bei ausgefallenen Kundenwünschen ist man in Bamberg bemüht, den Sammlerwunsch zu erfüllen. Die Händler empfehlen sich untereinander weiter, so dass der Kunde vor Ort fündig wird. Nach dem Motto „Einheit in der Vielfalt“ bietet das „Bamberger Modell“ Wettbewerb ebenso wie Kooperation der Händler untereinander: Jeder ist Experte auf seinem Gebiet. Jeder hat in diesem „Bamberger Modell“ seinen Platz. Und dieser Platz des Angebots von Kunst- und Antiquitäten ist nicht eine nüchterne Messehalle am Stadtrand, sondern es sind die Galerien im barocken Zentrum einer der schönsten historischen Städte Deutschlands. Was hier angeboten wird, korrespondiert in gelungenster Weise mit der Architektur der fränkischen Siebenhügelstadt, deren Zeugnisse weit vor die Barockzeit zurückreichen. Bamberg ist aufgrund seines unverwechselbaren Flairs und seines hochwertigen Angebotes prädestiniert das Eldorado des deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels zu sein und hat zwischen den großen Antiquitätenmessen in Maastricht, Wien, Salzburg, München und Köln, wo natürlich auch die Bamberger Händler vertreten sind und ausstellen, eine Nische und damit seinen Platz im internationalen Kunsthandel gefunden. So gilt es für den Besucher auf insgesamt 4.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche seine favorisierten Kunstschätze zu entdecken. Grund genug, sich nach einem ausführlichen Rundgang bei Schlenkerla und Schäuferla zu stärken oder zwischendurch dem Apfelweibla einen Besuch abzustatten. Einige der angebotenen Objekte sollen im Folgenden hervorgehoben werden: ein Christus mit den Aposteln (Senger Bamberg Kunsthandel), Umkreis Tilman Riemenschneiders (um 1460 in Heiligenstadt - 1531 in Würzburg) Mainfranken, um 1505/10 Relief, ursprünglich aus einer Predella stammend, Lindenholz geschnitzt; J.G. Meyer von Bremen (1813 Bremen - 1886 Berlin) „Am Strande“, 1862, abgebildet im Werkverzeichnis: „Johann Georg Meyer von Bremen. Das Lebensbild eines deutschen Genremalers“ (Abb. 78) (Senger Bamberg Kunsthandel); Stutzuhr mit Carillon (Wenzel Kunsthandel Bamberg) von Leopold Hoys (Wien 1713 - 1797 Bamberg) Fürstbischöflicher Hof- und Domkapitel-Uhrmachermeister in Bamberg, um 1745/50, vorne auf dem Ziffern-


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blatt signiert: „Leopold Hoys Bamberg“, ebonisiertes Birnbaumgehäuse mit vergoldeten Messingbeschlägen Messinguhrwerk mit Ziffernblatt, Datumsanzeige und Mondphase, Carillon auf neun Glocken; reich dekorierter, zierlicher Deckelhumpen Augsburg (Christian Eduard Franke), um 1680 Meisterzeichen Friedrich Schwestermüller I (16781701) Beschauzeichen Augsburg für 1679-1683, Silber, getrieben und gegossen, innen ganz und außen teilvergoldet; museale Vitrine (Kunsthandel Dr. Schmitz-Avila), Wien um 1820, Nussbaum auf Weichholz furniert, originale Schlösser, originale kassettierte Rückwand; Biedermeier Globustischchen mit Geheimfach (Christian Eduard Franke Antiquitäten), Kirsche, Ahorn, Wurzelbirke, Esche, zum Teil gefärbt, ebonisiert, Tuschemalerei; wohl Wien 1820; Fritz Klimsch (1870, Frankfurt a.M. - 1960, Freiburg i.B.), „Die Liegende“, Bronzeunikat (Kunsthandel von Seckendorff). Zu guter Letzt ein historisches Forte Piano (Senger) von David Roentgen und Peter Kinzing, Neuwied, circa 1785 – mit 2,5 Millionen Euro das teuerste Objekt der Bamberger Antiquitätenwochen. TELEFON I 0175 2468806 INTERNET I www.bamberger-antiquitaeten.de

Art Bodensee 2014 Foto: Christian Schramm

Zusammenleben mit Kunst 15. Art Bodensee in Dornbirn (A)

Biedermeier Globustischchen mit Geheimfach, Kirsche, Ahorn, Wurzelbirke, Esche, zum Teil gefärbt, ebonisiert, Tuschemalerei; wohl Wien 1820); Christian Eduard Franke bei den 20. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen

Die Art Bodensee in Dornbirn hat sich seit 2001 als Kunstmesse über den Bodenseeraum hinaus etabliert und entwickelte sich zum Zentrum für moderne und zeitgenössische Kunst im Vierländereck Österreich, Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz. Auch in diesem Jahr präsentiert die Kunstplattform in der Messe vom 10. bis 12. Juli rund 70 Galerien und Institutionen aus ganz Europa. „Neben den besten Galerien der Region ist es uns ein Anliegen, auch international ausgerichtete Galerien für die Kunstsammler zu gewinnen“, sagt Projektleiterin Isabella Marte. Das Interesse der Galerien an der Art Bodensee ist groß und wächst von Jahr zu Jahr. Für die Galeristin und Beiratsvorsitzende der Kunstmesse, Helena Vayhinger, gibt es für die große Nachfrage eine einfache Erklärung:„Auf einer kleinen Salonmesse können sich Galeristen im Vergleich zu großen Messen Zeit für die Vermittlung von Gegenwartskunst nehmen. Das ist es, was schlussendlich auch Rezipienten, Sammler und Käufer interessiert.“ Zu den Galerien zählen unter anderem Semjon Contemporary (Berlin), Andreas Binder (München), Armin Berger (Zürich), Galerie Obrist (Bonn) sowie die Galerie Gimpel + Müller (Paris). Aus der Vorarlberger Szene werden die Galerien Feurstein, Lisi Hämmerle, Maximilian Hutz, c.art, Galerie.z, am Hofsteig und Arthouse anwesend sein. Erstmals vertreten auf der Art Bodensee sind die Galerien Thoman (Innsbruck/Wien) sowie die Galerie Bäckerstraße 4 (Wien). Neben regionalen und internationalen Galerien und Institutionen präsentiert die Art Bodensee auch in diesem Jahr eine interessante Sonderschau. Sammlerin Hanny Frick aus Schaan zeigt unter dem Titel „Leben mit Kunst“ eine persönliche Auswahl aus der Sammlung ihrer Mezzanin Stiftung. Die Sonderschau gibt einen kleinen Einblick in das Zusammenleben von Sammlerin und Kunst. Zu sehen sind Werke mit archaischem Charakter – oft aus organischen

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In Englisch „Magnificient 19th Century Furniture“ Das bei Antiquitätenfreunden und Sammlern beliebte Buch von Prof. Rainer Haaf „Prachtvolle Stilmöbel. Historismus in Deutschland und Mitteleuropa“, 720 Seiten, 3.000 Farbabbildungen mit Marktpreisen, gibt es nun auch auf Englisch. Der opulente Band ist als Hardcover unter dem Titel „Magnificient 19th Century Furniture. Historicism in Germany and Central Europe“ bei Schiffer Publishing Ltd in Atglen, PA, erschienen und kostet 125 US $. Die Übersetzung der beiden Bände „BiedermeierWelten“ sowie „Gründerzeit und Jugendstil“ ist bereits in Planung. ISBN I 978-0-7643-4725-2

Buch-Preis Antiquariapreis 2016

Materialien oder auch Textiles, Gemaltes, massive EmailleArbeiten und hauchdünne Papierarbeiten, Fundstücke, Werkstücke sowie selbst Fotografiertes. Leidenschaft und Begeisterung für Kunst leiten Hanny Frick bei ihrer Sammeltätigkeit. „Leben mit Kunst“ bedeutet für sie auch der intensive persönliche Austausch mit den Künstlern und Künstlerinnen – regional wie international. Zu den Künstlern, deren Werke auf der Art Bodensee zu sehen sind, zählen unter anderem Max Bill, Erwin Bohatsch, Annemarie Jehle, Jean Luc Moulene, Nesa Neue, Anneliese Schrenk, Rütjer Rühle, Sunhild Welwage und Sylvia Zumbach. Das Land Vorarlberg fördert im Rahmen der Art Bodensee seit einigen Jahren den Messeauftritt eines Künstlers aus der Region. Ausgewählt von Kurator und Künstler Harald Gfader wird diesen Sommer der gebürtige Bregenzer Christoph Luger als featured artist seine Werke präsentieren. Der 58-Jährige hat an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Max Melcher und Josef Mikl studiert und lebt seit vielen Jahren in der Bundeshauptstadt. Auch versteht sich die Art Bodensee als Kunstvermittlung. „Wir verstehen die Art Bodensee zwar als Handelsplattform, unterstützen jedoch die Vermittlungsarbeit der Galerien für Gegenwartskunst“, erklärt Isabella Marte. Aus diesem Grund bietet die Kunstmesse ein interessantes Rahmenprogramm. Zu diesem zählen neben einem Konzert auch Künstlergespräche und ein spezielles Angebot für Kinder (Kunst.Kids).

Am 28. Januar 2016 wird der mit 8.000 Euro dotierte Antiquariapreis zum 22. Mal verliehen. Eingereicht werden können Vorschläge zum gesamten Spektrum Buchkultur. Seit 1995 wird der jährlich vergebene Antiquaria-Preis während der Antiquaria – Antiquariatsmesse Ludwigsburg vergeben. Stifter ist der „Verein der Freunde antiquarischer Bücher“, den die ausstellenden Antiquare und Antiquarinnen der Messe gründeten. Sie wollen neben dem Handel mit antiquarischen Büchern, Autographen und Graphiken ihren kulturpolitischen Auftrag wahrnehmen und das Umfassende der Buchkultur bewusst machen. Seit 1997 ist die Stadt Ludwigsburg Mitstifterin des Preises. Ausgezeichnet werden besondere Leistungen zur Förderung und Pflege der Buchkultur aus den Bereichen Buchrestaurierung, Buchkunst, Buch- und Schriftgraphik, Buchgeschichte und buchgeschichtliche Forschungen, wissenschaftliche Arbeiten zur Buchgeschichte, Verlagswesen / verlegerische Leistungen, Ausstellungen, Pflege von Sammlungen sowie Projekte und Aktionen, die das Buch fördern. Preisträger können natürliche und juristische Personen sein. Bisherige Preisträger waren u.a. Albert Kapr, die Büchergilde Gutenberg, Eckehart SchumacherGebler, Herbert Jacob, Josua Reichert, Faber & Faber, Wulf D. von Lucius, Katharina Wagenbach-Wolff, Reinhard Öhlberger, Bernhard Fischer, Jürgen Holstein, Das Autorenteam des Kataloges „Geraubte Bücher. Die Österreichische Nationalbibliothek stellt sich ihrer NS-Vergangenheit", Hans Ries, D.E. Sattler und KD Wolff, Gangolf Ulbricht, Ines Geipel und Joachim Walther, Clemens-Tobias Lange und Lothar Müller. Es wird darum gebeten, Vorschläge an den Verein für Buchkultur e.V. bis 30. Juli 2015 möglichst per E-Mail an untenstehende Adresse zu senden:

ÖFFNUNGSZEITEN I Preview: Do, 09.07., 17 Uhr, Eröffnung: ab 18 Uhr, Fr und Sa: 13 bis 19 Uhr, So: 11 bis 18 Uhr TELEFON I 0043/5572/305-407

E-MAIL I petrabewer@t-online.de TELEFON I 0711/2348526 INTERNET I www.antiquaria-preis.de


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Brüssel Hauptstadt Europas mit lebendiger Kunstszene Mit einer idealen geografischen Lage zwischen Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland ist Brüssel ein Magnet für Künstler und Galerien aus den benachbarten Ländern. Die lebendige Hauptstadt Europas hat viel zu bieten. Brüssel zieht zwar weniger Besucher an als Paris, Berlin oder Rom, doch die belgische Hauptstadt hat enormes kulturelles Potenzial und Sehenswürdigkeiten, die ein Muss sind: die Grand'Place, das Atomium, das Sablon-Viertel, das Musée Royal des Beaux-Arts oder den Justizpalast. Einigen aus Brüssel stammenden zeitgenössischen Künstlern ist es gelungen, sich auch international einen Namen zu machen, während sich französische oder italienische Künstler damit äußerst schwer tun. Man denke beispielsweise an Luc Tuymans, Francis Alys und Wim Delvoye, die Speerspitzen der zeitgenössischen Kunst in Belgien. Ihre Werke erzielen mittlerweile auf dem Auktionsmarkt hohe Preise. Wim Delvoye, dem wir die Fäkalmaschine „Cloaca" und tätowierte Schweinehäute verdanken, stellt auch lasergeschnittene Stahlskulpturen im gotischen Stil her, die auf die flämische Her-

Jan Fabre: De Man Die De Wolken Meet (The Man Who Measures The Clouds), 1998 (Christie’s/London, 10/2011; Zuschlagspreis 203.000 Euro) (© VG Bild-Kunst, Bonn; Christie’s Images Limited)

Wim Delvoye: Dump Truck (Scale Model 1:6), 2011 (Sotheby’s/ Doha, 04/2015; Zuschlagspreis 92.870 Euro) (© VG Bild-Kunst, Bonn)

kunft des Künstlers verweisen. Zwölf seiner Werke erzielten seit 2007 Auktionspreise von über 100.000 Euro. Vom Markt wird er weiterhin sehr geschätzt. Einem weiteren temperamentvollen Künstler der zeitgenössischen Szene, Jan Fabre, wurde ebenso wie Delvoye eine Ausstellung im Louvre gewidmet, die 2008 viel Aufsehen erregte. Bei der damaligen französischen Ministerin für Kultur, Christine Albanel, wurde sogar eine Petition „Gegen die Ausstellung von Jan Fabre im Louvre" eingereicht. Fabre erhitzt die Gemüter und löst Polemiken aus, wie es starke Werke für gewöhnlich tun. In Brüssel befindet sich seine beeindruckendste Auftragsarbeit: Sie besteht aus 1,4 Mio. schillernden Skarabäus-Panzern, deren vielfarbige Reflexe seit 2002 den Spiegelsaal des Brüsseler Königspalastes erleuchten. Fabres käfergeschmückte Stücke eröffneten dem Künstler den Zugang zu den prestigeträchtigsten Ausstellungen und Biennalen zeitgenössischer Kunst. Seinen größten Auktionserfolg erzielte er jedoch mit einer Skulptur aus polierter und vergoldeter Bronze. Sie stellt den Künstler auf einer Trittleiter stehend, das Gesicht zum Himmel gerichtet, beim Messen der Wolken Jan Fabre: De Andere Kant Is dar. Von dieser 1998 geInteressant Ondat Het De schaffenen Skulptur existieAndere Kant Is, 1993 (Chrisren mehrere Exemplare. Eitie’s/London, 6/2012; Zunige davon stehen im Skulpschlagspreis 16.252 Euro) (© turenpark im italienischen VG Bild-Kunst, Bonn; Christie’s Catanzaro, auf den Dächern Images Limited) des SMAK, des Museums für zeitgenössische Kunst in Gent, des Internationalen Kunstzentrums deSingel in Antwerpen und am Flughafen Zaventem in Brüssel. Auf dem Auktionsmarkt kletterte der Preis für dieses Selbstporträt auf 203.000 Euro („De Man Die De Wolken Meet" – Der Mann, der die Wolken misst). Es ist kaum zu glauben, dass Jan Fabre, der unter anderem auch in seinem eigenen Land sehr bekannt ist, nicht von einer Brüsseler Galerie vertreten wurde (er arbeitete mit der Galerie Guy Pieters in Knokke-Heist zusammen, anderthalb Stunden entfernt von der belgischen Hauptstadt).


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Dennoch war genau dies vor der Eröffnung der Brüsseler Niederlassung der Galerie Templon im Jahr 2013 der Fall. Franzosen in Brüssel Seit etwa zehn Jahren testen mehrere französische Galeristen den Markt in der belgischen Hauptstadt. Im Vergleich zu Paris bietet Brüssel einige wesentliche Vorteile. So sind die Immobilienpreise wie auch der Vermögenssteuersatz erheblich niedriger. Auch die geografische Lage ist ideal: In wenig mehr als einer Stunde erreicht man Paris, in etwa zwei Stunden London, Köln oder Amsterdam. Zahlreiche junge Künstler haben sich in Brüssel niedergelassen statt in London oder Paris. In der belgischen Hauptstadt können sie für denselben Preis doppelt so viel Fläche nutzen. Auch einige bedeutende Galerien haben eine Niederlassung in Brüssel eröffnet, darunter Daniel Templon, Paris-Beijing,

Almine Rech und Obadia – und der Trend setzt sich fort. Den Anstoß gab 2006 Almine Rech, die mit einem Enkel Picassos verheiratet ist. Sie war die erste französische Galeristin, die sich in Brüssel niederließ. Zwei Jahre später tat Nathalie Obadia es ihr gleich. Viel erstaunlicher ist indes, dass auch die New Yorker Galeristin Barbara Gladstone 2008 die belgische Hauptstadt zu ihrem europäischen Sitz erkor. Sie erklärte, dass Künstler wie Anish Kapoor in London oder Paris bereits stark vertreten seien und der dortige Markt gesättigt sei. 2012 gesellten sich die Galerien Paris-Beijing und Valérie Bach hinzu, 2013 Daniel Templon, Dakota und Ifa. Den Galeristen Daniel Templon, der über fast ein halbes Jahrhundert Erfahrung in Paris verfügt und dort mehr als 400 Ausstellungen organisiert hat, zog es laut eigener Aussage nach Brüssel, um rund 20 seiner Künstler zu unterstützen, die seltsamerweise keine Galerie in Belgien hatten. Für Anthony Caro, Joel Shapiro, Gérard Garouste, Philippe Cognée und Jim Dine war die Stadt vollkommenes Neuland. Daniel Templon eröffnete im Herbst 2013 mit einer In-situInstallation von Chiharu Shiota, einem aufstrebenden japanischen Künstler, dessen Werke regelmäßig auf den großen Messen für zeitgenössische Kunst in Paris, Singapur, New York und Hongkong anzutreffen sind. Darauf folgten Hommagen an den Bildhauer Anthony Caro, den Inder Atul Do-

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diya und den Belgier Jan Fabre, dessen Werke bis dahin noch nie in einer Brüsseler Galerie ausgestellt waren. In diesem Jahr würdigt die Galerie Templon in Brüssel Sudarshan Shetty (bis zum 26. Juli 2015), einen bedeutenden Künstler der zeitgenössischen indischen Szene in der Nachfolge von Subodh Gupta. Anders als Gupta muss sich Shetty auf dem Auktionsmarkt erst noch durchsetzen. Die Auktionshäuser beginnen jedoch, ihn in Indien und in New York zu testen, bevor sie seine Sudarshan Shetty: Untitled, 2006 (Christie’s/New York. 9/2008, Werke in Belgien anbieten. Zuschlagspreis 29.074 Euro) (© Christie’s Images Limited) Bekannt vor allem für seine auf Design, Cartoons, moderne und zeitgenössische Kunst spezialisierten Auktionen, ist der belgische Markt jedoch nicht zu vernachlässigen. Auf der Rangliste der Länder mit dem höchsten Sammlern Myriam und Amaury de Solages in einen AusstelUmsatz bei Kunstauktionen nimmt Belgien Platz 15 ein und lungsort umgewandelt. Wer sich im kalten Universum eines zieht darüber hinaus zahlreiche Künstler, Galerien und Aukweißen Würfels unwohl fühlt, findet in der Atmosphäre dietionshäuser aus dem Ausland an, vor allem aus Frankreich. ser ehemals privaten Wohnräume Gelegenheit, eine seltene Als erstes unternahm das Auktionshaus Pierre Bergé einen Nähe zwischen Werk und Betrachter herzustellen. Die AusVersuch, diesen vielversprechenden Markt zu erobern, und stellung erstreckt sich über drei Stockwerke und erhält übernahm das Gebäude des Händlers Georges de Jonckeere durch sorgfältig ausgewähltes Mobiliar in Aufenthaltsbereian der Place des Sablons. Die Brüsseler Niederlassung blieb chen zusätzliche besondere Akzente. Zu verkaufen gibt es sechs Jahre lang aktiv, bevor sie wieder schloss. 2012 kehrte nichts. Die Initiative ist allein von dem Wunsch motiviert, Pierre Bergé wegen Meinungsverschiedenheiten über die Besucher an Kunst teilhaben zu lassen. Die Verantwortung Entwicklungsstrategie endgültig nach Paris zurück. Daran für die themenspezifischen Ausstellungen wird Kuratoren, schloss sich ein reger Betrieb der Auktionshäuser Artcurial anderen Sammlern oder etablierten Künstlern anvertraut. und Cornette de Saint Cyr an, die beide 2012 eine NiederlasSo haben bedeutende Künstler wie Hiroshi Sugimoto, Anish sung in Brüssel eröffneten. Kapoor, Antony Gormley, Robert Longo oder Adam Fuss beDie Dynamik ist deutlich spürbar. Auch tragen diese Initiareits an dieser Initiative teilgenommen. Die 14. Ausstellung tiven dazu bei, den Ruf belgischer Sammler zu stärken, die mit dem Titel „Ikone(n)" (bis zum 5. Juli 2015) zeigt eine Minun „wirkliche" Sammler sind und dazu noch als entspannschung von Genres, die von vier Sammlerpaaren und den ter gelten als Sammler im übrigen Europa. Sammler vermitKünstlern Pierre und Gilles zusammengestellt wurde: eine teln ihre Leidenschaft, sie tauschen und stellen ihre Wahl kunstvolle Mischung aus einer Geschichte der Ikonografie sogar öffentlich aus. Wer an diesen Privatsammlungen teilund humorvoller Diskrepanz, als die auch Brüssel häufig von haben möchte, geht in Brüssel am besten zur „Maison partiausländischen Kunstliebhabern definiert wird. culière", einem prächtigen Stadthaus in der Rue du Châtelain, das sich themenspezifischen Ausstellungen widmet. QUELLE | artprice.com Die „Maison particulière" wurde 2011 von den französischen

Subodh Gupta: Untitled (Diptych), 2004 (Sotheby’s/New York. 3/2015, Zuschlagspreis 188.900 Euro) (© Sotheby’s)


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Sitzo bjekt Abstrakte Sitzobjekte Dieter Weidmann

Sessel, England, 1930er-Jahre, Macassar-Furnier, Leder, H 65 cm. Nicht jeder frappierende Formeinfall ist ein Designklassiker. Bei diesem Sessel kennt man nicht einmal den Entwerfer, sogar das Herkunftsland ist ungesichert (Foto: Tajan) Marcel-Louis Baugniet, Sessel, Belgien, 1934, gebogenes Schichtholz, stoffbezogene Polsterung, H 69 cm. Wie manch anderer Designer war Baugniet in seinem ersten Leben ein abstrakter Künstler, bevor er sich 1930 als Möbeldesigner selbstständig machte (Foto: Phillips)

„SCHÖNHEIT” Zu allen Zeiten haben Menschen das, was sie benützten, auch verziert, zuerst wohl sich selbst mit Bemalung, Tätowierung oder Schmuck. In ihren Anfängen ist Kunst identisch mit Ornament. Die moderne Kunsttheorie leidet darunter, dass sie das vergessen hat. So ist die abstrakte Kunst nichts Neues, sondern nur eine Erneuerung von etwas Uraltem. Aufgrund der Schönheit von Blumen und Tieren, etwa Pfauen im Balzgefieder, gibt es sogar Spekulationen, ob Tiere einen Schönheitssinn haben und ob dieser etwas mit Ornament zu tun hat. Tatsache ist, dass Menschen einen Schönheitssinn haben und dass bereits Kinder ihn besitzen. Tatsache ist aber auch, dass dieser Schönheitssinn nicht immer gleich bleibt, sondern sich verändert, so dass Erwachsene anderes schön finden als Kinder und man manches hässlich findet, was man früher schön fand – und natürlich auch umgekehrt. Schönheit hat also durchaus einen Abnützungseffekt, der auch im Auge des Betrachters liegt. So gibt es etwa ein Kriterium des Schönen, das sich besonders schnell abnützt: das Neue, Überraschende. Es gibt Kunstwerke, die eine besondere Faszinationskraft unangefochten über die Zeit bewahren, aber diese Werke sind eher in der Minderzahl, es sind die „Klassiker”, Meisterwerke, in der Literatur die kanonischen Werke. Sammler suchen nicht unbedingt nach diesem Klassischen, Universalen, sondern durchaus auch nach Neuem und Überraschendem, das aus dem zeitlichen Abstand wieder als faszinierend fremdartig erlebt werden kann.

ABSTRAKTION ODER FUNKTIONALISMUS? Eines der Rätsel moderner Kunst ist der Widerspruch zwischen Abstraktion einerseits und Funktionalismus andererseits. Dabei ist dieser Wider-


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Britanniens Silberdosen Regina Voges

Zwei Doppeldosen für Schnupftabak aus der Zeit von 1740/1780. Die größere trägt eine Vergoldung, die Gravur mit D-Initial und Krone wurde später vorgenommen. Bezeichnet BS, vermutlich für Benjamin Saunders, London. Die vordere Dose stammt aus Irland aus der Werkstatt von James Kennedy. Die beiden Stücke zählten zur Sammlung von Mrs. Paul Mellon und wurden im November von Sotheby’s New York für zusammen 3.750 Dollar verkauft (Foto: Sotheby’s) Die Burwell-Dose aus dem Jahre 1652 gilt als älteste silberne Tabakdose im britischen Königreich. Sie trägt als Hertstellermarke die Initialen „GS". Die Gravur „Hor. Hamond" wurde wahrscheinlich erst im 18. oder 19. Jahrhundert unterhalb des Familienwappens eingefügt. Ihr mutmaßlich einstweiliger Besitzer Horace Hamond war ein Verwandter des Seekriegshelden Lord Nelson. Das äußerst kostbare Stück gehört heute zur Lion Collection (Foto: © Lion Collection, John Culme, 2014)

REVIVAL EINES SAMMELTHEMAS Kleine, dekorative Silberdosen waren über zwei Jahrhunderte hinweg die treuesten Begleiter durch den Alltag. Man verstaute alles darin, was einem lieb, teuer und unentbehrlich war: Riechsalz, Tabak, Schnupftabak, süße Leckereien, Münzen, Gewürze oder die Locke des Allerliebsten. Liebevoll gestaltet, verrieten sie fast immer auch etwas über die gesellschaftliche Stellung ihres Besitzers. Als Sammelobjekt sind die kleinen Preziosen in den letzten Jahren etwas aus der Mode gekommen. Das sei ein guter Grund, ihnen wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken, sagt Heinrich Graf von Spreti, Präsident des Auktionshauses Sotheby’s in Deutschland und als Privatmann seit Jahren eifriger Dosensammler. Die Preise für antikes Silber sind äußerst günstig und bieten eine ideale Gelegenheit zum Aufbau einer kleinen Kollektion. Das muss allerdings nicht so bleiben: „Dieses als altmodisch geltende Sammelgebiet ist gerade dabei, wieder hip zu werden", hat der Experte beobachtet, denn: „Das wunderbare Material passt hervorragend in eine moderne Einrichtung." Besonders in England fanden Silberdosen eine weite Verbreitung, genoss doch das Königreich dank seiner Übersee-Kolonien einen größe-


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Die verzeichneten Personen hatten allesamt Kapital in eine „Tontine" eingezahlt, eine frühe Form der Rentenversicherung. Sie ist benannt nach ihrem Erfinder, dem italienischen Bankier Lorenzo de Tonti. Damals wie heute funktionierte das Rentensystem wie eine Wette auf die eigene Lebenserwartung: Starb einer aus dem Kreis der Begünstigten, so kam sein Kapital den Überlebenden zugute. Wer zuletzt starb, erwirtschaftete die stattlichste Rendite. John Culme hat für sein Werk den Schicksalen vieler dieser Rentenbezieher in zeitgenössischen Zeitungsberichten nachgespürt. Er fand an

So elegant kann eine Rentenkasse aussehen: Die Tontinen-Box aus der Mitte des 18. Jahrhunderts ist ein einzigartiges Stück in der Lion Collection. Ihr Deckel ziert eine braune Achat-Platte, im vergoldeten Innern und auf dem Boden der Dose sind die Namen verblichener Rentenbezieher mitsamt ihrem Sterbedatum und -alter eingraviert (Foto: © Lion Collection, John Culme, 2014) Freiheitsdose („Freedom Box") aus der Werkstatt von Hester Bateman, London, 1790. Mit der Dose in Navette-Form zeichnete die schottische Gesellschaft von Cork einen verdienten Kaufmann aus Glasgow aus (Foto: © Lion Collection, John Culme, 2014)

ungewöhnliche und nach Aussage des Experten einzigartige Stück hebt sich auch in seiner Gestaltung von anderen Schnupftabakdosen ab: Ihren Klappdeckel ziert eine Platte aus braunem Achat. Solche Materialkombinationen sind bei Sammlern heute äußerst begehrt. Schildpatt, Halbedelsteine oder Perlmutt geben den silbernen Behältern Lebendigkeit. Häufig wurde auch die gewölbte Kaurinmuschel auf gravierte Silberdeckel montiert. Mit ihr wurde die Snuff Box dann zu einem wahren Handschmeichler. Die weitaus meisten Dosen des 17. und 18. Jahrhunderts entstanden in Londoner Werkstätten. Erst nachdem Birmingham 1773 sein eigenes Prüfungsamt erhielt, etablierten sich auch dort bedeutende Silberschmiede. Unter ihnen ist Nathaniel Mills hervorzuheben, dessen Arbeiten häufig auf dem Auktionsmarkt zu finden sind. Mit etwas Glück lassen sich interessante Stücke schon für dreistellige Beträge ersteigern – ein wohlfeiler Preis für ein charmantes Kapitel der Kulturgeschichte. Hand von Todesanzeigen heraus, wie bunt gewürfelt die Gemeinschaft der Tontinen-Bezieher war. Unter anderen hatten zwei Zuckerbäcker, ein italienischer Kaufmann, ein Anwalt, die Witwe eines Schnapsbrenners und ein Apotheker ihr Vermögen der frühen Rentenkasse anvertraut. Das

LITERATUR John Culme: „British Silver Boxes 1640-1840 – the Lion Collection". Antique Collectors’ Club, zu beziehen über Frölich und Kaufmann, 49,95 Euro.

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11.06.2015

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Zerbrechliche Dinge Muranoglas im Museum Bellerive Zürich Die traditionsreichen venezianischen Glasmanufakturen sind in der ganzen Welt bekannt für ihre meisterhaften Produkte. Das Museum Bellerive zeigt bis 13. September rund 300 Glasarbeiten, die von den 1920er-Jahren bis in die heutige Zeit entstanden sind. Als Königskategorie gilt dabei die Vase. An ihr lassen sich Inspiration und Meisterschaft aufs Schönste ablesen. Preziosen der Kunstgewerbesammlung des Museum für Gestaltung strahlen mit exquisiten Leihgaben aus den Sammlungen Holz, Peter Grünbaum und dem Lausanner Mudac um die Wette. Gebrauchsglas des finnischen Designers Tapio Wirkkala sowie ausgewählte Leuchten ergänzen die facettenreiche Schau. Den zeitlichen Auftakt bildet die von Ercole Barovier entworfene Serie Primavera aus hauchzartem, craqueliertem Milchglas, das mit dunklen Rändern abgesetzt ist. Die gesteigerte Bekanntheit der Manufakturen in den 1930ern führte zum Zulauf externer Künstler, die mit den Meisterglasbläsern Stücke von bislang unerreichter innovativer Kraft schufen. Der venezianische Architekt Carlo Scarpa revolutionierte das Genre mit seiner modernen Formensprache. Er entwarf zahllose Stü-

Dino Martens für Vetreria Rag. Aureliano Toso, Vase Oriente osselaria Congo, 1952, Sammlung Holz, Berlin; Museum Bellerive, Zürich Foto: Martin Adam © Sammlung Holz

cke und regte die Entwicklung neuer Werkverfahren an, etwa des an die Malerei erinnernden Pennellato, bei dem das noch heiße Werkstück mit farbigen Glaskugeln gleichsam bemalt wird. Zudem griff er längst vergessene Methoden wieder auf wie die aufwändige Schleiftechnik des Battuto. In der Passarella dei Sospiri präsentiert die Schau die schönsten Vasen der 1940er- bis 1960er-Jahre, als die gestalterische Freiheit in die größte Produktivität mündete. Schlichte Vasen in reinen Farben stehen Aldo Nason für Vetri Artistici neben skurrilen, skulptura- Aldo Nason, Vase Yokohama, len Stücken, lichtdurchläs- um 1970, Sammlung Holz, Bersige Grazien neben dick- lin; Museum Bellerive, Zürich wandigen Werken, subtil Foto: Martin Adam angedeutete Musterung © Sammlung Holz neben klarem Karo- oder Streifendesign. Lang ist die Liste der glänzenden Namen: Fulvio Bianconi sorgt mit der Patchworktechnik des Pezzato für Furore, Anzolo Fuga überrascht mit Lattimo (Milchglas), während der Maler Dino Martens asymmetrische Vasen in vielfarbigen Oriente-Mosaiken erstrahlen lässt. Die umfassende Werkgruppe der Murrine – eine ursprünglich römische Methode – verdankt ihre Magie Glasstangen verschiedener Durchmesser, die zu Bündeln verschmolzen und in Scheiben geschnitten durch Erhitzen wieder zur Fläche und schließlich zur Vase werden. Spannende Einblicke in das zeitgenössische Schaffen mit venezianischen Glastechniken bieten sich bei Philip Baldwin und Monica Guggisberg, die ihren Werken mittels Schliffen Tiefe verleihen, während Ettore Sottsass auf die gewagte Kombination starker Unifarben vertraut. Japanische Glaskünstler wie Yoichi Ohira oder Tsuchida Yasuhiko setzen asiatische Ästhetik in erratischen Gefäßen mit großer visueller Dichte um, die amerikanische Künstlerin Mary Ann Toots Zynsky wiederum komponiert aus einer Vielzahl farbiger Glasfäden atemberaubende Stücke mit malerischer Qualität. Erstmals ist die im Museum Bellerive eingebaute Installation des amerikanischen Glaskünstlers Dale Chihuly wieder zu sehen. Der in reinem Weiß gearbeitete Glass Forest stellt die technische Meisterschaft des Amerikaners unter Beweis – in unmittelbarer Nachbarschaft der großformatigen Shells, in denen er das Handwerk des Glasblasens in all seinen Dimensionen auslotet. Historische Fotografien und filmische Porträts einzelner Meister und Künstler ergänzen die schillernden Exponate um eine dokumentarische Komponente und unterstreichen die Bedeutung des Teamworks in der Glasherstellung. Sie bilden die bodenständige Einbettung dieser Cose fragili – zerbrechlicher Dinge eben, die stets von einer alchimistischen Aura umgeben sind. TELEFON | 0041/43/4464469

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Innovativ Uhren Plaßmeyer, Peter / Gluch, Sibylle (Hg.): Einfach – Vollkommen. Sachsens Weg in die internationale Uhrenwelt – Ferdinand Adolph Lange zum 200. Geburtstag, 200 Seiten, Text in Deutsch und Englisch, Abbildungen in Farbe, Deutscher Kunstverlag, Berlin, München, 2015, Preis: € 29,90. Die ersten Jahre in Glashütte waren für den 30-jährigen Dresdner Uhrmachermeister Ferdinand Adolph Lange wahrlich kein Honigschlecken. Die Tatsache, dass die staatlich zugesicherten Kredite letztendlich doch nicht ganz so üppig ausgefallen waren, wie er es sich erhofft hatte, während sich gleichzeitig die Rohstoffpreise ständig nach oben bewegten, stellte den jungen Unternehmer und seine im strukturschwachen Erzgebirge 1845 gegründete Uhrenfabrik vor große Probleme. Sein Ziel, jährlich 600 hochwertige Taschenuhren in Serienfertigung zu bauen, die international sowohl in puncto Qualität als auch preislich konkurrenzfähig waren, konnte er vorerst nicht erreichen. Unabhängig von der finanziellen Malaise waren gewisse Anlaufschwierigkeiten aber eigentlich zu erwarten gewesen: Es fehlte ganz einfach an gut ausgebildeten Mitarbeitern. Diese, das war u.a. sein Plan, wollte Lange ja selbst ausbilden. Ehe die ehemaligen Lehrlinge dann als selbständige Unternehmer hochwertige Bauteile an die eigentliche Uhrenmanufaktur liefern konnten, sollte einige Zeit vergehen. Mit Durchhaltevermögen, großem Fleiß und nicht zu vergessen kontinuierlicher Weiterentwicklung der Produkte, sollten die Taschenuhren aus dem Hause Lange, bald schon Lange & Söhne, schließlich aber weltweit reichlich

Absatz finden und bis heute bestes Renommée genießen. Adolph Langes 200. Geburtstag wurde in Dresden zum Anlass genommen, im Rahmen einer Ausstellung inklusive ausführlicher Publikation, ganz generell die Geschichte der Uhrmacherkunst aufzurollen, die ja eigentlich in England begann, wo man schon im 17. und 18. Jahrhundert Präzisionsuhren fertigte, um dann speziell die Erfolgsgeschichte der heimischen, sächsischen Uhrmacherei zu beleuchten, die im Mathematisch-Physikalischen Salon in Dresden ihre Wurzel hat. ISBN 978-3-7319-0140-2

Bestandsaufnahme Malerei Schröder, Klaus Albrecht / Sternath, Malia Luise (Hg.): Von der Schönheit der Natur – Die Kammermaler Erzherzog Johanns, 255 Seiten, zahlreiche Abbildungen in Farbe, Hirmer Verlag, München, 2015, Preis: € 34,90.

Er ging gerne auf die Jagd, das war standesgemäß und bot folglich keinen Anlass zur Kritik in Wien. Dass er sich allerdings als Jäger in einem ganz gewöhnlichen, grauen Rock porträtieren ließ und vor allem die ganz und gar nicht standesgemäße Hochzeit mit der Tochter eines Postmeisters – damit war der Erzherzog Johann bei der hochwohlgeborenen Verwandtschaft unten durch. Das Volk hingegen liebte


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ihn und machte ihn via Volksmusik unsterblich. Er selbst fühlte sich seinen Untertanen, speziell den Bewohnern der Alpenregionen Tirol und der Steiermark, ebenso verbunden wie deren Lebensraum. Von seinen zahlreichen reformerischen Aktivitäten profitiert die Steiermark noch heute. An seiner so besonderen Kunstsammlung können sich leider weder die Steirer noch andere heute noch oft erfreuen. Die über 1000 Aquarelle und Zeichnungen sind für eine ständige Präsentation leider nicht geeignet. Schade, denn sie sind

der Moderne gefunden. Aber auch historische Kleidung konnte sich zwischenzeitlich als Sammlungsschwerpunkt in vielen Museen etablieren. In Hülle und Fülle sind die konservatorisch überaus delikaten Exponate leider nicht vorhanden, darum hat die ehemalige Direktorin des Berliner Kunstgewerbemuseums nicht gezögert, als ihr die private Modesammlung Kamer/Ruf angeboten wurde. Den internationalen Vergleich mit London, Paris oder New York muss Berlin seither nicht fürchten. Nach einer mehrjährigen Umbauphase, die im vergangenen Herbst abgeschlossen wurde, präsentiert das älteste deutsche Gewerbemuseum am Kulturforum nun nicht nur sich selbst im neuen Gewand, sondern eine großzügige Auswahl seiner umfangreichen Kostümsammlung als Dauerausstellung. Museumsbesucher flanieren seither an großen Vitrinen entlang und können rund 130 prächtige Kleidungsstücke und eine Reihe unterschiedlichster Accessoires bestaunen.

nicht nur zauberhafte Beispiele für die frühe Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts, sondern auch und vor allem hervorragende Zeitdokumente, da die Kammermaler vom Erzherzog losgeschickt wurden, um die Flora und Fauna der Alpen, die Lebensumstände sowie die Trachten der Bewohner etc. festzuhalten. Ein „Bilderbuch“, das nicht nur für Kunsthistoriker interessant ist. ISBN 978-3-7774-2393-7

Schaufensterbummel Mode Waidenschlager, Christine: Mode – Kunst – Werke, 316 Seiten, Broschur, Abbildungen in Farbe, Michael Imhof Verlag, Petersberg, 2014, Preis: € 29,95 Anders als im wirklichen Leben war die Mode für Museen lange Zeit kein Thema. Seit einiger Zeit hat jedoch ein Umdenken stattgefunden. Kultstatus genießen die großen Modeschöpfer ja nun schon seit längerem und ihre Kunstwerke, vulgo Kreationen, werden mitunter nicht nur auf den Laufstegen der Welt gefeiert, sondern haben Eingang in die Museen

Die ebenfalls recht hochwertigen sowie großformatigen Abbildungen nebst den ausführlichen Beschreibungen in diesem Bestandskatalog machen einen fiktiven Schaufensterbummel möglich. Mit einem Korsett wohl aus der Zeit um 1720 beginnt der Spaziergang in die Welt der Mode und er endet bei Abendsandaletten von Dolce & Gabbana, die um 1990 hergestellt wurden. Dieses extravagante Schuhwerk wurde mit stilisierten Zweigen bestickt und ist den opulent bestickten Damenroben oder Herrenwesten aus dem Rokoko damit eigentlich gar nicht so unähnlich. Die Mode, das Schönheitsideal respektive die Silhouetten haben sich aber natürlich gewandelt, was spätestens dann deutlich wird, wenn es darum geht, passende Figurinen zur Präsentation der historischen Gewänder zu beschaffen, worüber ein ausführliches Kapitel hier außerdem berichtet. ISBN 978-3-7319-0140-2

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DDR: Kunst & Alltag Wolfgang Hornik

JENSEITS DER MAUER Zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls und der sich anschließenden Wiedervereinigung Deutschlands brachte der TASCHEN Verlag im November 2014 das Buch „Beyond the Wall – Jenseits der Mauer" heraus. Auf mehr als 900 Seiten und mit über 2.500 Bildern konserviert das Buch einen Teil der materiellen Vergangenheit der DDR und gibt dem Leser einen Eindruck vom Leben hinter dem Eisernen Vorhang. Dieses war entgegen den Erwartungen eines Westdeutschen erstaunlicherweise nicht durchgehend schwarzweiß, sondern ergab durch Objekte mit poppigen Farben ein mitunter buntes Bild. Beeindruckend ist die im Buch dargestellte enorme Bandbreite der Objekte aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen, vom zivilen bis hin zum militärischen. Sie speist sich aus den immensen Beständen des Wende-Museums in Los Angeles: offizielle Symbole und oppositionelle Ausdrucksformen, Spektakuläres und Alltägliches, Massenproduziertes und Handgemachtes, Witziges und Tragisches findet sich hier. Das Buch ist in acht Hauptbereiche gegliedert, in denen sich neben Kapiteln wie Inneneinrichtung, Kunsthandwerk oder Darstellende Künste auch solche namens Erotika, Kampfgruppen oder Staatssicherheit finden. Beiträge von Akademikern und Experten aus Europa, Kanada und den USA erläutern die Überreste des untergegangenen Staates.

Büste „Pink Lenin", bearbeitet während der friedlichen Leipziger Montagsdemonstrationen 1989, 1960er-Jahre Trainingsjacke und -hose. Tenisana Intertricots, Baumwolle, Polyester, 1976 Tragbares Radio, Rema Trabant T6. Fabrik für Rundfunk, Elektrotechnik und Mechanik Berlin, Plastik 1964-65


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VO R S C H AU / I M P R E S S U M

SAMMLER JOURNAL 8 / 2015

SAMMLER JOURNAL

ISSN 1863-0332

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GEMI Verlags GmbH Pfaffenhofener Straße 3 85293 Reichertshausen Tel. 08441 /4022-0 Fax 08441 / 71846 Internet: http://www.gemiverlag.de eMail: info@gemiverlag.de

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Gerd Reddersen Rudolf Neumeier

KERAMIK Goldscheider

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PORZELLAN Carl Tielsch GEMÄLDE Lucas Cranach d.J.

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Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/08 vom 01.11.2008


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