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AUGUST 2015
August 2015 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50
SAMMLER JOURNAL
KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN
Über 2.000 Sammlertermine
Goldscheider Exotik,Verführung, Glamour
Konsoltische Zwischen Möbel und Architektur
Gemälde Lucas Cranach d. J.
Dialog Leser & Experten
Auktionen GEMI
Berichte & Preise
Ausstellungen Tipps & Termine
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I N H A LT
August 2015 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50
KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN
Über 2.000 Sammlertermine
Goldscheider
KERAMIK
Exotik,Verführung, Glamour
Goldscheider Konsoltische
Heidrun Th. Grigoleit
Zwischen Möbel und Architektur
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Gemälde Lucas Cranach d. J.
Dialog Leser & Experten
Auktionen Berichte & Preise
Ausstellungen Tipps & Termine
MÖBEL Titelfotos: Margret Hoppe, Leipzig
Konsoltische Dieter Weidmann
DIALOG
4
MAGAZIN
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MESSETERMINE
13
KUNSTMARKT
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PORZELLANKUNST
18
STREIFLICHTER
20
AUKTIONSNOTIZEN
38
AUKTIONSTERMINE
44
INSERENTENVERZEICHNIS
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AUSSTELLUNGSTERMINE
58
AUSSTELLUNGEN
63
LITERATURTIPP
68
AUKTIONSPREISE
72
IMPRESSUM
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VORSCHAU
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PORZELLAN Carl Tielsch Frank K. Tarikk Riemann
GEMÄLDE Lucas Cranach d. J.
TERMINE & KLEINANZEIGEN IN DER BEILAGE
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Anja Iwa
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Walter A. Kirchner Poetischer Realismus „Poetischer Realismus” nennt der Bildhauer, Maler und Grafiker Walter A. Kirchner seinen Stil. Dieser spiegelt sich schön in seinen Porzellanfiguren wider, die er in limitierten Serien für die Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst in Biskuitporzellan modelliert hat. Geschmeidige, elegante Bewegtheit, klare, ästhetische Formen, schöne Konturlinien und reine Oberflächen verbinden sich in Figur und Torso zu Personifizierungen von „Verträumtheit", „Anmut", „Herausforderung", „Leidenschaft", „Liebreiz" und „Hingebung". Das reine Weiß des Porzellans lässt die Körper fast idealtypisch erscheinen. Die Grenzen zwischen realistischen, naturalistischen und idealistischen Zügen in der Kunst sind oft fließend. Der Verklärung der Wirklichkeit im Idealismus und dem Bestreben im Naturalismus, dem Naturvorbild so nah und detailreich wie möglich zu kommen, setzt der Realismus die schöpferische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit entgegen. Die realistische Wiedergabe der Wirklichkeit geht einher mit einer Deutung derselben. Der Jugend und ihrer körperlichen Schönheit wollte sich Kirchner in diesem bildhauerischen Projekt widmen, und er nennt diese Serie von Arbeiten zum Thema Tanz und Akt für die Schwarzenburger Werkstätten für Porzellankunst selbst „Visionen in Weiß". Im Gegensatz zur naturalistischen Darstellung folgen die Figuren Kirchners einer gewissen formalen Strenge, die jedoch sofort von einer wohl dosierten barocken Bewegtheit abgefedert wird. Dieses ausbalancierte Zusammenspiel zwischen bewegter Körperspannung und klarer Haltung erinnert an das Maßvolle und die Ausgeglichenheit der Formen bei Renaissance-Figuren. Die körperliche Schönheit seiner Figuren und Torsi ist zwar unübersehbar, aber keineswegs vordergründig. Dafür sorgt die Gelassenheit der Gestalten, ihre
Verträumtheit, limitierte Serie, 33 x 19 x 33 cm, Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst
Anmut, limitierte Serie, 17 x 13 x 63 cm, Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst. – Liebreiz, limitierte Serie, 13 x 15 x 45 cm, Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst
Hingebung, limitierte Serie, 36 x 19 x 42 cm, Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst
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Ausgewogenheit in Proportion und Haltung. Erotisch reizvoll wirkt bei manchen das Spiel zwischen Gewand und Körper. Die schöpferische Eleganz und das Symbolhafte zeigen sich in der Tänzerin als personifizierte „Anmut" oder in der Sitzenden als Allegorie der „Verträumtheit". Dem Lyrischen, Poetischen lässt Kirchner dabei ebenso viel Raum wie einem dramatischen Moment, wie er in dem männlichen Akt als Personifikation der „Herausforderung" zeigt. In dieser Serie verbinden sich Raffinesse und Klarheit, Grazie und Spannung zu besonderen Sammlungsobjekten für den Kennerblick. Poesie spielte schon sehr früh eine Rolle im Leben des 1941 im rumänischen Banat geborenen Künstlers. Kirchner schrieb in seiner Jugend Gedichte und wollte eigentlich Schriftsteller werden. Seine zweite große Leidenschaft war die Musik, die ihm sein Großvater, ein Geigen- und Instrumentenbauer, vermittelte. Sein Interesse für die bildende Kunst entdeckte Kirchner erst mit Anfang Zwanzig, und das ganz zufällig. Während seines Praktikums in einem Chemielabor erklärte sich Kirchner bereit, eine benötigte plastische Form zu modellieren. Er tat sich leicht und das Ergebnis brachte ihm nicht nur die Bewunderung der Kollegen ein, sondern auch die Erkenntnis über sein gestalterisches Talent. Mit 23 Jahren bewarb er sich auf der Kunsthochschule in Temeswar und studierte dort von 1964 bis 1967 Bildhauerei. Dort machte er sich auch mit der Malerei, dem
Zeichnen, der Fotografie, der Druckgrafik und der Glasmalerei vertraut. Kirchner wurde zunächst Kunsterzieher in Heltau, Siebenbürgen, und erhielt ein Stipendium bei einem der bedeutenden österreichischen Bildhauer des 20. Jahrhunderts, bei Fritz Wotruba in Wien. Die Reise dorthin wurde ihm jedoch verwehrt. Dies, und ebenso die Tatsache, dass er nicht im Ausland ausstellen durfte, veranlassten ihn, einen Ausreiseantrag für die Übersiedelung in die Bundesrepublik zu stellen. Bis zur Ausreisegenehmigung sollte es sechs Jahre dauern, in denen er – seine Stelle als Lehrer hatte er verloren – als Industriedesigner arbeitete. 1981 gelang der NeuanLeidenschaft, limitierte Serie, 17 x fang im baden-württem10 x 32 cm, Schwarzburger Werkbergischen Pforzheim, wo stätten für Porzellankunst er bis heute lebt und erfolgreich arbeitet. Walter A. Kirchners Werke waren in Rumänien, Deutschland, Frankreich, Italien, in Lettland, der Schweiz und in Ungarn in Ausstellungen zu sehen. Seit 1982 ist er Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler, seit 1985 Mitglied der Künstlergilde Esslingen. Öffentliche und private Ankäufe in den deutschsprachigen Ländern, Italien, Frankreich, Spanien, genauso wie in Kanada, den USA und Japan belegen seinen Erfolg. Er ist Preisträger der Internationalen Triennale für Bildhauerei in Bordeaux, 1985 erhielt er den zweiten Preis des Salon des Nations im Centre International d’Art Contemporain in Paris. Karin Probst
FOTOS | Gläserne Porzellanmanufaktur Rudolstadt
Herausforderung, limitierte Serie, 44 x 19 x 63 cm, Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst
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Biennale Arte Venedig Streifzug mit Dame in Rot
Wie schön ist es, zwei Tage von einer Dame in Rot durch die Biennale geführt zu werden! Für den kunstinteressierten älteren Herrn ist das ein wunderbares Erlebnis: Ich wusste nicht, was auf mich zukam, und ließ mich treiben. 89 Pavillons der verschiedenen Länder, verstreut im bezaubernden Venedig, zwei Hauptgebiete – „Giardini" und „Arsenale" (militärisches Gelände) –, auf denen sich die meisten Pavillons befanden, wurden angepeilt. Einige auf dem Weg hin und zurück wurden eher „zufällig" aufgesucht. Die Dame in Rot hatte natürlich einen Plan – auf jeden Fall Japan mit den 80.000 Schlüsseln an roten Fäden. War ja klar, wegen des roten Kleids. Und die Niederlande, da sie den Künstler persönlich kennt. Mir war es recht; Namen der Künstler waren für mich kaum zu merken. Der Park Giardini war wunderbar schattig. Ein Eingang mit langen schwarzen Ledertüchern als mysteriösem Vorhang lockte zum Eintritt. Die Künstler-Beschreibungen in italieni-
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ST R E I F L I C H T E R
scher und englischer Sprache hätten Tage gedauert, um sie zu lesen. Dann und wann kam ich trotzdem nicht darum herum. Lange Fotostrecken mit weisen Texten wurden von uns durchschritten. Filme verzauberten:Wie etwa eine gebeugte Afrikanerin minutenlang durch die Wüste immer mehr auf ihren Kopf auflud und sich immer weiter bergauf quälte, auch wenn sie reizende Vögel begleiteten, faszinierte. Überhaupt, die Filme. Und die Skulpturen. Und die Farben. Kunst eben. Und für den älteren Herren zum Ausgleich: die Besucherinnen! Prächtig! Die eleganten Italienerinnen, die süßen Japanerinnen, die jungen und die gestylten Alten, wenn es denn Italienerinnen oder Japanerinnen waren … Die Pause im Restaurant hingegen war etwas grausam: Da der Prosecco im Plastikbecher und die Pasta, auf Papptellern mit Plastikbesteck serviert, bei der Dame in Rot wenig Begeisterung hervorriefen, gab es Punktabzug. Die beiden alten Holzkähne, über denen auf roten Fäden gespannte 80.000 verrostete Schlüssel als Wolke schwebten, begeisterten die rote Dame und mich gewaltig. Danke Japan! Oder der türkische Beitrag, der die Weltreligionen zusammenführen und nebenbei das Verhältnis zwischen den Geschlechtern verbessern wollte … Der Argentinier, der in Polyester gegossene Formen zeigte. Beeindruckende und bedrückende Kinderskulpturen warteten auf die Erschießung und hatten Waffen neben sich liegen. Riesige chinesische Metalldrachen flogen ins Areal. Das italienische Kupfertor verführte zum Eintritt. Im französischen Beitrag wanderten drei lebendige Kiefern im Park herum. Der ältere Herr bedankte sich bei der Dame in Rot. Axel Rosenthal
FOTOS | Axel Rosenthal
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Cran ach
Lucas Cranach d. J. Anja Iwa
SOHN LUCAS CRANACHS D. Ä. Lucas Cranach der Ältere (1472-1553) war einer der bedeutendsten deutschen Maler und Grafiker der Renaissance. In seiner Werkstatt wurden neben unzähligen allegorischen Gemälden und Altarwerken in erster Linie Porträts verschiedener Dienstherren sowie der Reformatoren Martin Luther (1483-1546) und Philipp Melanchthon (1497-1560) angefertigt. Lucas Cranach der Jüngere (4. Oktober 1515 Wittenberg - 25. Januar 1586 ebenda) war als Sohn Cranach des Älteren ebenfalls ein künstlerisch hoch begabter und bedeutender Maler. Er ist heute vorrangig bekannt für seine Porträts und Darstellungen biblischer und mythologischer Themen und nimmt vor allem unter den deutschen Porträtisten der Spätrenaissance und des Manierismus eine hervorragende Rolle ein. Bereits in jungen Jahren war er Lehrling in des Vaters Kunstwerkstatt und bis heute ist es schwierig, die Werke von Vater und Sohn während ihres gemeinsamen Schaffens in der Werkstatt zuzuordnen, denn Cranach d. Ä. bestand auf einem verbindlichen und einheitlichen Stil, an den sich alle Mitarbeiter zu halten hatten. Individuelle Stileigentümlichkeiten waren hier streng untersagt. Vater und Sohn Cranach wurden beide schon zur damaligen Zeit als vortreffliche Künstler gelobt und doch stand der Jüngere bisher immer ein Stück weit im Schatten seines hochgestellten Vaters.
BIOGRAFIE
Lucas Cranach der Jüngere, Hercules bei der Omphale, 1535 © Statens Museum for Kunst – National Gallery of Denmark Lucas Cranach der Jüngere, Ruhende Quellnymphe, 1550 © Nationalmuseum Oslo
Lucas Cranach der Jüngere kam am 4. Oktober 1515 als zweiter und jüngster Sohn von Barbara Brengbier und Lucas Cranach d. Ä. in Wittenberg zur Welt. Sein Vater war zu dieser Zeit schon seit etwa zehn Jahren in Wittenberg als Hofmaler tätig und erhielt dort ein festes Einkommen. Er besaß drei Häuser in Wittenberg, zwei davon (Markt 4 und Markt 5)
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GEMÄLDE
Reformationsaltar, Stadtkirche St. Marien Wittenberg. © Stadtkirchengemeinde St. Marien, Foto: Jürgen Pietsch Lucas Cranach der Jüngere, Studie von Köpfen und Händen, um 1558 © Staatsgalerie Stuttgart
inmitten der Stadt und das dritte (Schlossstraße 1) in unmittelbarer Nähe der beiden anderen Anwesen. Lucas Cranach d. J. wurde in einem der beiden Häuser am Markt geboren und wuchs in der Schlossstraße 1 heran. Sein Vater war ein tüchtiger, erfolgreicher Unternehmer und somit vermehrte sich das Vermögen der Familie im Lauf der Zeit und bald gehörten die Cranachs zu den reichsten Familien der Stadt. Auch politisch engagierte sich Cranach d. Ä. regelmäßig, doch die Malerei blieb immer sein Kerngeschäft, hier war er ebenfalls ganz Unternehmer, denn er arbeitete nicht allein, sondern war als Leiter seiner eigenen Werkstatt tätig. Neben den Aufträgen des Hofes erledigte die Cranach’sche Werkstatt auch Arbeitsaufräge für andere Kunden und die Werkstatt war vor allem bekannt für eine bemerkenswerte Produktivität und Schnelligkeit in der Ausführung. Das Haus des Malers beherbergte regelmäßig höher gestellte Gäste und daher war das Umfeld des jungen Lucas auch stets beeinflusst von Reichtum und Geschäftssinn. Lucas d. J. hatte einen älteren Bruder, Johannes, genannt Hans Cranach, mit dem zusammen er vermutlich bereits ab dem 14. Lebensjahr in der Werkstatt des Vaters arbeitete. Zur Schulausbildung der beiden Brüder Hans und Lucas weiß man nicht sehr viel, doch war es damals in vermögenden Haushalten üblich, einen eigenen Hauslehrer zu beschäftigen. Es hat in diesem Fall wohl auch einen jungen Lehrer gegeben, dessen Name aber leider nicht bekannt ist. Hans Cranach, ein mindestens ebenso talentierter Ma-
ler wie sein Vater, ging zur künstlerischen Fortbildung nach Bologna, wo er überraschend am 9. Oktober 1537 einem tödlichen Fieber erlag. Es scheint auf der Hand zu liegen, dass er vom Vater als sein Nachfolger vorgesehen gewesen war – sein früher
Tod traf die Familie schwer und ließ Lucas als einzigen Sohn des Künstlers zurück. Künftiger Erbe der väterlichen Werkstatt war damit Lucas d. J., der nach dieser Tragödie wohl wenig Chancen hatte, die Familie von einem längeren Besuch im Ausland
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zu Studienzwecken zu überzeugen. Er sollte sein Leben lang in Wittenberg bleiben und heiratete am 20. Februar 1541 Barbara Brück, die Tochter eines Wittenberger Hofrates und Kanzlers. So bekam das Haus Cranach eine neue Herrin und Hausfrau, denn nur wenige Wochen zuvor war die Mutter von Lucas verstorben. Lucas d. J. und seine Frau hatten zusammen vier Kinder (Lucas, Barbara, Johannes und Christian), doch die Ehe dauerte nicht sehr lange, da Barbara schon am 10. Februar 1550 starb. 1547 erfolgte die Eroberung Wittenbergs durch Kaiser Karl V., nachdem Kurfürst Johann Friedrich in der Schlacht bei Mühlberg gefangen genommen war. Dieses Ereignis hatte massive Auswirkungen für die Familie Cranach, denn Wittenberg verlor die Residenz und den Hofstaat
und Cranach d. Ä. musste den Verlust seines wichtigsten Aufraggebers hinnehmen. 1550 folgte er dem Kurfürsten ins Exil nach Augsburg. Vater und Sohn hatten von etwa 1529 bis 1550 Seite an Seite in der Werkstatt gearbeitet, wo Meister, zahlreiche Gesellen sowie Lehrjungen unbekannter Anzahl gemeinsam tätig waren. Man arbeitete effektiv zusammen und so gab es sowohl fließbandähnliche Arbeitsprozesse bei gewissen Vorlagen als auch Mitarbeiter, die für die Ausmalung bestimmter Motive oder ganzer Bilder zuständig waren. Bei solchen Werkstätten kann es oft schwierig sein, die Bilder einzelnen Mitarbeitern zuzuordnen – insbesondere bei Cranach, denn hier wurde, wie erwähnt, großer Wert auf einen einheitlichen Werkstattstil gelegt.
Nachdem Cranach d. Ä. Wittenberg verlassen und seinem Herrn ins Exil nachgefolgt war, musste Lucas ab 1550 nicht nur den Verlust seiner Ehefrau verkraften, sondern auch die Leitung der künstlerischen Werkstatt alleine übernehmen. Verschiedene Quellen lassen erahnen, wie sehr der junge Witwer unter demTod von Barbara gelitten haben muss. Zu dieser Zeit war die Einhaltung eines Trauerjahres vor allem bei Witwen nicht ungewöhnlich, wurde jedoch von Witwern nicht immer eingehalten, vor allem dann nicht, wenn diese Kinder zu versorgen hatten. Cranach d. J. hielt jedoch das Trauerjahr ein und heiratete erst wieder im April oder Mai 1551 die deutlich jüngere und ebenfalls aus Wittenberg stammende Magdalena Schurff, Tochter eines Medizinprofessors, mit der er fünf gemeinsame Kinder (Magdalena, Agnes, Elisabeth, Augustin und Christoph) haben sollte. Augustin ist der einzige Sohn Cranachs, der angeblich eine künstlerische Laufbahn verfolgt haben soll, es ist jedoch kein klar nachweisbares Werk von ihm bekannt. Wie zuvor sein Vater, machte sich auch Lucas d. J. in der Selbstverwaltung der Stadt Wittenberg stark, und man kann sagen, dass er ihn auch hier quasi ablöste. 1543/44 war der Vater zuletzt im Amt und 1549 trat der Sohn dem Rat der Stadt bei, wo er bis 1567 regelmäßig im „regierenden" Rat amtierte, einmal sogar zusätzlich als Bürgermeister und mehrmals auch als Kämmerer. Nach 1567 stellte Cranach seine Amtstätigkeiten ein und befasste sich künftig nur mit seiner künstlerischen Werkstatt. Auch hinsichtlich seiner Geschäftstüchtigkeit stand der Jüngere dem Vater in nichts nach. Er hatte die Werkstatt, das Gebäude in der Schlossstraße 1, ein weiteres kleines
Lucas Cranach der Jüngere, Moritz von Sachsen, 1545 © Musée des Beaux-Arts Reims
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GEMÄLDE
Lucas Cranach der Jüngere, Gekreuzigter Christus, 1571 © Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt
Haus, eine Streuobstwiese sowie ein großes Wald-, Wiesen- und Ackergrundstück bei Wittenberg geerbt und steigerte seinen Reichtum unter anderem durch die Vergabe von Krediten, für die er Zinsen bezog. Darüber hinaus bot ihm die Ausbildung von Lehrlingen eine sichere Einnahmequelle. So kam es, dass Cranach d. J. 1573 auf der Liste der reichsten Mitglieder der Stadt Wittenberg den fünften Platz einnahm. Er starb im Alter von 70 Jahen am 25. Januar 1586 in Wittenberg. Seine Grabstelle befindet sich in der Wittenberger Stadtkirche vor der Empore in der Gegend des letzten südlichen Pfeilers, wo heute ein Gedenkstein an den Künstler erinnert. Im Altarraum der Kirche befindet sich ein Epitaph, das seine Erben gestiftet haben. Zwei Schrifttafeln halten links das Andenken an Lucas Cranach d. J. und rechts das seiner beiden Ehefrauen fest.
KÜNSTLERISCHES WERK Die Cranach’sche Werkstatt fertigte größtenteils Porträts für Adelige und Leute aus dem gehobenen Bürgertum, und daher wird das künstlerische Werk Lukas Cranachs d. J. unter anderem auch durch repräsentative Bildnisse geprägt. Auch Portäts der damaligen Reformatoren, besonders Luther und Melanchthon, wurden in der Werkstatt angefertigt, so gab Cranach d. J. auch den späten Lutherbildern Gestalt – als der heute bekannte Typus des Gelehrten mit einem geöffneten oder geschlossenen Buch in den Händen. Neu war hierbei die ganzfigurige Darstellung der Reformatoren, denn zuvor waren nur Herrscher oder wichtige Hofmitglieder gleichsam abgebildet worden. Luther und Melanchthon erhielten
jedoch als Gründerväter gleichzeitig auch den Rang als „Kirchenväter" und ab den 1560er-Jahren waren die evangelischen Kirchen grundsätzlich auch mit ihren Porträtbildern ausgestattet. Besonders Cranachs Gemälde stehen im zentralen Interesse bei der Betrachtung seines künstlerischen Schaffens, denn diese sind bis heute – teilweise sogar noch an ihrem ursprünglichen Ort, in Schlössern oder Kirchen zu sehen.
AUSSTELLUNG Die Ausstellung „Lucas Cranach der Jüngere – Entdeckung eines Meisters" ist Höhepunkt der Aktivitäten des diesjährigen Themenjahres „Reformation – Bild und Bibel" in Wittenberg anlässlich des 500. Geburtstags von Lucas Cranach dem Jüngeren. Die Schau ist bis zum 1. November zu sehen und weltweit die erste Sonderausstellung, die sich ausschließlich dem Leben und Werk des jüngeren Cranach widmet. Sie stellt ihn als facettenreiche Persönlichkeit vor, vor allem aber lenkt sie den Blick auf den Künstler Lucas Cranach als fürstlichen Auftragnehmer, als Maler reformatorischer Altäre und Epitaphien, ausgezeichneten Porträtisten und hochbegabten Zeichner. Er war ein geschäftstüchtiger Künstler, der inmitten eines großen persönlichen und beruflichen Netzwerks agierte. Kunstwerke aus deutschen und internationalen Sammlungen sowie mediale Darstellungen vermitteln diese Zusammenhänge. Sie ermöglichen die seit langem überfällige Entdeckung Cranachs d. J. als großen unbekannten Meister aus Wittenberg. Leihgaben aus Frankreich bilden das Glanzlicht der Ausstellung: Insgesamt 13 Porträtzeichnungen von Lucas Cranach d. J. kommen aus dem Musée des Beaux-arts aus Reims nach Wittenberg. Bislang wurden die meisten Blätter Cranach d. Ä. zugeschrieben. Neueste Forschungen zeigen aber, dass alle Zeichnungen von der Hand Cranach d. J. stam-
men können. Die Porträts waren bisher ein einziges Mal ausgestellt, 1951 in den USA. In Europa waren noch nie alle Studien zusammen zu sehen. Das Musée des Beaux-arts in Reims ist derzeit wegen Umbaumaßnahmen geschlossen. Daher bot sich die Gelegenheit, die Zeichnungen an einem anderen Ort zu präsentieren. Dass sie nun dorthin zurückkehren, wo sie entstanden sind, kommt einer Sensation gleich. Die Ausstellung wird im Augusteum, dem Vordergebäude des Lutherhauses, zu sehen sein. Alle Informationen unter: www. cranach2015.de Literatur: Zur Eröffnung des Cranach-Jahres ist im Januar die erste Biografie zu Lucas Cranach d. J. erschienen. Das Buch von Dr. Stefan Rhein, Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, beschert dem Maler, seinem Leben und seinem Werk sowie dessen Nachwirken bis in die heutige Zeit eine erstmalige eigenständige Würdigung und wird ergänzt durch zahlreiche Farbreproduktionen von Cranach-Werken (Stefan Rhein: Lucas Cranach der Jüngere – eine biografische Annäherung, Fotografien von Jürgen M. Pietsch, Edition Akanthus, 88 Seiten, 50 farbige Abb., ISBN 978-3-00-048471-1)
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Die Klassikerin Design Jacques Barsac: Charlotte Perriand. Complete Works. Volume 2: 1940–1955, 528 Seiten, 744 farbige Abbildungen, 441 s/w Abbildungen. Scheidegger & Spiess, 1. Auflage, 2015. Dem bereits 2014 erschienenen und in der Juni/2015-Ausgabe des SJ vorgestelltem 1. Band folgt nun der nächste des insgesamt aus drei Bänden bestehenden Werks über Leben und Schaffen von Charlotte Perriand. Im ersten Band stand ihre fruchtbare Zusammenarbeit mit Le Corbusier und Pierre Jeanneret im Mittelpunkt, aus der sich eine Vielzahl von Möbelklassikern entwickelte. Der aktuelle Band beschreibt die Jahre 1940 bis 1955, die zunächst von ihrer Arbeit in Japan (1940-1942) geprägt sind. Auf Einladung der japanischen Regierung reist sie mit dem Auftrag, als Beraterin das japanische Design zu modernisieren, häufig dorthin. Bereits im Jahr 1940 schuf sie die Chaise Longue aus Bambus und Holz als japanische Interpretation ihrer Stahlrohr Liege LC 4 aus dem Jahr 1928. Sie vereint in genial einfacher Weise japanische Werkstoffe mit europäischer Form. Darüber hinaus nutzte sie ihre Aufenthalte auch, um die traditionelle japanische Kultur fotografisch zu porträtieren. Viele der damals entstandenen Aufnahmen werden nun erstmals in diesem Buch veröffentlicht. Von 1952 bis 1955 arbeitete sie intensiv mit dem Atelier Jean Prouvé zusammen. Hier erschloss sich ihr, die bereits ab den 1920ern die gestalterischen Möglichkeiten des Stahls beim Möbelbau ausgelotet hatte, erstmals die Möglichkeit, ihre Entwürfe massenproduktionstauglich zu konzipieren. Im
Chaise Longue aus Bambus und Holz
Gegenzug profitierte Prouvés Werk von ihr in ästhetischer Hinsicht. Es entstanden einige beispielhafte Meisterwerke, darunter die Schlafsäle im tunesischen und mexikanischen Haus der Cité Internationale Universitaire de Paris. Insgesamt zeigt das Buch viele Facetten des Werks der Ausnahmegestalterin. Wolfgang Hornik ISBN 978-3-85881-747-1
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VO R S C H AU / I M P R E S S U M
SAMMLER JOURNAL 9 / 2015
SAMMLER JOURNAL
ISSN 1863-0332
VERLAG
GEMI Verlags GmbH Pfaffenhofener Straße 3 85293 Reichertshausen Tel. 08441 /4022-0 Fax 08441 / 71846 Internet: http://www.gemiverlag.de eMail: info@gemiverlag.de
GESCHÄFTSFÜHRER
Gerd Reddersen Rudolf Neumeier
GLAS Fulvio Bianconi
ASSISTENZ DER GESCHÄFTSFÜHRUNG
Karin Teichmann
CHEFREDAKTEUR
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REDAKTEURE
Nicola Fritzsch Karin Probst Helene Stümpfle-Wolf Joscha Eberhardt
STÄNDIGE MITARBEIT
Dr. Graham Dry Dr. Dieter Weidmann Heidrun Th. Grigoleit Anja Iwa
AUTOREN DIESER AUSGABE
Heidrun Th. Grigoleit Dr. Wolfgang Hornik Anja Iwa Karin Probst Frank K. Tarikk Riemann Axel Rosenthal Dr. Dieter Weidmann
REDAKTIONSASSISTENZ
Heike Genz
TERMINE
Anette Wagner, Tel. 08441/4022-35 Hans Neumeier, Tel. 08441/4022-34 eMail: termine@gemiverlag.de
LITHOS, SATZ, HERSTELLUNG
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