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SEPTEMBER 2015

September 2015 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50

SAMMLER JOURNAL

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

Designmöbel André Dubreuil

Gemälde Thomas Herbst

Fulvio Bianconi Modernes Glasdesign

Dialog Leser & Experten

Ausstellungen GEMI

Tipps & Termine

Auktionen Berichte & Preise


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I N H A LT September 2015 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

Designmöbel André Dubreuil

GLAS

Gemälde

Fulvio Bianconi

Thomas Herbst

Regina Voges

Fulvio Bianconi

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Modernes Glasdesign

Dialog Leser & Experten

Ausstellungen Tipps & Termine

Auktionen Berichte & Preise

DESIGN André Dubreuil

Titelfoto: Wright / Chicago

Sabine Spindler

DIALOG

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MAGAZIN

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MESSETERMINE

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GEMÄLDE

KUNSTMARKT

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Thomas Herbst

PORZELLANKUNST

24

AUKTIONSTERMINE

33

INSERENTENVERZEICHNIS

39

AUKTIONSNOTIZEN

40

AUSSTELLUNGSTERMINE

60

AUSSTELLUNGEN

65

LITERATURTIPP

84

AUKTIONSPREISE

96

IMPRESSUM

106

VORSCHAU

106

Anja Iwa

A RT D É CO André Groult Bettina Krogemann

J U G E N D ST I L TERMINE & KLEINANZEIGEN

Haus Hohe Pappeln

IN DER BEILAGE

Wolf Pecher

KERAMIK Museum Weiden Wolfgang Hornik

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Cornelia Schleime, Björk, 2012-2014, Galerie Michael Schultz bei der viennacontemporary © Courtesy Galerie Michael Schultz, Berlin

nen: Die Galerie Bernard Bouche, die mit drei Künstlern (Carlo Guaita, John Murphy und José Pedro Croft) nach Wien kommen wird und die Galerie Caroline Smulders mit einer Einzelpräsentation der in Tokio geborenen Künstlerin Kimiko Yoshida. Weitere Newcomer sind aus Westeuropa die Galerien Boccanera aus Trient sowie aus Berlin Anna Jill Lüpertz. Die Stefan Lundgren Gallery aus Palma de Mallorca/Spanien zeigt mit Luis Gispert und Jacolby Satterwhite zwei US-amerikanische Künstler erstmals in Wien. Aus der Schwerpunktregion Osteuropa kommen ebenfalls interessante Neuzugänge wie zum Beispiel aus Moskau die junge Galerie Triangle. 2012 wurde die Yay Gallery gegründet, die aus Baku/Aserbaidschan nach Wien kommt. Erst im letzten Jahr wurde die Galerie Eastward Prospectus aus Bukarest von Andrei Breahna und Raluca Soaita gegründet, die mit einer Einzelpräsentation von Marilena Preda Sânc auf der Messe vertreten sein wird. Aus Brno in der Tschechischen Republik kommt die Fait Gallery erstmals nach Wien. Mit dem Präsentationsformat „Reflections“ betont die viennacontemporary den kuratorischen Aspekt der Galeriearbeit und bietet den teilnehmenden Galerien eine spezielle Präsentationsfläche für eigens zur Kunstmesse konzipierte Ausstellungen. Auch am neuen Standort, der Marx Halle, ermöglicht die viennacontemporary Galerien, junge Künstlerinnen und Künstler in Einzelpräsentationen vorzustellen. Bisher auf Galerien aus Österreich beschränkt, steht die ZONE1 ab diesem Jahr auch internationalen Galerien zur Verfügung.

Lustvoller Umgang viennacontemporary Dass Wien ein erfolgversprechender Marktplatz für zeitgenössische Kunst ist, beweist die Liste der Anmeldungen wichtiger internationaler Galerien zur viennacontemporary vom 24. bis 27. September in der Marx Halle. Nach der erfolgreichen Erstteilnahme 2014 hat sich Volker Diehl (Berlin/ Moskau) auch heuer wieder für die viennacontemporary entschieden und wird die Künstlergruppe Alliance 22 aus Kiew in Wien präsentieren. Zwei Jahre ausgesetzt hatten Dittrich & Schlechtriem aus Berlin. Die erfolgreiche Entwicklung der viennacontemporary nimmt die Galerie zum Anlass, nach Wien zurückzukommen und präsentiert u.a. Julian Charrière und Julius von Bismarck auf Wiens internationaler Kunstmesse. Die Galerija Vartai aus Vilnius zeigt neben vier Positionen aus Litauen mit Lilli Thiessen in diesem Jahr erstmals auch eine in Wien lebende Künstlerin. Die Galerie Iragui aus Moskau geht anhand aktueller Positionen wie Nikita Alexeev, Viktor Pipovarov und Pavel Pepperstein den Spuren des Suprematismus in der zeitgenössischen russischen Kunst nach. Durch mehrfache Teilnahme an der Wiener Kunstmesse haben auch Temnikova & Kasela aus Tallinn den Sprung in die internationale Kunstszene geschafft, die Krista Mölder und Flo Kasearu aus Estland und Inga Meldere aus Litauen präsentieren werden. Heuer zum ersten Mal mit dabei sind die Kölner Galerien Christian Lethert sowie Hammelehle und Ahrens. Zwei Neuzugänge kann die viennacontemporary aus Paris verzeich-

Matej Andraz Vogrincic, Untitled (56 boats, Liverpool Biennial, 2006 bei der viennacontemporary © Courtesy of the artist and Galerija Skuc, Ljubljana, Slovenien


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Nach den Schwerpunktländern Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, der Ukraine und Weißrussland (2012), Georgien und Polen (2013) sowie Aserbaidschan (2014) richtet die viennacontemporary unter dem Motto „Focus Bulgaria“ den Blick 2015 auf dieses Land. Mit ihrem Rahmenprogramm bietet die Veranstaltung allen Besuchern die Möglichkeit, ihr Wissen über zeitgenössische Kunstströmungen zu vertiefen und mehr über bedeutende internationale Kunstsammlungen zu erfahren. Unter dem Motto „Keys to Contemporary Art“ – ko-kuratiert von Christina Steinbrecher-Pfandt, Künstlerische Leitung viennacontemporary und Nicolaus Schafhausen, Direktor Kunsthalle Wien – spannt sich der Bogen an Diskussionen während der vier Tage in der Marx Halle von der beginnenden Wiederentdeckung der Avantgardebewegungen in Osteuropa über Einflussmöglichkeiten zeitgenössischer gesellschaftskritischer Kunst und den immer wichtiger werdenden performativen Strategien aktueller Kunstproduktion bis hin zu den Konzepten der Vermittlung zeitgenössischer Kunst in Museen und Kunsthallen. Mit dem Projekt curated by_vienna unterstützt die Wirtschaftsagentur Wien mit ihrem Kreativzentrum departure seit 2009 die systematische Zusammenarbeit von Wiener Galerien zeitgenössischer Kunst mit internationalen Kuratorinnen und Kuratoren und kooperiert gleichzeitig eng mit der viennacontemporary. „Curated by_vienna 2015“ steht unter dem titelgebenden Motto „Tomorrow Today“ und beginnt bereits am 10. September. Neben den Programmen für Repräsentanten aus dem Kunstbetrieb, Künstlern und Kunstsammlern präsentiert sich die viennacontemporary als Kunstmesse, die einen unkomplizierten und lustvollen Zugang zur zeitgenössischen Kunst schafft. TELEFON I 0043/1/524964622 INTERNET I www.viennacontemporary.at

Ballettschuhe in Porzellan KPM Berlin ehrt Jahrhunderttänzer Vladimir Malakhov Das wichtigste Utensil beim Tanzen sind die Ballettschuhe. Wie viel Paar Schuhe der berühmte Tänzer, Choreograf und ehemalige Intendant des Staatsballetts Berlin Vladimir Malakhov im Lauf seiner langen und glänzenden Karriere durchtanzt hat, lässt sich kaum ermessen. Stets bildeten sie jedoch eine wichtige Basis für seine spektakulären Auftritte auf den großen Bühnen der Welt. Mit einer originalgetreuen Nachbildung der Ballettschuhe von Vladimir Malakhov aus feinstem Porzellan würdigt die KPM Berlin den internationalen Ballettstar und unterstützt zugleich die Arbeit der von ihm gegründeten Malakhov Foundation. Porzellansammler und Ballettliebhaber können die kleine handgefertigte Skulptur mit der Unterschrift des Künstlers in Platin exklusiv bei der Malakhov Foundation www.malakhov-foundation.com erwerben. Ein Teil des Erlöses aus

Thomas Wenzel (Chefdesigner), Vladimir Malakhov (Tänzer, Choreograf) und Jörg Woltmann (Inhaber der KPM Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin) bei der Präsentation der orginalgetreuen Nachbildung der Ballettschuhe aus feinstem Porzellan der KPM Foto: Malakhov Foundation Berlin

dem Verkauf kommt der Arbeit der Malakhov Foundation zu Gute. Die von Vladimir Malakhov ins Leben gerufene Stiftung vergibt Ausbildungsstipendien für junge Balletttalente und unterstützt unverschuldet in Not geratene Tänzer in Form von Unterhaltsbeihilfen und Zuschüssen zu medizinischen Maßnahmen. Als Hersteller der Trophäe für den von der Malakhov Foundation vergebenen „Taglioni European Ballet Award“ ist die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin bereits seit 2014 Partner der Stiftung. Der Preis für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Ballettkunst wurde im September 2014 erstmals in Berlin vergeben. TELEFON I 030/390090 INTERNET I www.kpm-berlin.com www.malakhov-foundation.com

Geschmackserziehung 18. Roesler-Börse in Bad Rodach Die Roesler-Börse findet in diesem Jahr am Samstag, dem 29. August auf dem Platz vor dem Jagdschloss in Bad Rodach statt. Verkauft wird überwiegend in fränkischen Fachwerkhäuschen, die für diesen Tag aufgebaut und gebucht werden können. Wer aktiv am Tauschen und Verkaufen teilnehmen möchte, kann sich unter der Telefonnummer: 09564/1368 oder der Faxnummer: 09564/4169 anmelden. Das Heimatmuseum im Haus des Gastes im ehemaligen Jagdschloss in Bad Rodach beherbergt eine große Sammlung von Roesler-Erzeugnissen und ist am Tag der Roesler-Börse geöffnet. Am Abend nach der Börse trifft


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und kulturellen Förderung des gesamten Volkes zu leisten. Für Adolf Behrmann lautet der Eintrag in das Mitgliederverzeichnis: Kunstmaler, künstlerische Entwürfe für das gesamte Kunstgewerbe, künstlerischer Beirat für die Feinsteingutfabrik Max Roesler. Seine Entwürfe in dieser Zeit bewegen sich zwischen Jugendstil und Neoklassizismus und entsprechen damit den vorherrschenden Tendenzen dieser Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. TELEFON I 09564/1368 INTERNET I www.roesler-freunde.de

Fürs Sammlerherz Ludwigsburger Antikmeile Adolf Behrmann, Sphinx-Leuchter und Kerzenleuchter Venedig; Rösler-Börse in Bad Rodach Foto: Rolf Peters

sich die Roesler-Gemeinde in der Destillerie Möbus zum regen Erfahrungsaustausch, der Vorstelllung interessanter Neuerwerbungen und einem Vortrag über Adolf Behrmann mit den neuesten Forschungsergebnissen zu dieser interessanten Persönlichkeit. Neben F. Gustav Partz der nach dem Ersten Weltkrieg die künstlerische Leitung der Rodacher Feinsteingutfabrik übernommen hatte, gehört Adolf Behrmann zu den Künstlern, die maßgeblichen Einfluss auf die Formgestaltung bei Max Roesler genommen haben. Adolf Behrmann hält sich um 1900 in München auf und wird dort auch Mitglied des Bayrischen Kunstgewerbevereins, es zieht ihn aber schon bald nach Berlin, der aufblühenden Hauptstadt des Deutschen Reiches. Den Kontakt zur Feinsteingutfabrik in Rodach könnte er über Heinz oder Paula Roesler erhalten haben, die sich um 1900 beide zu Studienzwecken in München aufgehalten haben. Die Zusammenarbeit mit Roesler dürfte in etwa auf das Jahr 1905 zu datieren sein, da ab diesem Jahr in der Formgestaltung sowohl in der Küche als auch im Bereich der „Luxusgegenstände der Tisch- und Blumendekorationsartikel" ein Wandel hin zu geometrischen Grundformen festzustellen ist und vor allem in der Küche der funktionale Aspekt immer mehr in den Vordergrund rückt. Es dauert aber noch acht Jahre, bis Adolf Behrmann offiziell im Katalog als künstlerischer Beirat vorgestellt wird und die von ihm entworfenen Serien mit einem Entwurfsstempel: „Entwurf Maler Behrmann" gekennzeichnet werden. Es sind dies die Serien „Nürnberg", „Braunschweig" und „Mainz". Diese deutliche Hervorhebung der Entwurfsarbeit dürfte mit dem Wunsch einhergegangen sein, sich im Deutschen Werkbund zu engagieren. 1914 hat dieser Wunsch Erfolg, sowohl die Feinsteingutfabrik von Max Roesler als auch Adolf Behrmann werden zu Mitgliedern des wichtigen Zusammenschlusses von Architekten, Künstlern und Industriellen ernannt, die sich die Entwicklung der Formgestaltung auf die Fahnen geschrieben haben, um damit einen Beitrag zur Geschmackserziehung

Alles, was das Sammlerherz begehrt, gibt es auf der Ludwigsburger Antikmeile. Über 150 Anbieter aus dem gesamten Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland präsentieren am Wochenende des 26. und 27. September ein hochwertiges und breitgefächertes Angebot: Antike Möbelstücke, Spielzeug, Bücher, Glas, Gemälde, Uhren und vieles mehr. Technikbegeisterte werden an Ständen mit historischen Büromaschinen, Fotoapparaten, Telefonen, Schreib-, Rechen- und Nähmaschinen sicher fündig. Wer sein Zuhause mit etwas Edlem verschönern möchte, kann auf der Antikmeile zum Beispiel französische Keramik, englisches Silber oder Porzellan aus dem 17. bis 19. Jahrhundert erstehen. Wer es rustikaler mag, findet bäuerliche Antiquitäten und hochwertiges Leinen. Historische Eisenbahnen, Steifftiere und Puppenstubenzubehör erfreuen nicht nur die kleinen Besucherinnen und Besucher. Der Veranstalter, Tourismus & Events Ludwigsburg, bietet einen kostenlosen Service an: An einem Stand bei der Zentral-Apotheke begutachten zwei Experten auf der Antikmeile erworbene sowie mitgebrachte Antiquitäten. ÖFFNUNGSZEITEN I 11 bis 18 Uhr TELEFON I 07141/9102815

Antikmeile Ludwigsburg am letzten Septemberwochenende


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Ai Weiwei Der Unabhängige Als Ai Weiwei 2007 zur Documenta 12 eingeladen wurde, setzte er ein Zeichen, indem er 1.001 Chinesinnen und Chinesen aller Altersgruppen und Bevölkerungskreise nach Kassel anreisen ließ. Im folgenden Jahr äußerte er bei der Einweihung des Olympiastadions in Peking, das zum neuen Symbol der Stadt wurde, nachdrücklich sein Bedauern darüber, an seiner Konzeption mitgewirkt zu haben. 2010 füllten seine „Sunflower Seeds", eine Installation aus Hunderten von Millionen Sonnenblumenkernen aus Porzellan, die von chinesischen Künstlern hergestellt und handbemalt wurden, die Turbine Hall der Tate Modern in London und knirschten unter den Schritten der Besucher. Das Werk Ai Weiweis wird von den bedeutendsten Persönlichkeiten der Kunstwelt gewürdigt und unterstützt. Seine Bekanntheit verdankt er allerdings eher seinen Aufsehen erregenden Aktionen als der Anerkennung des Kunstmarktes, auf dem seine Werke nur selten zu haben sind. Für Ai Weiwei besteht die aufregendste Art des Kunstschaffens darin, konkrete Probleme zu kritisieren. Der zutiefst militante und rebellische Künstler, der zugleich politischer Aktivist ist, gilt in der Kunstszene als wahrhafter Pionier. Im Alter von 21 Jahren wird er Mitglied der Künstlergruppe der „Sterne" – einer Avantgarde, die sich dem sozialistischen Realismus in China widersetzt und stattdessen künstlerische Individualisierung und Experimentierfreude propagiert. 1981 lässt er sich in New York nieder, besucht die Parsons School of Design, interessiert sich für die Ready-mades von Marcel Duchamp und beschließt, Kunst vollkommen in sein Leben zu integrieren und umgekehrt. Von New York aus reagiert er auf die Ereignisse am Tian’anmen-Platz im Jahr 1989 mit einem Hungerstreik von acht Tagen. 1993 kehrt er wegen der Erkrankung seines Vaters nach Peking zurück. Seine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten mit dem chinesischen Regime vertiefen sich zusehends, und seine Kunst wird noch subversiver. 1995 beginnt er die berühmte Fotoserie „Study of perspective" (1995-2003), in der er bedeutenden Machtsymbolen wie dem Eiffelturm, der Oper von Sydney, dem

Ai Weiwei: Circle of Animals/Zodiac Heads, 2010 (Philips/London, 6/2015; Zuschlagspreis 4.231.500 Euro) (© Philips)

Ai Weiwei: Kui Hia Zi (Sunflower Seeds), 2008 (Christie’s/London, 10/2012; Zuschlagspreis 435.050 Euro) (© Christie’s Images Limited)

Weißen Haus, der Mona Lisa von Leonardo da Vinci und dem Tian’anmen-Platz den erhobenen Mittelfinger zeigt. Diese Fotografien machen einen so starken Eindruck, dass der erste auf einer Auktion versteigerte Abzug das Doppelte seines Schätzpreises erzielt. Er wechselt 2006 für knapp 14.000 Dollar den Besitzer. Doch diese Werke sind auf dem Markt eine äußerst seltene Ware: Zuletzt wurde eine Fotografie – ein gegen die Mona Lisa gerichteter erhobener Mittelfinger – 2008 bei einer Auktion in Peking angeboten. Diese Arbeit, die in China weniger gut aufgenommen wird als andernorts, wurde ohne großes Aufsehen für 9.000 Dollar innerhalb der Schätzpreisspanne verkauft. Ai Weiwei protestiert unaufhörlich, respektlos und mit allen erdenklichen Mitteln: Fotografien, Installationen, Performances, über soziale Netzwerke und über seinen Blog, der zu den meist gelesenen in China zählt. Überfordert von der Reichweite seiner Werke und seiner Aktionen, lässt ihn die chinesische Regierung überwachen und nimmt ihn schließlich am 3. April 2011 fest. Sein Studio und seine Wohnung werden durchsucht und seine Rechner beschlagnahmt. In Hongkong wird am 17. April eine große Demonstration zu seiner Unterstützung organisiert. Am 7. Mai 2011 wird er zum Mitglied der Akademie der Künste in Berlin gewählt. Am 22. Juni wird er nach 81 Tagen im Gefängnis gegen Kaution freigelassen. Allerdings steht er rund um die Uhr unter Bewachung. Im Dezember 2011 wählt ihn das Time Magazine zum Mann des Jahres. In den vergangenen Monaten wurden dem Künstler zwei große Ausstellungen gewidmet: „Evidence" im Berliner Martin-Gropius-Bau und eine Retrospektive im Kunstzentrum Palau de la Virreina in Barcelona. Ai Weiwei konnte nicht anreisen, weil ihm 2011 sein Reisepass entzogen wurde. In Barcelona wurde sein Arbeitstisch ausgestellt, um seine Abwesenheit stärker hervorzuheben („On the Table"). Auch wenn ihm immer noch nicht volle Bewegungsfreiheit gewährt wird, hat die chinesische Regierung die Zügel in letzter Zeit etwas lockerer gelassen. Nach einem langjährigen Ausstellungsverbot in China erhielt das schwarze Schaf des Regimes im vergangenen Mai die Erlaubnis, seine Ausstellung im berühmten Kunstbezirk 798 in Peking einzuweihen. Als Außenseiter in der chinesischen Kunstwelt wird er auch auf dem dortigen Auktionsmarkt als solcher gehandelt: So wurden in zehn Jahren lediglich 18 seiner Werke bei Auktionen angeboten. In London (54 Prozent seines Marktes) und New York hingegen reißt man sich um seine Installationen. 2015 erzielt er mit zwei Exemplaren von „Circle of Ani-


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plündert. Bei der Umsetzung dieses Werkes arbeitete der Künstler nach den sieben verbleibenden Originalen und gestaltete die fünf fehlenden Köpfe frei nach seiner Vorstellung. Die Installation wurde im Mai 2011 in New York enthüllt und anschließend in den Vereinigten Staaten, Europa und Asien ausgestellt. Die Unabhängigkeit von Ai Weiwei ist ikonoklastisch und aufrührerisch. Sie muss daher stets in Beziehung mit der Welt stehen, und die Kunstwelt erweist sich als äußerst dankbar. QUELLE | artprice.com

mals/Zodiac Heads", die im Februar für mehr als 4,3 Mio. Dollar und im Juni für 5,4 Mio. Dollar versteigert wurden, zwei neue Rekorde. Dieses Werk rührt an den alten getrübten Beziehungen zwischen China und Europa, denn die zwölf dargestellten chinesischen Tierkreiszeichen sind von der Tierkreiszeichen-Wasseruhr des Sommerpalasts von Peking inspiriert. Der Palast wurde während des Zweiten Opiumkrieges (1860) von britischen und französischen Truppen verwüstet. Die Tierköpfe aus Bronze wurden teilweise ge-

Ai Weiwei: Bronze Arm, ca. 2007 (Christie’s/London, 10/2014; Zuschlagspreis 62.555 Euro) (© Christie’s Images Limited)

Ai Weiwei: Grapes, 2007 (Philips/London, 6/2015; Zuschlagspreis 493.675 Euro) (© Philips)

Ai Weiwei: Fairytale, 2007 (Christie’s/London, 7/2014; Zuschlagspreis 12.514 Euro) (© Christie’s Images Limited)


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W ei den Keramik Museum Weiden Wolfgang Hornik

25 JAHRE Von der Kaffeetasse aus Porzellan am Morgen über die Keramikvase im Büro bis hin zum abendlichen kühlen Bier aus dem Steinzeugkrug: Keramische Produkte begleiten uns im Alltag, ohne dass wir ihnen große Beachtung schenken. Um die Bewahrung und Dokumentation dieser uralten handwerklichen Tradition, die sogar als Indikator für die Bewertung des Entwicklungsstandes vergangener Zivilisationen mit heran gezogen wird, hat sich seit 25 Jahren das Internationale Keramik-Museum in Weiden verdient gemacht. Gleichzeitig hatte das Museum stets ein Auge auf die spannendsten Entwicklungen zeitgenössischer Künstler. Zwar sind 25 Jahre wenig im Vergleich zum Alter der ausgestellten Stücke, das teilweise in die Jahrhunderte und Jahrtausende geht, trotzdem lohnt es sich, sie rückblickend zu betrachten – dies kann man in der Jubiläumsausstellung „25+ Highlights" noch bis zum 10. 4. 2016

GESCHICHTE DES MUSEUMS

Antoni Cumella, Vasen und Schale. H 7,8, 27 und 23,5 cm. Steinzeug, gedreht; engobiert, matt glasiert, 1957-1967 Lucie Rie, Schale. 10,5 cm. Feinsteinzeug, gedreht; zweischichtig glasiert, matte Glasur; partiell Metallglasur, um 1975

Ob Zufall oder politische Vorahnung, pünktlich zur Wende und zum Mauerfall öffnete mitten im Prozess der Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands im April 1990 das Internationale Keramik-Museum Weiden seine Pforten. Das ursprüngliche politische Signal, das das Bayerische Kabinett mit seinem 1979 verabschiedeten Museumsentwicklungsprogramm setzen wollte und das zum Ziel hatte, staatlichen Museumsbesitz überall – auch in den strukturschwachen Gebieten an den Landesgrenzen – in Bayern zugänglich zu machen und dafür Zweigmuseen einzurichten, bekam nun ganz neue Dimensionen. Der Zerfall des Warschauer Pakts und der Fall des Eisernen Vorhangs verschoben die Stadt Weiden von der extremen Randlage an der fast undurchdringlichen Ostgrenze von Nato und EU


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KERAMIK

in eine zentrale Position des sich schnell einwickelnden Austauschs zwischen Ost und West, speziell zwischen Tschechien und Bayern. 1980 begannen noch im Bayerischen Nationalmuseum die ersten Planungen zu einem Keramikmuseum, motiviert durch die Tatsache, dass die verschiedensten Staatsmuseen reiche Bestände an Keramik vorweisen konnten, die ihr Dasein größtenteils in Depots fristeten. 1982 beauftragte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus Die Neue Sammlung – das Staatliche Museum für angewandte Kunst und Design mit der Planung und Realisierung des neuen Zweigmuseums. Schnell war der Standort Weiden, damals ein Zentrum der bayerischen Glas- und Porzellanindustrie, gefunden. Untergebracht ist das Museum im „Waldsassener Kasten", einem der prächtigsten Barockbauten in Weiden. Erbaut zwischen 1739 und 1742 von Frater Johann Jacob Philipp Muttone (1699-1775), dem Baumeister und Baudirektor des Zisterzienserklosters Waldsassen, hatte es bereits eine bewegte Geschichte hinter sich, die eine umfangreiche Sanierung erforderte. Bei dieser wurden mit großem Respekt vor der historischen Substanz die erforderlichen neuen Bauteile bewusst modern, aber zurückhaltend, gestaltet.

KONZEPTION UND INHALT Die Neue Sammlung entwarf für das Keramik-Museum ein neuartiges und – im Nachhinein betrachtet – sehr erfolgreiches Konzept, wonach alternierend alle bayerischen Staatsmuseen mit Keramikbeständen längerdauernde Ausstellungen in Weiden ausrichten. Dadurch kann es international einzigartig mit keramischen Objekten zeitlich von vorgeschichtlicher Zeit bis zur Gegenwart, also über 7000 Jahre, und geografisch aus den verschiedensten Regionen der Welt (Altägypten, das antike Griechenland, Vorderer Orient

und Mittelmeerraum, Afrika, Südamerika, China) glänzen. Dieses Alleinstellungsmerkmal erweist sich als Publikumsmagnet, erlaubt es in einem Haus einen unvergleichlichen Überblick zu Reichtum und Vielfalt dieses Werkstoffes zu erhalten, der die Menschheitsgeschichte seit Urzeiten begleitet. Dem Konzept folgend, trugen bereits zur Eröffnung 1990 vier bayerische Staatsmuseen mit einer stattlichen Auswahl aus ihren Beständen bei: die Ägyptische Staatssammlung (später umbenannt in Staatliches Museum Ägyptischer Kunst), die Prähistorische Staatssammlung (später: Archäologische Staatssammlung – Museum für Vor- und Frühgeschichte) mit Exponaten aus dem Zweistromland, das Bayerische Nationalmuseum mit einer privaten Sammlung europäischen unterglasurblauen Porzellans und Die Neue Sammlung mit europäischer Keramik des 19. und 20. Jahrhunderts: vom einfachen Gebrauchsgeschirr über Studiokeramik bis zu technischer Keramik. Im Sinne eines lebendigen Hauses wurde die Dauerausstellung regelmäßig überarbeitet, neu konzipiert und mit wechselnden Objekten bestückt. Diese kamen entweder aus den Depots der Staatsmuseen oder das Museum verdankte sie den großzügigen Schenkungen von Sammlern oder einzelnen Keramikern, die ihm als Vor- oder Nachlässe übereignet wurden. Als fünftes beteiligtes Staatsmuseum brachte 2007 das Staatliche Museum für Völkerkunde (heute Museum Fünf Kontinente) Keramik aus Lateinamerika und Asien in die Ausstellung ein. Den durch das Ausscheiden des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst im Jahr 2011 frei gewordenen Ausstellungsraum füllte Die Neue Sammlung mit modernen Keramiken der Sammlung Egner. Als bisher sechstes am Internationalen Keramikmuseum Weiden beteiligtes Staatsmuseum brachten die Staatlichen Antikensammlungen ei-

Walter A. Heufelder, Objekt. 32 cm. Steinzeug, gebaut, mit Porzellaneinschluss; Feldspat-Ascheglasur, 1987 Claude Champy, Dose. H 18,7, cm. Steinzeug, gebaut; Brand im Holzofen mit Salz- und Ascheanflug, 1995 Ayca Riedinger, Teller. Ø 47 cm. Steinzeug, gedreht; Kristallglasur, 2002

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nen Teil ihrer Bestände ein. Die Klassische Antike wie auch die anderen Bereiche verfügen somit über Objekte höchster Qualität und sichern dadurch dem Internationalen Keramik-Museum Weiden einen führenden Platz in der europäischen Museumslandschaft. In dem Museum kann man anschaulich die historische Entwicklung dieses (Kunst-) handwerks erleben: Geschichtsunterricht am Objekt!

SONDERAUSSTELLUNGEN Ein weiteres wichtiges Instrument im Sinne eines lebendigen Hauses sind die Sonderausstellungen zu unterschiedlichen Themen, die Die Neue Sammlung nach Aktualität und im Hinblick auf Abwechslungsreichtum auswählt und veranstaltet. So ergaben sich Ausstellungsthemen wie „Moderne Keramik aus der Republik China auf Taiwan", „Porzellan aus China. Die Sammlung Seltmann",„Brennpunkte – Keramikfachschulen seit 1875" oder „Europäische Keramik heute" (2005). Aber

Gerd Knäpper, Kugelvasen. H 25,5 und 17,5 cm. Steinzeug, gedreht; Ascheglasur bzw. Kerbdekor, Anflugascheglasur, um 1970 Yoshikawa Masamichi, Schale „Architektur". 18,5 cm. Porzellan, gebaut, modelliert; Seladonglasur, 1994

auch einzelne Persönlichkeiten wurden mit umfassenden Sonderausstellungen geehrt: die Werkstattgemeinschaft von Elly Kuch (19292008) und Wilhelm Kuch (*1925) im fränkischen Burgthann mit Plastiken, Gebrauchs- und Baukeramik; Karen Müller (*1939), Elisabeth Schaffer (*1935), Görge Hohlt (*1930) und Walther Stürmer (*1933) mit ihren Unikaten im Bereich des Studioporzellans; Beate Kuhn (*1927) als eine der bedeutendsten deutschen Keramikerinnen des 20. Jahrhunderts; der österreichische Keramiker Roland Summer mit seinen von Hand aufgebauten Gefäßen und der sich zwischen Handwerk und Kunst bewegende deutsche Keramiker und Pädagoge Walter Heufelder. Herausragend war die Ausstellung über Eva Zeisel (1906 Budapest – 2011 New York), mit der eine einzigartige, internationale Karriere und ein bewegtes Leben nachgezeichnet wurden. 2014 würdigte das Museum das Werk von Hans Theo Baumann (*1924 Basel),

Mitbegründer des VDID (Verband Deutscher Industrie-Designer) und wichtiger Impulsgeber der deutschen Porzellanindustrie (Rosenthal, Thomas, Arzberg, Schönwald, Hutschenreuther und KPM Berlin) mit der Ausstellung „Von der Serie zum Unikat". Mit der Auswahl der Themen der Sonderausstellungen hat die Neue Sammlung im Internationalen Keramik-Museum Weiden die Vielschichtigkeit der modernen Keramik vermittelt und über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren abgebildet, vom Jugendstil bis in die unmittelbare Gegenwart. Dabei bekamen sowohl industrielle Produktionen und Manufakturen als auch künstlerische Einzelstücke Beachtung. Auch der geografische Rahmen war global ausgerichtet: von Deutschland und Europa bis Asien und Amerika.

DIE KERAMIKSAMMLUNG Für das Internationale Keramik Museum in Weiden ist es ein Glücksfall, dass sich Die Neue Sammlung von Anbeginn ihres Bestehens mit der Keramik befasst und diese gesammelt hat. Bereits im Gründungsjahr 1925 wurden Objekte auf der Pariser Weltausstellung „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes" erworben. Zur gleichen Zeit konnte man auch über die rund 2000 Objekte der Sammlung des Münchner Bundes – 1911 durch die Umbenennung der 1903 gegründeten „Münchner Vereini-


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Masaru Nakada, Gefäß und Objekte. 20, 27,9 und 27,9 cm. Porzellan, gedreht; geritzt, eingefärbt mit Pigmenten und Glasur, 2012

gung für angewandte Kunst" entstanden – verfügen, die noch in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg angelegt worden war. Ein knappes Viertel dieses Schatzes bestand aus keramischen Arbeiten, darunter Unikate, z.B. von Julius Scharvogel, Friedrich Adler oder den Keramischen Werkstätten Herrsching, und plastischen Bildwerken, u.a. Porzellanfiguren Ernst Barlachs für die Schwarzburger Werkstätten. Manufakturell oder industriell produzierte Gebrauchskeramik wie Seriengeschirr aus Porzellan, Steingut oder Fayence stand ebenso im Mittelpunkt des Interesses, wodurch von Beginn an Produkte der Berliner Porzellanmanufaktur (KPM), von C. M. Hutschenreuther, Lorenz Hutschenreuther, der Porzellanmanufaktur Nymphenburg, der Porzellanfabriken Bauscher und Thomas, Haviland, Villeroy & Boch und Rosenthal durch die Aufnahme in die Bestände vorbildhafter Keramik der damaligen Gegenwart geadelt wurden. Für Erwerbungen nutzte Die Neue Sammlung die Kunstgewerbeausstellungen, die von der wieder erlangten Leistungsfähigkeit des deutschen Handwerks kurz nach dem verlorenen Weltkrieg zeugen sollten. Bei der „Deutschen Gewerbeschau" (1922) kaufte der Bayerische Staat u.a. Schalen von Paul Dresler, Figuren von Joseph Wackerle und Arbeiten von Max Laeuger und Wolfgang von Wersin. So sichtete man anfangs das Angebot auf großen europäischen Ausstellungen und auf Messen, wie der seit 1920 jährlich stattfindenden Grassimesse in Leipzig. Dies änderte sich ab 1926, als man unter Umgehung der großen Veranstaltungen den direkten Kontakt zu Herstellern und Entwerfern suchte, um bei diesen in großem

Umfang einzukaufen. In dieser Zeit erwarb der erste Direktor der Neuen Sammlung, Günther Freiherr von Pechmann (1882-1968), in Dessau wichtige Beispiele der Keramik des Bauhauses wie von Marguerite Friedlaender, wodurch Die Neue Sammlung die ältesten und damals auch umfangreichsten Bestände von ihr besitzt. Unter dem zweiten, ab dem 1. Juli 1929 amtierenden Direktor, dem Architekten und Designer

keit wurde reduziert und ideologisch neu ausgerichtet. Schlimmer noch war der Verlust durch die politische „Säuberung" der Bestände, vor allem der als jüdische Ramschware verunglimpften Objekte der Ausstellung „Der billige Gegenstand". Ab 1940 wurde das Museum ganz geschlossen. Nach 1945 setzte der Gründungsdirektor Günther von Pechmann, der erneut zum Direktor ernannt wor-

Wolfgang von Wersin (1882-1976), fokussierte sich der Ankauf auf das Industriedesign mit Produkten der Porzellanfabriken Schönwald, Bauscher, Augarten, Hutschenreuther, Villeroy & Boch, Nymphenburg, aber auch der Steingutfabriken Wächtersbach, Wittenberg und Elsterwerda oder der Fürst Adolf Werkstätte Bückeburg. Dieser günstigen Massenware widmete sich die Ausstellung „Der billige Gegenstand", wodurch ihr, sehr zum Entsetzen des Handwerks, auch noch ästhetische Qualität zugesprochen wurde. Die Nationalsozialisten, die bereits das Bauhaus geschlossen hatten, gliederten zunächst Die Neue Sammlung wieder in das Bayerische Nationalmuseum ein. Die Sammlungstätig-

den war, den Auf- und Ausbau des Keramikbestandes mit Arbeiten von Keramikern wie Franz Eska, Gusso Otto Reuss, Hubert Griemert, Walter Popp, Otto und Albrecht Hohlt, Wilhelm Kagel, Clary von RuckteschellTruëb, Rainer von Hoesslin oder auch Fritz Koenig erfolgreich fort. Außerdem wurde nun erstmals retrospektiv erworben, so etwa Objekte von Max Laeuger oder Richard Riemerschmid. Ungestört von politischer Einflussnahme konnte nun das Museum wieder selbst seine Schwerpunkte definieren. Mal war es Serienporzellan, dann wieder Unikatkeramik oder traditionelle Töpferarbeiten. Ab 1965 steigerten regelmäßig keramische Nachlässe von Sammlern das Potenzial der Samm-

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Rachel Wood, Gefäß. 38,1 cm. Steinzeug, gebaut, verformt; engobiert, glasiert, 2015 Roland Summer, Gefäß. 29,2 cm. Schamottierter Ton, gebaut, poliert; Terra Sigillata, Rakubrand, 2008

lung. Französische Jugenstilkeramik stand ab 1967 verstärkt auf der Wunschliste. Ab 1980 wurde das Museum unter Hans Wichmann reorganisiert, mit der Folge, dass sich die Zahl der Neuerwerbungen pro Jahr verdoppelte oder verdreifachte und dass man sich wieder mehr auf das internationale Industriedesign, auch aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts, konzentrierte und bestehende Lücken schloss. Aber auch die ursprüngliche Intention der Neuen Sammlung wurde wieder mehr beachtet: die Aus-

einandersetzung mit dem Design der Gegenwart. Die sich abzeichnende Neugründung des Internationalen Keramik-Museums Weiden führte zu einem starken Anstieg der Akquisitionen. Unter Florian Hufnagl wurde ab 1990 diese Sammlungspolitik kaum verändert fortgeführt, da nun zwei Museumsneubauten in München und Nürnberg die Museumsmitarbeiter in Anspruch nahmen. Allerdings bezog man unter Hufnagl nahezu erstmals den Aspekt der Dekore als Gestaltungsmerkmal mit ein.

Der Rückblick auf 25 Jahre Keramikmuseum Weiden verbindet sich mit dem Blick auf mehr als 100 Jahre Sammlungsgeschichte der Neuen Sammlung, wobei abhängig vom Direktor unterschiedliche Ankaufspräferenzen deutlich werden. Man sieht, wie sich die beiden wichtigen Säulen ihres Keramikbestands, die Unikatkeramik und die seriell produzierte Keramik mit dem Bereich technische Keramik (Isolatoren, Gussformen, Laborgefäße), unter den Bedingungen ihrer Zeit und den Intentionen des Museums entwickelt haben. Die traditionelle Keramik als dritter Bereich nimmt zwar nur wenig Raum ein, ihre über die Jahrhunderte transportierten Formen sind aber für das Gesamtbild von Bedeutung. Nach 25 Jahren hat sich das Weidener Museum als Glanzlicht über die Grenzen der Stadt Weiden hinaus als zukunftsorientierte Institution etabliert. Fast von Anfang an begleitet Oberkonservator Dr. Josef Straßer das Internationale Keramikmuseum von der Neuen Sammlung – The International Design Museum in München aus. In dieser Zeit ist es ihm immer wieder gelungen, durch die Exponate der Dauerausstellungen, aber auch besonders durch die zeitlich begrenzten Sonderausstellungen, die Spannungsfelder, in denen sich das Schaffen rund um Keramik und Porzellan befindet, (be-)greifbar zu machen: Handwerk und Kunst! Tradition und Gegenwart! Unikate und Entwürfe für serielle Produktionen in Manufakturen und Industriebetrieben! Fotos: Die Neue Sammlung – The International Design Museum in München


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SAMMLER JOURNAL

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Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/08 vom 01.11.2008


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