Sammler journal 1113

Page 1

U1_Titel_SJ_1113

12.10.2013

11:39 Uhr

Seite 1

NOVEMBER 2013

November 2013 · B 1309 | € 5,90 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 6,50 | Be/Ne/Lux € 6,90

SAMMLER JOURNAL

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

Interieur François Linke

Gemälde Andreas Achenbach

Design Industrieobjekte

Metall Messkelche

Dialog Leser & Experten

GEMI

Berichte & Preise

Ausstellungen

11

Tipps & Termine

4 195488 705908

Auktionen


003_Inhalt

12.10.2013

11:40 Uhr

Seite 1

I N H A LT

November 2013 · B 1309 | € 5,90 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 6,50 | Be/Ne/Lux € 6,90

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

Interieur

MÖBEL

François Linke

François Linke

Gemälde

Sabine Spindler

Andreas Achenbach

Design

28

Industrieobjekte

Metall Messkelche

Dialog Leser & Experten

Berichte & Preise

Ausstellungen

11

Tipps & Termine

4 195488 705908

Auktionen

M E TA L L Titelfotos: Rau Antiques New Orleans | Christie’s | Bonhams

Messkelche Dieter Weidmann

DIALOG

4

MAGAZIN

12

MESSETERMINE

20

KUNSTMARKT

24

AUKTIONSNOTIZEN

44

AUKTIONSTERMINE

56

INSERENTENVERZEICHNIS

64

AUSSTELLUNGSTERMINE

76

AUSSTELLUNGEN

83

LITERATURTIPP

98

GEMÄLDE Andreas Achenbach / 1 Silke Köhn

DESIGN Industrieobjekte

AUKTIONSPREISE

100

IMPRESSUM

106

VORSCHAU

106

TERMINE & KLEINANZEIGEN IN DER BEILAGE

Wolfgang Hornik

36 66 88

3


009_Geble

12.10.2013

11:41 Uhr

Seite 1

AuktionshauS Geble 96. Auktion • 09. Nov. 2013

Kräutergefäß (Norditalien, wohl Venedig ca. 1550-1570) Majolika; H: 32 cm; D: 36 cm

Herbst-Auktionen bei Waltraud Boltz in Bayreuth Auktion 639 – 30. November – Farbkatalog 10 €

Emailschilder – Blechschilder – Reklame Schilder der verschiedensten Marken, darunter seltene Emailschilder und Plakate von Liebig. Auktion 640 – 30. November – Farbkatalog 10 €

Christbaumschmuck – Weihnachtliches – Krippen Glaskugeln verschiedenster Art, Watteschmuck, Dresdner Pappe, Julkugeln, Gablonz, Nikolausfiguren, Weißblechformen, Faltkrippen, weihnachtliches Holzspielzeug a.d. Erzgebirge, Weihnachtspyramiden, zahlreiche unlimitierte Konvolute mit Kugeln und Objekten zum Thema Weihnachten. Frühe und reich bestückte Krippen in verglasten Holzkästen, darunter eine mit Spieluhr. Auktion 641 – 30. November – Farbkatalog 7 €

Kunterbunt – Varia Porzellanfiguren, Gemälde, kleine Sammlung Netsuke und geschnitzte Pottwalzähne, schöne Goldwaage 17. Jh. Solingen, Perlarbeiten und Nähutensilien, einige Teile religiöse Volkskunst. Kupfer, Zinn, Keramik, Phonograph mit Edison-Walzen, einige Schlüssel, Vorhängeschlösser und Objekte aus Schmiedeeisen, früher Spielautomat, kleine Sammlung alter Radios. Militaria. Größere Anzahl unlimitierter Gegenstände div. Antiquitäten und Raritäten, darunter Konvolute, einige Pos. Bücher.

Waltraud Boltz K U N S TA U K T I O N S H A U S K G Brandenburger Str. 36 • 95448 Bayreuth Telefon 0921 / 2 06 16 • Fax 0921 / 1 26 14 e-Mail: mail@boltz-auktionen.de • www.boltz-auktionen.de

Diptychon (wohl Paris, 2.H.14.Jh.) Elfenbein geschnitzt Höhe: 15,4 cm Gesamtbreite: 16,2 cm Gutachten Prof. Dr. Krohm

Schützenstr. 15 • D-78315 Radolfzell Tel. +49-77 32 - 97 11 97 Fax +49-77 32 - 97 11 98 www.auktionshaus-geble.de info@auktionshaus-geble.de


012_018_Magazin

14

12.10.2013

11:43 Uhr

Seite 4

MAGAZI N

Kosmos des Künstlers 9. Vienna Art Week

Hans Kotter, replaced, 2008-2010, Maße variabel; Galerie Michaela Stock bei der Vienna Art Week © Galerie Michaela Stock

Dem internationalen Trend folgend, bietet die WIKAM dem modernen und zeitgenössischen Bereich der Bildenden Kunst eine größere Ausstellungsplattform. So konnte durch Zulassung weiterer Galerien das Messeangebot quantitativ und qualitativ verstärkt werden. Zu den hier präsentierten Künstlerpersönlichkeiten des 20. und 21. Jahrhunderts zählen u.a. Maria Lassnig, Arnulf Rainer, Hans Staudacher, Oskar Höfinger, Hermann Nitsch, Rikki Watanabe, Soshana, Otto Muehl, Gottfried Helnwein, Rudolf Hausner, Arik Brauer und Markus Prachensky. Auch wird das Messeprogramm durch interessante Einzelausstellungen bereichert. So ehrt Galerie Gerlich den Künstler Robert Hammerstiel anlässlich seines 80. Geburtstages mit einer umfassenden One-man-show. Ebenfalls einer einzelnen Künstlerpersönlichkeit gewidmet, nämlich der heuer verstorbenen Malerin Christa Hauer, ist die Präsentation bei der Galerie Kopriva. Einzigartige Glasobjekte zeitgenössischer Künstler können bei Galerie Szaal erworben werden. In den letzten Jahren hat sich der Bereich Teppich- und Textilkunst auf der WIKAM als ein wichtiger Messeschwerpunkt etabliert: mit Peter Kössl, Bieler, Dr. Rohani, Hofer, Beate von Harten und Menzel.Galerie sechs ausgewählte Spezialisten. TELEFON I 0043/664/2051598 INTERNET I www.wikam.at

Die VIENNA ART WEEK, die heuer bereits ihre neunte Auflage erlebt, ist mittlerweile wichtiger Bestandteil des künstlerischen Geschehens in Wien. Mit einem intensiven und vielschichtigen Programm ist es dem vom Dorotheum initiierten und vom Art Cluster Vienna gestalteten Kunstfestival gelungen, die Vernetzung österreichischer und internationaler Akteure der Kunstwelt voranzutreiben. Unter dem Titel „Projecting Worlds“ greift das Kunstfestival heuer vom 18. bis 24. November Themen und Positionen auf, die sich mit der identitätsstiftenden Funktion des künstlerischen Ausdrucks beschäftigen. Im Rahmen von Ausstellungen, Interventionen, Atelierbesuchen, Galerienrundgängen, Kuratorenführungen, Künstlergesprächen, Lectures, Performances und Podiumsdiskussionen rückt die VIENNA ART WEEK den Künstler als Schöpfer von Werken und als Erzähler seines eigenen Kosmos in den Mittelpunkt und mit ihm den Betrachter. Das Betrachten von Kunst ist eine Form der Katalyse, eine behutsame Einführung in eine Welt, die Raum und Zeit für Kreativität ebenso wie für Interpretation lässt. In einer Welt allgegenwärtiger Informationstechnologie, die den Menschen einer ständigen Reizüberflutung aussetzt, wird Entschleunigung zum Sehnsuchtsbegriff gegenwärtiger Lebensgestaltung. Kunst erfüllt Sehnsüchte, sie erzeugt neue Sehnsüchte und sie erfordert Zeit, in den Kosmos des Künstlers einzutauchen, sich auf seine Narrative einzulassen. Dieser Kosmos legt die inneren Welten des Künstlers offen, ist zugleich aber auch Projektion äußerer Verhältnisse, die einander bedingen. In den letzten Jahren hat sich in Wien ein Netzwerk von zahlreichen Project Spaces bzw. Offspaces etabliert: Künstler, die einen Kunstraum betreiben oder kleine Kunstvereine, die mit großem Engagement Ausstellungsflächen bespielen. Die VIENNA ART WEEK hat auf diese Entwicklung reagiert und bindet seit 2009 diese lebendige Szene aktiv in ihr Festivalprogramm ein. Ein Ziel der VIENNA ART WEEK ist es, in Wien lebenden und arbeitenden Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne

Yuko Ichikawa, My new way A, 2013; Stable Gallery im Palais Brambilla, Wien © Yuko Ichikawa


017_Aldag

12.10.2013

12:30 Uhr

Seite 1

Kunst & Auktionshaus Eva Aldag 191. Kunstauktion – 23. November 2013 Beginn 11 Uhr

Hermann Kurt Hosaeus (1875 - 1958) „Burgunderin” Schwarzburger Werkstätten

Herrenarmbanduhr „Breitling Bentley Motors”

W. Soost – Farblithographie „GdyniaAmerica Line – New York”, um 1937

Gottfried Helnwein (1948 - ?) Farblithographie „Boulevard of broken dreams (James Dean)” 1981

Charles Fazzino (1955 - ?) – Farblithographie (3D-Bild) „In a Deutschland State of mind (Thüringen)”

Adolf Stademann (1824 - 1895) Öl / Mk., „Winter im Dorf”

Steve Kaufman (1960 - 2010) Acryl/Siebdruck / Lw. „Liberty”

Andrés Cortés y Aguilar (1812 - 1879) Öl / Lw.„Schäferin mit kleiner Schafherde in romantischer Landschaft”

Ernst Oldenburg (1914 - 1992) Bronze „Rufer” 1990

Pablo Picasso (1881 - 1973) Farblithographie (handsigniert) „Die Maler als Zeugen ihrer Zeit (Jaqueline)” 1956

Vorbesichtigung: 19.11. bis 22.11.2013 von 10 bis 18 Uhr sowie 2 Std. vor Auktionsbeginn Bebilderter Katalog kostenlos zum Download im Internet: www.auktionshaus-aldag.de

Kunst & Auktionshaus Eva Aldag • Ottensener Weg 10 • 21614 Buxtehude Tel. 04161/81005 • Fax 04161/86096 • E-Mail: kunst@auktionshaus-aldag.de • www.auktionshaus-aldag.de

A U K T I O N S H A U S

PETER BAMBERGER 90402 Nürnberg ❖ Karolinenstraße 6 Telefon 0911 / 22 21 20 ❖ Telefax 0911 / 20 85 74

99. Auktion

Samstag ❖ 30. Nov. 2013 ❖ 10 Uhr Vorbesichtigung: 25. bis 27. Nov. 2013 1500 bis 2000 Uhr

Wöchnerinschüssel Fayence, Nürnberg, um 1730, Kordenbusch. Ø 25 cm

Graphik, Gemälde, antiker und moderner Schmuck, Uhren, Silber, Fayence, Porzellan, Skulpturen, Antiquitäten aus Privatbesitz. Illustrierter Katalog auf Anfrage und ab ca. 15.11. unter:

www.auktionshaus-bamberger.de


012_018_Magazin

18

12.10.2013

11:43 Uhr

Seite 8

MAGAZI N

Alte Kulturen des Mittelmeerraums Basel Ancient Art Fair (BAAF) Die im Herbst 2004 erstmals ausgetragene Basel Ancient Art Fair (BAAF) steht in der langen Tradition der Baseler Kunstmessen (wie TEFAF Basel, 1995-1998 und CULTURA, 1999-2003). Sie ist auf den Bereich fokussiert, der schon immer als die erfolgreichste Sparte und eigentliche Kernkompetenz früherer Veranstaltungen dieser Art galt – die Kunst der Alten Kulturen des Mittelmeerraums. Rasch hat sich die BAAF so zum weltweit führenden Event auf diesem Gebiet entwickelt und feiert heuer ihr zehnjähriges Bestehen. Sammler aus aller Welt sowie Kuratoren wichtiger Museen, wie des Antikenmuseums Basel und Sammlung Ludwig, des Metropolitan Museums (New York), des Roemer- und Pelizaeus-Museums Hildesheim und des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst (München), gehören seit vielen Jahren zu den Besuchern und Käufern an der BAAF. Diese und so manche andere darf man wohl auch in diesem Jahr erwarten, wenn 17 Aussteller aus Europa, den USA und der Schweiz vom 8. bis 13. November 2013 in der Reithalle Wenkenhof in Riehen bei Basel ein umfangreiches Angebot antiker Kunst präsentieren. Die international anerkannten Spezialisten zeigen herausragende Objekte der Klassischen Antike, des Alten Ägyptens und der frühen Hochkulturen Vorderasiens. Die BAAF gilt dadurch als ein Höhepunkt für Kunstliebhaber, Sammler, Museumsexperten und Innenarchitekten aus aller Welt. Die angebotenen Objekte werden zu Preisen von unter tausend bis über eine Million Schweizer Franken gehandelt. Alle Aussteller der BAAF sind Mitglieder der International Association of Dealers in Ancient Art (IADAA). Die Mitgliedschaft in diesem Verband hat sich im vergangenen Jahrzehnt als vertrauensbildend bei den Besuchern der BAAF erwiesen, denn die IADAA bürgt für die Einhaltung strenger Richtlinien bezüglich Echtheit und Provenienz der zum Kauf angebotenen Objekte. Außerdem hat sich die Einführung des Kultur-

Venus, sog. Medici-Typ, 1. Jahrhundert v. Chr., H 22 cm; Archea Ancient Art Amsterdam auf der Basel Ancient Art Fair (BAAF)

Mosaik mit Pfau-Darstellung, römisch, 1. Jahrhundert n. Chr., 78 x 78 cm; David Ghezelbash Archéologie Paris bei der Basel Ancient Art Fair (BAAF)

gütertransfergesetzes (KGTG) im Juni 2005 positiv auf den Standort Schweiz für den Kunsthandel ausgewirkt und diesen noch sicherer und attraktiver gemacht. Die BAAF bietet über das interessante Angebotsspektrum hinaus Führungen an. Zudem besteht eine Kooperation mit folgenden Museen: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, Skulpturhalle Basel des Antikenmuseums und die Fontation Beyeler; diese runden das Angebot der Messe ab und gewähren BAAF-Besuchern kostenlosen, bzw. reduzierten Eintritt in ihre Dauerschauen und in sehenswerte Sonderausstellungen. Im Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig: „Wann ist man ein Mann? Das starke Geschlecht in der Antike“. Die Skulpturhalle Basel des Antikenmuseums präsentiert Abgüsse antiker Bildwerke und widmet sich dem Thema: „Wann ist man ein Mann? Athlet und Wettkampf in der Antike“. Die Fondation Beyeler, ein international renommiertes Privatmuseum für moderne und zeitgenössische Kunst, zeigt die „Calder Gallery“ und „Thomas Schütte“. Im Gegenzug erhalten Besucher mit dem jeweiligen Museums-Ticket freien Zutritt zur BAAF. Auch in diesem Jahr kooperiert die BAAF wieder mit dem Museums-Pass-Musées und mit dem Schweizer Museumspass, so dass weitere Kulturinteressierte kostenlos die Messe besuchen und damit einen Einblick in die faszinierende Welt der Antike gewinnen können. INTERNET I www.baaf.ch


020_023_Messetermine

20

14.10.2013

12:45 Uhr

Seite 2

MESSETERMINE |OKTOBER| AMSTERDAM (NL) -03.11.2013 Zeitgenössische Kunst Kultur Westergasfabrik Tel. 0031/20/6227728 www.affordableartfair.nl

ZÜRICH (CH) -03.11.2013 Kunst Zürich ABB-Halle 550 Tel. 0041/44/3810052 www.kunstzuerich.ch

|NOVEMBER|

BIRMINGHAM (GB) -03.11.2013 Antiques for Everyone NEC Tel. 0044/121/7673535 www.antiquesforeveryone.co.uk

AMSTERDAM (NL) 24.11.-01.12.2013 Pan Amsterdam Amsterdam RAI Tel. 0031/411/644440 www.pan.nl

FULDA -04.11.2013 Kunstmesse Vonderau Museum Tel. 0171-6393793 www.kunstmesse-fulda.de

BASEL-RIEHEN (CH) 08.11.-13.11.2013 BAAF - Basel Ancient Art Fair Wenkenhof www.baaf.ch

KÖLN -03.11.2013 ART.FAIR Kunstmesse Staatenhaus am Rheinpark Tel. 0221-4203930 www.artfair.de

BERLIN 01.11.-10.11.2013 Ars Nobilis Automobilforum Unter den Linden Tel. 030/8831101 www.arsnobilis-kunstmesse.de

02.11.-04.11.2013 Liber Berlin am Kulturforum, Mathäikirchpl. Tel. 030/3240907 www.liberberlin.com BERLIN-CHARLOTTENBURG 21.11.-24.11.2013 Kunst- & Antiquitätentage Schloss Tel. 0431/680380 www.expomanagement.de BOCHUM-WATTENSCHEID 10.11.2013 RUHR.Antiquaria 2013 Stadthalle Tel. 02351-22464 www.antiquariatsmarkt.de BONN 22.11.-24.11.2013 23. Kunstmesse frauenmuseum Tel. 0228/691975 www.frauenmuseum.de BONN-BAD GODESBERG 15.11.-17.11.2013 ANTIKA Bonn Stadthalle Tel. 0431/680380 www.expomanagement.de

BUDWEIS (CZ) 30.11.-01.12.2013 Czech Art Festival Convention Centre Tel. 00420/387714911 www.artfestival.cz BUKAREST (RO) 28.11.-01.12.2013 Antique Market Messe Tel. 0040/212243160 www.antikmarket.ro DORTMUND 30.11.-01.12.2013 Antik & Sammlermarkt Westfalenhallen Tel. 02304/9427911 www.mlg-gmbh.de EDINBURGH (GB) 15.11.-17.11.2013 Edinburgh Art Fair Corn Exchange Tel. 0044/(0)1875819595 www.artedinburgh.com ESSEN 01.11.-03.11.2013 Zeitgenössische Kunst Zeche Zollverein Tel. 0201/5646500 www.contemporary-art-ruhr.de

BREMEN 17.11.2013 Antikmesse Weserpark Tel. 02104/46152 www.interantik-gmbh.de

FREIBURG 08.11.-10.11.2013 Antique & Art Messe Tel. 07032/95493-0 www.Antique-Art.info

BRÜHL 03.11.2013 Antik- und Sammlermarkt Giesler-Galerie Tel. 02232/931717 www.a-v-a.net

GENT (B) 30.11.-03.12.2013 Art Gent. Int. Art Fair Flanders Expo Tel. 0032/92415500 www.artgent.be

BUDAPEST (H) 28.11.-01.12.2013 Kunstmesse Kunsthalle Tel. 0036/1/3193369 www.budapestartfair.com

HAMBURG 22.11.-24.11.2013 Salon d. Gegenwart. Kunstschau Elbhof Tel. 040/7029500 www.salondergegenwart.de


027_wikam

12.10.2013

11:47 Uhr

Seite 1


066_075_Achenbach

12.10.2013

11:54 Uhr

Seite 2

Ache nbach Andreas Achenbach /1 Silke Köhn

Ruderboot im Hafen, 1837, Öl/Leinwand, 47 x 63 cm, Van Ham, Köln, 11/2010 Zuschlagspreis 9.000 Euro Schiff in stürmischer See, 1840, Öl/Leinwand, 68 x 110 cm, Lempertz, Köln 5/2011 Schätzpreis 10.000 Euro

„HERR ÜBER LAND UND MEER" Jadefarbenes Meer, ein mit Männern voll besetztes Ruderboot, eine Mole, anlegende Dampfer und Segelschiffe in wogend-stürmischer See – mit diesen Bildmotiven verbindet sich die fabelhafte Karriere einer der eigenwilligsten Künstlerpersönlichkeiten des Rheinlands im 19. Jahrhundert. Andreas Achenbach (1815 Kassel - 1910 Düsseldorf), der gern und viel reiste, und das fast ausschließlich per Schiff, malte mehr als 70 Jahre lang Landschaften mit dramatischen Wetterereignissen, und sein fulminanter Erfolg seit Beginn seiner Malerkarriere brachte ihm die allerhöchsten Ehrungen ein. Ausgiebige Studienreisen führten ihn an die holländische und belgische Nordsee, nach Paris, Italien, Skandinavien und Russland. Anders als viele seiner Malerkollegen malte er keine romantischen Kahnfahrten im Mondschein, sondern erwählte Wasser und Wolken zu den Hauptakteuren von Bildern mit tosenden Stromschnellen, rotierenden Wassermühlen am reißenden Flusslauf, Fischern in stürmischer Brandung und buntem Treiben in Hafenstädten. Achenbach schuf Hunderte Male die vom Sturm gepeitschte Nordsee, gegen Molen und Strände brechende Wellen, zwischen haushohen Wogen balancierende Raddampfer und in Seenot geratene Großsegler. Denn nicht immer schafften es seine Schiffe bis in den sicheren Hafen, manche zerbrachen auf dem Atlantik wie der britische Raddampfer „President" oder zerschellten an Klippen in Sichtweite entsetzter Küstenbewohner. Aber wie kommt ein Künstler im Rheinland überhaupt auf die Idee, in den 1830er-Jahren Marinemaler zu werden? Von der Düsseldorfer Akademie konnte dieser Impuls kaum gekommen sein, die Klasse für Landschaftsmalerei wurde hier erst 1831 mit Johann Wilhelm Schirmer installiert und hatte zunächst andere Schwerpunkte, zu denen Schiffsun-


066_075_Achenbach

12.10.2013

11:54 Uhr

Seite 3

67

Akademiegebäude Düsseldorf, 1831, Öl/ Leinwand, 64 x 81 cm, Museum Kunstpalast, Düsseldorf Fischerkaten in den Dünen, 1838, Öl/ Leinwand, 50 x 64.0 cm, Van Ham, Köln 11/2010, Zuschlagspreis 8.500 Euro

glücke und Wassermühlen am wenigsten zählten. Von Achenbach selbst gibt es hinsichtlich seiner Sujetwahl kaum verwertbare Äußerungen und so sind wir auf seine Bildmotive und seine Reiseziele als Anhaltspunkte angewiesen. Selbst nach einer zweijährigen Italienreise von 1843 bis 1845, die ihn bis nach Rom und Sizilien führte, kehrte er sogleich wieder zu seinen „nordischen" Sturmbildern zurück.

BIOGRAFIE Geboren wurde Andreas Achenbach als erstes von zehn Kindern am 29. September 1815 in Kassel, sein zwölf Jahre später geborener Bruder Oswald wurde gleichfalls Maler und nicht weniger berühmt. 1817 zog die Familie nach Russland, wo sein Vater Hermann Achenbach (1793-1849) von seinem Bruder eine Bleizuckerfabrik übernahm. Dieser unterhielt u.a. in Estland und Litauen seit 1810 mehrere Essig- und Bleizuckerfabriken. Das vielseitig verwendete, aber giftige Bleiacetat wurde in Färbereien, als essigsaure Tonerde in der Pharmazie oder auch wegen des zuckrigen Geschmacks als Süßstoff zum Panschen von saurem Wein verwendet, was allerdings zu Langzeitschäden führen konnte. Im zarten Alter von drei bzw. acht Jahren erlebte Andreas also seine ersten großen Schiffsreisen, die 1818 von Hamburg 2.000 km über die Ostsee nach Russland führte und 1823 zurück nach Düsseldorf. Rückblickend berichtete er 1860 in seinen Jugenderinnerungen (Birgit Ponten, 1983, S. 132f), dass er bereits in St. Petersburg auf

einer Mädchenschule Zeichenunterricht erhielt. Als die Geschäfte schlechter liefen, zog die Familie nach Düsseldorf, wo der Vater eine Bierbrauerei mit Ausschank übernahm, die in Sichtweite der Kunstakademie lag und von Künstlern frequentiert wurde. Hermann Achenbach war mehr ein Schöngeist, denn ein geschäftstüchtiger Kaufmann, er musizierte, zeichnete, veröffentlichte Gedichtbände und kurzweilige Reiseberichte über seine Russlandund Amerikareisen. Seine Frau Christine Zülch (1797-1868), die aus einer begüterten Industriellenfamilie in Kassel stammte, beherrschte mehrere Sprachen und wurde bereits mit 18 Jahren Mutter. Ihr väterliches Erbe

soll Hermann Achenbach, laut Aussage von Andreas, durch spekulative Geschäfte und seine vielen Reisen über die Jahre durchgebracht haben, allerdings dürfte die Unterhaltung der 12-köpfigen Familie gleichermaßen kostspielig gewesen sein. Nach eigenen Angaben kam der erst 12jährige Andreas aufgrund seines überragenden künstlerischen Talents 1827 in die Elementarklasse der Düsseldorfer Kunstakademie. Eine Klasse für Landschaftsmalerei war noch nicht eingerichtet, weil ihr Direktor Schadow „Historienmaler züchten" wollte, und so besuchte Andreas mit mittelmäßigem Interesse und nur sporadisch die Architekturklasse. Sein erstes Bravourstück


066_075_Achenbach

12.10.2013

11:54 Uhr

Seite 4

68

Die Wasserfälle von Trollhättan in Schweden, 1850, Öl/Leinwand, 38 x 44 cm, Lempertz, Köln, 3/2012, Zuschlagspreis 6.000 Euro Trollhättan-Wasserfälle, 1853, Öl/Holz, 52 x 68 cm, Auktionshaus Plückbaum, Bonn, 9/2012

Bahnen trieb, in welchen sich die Akademielehrer bewegten. Diese hatten zwar seine Begabung erkannt, ihm aber ansonsten wenig zugetraut, so dass er von Lessing und Schirmer nicht in den „Componirverein" aufgenommen wurde. Immerhin hatte man ihn 1832 in die ein Jahr zuvor eingerichtete Klasse für Landschaftsmalerei unter der Leitung von Schirmer zugelassen. Vor allem das Zeichnen in der freien Natur war eine wesentliche Neuerung von Schirmer, der unbestritten zu den Pionieren der Freilichtmalerei zählt. Mit seinen Eleven zog er nicht nur in die Umgebung Düsseldorfs, sondern z. B. auch in die Eifel und in den Hunsrück. Handwerklich dürfte Schirmer seinem Schüler Achenbach einige Tipps vermittelt haben, ihn deswegen einen „Schirmer-Schüler" zu nennen, ist allerdings kaum zutreffend – dafür war er zu resistent und eigenwillig. war 1831 mit der Darstellung des Akademiegebäudes (64 x 81 cm, Museum Kunstpalast, Düsseldorf) dann sogleich ein Architekturstück. Die Umstände, unter denen dieses Gemälde jedoch entstand, schilderte Andreas dreißig Jahre später: „Da ich (…) mich mit Architektur beschäftigt hatte, fiel mein Auge auf das Akademiegebäude mit dem Platz und den Trödelbuden. Ich dachte: Das könntest du ja ganz bequem aus dem Fenster (der elterlichen Wohnung) nach der Natur malen; das wäre ja mehr bequem, gerade nur kopieren! Gesagt, getan. Noch eine Leinwand geborgt und

aufgezeichnet, konstruiert und den ganzen Markt, wie es Morgens war, abgeschrieben (…). Die Idee berauschte mich, dieses alles wiederzugeben; aber – wie das Malen anfing, wie oft habe ich da auch dieses in die Ecke schmeißen wollen. Nur durch das Zureden meiner Mutter und durch die Not gab ich mich immer wieder dran. (…) Umgeben von meinen Geschwistern, oft zehn bis zwölf Menschen im Zimmer, wurde dieses erste Bild vollendet" (zit. n. Birgit Ponten, 1983, S. 138). Durch sofortigen Verkaufserlös von 30 Talern fand der 16-Jährige seine erste Bestätigung, die ihn aber zugleich aus den

SCHWEDENREISE Im Mai 1832 lud ihn sein Vater auf eine siebenmonatige Reise nach Riga und St. Petersburg ein. Die Schiffspassage ging ab von Rotterdam mit einem Zwischenhalt auf Helgoland, wie spätere Bilder belegen. Auf dem Rückweg besichtigten sie Scheveningen und einige holländische Galerien, wo Andreas die Gelegenheit nutzte, um die altmeisterliche Marinemalerei des 17. Jahrhunderts und zeitgenössische Gemälde zu studieren. Als Andreas sich 1835 auf Wunsch des Vaters vor ihrer gemeinsamen Schwedenreise ein Zeugnis


066_075_Achenbach

12.10.2013

11:54 Uhr

Seite 5

GEMÄLDE

Küstenstreifen bei stürmischer See, 1846, Öl/Leinwand, 63 x 78 cm, Lempertz, Köln, 5/2013, Zuschlagspreis 19.000 Euro Schiffbruch vor felsiger Küste, Öl/Leinwand, 66 x 98,5 cm, Van Ham, Köln 11/2012 Schätzpreis: 19.000 Euro

ausstellen ließ, schrieb Schirmer, dass „der junge Achenbach zwar Maltalent, aber wenig Fleiß besitze". Diese Einschätzung erwies sich als Fehlurteil, denn der 20-Jährige war von großer künstlerischer Neugier und einem enormen Tatendrang besessen, zudem verfügte er über eine phänomenale Aufnahmefähigkeit von Bildern – heute würden wir es wohl fotografisches Gedächtnis nennen. Einmal Gesehenes konnte er noch Jahre später in seinem Langzeitgedächtnis abrufen und in Bildern verarbeiten. Die Schwedenreise führte ihn gemeinsam mit seinem Vater über Travemünde, Lübeck, Kopenhagen nach Göteborg. Sie besichtigten die 75 km von Göteborg entfernten Wasserfälle von Trollhättan und die mehrere tausend Quadratkilometer großen Seen von Vänern und Vättern. Beim Vater revanchierte sich der Jugendliche, indem er einige Male die Zechen der Gastwirte mit frisch gemalten Bildern beglich. Bereits in Südschweden malte Andreas eine kleine Ölstudie auf Holz (Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund) mit Tagesdatierung vom 22. Juli 1835 und der Ortsangabe Trollhättan. Zu dieser Zeit verwendete er noch das Monogramm AA, wobei er ähnlich wie Albrecht Dürer das A des Nachnamens unter das des Vornamens stellte. Im Februar 1836 entstand dann in der Nachbereitung im Atelier ein Ölgemälde mit den Trollhättan-Wasserfällen (Kiel, Stiftung Pommern), das auf verschiedenen Ausstellungen u.a. in Magdeburg und Halle zu sehen war. Zwei mehr als 15 Jahre

später datierte Trollhättan-Bilder (bei Lempertz und Plückbaum) zeigen die Wasserfälle aus der anderen Richtung bzw. von oben gesehen, nicht weniger dramatisch. Achenbachs realistische Darstellung lässt den Betrachter eintauchen in die schwedische Landschaft mit ihrer ungestümen Natur, die vom 32 m hohen Wasserfall mitgerissenen Bäume werden wie Streichhölzer ans Ufer gespült. Deutlich tritt sein Anliegen hervor, die Natur einerseits detailgetreu abzubilden und gleichzeitig ihr kraftvolles Wirken, ihre

Unberechenbarkeit und ihr vernichtendes Potenzial dramaturgisch in Szene zu setzen. Seit 1910 steht in Trollhättan ein Kraftwerk, das die Fallgeschwindigkeit deutlich entschleunigt hat, so dass nur noch etwa 300 statt ursprünglicher 900 Kubikmeter Wasser pro Sekunde hinabstürzen.

DURCHBRUCH Obwohl das Familienvermögen Ende der 1830er-Jahre quasi aufgebraucht war, sein erst 8-jähriger Bruder Os-

69


066_075_Achenbach

12.10.2013

11:54 Uhr

Seite 6

70

Eisangeln am Ufer des zugefrorenen Meeres, 1839, Öl/Leinwand, 138 x 225 cm, Eremitage, St. Petersburg Gudvangen am Sognefjord, 1839, Aquarell auf Papier, 17,5 x 26 cm, Van Ham, Köln, 2/2012, Zuschlagspreis 1.000 Euro

wald mit einem „Armenzeugnis" in die Elementarklasse der Kunstakademie aufgenommen wurde und die kleineren Geschwister bei den Großeltern untergebracht waren, wurde es Andreas ermöglicht, seine Studien in München fortzusetzen. Der Vater erwähnt in seinen Reiseberichten den ältesten Sohn und seine Malerei zwar kaum, was einige Autoren fälschlicherweise als Gleichgültigkeit deuteten, aber den Eltern dürfte am Erfolg ihres Filius früh einiges gelegen gewesen sein. Durch abwechslungsreiche, wenngleich wenig komfortable Auslandsreisen verschafften sie in ihm unermessliche Seheindrücke. Auf dem internationalen Kunstmarkt sicherten die Landschaftserlebnisse ihm sogleich ein Alleinstellungsmerkmal, so dass seine Karriere kometenhaft begann und er auch wegen seiner enormen Produktivität zu den Spitzenverdienern unter den Malern am Rhein aufstieg. Sein Münchenaufenthalt 1836, wohin er

aus Frust über die Düsseldorfer Lehrer zusammen mit W. Preyer und J. P. Hasenclever geflohen war, brachte den Durchbruch, als König Ludwig I. einen „Seesturm an der schwedischen Küste" (1836, 191 x 135 cm, Kriegsverlust) erwarb. Im Jahr darauf vermittelte man ihn nach Frankfurt, wo er für mehrere Monate ein eigenes Atelier am Städel’schen Kunstinstitut erhielt und das Großformat „Seesturm an der norwegischen Küste" malte, für das er 1.500 Gulden erhielt. Damit war erstmals eines seiner Gemälde in einer öffentlichen Sammlung platziert. Das Bild zeigt wie alle seine späteren Sturm- und Norwegenbilder eine naturgewaltige Sensation mit wohldurchdachter Farbinszenierung und ausgeklügelter Lichtregie, die sich besonders im von dunklen Wolken durchzogenen Himmel zeigt. Anlässlich von Achenbachs 70. Geburtstag 1885 plauderte sein Malerfreund Heinrich Deiters in der Festrede über die Verwendung

von Versatzstücken in der Malerei Achenbachs aus: „Jene norwegischen Felsen sind in Wirklichkeit auf dem Hunsrücken in der Nähe von Simmern gewachsen" (Georg Voss, 1896, S. 4). So hatte der junge Künstler, noch bevor er seine erste Norwegenreise 1839 antrat, Bilder gemalt, die so norwegisch aussahen, dass Sammler wie Graf Raczynski und Friedrich von Preußen sie kauften. Auffällig ist, dass bis in die 1880erJahre sich seine Bilder grundsätzlich nicht gleichen, nie sind Flussläufe, Wellen, Klippen und Schiffe gleichförmig wiedergegeben.

RUDERBOOT IM HAFEN Vermutlich noch in Frankfurt entstand das 2010 bei Van Ham versteigerte „Ruderboot im Hafen" (1837, 47 x 63 cm). In diesem Bild blitzt Achenbachs heiter-witzige Ader hervor: Die vier etwas verdutzt dreinblickenden Männer bewegen ihre Ruder gerade in der Luft, weil das Boot auf einer Art Wellenkamm balanciert. Sie mühen sich redlich, den angetäuten Baumstamm zum auf- und abschaukelnden Lastkahn an der Mole zu buchsieren. Dass den Männern ihre bunten Hüte noch nicht verlustig gegangen sind, ist bei diesem schwierigen Landungsmanöver beachtlich. Berühmt, aber auch gefürchtet bei Akademielehrern und Freunden waren Achenbachs Karikaturen. Für unterschiedliche Zeitschriften, Programmhefte und Buchillustrationen lithografierte er über viele Jahre Genremotive und ulkige Karikaturen, einige auch mit politischen Anspielungen. Mit seinen


066_075_Achenbach

12.10.2013

11:54 Uhr

Seite 7

71

Norwegische Fjordlandschaft mit Hügelgräbern, 1846, Öl/Leinwand, 31 x 45 cm, Van Ham, Köln, 11/2012, Schätzpreis: 7.000-8.000 Euro Norwegische Landschaft mit Fuchs, 1850, Öl/Leinwand, 52,5 x 65 cm, Lempertz, Köln, 11/2010, Zuschlagspreis 10.500 Euro

Marinebildern, die etwa zwei Drittel seines Oeuvres ausmachen, hatte Achenbach aber den Nerv der Zeit getroffen und erreichte mit ihnen ein Publikum, das zwar in einem beschaulich-biedermeierlichen Zeitgeist befangen war, im Innersten aber von der weiten, verwegenen Welt träumte und sich beim Betrachten nicht beherrschbarer Naturgewalten wonnevoll den Schauer über den Rücken rinnen ließ. Weil Sammler auch damals „Action" in den Bildern wünschten, stürmte es auf den Leinwänden des fabulierfreudigen Achenbach, brachen Masten oder zerschellten schwere Großsegler an schroffen Felsklippen. Vorbilder für diese Themen gab es übrigens reichlich, denn bereits im 17. Jahrhundert hatten Marinemaler wie Willem van de Velde, Simon de Vlieger, Ludolf Bakhuizen und Jan Porcellis Hunderte von Handels- und Kriegsschiffen im Sturm und Gefecht gemalt, die in Kontoren, Reedereien, Gilden und wohlbetuchten Bürgerhäuser hingen. In Altmeisterbildern von z.B. Willem van de Velde ist der Horizont tief heruntergezogen, die schwarzen Wolken reißen an einigen Stellen auf und verzweifelt versucht sich die Crew eines just untergehenden Segelschiffs in Panik in die Wanten zu flüchten, während durch den Aufprall auf einen Felsen der Großmast bereits gebrochen ist. All diese Motive übertrug Achenbach in seine Bilder, die freilich den Erscheinungen seiner Zeit Rechnung trugen, wie die seit den 1840er-Jahren entstandenen Schiffbrüche in Küstennähe.

SCHIFFBRÜCHE IN KÜSTENNÄHE Die weiße Gischt, das Donnern und Tosen der jadefarbenen Wellen beim Aufschlagen an der Felsküste, kann der Betrachter sich lebhaft vorstellen. Der Bildaufbau mit tiefliegendem Horizont ist wie bei den niederländischen Barockmalern komponiert, während Achenbach in der Wellendarstellung zweifellos realistischer ist. Schließlich kannte er die Farbschattierungen des Meerwassers wie kein anderer von langwierigen Schiffspassagen über Nord- und Ostsee, bei denen er viele Stunden von der Reling aus das Wasser in all seinen Aggregatzuständen studiert und visuell aufgesogen hatte. In vielen Bildern schwimmen Baumstämme, Planken oder Fässer auf dem

tobenden Meer, eine Reverenz an Achenbachs altniederländische Vorbilder, die – meist erst nach langem Suchen erkenntlich – bescheiden ihre Künstlersignatur auf Treibgut setzten. Diese Zurückgenommenheit war im 19. Jahrhundert kaum noch Usus: Achenbach signierte mit seinem recht eindeutigen und selbstbewussten Schriftzug „A. Achenbach", auch in Abgrenzung zu seinem jüngeren Bruder Oswald, der quasi als „Mitspieler" Ende der 1840er-Jahre mit Italienbildern erstes Aufsehen erregte. Außer bei seinen Reiseskizzen verzichtete der Maler auf Ortsangaben, so dass Bildtitel immer recht allgemein bleiben wie „norwegische Landschaft" oder „westfälische Wassermühle". Datierungen hat Achenbach dagegen in


066_075_Achenbach

72

12.10.2013

11:54 Uhr

Seite 8

GEMÄLDE

seldorf über ein eigenes Atelier und seine finanzielle Situation gestattete ihm viele Reisen. Noch im selben Jahr begab er sich auf die Isle of Wight mit ihren steilen Kreidehängen und sogar nach Paris, wo ihm für einige Wochen sogar ein Atelier zur Verfügung stand.

NORWEGEN

geradezu chronistischer Akribie unter oder neben seine Signatur gesetzt, so dass wir seine künstlerische Entwicklung gut nachvollziehen können. Zwischen seine Skandinavienmotive mischen sich in den 1830er-Jahren erste holländische Motive wie ein Strandbild von 1838 belegt. Es zeigt einen beinahe wolkenlosen, blauen Himmel mit tief gelegtem Horizont und einer schmalen Dünenlandschaft im Vordergrund, mit bescheidener Kate und einer Fischerfamilie. Es ist der berühmte Strand von Scheveningen, wohin sich seit dem 17. und besonders im ausgehenden 19. Jahrhun-

dert Hunderte von Malern begaben, um in der Sommerfrische See- und Strandbilder zu malen. Vermutlich hatte Achenbach Bilder des aus Den Haag stammenden Andreas Schelfhout (1787-1870) gesehen, der vor allem für seine Eisvergnügen berühmt ist. Unter seinem Einfluss probierte Achenbach sich im Genre des Winterbilds und malte 1839 ein großformatiges Bild mit Eisanglern auf einer großen Eisfläche am Meerufer (Eremitage, St. Petersburg). Später verfolgte er dieses Bildsujet nicht weiter, denn für ihn musste Wasser grundsätzlich in Bewegung sein. Seit 1838 verfügte der 23-Jährige in Düs-

Achenbachs Begeisterung für Skandinavien dürfte zunächst durch die gemeinsamen Reisen mit seinem Vater aufgekeimt sein und durch Bilder skandinavischer Malerkollegen, die er erstmals in München sah. Zudem verband Achenbach eine enge Freundschaft mit dem zwölf Jahre älteren Norweger Thomas Fearnley (1803-1842), der wie Achenbach ein von Fernweh Getriebener war und nach seinem Malereistudium in Kopenhagen viele Jahre durch Europa tourte auf der Suche nach Bildmotiven. Im Sommer 1839 brach Achenbach zusammen mit Fearnley und dem Polen Christian Breslauer nach Norwegen auf, mit dem Ziel, den Sogne- und Hardangerfjord zu besichtigten. Ihr Interesse galt den reißenden Flüssen, Stromschnellen, schroffen Felsblöcken im Nebel, entwurzelten Tannen, Wassermühlen und den für Skandinavien typischen Holzhäusern. Ein kleines Aquarell mit Nachlassstempel und Tagesdatierung dokumentiert, dass er sich am 28. Juni 1839 in Gudvangen befand. Der Ort Gudvangen befindet sich am Ende des Nærøyfjords, eines Seitenarms des Sognefjords, der mit seinen 200 km und einer Tiefe von

Flusslauf in Hessen, 1852, Öl/Leinwand, 40 x 57,5 cm, Van Ham, Köln 11/2009 Zuschlagspreis 4.200 Euro Wildwasser in norwegischer Waldlandschaft, 1852, Öl/Leinwand, 77 x 107 cm, Van Ham, Köln, 20. 11. 2009, Zuschlagspreis 22.000 Euro


066_075_Achenbach

12.10.2013

11:54 Uhr

Seite 9

GEMÄLDE

Stürmische See, Aquarell auf Papier, 26 x 37 cm, Van Ham, Köln, 2/2009, Zuschlagspreis 850 Euro

bis zu 1300 m eine der längsten Meeresbuchten Norwegens ist. Der vom Tourismus lange entdeckte Nærøyfjord zählt wegen seiner vielfältigen Landschaftsformen zu den schützenswerten Unesco-Nationalparks. Grüne Täler ziehen sich weit in die Bergmassive hinein und hinauf bis zu blauen Gletschern und schneebedeckten Gipfeln, ähnlich wie auf einem kleinen, nicht näher bezeichneten Fjordbild von 1846 (Van Ham, Köln). Ein steil empor ragender Menhir aus dem Megalithikum auf einem Grabhügel vor dunkel aufziehendem Gewitterhimmel versetzt den Betrachter in eine graue Vorzeitstimmung, wäre da nicht die Frau im roten Kleid, die einsam ihren Weg über die Sommerwiese sucht. Vermutlich handelt es sich um das noch heute dünn besiedelte Dorf Vikøyri bzw. Moahaugane am Sognefjord, noch bevor das Postschiff in südlicher Richtung in den Nærøyfjord nach Gundvangen abbiegt. Bereits in den 1820er-Jahren hatte der norwegische Maler und spätere Akademieprofessor in Dresden, Johann Christian Dahl, ähnliche Steingräber in einer Zeichnung abgebildet, und es erscheint naheliegend, dass Achenbach von ihm auf die Bedeutung der Steinzeitgräber bei ihrem Treffen im August 1839 in Norwegen hingewiesen wurde. Bereits mit dem Gemälde „Landschaft mit Runenstein" (1841, 35 x 52 cm, Pinakothek München) reihte sich Achenbach kurzzeitig in die Tradition der romantischen Ruinen-Landschaftsmalerei ein, denn schon vor ihm hatte sich Caspar David Friedrich mit Ruinen und prähistorischen Relikten befasst und motivisch etabliert. Romantische Landschaften an plätschernden Bächen mit einsamen Wanderern malte Achenbach vermehrt ab den 1840er-

Jahren. In ihrer zu wenig beachteten Dissertation über Andreas Achenbach analysierte Birgit Ponten treffend die Arbeitsmethode des Malers: „Seine Studien dienten ihm (…) zuweilen als Formenvorrat, von einer direkten Umsetzung kann aber keine Rede sein. Was die Gestaltung dieser Werke leitete, war in erster Linie die ihm eigene Phantasie. Dazu gesellten sich drei seinen Erfolg sichernde Eigenschaften, nämlich eine schnelle Auffassungsgabe, ein gutes Umsetzungsvermögen und ein großes technisches Können, die es ihm erlaubten, sich Gesehenes leicht einzuprägen, das Charakteristische daran zu erkennen, die Eindrücke miteinander zu kombinieren und das in seinem Kopf entstandene Bild schließlich ohne Vorbereitungen auf die Leinwand zu übertragen." (1983, S. 61f). Die Komposition konturierte Achenbach mit dem Kohlestift grob auf der Leinwand und schnellte dann mit dem Pinsel über den Bildträger, ohne dabei Details zu vernachlässigen. Aus einem seiner Briefe an seinen Galeristen Lepke (1871) ist zu erfahren, dass er immer an mehreren Bildern gleichzeitig arbeitete. Diese Vorgehensweise ist von einigen Malern so perfektioniert worden, dass sie wie z.B. William Turner mehrere Bildträger auf Staffe-

leien stellten, den Pinsel in eine Farbe tauchten und an die jeweilige Stelle im Bild auftrugen. Reine Fjordbilder mit Postschiffen und Pfahlbauten, wie sie ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Norwegern und einigen Düsseldorfer Malern so häufig gemalt wurden, kennen wir von Achenbach nicht. Ihn begeisterten mehr die reißenden Flüsse, die er noch viele Jahre nach seiner einzigen Norwegenreise 1839 so zahlreich malte. Allerdings sind, wie drei in Köln versteigerte Bilder aus den 1850er-Jahren beweisen, diese durchinszenierten Sturzbäche keineswegs „ortsgebunden", denn sie spielen dort, wo der Betrachter es gerade wünscht, in Norwegen oder Hessen. Mit seinen dramatischen Landschaftsschilderungen setzte Achenbach schon als junger Künstler einen Kontrapunkt zu der dogmatischen Geschichtsinterpretation der Nazarener, die auf religiös-süßliche Historienbilder in lieblich-friedvoller und gottgeformter Umgebung setzten.

„SCHIFFBRUCH MIT ZUSCHAUER" Im Auftrag des Großherzogs Leopold von Baden (1790-1852) malte Andreas Achenbach 1842 sein in jeder Hinsicht größtes Gemälde: „Der Unter-

73


066_075_Achenbach

74

12.10.2013

11:54 Uhr

Seite 10

GEMÄLDE

gang der President" (180 x 225 cm, Dauerleihgabe im Museum Kunstpalast, Düsseldorf, bis auf Weiteres im Depot). Vermutlich war es für das damals im Umbau befindliche Neue Schloss in Baden-Baden vorgesehen und galt lange, vielleicht seit der Flucht der großherzoglichen Familie 1849 bis in die 1980er-Jahre, als verschollen. Der Betrachter blickt auf eine bizarre Eislandschaft, in deren Mitte sich ein großer Raddampfer vor dem Untergang ein letztes Mal aufbäumt. Auf dem nur noch zur Hälfte sichtbaren Schiffsdeck mit ge-

rekurrierte der Bildauftrag vom badischen Großherzog auf eine wahre Begebenheit. Das in London 1840 gebaute, mit einer Länge von 74 m und 12 m Breite damals größte Passagierschiff „President" war im März 1841 zwei Tage nach dem Ablegen in New York verschollen. Erst im Jahr zuvor hatte die „President" den Linienverkehr zwischen Liverpool und New York aufgenommen und dies war nach technischen Störungen erst ihre vierte Fahrt. Die Überfahrt in beide Richtungen dauerte zwar nur 16 Tage, gegenüber 32 mit dem Segel-

führt dem Betrachter vor, wie schnell sich das eben noch ruhige Meer plötzlich in ein Eismeer verwandeln kann und wie verzweifelte Seeleute von den Fluten verschlungen werden, wie Jonas von dem Wal. Die Erhabenheit der Elemente und die Winzigkeit des Menschen angesichts der Übermacht der Naturgewalten sind in einer großen malerischen Geste eingefangen. Im Berliner Auktionshandel wurde bei Dannenberg 2009 ein kleines, unsigniertes Ölgemälde eingeliefert, das sicherlich begründet Andreas

borstenem Mast versucht sich die Besatzung vergeblich in Rettungsboote und zum Schiffsheck zu flüchten. Beim Anblick des Bildes dürfte heute jeder sofort an den spektakulären Untergang der Titanic vor hundert Jahren erinnert sein. Tatsächlich

schiff, aber im Transatlantikdienst erwies sich die Leichtbauweise mit einer zu geringen Maschinenleistung als ungünstig. Nach einer letzten Sichtung am 13. März 1841 an der Georges Bank, ca. 300 km vor der Küste Bostons, verschwand der Dampfer spurlos. Vom Unglück berichtete lediglich eine Flaschenpost, die ein Passagier, ein irischer Schauspieler, ins Meer geworfen hatte. Bei der letzten Sichtung kämpfte das Schiff mit stürmischen Winden und hohen Wellen. Achenbachs Bilderzählung

Achenbach zugeschrieben wurde. Es zeigt drei Schiffbrüchige auf einem Schiffsmast zwischen jadefarbenen Wellen auf hoher See, die nach Hilfe winken. Unterwegs zu ihnen ist bereits ein mit zwei Mann besetztes Ruderboot, gefolgt von einem Schoner mit gerefften Segeln. Vor Andreas Achenbach war es Théodore Géricault (1791-1824), der mit einer sensationellen Schiffshavarie in Paris für Furore sorgte. Unter dem Titel „Szene eines Schiffbruchs" stellte Géricault 1819 im Pariser Salon sein Monu-

Schiffbrüchige auf offener See, Öl/Leinwand, 27 x 42 cm, Dannenberg Auktionshaus, Berlin, 6/2009, Zuschlagspreis 1.600 Euro


066_075_Achenbach

12.10.2013

11:54 Uhr

Seite 11

GEMÄLDE

mentalgemälde (491 x 716 cm, Paris, Musée du Louvre) aus: Auf einem behelfsmäßig gezimmerten Floß, das in stürmischer See dümpelt, sind vierzehn Schiffbrüchige zu sehen. Mit letzter Kraftanstrengung versuchen sie, ein am Horizont erscheinendes Schiff auf sich aufmerksam zu machen. Damalige Betrachter ahnten bald, dass es sich um eine wahre Begebenheit handelte, die sich einige Jahre zuvor vor der Küste Senegals zugetragen hatte: Zusammen mit vier anderen Fregatten stach 1816 eines der schnellsten Segelschiffe der französischen Marine, die „Medusa", gen Senegal in See. Unter dem Kommando von Hugues Du Roy de Chaumareys, der wegen seiner Königstreue, nicht aber wegen nautischer Fähigkeiten das Kapitänspatent erhalten hatte, erreichte die Medusa als erstes die afrikanische Westküste, strandete aber am 2. Juli 1816 wegen eines Navigationsfehlers an der Arguin-Sandbank. Nach vergeblichen Reparaturversuchen wurden die 400 Passagiere evakuiert und auf sechs Rettungsboote und ein aus Schiffsplanken gezimmertes Floß von 8 x 15 m verteilt, auf dem sich allein 147 Schiffbrüchige drängten. Als sich herausstellte, dass die Rettungsboote mit dem daran vertäuten Floß nicht vorankamen, wurden kurzerhand die Taue gekappt und das „Floß der Medusa" dem Schicksal überlassen. Zwei der insgesamt zehn Überlebenden schilderten später den Fortgang in einem erschütternden Bericht, der bis heute Maler, Philosophen, Psychologen, Comiczeichner und sogar Komponisten wie Hans Werner Henze inspirierte, da alles aus dem Ruder lief und sich zu einer Horrorgeschichte entwickelte. Allein in der ersten Nacht fielen 20 Männer samt Wasserfass von den Floßrändern und nach vier Tagen wurde die Weinration mit Urin und Meerwasser „verlängert". Es kam nicht nur zu Schlägereien, bei denen allein 65 ihr Leben ließen, sondern auch zu kannibalisti-

schen Exzessen. Als am dreizehnten Tag das Floß von der Besatzung der Brigg „Argus" entdeckt wurde, lebten nur noch fünfzehn der Schiffbrüchigen, fünf starben an Bord, weil sie zu schnell zu viel Nahrung zu sich nahmen. Der Fall wurde zunächst vertuscht, hatte dann aber doch auch ein politisches Nachspiel. Unter dem Druck der Presse wurden der zuständige Minister und 200 Marineoffiziere entlassen. Unter dem Eindruck dieses Skandals nahm Théodore Géricault Kontakt zu den Überlebenden Corréard und Savigny auf, ließ sich ein Modellfloß bauen und besorgte sich Leichenteile in verschiedenen Verwesungsstadien. Vermutlich hat Achenbach Géricaults „Floß der Medusa" während seines Parisaufenthaltes 1838 gesehen und sich Anregungen für seine Schiffshavarien geholt. Leider ist nur wenig über die Begleitumstände, wie Auftragsvergabe und Bildgenese von Achen-

Théodore Géricault (1791-1824): Floß der Medusa, 1819, Öl/Leinwand, 491 x 716 cm, Musée du Louvre Paris „Der Untergang der President", 1842, Öl/ Leinwand, 180 x 225 cm, Dauerleihgabe im Museum Kunstpalast, Düsseldorf

bachs „Untergang der President" bekannt, doch scheint ein wichtiger Impuls vom „Floß der Medusa" ausgegangen zu sein. Nachdem der Auftrag für den Großherzog von Baden ausführt war und Achenbach dafür große, internationale Anerkennung erhielt, konnte er sich auf eine zweijährige Italienreise begeben, die ihn bis nach Sizilien führen sollte. Fortsetzung folgt!

LITERATUR Birgit Ponten: Andreas Achenbach. Diss. Kiel 1983. – Ausst.-Kat.: Herren der Meere, Meister der Kunst. Rotterdam/Berlin 1997. – Lars U. Scholl: The Loss of the Steamship President. A painting by the German artist Andreas Achenbach (o. J.). – Ausst.-Kat.: Andreas und Oswald Achenbach. Das A und O der Landschaft, Düsseldorf, Hamburg, Linz 1998. – Bildarchiv von Erich Leuwer, Düsseldorf.

75


088_094_Industriedesign

12.10.2013

11:58 Uhr

Seite 2

Obje kte IndustrieObjekte Wolfgang Hornik

KULTOBJEKTE Mit „Objets cultes du mobilier industriel" verfolgt Brigitte Durieux das Thema Industriedesign weiter und fokussiert in diesem Buch, wiederum erschienen bei Editions de La Martinière, Paris, 2012, auf Kultobjekte dieser Kategorie. Über das erste Buch „Mobilier Industriel" hat das SJ bereits im Heft 7/2011 berichtet. Brigitte Durieux erweist sich mit ihren europaweiten Adressen von „Fachhändlern" im Anhang des zweiten Buches auch jetzt wieder als profunde Kennerin der Eisenszene. Die ausgewiesene Expertin des IndustrieDesigns hat mit sicherem Auge für hochwertige handwerkliche Verarbeitung und außergewöhnliche Gestaltungsqualität eine bemerkenswerte Auswahl – nicht jedes rostige Eisen eignet sich als Kultobjekt – von insgesamt 50 Objekten getroffen. Das Spiel des Fotografen Laziz Hamani mit der Materie, dem Licht und der Transparenz schließlich inszeniert die Objekte als wahre Kunstwerke. Unter dem Titel „Industrial Chic: Cult Furniture, Design and Lighting” ist das Buch mit identischen Objekten auch auf Englisch im Thames & Hudson Verlag erschienen.

ANFÄNGE DES TRENDS

Brillié Wanduhr – Horloge Brillié aus dem Jahr 1900 (Foto: Brigitte Durieux, aus „Objets cultes du mobilier industriel", 2012) Verzinkter Eimer – Seau en Acier Galvanisé aus dem Jahr 1907 (Foto: Brigitte Durieux, aus „Objets cultes du mobilier industriel", 2012)

Es war schon eine Ungeheuerlichkeit für das an feine Antiquitäten gewöhnte Publikum, als es 1995 in der Rue du Bouloi in Paris bei Gilles Oudin ein aus rohem Stahl und Holz bestehendes Bücherregal von Théodore Scherf aus dem Jahr 1880, zwei Tri Postal Briefsortier-Arbeitsplätze und einige Lampes Gras Leuchten erblickte. Auf die ignorante Frage, ob er das wohl zu verkaufen gedenke, antwortete der Antiquitätenhändler nur ironisch „aber nein, ich bin Mechaniker". Mit viel Enthusiasmus und dank des Reservoirs aufgelassener Industriebrachen besonders im Großraum Paris, aber auch in anderen Landesteilen, konnten er und andere „Ar-


088_094_Industriedesign

12.10.2013

11:58 Uhr

Seite 3

DESIGN

Zeichenmaschine „Mappemonde" – Table d’Architecte aus dem Jahr 1930 (Foto: Brigitte Durieux, aus „Objets cultes du mobilier industriel", 2012)

chäologen des 19. und 20. Jahrhunderts" über die Jahre hinweg Objekte zusammentragen, die eine breite Welle der Begeisterung für alte Industrie-Möbel und -Objekte auslösten. Die Begeisterung beschränkte sich aber nicht auf Frankreich. Ebenfalls im Jahr 1995 besetzte altes Verwaltungsmobiliar wie Stühle, Tische und Bankschalter aus Holz und Metall im Herzen Tribecas in New York die Schaufenster des Antiquitätenhändlers Wyeth. Dass inzwischen selbst internationale Modeketten wie AllSaints ihre Boutiquen mit altem „Industrie-Schrott" dekorieren, unterstützt den Trend zusätzlich. Nach Pop-Art und Plastik-Zeitalter war der Zeitgeist nach der Jahrtausendwende langsam reif geworden für die Zeitzeugen des industriellen Aufbruchs. Die meist schnörkellosen, der reinen Funktion unterworfenen Gegenstände des Mobilier Industriel erfüllen ganz die Ansichten des berühmten österreichischen Architekten Adolf Loos (1870-1933), obwohl er sich zu Lebzeiten wohl nie ein Werkstattmöbel ins Haus geholt hätte. In seiner Streitschrift „Ornament und Verbrechen" von 1908 propagiert er, dass Funktionalität und Abwesenheit von Ornamenten im Sinne menschlicher Kraftersparnis ein Zeichen hoher Kulturentwicklung seien und wahre Kunst nur im Sinne der Bildenden Kunst geschaffen werden kann. Ornamentale Verzierungen sind ebenso wie jedwede künstlerische Gestaltungsversuche an einem Gebrauchsgegenstand unangemessen und überflüssig. So schreibt Loos: „der moderne mensch, der das ornament als zeichen der künstlerischen überschüssigkeit vergangener epochen heilig hält, wird das gequälte, mühselig ab-

gerungene und krankhafte der modernen ornamente sofort erkennen. kein ornament kann heute mehr geboren werden von einem, der auf unserer kulturstufe lebt." Die in Brigitte Durieux‘ Buch vorgestellten Kultobjekte erfüllen die Designvorgaben von Loos. Die Funktion bestimmt ihre Form, auf Ornamente wird verzichtet, nicht jedoch auf eine ästhetische Gesamterscheinung.

BRILLIÉ UHREN / 1900 Über Jahrhunderte hinweg bestimmte das Kirchturmläuten das von Landwirtschaft und Handwerk geprägte Wirtschaftsleben, das in kleinen Strukturen organisiert war und somit keiner exakten zeitlichen Unterordnung bzw. Synchronisierung bedarf. Mit der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einset-

zenden industriellen Revolution war das Kirchturmläuten als Metronom der zu Millionen in Fabriken schuftenden Arbeiter überfordert. Das nach Frederick Windsor Taylor (18561915) benannte Taylor-System zur Steigerung der Produktivität der industriellen Fertigung verlangte nach exakteren Zeitmessern. Die teuren Maschinen sollten unentwegt, am besten rund um die Uhr, am Laufen gehalten werden, die Maschinenhallen pausenlos Produkte ausstoßen. Die Bewegungsabläufe der Maschinen sind von ihrer Mechanik exakt festgelegt und gesteuert, also müssen auch die an ihnen tätigen Arbeiter exakt reguliert werden. Erbarmungslos disziplinierten die neuartigen Fabrikuhren, oft als Ehrfurcht einflößende Ungetüme an Fabrikwänden angebracht, die Arbeiterschaft. Bildlich klagt Charlie Chaplin

89


088_094_Industriedesign

12.10.2013

11:58 Uhr

Seite 4

90

Handleuchte – Lampe Baladeuse um 1920 (Foto: Brigitte Durieux, aus „Objets cultes du mobilier industriel", 2012) Form Us With Love, „Work Lamp”, 2011 (Foto: Form Us With Love)

in seinem Film „Moderne Zeiten" von 1936 die Auswirkungen des Taylor-Systems an, wobei der Filmtölpel leibhaftig ins Zahnradgetriebe der bösen Maschine, stellvertretend für die Uhren, gerät. Versorgt wird die Unternehmerschaft mit diesen Sklaventreibern u.a. von der Firma Ateliers Brillié Frères, die 1898 von Charles Vigreux und Lucien Brillié in Levallois-Perret bei Paris gegründet wurde. Lucien Brillié war der Erfinder der elektrischen Turmuhr, der berühmten sprechenden Uhr (telefonische Zeitansage) und der Uhrensynchronisation auf das TSF-Signal (Télégraph Sans Fil). Mit exzellentem technischen Know-how ausgestattet, lieferten sie elektrische Uhren mit tönenden Signalen bei Schichtbeginn oder -wechsel, die Kraft ihrer Unfehlbarkeit bald zur unantastbaren Autorität der Werkshallen aufstiegen. Die Zuverlässigkeit der Uhr hängt nun nicht mehr vom Menschen ab, der sie aufziehen und stellen muss, sondern nur mehr von der Versorgungssicherheit mit Elektrizität. Im Katalog der Firma Brillié aus den 1920er-Jahren finden sich Produkte und Leistungen wie eigenständige Uhren, automatische akustische Signale, Gebäudeuhren, Klingelton mit Glockenspiel, Wecker, Zeitsynchronisation aller Geräte und

Arbeitszeiterfassungssysteme. Neben Fabriken werden auch Bahnhöfe und Schulen, die anderen Institutionen, bei denen es auf exakte Zeitmessung ankommt, mit Brillié Uhren ausgerüstet. Der Firma am Stammsitz Paris schlug selbst die Stunde der Wahrheit im Jahr 1987, als sie geschlossen werden musste und die Fabrikhallen niedergerissen wurden.

VERZINKTER EIMER / 1907 Ob im Garten, im Haushalt, in der Küche, in der Fabrik, in der Landwirtschaft oder bei der Tierzucht: Die Einführung des verzinkten Stahlblechs Ende des 19. Jahrhunderts brachte eine Vielzahl nützlicher Helfer und Neuheiten und Verbesserungen an bestehenden Werkzeugen wie Kohleeimer, Wasserkocher, Abfalleimer, Waschbecken, Krug, Wanne, Gießkanne, Krippe, Trog, Schaufel oder Zäune hervor. Es dauerte einige Jahrzehnte, bis sich die in Übersee als Rostschutz entwickelte GalvanisierTechnik in der industriellen Fertigung Frankreichs niederschlug. Der junge, aus einer Handwerkerfamilie stammende Xavier Pauchard interessierte sich erstmals 1907 für das Verfahren. Um seine Kenntnisse zu verfeinern und neue Anwendungen zu ergründen, studierte er ein reichlich

illustriertes, technisches Buch aus den Vereinigten Staaten. Geschützt vor den neugierigen Blicken seiner Mitmenschen, erarbeitet sich Xavier Pauchard seine ersten Erfahrungen mit dem neuartigen Verfahren bei Versuchen an hohlen, alten Töpfen. Weder die Strenge des Klimas noch technische Rückschläge konnten die Entwicklung und Verbreitung bremsen: Der verzinkte Stahl setzte sich durch – zunächst bei täglichen Gebrauchsgegenständen, später auch bei Gartenmöbeln wie Pauchards Stühlen, Hockern und Tischen der Marke Tolix. Die zuverlässige Beständigkeit der Galvanisierung gegenüber Witterungseinflüssen war ihr Empfehlungsschreiben für viele Anwendungen. Somit hatten sich die Verhältnisse verändert, die Verzinkung eröffnete neue Horizonte bei der Verarbeitung des Stahls und entthronte das kunsthandwerkliche Weißblech. Das metallische Aussehen des Zinks ist verführerisch: Aus der ursprünglichen Idee des Rost-


088_094_Industriedesign

12.10.2013

11:58 Uhr

Seite 5

DESIGN

schutzes hat sich eine neue Ästhetik gebildet – und ein markantes Merkmal des Industrie-Stils. Mit einer Höhe von 35 cm, einem Umfang von 31 cm, 4,6 kg Leergewicht bzw. 23,7 kg Bruttogewicht und einem Fassungsvermögen von 18 Litern veranschaulicht der abgebildete, verzinkte, von 56 Nieten zusammengehaltene Eimer als einer der einfachsten Gegenstände die drei wesentlichen Bestandteile der Metallmöbel des Industrie-Stils: Blech als Ausgangsmaterial, Zink als Rostschutz und Nieten für die Montage. Dies qualifizierte ihn für die Aufnahme in Brigitte Durieux‘ Kultobjekte-Liste.

HANDLEUCHTE / UM 1920 Die Allzweckleuchte May Day (2001 mit dem Compasso d’Oro ausgezeichnet) wurde 1998 von dem international anerkannten Münchner Designer Konstantin Grcic für die italienische Firma Flos entworfen und ist letztendlich eine Weiterentwicklung bzw. Neuinterpretation der Lampe Baladeuse. Wie die May Day, findet die Lampe Baladeuse – übersetzt: die tragbare Leuchte bzw. dem Verwendungszweck nach Handleuchte bedeutend – ihren Einsatz überall dort, wo sie gerade gebraucht wird. Viele Anwendungen sind mit ihr möglich: Wie die May Day können diese alten französischen Handleuchten bei handwerklichen Arbeiten – wie etwa an der Unterseite eines Autos – am Griff getragen oder am Haken aufgehängt werden; selbst als Pendelleuchte an der Decke hängend sieht dieser Lampentypus gut aus, wie das schwedische Designstudio „Form Us With Love" 2011 mit einer prachtvollen Installation von 100 Ex-

Konstantin Grcic, Leuchten „May Day" (Kunststoff), 1998. Hersteller: Flos S.p.A., Bovezzo, Italien (Foto: Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich; A. Laurenzo)

emplaren ihrer eigenen Kreation namens „Work Lamp" im Design House Stockholm gezeigt hat. Die Work Lamp verweist noch deutlicher als die May Day auf ihren Urahn, die Lampe Baladeuse, ihr silberner oder goldener Schutzkäfig wirkt durch seine kantige Erscheinung nur moderner und wohnlicher. Die Herkunft der Lampe Baladeuse ist ungeklärt, ihr Designer unbekannt. Brigitte Durieux bezeichnet sie blumig als „Waise" vom Bauernhof, Speicher, Keller oder aus der Fabrikhalle, also von Orten, an denen sie es verstand, sich nützlich und schnell unersetzlich zu machen. Bis heute sind Handleuchten noch immer bei Mechanikern und Landwirten in regem Gebrauch, zwar technisch weiter entwickelt und sicherer, aber gewiss nicht eleganter als die Lampe Baladeuse vor 100 Jahren. Man muss sie mit zu den Musterbeispielen der Formgebung eines Nutzgegenstands zählen. Ohne etwas zu verstecken, zeigt sie offen ihre einzelnen, durch die Funktion definierten Bestandteile: Kabel, Stecker, Fassung, Leuchtmittel, metallischer Schutzkäfig und hölzerner Griff. Diejenigen Exemplare unter den Lampen Baladeuse, deren Schutzkäfige an der dem Griff gegenüber liegenden Seite abgeflacht waren, konnten direkt auf der Arbeitsfläche abgestellt werden, wie fast 100 Jahre spä-

ter die May Day und die Work Lamp. Die normalen Handleuchten fürs Handwerk wurden weiterentwickelt, die Materialien haben sich verändert, die Form blieb aber im Wesentlichen erhalten. Heute bestehen sie aus einer Handvoll Gummi oder Plastik, zusammengehalten von Silikon und mit einem Kabel in Signalfarbe zur Vermeidung von Arbeitsunfällen ausgestattet. Die modernen, energiesparenden Birnen heizen zwar nicht mehr, das Schutzgitter blieb aus ästhetischen Gründen bestehen. Als gewagtes Manifest illustriert die Lampe Baladeuse sowohl in der Werkstatt als auch Jahrzehnte später in der Wohnung die Maxime: Gutes Design ist schlichtes Design!

PROJEKTOR GALAXIE / 1928 Was wäre aus Josephine Bakers berühmtem Bananentanz oder den Aufführungen im Folies Bergère geworden, hätte es sie nicht gegeben: die Bühnenscheinwerfer, Strahler, Projektoren! Im Varieté waren es oftmals kleinere Exemplare wie etwa das abgebildete der Firma A. E. Cremer, Paris. Bei diesem konnten farbige Glasscheiben vor die Linse gesetzt werden und so die gewünschte Stimmung erzeugen. Außerdem konnte der Beleuchter den Abstand zwischen Linse und Leuchtmittel mit Hilfe eines Drehrades, das sowohl an

91


088_094_Industriedesign

12.10.2013

11:58 Uhr

Seite 6

92

Projektor Galaxie – Société Française d’Eclairage GAL aus dem Jahr 1928 (Foto: Brigitte Durieux, aus „Objets cultes du mobilier industriel", 2012) Strahler der Firma A.E. Cremer, ca. 1920er-/30er-Jahre (Foto: Style Deco, Kurfürstenstr. 15, 80799 München)

der Vorder- als auch an der Rückseite angebracht war, den Fokus ändern und damit die Größe der ausgeleuchteten Fläche. Aber nicht nur für die leichten Mädchen der Revuen, sondern auch für die schweren Jungs von der Eisenbahn waren sie unentbehrlich. In Longueau bei Amiens in der Picardie betrieb die staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF in den 1950er-Jahren einen der größten Verschiebebahnhöfe Europas, der ununterbrochen Waren verschluckt und wieder ausspuckt hat. Mechaniker, Lokführer, Bahnwärter, Weichensteller, Signalgeber, Rangierer dirigierten Tausende von Tonnen an Gütern, die von den Trente Glorieuses, den 30 Boomjahren in Frankreich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – vergleichbar mit dem deutschen Wirtschaftswunder –, generiert wurden. Um die Arbeiten auch nachts sicherer und zusätzlich produktiver durchführen zu können, waren riesige Strahler zur elektrischen Beleuchtung vonnöten, die die alten Laternen und Leuchten, die noch aus der Vorkriegszeit stammten, ersetzen mussten. So wandte sich die SNCF an ihren Zulieferer Société Française d'Eclairage GAL, der

1928 in Courbevoie von Gustave Arsène Lancelot gegründet worden war. Das Projekt „Strahler Galaxie" war somit in den 1950er-Jahren geboren. Unterstützt durch die Versuche im Zentrallabor in Saint-Ouen, genehmigt schließlich die MontageAbteilung der SNCF das gigantische Modell: ein 32 kg schwerer Blechkorpus aus dickem Metall, mit einem Durchmesser von einem Meter und mit einem stark polierten, gewölbtem Aluminium-Spiegel. Das Ganze wurde von einem starken Metallarm getragen, der die Leuchte dreh- und schwenkbar machte. Nicht zu vergessen das erstaunlich lange, einen Meter messende „Visier", das als Blende diente. Und zu guter Letzt wurde die monströse Anordnung auf 20 Meter hohen Masten montiert. Aus dieser luftigen Höhe erhellten Quecksilberdampflampen mit 1000 Watt Leistung die nächtliche Szenerie am Bahnhof. Da es die Apparatur erlaubte, einen engen Strahl mit einer großen Reichweite zu fokussieren, bildeten die Lichtstrahlen in der Luft so die Konfiguration der Schienen am Boden nach. Die Qualität der Fokussierung des Strahls ist dabei maßgeblich von den geometrischen

Eigenschaften des Parabolspiegels im Strahler abhängig. Durch separat angebrachte Parabolspiegel aus Aluminium boten sich den Entwicklern hinsichtlich der Fokussierung des Strahls viele Möglichkeiten, die bei den in Strahlern auch üblichen seitenverspiegelten Glühbirnen wegen der festen Geometrie des Glaskörpers nicht gegeben sind. Die SNCF platzierte die Galaxie Strahler, deren scharfer Strahl fast schon an Laser denken lässt, in Gruppen von zwei bis 16 Stück entlang der Schienen.

ZEICHENMASCHINE / 1930 Das Zeichenbrett, manchmal auch Zeichenplatte oder in der Gesamtheit Zeichenmaschine genannt, dient technischen Zeichnern, Designern und Architekten zum Erstellen von Zeichnungen und Plänen. Die größte Errungenschaft bzw. wichtig-


088_094_Industriedesign

12.10.2013

11:58 Uhr

Seite 7

93

Baukräne von Joustra – Grues en Acier um 1950 (Foto: Brigitte Durieux, aus „Objets cultes du mobilier industriel", 2012)

ste Eigenschaft des Zeichenbretts ist, dass die gewünschten Winkel zwischen den Linien über eine Mechanik fest eingestellt werden können. Die umgangssprachliche Bezeichnung „Reißbrett” stammt noch aus der Zeit, als die Linien mit einem harten „Reißbley" statt mit einem Bleistift mehr geritzt als gezeichnet wurden. In den 90er-Jahren schwand die Bedeutung der Zeichenbretter, als sie mehr und mehr von Computern mit entsprechender CAD (Computer Aided Design) Software verdrängt wurden. Hin und wieder finden sich in den Designbüros einzelne Exemplare, als Dekoration oder als Pinnwand für die am Computer erstellten, ausgedruckten Zeichnungen. Die Zeichenmaschine vereinigt die Komponenten Zeichenbrett, Standfuß mit Höhen- und NeigungsVerstelleinrichtung und Mechanik zur Führung des Zeichenkopfes mit den beiden Linealen, einem langen horizontalen und einem kürzeren vertikalen. Diese stehen in der Regel unter 90° zueinander, können oft aber auch in 15-Grad-Schritten einrasten. Untersuchungen haben gezeigt, dass am Zeichenbrett kreativer gearbeitet wird als am Computer. Auf jeden Fall zählt das Zeichenbrett branchenübergreifend zu den wichtigsten Werkzeugen in Entwurfsbüros, konnten doch mit seiner Hilfe schnell und genau Ideen zu Papier gebracht werden. Sowohl kühne Gebäude als auch technische Meilensteine wie das Auto sind lange Zeit auf ihm geboren worden. Ein besonders ausgefallenes Beispiel einer Zeichenmaschine ist das Modell „Mappemonde" eines unbekannten Entwerfers, das um 1930 entstanden ist. Da es nur in einer Kleinserie gefertigt worden war, ist

es heutzutage entsprechend selten auf dem Markt zu finden. Kürzlich wurden einige Exemplare aus den Kursräumen der Industrie-Zeichner Schule EPDI (École Professionelle de Dessin Industriel, gegründet 1923 in Paris) versteigert. 1932 pries eine Annonce den „Super Zeichentisch La Mappemonde" (Globus) an, der sich, auf Rädern montiert, der dank seiner beweglichen Scharniere und Verbindungen sowie seiner Klemmhebel stabil in jedwede Position bringen lässt. Auf diese Weise ermöglicht die Maschine ein effizientes Arbeiten, „durch ihre Einfachheit und Leistungsfähigkeit gestattet sie überraschende Finessen", wie es in der Annonce weiter heißt. Dabei kostete sie auch nicht mehr als die anderen Zeichenbretter. In den frühen 1930erJahren traf die Mappemonde auf die Nachfrage eines wachsenden Marktes. In den Zeichenbüros erforderten die Ausführung von Plänen und Zeichnungen nun eine größere Präzision, was durch das höhen- und in seinem Neigungswinkel verstellbare Zeichenbrett unterstützt wurde. Die Mappemonde zeigt bildhaft auch die Liebe der damaligen Entwerfer zum Detail: Nicht das kleinste Bauteil ist zufällig, alles ist wohl proportioniert und durchdacht, wie es die Nahaufnahmen der vergrößerten Einzelteile in Brigitte Durieux‘ Buch dokumentieren. Die Zeichenmaschine steht in der Tradition von Systemmöbeln, die im 17. Jahrhundert von französischen und deutschen Handwerkern entwickelt wurden und deren Einfalls-

reichtum im 18. Jahrhundert bereits etliche Höhepunkte erreicht hatte. Die Arbeit der Möbelschreiner und Schlosser zu Zeiten Louis XV. deutete bereits an, was später, Anfang des 20. Jahrhunderts, Ingenieure und Erfinder bei der Ausstattung und Modernisierung der sich stetig ändernden Industrie zu leisten im Stande waren. Zwar ist der Konstrukteur der Mappemonde nicht mehr namentlich bekannt, seine Kreation hat trotzdem Aufmerksamkeit erregt und tut dies heute noch. So bekam sie eine Silbermedaille auf der „Exposition Universelle" im Jahr 1932 verliehen. Ihr Hersteller mit der Adresse 81, Rue du Temple in Paris stattete auch die EPDI in der Hauptstadt aus, damals die einzige Institution dieser Art in Europa. Im Gegensatz zu den mit ihr konkurrierenden Modellen wie der UNIC wurde die Mappemonde handwerklich und in limitierter Auflage hergestellt: Nur 380 Exemplare wurden von ihr ausgeliefert. Sie verdeutlicht auch die Möglichkeiten, die der Einsatz von Stahl im Möbelbau bietet; ein derart komplexes, variables Möbelstück aus Holz herzustellen, erscheint undenkbar.

BAUKRÄNE JOUSTRA / UM 1950 Spiele zählen schon immer zu den wichtigen Errungenschaften der menschlichen Kultur. Sie dienen dem Vergnügen und der Entspannung. Kinderspiele, die meist in der Gemeinschaft erlebt werden, haben oft auch einen pädagogischen und sozi-


088_094_Industriedesign

12.10.2013

11:58 Uhr

Seite 8

94

alen Aspekt und sollen so aufs Erwachsenenleben vorbereiten. Spiele helfen bei der kognitiven Entwicklung und der Entwicklung motorischer Fähigkeiten. Im Gegensatz zu den heutigen Konsolenspielen war Letzteres bei altem Blechspielzeug noch gegeben. Die Firmen Meccano und Joustra bildeten, vor dem Aufkommen des Plastikspielzeugs, mit ihrem Sortiment an metallischen Spielwaren die industrielle Revolution im Kinderzimmer nach und illustrierten im kleinen Maßstab die Evolution der Arbeitswelt. Die Firma Meccano wurde 1901 vom Briten Frank Hornby (1863-1936) in England, der Keimzelle der Industrialisierung, gegründet. Angeblich als Weihnachtsgeschenk für Franks Kinder gedacht, ziert das Bild eines Krans die allererste, kommerzielle Meccano-Spielzeugschachtel. Die französische Marke Joustra („Jouets de Strasbourg") startete 1934 als Gemein-

Jieldé Leuchte aus dem Jahr 1950 (Foto: Style Deco, Kurfürstenstr. 15, 80799 München) Xavier Pauchard, Tolix Hocker, verzinkt und lackiert, aus den 1930er-/40er-Jahren (Foto: Style Deco, Kurfürstenstr. 15, 80799 München)

schaftsunternehmen der Brüder Paul und André Kosmann. Zunächst konnten sie mit ihren kleinen Blechautomaten nur bescheidene Erfolge aufweisen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr die Firma aus dem Elsass unter der Leitung ihres Direktors Guillaume Marx ein kräftiges Wachstum. Die Produktpalette wurde diversifiziert: Elektrisches Spielzeug, kleine Spielzeugautos, amerikanische Limousinen und Spielzeugkräne machten Joustra in den 50erJahren zum Marktführer von Spielwaren in Europa. Über 30 Jahre war die Firma aus Straßburg der bedeutendste Hersteller von Spielzeugkränen, von denen das größte Modell eine stolze Höhe von 91 cm vorweisen konnte. Typisch war der immer gleiche Kranführer, hergestellt aus gebogenem Blech, mit blauer Jacke und schwarzer Kappe. Die angedeuteten, nachgebildeten Nieten an den Verbindungspunkten sowie die an die Konstruktion des Eiffelturms erinnernden Strukturen reflektieren diese spielerischen Konstruktionen realitätsnah die industrielle Architektur. Zwar fabriziert Joustra diese Kräne nicht mehr, gesammelt werden sie jedoch noch immer von Erwachsenen, und zwar mit der gleichen Leidenschaft, mit der früher die Kinder mit ihnen gespielt haben.

KULTOBJEKTE – KAPITALANLAGE Angesichts der großen Sorgen um unseren Euro ist es angebracht, auch über Kunst, Antiquitäten oder Sammelobjekte wie zum Beispiel die Ikonen des Industriedesigns als alternative Geldanlage nachzudenken. Genauso wenig wie der Preis des Barrel Erdöls oder der Stand des DAX in einem Jahr vorhergesagt werden kann, kann man zuverlässige Aussagen über die Preisentwicklung von Antiquitäten machen. Aber zusätzlich zu einer möglichen monetären Rendite erhält man bei Kunst und Antiquitäten auf jeden Fall eine emotionale Rendite, sprich Freude

am Objekt. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass die meisten Objekte des Industriedesigns wie Stühle, Tische oder Leuchten im funktionstüchtigen Zustand auch einen praktischen Nutzen aufweisen. Brigitte Durieux‘ Blick zurück in die Mitte der 90er-Jahre, als erste Begeisterte sich mit umgewidmeten Industrieobjekten als Einrichtungsgegenstände auseinandersetzten, zeigt eine unglaubliche Preisentwicklung. Eine Lampe Jieldé, die inzwischen nur mehr für einige hundert Euros erhältlich ist, konnte man damals noch mit etwas Glück für gerade einmal 10 Franc, also etwa 1,50 Euro, erwerben. Ein Tolix Stuhl oder Hocker kostete damals etwa 30 Franc und liegt zur Zeit ebenfalls im „Einige hundert Euro-Bereich”. Für die Vorhersage des Verlaufs der weiteren Preisentwicklung sind diese Zahlen aber nur bedingt aussagekräftig, entscheidend bleibt das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage.

INFO Brigitte Durieux: „Objets cultes du mobilier industriel", Editions de la Martinière, 2012. ISBN-10: 2732443 026. ISBN-13: 978-2732443027. – Brigitte Durieux: „Industrial Chic: Cult Furniture, Design and Lighting”, Thames & Hudson Ltd, 2012. ISBN-10: 0500516634. ISBN-13: 978-0500516 638.


106_Vorschau

106

12.10.2013

12:01 Uhr

Seite 2

VO R S C H AU / I M P R E S S U M

SAMMLER JOURNAL 12 / 2013

SAMMLER JOURNAL

ISSN 1863-0332

VERLAG

GEMI Verlags GmbH Pfaffenhofener Straße 3 85293 Reichertshausen Tel. 08441 /4022-0 Fax 08441 / 71846 Internet: http://www.gemiverlag.de eMail: info@gemiverlag.de

GESCHÄFTSFÜHRER

Gerd Reddersen Rudolf Neumeier

L A C K K U N ST Vernis Martin

ASSISTENZ DER GESCHÄFTSFÜHRUNG

Karin Teichmann

CHEFREDAKTEUR

Karl Ruisinger eMail: karl.ruisinger@gemiverlag.de

REDAKTEURE

Nicola Fritzsch Karin Probst Helene Stümpfle-Wolf Joscha Eberhardt

STÄNDIGE MITARBEIT

Dr. Graham Dry Dr. Dieter Weidmann Heidrun Th. Grigoleit Anja Iwa

AUTOREN DIESER AUSGABE

Dr. Wolfgang Hornik Dr. Silke Köhn Sabine Spindler Dr. Dieter Weidmann

REDAKTIONSASSISTENZ

Heike Genz

TERMINE

Anette Wagner, Tel. 08441/4022-35 Hans Neumeier, Tel. 08441/4022-34 eMail: termine@gemiverlag.de

LITHOS, SATZ, HERSTELLUNG

Westner Medien GmbH (Anschrift siehe Verlag)

ANZEIGEN

Markus Westner, Tel. 08441/4022-13 Axel Rosenthal Rot-Kreuz-Str. 29 85276 Pfaffenhofen Tel. 08441/805616 / Fax 08441/7974122 eMail: axel.rosenthal@t-online.de

PORZELLAN KPM

KLEINANZEIGEN

Heike Genz, Tel. 08441/4022-18 Marlene Westner, Tel. 08441/4022-12

VERTRIEB

Gerd Reddersen

ZEITSCHRIFTENHANDEL

VU Verlagsunion KG

MARKTVERTRIEB

Jörg Kirschbaum Mobil 0172/4436638

ABOVERWALTUNG

DataM-Services GmbH Postfach 91 61 97091 Würzburg Tel: 0931/4170-178 (Mo - Do 8-17 Uhr, Fr 8-15 Uhr) Fax: 0931/4170-179 eMail: services-abo@verlagsunion.de

DRUCK

Kössinger AG Schierling

M E TA L L Scheibenleuchter GEMÄLDE Andreas Achenbach / Teil 2

Erscheinungstermin:

ERSCHEINUNGSWEISE

monatlich

NACHDRUCK

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fallen die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-ROM.

Abonnenten-Versand: 20.11.13 Erstverkaufstag Handel: 27.11.13

Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/08 vom 01.11.2008


AUKTION

Antike Sammlerteppiche Sonntag, 3. November 2013, 14 Uhr

Weitere Auktionen im Oktober Freitag, 25. Oktober 2013 Schmuck · Moderne und Zeitgenössische Kunst

Samstag, 26. Oktober 2013 Antiquitäten · Kunst · Möbel

Vorbesichtigung ab sofort · Farbkatalog telefonisch anfordern oder www.henrys.de

AUKTIONSHAUS An der Fohlenweide 10 –14 · 67112 Mutterstadt · Telefon (06234) 8011-0 · www.henrys.de


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.