Sammler journal 1115

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NOVEMBER 2015

November 2015 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50

SAMMLER JOURNAL

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

Möbel Himmelbetten

Gemälde Francisco de Zurbarán

Special 10 Seiten Kunstmarkt

Skulptur Joseph Alexander Csaky

Dialog Leser & Experten

Auktionen GEMI

Berichte & Preise

Ausstellungen Tipps & Termine


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12.10.2015

16:02 Uhr

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November 2015 · B 1309 | € 6,50 Schweiz CHF 11,50 | Österreich € 7,00 | Be/Ne/Lux € 7,50

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Sammlertermine

Möbel Himmelbetten

SKULPTUR

Gemälde

Joseph Alexander Csaky

Francisco de Zurbarán

Special

Bettina Krogemann

10 Seiten Kunstmarkt

Skulptur

34

Joseph Alexander Csaky

Dialog Leser & Experten

Auktionen Berichte & Preise

Ausstellungen Tipps & Termine

MÖBEL Titelfoto: Sotheby’s, Art digital studio

Himmelbetten Dieter Weidmann

DIALOG

4

MAGAZIN

12

MESSETERMINE

19

KUNSTMARKT

22

AUKTIONSNOTIZEN

44

AUKTIONSTERMINE

60

INSERENTENVERZEICHNIS

67

AUSSTELLUNGSTERMINE

80

AUSSTELLUNGEN

85

LITERATURTIPP

98

UHREN Hamburger Taschenuhren Christoph Prignitz

GEMÄLDE Francisco de Zurbarán

AUKTIONSPREISE

100

IMPRESSUM

106

VORSCHAU

106

TERMINE & KLEINANZEIGEN IN DER BEILAGE

Anja Iwa

68 76 90

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DIALOG

Spielerischer Stil Gemälde von Klara Sporleder Heute habe ich mich überwunden, mich an Sie zu wenden, da mir Ihre Mitarbeiterin am Telefon großen Mut gemacht hat. Insbesondere da diese sehr freundliche Dame mir beim Gespräch schon sagen konnte, dass es nach meiner Beschreibung des Bildes und der Signatur tatsächlich einen Maler Sporleder (mit dieser geschwungenen Schrift) vor längerer Zeit gegeben hat, der auch „Poesie-Bilder“ gemalt hat. Aufmerksam auf einen etwaigen Wert des Bildes, das auf Holz gemalt ist und (ohne Rahmen) circa 50 cm breit und 60 cm hoch ist, wurde ich durch einen Galeristen, dem ich das Bild zur Reinigung gebracht hatte. Bei der Abholung bot mir der Mann an, das Bild (für eine nicht unerhebliche Summe) anzukaufen, obwohl ich keine Verkaufsbereitschaft gezeigt hatte. Somit möchte ich Sie, lieber Herr Dr. Dry, darum bitten, sich der Angelegenheit einmal anzunehmen. Ich wäre Ihnen dafür sehr dankbar, wenn Sie mir Informationen über den Maler, sein Schaffen, seine Zeit und den etwaigen Wert des wohl schon alten Bildes, das meine Mutter bereits von ihrer Mutter bekommen hat, geben könnten. N. Reinke, o. O.

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Der spielerisch-idyllische Stil des Bildes erinnert an die dekorativen Rokokobilder des Malers Hanns Pellar (1886 Wien - 1971), der 1911 bis 1917 Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie war und später in Frankfurt a.M. lebte. Ohne Pellars Vorbild konnte das vorliegende Motiv und die

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Malweise dieses Bildes nicht entstanden sein. Vor einem Baum in der Landschaft sitzt ein kleines Mädchen, spielt Laute, singt dazu und wird dabei von einem sitzenden Putto und einigen Vögeln in den Ästen belauscht. „Putzig“ wäre die Szene, wenn sie nicht von einer ziemlich guten Qualität wäre und auch nicht ein gewisses Maß an Selbstironie aufweisen würde. Der vermutete „Maler“ ist tatsächlich eine Malerin, Klara Sporleder, über die allerdings kaum etwas bekannt ist. 1913 wurde sie als die Malerin „Frau Sporleder“, mit Adresse Pempelforter Str. 80 in Düsseldorf und als Mitglied der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft verzeichnet, 1921 und noch 1930 wohnte sie als „Klara Sporleder“ in der Oststr. 35/37 in Düsseldorf (Dresslers Kunstjahrbuch, Rostock 1913, S. 886; Dresslers Kunsthandbuch, Berlin 1921, S. 573; Dresslers Kunsthandbuch, Berlin 1930, S. 967). Sie war auch Radiererin. Ihre Lebensdaten werden im Internet verschiedentlich als „um 1880“ oder „1880“ bis 1955 angegeben: Klarheit könnte eine Anfrage beim Stadtarchiv in Düsseldorf schaffen. Bei der Großen Kunstausstellung Düsseldorf 1920 war die Malerin als Mitglied der Künstlerinnenvereinigung Ring mit den Bildern „Kinderstudie“, „Der Spaziergang“, „Der Kontretanz“ und „Auf der Armsünderbank“ (Radierung) vertreten (Katalog, S. 86, Nrn. 1250-53). Werke der Künstlerin sind ab und zu im Kunsthandel zu finden, hervorzuheben wäre das letzte bekannte Auktionsergebnis für eines ihrer Bilder, nämlich „Der Handkuss“, auf dem die Bedrängte ebenfalls ein rotweißes Kleid trägt (Abbildung oben). Das Ölbild, auf Holz gemalt, hat die Maße 58 x 60 cm, und wurde beim Kunstauktionshaus Schloss Ahlden GmbH als Lot-Nr. 1192 am 1. Dezember 2012 für 1.000 Euro zugeschlagen, bei einem Schätzpreis von 950 Euro. Dr. Graham Dry, München

Gut geschliffen Glasvase Mir wurde vor nun mehr als 20 Jahren diese Glasvase von einer Bekannten vererbt. Nach ihrer Aussage war es ein Geschenk von ihrem Sohn aus Belgien. Meine Frage an Sie und die Fachwelt vom Sammler Journal ist: Könnte es sich um eine Art déco-Vase von dem Hersteller Val Saint-Lambert handeln? Die Vase hat einen Tiefenschliff (bis zu 10 mm) und ist nicht signiert. Gewicht: circa 9 kg, Höhe: 28,5 cm, Durchmesser: Bauch 25 cm, oben: 19 cm, unten: 16,5 cm (achteckig). N. Günther, o. O.

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Im Allgemeinen verbindet man eine Glasherstellung des mittleren 20. Jahrhunderts, die sich durch Tiefschnitt und Tiefschliff auszeichnet, mit einem Entstehungsort in der Tschechoslowakei (früher Böhmen). Ornamental geschliffenes Überfangglas, d. h. ein Korpus aus farblosem Glas mit einer aufliegenden Schicht aus farbigem Glas ist dort eine

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Auktionen in Köln 12. November 13. November 14. November

Schmuck Silber, Porzellan, Möbel, Teppiche, Miniaturen Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen des 15.–19. Jh.

Vorbesichtigungen: München 29./30. Okt.; Köln 7.– 12. Nov.

Demiparure mit geschnitzter Jade und Granulation. Kiel, Hofjuwelier Hansen 2. Drittel 20. Jh. 18/21 kt Gelbgold, Brillanten, Gesamtgewicht 42,4 g

Zwei Papageien großer Sorte. Meißen, Johann Joachim Kaendler Mai bzw. Juni 1740. H 18,7 und 19,6 cm

Seltene flämische Tapisserie mit Fabelmotiv nach Aesop Ende 17. / Anfang 18. Jh. H 323, B 468 cm

Osnabrücker Deckelterrine. Silber; innen vergoldet. Georg Hermann Pölking um 1730. H 32 cm, Gewicht 2380 g.

Neumarkt 3 50667 Köln T 0221 92 57 29 20 kunstgewerbe@lempertz.com St.-Anna-Platz 3 80538 München T 089 98 10 77 67 Berlin T 030 27 87 60 80

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MAGAZI N

Arnold Balwé, Rittersporn im Garten, um 1950; Inselgalerie Gailer auf der Kunst & Antiquitäten auf dem Nockherberg, München

Kunst für Kenner 92. Kunst & Antiquitäten München, Nockherberg 65 Aussteller sind auf der 92. Kunst & Antiquitäten München vom 24. Oktober bis 1. November auf dem Nockherberg vertreten. Die Mischung aus historischen Kuriosa, altem Kunsthandwerk und gediegenen Antiquitäten lockt alljährlich Museumsvertreter, Sammler und Liebhaber antiker Schätze auf diese urmünchnerische Veranstaltung. Von der Gotik bis zur Gegenwart ist hier alles vertreten, Außereuropäisches rundet das Sortiment ab. Zu den Besonderheiten auf der Messe zählen unter anderem eine verkleinerte Siegessäule aus Malachit vom Place Vendôme in Paris um 1840/50 (Antiquitäten Pfeiffer) und ein feuervergoldetes, graviertes Augsburger Kästchen mit Verkündigungsszene auf dem Deckel um 1600 sowie außergewöhnliche alte Krüge (Herold Neupert). Eine gotische Madonna mit Kind (um 1400) präsentiert Roderich Pachmann, der in diesem Jahr sein 40-jähriges Firmenjubiläum feiert. Peter Prechtl zeigt historische Gartendekorationen. Ein höfisches Backgammon-Spiel samt Figuren (Markus Strassner), eine Auswahl antiker Uhren, wie beispielsweise ein Barock-Zappler um 1730 (Heinz Grundner), prachtvolle Gartenfiguren und ein ausgefallener Kachelofen (Markus Kral) wecken das Entdeckerfieber. Ein „Ewiger Kalender“, aus Silber gearbeitet, wohl Augsburg 1697, ist eines der Prunkstücke, die Peter Rauch aus Herbstein-Stockhausen mit nach München bringt. Rochus V. Probst zeigt Beleuchtungskörper, Silber, Glas, Porzellan, Uhren und Juwelen. Sein Highlight dieses Jahr: „Opfernde Vestalinnen“ von Johann Heinrich Tischbein d.Ä. Glaskunst und Paperweights (Farfalla Paperweights), eine große Auswahl an Wiener Bronzen (Josip Kutnjak), französische Tabatièren und Miniaturen (Tom Tavcar), hochwertige Kunstkammer Objekte (Dr. Birbaumer & Eberhardt) und Volkskunst (Karl-Heinz Hiermeier sowie Hans-Jörg Sievert) runden das Sortiment ab. Süddeutsche Volkskunst ist also nach wie vor ein Kernbereich der Messe und auf diesem Niveau kaum andernorts zu

finden. Aquarelle und Gemälde sind ein weiterer wichtiger Bereich dieser Messe. Vertreten sind hier unter anderen Nikolaus Fink, der neben Silber auch Gemälde mit auf den Nockherberg bringt. Axel Wieland ist Spezialist für Gemälde des 17. bis 19. Jahrhunderts. Die Galerie Decker aus Baden-Baden zeigt Gemälde des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Die Inselgalerie Gailer, Frauenchiemsee, repräsentiert die Maria Sibylla Merian, BlumenSüddeutsche Malerei des vase, 1679; Kunstkabinett Streh19. und 20. Jahrhunderts. ler auf der Kunst & Antiquitäten Das Kunstkabinett Strehler auf dem Nockherberg, Münbring hochwertige Grafik- chen Sammlerstücke. Eine Konstante der Messe sind Möbel und Kunsthandwerk, wie etwa ein Neuwieder Verwandlungssekretär von 1795, ein englischer Schaukelstuhl aus Eisen um 1840, wohl von John Porter, sowie eine Florentiner Sandstein-Sphinx um 1680 (Brigitte Martini). Reich ist die Auswahl wieder an Interieur und Wohn-Antiquitäten. Die Zeit um 1800 decken Klaus Spindler und Ladrón de Guevara mit verschiedenen klassizistischen Möbeln, Objekten und Wedgwood-Arbeiten ab. Das reiche Angebot an Silber des Barock „historische Tafelzier“ findet man unter anderen bei Peter Rauch. Monika Fahrenson/Brigantine1900 hat neben Schmuck und Kunsthandwerk des Jugendstils auch Objekte von Art déco über das Bauhaus bis zu den 1960er-Jahren zu bieten. TELEFON I 0175/2468806 INTERNET I www.kunst-antiquitaeten.de

Niki de Saint Phalle, Taureau Vase, 1900; bei Brigitte Martini auf der Kunst & Antiquitäten auf dem Nockherberg, München


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K U N STM A R K T

Barbara Hepworth Skulptur für eine moderne Welt „Sculpture for a Modern World", so lautet der Titel einer Ausstellung, die sich der britischen Künstlerin Barbara Hepworth widmete. Die Retrospektive in der Londoner Tate Britain ging Ende Oktober zu Ende. Hepworth gilt in der Geschichte der Bildhauerei als weibliches Alter Ego ihres Zeitgenossen Henry Moore und erhält allmählich vom Markt die gleiche Anerkennung. Zehn Jahre dauerte es, bis ihr absoluter Rekord (im vergangenen Jahr) mit einer Million Unterschied fast an jenen von Moore herankam. Barbara Hepworth erzielte 7 Mio. Dollar inklusive Gebühren („Figure for Landscape", Exemplar 6/7, Christie's London, am 26. Mai 2014) und Moore 8,4 Mio. Dollar („Three-Piece Reclining

Barbara Hepworth: Sphere with Inside and Outside Colour, 1967 (Sotheby’s, London, 6/2015; Zuschlagspreis 44.190 Euro) (© Sotheby’s)

Barbara Hepworth: Pacific, 1969 (Bonhams, London, 5/2014; Zuschlagspreis 40.105 Euro) (© Bonhams)

Figure: Draped”, Exemplar 7/7, Sotheby's New York, 4. November 2004). Für ein einzigartiges Stück von Moore sieht die Sachlage vollkommen anders aus: „Reclining Figure: Festival" (Christie's London, am 7. Februar 2012) wurde für 30 Mio. Dollar verkauft. Neben der Tatsache, dass die Hälfte der Werke der großen Dame für weniger als 5.000 Dollar zu haben ist, lautet die gute Nachricht, dass die Bewertung für Werke von Barbara Hepworth weiterhin steigt und dieser Anstieg ihrem Talent entspricht (der Preisindex erhöhte sich seit 2000 um mehr als 400 Prozent). Nach London ist Deutschland der zweitgrößte europäische Auktionsmarkt für ihre Werke. Ein Tipp für Liebhaber der freien Form... QUELLE | artprice.com

Barbara Hepworth: Figure (Chûn), 1960 (Sotheby’s, London, 6/2015; Zuschlagspreis 131.858 Euro) (© Sotheby’s)


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AU K T I O N S N OT I Z E N – VO R B E R I C H T E

kommen bei 4.000 Euro zum Aufruf. Ein mit Vogelaugenahorn intarsierter Aufsatzsekretär mit schräger Schreibklappe von 1765 ist auf 3.500 Euro geschätzt, eine französische Konsoluhr des 19. Jahrhunderts aus dem Besitz Ludwig von Wirschingers, Finanzminister unter König Ludwig I., auf 2.800 Euro. Eine prächtige Salzburger Krippe aus dem 19. Jahrhundert besteht aus sechzig Teilen und stellt das Weihnachtsgeschehen mit Herbergssuche, der Geburt und die Anbetung der Hl. Drei Könige und der Hirten dar (2.500 Euro). TELEFON | 089/23886890 INTERNET | www.scheublein.com

Geschichtsbilder Stahl, Hamburg

Email-Tablett von Namikawa Sosuke (1847–1919) aus der späten Meiji-Zeit (Schätzpreis 12.000 Euro). Scheublein, München, 25.11.2015

Wachtel mit Kirschblüten Scheublein, München Ein Spitzenlos der Auktion am 27. November von Scheublein ist ein Emailtablett des äußerst innovativen japanischen Kunsthandwerkers Namikawa Sosuke (1847-1919) aus der späten Meiji-Zeit. Die Dekoration mit Wachtel zwischen Gräsern und Ähren auf blaugrauem Fond ist leicht und apart, die Rückseite ist dicht mit hell- und dunkelbraunen Kirschblüten besetzt. Sosuke perfektionierte Ende des 19. Jahrhunderts die komplizierte Cloisonné-Technik, indem er beim letzten Brandvorgang die feinen Stege bei seinen Emailarbeiten entfernte, so dass die Farben ineinander fließen konnten. 12.000 Euro sind dafür durchaus angemessen. Auch Kunst aus dem 19. Jahrhundert bietet Scheublein wieder eine Bühne. Schon zu Lebzeiten war Heinrich Bürkel ein international gefragter Genremaler. Vor allem italienische Landschaften, Ansichten der Alpen und bäuerliche Szenen waren die Sujets seiner Ölgemälde („Heuernte“, Taxe 18.000 Euro; „Landschaft mit Kirche“, 9.000 Euro). Der Münchner Architektur- und Miniaturmaler Johann Georg Christoph Fries nahm sich der Magdalenenklause an. Von Effner für den Nymphenburger Schlosspark als bewohnbare Ruine geplant, diente sie für Kurfürst Max Emanuel als Fluchtort aus dem höfischen Zeremoniell und wird in der europäischen Gartenkunst als erste ihrer Art bewundert. Fries wählte die Kapelle, die bis heute von Wallfahrern besucht wird, als Motiv (12.000 Euro). Der bayerische Malerfürst Franz von Defregger schilderte gern das einfache Leben, urig und unverfälscht, so wie beim Abbild eines jungen Mädchens (5.000 Euro). Auf Darstellungen von Kindern auf dem Lande hatte sich auch Felix Schlesinger spezialisiert. Die Motive des Düsseldorfer Genremalers, der sich ab 1863 in München niederließ, waren sehr gefragt und wurden vor allem in England und Amerika gesammelt. Seine „Drei Kinder mit Hasen im Stall“

Eine frühe Uferlandschaft mit Fischer von Salomon van Ruysdael gehört zu den Highlights am 27. und 28. November bei Stahl. Im Frühwerk lassen sich Parallelen zu Jan van Goyen aufzeigen. 1623 wurde Ruysdael Mitglied der Haarlemer Malergilde, 1648 deren Dekan. Dass Ruysdael schon zu Lebzeiten sehr erfolgreich sein musste, ist auf sein Amt als Vorsteher eines Haarlemer Stadtviertels zurückzuführen. Ein Amt, das mit hohen Kosten verbunden war. Seine Werke sind u. a. in der St. Petersburger Eremitage, dem Pariser Louvre, dem Amsterdamer Rijksmuseum, dem New York Metropolitan, dem Kunsthistorischen Museum Wien, der National Gallery London und in der Berliner Gemäldegalerie vertreten. Das kleine Ölbild aus den 1630er-Jahren soll mindestens 10.000 Euro kosten. Den Bethlehemitischen Kindermord stellte Rubens eindrücklich dar. In seiner Nachfolge ist ein Bild entstanden, das fast ebenso groß ist wie das Meisterwerk in der Alten Pinakothek in München. Der Mindestpreis beträgt 20.000 Euro. Kalckreuths Porträt eines Mädchens im Garten festigt seinen Ruf als bedeutenden deutschen Naturalisten (Limit 7.000 Euro). Regnerische Szenarien liebte Lesser Ury auch in seiner Grafik, wie man bei der Radierung von 1924, „Pferdedroschke im Regenwetter“, sieht (3.000 Euro). Eine Tuschefederzeichnung von Pechstein soll mindestens 5.500 Euro kosten, Bilder von Hans am Ende und A. R. Penck 9.000 Euro. Die Immendorf-Monotypie von Hans Albers gibt es ab 5.000 Euro, eine seiner Gouachen ab 3.500 Euro. Böttgerporzellane starten bei 3.300 Euro, Meißen-Gruppen bei 3.800 Euro. 1909 machten Otto Ubbelohde die Illustrationen zu Grimms Märchen bekannt. Zehn Jahre zuvor gestaltete er einen Wandbehang mit einem Eulenpaar (2.900 Euro). TELEFON | 040/343471 INTERNET | www.auktionshaus-stahl.de

Jörg Immendorf, Auf dem heißen Stuhl (3.500 Euro). Stahl, Hamburg, 27./28.11.2015


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Nobelhotel K&K, Heidelberg Das opulente Inventar eines traditionsreichen BadenBadener Nobelhotels kommt mit zahllosen Preziosen des 18. und 19. Jahrhunderts am 27. November bei K&K größtenteils unlimitiert unter den Hammer. Monumentale Gemälde von bis zu vier MePorträt der Kaiserin Maria tern, raumgreifende TapisseTheresia, 18. Jahrhundert, rien, prachtvolle KronleuchÖl/Lw, 114 x 114 cm. K&K, Heiter, Kommoden, Schränke, delberg, 27.11.2015 Spiegel sowie feine Vitrinenraritäten aus Porzellan und Silber gehörten zur Ausstattung. In exponierter Lage, direkt am Kurhaus, dem Kurpark und der berühmten Trinkhalle gelegen, ist das Luxushotel seit dem frühen 19. Jahrhundert aus dem Stadtbild BadenBadens nicht mehr wegzudenken. Nun wird es renoviert, und das antike Inventar des 17.-19. Jahrhunderts, das jahrzehntelang die Suiten und Salons des Hauses geschmückt hat, weicht nun einer modernen Ausstattung. Zu den besonders feinen Salonstücken zählen eine japanische Seidentapisserie der Kyoto-Schule, opulente Kronleuchter mit getriebenem und gegossenem Blatt- und Blütenwerk des Neorokoko und ein schöner Hallenschrank des süddeutschen Barocks. Zudem zierten das Porträt Maria Theresias, das Bildnis der zweiten Ehefrau von Rubens, das Theodoor van Thulden zugeschrieben ist, ein großformatiges Seestück von Salvador Rosa, eine Waldlandschaft von Meindert Hobbema, eine Hirtenszene von Philipp Peter Roos, ein Genrebildnis von Pál Böhm, eine Landschaft von Carl Blechen und ein Meerstück von Bonaventura Peeters die Räume. TELEFON | 06221/840840 INTERNET | www.kunst-und-kuriosa.de

1915 meldet er sich freiwillig und nimmt bis zum Kriegsende an zahlreichen Schlachten in Frankreich, Flandern und Russland teil. Im Schützengraben entstehen an die fünfhundert Vorzeichnungen und Gouachen der späteren Platten. Eines der Hauptblätter unter den grafischen Selbstporträts von Max Beckmann ist die Kaltnadelradierung „Selbstbildnis mit steifem Hut“ von 1921. Während der erste Druckzustand des bedeutenden Selbstbildnisses im Hintergrund das Atelier des Künstlers mit einer konischen Lampe und den Umrissen von Gemälden zeigt, ist dieser im dritten Zustand gelöscht und völlig neu überarbeitet worden. An Stelle der Lampe links tritt die Darstellung einer sitzenden Katze, deren Schatten an die Wand geworfen wird, die vorher flankierenden Gemälde sind rechts durch eine Öllampe ersetzt. Des Weiteren finden sich Überarbeitungen und verstärkte Konturen im Gesicht und an der Kleidung, wodurch die Kontraste intensiviert werden. Dieser Probedruck vor der ersten Auflage, die vor April 1921 bei I. B. Neumann, Berlin, erschienen ist, wurde mit 40.000 bis 60.000 Euro bewertet. Auch „Der Ausrufer“ zählt zu den bekanntesten Selbstporträts und bildet als Blatt 1 den Auftakt der berühmten Folge „Der Jahrmarkt“. Insgesamt gibt es 75 Exemplare, für eines werden 5.000 bis 8.000 Euro erwartet. „Selbst im Hotel“, eine Lithografie von 1922, zeigt Beckmann Zigarre rauchend und zeichnend im Hotel, vor sich eine Flasche und ein Weinglas. Zwei Spiegel zeigen sowohl die Rücken- als auch die Profilansicht. Von den hundert Abzügen erschienen ungefähr sechzig als Mappe. Die Serie ist wie auch die bereits 1919 entstandene Folge „Die Hölle“ als szenische Reise konzipiert. Wie fast alle grafischen Folgen Beckmanns eröffnet er auch die „Berliner Reise“ mit einem Selbstbildnis. Auf der Umschlagmappe stellt er sich als Berlin-Besucher mit Koffer vor einer Litfasssäule, auf der die Titel der zehn Lithographien angeschlagen sind, dar. Es folgt das Bildnis „Selbst im Hotel“, das bei Neumeister auf 15.000 bis 20.000 Euro geschätzt ist. Die weiteren neun Blätter zeigen Motive aus der Großstadt Berlin, wie Beckmann sie während eines zweimonatigen Aufenthaltes Anfang 1922 erlebte. TELEFON | 089/237100 INTERNET | www.neumeister.com

Sammlung Buchheim Neumeister, München Am 28. November versteigert Neumeister im Buchheim Museum Bernried expressionistische Druckgrafik aus dem Privatnachlass von Diethild und Lothar-Günther Buchheim. Zum Aufruf kommen Druckgrafiken von Max Beckmann, Otto Dix, Marc Chagall, Karl Schmidt-Rottluff sowie Arbeiten von Picasso und anderen Meistern der klassischen Moderne, von denen jeweils ein weiteres Exemplar im Museumsbestand verbleibt. Von Otto Dix wird die vollständige Folge aus fünfzig Radierungen von „Der Krieg“ erhältlich sein. Geschätzt auf 100.000 bis 150.000 Euro ist das 1924 von Karl Nierendorf herausgegebene Grafikwerk einer der bedeutendsten Radierzyklen des 20. Jahrhunderts. Der Künstler verarbeitet seine Erlebnisse an der Front im Ersten Weltkrieg. Im September

Links: Max Beckmann, Selbst im Hotel, 1922, Lithographie auf Velin (Schätzpreis 15.000-25.000 Euro); rechts: Max Beckmann, Selbstbildnis mit steifem Hut, 1921, Kaltnadelradierung auf Bütten (Schätzpreis 40.000-60.000 Euro). Neumeister, München, 28.11.2015


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Taschenuhren Hamburger Uhren um 1900

Die Abbildung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zeigt einen Hamburger Postboten in schmucker Kleidung, das Wappen auf der Brust. In der linken Hand hält er einen Brief, adressiert an einen Herrn Ehrlich. In seiner Tasche hat er sicher weitere Briefsachen, auch trägt er eine Glocke, mit der er die Leute auf sich aufmerksam machen kann. Der Bote gehört, so besagt es die Bildunterschrift, zur „Fußpost". Alles strahlt behäbige Ruhe aus, Eile ist fern. Das sollte sich bald ändern. Im späteren 19. Jahrhundert waren Handwerk und Manufakturproduktion dem Industriekapitalismus nicht mehr gewachsen. Die Vorrechte der Zünfte und kaufmännischen Korporationen fielen weg, alle konnten sich unbeschränkt nach dem Prinzip der Konkurrenz entfalten. Der Aufschwung von Industrie und Handel war unumkehrbar. Der Anteil des Deutschen Reiches an der Weltindustrieproduktion hatte 1880 nur 13 % betragen, 1890 waren es 14 %, nach dem Konjunkturtief von Ende 1890 bis 1893 waren im Jahr 1900 dann 18 % erreicht. Deutschland hatte zu England aufgeschlossen und Frankreich überholt. Nur die USA konnten ein höheres Wachstumstempo aufweisen. Dazu kam, wie man heute sagen würde: ein Standortvorteil, die Modernität der deutschen Industrie. (nach Engelberg). Da konnte Hamburg nicht zurückbleiben. Die Abbildung zeigt die dynamische Entwicklung der Stadt: Man sieht Schiffe, die dichte Bebauung mit hohen Häusern und imponierende Brücken. Schifffahrt, Geschäfte und moderne Technik prägen die Hansestadt.

Die Privilegierten genossen Luxus und unbegrenzte zeitliche Freiheit. Friede Birkner veröffentlichte 1927 ihren Roman „Das Glück der Gladys Petersen". Der Roman spielt in der

Hansestadt, die Titelheldin lebt in besten Verhältnissen: „Da stand eine reizende Villa neben der andern. Und auf der Alster selbst wimmelte es von großen und kleinen Paddelbooten, Segelbooten und zwischendurch Wasseromnibussen, die nach der Innenalster fuhren. Endlich blieb Gladys’ Blick an einer blendend weißen Villa in der Nähe des Uhlenhorster Fährhauses hängen." Hier ist ihr Zuhause. Dass man in diesen Kreisen keinem Zeitdiktat zu folgen hatte, versteht sich von selbst. Ein Geschäftsmann wie Gladys’ Gatte ist zwar vielbeschäftigt, aber auch er weiß sich seine Freiräume zu schaffen. Die normalen Angestellten und Arbeiter waren dagegen in ein enges zeitliches Korsett eingespannt. Ihr Leben wurde von der Uhr bestimmt. Paul Lafargue schrieb 1887 in seinem Essay La Religion du Capital: „Die Zeit des Arbeiters ist Geld, jede Minute, die er verloren gehen lässt, ist ein Diebstahl, den er begeht." Wer konnte da ohne Uhr leben?

Die um 1900 in Deutschland und damit auch in Hamburg verbreitete, bezahlbare und zugleich präzise Taschenuhr stammte aus der Schweiz, war aus Silber und hatte eine Kompensationsunruh, um die Uhr auch bei unterschiedlichen Temperaturen möglichst gleichmäßig gehen zu lassen. Ferner besaß sie eine Breguetspirale, mit der die Unruh gleichmäßig schwingen konnte. Selbstverständlich war die Ankerhemmung, bei der ein an einen Anker erinnerndes Bauteil entscheidend ist: Es unterbricht den Ablauf des Räderwerks in regelmäßigen Abständen – exakte Zeitmessung wird möglich. Auch moderne mechanische Armbanduhren arbeiten übrigens immer noch nach diesem Prinzip. Der Durchmesser von Herrentaschenuhren beträgt in der Regel ungefähr 50 Millimeter.


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– Signatur „Jens Jacobsen, Hamburg”, auf dem Zifferblatt. Silber. Auf dem Staubdeckel „Seeland Watch". – Die „Fabrique d’horlogerie Seeland” wurde 1873 in Madretsch (Biel) gegründet. 1902 änderte man den Firmennamen in „Judith & Co”. 1913 taucht dann wieder der Name „Seeland Watch Co S.A.” auf. Die abgebildete Taschenuhr wurde vor 1902 oder kurz nach 1913 hergestellt und nach Hamburg geliefert – Signatur auf dem Blatt und dem Staubdeckel „F. Corleis, Altona”. Silber. Auf dem Werk die Punze Union Glocke. – Die Firma „Dürrstein & Comp.”, Dresden, ließ von 1890 an Uhren fertigen, die im Preis günstiger waren als die traditionellen Glashütter Uhren. Sie wurden auf dem Werk und oft auch in den Gehäusen gekennzeichnet, und zwar durch eine Glocke mit fünf Sternen. Diese Uhren stammen aus der Schweiz. Corleis ließ die abgebildete Uhr auf dem Zifferblatt mit seinem Namen signieren, was darauf schließen lässt, dass er mehr als nur eine Uhr bestellte – für ein Einzelstück wäre eine gesonderte Ausführung des Zifferblatts zu aufwändig gewesen

– Signatur „Theodor Schumacher, Hamburg, Röhrendamm 66” auf dem Zifferblatt und im Uhrenkasten. Silber, vergoldet. Auf dem Werk die Omega-Signatur. – Zur Marke „Omega” muss man nicht viel sagen, denn die Firma stellt bis heute feine Uhren her, die in guten Uhrengeschäften angeboten werden. Die Geschichte der Firma reicht bis 1848 zurück, als Louis Brandt in La Chaux-de-Fonds, Kreis Neuenburg, einen Uhrenbetrieb eröffnete. 1894 taucht erstmals der Name „Omega” auf – Signatur „Diedr. Rosenbrock, Hamburg” auf dem Staubdeckel. Adresse: Hamburg, Schopenstehl 16. Silber. Schweizer Werk – Goldene Taschenuhr, 14 Karat, Staubdeckel aus Metall. Aus dem Nachlass des Hamburger Architekten G. Rechtern. Breguetspirale aus antimagnetischem Palladium. – Auf dem Werk die Punze: NRF / F im Dreieck = Nathan Ruben Fränkel, Frankfurt, registriert am 26. 8.1892

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UHREN

– Goldene Damentaschenuhr, goldener Staubdeckel; auf dem Staubdeckel die Signatur „W. Bröcking, Hambourg [!]”. Sehr feines Schweizer Ankerwerk, Kompensationsunruh, Flachspirale, Wolfverzahnung von Kron- und Sperrrad. – Wilhelm Bröcking (1834-1897) arbeitete seit 1883 eng mit der Seewarte in Hamburg zusammen. Vor allem war er am Chronometerprüfungsinstitut tätig. Die abgebildete Uhr ist deutlich vor 1875 in der Schweiz hergestellt worden – Goldene Damentaschenuhr, Staubdeckel Metall. Auf dem Staubdeckel die Signatur „W. Bröcking, Präcisions-Uhrmacher der Deutschen Seewarte, Hamburg”. – Einfaches Werk mit einer Zylinderhemmung, die preiswerter als die Ankerhemmung war. Nachteile sind geringere Präzision und höherer Verschleiß. Diese Uhr entstand nach 1883, denn hier betont W. Bröcking stolz sein Wirken an der Seewarte

Auch die Damen wollten und sollten nicht zurückstehen. Sie mussten ebenfalls nach der Uhrzeit leben, sich an einer Uhr orientieren – es sei denn, sie gehörten zu den Kreisen, in denen sich eine Gladys Petersen bewegte. Damenuhren sind im Format weitaus kleiner als Herrenuhren, sie haben einen zierlichen Durchmesser von etwa 35 Millimetern. Der Wert einer präzisen silbernen Taschenuhr mit „normaler” Technik beträgt heute im Antikhandel, je nach Ausführung und Erhaltungszustand, um die 300 bis 400 Euro. Goldene Uhren sind etwa ab 600 Euro zu erwerben. In jedem Fall ist eine Signatur wertsteigernd, die einen Ort nennt, die also die Uhr in einen geografischen und historischen Zusammenhang stellt. Das gilt für eine Uhr aus Hamburg in besonderem Maß, steht sie doch für das Leben in einer bedeutenden, pulsierenden Metropole. Die Erfindung, die das gedruckte Wort den Menschen zugänglich machte, veränderte die Welt. Was die historische Bedeutung angeht, kommt gleich danach die Entwicklung

der tragbaren mechanischen Uhr, die jedermann an jedem Ort zeitliche Orientierung ermöglichte. Die hier vorgestellten Uhren aus den Jahren um 1900 stehen für die Zeitdisziplin, der sich schon damals der moderne Mensch unterzuordnen hatte. Es begann ein unumkehrbarer Prozess. Die allgegenwärtige Hast, der wir heute ausgesetzt sind, nahm damals ihren Anfang. So werden die Uhren unterschiedlichster Qualität zu Zeugnissen eines radikalen historischen Umschwungs. Die Welt, in der wir leben, wäre ohne diesen Umschwung so, wie wir sie kennen, nicht entstanden. Benutzte Literatur: E. Engelberg: Bismarck, Bd. 1-2, Berlin 1998. – P. Lafargue: Das Recht auf Faulheit. Die Religion des Kapitals, aus dem Französischen von Eduard Bernstein, Köln 2015. – F. v. Osterhausen: Callwey’s Uhrenlexikon, München 1999. Dr. Christoph Prignitz FOTOS | Norbert Gerdes / Archiv Prignitz

– Silberne Taschenuhr mit Zylinderhemmung und Rückendeckel im Jugendstil. Signatur „Georg Voss, Hamburg, Röhrendamm”. Signatur im Gehäuse:„Rhein”; gemeint ist die Phenix Watch Co. S.A. / Dubail, Monnain, Frossard Co. aus der Schweiz


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Stilmix Möbel Kopplin, Monika (Hg.): Gérard Dagly und die Berliner Hofwerkstatt, 255 Seiten, Abbildungen überwiegend in Farbe, Hirmer Verlag, München, 2015, Preis: € 39,90. „Ich [...] wünschte, daß Europa ein wenig mehr von der Gelegenheit profitieren könnte, die Ihre Patres haben, in China Entdeckungen zu machen. Denn ich befürchte, daß die Chinesen, sobald sie sich unsere Wissenschaften angeeignet haben, eines Tages die Europäer vertreiben werden. Man darf meines Erachtens deshalb nicht die Gelegenheit verschenken, sich durch den Austausch ihrer und unserer Kenntnisse schadlos zu halten.“ Die Entwicklungen im 21. Jahrhundert konnte Gottfried Wilhelm Leibniz doch wohl nicht vorhersehen, als er 1705 diese Befürchtung in einem Brief an den Jesuiten Antoine Verjus formulierte, oder etwa

streulacke so perfekt anzueignen, dass sie von den Originalen nicht zu unterscheiden waren, sondern er kreierte darüber hinaus seinen eigenen, unverwechselbaren Stil. Diesen genauestens zu analysieren und zu dokumentieren, haben die an dieser Publikation beteiligten wissenschaftlichen Autoren bewerkstelligt. ISBN 978-3-7774-2399-9

Gestochen scharf Schnitzkunst

doch? Wie dem auch sei, er selbst bemühte sich jedenfalls intensiv darum den chinesischen Wissensvorsprung auf diversen Gebieten einzuholen. Er war aber nicht der Einzige. Nachdem nämlich im 17. Jahrhundert ein regelrechter Boom für ostasiatische Luxuswaren ausgebrochen war, versuchte man in Europa nicht nur das Geheimnis der Porzellanherstellung zu lüften. Chinesische Lackarbeiten beispielsweise waren genauso begehrt und so blieb es nicht aus, dass sich heimische Kunsthandwerker daran machten, auch diese Technik zu enträtseln. Einer, dessen Meisterschaft darin schon zu Lebzeiten als schier unübertroffen galt, war der gebürtige Belgier Gérard Dagly (1660-1715). 1687 war er vom Großen Kurfürsten als Hofkünstler nach Berlin berufen worden und in den folgenden 25 Jahren gelang es ihm nicht nur, perfekte, farbige Lackarbeiten im chinesischen Koromandelstil herzustellen oder sich die Kunst der japanischen Gold-

Fischer, Christa: Stolze Reiter, schöne Damen – Die Bilderwelt der Gebäckmodel, 256 Seiten, zahlreiche Abbildungen in Farbe, Süddeutsche Verlagsgesellschaft im Jan Thorbekke Verlag, Ulm, 2013, Preis: 28,-. Sammeln als eine Leidenschaft, die Leiden schafft, zu bezeichnen, liegt Christa Fischer ganz fern. Im Gegenteil: Sie selbst zählt sich ganz eindeutig zur Riege derjenigen Sammler, die diese Beschäftigung als echte Bereicherung erlebt. Das Glück, das sie dabei empfindet, beschränkt sich dabei auch längst nicht nur auf den Moment, wenn sie ein neues Stück entdeckt und erwerben kann, sondern es setzt sich fort, wenn sie dann diese jüngste Eroberung allmählich ganz zu ihrem Eigen macht, indem sie dessen Geschichte erforscht. An historischen Gebäckmodeln erfreut sie sich nun bereits seit 45 Jahren und so hat sie im Laufe der Jahrzehnte nicht nur eine stattliche und qualitativ hochwertige Sammlung zusammengetragen, sondern sich in dieser Zeit außerdem ein beachtliches Fachwissen erworben. An beidem lässt sie den Leser mithilfe dieser Publikation nun teilhaben. Ihre ältesten Stücke stammen aus dem 17. Jahrhundert, als die Modeln fast nur noch aus Holz gearbeitet worden sind. Hartholz, Birnbaum-, Kirsch-, Apfeloder Nussbaumholz hatte sich gegenüber den anderen ursprünglich verwendetet Materialien wie Ton oder Stein – die ältesten Modeln lassen sich immerhin bis in die Zeit um 2500 v. Chr. zurückdatieren – langsam durchgesetzt. Hergestellt wurden diese Gebäckformen von den unterschiedlichsten (Kunst)Handwerkern, von Goldschmieden, Graveuren, Stein- und Stempelschneidern, Formstechern, und manchmal haben auch die Lebküchner selbst zum Stichel gegriffen. Die künstleri-


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sche Qualität der Model variiert folglich entsprechend der Ausbildung und dem jeweiligen Talent des Stechers. Mindestens so überraschend wie die oft doch überaus hochwertige, filigrane Ausarbeitung der Motive, ist deren Vielfalt. Sie beschränken sich längst nicht nur auf rein Dekoratives. Dieser Trend setzte erst in der Zeit des Biedermeier ein und damit wurde allmählich das Ende der echten historischen Modeltradition eingeläutet. Geformtes Gebäck aus diesen alten Modeln, das belegen die hier abgebildeten, überaus variantenreichen Stücke, ist weit mehr als nostalgischer Christbaumschmuck. Solch geformte Springerle oder Lebkuchen erzählen ganze Geschichten vom Leben und Alltag unserer Altvorderen. ISBN 978-3-7995-0386-0

Es werde Licht Paul Klee Zentrum Paul Klee Bern (Hg.): Die Hinterglasbilder von Paul Klee, 199 Seiten, Abbildungen in Farbe und Schwarzweiß, Wienand Verlag, Köln, 2015, Preis: € 38,-. Um dem, wie er es selbst formulierte „malerisch-akademischem Fiasko“ zu entkommen, begann Paul Klee um 1905 damit, Bilder auf Glas zu malen. Berücksichtigt man nun die Tatsache, dass sich auch seine Weggefährten Gabriele Münter, Wassily Kandinsky oder Heinrich Campendonk in etwa zur gleichen Zeit mit Hinterglasmalerei auseinandersetzten, ist dieser Schritt Klees auf den ersten Blick nicht als einzigartige Leistung einzustufen. Stellt man des Weiteren in Rechnung, dass auch die anderen Künstler den so spezifisch unakademischen, volkstümlichen Charakter dieser Bildtra-

dition schätzten, so möchte man meinen, dass dieser Hinwendung zur Glasmalerei bei allen eine ähnliche Motivation zugrunde liegt. Tatsächlich waren die Beweggründe jedoch sehr verschieden. Mit naiver Volkskunst haben Klees Hinterglasbilder rein gar nichts zu tun. Klee, der brilliante Zeichner, begab sich zu einer Zeit, als er an seinen Fähigkeiten als Maler ganz erhebliche Selbstzweifel hegte, auf das Experimentierfeld der Glasmalerei. Der ungewöhnliche Bildträger Glas sollte ihm schließlich dann neue Darstellungsmöglichkeiten eröffnen, die er später in den Bildern auf der klassischen Leinwand oder auf Papier umsetzen konnte. Wie eine Offenbarung erschien ihm diese neue, von ihm entwickelte „raffinierte Hinterglastechnik“, bei der er das Motiv auf einer häufig mit schwarzer Tusche bepinselten Glasplatte mithilfe einer Ritznadel herausarbeitete und er sozusagen „helle Energie auf nächtlichem Grund“ schuf. In der Zeit von 1905 bis 1919 entstanden 64 dieser zerbrechlichen und konservatorisch äußerst delikaten Werke, denen nicht nur im Oeuvre Klees eine ganz besondere Rolle zukommt. In der vorliegenden Publikation, die der Bedeutung dieser bemerkenswerten Werkgruppe auch in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts Rechnung trägt, sind alle erfasst und großformatig abgebildet. ISBN 978-3--77995-0386-0

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