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• € 4,50

Schweiz CHF 8,50 | Österreich € 5,00

Möbel 70er-Jahre


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INHALT 3

TRÖDLER

ISSN 1863-0340

VERLAG

GEMI Verlags GmbH Pfaffenhofener Straße 3 85293 Reichertshausen Tel. 08441 / 4022-0 Fax 08441 / 71846 Internet: http://www.gemiverlag.de eMail: info@gemiverlag.de

GESCHÄFTSFÜHRER

Gerd Reddersen Rudolf Neumeier

CHEFREDAKTEUR

Karl Ruisinger eMail: karl.ruisinger@gemiverlag.de

REDAKTION

Nicola Fritzsch, Joscha Eberhardt Karin Probst, Helene Stümpfle-Wolf

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LESERFORUM ■ Expertenauskünfte

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ONLINETIPP ■ Websites für Sammler

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MAGAZIN ■ Ausstellungen – Messen – Märkte

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REKLAME ■ Sekt & Champagner

REDAKTION MARKT & HANDEL Heidrun Th. Grigoleit STÄNDIGE MITARBEIT

Dr. Graham Dry, Dr. Dieter Weidmann

BLICKPUNKT

AUTOREN DIESER AUSGABE

Reinhard Bogena, Kathrin Bonacker, Heidrun Grigoleit, Peter Leuter

■ Keramik / Design

REDAKTIONSASSISTENZ

Heike Genz

TERMINE

Anette Wagner, Tel. 08441/4022-35 Hans Neumeier, Tel. 08441/4022-34 eMail: termine@gemiverlag.de

LITHOS, SATZ, HERSTELLUNG

Westner Medien GmbH (Anschrift siehe Verlag)

ANZEIGEN

Markus Westner, Tel. 08441/4022-13 Hans Neumeier, Tel. 08441/4022-34

KLEINANZEIGEN

Heike Genz, Tel. 08441/4022-18 Marlene Westner, Tel. 08441/4022-12

VERTRIEB

Gerd Reddersen

ZEITSCHRIFTENHANDEL

VU Verlagsunion KG

STIL

MARKTVERTRIEB

Jörg Kirschbaum Mobil 0172/4436638

■ 70er-Jahre

ABOVERWALTUNG

Gemi Verlags GmbH Postfach 85291 Reichertshausen Tel: 08441/4022-0 Fax: 08441/71846 eMail: info@gemiverlag.de

DRUCK

westermann druck Gmbh

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AUKTIONEN ■ Berichte – Preise – Termine

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SCHALLPLATTEN ■ Schwarzes Gold für Sammler

BILDERBÜCHER

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■ Schweickhardt

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GRAFIK ■ Trowitzsch & Sohn

FUNDSTÜCKE

90

■ Flohmarktpreise

TERMINE UND ANZEIGEN ■ ANTIKMARKTTERMINE ERSCHEINUNGSWEISE

monatlich

■ SAMMLERBÖRSENTERMINE

TITELFOTOS

www.kabinettstueckchen.de Auktionshaus Scheublein

■ AUSLANDSTERMINE

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fallen die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-ROM. Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/11 (Preise gültig seit 01.08.2006)

■ REGELMÄSSIGE TERMINE ■ FLOH- UND TRÖDELMARKTTERMINE ■ KLEINANZEIGEN IN DER SAMMLERBÖRSE ■ MARKT & HANDEL

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■ Als Spielzeuge, Postkarten, Plakate, Figuren, Miniaturen usw. finden sich Objekte mit Bezug zum Zirkus in unterschiedlichsten Sammlungen. Seltener sind Schwerpunktkollektionen, die rundum und in aller Vielfalt Sammelbares aus der Welt der Manege enthalten, denn Wagen, Raubtierkäfige und voluminöse Requisiten sind schon wegen ihrer Ausmaße schlecht für die Präsentation in der Wohnung geeignet. Deshalb sind größere Objekte, aber natürlich auch andere historisch interessante Stücke, vorwiegend in Museen zu finden.

ZIRKUS ■ Circusarchiv

Ein winziger Teil dieser Schätze ist auf der Homepage von Rocallis Circusmuseum in mehreren Bildergalerien mit Masken, Spielzeug, Requisiten, Plakaten usw. zu sehen, jedoch ohne Erläuterungen. www.roncalli.de/roncallis-circusmuseum

Das seit 50 Jahren bestehende Archiv mit Sitz in Berlin bietet umfangreiche Bestände an Büchern, Programmheften, Zeitschriften, Plakaten usw. Die Homepage enthält dazu Informationen und Bildmaterial, aber nach Absprache kann das Archiv auch kostenlos vor Ort genutzt werden. Online ist eine Recherche in der LiteraturDatenbank möglich, die zu den einzelnen Titeln auch Inhaltsangaben enthält. www.circusarchiv.de

■ Österreichische Zirkusgeschichte Die Präsentation dieser großen Privatsammlung bietet neben ausführlichen Informationen zur österreichischen Zirkusgeschichte einschließlich der Vorstellung bedeutender Zirkusunternehmen auch umfangreiches Bildmaterial mit Objekten aus aller Welt, darunter Programmhefte, Eintrittskarten, Kostüme, Plakate u.a.m.

einen guten Überblick über die vorhandenen Exponate. www.circus-clownmuseum.at

■ Clown-Museum Leipzig Auf der Homepage wird über Öffnungszeiten, Eintrittspreise usw. informiert und es wird mit etwas Bildmaterial ein Überblick zu den vorhandenen Exponaten geboten. Dazu kommen im Blog noch bebilderte Informationen über einige berühmte Clowns, darunter Oleg Popov und Charlie Rivel.

www.circusarchiv.com

■ Circus- & Clownmuseum Das Museum in Wien ist bei freiem Entritt an mehreren Tagen im Monat für Besucher geöffnet; entsprechende Hinweise hält die Homepage bereit. Dazu werden noch Informationen zur Geschichte des Museums geboten und eine Bildergalerie vermittelt

■ Magdeburger Circusmuseum Zur Zeit der Recherche war das Museum geschlossen, doch sind nach Absprache trotzdem Besichtigungen möglich. Die Bildergalerie lässt erahnen, wie lohnend ein Besuch für Zirkusfans sein kann. www.circusmuseum-magdeburg.de

www.clown-museum.de

■ Staatszirkus der DDR Aus mehreren privaten Zirkusunternehmen entstand in der DDR das Unternehmen „VEB Zentral-Zirkus/Staatszirkus der DDR". Sehr ausführlich und mit einer Fülle an Details wird hier die Geschichte des Zirkuswesens der DDR bis zur Abwickung durch die Treuhand dokumentiert und in den Archiven dieser Präsentation befindet sich reichhaltiges Bildmaterial mit historischen Dokumenten; Fotos von Requisiten, Fahrzeugen, Plakaten, Vorstellungen u.v.a.m. Über die Suchfunktion lässt sich gezielt nach Objekten, Personen usw. fahnden; allein das Stichwort Clown führt zu über 1000 Ergebnissen. staatszirkus-der-ddr.de

■ Roncallis Circusmuseum Bernhard Paul gilt als Besitzer der größten Zirkus- und Varieté-Sammlung Europas. 01 / 16


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SEKT & CHAMPAGNER KATHRIN BONACKER

Die Worte „Ich erhebe mein Glas..." werden zumeist von einer freundlichen Geste mit erhobenem Schaumweinkelch begleitet: Es ist in Mitteleuropa schon lange Sitte, auf freudige Anlässe damit anzustoßen. Daher beinhalten die Werbebilder für Champagner und Sekt in der Regel Szenen, die Feierlichkeiten darstellen – geschäftlich, öffentlich oder ganz privat. Die Reklame zeigt die Hervorhebung des Moments durch die perlenden Tropfen und Personen außerhalb des Alltäglichen bei einem Fest oder in luxuriöser Umgebung. Sektwerbung bietet also besonders hübsche Objekte und es finden sich als Relikte der Traditionsfirmen auch schon sehr alte Sammlerstücke.

Cava: spanischer Sekt (Freixenet 1989). – Scarlett Johansson (Moët & Chandon 2011)

Das Getränk Der verwöhnte Gaumen kennt die Details sicher gut, hier trotzdem noch kurz ein paar Fakten zum Werbeobjekt: Sowohl Sekt als auch Champagner sind Schaumweine. Vom Wein unterscheiden sie sich durch ihre prickelnde Konsistenz, die perlende Kohlensäure, die Druck in der Flasche und dadurch nach dem Öffnen ein 01 / 16

Schäumen erzeugt. Sekt, also der deutsche Qualitätsschaumwein, muss mindestens 10 % Alkohol enthalten (seit 1988 gibt es allerdings auch alkoholfreie Produkte, die sich Sekt nennen dürfen. Die Firma Faber warb 1990 für jenen neuen „Trend" mit einer Anzeige für „light line"Sekt, die deutlich an Diät-Margarine-Reklame erinnerte: „Genuß, den ich mir gerne gönne. Weniger Alkohol, weniger Kalorien, aber voller Geschmack", hieß es da). Traditioneller Sekt findet sich in Frankreich als „Crémant", in Spanien als „Cava", in Russland und der Ukraine als „Igristoje" oder in Italien als „Spumante" im Regal. Der heute beliebte „Prosecco" ist eine erst

Servierkunst der Piccolos (Kessler 1897). – Moët & Chandon für die gehobene Gesellschaft (1904). – Deutscher Schaumwein zum Karneval (Wagner 1911) seit 2009 geschützte Marke italienischen Schaumweins aus der Region Venetien bzw. Friaul-Julisch Venetien. „Champagner" wiederum heißen nur Schaumweine, die in der französischen Champagne nach einem bestimmten Gärverfahren (mit einer zweiten Flaschengärung) hergestellt werden. So ist der Champagner eigentlich zwar auch ein Sekt, gilt aber wegen der strengen markenrechtlichen Limitierung


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REKLAME 15 Nackter Rücken, kühl berührt (Rotkäppchen 2014). – Rotkäppchen in Schwarz-Weiß (1900). – „Eine der schönsten Launen..."-Serie (Kupferberg 1981). – Der Herr der Berge (Deinhard 1982) Schwips auch einen erotisierenden Effekt haben könnte. Carstens warb 1968 für „SC" als den „Aber ein Kuss gehört auch dazu"-Sekt, „Rüttgers Club" empfahl sich 1971 direkt zum „Mädchen angeln" … Der als Erfinder des Champagners geltende Dom Pérignon, ein französischer Benediktinermönch, der angeblich nicht einmal Alkohol trank, hat diese prickelnde Folgeerscheinung vermutlich weniger beabsichtigt, als er Ende des 17. Jahrhunderts mit neuen Flaschenverschlüssen experimentierte. Die Schaumweinherstellung war zwar bis dahin bereits durchaus üblich, aber es war schwierig, Verschlüsse zu finden, die dem zunehmenden Druck des gärenden Weines standhielten. als kostbarer und ist daher in der Regel nur den höchsten Festlichkeiten vorbehalten und entsprechend teurer. Zu dieser Preisdifferenz trug übrigens auch die Sektsteuer bei, die ab 1909 als „Staffelsteuer" je nach Abgabepreis erhoben wurde. Die Folgen schildert der Markt-Kenner Helmut Arntz so: „Die Kellereien gehen daher zur Herstellung von Sekt niedriger Preisklassen über und überlassen das Geschäft in den gehobenen Marken dem Champagner – mit Folgen, die für Jahrzehnte nachwirken."

Der Moment des Trinkens Angestoßen wird mit Sekt oder Champagner auf die neue Arbeitsstelle oder Geschäftsabschlüsse, zu Weihnachten, natürlich aufs neue Jahr, die Hochzeit oder einen Geburtstag. Eine gesellige Runde bekommt gefüllte Gläser serviert, an eines wird zart geklopft bis Stille eintritt, ein Trinkspruch benennt das Objekt des Feierns und alle erheben ihren Sektkelch auf dessen Wohl und trinken erst dann den ersten Schluck. Die Schiffstaufe gar wurde schon früh mit zerschellenden Flaschen zelebriert und inzwischen gibt es Riesenflaschen, die geschüttelt zur Siegerehrung von Rennfahrern oder anderen Sportlern und Sportlerinnen ihren Inhalt verschwenderisch über diese verspritzen müssen (der Unfug heißt „Champagnerdusche" und steht inzwischen sogar im Duden). Beinahe harmlos dagegen wirkt es, wenn ein Sekt zum Ball serviert wird, um das Tanzvergnügen noch zu steigern, oder wenn ein romantischer Moment in der Paarbeziehung damit eine Aufwertung erfährt, indem einer das Glas auf das Gegenüber erhebt. Manchmal aber (und vor allem in den Jahren um 1970) wurde in der Reklame direkt darauf angespielt, dass der verursachte

Marken- & Werbegeschichten Die Herstellung von Champagner begann im großen Stil also erst im 18. und frühen 19. Jahrhundert, als Familie Moët (später ergänzt durch den Schwiegersohn PierreGabriel Chandon de Briailles) auf Dom Perignons Spuren wandelnd in Épernay in der Champagne das in napoleonischen Zeiten enteignete Kloster Hautvillers übernahm und dort ihre Kellerei ansiedelte. Das Kloster ist inzwischen Museum, aber Moët & Chandon gehört bis heute zusammen mit der ursprünglichen Konkurrenz Veuve Clicquot und anderen Produzenten zum weltweit größten Champagnerkonzern LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy). Champagner und Sekt wird als Luxusgut für „Connaisseure" (Fürst Metternich) oder für „Genusskünstler" (Krimsekt) angepriesen, und der entschieden höhere Preis macht dieses Segment auf eine eigene Art attraktiv. Wenn Champagnerflaschen als Stillleben fotografiert werden, sind sie da-

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REKLAME 16 bleibsel auf den westlichen Markt kamen. Seit 1857 wird in Sachsen-Anhalt bei Kloss & Foerster in der „Freyburger Champagner-Fabrik-Gesellschaft" Sekt hergestellt, der zunächst möglichst französisch klingende Namen wie „Crémant Rosé" oder „Sillery Grand Mousseux" bekam, weil es so „en vogue” war. Erst 1894 wurde er „Rotkäppchen-Sekt" benannt. Wenn heute ein Fernsehspot „Rotkäppchen"-Sekt präsentiert, ist es eine attraktive junge Frau in romantischer Situation, die ihn hinter sich versteckt hält. Der Kontrast vom nacktem Rückenausschnitt des knallroten Kleides und beschlagener Sektflasche provoziert eine Heiß-und-Kalt-Assoziation, die von der passenden Zeitschriftenanzeige zitiert wird. Diese Kombination von nacktem Rücken und kühlem Sekt gab es bereits 1980 in einer MM-Werbung. Der anzügliche Text fragte damals: „Sollte sie sich er-

Gelage im Biwak (Rotkäppchen 1910). – Sektausschank im Feld der Preußen (MM 1910). – Weihnachtspaket an der Front (MM 1916)

her oft mit Hummer, Kaviar oder anderen 5-Sterne-Gaumenfreuden zu sehen. Der Name einiger Firmen hat einen Klang wie Designermode und es gibt da regelmäßige Kooperationen. So hat beispielsweise Piper-Heidsieck jüngst mit Christian Louboutin zusammengearbeitet, also einen schwarz-roten Champagnerschuh aus Acrylglas in limitierter Auflage fertigen lassen, aus dem 0,1 l Schaumwein getrunken werden kann. Jean-Paul Gaultier wiederum entwarf eine sexy Corsagenverpackung für die Flaschen. Auf Plakaten und vor allem in den Zeitschrifteninseraten sorgten die Hersteller schon zu Beginn des Reklamezeitalters für 01 / 16

das Einprägen ihrer Namen. Die Weinhändler taten kund, dass sie die einschlägigen Sektsorten vorrätig hielten oder beschaffen konnten. Wer dazu in der Lage war, holte sich gute Grafiker. So entwarf der damals bereits bekannte tschechische Künstler Alfons Mucha 1899 Plakate für Moët & Chandon oder auch 1901 für Heidsieck. Heute dagegen bedient sich die Werbeabteilung von Moët & Chandon prominenter Gesichter und verpflichtete 2010 die schöne Schauspielerin Scarlett Johansson als Model. Angelehnt an Marilyn Monroe-Bilder vermittelt sie naive, sehr weibliche Lebensfreude. Auf etwas weniger hochpreisigem Niveau haben auch die deutschen Sekthersteller bereits mit bekannten Gesichtern gearbeitet: Der Bergsteiger Reinhold Messner prostete beispielsweise augenzwinkernd 1982 mit Deinhard Lila in die Kamera, und Kupferberg verpflichtete Uschi Glas, Rosi Mittermaier mit Christian Neureuther sowie Senta Berger als Werbeträgerinnen, die um 1980/1981 „eine der schönsten Launen der Welt" verkörpern sollten. Ein namenloses Mädchen dagegen ist Rotkäppchen mit dem Sekt im Korb, das bereits 1900 neben dem Wolf durch den Wald spazierte – der Name färbt die Schwarzweißgrafik in den Augen der Betrachtenden; wir denken uns das Mützchen rot. In einem 1912 von Hans Rudi Erdt entworfenen Plakat dagegen trug eine einkaufende Dame eine rote Kappe mit großer Straußenfeder, um sie dem Rotkäppchen der Flaschen anzugleichen. Dieser Sekt war eines der Dinge, die (wie zum Beispiel auch Spreewaldgurken oder Bautzener Senf) ab 1989 als beliebte DDR-ÜberSchöner Rücken mit stibitzter Fliege (Taittinger 2002). – Mobilmachung (MM 1970)


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wärmen? Oder wird sie mir auch weiterhin nur ihre schöne kalte Schulter zeigen?" Auch der seit 1931 in Reims produzierende Champagnerhersteller Taittinger nutzte 2002 eine blonde Schönheit, die offenbar angeregt durch den Champagner bereits einen nicht sichtbaren Herrn seiner Fliege entledigt hat, für ein Reklamebild mit kessem Rückenausschnitt.

Befremdende Kulissen Da es sich bei Sekt und Champagner um Luxusgüter handelt, deren Nutzen nicht langer Erklärungen bedarf, hatte die Werbung von Anbeginn hier alle Freiheit, Szenerien zu schaffen, in denen es passend sein könnte, das Getränk zu sich zu nehmen, oder in denen der Wunsch nach ei-

ner luxuriösen Aufmunterung besteht. So wurde Rotkäppchen-Sekt 1910 „im Biwak" gezeigt, mit dem feiernde Militärs auf dem Boden lagernd anstoßen. Diese Verknüpfung von Sekt und Soldaten war häufig zu finden. Im Ersten Weltkrieg schrieb die Firma Matheus Müller, gegründet 1838 in Eltville am Rhein, sogar einen Reklame-Wettbewerb aus und kürte eine Zeichnung als Siegerbild, die das Auspacken einer Kiste mit MM-Sekt an der Front zeigt. Ein Soldat singt dazu mit Gitarrenbegleitung, ein dritter entkorkt bereits die erste Flasche, aus dem Hintergrund kommt ein weiterer: Das Fest kann beginnen. Dieselbe Firma scheute sich nicht, 1970 eine aufreizend uniformierte Frau mit „Hurra! Heute abend ist Mobilmachung" zu untertiteln und so die damals kritisch diskutierten ersten Großmanöver in Westdeutschland auf die Schippe zu nehmen. Das Bild war Teil einer Serie, für die MM bekannte Fotogra-

Adelige Traditionen (Veuve Clicquot 1969). – Adeliges Ambiente (Fürst von Bismarck 1986). – Schlagzeug-Kampagne (Deinhard 1990) fen verpflichten konnte: Helmut Newton (1920-2004), der damals bereits für die Vogue arbeitete, lichtete die Gestiefelte ab, der französische Modefotograf Jean Loup Sieff (1933-2000) eine Nackte auf einem Plüschbett. Regimekritisch präsentierten sich die Sektkellereien bis dato eher selten: 1898 inserierte die Firma Henkell, dass ihr Sekt zum 70. Geburtstag des Königs von Sachsen serviert worden sei, und 1905 fungierChampagner-Stammhaus von Charles Gerard (1906). – Foto einer Nackten als Eyecatcher (MM 1970). – Ein Engel mit gutem Rat in Kriegszeiten (Deinhard 1943)

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REKLAME 18 Spalte rechts: Sekt für den „Maienrausch" (Kupferberg 1906). – Reklame der 20er: Sparsam und pfiffig (Schönberger 1922). – Traditionspflege in der Familie (Henkell 1953). – Weihnachten im trauten Heim (Henkell 1956) te Matheus Müller laut eigener Aussage als „Hoflieferant Sr. Maj. des Kaisers und Königs, Hoflieferant Sr. Maj. des Königs von Bayern, Hoflieferant Sr. Maj. des Königs von Sachsen, Hoflieferant Sr. Maj. des Königs von Württemberg, Hoflieferant Sr. Kgl. Hoheit des Grossherzogs von Baden" und so weiter. Die französische Champagnerproduzentin Veuve (also Witwe) Clicquot wiederum wurde als Lieferantin Napoleons und Zar Alexanders gerühmt. 1906 allerdings lancierte Henkell eine Anzeige, die eine überdimensionale Sektflasche als Schiffskanone zeigte – eine Anspielung auf Kaiser Wilhelms neue „Sektsteuer", die für den Ausbau der Flotte genutzt werden sollte. Heute ist es eher der Geldadel, der auf mondänen Partys gezeigt wird, bei denen Champagner fließt. Ein beliebtes Motiv sind da die jungen, frechen Frauen, die den Festen die besondere Note geben: Die Koblenzer Kellerei Deinhard lancierte 1990 einen ausgesprochen erfolgreichen Fernsehspot, in dem eine temperamentvolle Schöne im lila Abendkleid unerwartet mit einem Trommelwirbel eine gepflegte Party unterbrach und fordernd „Wo ist der Deinhard?" rief. So entstand, so die Firma, „der unvergessliche Slogan für weiblichen, modernen Sektgenuss". Jules Mumm pointierte diese, dem weiblichen Ego gewidmete Strategie noch mit einer Kampagne, die sich Spalte links und unten: Typische Grafik der Jahrhundertwende (Fanter 1900). – In die Hände geschrieben... (MM 1924). – Sekt als Gabe der Natur (Söhnlein 1912). – Weihnachten 1908 (Kupferberg)

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Lust am gepflegten Reisen (Henkell 1965). – Tanz in besseren Kreisen (Deinhard 1958). – Weihnachtsleute (MM 1977). – Spielender Engel (MM 1978). – Putto als Symbol für italienische Kunst (Cinzano 1981). – Party-Serie (Deinhard 1981). – Typisch 1970er: sexualisierte Werbung (Moët & Chandon 1979) an Frauen und ihre Freundinnen richtet. Dazu gehören Ladies Nights im Kino, Fashion Week-Aktionen sowie Spots und Anzeigen, die immer einen wartenden Mann in romantischem Ambiente zeigen, während seine Liebste gleichzeitig mit ihren Freundinnen den Mumm trinkt, den diese mitbringen. Cinzano setzte 2003 noch eins drauf mit den Worten „Asti Cinzano ... ist, ihn mit Deiner besten Freundin eifersüchtig zu machen." Das Spiel mit den Geschlechterrollen und Homosexualität trieb auch Geldermann in seiner Kampagne „Vive la Différence" 2004: „Auch wenn man

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REKLAME 20 schon alles hat, kann man seinen Partner immer noch überraschen. Zum Beispiel mit einem neuen Partner." Abgebildet waren zwei attraktive Männer. So zeigt sich in der Sektreklame immer auch Zeitgeist. 1913 kam es zu einer aus der Perspektive der Verkehrswacht sicher bedenklichen Markenkooperation: Die Zwickauer Autobauer Horch warben für ihren Audi damit, dass es zu jeder Wagen-Neuerwerbung eine Flasche von Kloss & Foerster, also einen Rotkäppchen-Sekt gäbe. 1992 gab es bei Freixenet umgekehrt einen Seat Ibiza zu gewinnen: „Der Herzschlag des neuen Spanien" sollte bei beidem gehört werden. Diese Anzeigen, die für zwei Firmen gleichzeitig werben, sind recht selten und für Reklamefans immer besonders spannend. Aber das sind bei Weitem nicht die einzigen Schätze, die es zu heben gibt...

Sammlerobjekte Gesammelt werden neben den Anzeigen und Plakaten auch Reklamemarken zum Aufkleben, Champagnerdeckel, die mit dem Firmenlogo die Korken zieren, Werbekarten mit Ansichten der Fabriken, der Weinberge, der Produktionsstätten, Werbekarten mit Motiven wie auf den Anzeigen, aber auch wunderschöne alte Menükarten, die von den Champagner-Firmen für Restaurants produziert wurden. Bei den Anzeigen sind natürlich die ganz alten gesucht, sie sind oft schwarz-weiß und recht klein, in der Zeitschrift Jugend aber auch mal ganzseitig. Diese ersten sind oft voll naiver Fröhlichkeit oder grafisch besonders ansprechend. Florale

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Orientalische Mädchen-Serie (MM 1969). – Horoskop-Serie (Rüttgers Club 1971) Rahmungen und schwungvolle Linien der Kleidungsstücke zeichnen die Bilder aus. Bei der Söhnlein-Rheingold-Werbung findet sich 1912 dann auch mal eine Zeichnung zur „Quelle der Freude", die meines Erachtens der populäre Grafiker Fritz Koch-Gotha für die Ateliers Ernst Neumann gestaltet hat (seine Signatur ziert die Anzeige), ganz im leichten, satirischen Stil, der ihn als Karikaturist so erfolgreich werden ließ. Und auch der Wiener Grafiker Julius Klinger arbeitete 1912 als Plakatgestalter bei der Druckerei Hollerbaum und Schmidt für die Sektkellerei Matheus Müller. Die Werbungen der Weimarer Republik sind dann eher schlichter und in der Gestaltung wird die Typografie immer wichtiger. Bei Müller wird das „MM" zum Markenzeichen, das „in die Hände geschrieben" sei. Zur NS-Propaganda passt der Schaumwein dann eher nicht, in Kriegszeiten wird überdies auf Sparsamkeit verwiesen. In den Annoncen der Nachkriegszeit dagegen dominiert das häusliche Fest in freundlichen Bildern. Die Herrschaften sitzen fröhlich vor dem Weihnachtsbaum und ein Serviermädchen schenkt ein. Der Gebrauchsgrafiker Harry Maier prägte beispielsweise das Gesicht von Henkell mit solchen und ähnlichen Motiven bis in die Mitte der 1960er-Jahre; Traditionspflege hieß das Motto für den Sekt. Mit dem Erstarken der Fotografie entstand dann ein neues Interesse an der Außenwelt: Feuerwerk und Nachtszenen waren gefragt. Seit den späten 1970er-Jahren ist die (Zweier-)Beziehung das beherrschen-


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REKLAME 21 1981) und die bunten 1981er-„...SSSEKT"Bilder von Deinhard Cabinet („–aufregend prickelnd–").

Literatur Über Sekt und Champagner gibt es viel zu lesen, hier empfehle ich zwei ältere Werke: Zur Einführung „Sekt und Champagner" von Helmut Arntz (Heyne Bücher, 1976) und Gert von Paczenskys „Champagner"-Buch aus dem Hädecke Verlag (1987, ausgezeichnet mit der Silbermedaille der Gastronomischen Akademie), das auch ausgewählte Werbung, allerdings ohne Abbildungsnachweise zeigt. Speziell zur Reklame gibt es „Söhnlein Rheingold. Künstlerische Werbung für den Sect 1879-1929" von Michael Weisser (Verlag Dieter Fricke, 1980), ein Fachbuch, das wunderschöne Bilder – eben nur vom Söhnlein-Sekt aus der Frühzeit der Reklame – bietet. Speziell zur Werbegeschichte der Firma Matheus Müller lohnt es sich, S. 60-67 in Michael Kriegeskortes „100 Jahre Werbung im Wandel. Eine Reise durch die deutsche Vergangenheit" zu lesen (Köln, DuMont Verlag, 1995). Besonders spannend (und ebenfalls Sammelobjekte) sind immer die Firmenschriften, wie die als „Haus-Mitteilungen" herausgegebenen „Kupferberg Gold-Perlen", die 1937 bis 1940 und 1950 als „Jubiläumsheft" erschienen. 1976 gab die Mainzer Kellerei außerdem „Kupferberg Gold Graphik um die Jahrhundertwende" mit einer Einleitung von Eberhard Hölscher heraus, 1995 auch einen Wochenkalender für das Jahr 1996. Die Werbebilder in diesem Artikel stammen alle aus dem Kulturwissenschaftlichen Anzeigenarchiv der Autorin, www.kabinettstueckchen.de

de Thema. „Sex sells" gilt auch hier, und mit attraktiven Frauen haben schon die Jugendstilgrafiker geworben. Der Engel, ein beliebtes Motiv in der Schaumweinwerbung, wurde neu variiert, der traditionelle Putto brauchte neuen Pep. Das geflügelte Wesen kam nun – auch in Begleitung mehrerer Weihnachtsmänner – oft recht aufreizend daher. Schöne Serien sind aus dieser Zeit auch die skurrilen MM-Mädchen

Horoskop-Serie (Rüttgers Club 1971). – Sexy Engel in Weiß (MM 1973) mit Locken oder Goldbikini von 1969 („in die Hände meine Lieben wurde Euch MM geschrieben"), die Horoskope („Rüttgers Club – und die Sterne stehen günstig", 1971), die Kupferberg-Reihe „Eine der schönsten Launen der Welt" (von 197901 / 16


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.. SCHWARZES GOLD FUR SCHALLPLATTEN-SAMMLER

€ 150-200 Broilers „Lofi LP”, erschienen 2004 auf DSS Records, Nr. „DSS 097”, rotes Vinyl.1992 von Sammy Amara und Andi Brügge gegründete „Punkrock/Oi”Band aus der Neubausiedlung im Stadtteil Düsseldorf-Hellerhof, heute eher im „Rock”-Bereich mit Rockabilly-Anleihen

€ 50-100 Destruction„Sentence Of Death 12 Inch”, veröffentlicht bei Steamhammer Deutschland, 1984, Nr. „SH 0020”, Innersleeve. „Trash-Metal” Band aus Weil am Rhein, gegründet 1982 als „Knight Of Demon”, anfänglich im „Black Speed Metal”-Gewand

€ 200-350 Damian Hirst/Kate Moss „Use Money Cheat Death 12 Inch”, 2009 auf White Cube UK, No. „DHKM99”. Einseitiges „Kunstwerk”, Auflage 666 Exemplare

€ 70-120 The Jetz „Catch Me 7 Inch”, erschienen 1978 bei Crystal (EMI) Germany, Nr. „006Cry60333M”. Poppige „Rockmucke” mit leichten „Punk”-Anleihen aus Cheshunt/Hertfordshore, produziert von Howie Howman („Life Of Brian”) € 700-1.000 California „Volerei 12 Inch”, veröffentlicht 1986 auf Pasch Records Germany, Nr. „PA 543”. Damals nicht besonders erfolgreiche „Euro-Disco”Scheibe, die erst posthum zur Rarität avancierte. Als instrumentale Version war sie die Erkennungsmelodie der Sendung „Saturday Night Fever” auf Radio RPR

€ 250-300 Ensemble Musica Negativa „Music Before Revolution 4xLP-Box”, erschienen 1972 auf Emi Odeon Deutschland, Nr. „1C 165-28954/7”, 2 Booklets (jeweils 16 Seiten). Musikwissenschaftler und Komponist Rainer Riehn (1941-2015) und der Musiktheoretiker Heinz-Klaus Metzger (1931-2009) gründeten das Ensemble Musica Negativa 1969 als „Stachel im Fleisch der Gesellschaft” und als Ausdruck einer Fundamentalopposition, die sich der gängigen Auffassung von Musik als dem Schönen, Positiven und Tröstenden widersetzte. Kompositionen von 1939 bis 1964 solcher AvantgardeKünstler wie Morton Feldman, John Cage, Earle Brown, Christian Wolff & Toshi Ichiyanagi sind hier zu hören € 50-80 Gleitzeit „Ich Komme Aus Der DDR 7 Inch”, 1982 auf Robot Records Germany, Nr. „111111”. „Minimal Electronic Music” aus dem Münchener Umfeld von Lorenz Lorenz/Instant Music, die in dem Undergroundfilm „Nuclearvision” (Regie James Jacobs) verwendet wurde

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€ 200-350 Felipe De La Rosa „Flamenco Fever LP”, veröffentlicht 1978 bei M&K Realtime Records, Deutschland, Nr. „RT 107”. Audiophiler Leckerbissen für „HighEnder”, recorded by Miller & Kreisel Sound Corp. im „Direct To Disc” Verfahren (Direktmitschnitt), aufgenommen im Club El Matador in Los Angeles/USA


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€ 500-700 Jackie McLean „New Soil LP”, erschienen 1959 auf Blue Note USA, No. „BLP 4013”. Mono-Erstpressung mit „47 West 63/RVG-Stamp” & „Ear” in Deadwax. Erste Aufnahme für Blue Note im Van Gelder Studio Hackensack

€ 100-200 Pink Floyd „See Emily Play 7 Inch”, erschienen 1967 bei Columbia/Emi BRD, Nr. „C 23574”, hellblaues Label. Auf der Rückseite diverse Ankündigungen für Veröffentlichungen (Adamo, Cher, Beatles, Becaud, P. J. Proby, G. Bonney)

€ 100-200 Ton Steine Scherben „Warum Geht Es Mir So Dreckig? LP”, 1971 bei David Volksmund, Nr. „TP 101” Matrix „TSS 013”. Erstpressung, ohne Gema, Preisangabe, mit alter Telefon-Nr., Cover mit 6 Klammern geheftet. Anarcho-Rock!

€ 300-400 The New Jazz Orchestra „Le Déjeuner Sur L’Herbe LP”, 1969 bei Verve Records UK veröffentlicht, No. „VLP 9236”. Beteiligt waren führende Londoner Jazzmusiker und Jack Bruce

€ 25-50 Stephan Remmler & Nina „Fuegos Artificiales 12 Inch”, veröffentlicht 1984 in Spanien auf Mercury, No. „880087-1”. Auf der Trackliste steht „der Song „Fireworks” als englische Version (A-Seite) betitelt, jedoch handelt es sich hier um eine deutsche Version, B-Seite spanische Version. Frühes Casting-Projekt; die 9-jährige Nina (Smecca) aus Gevelsberg wurde durch eine Suchaktion der Bild-Zeitung gefunden, durfte sich dann noch die Haare (zur Optik an Stephan Remmler) abrasieren lassen und mit stranger Computerstimme mitsingen

€ 400-500 Wolf Vostell (1932-1998) „DéColl/age LP”, veröffentlicht 1982 auf Multhipla Rec. Italy, No. „M20137”, GatefoldSleeve. Aktions-Aufnahmen des Happeningkünstlers aus dem Zeitraum 1959-81

€ 150-300 Hans Zimmer „Inception (Music From The Motion Picture) LP”, in den USA 2010 auf Reprise Records, No. „524667-1”. Clear Vinyl, graues Label. Nur 1.000 Copies wurden 2010 für diesen Soundtrack-Blockbuster gepresst, da die Majors in Vinyl keine Zukunft mehr sahen € 800-1.200 Pacific Sound „Forget Your Dream LP”, veröffentlicht 1972 auf Slendid Records Schweiz, Nr. SLP 50,104”, Gatefold-Cover. Cooler Hammond orientierter „Progressive Rock” aus Val-De-Travers/Neuchatel. Die Band löste sich kurz nach der LP-Veröffentlichung leider auf

Alle angegebenen Schallplattenpreise verstehen sich als ungefähre Richtpreise, die bei Internet-Auktionen, Schallplattenbörsen, Sammler-Foren, Festpreislisten, Privatverkäufen etc. erzielt oder angeboten wurden. Die Preise gelten in der Regel für Mint/Mint- Exemplare (neuwertig bzw. minimale Gebrauchsspuren).

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BILDERBÜCHER REINHARD BOGENA

Verlag der St. Johannis-Druckerei Schweickhardt Sammelnswert: Schweickhardt-Bilderbücher mit gestanztem Rand. – Motive wie dieses sprechen Kinder an. – Innenteil mit Illustrationen. – Erinnert an Hitchcocks legendären Film „Die Vögel” ziehung eine Rolle, sei es mit guten Ratschlägen zum Thema Straßenverkehr oder dem Vermitteln anderer Verhaltensregeln. Ein Musterbeispiel dafür ist der berühmte „Struwwelpeter”, der schon seit mehr als hundert Jahren stets neu aufgelegt wird. Die Tradition indes, dass Menschen aus Geschichten lernen sollen, ist uralt und geht im Grunde genommen zurück auf die Bibel, wo mit den zehn Geboten Grundlagen für ein friedliches Miteinander formuliert wurden. Einige Verlage haben sich auf weitere christliche Literatur spezialisiert, darunter der Verlag der St. JohannisDruckerei C. Schweickhardt in Lahr-Dinglingen (Baden). Gegründet 1896, musste

Erziehungshilfe / Zeitdokument Beim Betrachten von Bilderbüchern der Vergangenheit fällt auf, wie bestrebt die Autoren waren, dem Nachwuchs unserer Gesellschaft mit Zeichnungen und Geschichten ein nachhaltiges Erlebnis zu vermitteln. Mehr oder weniger unterschwellig spielte dabei immer auch die Er-

die Firma 2010 Insolvenz anmelden. Was blieb, sind die Werke dieses Hauses, darunter einige hübsche Bilderbüchlein, deren religiösen Hintergrund man erst beim Lesen erkennt. Literaten bezeichnen diese Art Hefte als „Erweckungsschriften" – das klingt für jene, die ihr Heil nicht im Glauben einer Konfessionsgemeinschaft suchen, eher abschreckend, sollte es aber nicht sein. Sie stammen zwar aus einer anderen Zeit und erinnern an Erzählungen in einer Kinderkirche, die man in jungen Jahren vielleicht besucht hat, doch sind viele der Geschichten keinesfalls abgehoben und gerade auch aus historischer Sicht in-


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teressant zu lesen. Sie zeigen uns heute, auf welche Weise vorangegangenen Generationen Werte vermittelt wurden. Der Glaube spielte dabei eine wichtige Rolle, ganz nach dem Motto: Gott sieht alles! Viele, die in den 50er- und 60er-Jahren oder noch früher aufgewachsen sind, werden Ähnliches erlebt haben wie der kleine Arnold, der verbotenerweise „wilde Geschichten von Mord und Totschlag und Brandstiftung ..." las: „Dem einen Büchlein waren rasch andere gefolgt; er wurde bald ganz unersättlich nach den Schriften...", die Lehrer und Erzieher als „Schund" bezeichneten und deshalb unters Leseverbot fielen. Rückblickend war das nicht immer gerechtfertigt – vor allem im Vergleich damit, was Gehirne der Kinder in heutiger Zeit durch unkontrollierten Konsum von Fernsehen und Internet durcheinander bringt. Arnold muss die Geschichten heimlich lesen und seine umstrittenen Heftchen vor der Großmutter verstecken: „Kein Wunder, daß er der Großmutter nicht mehr in die Augen zu blicken wagte" – nachzulesen im Heft „Arnolds Sieg". In den meisten der anderen Erzählungen geht es darum, Gutes zu tun; dabei wird stark ans Gewissen appelliert: „... immer wieder klangen ihm die Worte in den Ohren: Du sollst nicht stehlen!" (aus dem Heft „Der Zi-

Toll: Die ausgebreiteten Flügel des Adlers markieren den Rand des Heftchens. – Aufwändig in der Herstellung waren alle diese Heftchen. – Arnold ist ein kleiner Junge mit Heimlichkeiten und schlechtem Gewissen. – Ein altes Schwarzwaldhaus bildet hier den Umriss des Heftchens. – Hier diente ein Haus in der Lüneburger Heide als hübsches Vorbild

geunerknabe"). Während man sich heute um Ausdrücke wie „Zigeuner" windet, um auf keinen Fall den Eindruck einer Diskriminierung zu erwecken, war das bis in die 70er-Jahre eine gebräuchliche Sprechweise für eine meist nicht sesshafte Bevölkerungsgruppe.

Hübsche Gestaltung Obwohl die ca. 15 x 13 cm großen Heftchen aufgrund der Schrift auf dem Titelbild älter wirken, wurden sie in den 50er- und 60er-Jahren herausgegeben. Besonders reizvoll ist die Gestaltung, denn ihre äußere Form (oberer und rechter Rand) folgt weitgehend den Linien des farbigen Bildmotivs, ist also ausgestanzt. Kleinere, im Einzelfall auch ganzseitige Illustrationen (gezeichnet von Hildegard Esch) finden sich im Textteil. 18 Seiten umfasst jede 01 / 16


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BÜCHER 72 Gleicher Hintergrund, verschiedene Geschichten. – Einzelne Exemplare gab es auch ungestanzt. – Die Schweickhardt-Heftchen können als Deko in verschiedenen Sammlungen genutzt werden. – Der treue Hausfreund (Auszug). – Der Wüstenkönig Ausgabe und besteht meist aus vier Geschichten, „zusammengestellt von Armin Gerber", wie es bei einigen Heften am Ende heißt. Für andere Erzählungen zeichnet Martha Wild verantwortlich. Einzelne Ausgaben gab es zum Teil auch in ungestanzter Form, also im herkömmlich rechteckigen Format, aber Achtung: Es sind auch Farbkopien im Umlauf. Während die Schweickhardt-Heftchen aufgrund ihrer hübschen Gestaltung den Sammler erfreuen oder nur als reines Deko-Objekt dienen können, sind viele der darin enthaltenen Geschichten durchaus noch geeignet, sie Kindern vorzulesen, ja man könnte sie sogar als Gesprächsgrundlage im Schulunterricht nutzen – allein die äußere Form würde für Aufmerksamkeit sorgen und so die nötige Motiva-

tion vermitteln, sich damit zu beschäftigen. Die Investition indes ist bescheiden: Man bekommt einzelne Ausgaben schon ab 1 Euro. Fotos: Reinhard Bogena

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FLOHMARKTPREISE

■ Keramik Senftöpfchen, Entwurf Richard Riemerschmid (1868-1957), Ausführung Reinhold Merkelbach (1902-1905, ohne Firmenmarke, Modellnummer „1730”), mit Buchstabe „M”, 9 x 6,2 x 7,5 cm. Kleines kugeliges Henkelgefäß auf drei Füßen mit zinnmontiertem Deckel mit Knauf und Löffelaussparung. Vorwiegend dunkelblaue Glasur mit erhabenen Punkten auf grau umlaufendem Band. Neben der gleich gestalteten Butterdose wohl das meistverbreitete Produkt des Münchner Jugendstil-Gesamtkünstlers. Zusammen mit Henry van de Velde, Peter Behrens und Albin Müller trug er wesentlich dazu bei, dass der Westerwälder Steinzeugindustrie als traditionsreiche Töpferregion aus ihrer wirtschaftlichen Notlage der Aufbruch in die Moderne gelang. Nicht nur bei den „Modernisten” waren diese Kreationen damals gefragt, auch das Bürgertum konnte sich für die Entwürfe von Riemerschmid begeistern. Wohl in sehr hohen Stückzahlen produziert, preislich somit zwischen 30 bis 50 Euro zu bewerten.

Malzbrocken / Bayr. Blockmalz / Zitronen Bonbons aus Sizilien” etc. Sehr ansprechendes Motiv, beliebt bei Fifties-Sammlern und in der Rockabilly-Szene. 30 bis 60

Euro dürften für das „knallige” Motiv möglich sein.

■ Nippes

Antiquitätengeschäft für einen so seltenen Artikel verdientermaßen hinblättern müssen.

Flohmarktpreis: 15 Euro

Flohmarktpreis: 35 Euro

■ Reklame Blechdose „Familiendose Hohberger”, bez. „Emil Hohberger, Hirschauer-Strasse 20, München 23, D.G.B.M. (Deutsches Bundes-Gebrauchs-Muster)”, 50er-Jahre. 25 x 10 cm. Farblithografierte Blechdose mit Deckelmotiv „Pin Up Girl” mit gespitztem Mund und aufgerissenen Augen im typischen Dress der 1950er-Jahre. Die Emil Hohberger Konfitüren- & Bonbonfabrik war wohl ab 1926 in Leipzig Gautzsch ansässig, nach dem Zweiten Weltkrieg dann in der Hirschauer-Straße in München. Bekannt war sie für Produkte wie „Dr. Blockmalz / Brustinal Hustenbonbons / Bayr.

Schuh-Souvenir als Nadelkissen in Stiefelettenform, mit einem alten Foto der „Löwenburg” in Kassel, in verglastem Rundmedaillon, Länge 12 cm. Recht ungewöhnlich, auf welche Neckereien die Menschen vor gut hundert Jahren doch so kamen! Wahrscheinlich spielt der Schuh auf den beschwerlichen Aufstieg zur zwischen 1793 und 1801 als Burgruine errichteten Sehenswürdigkeit auf der in luftigen 335 Metern liegenden Kasseler Wilhelmshöhe an. Der Schuh besteht aus geprägtem und matt schwarz lackiertem Metall und wirkt ziemlich realistisch. Zwischen 60 und 80 Euro dürfte man in einem 01 / 16

Flohmarktpreis: 25 Euro

Erscheinungstermin Februar-Ausgabe: Abo-Versand 25.1.2016 Erstverkaufstag Handel 29.1.2016


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