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Schweiz CHF 8,50 | Österreich € 5,00

Herbie Alte Reklame


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INHALT 3

TRÖDLER

ISSN 1863-0340

VERLAG

GEMI Verlags GmbH Pfaffenhofener Straße 3 85293 Reichertshausen Tel. 08441 / 4022-0 Fax 08441 / 71846 Internet: http://www.gemiverlag.de eMail: info@gemiverlag.de

GESCHÄFTSFÜHRER

Gerd Reddersen Rudolf Neumeier

CHEFREDAKTEUR

Karl Ruisinger eMail: karl.ruisinger@gemiverlag.de

REDAKTION

Nicola Fritzsch, Joscha Eberhardt Karin Probst, Helene Stümpfle-Wolf

4

LESERFORUM ■ Expertenauskünfte

7

ONLINETIPP ■ Websites für Sammler

8

MAGAZIN ■ Ausstellungen – Messen – Märkte

TECHNIK

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■ Rundskalenradios

REDAKTION MARKT & HANDEL Heidrun Th. Grigoleit STÄNDIGE MITARBEIT

Dr. Graham Dry, Dr. Dieter Weidmann

AUKTIONEN

AUTOREN DIESER AUSGABE

Reinhard Bogena Heidrun Th. Grigoleit

■ Berichte – Preise – Termine

REDAKTIONSASSISTENZ

Heike Genz

TERMINE

Anette Wagner, Tel. 08441/4022-35 Hans Neumeier, Tel. 08441/4022-34 eMail: termine@gemiverlag.de

LITHOS, SATZ, HERSTELLUNG

Westner Medien GmbH (Anschrift siehe Verlag)

ANZEIGEN

Markus Westner, Tel. 08441/4022-13 Hans Neumeier, Tel. 08441/4022-34

KLEINANZEIGEN

Heike Genz, Tel. 08441/4022-18 Marlene Westner, Tel. 08441/4022-12

VERTRIEB

Gerd Reddersen

ZEITSCHRIFTENHANDEL

VU Verlagsunion KG

MARKTVERTRIEB

Jörg Kirschbaum Mobil 0172/4436638

ABOVERWALTUNG

Gemi Verlags GmbH Postfach 85291 Reichertshausen Tel: 08441/4022-0 Fax: 08441/71846 eMail: info@gemiverlag.de

DRUCK

westermann druck Gmbh

FILM-MEMORABILIA

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■ Herbie – der tolle Käfer

SPIELZEUG

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■ Bodensee-Fähre „Fontainebleau”

GRAFIK

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■ Als Kitsch noch Kunst war

SCHALLPLATTEN

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■ Schwarzes Gold für Sammler

BLICKPUNKT

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■ Tintenzeuge / Modeschmuck

FUNDSTÜCKE

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■ Flohmarktpreise

TERMINE UND ANZEIGEN ■ ANTIKMARKTTERMINE ERSCHEINUNGSWEISE

monatlich

■ SAMMLERBÖRSENTERMINE

TITELFOTOS

Reinhard Bogena

■ AUSLANDSTERMINE

BEILAGENHINWEIS

Metz-Auktionen

■ REGELMÄSSIGE TERMINE

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fallen die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-ROM. Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/11 (Preise gültig seit 01.08.2006)

■ FLOH- UND TRÖDELMARKTTERMINE ■ KLEINANZEIGEN IN DER SAMMLERBÖRSE ■ MARKT & HANDEL

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EXPERTISEN

■ Teddy

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Der helle, wollflauschige Bär ist 35 Zentimeter groß. Die Ohrinnenflächen sowie die behandschuhten Hände mit drei Abnähern und dem langen Daumen und die in große abgesteppte Pantoffeln gesteckten Füße bestehen aus orangem Filz. Die Augen sind schwarz-weiß, die Nasenpartie – die Nase wurde mit schwarzer Wolle waagerecht aufgestickt – ist aus Kurzmohair. Auf Bauch, Rücken und Beinen ist eine Mittelnaht zu sehen, wohingegen die Armnähte vorne seitlich verlaufen. Zwei Nähte ziehen sich von den Ohren hinten bis zum Nacken, so dass ein Dreieck gebildet wird. Die Stimme des Bären ist leider defekt. Der lustige, hartgestopfte Bär wurde mir für 5 Euro auf einem Flohmarkt angeboten. Er scheint in den 50er-Jahren hergestellt worden zu sein. Käme als Hersteller die Firma Anker in Frage? Margret Crisp, Schwalmtal

!

Leider ist es trotz langwieriger, intensiver Recherche nicht gelungen, eine genaue Herkunft Ihres Teddys zu ermitteln. Auch in der einschlägigen Literatur ist kein identisches Exemplar zu finden. Dieser Teddy hat in der Tat einen besonderen Charak-

ter. Man könnte ihn fast als Teddy-Karikatur bezeichnen. Daher ist die Vermutung, er könne aus dem Hause Anker in München stammen, zunächst nicht abwegig. Hier wurden tatsächlich Teddybären in ganz ähnlichen Ausführungen hergestellt. Eine intensive Recherche mit Hilfe spezialisierter Sammler für Plüschtiere und Teddybären der Firma Anker haben jedoch nach Sichtung der vorhandenen originalen Katalogmaterialien kein Ergebnis gebracht. Bei genauer Betrachtung Ihres Bären fällt auf, dass er typische Merkmale von drei verschiedenen bekannten Firmen trägt. Zum einen deutet die in dieser Art eingesetzte Nase aus Kurzplüsch mit der zugehörigen melonenförmigen Nasenbestickung auf die Firma Hermann in Hirschaid hin. Die eingesetzten Filzhände kennt man in erster Linie vom sogenannten „Joppenbär” der Firma Diem in Sonneberg. Das gesamte Design mit eingesetzten Schielaugen aus Glas deutet – wie bereits erwähnt – in Richtung München zur Firma Anker. Es gibt aber auch immer wieder einmal Teddybären dieser Art, oft in weniger hochwertigen Ausführungen, die sich dann recht sicher als Produkte Volkseigener Betriebe der ehemaligen DDR zuordnen lassen. Diese Bären, einfarbig oder auch als schwarz-weiße Pandas, tauchen in erster Linie als einfache Kunstseidenausführungen auf, daher ist diese Herkunft in Ihrem Fall, aufgrund der höheren Qualität, erst einmal eher auszuschließen. Immer wieder haben auch die bekannten Hersteller Sonderbären als Werbeausführungen oder sogar als Einzelstücke auf besonderen Kundenwunsch gefertigt, für die es nur in den wenigsten Fällen Nachweise gibt, und so muss auch dies in diesem Fall in Betracht gezogen werden. Am wahrscheinlichsten handelt es sich bei diesem Bären um ein westdeutsches Produkt aus der Zeit um 1955. Der Sammlerwert für ein solch hochinteressantes Stück liegt bis zur endgültigen Klärung seiner Herkunft bei etwa 80 bis 120 Euro.

■ Bronze

?

Wir haben eine Skulptur, der Titel ist wahrscheinlich „Die Liebenden" und signiert ist sie „Löte E.“. Die Skulptur ist aus Bronze, misst ohne Sockel 48 cm und wiegt 13,5 kg. Ich hätte nun folgende Frage: Wer ist dieser Herr oder Frau Löte E.? Meine eigenen Nachforschungen im Internet erbrachten keine Resultate. Da wir uns altersbedingt verkleinern müssen, wollten

Daniel Hentschel, Rheine

■ In dieser Rubrik beantworten unsere Experten Ihre Fragen zu dem einen oder anderen guten Stück. Doch leider sehen wir uns außerstande, ganze Nachlässe oder sämtliche sich in Ihrem Haushalt befindlichen Trouvaillen bewerten und schätzen zu lassen. Auch bitten wir um Verständnis, wenn es mit der Bearbeitung länger dauert. Senden Sie uns also Ihre Anfrage nur zu einem zu bestimmenden Objekt – mit detaillierter Beschreibung und gutem Foto, auf dem das Objekt ganz abgebildet ist. Noch ein Hinweis zu den Preisen, die von Fall zu Fall von unseren Experten genannt werden: Hierbei handelt es sich um Richtwerte, die anhand von Fotos allein getroffen werden und je nach Zustand des Objekts nach oben oder nach unten korrigiert werden können. Ihre Anfrage schicken Sie bitte an: Gemi Verlags GmbH Redaktion Leserforum Pfaffenhofener Straße 3 85293 Reichertshausen

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LESERFORUM 5 wir die Skulptur zur Versteigerung geben, aber auch ein renommiertes Auktionshaus wusste mit dem Namen nichts anzufangen und wollte sie zum Schrottpreis ausrufen. Die Skulptur befindet sich seit circa 30 Jahren in unserem Besitz. Als langjährige Abonnenten würden wir uns sehr freuen, wenn Sie uns Informationen geben könnten. Stefanie und Dr.Alfred Chwistek, o.O.

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Bei dieser Bronzegruppe stimmt nicht viel. Die Proportionen der Figuren sind mangelhaft, als erotische Darstellung ist dieser verzweifelte Clinch zwischen Faun und einem das Abenteuer im Wald suchenden Nackedei aus gutem Hause eher bemüht als überzeugend und auch der Guss und die Patinierung scheinen nicht vom Feinsten zu sein. Die Bildhauer der Epoche um 1900, von entsprechenden gemalten Darstellungen von Arnold Böcklin oder Franz von Stuck angeregt, wären hier überzeugender zu Werk gegangen. Auf die Tatsache, dass die Gruppe in relativ neuer Zeit entstanden ist, vermutlich in Taiwan, deutet schließlich die Signatur „E. Löte“, die genau so bemüht aussieht, wie die Gruppe selbst: Man sieht förmlich, wie jemand, der es nicht gewöhnt ist, sich der lateinischen Schrift zu bedienen, mit allergrößter Mühe die fünf Buchstaben zusammen zu bringen versucht. „E. Löte“ hat natürlich nie existiert. Gegossen wurde die Bronzegruppe nach einem Gipsmodell, das erst in der fernöstlichen Bronzegießerei von einem heimischen Modelleur gestaltet wurde, vermutlich anhand einer Ideenskizze, aber definitiv nach einer Vorlage aus der europäischen Kunstgeschichte. Insofern hat das erwähnte Aukti-

!

Das Ölgemälde stammt aus den Fünfzigerjahren und stellt den Königssee im Berchtesgadener Land, unweit der österreichischen Grenze, dar. Rechts im Hintergrund sieht man die Wallfahrtskapelle St. Bartholomä, die nur mit einem Boot oder über Bergwege erreicht werden kann. Der Wert des Gemäldes beträgt etwa 150 Euro. Unten links scheint es eine Künstlersignatur zu geben. Beim betreffenden Künstler wird es sich wohl um einen guten Amateurmaler handeln. Dr. Graham Dry, München

■ Silberobjekt

Teller oder Schale hätten liegen können. Das Material ist nicht Silber, sondern anscheinend vernickeltes Nickelsilber. Hergestellt wurde dieses Objekt in einer deutschen oder englischen Metallwarenfabrik um 1890. Die Initialen JF lassen sich aber keiner bestimmten Metallwarenfabrik zuordnen. Die Originalpunzen, die vielleicht auch auf den Ort der Herstellung hingewiesen hätten, sind zu einem späteren Zeitpunkt durch eine mehrfach aufgedruckte Punze mit Kreuzmotiv überlagert worden, möglicherweise um zu verdecken, dass es sich um Importware gehandelt hat. Diese „Entwertung“ der Punzen kann sowohl in England oder Deutschland passiert sein. Es ist interessant, an-

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onshaus Recht: Im Prinzip kann man die Gruppe nur zum Verkehrswert des verwendeten Materials aufrufen. Es kann dann immer sein, dass sich ein Liebhaber bei der Auktion einfindet, der die Gruppe mit ganz anderen, glänzenden Augen betrachtet und dafür einen weit höheren Preis ausgeben möchte. Aber mit der Hoffnung ist es bekanntlich so eine Sache. Dr. Graham Dry, München

Als langjähriger und zufriedener Abonnent möchte ich Sie heute auch einmal um Hilfe bitten. Was dieses Silberobjekt anbelangt, bin ich vollkommen ratlos. Es misst 18 x 24 cm. Wissen Sie vielleicht, welchem Zweck es diente? Lutz Günther, o.O.

!

Dieses skurrile Objekt wurde wohl für eine Verwendung am Esstisch erfunden, aber welchem Zweck es genau diente, lässt sich schwer sagen. Vermutlich wurde es als Ablage eher für kalte Speisen oder Beilagen benutzt, die keine Krümel verursachten und genauso gut auf einem

■ Ölgemälde

?

Dieses Ölgemälde habe ich von meinem Großvater geerbt. Es misst 60 x 90 cm. Können Sie mir dazu eine Auskunft erteilen, wie alt es ist und ob es einen bzw. welchen Wert es hat? Bärbel Eichler, Bad Meinberg

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LESERFORUM 6 hand dieses ornamental gebändigten Schlangenrohrs zu beobachten, was man alles aus Nickelsilber machen kann, aber wozu die Ablage letztlich tatsächlich gut war, bleibt ein Mysterium. 50 Euro müsste dieses künstlerische Stück aber schon wert sein. Dr. Graham Dry, München

■ Ast-Werk

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Schon seit einigen Jahren sind wir im Besitz dieser Skulptur, die allem Anschein nach aus einem echten Aststück gefertigt ist, welches mit einer dünnen, aber massiven Schicht Bronze überzogen wurde. Nachdem unsere eigene Recherche auch nach langem Suchen kläglich scheiterte, gaben wir auf und stellten sie in die Vitrine. Nun stießen wir durch Zufall kürzlich im Internet auf eine Seite mit ähnlichen, aber letztlich doch ganz anderen, Objekten von Harry Bertoia. Dessen Skulpturen sind aber nur aus Metall hergestellt. Ebensowenig wie bei Bertoias Objekten ist bei uns ein Hinweis auf die Herkunft zu finden. Das „Bäumchen" ist etwa 36 cm hoch und hat einen „Umfang" von circa 40 x 16 cm, das Gewicht liegt bei stolzen 1890 Gramm. Wir würden uns freuen, wenn Sie etwas herausfinden könnten, über das Alter, die Herkunft, den Wert etc. unseres „Bäumchens". Des Weiteren fragen wir uns, ob ein echter Ast aber nicht einfach verbrennen würde, sobald er mit heißem, flüssigem Metall in Berührung kommt? B. Neumann, o.O.

!

Es wäre schön, wenn man dieses AstWerk in Verbindung mit dem Schaffen des großen amerikanischen Designers Harry Bertoia bringen könnte, aber das wäre bei diesem Gebilde etwas zu hoch gegriffen. Hier wurde, wie beschrieben, ein Ast mit einem Metallüberzug versehen, aber nicht in Handarbeit und nicht, wie hier richtig vermutet, als Ergebnis eines Guss03 / 14

vorgangs, bei dem das Holz tatsächlich sofort in Flammen aufgegangen wäre. Es handelt sich bei diesem Werk weniger um ein echtes Kunstwerk, mehr um ein Scherz oder ein Experiment. Der Überzug ist nämlich dadurch zustande gekommen, indem jemand einen Ast zunächst mit einer Elektrizität leitenden Flüssigkeit bestrichen hat, ihn dann in ein (kaltes) galvanisches Bad gegeben hat, wo er infolge des elektrogalvanischen Vorgangs eine Metallschicht gebildet hat, zumindest an den richtig präparierten Stellen. Nach Stunden oder Tagen konnte das fertige „Kunstwerk“ herausgenommen werden. Vermutlich handelt es sich um das Zufallsprodukt eines Galvaniseurs, der einfach sehen wollte, was aus dem Ast nach dieser rein technischen Behandlung werden würde, ohne dass ein Gedanke an einen möglichen Verkauf entstand. Er hat das Gebilde wohl mit nach Hause genommen, seine Frau damit begeistert, oder auch nicht, und es irgendwann entsorgt, vielleicht um den Haussegen wieder geradezubiegen. Zu Weihnachten könnte man es schön dekorieren, aber ein Anspruch auf Kunst hat es nicht. Galvanische Abgüsse nach (nicht mehr lebenden) Eidechsen, Käfern, Schnecken und allen anderen möglichen Tieren wurden beispielsweise in früheren Jahren von der WMF in Geislingen als Tischdekorationen produziert. Im Prinzip lässt sich alles nach der korrekten Vorbereitung galvanisieren. Hier hat man die

Technik einfach getestet, um zu erfahren, was am Ende zum Vorschein kommen würde. Einen Wert hat das Objekt eigentlich nicht, aber als wieder verwendbarer, stabiler und fast nicht zu entzündender Weihnachtsbaum könnte das Geäst wertvolle Dienste leisten. Dr. Graham Dry, München

■ Aquarell

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Vor einiger Zeit habe ich dieses Aquarell, auf dem zwei Straßenmusikanten dargestellt sind, auf dem Flohmarkt für 30 Euro erworben. Es ist auf Büttenpapier gemalt. Die Größe des Bildes ist rund 40 x 30 cm. Der Rahmen des Bildes ist zwar hinüber, aber das Bild gefiel mir. Leider kann ich die Signatur links unten nicht lesen, unterhalb der Gitarre steht außerdem noch „PM FABRIANO“. Anhand des Rahmens vermute ich, dass es um 1920 gemalt wurde. Ist der Maler bekannt, kennen Sie ihn? Ist das Bild 30 Euro wert? Vielleicht können Sie mir helfen. Barbara Woge, Bielefeld

!

Bei diesem Aquarell auf italienischem Zeichenpapier mit der Darstellung zweier neapoletanischer(?) Straßenmusikanten ist die Signatur zwar relativ deutlich, ließ sich aber trotz zahlreicher Versuche doch nicht entziffern. Es handelt sich um einen professionellen Maler aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz mit den Anfangsbuchstaben „Brü…“. Ein passender Kandidat müsste eigentlich in einem Kunstlexikon zu finden sein, aber tatsächlich führte keine Buchstabenkombination weiter. Das Bild ist auf jeden Fall eine sehr solide Arbeit, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden ist. Sein Wert liegt, als anonymes Werk, das möglicherweise für Touristen in der betreffenden Stadt gemalt wurde, bei etwa 100 Euro. Dr. Graham Dry, München


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TECHNIK 14

RUNDSKALENRADIOS REINHARD BOGENA

Einen großen Anteil in historisch-technischen Kollektionen stellen Rundfunkgeräte dar. Mit ihnen verknüpft wohl jeder das ein oder andere besondere Erlebnis. So können einzelne Exemplare an Kindheit und Jugend erinnern, vor allem an jene Zeit, als man den Groschen noch zweimal umdrehen musste und ein eigenes Radio das höchste der Gefühle bedeutete. Opas besonders gehütetes Transistorradio im braunen Ledertäschchen oder ein Kofferradio, vom ersten eigenen Lohn gekauft, das vergisst man nicht. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die uns veranlassen, nach Exponaten mit speziellen Eigenschaften Ausschau zu halten. Kriterium dafür kann dann eine bestimmte Marke sein, die Formgebung oder irgendeine andere Besonderheit. Allein eine runde Senderskala kann den späteren Sammler in der Jugend so beeindruckt haben, dass er sich jetzt auf eben solche Geräte spezialisiert. Gegenüber Rundfunkgeräten mit rechteckigen Senderanzeigen ist eine kreisförmige die Ausnahme, die sie von der Masse abhebt.

Die Sender im Kreis Bei runden Skalen gab es zwei Systeme für die Sendereinstellung: Entweder bewegt man einen Zeiger unter der feststehenden Anzeige um die Mittelachse oder man dreht die Skala selbst, meist an ihrem griffigen äußeren Rand, seltener an einem Drehknopf in der Mitte. In fast allen Fällen wird der Drehkondensator zur Senderwahl direkt angesprochen ohne Umlenkrollen und eine spezielle Schnur. Die führt und fixiert bei rechteckigen Skalen den Senderzeiger und stellt den Kontakt zur Abstimmung her. Ein Hängenbleiben des Zeigers oder eine gerissene Schnur und somit fehlender Kontakt zum Drehkondensator, wo die Abstimmung erfolgt, fällt dadurch weg. Runde Skalen sind kein Privileg der 50erund 60er-Jahre; in jener Zeit kamen sie 03 / 14

nur häufiger vor. Gegeben hat es sie bereits vor dem Zweiten Weltkrieg, zum Beispiel ab 1936 bei Schaub. Ein heute sehr gesuchtes Sammlerstück kam zwei Jahre später vom Rundfunkgerätehersteller Ingelen: Der Typ „Geographic" zeichnet sich aus durch eine kreisförmige Weltkarte, auf der Leuchtpunkte die jeweils gewählte Sendestation anzeigen. Eines der ersten Autoradios von Philips aus derselben Zeit besaß ebenfalls eine runde Skala wie zahlreiche weitere Radios dieses Herstellers, unter anderem sogar mit Skalenlupe. Nicht alle wurden in Deutschland angeboten – siehe unter anderem die hier abgebildeten Radios aus Frankreich. Auch im militärischen Bereich griff man gerne auf kreisförmige Anzeigen zurück. Das vielleicht bekannteste Beispiel heißt „Radione”, gebaut bei Nikolaus Eltz, Wien. Der Reiseempfänger vom Typ R2 erschien 1939 als Nachfolger des ein Jahr zuvor vor-

Loewe Opta Lissy, um 1960 Werbung für Schaub Radio, 30er-Jahre Philips Autoradio, 30er-Jahre


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TECHNIK 15 tiv gut. Je nach Zustand, Funktion und Originalität, das heißt, unverbastelt, wechseln sie derzeit ab 120 Euro aufwärts ihre Besitzer. Kreisförmige Skalen blieben nach dem Krieg ein Privileg von Klein- und Reiseradios. Sie waren beliebt als Zweitgerät, beim Picknick, im Garten und auf der Reise. Doch zunächst herrschte nach dem Krieg Wohnungsnot; zahlreiche Men-

Philips aus Frankreich Französische Variante der Philetta, 1955 Radione R9, Lautsprecherstoff nicht original; Ausschnitt Skala Radione R20, um 1955 gestellten R1 und wurde wegen seiner hervorragenden Empfangseigenschaften und dem neuen stabilen Metallgehäuse später auch von der Wehrmacht als Kurzwellenempfänger genutzt. In diesem Zusammenhang ranken sich zahlreiche Legenden um dieses über 10 kg schwere Radio, vom Einsatz bei der Luftwaffe wie bei der Kriegsmarine auf Schiffen und in UBooten ist da die Rede – auch in dem Filmklassiker „Das Boot" ist ein Radione-Empfänger zu sehen. Sein Erfolg reichte in der Form kaum verändert „für Auto, Reise und Heim" auch im zivilen Bereich bis weit in die Nachkriegszeit. Mehr als 50.000 Stück sollen hergestellt worden sein; die Chance, eines dieser legendären Radios im Metallgehäuse erwerben zu können, ist rela-

schen mussten in beengten Verhältnissen leben, zum Teil „möbliert" in Untermiete, wo es kaum Platz für ein Großgerät gab, ein entscheidendes Argument, das für einen Kleinempfänger sprach. Dabei waren Batteriegeräte nichts für sparsame Menschen. Manch einer erinnert sich noch daran, dass der Opa sein Radio einerseits hütete wie seinen Augapfel, es andererseits jedoch nur selten nutzte. Einer der Gründe dafür lag im hohen Stromverbrauch der Röhren. Die verwendete man noch bis zu Anfang der 60er-Jahre. Darum ist auch der kleine Grundig „Boy Junior" (um 1952/53) noch sehr energiehungrig. Er wollte gefüttert werden mit einer 1,5Volt-Batterie und einem 75-Volt-Akku! Auf seinen Chassis stehen die Röhren (DK 92, 03 / 14


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Grundig Boy Junior mit Röhren, um 1953. Links daneben Grundig Innenleben mit kopfstehenden Röhren Aus Grundig Prospekt Braun Typ 100B, um 1953, daneben Werbung für Braun Radio DF 91, DAF 91, DL 92) buchstäblich Kopf! Das Gehäuse, lieferbar in den Farben elfenbein und weinrot, besteht aus bruchempfindlichem Plastik. Interessanterweise gab es dasselbe MW-Gerät (mit gleicher Optik) als Typ „Baby" auch unter dem Markenzeichen von Radione. Einen Zwilling hatte ebenso der „Batteriesuper" mit der Bezeichnung 100B aus dem Hause Braun. Das 1953 vorgestellte Gerät im elfenbeinfarbenen Plastikgehäuse wurde ganz ähnlich bei Akkord als Typ „Bambi” produziert. Ein weiteres Radio in nahezu gleicher Bauart ist vom amerikanischen Hersteller RCA bekannt.

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Viele Reiseradios der Nachkriegsjahre sitzen in einem Holzgehäuse, das zum Teil mit gepolstertem und genarbtem Kunstleder überzogen ist. Gab es dieses in ver-

schiedenen Farben, bevorzugen Sammler in der Regel solche Geräte, die sich vom sonstigen Grau abheben: rot, blau oder elfenbein. Das verträgt sich eher mit der


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Grundig Party-Boy um 1962 Grundig Music Boy, um 1961 Grundig UKW-Boy 56 II Akkord Jonny, um 1961 Anzeige Akkord Jonny

Idealvorstellung, die wir heute von der Wirtschaftswunderzeit haben. Typisch für diese Jahre sind die Namen vieler Kofferradios: Jonny (Akkord), Kavalier (Tele-

funken), Mambo, Mambino, Clipper und Condor (Nordmende), Percy, Lissy oder Ronny (Loewe Opta). Unter anderen Markenzeichen (Simonetta/Quelle, Hanseatic/

Otto Versand oder Neckermann) fanden sich einige der Geräte auch im Angebot verschiedener Versandhauskataloge. Neckermann hatte beispielsweise auch ein dekoratives Uhrenradio zu bieten: links die Uhr, im gleichen Design auf der rechten Seite die Senderskala, dazwischen die typischen Klaviertasten der 50er-Jahre und das Ganze im dunkelweinroten Bakelitgehäuse. Gebaut wurde dieser Kleinsuper um 1955/56 (auch ohne Uhr) bei AWB (Apparatewerk Bayern/Dachau). Erst das Angebot im Versandhaus-Katalog sicherte ihm wohl eine größere Verbreitung. Da auf Ultrakurzwelle (UKW) in Deutschland erstmals ab 1949 gesendet wurde, waren die frühen Empfänger zunächst nur für Mittel- und Langwelle ausgelegt. Trotzdem war ein Kofferradio kein billiges Vergnügen und für UKW-Empfang musste man ganz schön tief in die Tasche greifen: Als Nordmende um 1960 den Typ „Transita" mit UKW vorstellte (im rundlichem Gehäuse), verlangte der Händler 258 DM auf die Hand – verglichen mit der Kaufkraft

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von heute wären das mehr als 400 Euro! Dafür bekam man ein Kofferradio, das nach „neuestem Stand der Entwicklung volltransistorisiert" ist: „Überzeugend auf den ersten Blick: farbfroh, chic und elegant! Und im Betrieb: trennscharf, leistungsstark und klangschön! Jedes Detail, innen wie außen, ist beste deutsche Wertarbeit...", so liest sich der Werbetext auf der ganzseitigen Werbung in einer Illustrierten. Damals durfte man solchen Versprechen noch glauben, eine relativ große

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Quelle Simonetta

Nordmende Mambo, um 1961

Neckermann, AWB, Mitte 50er-Jahre

Werbung für Nordmende

Neckermann-Radio

Nordmende Transita, um 1960


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TECHNIK 19 Loewe Opta Percy, um 1961 Loewe Opta Ronny, um 1961 Nordmende Samba, um 1962 Philips-Radio mit Skalenlupe, Holland Philips-Radio Eine runde Skala findet sich in diesen Jahren ebenso bei jenen Empfängern, die nicht zum Mitnehmen gedacht sind. Dazu gehört unter anderem ein absoluter Design-Klassiker: der Braun SK 2. Hierbei handelt es sich um ein kompaktes kleines Röhrenradio im anthrazith oder hellgrau lackierten Bakelit-Gehäuse, das 1955 un-

Anzahl von überlebenden Geräten spricht für sich. Radios wie diese wurden zu jener Zeit häufig auch in einfachen Kleinanzeigen angeboten, meist auf den Innenseiten von Romanheften, Zeitschriften oder Technik-Magazinen und gerne im Zusammenhang mit dem Angebot einer Ratenzahlung oder sogar vollem Rückgaberecht bei Nichtgefallen. So machte man einerseits auf solche Kleingeräte aufmerksam, andererseits wollte man jene Kunden locken, die vielleicht kein Radiogeschäft in der Nähe hatten oder keinen Anlass sahen, dort hineinzugehen.

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Emerson Vanguard, USA um 1958 Braun SK2 von 1960 Panasonic Transistorradio, Japan Philips Philettina Ilmenau Radio, DDR ter den Händen von Fritz Eichler entstand. Neben weiteren Formgestaltern war er von Erwin Braun höchstselbst ins Firmenboot geholt worden; beide sollen Kriegskameraden gewesen sein. Mit dem SK 1 bzw. später SK 2 und SK 25 schuf er ein Meisterstück, das nicht nur von der Form begeistert, sondern in dieser Klasse auch technisch keine Wünsche offen lässt. Ein topp erhaltenes spielbereites Exemplar honorieren Sammler schon mal mit 100 bis 200 Euro; es gilt als wertbeständig. Als Schnäppchen kann man dagegen die „Philettina” von Philips bezeichnen; sie ist sozusagen die kleine Schwester der be03 / 14

rühmten „Philetta” und man kann sie schon in ordentlichem Zustand für weit weniger als 50 Euro bekommen (noch!). Neben dem farbig lackierten Plastikgehäuse (u. a. weinrot oder pastellgrün) fällt vor allem die große, metallisch und häufig rot glänzende Skala für UKW und MW hinter der

„Drehscheibe" auf. Hier wird einmal mehr deutlich, dass die Art der Senderanzeige ein wichtiges Design-Element ist. Das wird auch bei dem Typ „Ilmenau 210" deutlich, einem kleinen Röhrenradio, produziert zu Anfang der 60er-Jahre bei RFT Stern Radio Sonneberg in der DDR. Leider emp-


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Schaub Lorenz-Radio Sanshin, vermutlich um 1960 ACEC, Belgien, um 1956 Belson-Radio Tungsram-Radio, um 1943 Philips Fanette, um 1961

fängt es nur Mittelwelle und zwei Kurzwellenbereiche, vielleicht ein Grund dafür, dass das hübsche Radio des früheren Arbeiter- und Bauernstaats noch für kleines Geld zu haben ist. Sammler sollten sich auf jeden Fall ein Exemplar sichern, denn es ist auch ein Stück DDR-Geschichte. 03 / 14


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Sonolor-Kofferradio aus Frankreich Ingelen, Österreich, um 1959 Für dieses Selbstbau-Radio benötigte man drei Kosmos-Baukästen, um 1970

tes Erfolgserlebnis, die Bestätigung, etwas erfolgreich gemeistert zu haben! „Vom Gebirg zum Ozean, alles hört der Radiomann", so lautete einst der Werbespruch des Herstellers.

Sammlermarkt

General Electric, USA um 1956 Arvin MW-Radio, um 1962, mit separatem Lautsprecher Jugendliche, die sich für die Technik des Rundfunks interessierten, konnten sich entsprechende Experimentierkästen von Kosmos unter den Weihnachtsbaum legen lassen. Sie trugen die Bezeichnung „Radiomann" oder „Radio+Elektronik". Damit ließ sich ein einfacher Rundfunk-Empfänger bauen; für das hier abgebildete Gerät, ebenfalls mit Rundskala ausgestattet, benötigte man neben einer Grundausstattung zwei Ergänzungskästen. Das war nicht billig, aber wie toll muss es gewesen sein, tatsächlich die ersten Töne aus dem selbstgebauten Radio zu hören – ein ech-

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Zusammen mit den Japanern legten die Amerikaner großen Wert auf ein Design, das Formen des Art déco ebenso aufgreift wie Elemente aus dem Automobilbereich. Heute finden wir das bei Radios im sogenannten Retro-Look wieder, die ebenfalls sehr oft mit einer Rundskala ausgestattet sind. Daneben gibt es weitere Derivate mit eckiger Anzeige und einem sich kreisförmig drehenden Zeiger oder halbkreisförmige Skalen wie bei dem seltenen MWHeimempfänger von Tungsram aus der Zeit um 1943. Der Aufbau einer RadioSammlung kann wirklich Freude machen, zumal die meisten der (Koffer-)Empfänger nur wenig Platz benötigen. Die Suche nach perfekten Geräten ist zwar mühsam, aber gerade das macht einen großen Reiz des Sammelns aus, die Entdeckung, vielleicht das Bewusstsein, ein „Schnäpp-

chen" gemacht zu haben. Viele Geräte lagerten jahrelang im feuchten Keller, auf staubigen und im Sommer heißen Dachböden oder sie lagen schon im Sperrmüll oder Elektroschrott, bevor sie jemand wieder von dort herausfischte und rettete. Selbst ein auf den ersten Blick sehr geschundenes Teil kann ein anderes komplettieren. Dreck, Beulen, angelaufene Messingteile, gebrochene Plastikgehäuse, fehlende Knöpfe und eine schadhafte Technik können je nach Grad der Ausprägung eine Herausforderung für denjenigen sein, der eine Restaurierung in Angriff nimmt. Wenn jemand aus Aschenputtel wieder ein Schneewittchen macht, dem Radio ein zweites Leben schenkt, um es der Nachwelt zu erhalten, nimmt nicht nur das Prinzip der Nachhaltigkeit, ein Begriff aus heutigen Tagen, Gestalt an, es vermittelt auch ein ganz persönliches Erfolgserlebnis. Beim Erwerb aber gilt der Grundsatz jeder Sammlung: Erst der Sammler bestimmt den Preis! Für eine entsprechende Summe Geld ist beinahe alles zu bekommen, aber manche Preisforderungen sind schon sehr optimistisch. Der Sammler selbst sollte wissen, was ihm der Besitz eines Objektes wert ist. Dank an Erwin Hackenberg und Detlef Haugk Fotos: Reinhard Bogena


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DER TOLLE KÄFER REINHARD BOGENA

Kult um Herbie

Herbie von Taiyo und Filmplakat

Das Ei als Grundform Volkswagen – bis heute verbinden selbst viele junge Menschen mit diesem Namen den VW Käfer. Er ist das geworden, was

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man so gerne als Kultgegenstand bezeichnet, er wird gesammelt, geliebt, verehrt und zum Kunstobjekt umgestaltet, obwohl seine Form selbst längst als Kunstwerk gilt. Das Ei als Grundform – was kann man daran noch verbessern? – so hieß es einst in der Werbung. Hartgesottene fah-

ren das Krabbeltier bis heute, das originale, versteht sich, und nicht seine Wiedergeburt in Form des New Beetle. Von Kritikern schon in den 60er-Jahren totgesagt, Kino-Aushangfoto und Programmheft


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FILM-MEMORABILIA 85 Hauptrolle spielt (engl. Originaltitel: The Love Bug). Walt Disney selbst hatte die Idee, verstarb dann aber leider noch während der Vorbereitungen zum ersten Film. Die Handlung basiert auf einer Kurzgeschichte von Gordon Buford mit dem Titel „Car-Boy-Girl". Hauptdarsteller wurde ein weißer 1963er-VW Käfer mit Exportstoß-

An der Tischkante wird das Antriebsrad gebremst. Die Rückleuchten Herbies sind ohne Bemalung konnten sich dennoch die wenigsten Menschen vorstellen, dass der Käfer eines Tages von unseren Straßen verschwinden wird; er krabbelte schlichtweg überall, wohin man auch schaute. Objektiv betrachtet, war er nicht immer frei von Mucken, eine sehr bescheidene Heizung, bei ungünstigen Wetterbedingungen schnell beschlagende Scheiben, und dem VW 1300 sagt man nach, dass er ein Spritsäufer sei. Dessen ungeachtet rekrutierten sich seine Besitzer aus allen Gesellschaftsschichten, vom Studenten über Arbeiter und Lehrer bis zum Mediziner. Selbst der Amerikaner Mike Collins, einstiger Pilot des Raumschiffes Apollo 11, bewegte privat einen VW Käfer. Das Geräusch seines luftgekühlten Boxermotors klingt uns vertraut in den Ohren, obwohl wir ihn im Alltagsverkehr nur noch selten antreffen. Immerhin sind Generationen mit ihm aufgewachsen, ja, manche behaupten gar, er sei ein Familienmitglied gewesen, das zufällig auf Rädern steht. Man personalisierte ihn, gab ihm Namen; nicht wenige Besitzer sprachen mit ihm und klopften nach langer Tour anerkennend auf sein Lenkrad, gerade so, als ob er das spüren müsste.

53 Kein Wunder, dass ihn auch die Filmindustrie entdeckte, ja, entdecken musste! 1968 konnten wir das Ergebnis in den Kinos bewundern: „Ein toller Käfer" lautet der deutsche Titel des ersten Walt-DisneyFilms, in dem das Wolfsburger Produkt die

stangen und großem Schiebedach. Wie es in der Überlieferung heißt, fiel die Wahl auf dieses Modell, weil es das einzige war, bei dem Passanten im Vorbeigehen lächelten, kurz stehen blieben oder gar über Kotflügel streichelten. Zum markanten Zeichen Herbie-Geschichte im „hobby”-Magazin und das Buch zum Film

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View-Master mit Scheiben und zwei Fotos aus View-Master-Beiheft

wurden die asymmetrisch aufgeklebten Rallyestreifen und eine große Startnummer. Man sagt, der Produzent des Films Bill Walsh habe sich eher zufällig für die „53" entschieden, weil auch ein bekannter Baseballspieler diese Nummer trug. Der Name des Wagens, Herbie, entstand hingegen aus der Bezeichung „Humanoid Experimental Robot, B-type, Integrated Electronics”. Dieser kompliziert klingende Ausdruck sollte verdeutlichen, dass es sich nicht um ein normales Auto handelt, sondern um ein Experimentierfahrzeug, das gewissermaßen „menschliche Züge" (Humanoid) besitzt. In der Tat lebt der Film letztlich von dem Eigenleben, das Herbie an den Tag legt. Ein Auto, das Gefühle zeigt, so etwas entbehrt nicht einer gewissen Komik. Getragen vom roten Faden der Filmhandlung „Gut gegen Böse", zeigt Herbie viele menschliche Regungen, die beim Zuschauer ebenso Lachanfälle wie Mitleid auslösen. Insgesamt wurden sieben Filme produziert – Kino für die ganze Familie. Wie beim Film üblich, hatte man mehrere identisch aussehende Volkswagen präpariert. So war jener Herbie, der bei Rennen eingesetzt wurde, mit einem Porsche-Motor aufgerüstet und besaß auch sonst einige tunerische Feinheiten, ohne die viele spektakuläre Fahrszenen nicht möglich gewesen wären. Nach Aussagen des Magazins „hobby" wurden während der Aufnahmen allein für den ersten Film 127 Rennfahrer am Steuer von Herbie eingesetzt, um die zum Teil halsbrecherischen Aktionen auszuführen. Die Filmreihe trug dazu bei, das Image des Volkswagens auf Comic zum Film – Herbie im Comic 03 / 14

positive Art weiter zu fördern und kurbelte vor allem in den USA den Verkauf an. Wer ein Auto bisher emotionslos betrachtet hatte, sah zumindest den Käfer nach dem Anschauen des Films auf einmal mit ganz anderen Augen. Einige Fans kamen hier ebenso wie in anderen Teilen der Welt auf die Idee, ihren VW wenigstens optisch in einen Herbie zu verwandeln. Nach entsprechenden Rallyestreifen und der Startnummer musste man damals jedoch lange suchen. Von einer Vermarktung spezieller Filmaccessoires, wie es heute geschieht, konnte man noch nicht sprechen.

Filmaccessoires Immerhin gab es ein Buch zum Film, das 1970 auch in deutscher Übersetzung erschien (Verlag Styria, Graz). Auf 120 Seiten (etwas kleiner als DIN-A-5-Format) wird die Geschichte vom tollen Käfer erzählt, ergänzt durch zahlreiche Bilder (in Schwarzweiß) aus dem Film. Es wäre nicht Walt Disney, wenn es nicht auch Comics zum Thema gegeben hätte, darunter zum Beipiel das 18. Heft der Serie „Mickyvision" aus dem Jahre 1969. Anlässlich eines späteren Herbie-Films besaßen die MickyMaus-Hefte Nr. 43 und 44 von 1974 als Beilage einen farbigen Herbie-Bastelbogen aus festerem Papier. Und da sich der View-Master, ein Gerät zur Betrachtung von Stereo-Fotos im Kleinformat, in den USA einer großen Beliebtheit erfreute, erschienen bereits 1968 auch drei BildScheiben à sieben Fotos mit Begleitheftchen (11,5 x 11,5 cm), in dem die dargestellten Szenen erzählt werden. Die räum-


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liche Wirkung dieser winzigen Dia-Positive (Format nur 1,2 x 1,1 cm) ist in der Tat verblüffend, wenn man sie durch einen ViewMaster-Betrachter anschaut.

Taijo Das Titelbild des Begleitheftes ist eine wunderbar dekorative Ergänzung zum hi-

storischen Modell von Herbie aus Blech, sofern man das schon in der Vitrine stehen hat. Es stammt aus Japan, wo noch länger als in Deutschland Blechspielzeuge produziert wurden. Den Namen des Herstellers Taiyo findet man beim Blick durchs rechte Seitenfenster auf der Rücksitzbank. Der „Love Bug”, wie er auch auf Englisch genannt wird, imponiert durch seine Größe von ca. 24 cm und ist, wie gesagt, aus dem gleichen Material wie das große Vorbild, nämlich aus lackiertem Blech. Zusammen

Micky Maus-Hefte mit Herbie-Bastelbeilage. Beide Teile der Bastelbeilage aus Micky Maus-Heften Der VW in ziviler Version und als Filmauto. Die Markung befindet sich auf dem Rücksitz mit den gerundeten Formen des Käfers schmeichelt er, subjektiv betrachtet, der Hand, wie man so schön sagt. Im Gegensatz zu aktuellen und detaillierteren VitriInnenleben des Taiyo-Käfers Taiyo-VW in ADAC-Ausführung, jüngere Version

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FILM-MEMORABILIA 88 Volkswagen im 70er-Jahre im Rallye-Look. Mystery-Action, von innen besehen Der jüngere Käfer erhielt ein verchromtes Lenkrad. Die Originalschachtel zeigt das alte VW-Modell nenmodellen aus Spritzguss muss man keine Angst haben, etwas abzubrechen. Der Antrieb geschieht durch das berühmte „5. Rad am Wagen”; es sitzt schräg gestellt mittig hinter der Vorderachse. Davor befindet sich eine Art Zunge, die an der Tischkante hoffentlich nicht klemmt und ein Stück herunterfällt. Dabei wird das Antriebsrad abgebremst, es dreht sich im gleichen Moment zur Seite, das Fahrzeug wendet und fährt weiter. Dieser besondere Mechanismus sorgt dafür, dass das Modell nach dem Start auf einem Tisch herumfahren kann, ohne abzustürzen (Mystery Action). Dieselbe Funktion, aber interessanterweise mit anderer Technik, hatte es zuvor schon bei dem Wendeauto von Schuco gegeben, jenes Fahrzeug war jedoch deutlich kleiner. Zwei 1,5-Volt-Monozellen müssen die nötige Energie für den Fahrbetrieb aufbringen, denn produziert wurde der Käfer nicht für Sammler, sondern als Spielzeug. Deshalb sollen blinkende Lämpchen im Heckfenster das Spiel des Autofahrernachwuchses bereichern. Das komplette System setzte Taiyo über viele Jahre hinweg auch bei anderen Fahrzeugen ein, die vorwiegend amerikanischen Vorbildern nachempfunden sind. Der Käfer von Taiyo besitzt die bei VW-Fans so beliebten Exportstoßstangen und separate Zierleisten einschließlich eines VW-Emblems auf der Haube, das übrigens dem echten Filmauto fehlte. Dort im Film ist auch nie die Rede vom Volkswagen, sondern nur vom „kleinen Auto", was wohl juristische Gründe hatte. Das Modell besitzt ferner eine Frontund Heckscheibe mit blechernem Rahmen und Radkappen (aus Plastik) mit VWEmblem. Die Inneneinrichtung ist lithografiert, am Armaturenbrett erkennt man das Vorbild. Dass Türgriffe, Blinker und Heckleuchten nur im Blech eingeprägt sind,

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schmälert den Reiz des Japan-Herbies nicht. Dasselbe Modell gab es auch in anderen Farben ohne die Accessoires des Filmautos, doch gerade die sind es, die den VW zu etwas Besonderem machen, was sich im Preis niederschlägt; während man den normalen Taiyo-Käfer im guten Zustand schon für ca. 50 bis 120 Euro finden kann, muss für „Herbie" rund 30 Prozent mehr gerechnet werden. Da dem ersten Filmstreifen weitere folgten und damit das Thema „Herbie" auch in den 70er-Jahren aktuell blieb, legte Taiyo den Käfer später noch einmal neu auf, rüstete ihn aber mit den Stoßstangen des jüngeren Modells aus ohne „Rammbügel"; alles Übrige blieb weitgehend gleich. Das Deckelbild der Schachtel, in der er einst verkauft wurde, wurde dem nicht angepasst, es zeigt nach wie vor das alte Modell.

Love Beetle Von der Zweitauflage gab es neben einer zivilen Version auch den so genannten „Love Beetle". Dieser in der Farbe Orange lackierte Volkswagen war ein Produkt der Flower Power-Zeit. Doch in der Seele des Herstellers schienen zwei Herzen zu schlagen, eines für den Rallyesport – dafür sprechen Startnummern und Sponsorenaufkleber – und eines für die Hippie-Ära, was die zusätzlichen Blümchen (im einfachen Prilblumen-Stil) verdeutlichen. Alle „Aufkleber" sind Teil der Lackierung, sind also nicht ablösbar. Während der eine Verkäufer diesen bunten Käfer als Spielzeug ohne größeren Wert ansieht, betrachtet ihn der andere als zeitgenössische Rarität,


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FILM-MEMORABILIA 89 Unterschiedlich lithografierte Rückleuchten Mini-Herbie mit Funkfernsteuerung (MatchboxVW zum Vergleich)

was er im Prinzip ja auch ist. Dazu muss man wissen, dass zur damaligen Zeit einmal die Farbe Orange Hochkonjunktur hatte und Aufkleber jeder Art willkommen waren, um optische Mängel oder sogar Rostlöcher am Auto auf billige Art zu kaschieren. Insofern spiegelt der „Love Beetle” diesen Zeitabschnitt wider, die Preise dafür können aber stark differieren. Da der Spielzeug-Volkswagen in erster Linie für den amerikanischen Markt gefertigt wurde, gab es im Laufe der Zeit zahlreiche weitere Variationen. Eher für die deutsche Kundschaft produzierten die Japaner den ADAC-Volkswagen – auch mit Kabelfernbedienung und gelber Rundum-Leuchte auf dem Dach. Trotz gleicher Karosserie besitzen jene mit Fernsteuerung ausgerüsteten Käfer eine (Plastik-)Verglasung rundum, im Gegensatz zum Mystery-Action-VW, dessen Seitenfenster (auch hinten) offen sind. Die Karosserie wird wie bei den meisten Blechspielzeugen durch umgebogene Blechlaschen am Bodenblech gehalten; für mögliche Reparaturen müssen diese meist aufgebogen werden, insgesamt zwölf Stück. Das ist möglich, muss aber selbstverständlich mit größter Vorsicht geschehen, damit sie nicht brechen und man sich am scharfkantigen Blech nicht verletzt. Brechen kann auch der Batteriekasten für die beiden 1,5-Volt-Monozellen, denn er besteht aus Plastik, was sich gegebenfalls kleben lässt.

Spiel von Noris Doch noch einmal zurück zu Herbie. Für gesellige Abende, vielleicht nach einem der Filme, die es natürlich für zu Hause

auch in Super-8, als Videokassette und als DVD gibt, empfiehlt sich das Herbie-Gesellschaftsspiel, das der Spiele-Hersteller Noris 1970 vorstellte. Es nennt sich wie der Filmtitel „Love Bug – Ein toller Käfer" und zeigt auf dem Kartondeckel eine bekannte Szene des Films. Zwei bis vier Spieler können gegeneinander antreten. Ein Würfel und vier kleine Plastikautos, wie wir sie aus früherer Zeit auch aus Wundertüten kennen, gehören als Spielfiguren dazu. Wer jedoch den „echten" Herbie sucht, wird enttäuscht – dem Spiele-Käfer fehlen die Accessoires. Zudem wirkt der zweifach gefaltete Spielplan mit seiner dünnen Pappe eher billig. Berücksichtigt man die Größe der einzelnen Auto-Spielfiguren, die eine Länge von knapp 5 cm aufweisen, ist er außerdem mit seinen 43 x 29,5 cm viel zu klein. Was die optische Gestaltung betrifft, schrill bunt mit einigen Filmbildern, entspricht es vielleicht dem Stil der Zeit, kann aber ebenso nicht wirklich überzeugen. Zu Beginn des Spieles wird ausgewürfelt, wer den VW Käfer bekommt; dann geht es darum, das eigene Fahrzeug zuerst ins Ziel zu bringen. Auf verschiedenen

Feldern warten unterschiedliche Ereignisse auf den Spieler bzw. „Fahrer". Trotz aller Kritik lebt dieses Brettspiel vom Kultstatus des VW-Käfers und Herbie insbesondere. Preise von bis zu 50 Euro für ein komplettes Spiel sind daher nicht unüblich. Über die Jahre hat Herbie viele Brüder und Schwestern bekommen, die vom Filmruhm des Originals zehren. Sein Bekanntheitsgrad ist nicht zuletzt durch die Veröffentlichung der Kinostreifen im Fernsehen ungebrochen. Darum gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Herbie-Modellen, die lange nach den ersten Filmen auf den Markt kamen, und täglich werden es mehr, wie eine gerade im Moment ins Haus flatternde Werbung des örtlichen VW-Händlers mit einem Bobbycar im Herbie-Look zeigt. Herbie ist Kult – bis heute! Quellen: Wikipedia. – Hobby Nr.17/1969 Fotos: Reinhard Bogena

Das Spiel zum Film – Spielplan mit Autos


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ALS KITSCH NOCH KUNST WAR HEIDRUN TH. GRIGOLEIT

Unter dem Titel als „Kitsch noch Kunst war – Farbendruck im 19. Jahrhundert" ist im Deutschen Kunstverlag 2013 anlässlich einer Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg eine Publikation erschienen. Auf 129 reich bebilderten Seiten werden ausführlich alte Drucktechniken beschrieben und Gelegenheitsgrafik, Ereignisbilder, Illustrationen in Kinderbüchern, Wandbilddrucke, Sammelbilder und Plakate gezeigt, die im künstlerischen Farbendruck bis in die 1890er-Jahre hergestellt wurden. Die meisten dieser Farbdrucke befinden sich genau seit 120 Jahren im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Das Projekt entstand durch die Initiative von Jürgen Döring, dem Leiter der grafischen Abteilung des Museums. Farbendruck Viele der bunten Drucke in dem Katalog würde man heute ohne Zögern als Kitsch bezeichnen. Doch zur Zeit ihrer Entstehung wurden die Bilder ganz selbstverständlich als Kunst angesehen. Das Wort „Kitsch" kennt man in anderen Sprachen übrigens nur als Übernahme aus dem

Deutschen. Zwar fällt es leicht, ein Objekt als „kitschig" zu bezeichnen. Eine Definition, worum es sich bei diesem Phänomen eigentlich genau handelt, fällt hingegen schwer. Als Kitsch wird jedoch häufig empfunden, wenn eine Darstellung zu banal, gefällig und süßlich durch eine überschwängliche Ausschmückung, ein Übermaß an Ornamenten und überflüssigen Dekorationen wird. Jedoch stehen sich Kitsch und Kunst sehr nahe und die Un-

terscheidung hängt oft vom persönlichen Geschmack und der Sozialisation des Betrachters ab. In dem Band geht es um die Entwicklung des Farbendrucks bis in die 1890er-Jahre. Die Anfänge der Chromolithografie sind bekannt: 1796 erfand Alois Senefelder aus München die Lithografie und ließ sich das Verfahren 1799 zunächst patentieren. Um 1820 gab es erste brauchbare Ergebnisse mit dem Farbendruck. Die FarTitelbild für einen Zyklus über die Julirevolution 1830, verlegt von Knecht & Roissy, Paris 1831, Chromolithografie, 52,6 x 43 cm Godefroy Engelmann, Titelseite, Mulhouse 1837, Chromolithografie, 40,2 x 28,8 cm Weinetiketten aus einem Musterbuch der Berliner Druckerei Stentz, Berlin ca. 1832 bis 1855, Etiketten 6-8 cm x 11-13 cm 03 / 14


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ben wurden damals im Vollton nebeneinander gedruckt. Ein schönes Beispiel für dieses frühe Stadium des Farbendrucks ist ein Titelblatt über die Julirevolution 1830, das in den Farben der Trikolore gedruckt ist. Godefroy Engelmann gelang es dann durch Übereinanderdrucken vieler Farben, einen wesentlich weicheren Farbübergang zu erzielen. Zur Aufrasterung setzte sein Lithograf Rudolf Huber die so genannte Punktiertechnik ein, bei der Farben in feinen und eng gesetzten Punkten gedruckt wurden. Bei den vor 1850 gedruckten Chromolithografien handelt es sich zumeist um Gelegenheitsgrafiken: farbige Titelseiten, festliche Grußadressen, Etiketten, Einladungen, Briefpapier, Kalender oder Menükarten. Wegen kleinerer Formate waren diese Grafiken auch drucktechnisch leichter zu bewältigen. Zudem waren es meist feste Auftragsarbeiten, für die die Druckerei trotz des Mehraufwandes des Farb-

druckes einen festen Abnehmer hatte. Um die Jahrhundertmitte konnten dank fortschreitender Technik auch große Formate farbig gedruckt werden. Viele der erhaltenen Beispiele und Ereignisbilder aus den 1855er-Jahren waren ebenfalls konkrete Auftragsarbeiten: etwa Porträts und Gruppenporträts, Darstellungen bedeutender Ereignisse (etwa die Restaurierung des Münsters in Aachen) oder Erinnerungsblätter (etwa an die Düsseldorfer Gewerbeausstellung). Solche repräsentativen, gerahmten Drucke waren dekorativer Wandschmuck und Beweis der Teilnahme am sozialen Leben. Auch das bürgerliche Vereinswesen spielte dabei eine bedeutende Rolle als Auftragsgeber. Farbige Wandbilddrucke kamen zu einer Zeit auf, als städtische Kunstvereine begannen, mit grafischen Jahresgaben ihre Mitglieder zu erfreuen und zu bilden. Es wurden damals häufig Reproduktionen anerkannter Kunstwerke mit ganz unterschiedlichen Motiven veröffentlicht – etwa Darstellungen von Heiligen, Landschaftsbilder, Personen, Blumen, Schiffe Menü- oder Tischkarten, Berlin um 1845, Chromolithografie, 12 x 8 cm; 10,2 x 13,3 cm; 11 x 16,9 cm Augusta von Preußen, Charlotte von Itzenplitz und Luise von Baden, Druck und Verlag von Breidenbach & Co., Düsseldorf 1871, Chromolithografie und Lichtdruck (die Porträts), 42,3 x 30 cm Sixtinische Madonna nach einem Gemälde von Raffael, Druck Otto Radde Hamburg, um 1875, Stenochromie, 75,7 x 56,6 cm „Duell auf Schlaeger" der Mensur des Seniorenconvents in Heidelberg, gedruckt bei Lemercier in Paris, verlegt von Meder in Heidelberg 1850, Chromolithografie, teilweise handkoloriert, 53,1 x 73,6 cm 03 / 14


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oder markante Gebäude. Die Kunst der Nazarener oder auch der Düsseldorfer Malschule wurde auf diese Weise verbreitet und bekannt. Meistens handelt es sich um Umrissradierungen, penibel geführte Stahlstiche oder um sorgfältig gezeichnete Kreidelithografien. Als Reproduktionstechnik wurde die Chromolithografie nach 1870 eingesetzt. Zudem eroberte der Farbdruck – nach den Ereignisbildern und den Wandbildern, die weiterhin eine große Rolle spielten – einen neuen Bereich, der schnell anwuchs: die Illustration. Für Zeitschriften und Tageszeitungen war der drucktechnische Aufwand jedoch noch zu groß, dafür erschienen ab Mitte der 1850er-Jahre zunehmend Kinderbücher mit farbigen Illustrationen. Zunächst bereiteten kräftige Farben auf einfachem Buchpapier noch Probleme und man musste Farbtupfer mit Hand hinzufügen. Schon ein Jahrzehnt später benutzte man die sich weiter entwickelte Chromolithografie, um Kinderbücher sehr gekonnt farbig zu illustrieren.

Farbige Holzstiche Die Bedeutung, die der Farbendruck ab Mitte 1850 erlangte, lässt sich daran ablesen, dass auf diesem Gebiet verstärkt nach neuen, besseren, aber auch einfacheren Methoden gesucht wurde. Beispiel dafür ist der Londoner Drucker Edmund Evans, der sich auf farbige Holzstiche in Kinderbüchern spezialisierte und mit Walter Crane zusammenarbeitete. Auch in Deutschland wurden farbige Holzschnitte erfolgreich eingesetzt, etwa vom Berliner Verleger Richard Bong. In Paris experimentierte der Drucker Charles Gillot mit farbigen Strichätzungen – ebenfalls einem Hochdruckverfahren. Seit 1870 gab es 03 / 14

Leuchtfeuer auf dem Eifelturm, Georges Garen, Paris 1889, Chromolithografie, 61,2 x 39,9 cm Gewerbeausstellung für Rheinlande und Westphalen, Düsseldorf 1852, Farbendruck von Winckelmann & Söhne, Berlin, Chromolithografie 46,7 x 61,1 cm Schnelldampfer Augusta Victoria, Druck J. Aberle & Co. Berlin & London, 1889, 109 x 78,8 cm Theodor Hosemann, „Aus meiner Mappe" , Bilderbuch-Umschlag, Berlin 1874, Druck und Verlag Winckelmann & Söhne, Chromolithografie, 26,2 x 20,3 cm auch immer wieder Versuche, die Fotografie in den Farbendruck einzubringen. In einem in Hamburg entwickelten Verfahren, der so genannten Stechnochromie, wurde der Pigmentdruck auf passend zum Motiv eingefärbtem Papier aufgetragen. Da diese Verfahren sehr kompliziert waren, konnten sie sich aber kommerziell nicht durchsetzen.

Plakate und Sammelbilder Die Chromolithografie wurde dann ständig verfeinert und optimiert und die Qualität der Grafiken verbessert. Deshalb druckte man die wichtigsten innovativen Medien der Zeit ausschließlich lithografisch – nämlich Plakate und Sammelbilder. Die beliebten Sammelbilder kamen nach 1870 in Paris auf. Sie lagen Lebensmittelpackungen bei und erreichten so eine ernorme Verbreitung. Mit unterhaltsamen und lehrreichen Inhalten verdrängten die Sammel-


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Walter Crane, Pothooks and Preseverance, Marcus Ward & Co. Limited, London 1886, Strichätzung, 22 x 22 cm Sammelbild für McLaughlin’s Coffee, Druck Shober and Carqueville Lith. Co. Chicago, um 1890, Chromolithografie, 17,6 x 13,8 cm

bilder die traditionellen Bilderbögen, die als schablonenkolorierte Lithografien in den Jahren zuvor sehr erfolgreich gewesen waren. Um dem kleinen Format der Sammelbilder gerecht zu werden, erforderte es jedoch einer großen Sorgfalt im Druck. Auch bei Bildplakaten handelte es sich um 1890 mit wenigen Ausnahmen um Chromolithografien, die ausschließlich in Innenräumen verwendet werden konnten. Die empfindlichen Oberflächen waren nicht wetterfest. Häufig wurde damit für Lebensmittel geworben, besonders für Luxusgüter wie Kaffee, Kakao oder Liqueur. Aber auch Reisen, Schnupftabak, verschiedene Seifen oder andere Produkte

wie Landmaschinen, Kraftfuttermittel oder Fahrräder bewarb man mit den großformatigen, lebendigen und bunten Plakaten. Im Format unterschieden sie sich nicht von den Wandbilddrucken und wurden, wie diese, gerne als Wanddekoration aufge-

hängt. Gegen 1890 waren Chromolithografien so sehr beliebt und überall im Umlauf, dass sich auch erste kritische Stimmen meldeten. Ein amerikanischer Journalist beklagte „den Niedergang der Sitten" und erfand dafür den Begriff „Chromo-

Walter Crane Toy Books „The Beauty and the Beast”, George Routledge and Sons, London & New York 1874, Druck Edmund Evans, Engraver and Printer, Holzstich Aus: Sammelbilder Europas Herrscher, 6-teilige Serie von Stollwerck, Chromolithografie, 9,3 x 4,8 cm

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benspektrum darstellen und schuf Bilder in ganz neuer Frische und Lebendigkeit. Zudem war seine Spritzmethode, das „Crachis", auch technisch wesentlich einfacher zu bewältigen als die Chromlithografie mit ihren zahlreichen Drucksteinen und einem vielfachen Übereinanderdrucken von Farben. Aus der industriellen Technik der Chromolithografie wurde so die moderne Farblithografie, die auch ein einzelner Künstler für seine Werke anwenden konnte.

Hignett’s Barrel Snuff: Schnupftabak am Stück, Druck J. Aberle & Co., London & Berlin, um 1890 Chromolithografie, 45,5 x 35,4 cm Hans Bohrdt: Transatlantiklinie AntwerpenNew York, Red Star Linie: Dampfschiff Westerland Druck Mühlmeister & Johler, Hamburg & Bremen um 1890, Chromolithografie, 106,4 x 73 cm Nach George Dunlop Leslie: „Sunlight Soap", London 1887, Chromolithografie, 73,7 x 36,1 cm Civilisation". Dieser stand für „die schlechte Moral, besonders in Wirtschaft und Politik und für Materialismus". Die Befürworter der Entwicklung, der amerikanische Lithografenverband, konterte 1893 im „Lithographer’s Journal" auf Seite 52: „Innerhalb weniger Jahrzehnte erhob sich der öffentliche Geschmack aus der Missachtung des Schönen … und schätzt nun die dekorativen Angebote, die eine großzügige Industrie so günstig gemacht hat, dass sie in die Reichweite aller kamen, um ihr 03 / 14

Heim zu verschönern. Die deprimierende Monotonie leerer Wände hat hellen Farben Platz gemacht … Es gibt keinen Ort mehr, arm oder reich, wo man keine Bilder sieht".

Künstlerischer Farbendruck Ab 1890 setzten sich dann neue Techniken durch. Zudem eroberte eine junge Generation von Künstlern den Farbendruck und zeigte völlig neue stilistische Möglichkeiten auf. Beides – die neuen Techniken wie der künstlerische Farbendruck – ließen die Chromolithografie irgendwie altertümlich erscheinen. Die moderne Farblithografie wurde von Jules Chéret entwickelt. Er führte die Spitztechnik ein, mit der ihm eine Leichtigkeit und Feinheit der Tonwerte gelang, die bisher kein maschinelles Raster oder die Punktiermethode erreicht hatten. Zunächst bevorzugte Chéret die drei Farben Rot, Grün und Schwarz. Dann ging er dazu über, in allen Grundfarben zu drucken. Mit seiner neuen Methode konnte er mit nur drei Steinen das gesamte Far-


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GRAFIK 101 Wyss Kneipps’s Malzkaffee, Schweiz um 1895, Chromolithografie, 55,3 x 77 cm Henri Toulouse-Lautrec, Mademoiselle Marcelle Lender (en buste), Beilage der Zeitschrift „Pan”, Druck: Eugène Verneau, Paris 1895, Lithografie, 43,5 x 32 cm Jules Chéret, „La Diaphne", Druck Chaix, Paris 1890, Farblithografie, 42,2 x 87,2cm, Ausschnitt

Chéret wurde auf der Weltausstellung 1898 mit einer Goldmedaille für seine Plakate ausgezeichnet. Diese und weitere Erfolge waren der Auslöser der „Affichomanie" und des „Poster Booms", wie es in London hieß. In Deutschland nannte man die Bewegung „Plakatsucht", an der Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec einen entscheidenden Anteil hatten. Vor 1890 hatten sich Bildende Künstler von Farbdrucken ferngehalten, die als industrielle und rein kommerzielle Erzeugnisse galten. Künstlerisch anspruchsvolle Grafik, so hatten es die Maler-Radierer propagiert, hatte „ausschließlich schwarz-weiß" zu sein. Als die deutsche Kunstzeitschrift „Pan" bei Toulouse-Lautrec 1895 eine Farblithografie in Auftrag gab, führte dies sogar noch zur Entlassung des Redakteurs Julius Meier-Gräfe. Und Herausgeber Eberhard von Bodenhausen wetterte, die Grafik mit dem Motiv der Mademoiselle Marcelle Lender sei eine „im Plakatstil

gehaltene bunte Lithografie". Diese Meinung und das Schwarz-Weiß-Dogma änderten sich unter dem Einfluss der sich weiter entwickelnden Plakatkunst aber schnell und so wurden farbige Grafiken ab 1898 auch wieder bei der wichtigen Pariser Ausstellung, dem Salon D’Automne, zugelassen.

Das grafische Werk des Künstlers Toulouse-Lautrec (1864-1901) umfasst rund 400 Blatt, von denen aber nur 60 Werke farbig sind. Dazu gehören jedoch alle seine 30 Plakate und auch seine anderen weltberühmten Drucke – etwa sein erstes Plakat für das Tanzetablissement „Moulin Rouge". Der provokante Toulouse-Lautrec, der produktivste Grafiker seiner Zeit, setzte Farben in großer Fläche ein und liebte schrille Kontraste wie auch delikate Zusammenklänge. Sein Porträt der Sängerin Marcella Lender wurde in der für Farblithografie ungewöhnlich hohen Zahl von acht Farben gedruckt, die noch heute frisch und sehr modern wirken. Als Kitsch noch Kunst war. Farbendruck im 19. Jahrhundert, Jürgen Döring / Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Deutscher Kunstverlag 2013. ISBN 978-3-422-07179-7.


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FLOHMARKTPREISE

■ Porzellan Künstlerteller „Zum 60. Geburtstag von Eckhart Witzigmann”, hergestellt von der Rosenthal AG in einer limitierten Auflage von 500 Stück im Jahr 2001. Bezeichnet „Attersee 2001 – Witzigmannteller”, handsigniert. Schon seit 1991 arbeitet der Maler (geb. 1940 Pressburg/Slowakei) im Bereich der freien Kunst für Rosenthal. Motiv „Adlerköpfe mit aufgesetzten farbigen Stilgläsern in Rot, Blau und Gelb, mit OriginalKarton. Im Handel oftmals zwischen 100 und 150 Euro angeboten. Flohmarktpreis: 50 Euro

■ Keramik

■ Porzellan

Keramikuhr, verso grüne Stempelmarke Modellnummer 0572, 1920er-Jahre, 24,5 x 18,5 x 7,5 cm. Uhrenschild aus Steingut mit profiliertem Rand, cremeweiß glasiert, unter der Glasur mittels Aerograph aufgebrachter geometrischer Schablonenspritzdekor aus diagonalen gelben Bändern und grünen Vertikalstreifen. Quadratisches Zifferblatt mit arabischen Stunden und Strichindizes. Aufzug bei der „6”, rückseitig einfaches, ungemarktes Uhrwerk mit Wandaufhängung. Dekorative Spritzdekoruhr im Stil der „Keramik der Weimarer Republik”. Preislich dürte die Uhr wohl das Doppelte erzielen.

„Bauer mit Sohn als Landarbeiter”, Boden undeutlich gemarkt „10039 Germany“, wohl kurz vor dem Ersten Weltkrieg in einer der bayerisch-böhmischen Porzellanzentren für preiswerte Porzellan-Massenartikel in Serie produziert. Typisches Vertikoporzellan, teilweise blau staffiert und goldbronziert, 20 x 20 cm. Der junge Feldarbeiter mit Sense und sein kleiner Sohn mit einem Rechen sind vor einer floral reliefierten Blumenschale postiert. Darin konnten kleine Blumengestecke gestellt werden. Eher dem „Nippesporzellan” zuzuschreiben, somit preislich kaum über 50 Euro taxierbar.

Flohmarktpreis: 30 Euro

Erscheinungstermin April-Ausgabe: Abo-Versand 14.3.2014 Erstverkaufstag Handel 21.3.2014 03 / 14

Flohmarktpreis: 25 Euro


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