2 Monate Termine
EXPERTISEN
n Strohblumendekor
!Die Firmen der Brüder Teichert (Carl und Ernst) in Meissen sind in erster Linie durch ihre Kachelofenproduktion bekannt, daneben stellten sie auch Gebrauchs- und Zierporzellan sowie Figuren und Baukeramik her Die Gründung erfolgte 1863 durch Carl Teichert, sein Bruder Ernst zog ab 1868 mit eigenen Betrieben nach Die Firmen gab es bis 1945, heute besteht dank moderner Heizmethoden kein Bedarf mehr an Kachelöfen Bei der Porzellanherstellung dominierte das urheberrechtlich nicht geschützte blaue Zwiebelmuster in Konkurenz zur staatlichen Porzellanmanufaktur (mit den Schwertern als Fabrikmarke) für das mittlere und untere Bürgertum als Käuferschicht, die sich das hochpreisige Schwerterporzellan nicht leisten konnten Neben dem Zwiebelmuster benutzte die Bevölkerung für den täglichen Gebrauch ein Dekor, der unter verschiedenen Bezeichnungen geführt wird: Strohblumenmuster, Blau Modell, Strohhalmdekor, Indisch Blau, Friesisch Blau u a Wikipedia schreibt im einschlägigen Artikel, dass mittlerweile 189 Firmen mit diesem Dekor in den verschiedenen Varianten bekannt seien Der Dekor selbst besteht bei den vorliegenden Brotplatten aus vier Feldern um einen inneren Kreis mit einer Zentralblume In jedem Feld windet sich eine aus einem Grasbüschel kommende gebogene Ranke nach außen zu einer zentralen Blüte, die ebenfalls durch eine Ranke mit dem gleichen Grasbüschel verbunden ist (zitiert nach Wikipedia)
Brotplatte mit Strohblume (245 mm h mit Griffloch, 145 mm
Für mich als Sammler einer speziellen Porzellanfirma, hier der von Teichert, war es seit Jahren das Ziel, einen Beweis dafür zu finden, dass Teichert auch den Strohblumendekor hergestellt hatte Das Ergebnis der Suche war erst kürzlich ein Angebot von Brotplatten, wie sie in gleicher Form auch mit dem Zwiebelmuster gefertigt waren Die Platten tragen rückseitig die Ankermarke (1901 bis 1923), unterglasur in blau sowie einen Pressstempel „Meissen" Damit sind die Stücke mindestens 100 Jahre alt Es ist anzunehmen, dass es neben diesen Brotplatten noch weitere Geschirrteile gegeben hat, leider ist bis-
Brotplatte mit Zwiebelmuster
her noch kein Nachweis dafür erbracht Beim Gang über den Flohmarkt ist es deshalb unerlässlich, die Geschirrteile umzudrehen und nach der Fabrikmarke zu schauen Karl B Thomas
n Aquarell von August Lafontaine
!
Hier habe ich ein Fundstück von einem der letzen Schätztage: Die leicht aquarellierte Bister- oder Sepiazeichnung ist oben betitelt „von August Lafontaine die Entdeckung der Insel Madeira“
Die fiktive Landschaft zeigt zwei Burgen
n In dieser Rubrik beantworten unsere Experten Ihre Fragen zu dem ein oder anderen guten Stück Doch leider sehen wir uns außerstande, ganze Nachlässe oder sämtliche sich in Ihrem Haushalt befindlichen Trouvaillen bewerten und schätzen zu lassen Auch bitten wir um Verständnis, wenn es mit der Bearbeitung länger dauert Senden Sie uns also Ihre Anfrage nur zu einem zu bestimmenden Objekt – mit detaillierter Beschreibung und gutem Foto, auf dem das Objekt ganz abgebildet ist
Noch ein Hinweis zu den Preisen, die von Fall zu Fall von unseren Experten genannt werden: Hierbei handelt es sich um Richtwerte, die anhand von Fotos allein getroffen werden und je nach Zustand des Objekts nach oben oder unten korrigiert werden können
Ihre Anfrage schicken Sie bitte an:
Gemi Verlags GmbH
Redaktion Leserforum
Robert-Bosch-Str. 2 85296 Rohrbach
oder per E-Mail an info@gemiverlag.de
und andere Gebäude in einer weiten Landschaft mit Blick auf eine Küstenlinie Unter der Zeichnung steht „Dorset bauwte (sic!) auf dem Weg nach Machams Burg sonß (sonst?) dem Tal der Freundschaft jetzt dem Aufenthalt der Liebe“
Die Erzählung „Die Entdeckung der Insel Madeira“ von August Lafontaine ist heute nur noch in einem einzigen Exemplar in einer tschechischen Übersetzung aus dem Jahre 1822 erhalten Zurück übersetzt ins Deutsche lautet der Text im Buch „Dorset baute auf dem Weg zu Machams Burg, irgendwo im Tal der Freundschaft, jetzt im Quartier der Liebe, auf jedem Platz (Ort) eine Gartenlaube (einen Altar) aus Rosen" Offenbar handelt es sich nicht um eine Visualsierung der Szene von der Hand eines seiner zum Teil illustren Leser (Franz Grillparzer, Joseph von Eichendorff, Achim von Arnim, Napoleon u a ), sondern tatsächlich um eine eigene Gedankenskizze des Autors
August Lafontaine war in seiner Zeit ein sehr populärer Autor, weit mehr als sechzig Romane und Erzählungen von seiner Hand sind bekannt In Übersetzungen erschienen seine Erzählungen in allen Ländern Europas und in Nordamerika August Heinrich Julius Lafontaine (1758-1831) entstammte einer aus Frankreich geflohenen Hugenotten-Familie Seine Werke wurden von den Lesern geliebt und von manchen Kritikern verdammt Heute ist der Autor weitgehend vergessen
Einen angemessenen Schätzpreis zu ermitteln ist schwierig Die Zeichnung ist von hohem Rang, aber der Ruhm des Künstlers ist verblasst Ein Wert von unter 500 Euro scheint angemessen
Klaus-Dieter Müller, Kunstexperte Lüneburg
n Coiffeuse
?
Ich hätte gerne nähere Informationen zu diesem Beistelltisch Hier die Bilder und einige Angaben: Höhe 75 cm, Breite 50 cm, Tiefe 36 cm Am Fuß des Möbelstückes befindet sich eine Singnatur Nach eigenen Recherchen sind wir uns nicht sicher, ob es sich um F Jourdain handeln könnte Die Vorderseite und die Rückseite sind identisch Tanja Schardt, o O
!
Bei dem Möbelstück scheint es sich um einen französischen Schminktisch bzw „coiffeuse“ zu handeln Diese Möbel waren ein „must have“ in der Zeit des Art déco Es gab sie in verschiedenen Ausführungen, z B mit einem Spiegel in der Klappe oder einem großen ovalen oder runden Spiegel eingepasst in die Form des Möbels Ich kann leider keinerlei Bezug zu den sehr klar strukturierten Möbelentwürfen von Francis Jourdain (1876-
1958) erkennen Der Brandstempel an so prominenter Stelle ist ungewöhnlich Selbst die stolzesten Ebenisten signieren unauffällig Ich lese eher „Fournier“ Leider lassen sich keine Hinweise zu dieser Werkstatt finden oder es handelt sich schlicht um ein sekundär angebrachtes Zeichen eines Vorbesitzers Ein Wert von unter 600 Euro scheint angemessen
Klaus-Dieter Müller, Kunstexperte Lüneburg
AUSSTELLUNGEN
n Barbie zum 65. Geburtstag
Seit ihr Film im Juli 2023 im Kino lief, ist Barbie wieder in aller Munde Das Museum Aschenbrenner in Garmisch greift den Faden auf und zeigt bis 7 April eine Sonderausstellung zum Thema Barbie Im Mittelpunkt wird dabei aber nicht der aktuelle Film stehen, sondern die Entwicklung der Barbie seit ihrer Erfindung im Jahr 1959 Beginnend mit der Barbie-Vorläuferin Lilly bietet die Ausstellung einen modischen Streifzug durch die Jahrzehnte Zu sehen sind Petticoats, strenge Kostüme, Bademode, Hippie-Outfits, die Neonfarben der 80er und aktuelle Mode Ein besonderes Highlight sind die Unikat-Barbies mit aufwändig geschneiderten Kleidern aus der Hand eines Kostümbildners, denen die Gewänder der Damen der Schönheitsgalerie Ludwigs I von Bayern auf den Leib geschneidert wurden Auch die Frisuren dieser Schönheiten sind ein Kunstwerk Liebevoll inszeniert geben die Barbie-Szenen Einblick in den „Lebensweg" der berühmtesten Puppe der Welt und laden ein, sich mit dem Phänomen Barbie näher zu beschäftigen
Barbie ist Hollywood-Star Der bisher letzte Schritt einer unglaublichen Karriere, die 1959 begann Damals produzierte die Firma Mattel die erste Barbie, nach einem deutschen Vorbild: der Bildzeitungs-Lilli Auf ewiglangen Beinen stakst sie seither weltweit durch Kinderzimmer und geht dabei immer mit dem Zeitgeist Ursprünglich als Modepuppe kreiert, die immer wieder neu eingekleidet werden kann und soll, mutierte sie später zur erfolgreichen Akademikerin, Sportlerin und Politikerin Sie wurde in unterschiedlichen Hautfarben produziert und mittlerweile gibt es auch Barbies im Rollstuhl oder mit Prothesen Jede und jeder soll sich in der Barbie-Welt wiederfinden
Barbie und ihre Freundinnen in sportlichen Posen und passenden Outfits in männlicher Begleitung; Museum Aschenbrenner Garmisch
Foto: Museum Aschenbrenner Garmisch
Ob das gelungen ist, sei dahingestellt –unbestritten ist, dass das Phänomen Barbie fasziniert, hitzige Debatten über Körperkult, Schönheitswahn und Feminismus anregt und aus der Spielzeugwelt trotz digitaler Konkurrenz nicht wegzudenken ist Die Sonderausstellung zeigt die schillernden Facetten des Lebens von Barbie, die 2024 ihren 65 Geburtstag feiert und im reifen Alter noch Hollywood-Star geworden ist Neben den klassischen Modepuppen der 1960er- bis 1980er-Jahre sind Highlights wie Promi-Barbies oder Barbiepuppen in maßgeschneidertem Gewand aus der Sammlung Ilona Matzke zu sehen, etwa die Damen der Schönheitsgalerie Ludwigs I Auch Ken darf ab und zu vorbeischauen Willkommen im Barbieland (S a „Trödler” 10/23, Beitrag von Dr Kathrin Bonacker)
Telefon: 08821 7303105
Webseite: www museum-aschenbrenner de
n Sterne, Federn, Quasten
Mit ihrem hochpoetischen, eigenständigen Stil etablierte sich Felice Rix-Ueno als eine der bemerkenswertesten Künstlerinnen der Wiener Werkstätte (WW) Sie schuf Hunderte Entwurfszeichnungen für die WW, vor allem für Stoffmuster, aber auch für Tapeten, Stickereien, Emailarbeiten, Mode- und Wohnaccessoires, Spielzeug und Gebrauchsgrafik In ihrer zweiten Heimat Japan reüssierte sie als Universitätsprofessorin und Gründerin eines eigenen Designinstituts Dieser einzigartigen Gestalterin, deren Geburtstag sich 2023 zum 130 Mal jährte, widmet das MAK in Wien die erste Ausstellung außerhalb Japans und zeigt in der Ausstellung „Sterne, Federn, Quasten Die Wiener-WerkstätteKünstlerin Felice Rix-Ueno (1893-1967)” mit rund 200 Objekten einen breiten Querschnitt durch ihr Œuvre Geboren wurde „Lizzi“, wie sie sich nannte, am 1 Juni 1893 in Wien Ihre aus Ungarn stammende Großmutter, Wilhelmine Rix, vertrieb das prominente Schönheits-
mittel „Pasta Pompadour“ Ihr Vater, Julius Rix, war vielseitiger Unternehmer, bis er als Filialleiter bzw Geschäftsführer für die 1903 gegründete WW tätig wurde Mit drei jüngeren Schwestern wuchs Felice Rix in einem großbügerlichen, jüdisch-liberalen Umfeld auf, wo kreatives Unternehmertum und Kunstschaffen aufeinandertrafen Nach einem Jahr an der privaten Malschule Streblow besuchte sie die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt, um dann an die Kunstgewerbeschule zu wechseln Um 1914 entwarf Rix ihre ersten Arbeiten für die berühmte Wiener Werkstätte (WW) Sie studierte zu dieser Zeit bei Josef Hoffmann, der die WW gemeinsam mit Koloman Moser und Fritz Waerndorfer gegründet hatte und seine Schüler vielfach zur Mitarbeit einlud Inspiriert von der japanischen Formensprache, die etwa anhand von Färberschablonen (Katagami) in der Kunstgewerbeschule vermittelt wurde, bildete Rix ihren unverwechselbaren Stil aus Bis zur Auflösung der WW 1932 war sie eine ihrer wesentlichen Gestalterinnen Im Zuge der Einrichtung einer WW-Filiale auf der Kärntner Straße 1918 beschäftigte sie sich erstmals mit dem Thema Wandmalerei Auf diesem Gebiet sollte sie bis zuletzt herausragende Gestaltungen schaffen Zunächst jedoch entwickelte die Künstlerin ein umfassendes Repertoire an Stoffmustern Die sowohl geometrischen wie floralen Motive zeichnen sich durch einen besonders feinen Strich und subtile Farbkombinationen aus Anregungen waren hier die erwähnten Katagami, aber auch Stoffmuster aus der Wiener Biedermeierzeit Die Affinität zu Japan zeigt sich auch in der Bezeichnung der WW-Stoffe, die zur besseren Unterscheidung Namen trugen: Sie hießen zum Beispiel Japanland oder Tokio und entstanden unter dem Eindruck des Großen Kanto-Erdbebens von 1923
Im Jahr 1925 heiratete Rix den japanischen Architekten Isaburo Ueno, der als Assistent bei Josef Hoffmann tätig war, und übersiedelte mit ihm nach Kyoto Sie kehrte regelmäßig nach Wien zurück, um weiterhin für die WW zu entwerfen So entstand 1928 eine fantastische Tapetenkol-
Mustertafel des WW-Stoffes Tramino von Felice Rix-Ueno, 1925 Seide, Karton; Museum für Angewandte Kunst Wien
© MAK/Nathan Murrell
lektion mit vier Mustern in etlichen, teils ungewöhnlichen Farbstellungen Die Tapeten werden derzeit von der japanischen Firma Linden wieder aufgelegt und mithilfe einer 150 Jahre alten Druckmaschine in England produziert
In Japan arbeitete Rix-Ueno vielfach mit ihrem Mann zusammen: Er entwarf die Gebäude, sie gestaltete das Interieur Ein erstes Projekt war die extravagante Star Bar in Kyoto, die sie mit Wand- und Deckenmalereien ausstattete Die Bar wurde – allerdings nur unter Isaburo Uenos Namen –1932 auf der berühmten Ausstellung Modern Architecture im New Yorker MoMA vorgestellt 1936 zog das Paar nach Takasaki, um gemeinsam mit dem deutschen Architekten Bruno Taut das dortige Kunstgewerbe wiederzubeleben Das Jahr 1939 verbrachten sie in der Mandschurei, wo sich Rix-Ueno mit dem Medium der Bildrolle beschäftigte Danach hielt sie sich für zehn Monate in San Francisco auf und traf dort auf ihre ehemalige WW-Kollegin, die Keramikerin Susi Singer
Zurück in Japan war Rix-Ueno als technische Beraterin am Textilforschungsinstitut in Kyoto beschäftigt und entwarf Stoffmuster für den Japanischen Textildesignerverband sowie Emailarbeiten in der beliebten Cloisonne-Technik Schließlich wurde sie an die Städtische Kunsthochschule Kyoto berufen Nach ihrer Pensionierung als Professorin 1963 gründete sie gemeinsam mit Isaburo Ueno das Internationale Design-Institut, wo sie weiter unterrichtete Im selben Jahr entstand das wichtigste Spätwerk der Künstlerin, die malerische Gestaltung des Restaurants Actress im Tokyoter Nissay-Theater
In die Ausstellung fließen auch Werke von Rix-Uenos jüngster Schwester Kitty Rix ein (Bis 21 April, Katalog)
Telefon: +43 1 711360
Webseite: www mak at
BÖRSEN/MESSEN/MÄRKTE
n Medaillen, Münzen, Briefmarken
Zur 105 Dresdner Sammlermesse für Briefmarken, Münzen und Ansichtskartenam Samstag, dem 2 März werden in der ebenerdigen Johannstadthalle Dresden von 9 bis 14 Uhr etwa 70 Aussteller aus ganz Deutschland erwartet Zum Angebot kommen Briefmarken, Münzen, Medaillen, Orden, Abzeichen, Geldscheine, historische Ansichtskarten von allen Teilen Deutschlands und der ganzen Welt sowie Sammelbilder Besonders reichhaltig ist das Angebot von einigen Tausend original alten sächsischen Ansichtskarten, antiquarischer Sachsenliteratur und Fotos
105. Dresdner Sammlermesse für Briefmarken, Münzen und Ansichtskarten in der Johannstadthalle
Die Dresdner Sammlermesse ist eine der größten Veranstaltungen ihrer Art in Deutschland und existiert seit 44 Jahren Es wird eine große Auswahl von etwa 20 000 historischen Dresdner Ansichten vor der Zerstörung, aber auch aus den 50er- und 60er-Jahren an diesem Tag präsentiert So auch zahlreiche Fotopostkarten des bekannten Dresdner Fotografen Walter Hahn (1889-1969), der in zahlreichen fotografischen Luftaufnahmen das alte Dresden vor 1945, aber auch seine Zerstörung und den Wiederaufbau dokumentierte
Auch Zubehör für Sammler, z B leere Alben, kleine Sammlungen für Anfänger, antiquarische Literatur über viele Regionen Deutschlands und Europas, kulturgeschichtliche Werke und Kataloge sind im Angebot
Die nächsten Termine der Dresdner Sammlermessen sind am 31 August und am 21 Dezember in der Johannstadthalle bzw am 13 April im Foyer vom Haus der Presse Dresden
Telefon: 0351 8014404 und 0177 2817174
n Extase für die Nase
Chanel, Versace oder Jil Sander – am Sonntag, dem 17 März, werden Parfumflakon-Liebhaber nach fünf Jahren Pause bei der 27 Parfumbörse im Kurhaus in Baden-Baden fündig Ganz nach dem Motto „Ein Quäntchen Duft liegt in der Luft“ können kunstvolle Glasfläschchen bewundert oder gleich in die Welt des Duftes eingetaucht werden
Verführerisch, berauschend, unwiderstehlich: Düfte faszinieren die Menschen „Ein Duft muss die Augenblicke des Lebens wieder wachrufen“, so Modeschöpfer Karl Lagerfeld Auch er entwarf, wie viele namhafte Designer, diverse Fläschchen Jede Aufmachung und Verpackung unserer Düfte erzählt seine eigene duftende Geschichte und deutet bereits beim Auspacken auf das gewisse Etwas, die Extravaganz und die Einzigartigkeit des kostbaren Inhalts hin Es ist nicht nur das Parfum allein, das den Verkaufserfolg bestimmt Kein Wunder also, dass berühmte Designer dem flüchtigen Duft eine unverwechselbare Gestalt geben Aber auch das edelste Wässerchen braucht seine angemessene Verpackung – einen Flakon Düfte sind ein kleiner Luxus und ein Parfum lebt nicht nur von seinem Duft, sondern vor von seiner Gestalt: die Hülle als Kunstwerk Während das Geheimnis des Parfums in seinem flüchtigen Duft liegt, ist die Schönheit mancher Flakons für die Ewigkeit geschaffen „Ein Parfum ist ein Kunstwerk und das Objekt, in dem es enthalten ist, muss ein Meisterwerk sein", stellte Modemacher Robert Ricci einmal fest Die Baden-Badener Parfumbörse, seit 1998 etabliert, findet nun zum 27 Mal statt und ist der Parfumflakon-Treff im Badischen, der sich großer Beliebtheit erfreut Bettina Bayer-Tetzel aus dem mittelbadischen Hohberg ist seit Ende der achtziger Jahre passionierte Sammlerin und veranstaltet seit 1992 regelmäßig Parfum-Börsen im süddeutschen Raum und eine im französischen Straßburg
Telefon: 0171 634 9999
Webseite: www.parfumboerse.de
Parfumflakonbörse in Baden-Baden
Foto: Bettina Bayer-Tetzel
DAS OrNAMENT
HEIDrUN TH. GrIGOLEIT
Gemütlich, dekorativ, sinnlich – diese Eigenschaften werden Ornamenten zugeschrieben. Über die Jahrhunderte gelten sie mal als schön und unentbehrlich, mal als „Designverbrechen“. Die sammlungsübergreifende Ausstellung „Das Ornament – Vorbildlich schön“ im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) veranschaulicht beispielhaft den Gestaltungs- und Bedeutungswandel des Ornaments in unterschiedlichen Epochen und zeigt noch bis 28. April rund 80 Objekte aus der Sammlung des Museums.
Ausstellungsobjekte
In der Ausstellung werden unter anderem japanische Papierschablonen, persische Stickereien sowie Tapeten des bekannten Gründers der Arts and Crafts-Bewegung
William Morris gezeigt Verzierte Ornamentdrucke stehen den schnörkellosen Produkten der deutschen Designschulen des 20 Jahrhunderts gegenüber Ein beleuchteter Spiegel von Ettore Sottsass, der in den 1980er-Jahren die Memphis-Bewegung mitbegründete, feiert die Rückkehr des Ornaments im Design Die zeitgenös-
sischen Positionen von Anna Resei, Anne Meerpohl und Anna Tautfest erweitern den gestalterischen Diskurs um die politische Dimension des Ornaments und machen so auf aktuelle Themen wie Feminismus aufmerksam
Ornamentstiche
Ausgangspunkt der Ausstellung ist das Konvolut von Ornamentstichen in der Sammlung des MK&G, das die Entwicklung ornamentaler Formen vom 15 bis zum 19 Jahrhundert abbildet Denn in der Sammlung Grafik und Plakat des MK&G befinden sich rund 10 000 sogenannte Ornamentstiche, grafische Ornamentvorlagen für Kunsthandwerk, die vom 14 bis zum Ende des 19 Jahrhundert in Europa gedruckt worden sind Mit der Geschichte des MK&G ist das Ornament jedenfalls eng verbunden, denn das Haus verdankt ihm zumindest teilweise seine Entstehung
Vorbildersammlung
In der zweiten Hälfte des 19 Jahrhundert sind Ornamente ein Teil der sogenannten Vorbildersammlung, die der Gründungsdirektor des Museum, Justus Brinckmann (1843-1915), anlegte, um Studenten, Gestalter und die Öffentlichkeit geschmack-
Links: Pilgerflasche (Neujahrsflasche), Fayence, Ägypten, um 664-525 v. Chr. (26. Dynastie), Sammlung Museum fur Kunst und Gewerbe Hamburg
Oben: William Morris (1834-1896), Pimpernel, Entwurf Tapetenmuster: London, 1876, Sammlung Museum fur Kunst und Gewerbe Hamburg
bildnerisch zu schulen Erste Berührungen mit Ornamentstichen hatte Brinckmann im Museum für Kunst und Industrie in Wien, ihre Bedeutung für die Lehre erkannte er sofort Später stellte er seine private Sammlung für Studienzwecke in den Bibliothekräumen des MK&G zur Verfügung Im Jahre 1882 formulierte Brinckmann das Ziel der Ornamentstichsammlung: Geschmacksbildung und Hebung des Niveaus, zudem sollten die Ornamentvorlagen Kenntnisse von der Geschichte der Form vom Mittelalter bis zum Ende des 19 Jahrhunderts vermitteln und dem „Ge-
Oben: Albrecht Dürer (1471-1528) Ornamentstich, runde mit Flechtwerk und Knoten Papier, Holzschnitt, Nurnberg (Deutschland), 1500-1528, Sammlung Museum fur Kunst und Gewerbe Hamburg
rechts: raffael (eigentl. raffaello Sanzio da Urbino) (1483-1520, Entwurf), Giovanni Ottaviano (1735-1808, Stich), Detailansicht: Pilaster VII – Der Vogelfanger, Tafel 9 aus der Folge „Logge di raffaele nel Vaticano“ Druckgrafik, rom, (1510-1520, Entwurf), (1776-77, Druck), Sammlung Museum fur Kunst und Gewerbe Hamburg
schmacksverfall“ in der Kunstproduktion entgegenwirken Auch die musealen Objekte stehen für den Unterricht zur Verfügung und ermöglichen es Schülern, Zusammenhänge zwischen den Vorbildern und deren Anwendung zu erfassen Später entbrennen hitzige Debatten um Sinn und Notwendigkeit von Ornamenten, die bis heute – mehr oder weniger leidenschaftlich – geführt werden Die Ausstellung öffnet einen Weg zwischen sich wandelnden Formen, wechselnden Bedeutungen und vielfältigen Aufgaben des Ornaments
Inspirationsquelle
Die Vorbildersammlung dient den Studenten der ansässigen Kunstgewerbeschule (heute HFBK Hamburg) als Zeichengrundlage und Inspirationsquelle Die Auseinandersetzung mit ornamentalen Formen soll auch die Qualität des Kunsthandwerks steigern und die ästhetische Urteilskraft der jungen Gestalterinnen und Gestalter fördern Ornamentkompendien wie John Owens „The Grammar of Ornament“ oder „Studies in Design“ von Christopher Dresser gelten dabei als maßgebende Literatur
Islam und Japan
Der Ursprung vieler Ornamente liegt aber außerhalb Europas Einflüsse aus dem islamisch geprägten Kulturraum waren be-
reits im frühen Mittelalter in Europa sichtbar Mitte des 19 Jahrhunderts schlossen sich Designer, Künstler und Architekten zur Arts and Crafts-Bewegung zusammen, um das Kunsthandwerk und die manuelle Fertigung in der zunehmend industrialisierten Gesellschaft zu bewahren Das Ornamentale steht hier für eine anspruchsvolle Form von Gestaltung, die hohes handwerkliches Geschick erfordert
Arts and Crafts-Bewegung
Der englische Schriftsteller und Maler John Ruskin (1819-1900) kritisierte Mitte des 19 Jahrhunderts die Folgen der Industrialisierung Mit den Künstlern William Morris (1834-1896), Walter Crane (18451915) und Dante Gabriel Rossetti (18281882) initiierte er das Arts & Crafts Movement, eine Bewegung in den Sparten Kunst und Kunstgewerbe Ihre Forderung war eine Reform auf sozialer und handwerklicher Ebene Als Ideal galt die mittelalterliche Kunst, die Produktion sollte aber möglichst maschinell erfolgen Zu den zentralen Merkmalen der Arts & Crafts-Bewegung gehören Einfachheit, ein bewusster Umgang mit dem Material und ein angemessener Einsatz von Ornamenten, die sich an den Vorlagen in Ornament-Kompendien, aber vor allem an der Natur orientieren Die britische Arts & Crafts-Bewe-
gung bezieht sich mit ihren stilisierten floralen Motiven auf Tapeten, Textilien, Möbeln und Keramiken auf die spätgotische Kunst und die Kultur im islamisch geprägten Kulturraum Die Tapeten aus der Manufaktur von William Morris etwa sind präzise, detailreiche Drucke mit floralen Mustern Für Gestalterinnen und Gestalter der Wiener Werkstätte wurde um 1900 vor allem Japan zum Vorbild Speziell die japanischen Färbeschablonen Katagami zum Bedrucken von Textilien faszinieren Europa, etwa die Betonung der Linie, die Einteilung in Flächen sowie neue Papierformate
Gottfried Semper
Der Hamburger Architekt und Kunsttheoretiker Gottfried Semper (1803-1879) er-
Links: Anne Meerpohl und Anna Tautfest, Ornamente der Fursorge, 2022 Digitaldruck auf Lochfilet-Fahnenstoff
© Anne Meerpohl und Anna Tautfest
Agostino Venetiano (1490-1540), Ornamentstich Groteske, Papier, Kupferstich, Italien 1510-1540, Sammlung Museum fur Kunst und Gewerbe Hamburg
hielt Mitte des 19 Jahrhunderts einen Lehrauftrag an der School of Design in London Im Jahre 1851 bekam er den Auftrag, die Abteilungen Kanadas, der Türkei, Ägyptens, Schwedens und Dänemarks im Kristallpalast anlässlich der Londoner Weltausstellung 1851 einzurichten Im gleichen Jahr fordert Semper einen „allgemeinen Volksunterricht des Geschmackes” In der zweiten Hälfte des 19
Oben: Farbeschablone (katagami) mit großen Paonien Japanpapier, geschnitten, Farbeinlage Japan, Edo-Zeit, Meiji-Zeit, 1801-1900
rechts oben und unten: Kaffeekanne mit dem Kopf eines jungen Mannes als Maskaron und einem Frauenkopfchen auf dem Henkel, bemalt mit Insekten, Porzellan bemalt, vergoldet, Meißen (Deutschland), um 1738, Sammlung Museum fur Kunst und Gewerbe Hamburg
Anna resei (*1989), water carriers, 2023, Truhe Aluminium, Stahl, Acryl, Keramik, Verbundwerkstoff (Dibond)
© Anna resei, Eigentum der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen
Jahrhunderts gelten die sogenannten Ornament-Kompendien dann als die wichtigste Quelle der Inspiration für Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker „The Grammar of Ornament“ (1856), verfasst vom Architekten Owen Jones (1809-1874) und die ausgestellten „Studies in Design“ (1876) des Gestalters Christopher Dresser (1834-1904) gehören zu den bekanntesten Beispielen Sie beinhalten farbige Tafeln mit Ornamenten aus allen Stilepochen und Kulturkreisen Das Ziel war, die Schönheit des Ornaments und dessen angemessene Anwendung zu zeigen, um
den Geschmacksverfall der Zeitgenossen zu vermeiden Eine Ausstellungstafel gibt jedoch zu bedenken, dass aus der heutigen Sicht Jones’ Kompendium kritisch betrachtet werden sollte: Denn er entreißt die Ornamente ihrem ursprünglichen, zeitlichen und kulturellen Kontext und präsentiert sie als rein ästhetische Elemente, die beliebig in neuen Zusammenhängen angewendet werden können
Schülerarbeiten
Die enge Verzahnung von Kunstgewerbeschule und Museum dokumentieren Arbeiten der Schülerinnen und Schüler Ein umfangreiches Konvolut zeichnerischer Studien belegt die aktive und intensive Auseinandersetzung mit der Vorbildersammlung des Hauses Die Zeichnungen präsentieren Sammlungsgegenstände aus Metall, Keramik, Holz, Stickereien, Bucheinbände, aber auch Details einzelner Objekte sowie kleine ornamentale und typografische Studien Dokumentiert wird auch ein wachsendes Interesse an der Natur und deren Stilisierung, vor allem an pflanzlicher Struktur und Form von der Wurzel bis zu Blüte und Samen Nach 1907 bestimmen die verschiedenen Stile des Lehrpersonals die Schülerarbeiten mehr als es die Vorbildersammlung tut Der Wiener Gestalter Carl-Otto Czeschka, der von 1907 bis 1943 hier als Lehrer tätig war und dessen Nachlass heute in der Sammlung Grafik und Plakat aufbewahrt ist, prägte die Ornamentik der Wiener Werkstätte In der Schule verfestigte sich das Interesse an der Natur, und auch die Jugendstil-Bewegung verstärkte die Erneuerung des Ornaments
Schön und gut?
Anfang des 20 Jahrhunderts werden Ornamente und klassische Vorbildersammlungen kritisch beäugt Der 1907 gegründete Deutsche Werkbund – ein von der Arts & Crafts-Bewegung inspirierter Zusammenschluss von Künstlern und Kritikern – plädiert für die Veredelung der gewerblichen Arbeit Gleichzeitig schreiben sich seine Mitglieder auch die allgemeine Geschmackserziehung auf die Fahne Mustersammlungen, Ausstellungen, Publikationen und die sogenannten Werkbundkisten für Schulen vermitteln das neue Prinzip der schlichten Form Sogar sprachlich schlägt sich der Trend nieder: Es ist die Rede von Ornamentwut, Schmuckverschwendung, Dekor-Brutalitäten, Übergriffen und Designfehlern
Ornament und Verbrechen
Im Jahre 1910 hielt der österreichische Architekt und Journalist Adolf Loos (18701933) einen Vortrag mit dem Titel: „Ornament und Verbrechen“ Darin formulierte er Thesen wie: „Die Evolution der Kultur ist gleichbedeutend mit dem Entfernen des Ornaments aus dem Gebrauchsgegenstande“ oder: „Ornament ist vergeudete Arbeitskraft und dadurch vergeudete Gesundheit“ Loos betonte mit seinem Manifest den Vorrang der technischen Form gegenüber dem angeblich überflüssigen Ornament Gleichzeitig wirken seine Wohnungsprojekte, wie zum Beispiel die Wiener Wohnung von Emil Löwenbach, jedoch gemütlich und ornamental Der Slogan „Form follows function“ gehört zu den bekanntesten Parolen der Gestaltung Ursprünglich stammt er von dem
Form follows function
Links: Ausstellungsansicht mit Hans Gugelot (1920-1965), Dieter rams (*1932), radio-PhonoKombination „SK 4/1" und zwei Lautsprecher „L 1", Metall, Holz, Plexiglas, Kunststoff, Ulm, 1957, Sammlung Museum fur Kunst und Gewerbe Hamburg
Foto: Henning rogge
Oben links und rechts: Koloman Moser (18681918) (zugeschrieben) Einschlagpapier der Wiener Werkstatte mit seriellem Ornament aus Monogramm und Wortmarke, Papier, Lithografie Wien, 1903-1908
Willi Baumeister (1889-1955), Plakat „Die Wohnung – Werkbundausstellung in Stuttgart von Juli bis Sept. 1927“, Papier, Offsetdruck, Frankfurt am Main, 1927
© VG Bild-Kunst, Bonn 2023
amerikanischen Architekten Louis H Sullivan (1856-1924) Für Sullivan haben Ornamente an bestimmten Gebäudeteilen eine wichtige Funktion Sie können Aufmerksamkeit und ästhetische Freude schaffen und sollen angemessen eingesetzt werden Die FFF-Idee wird im modernen Europa nach 1907 jedoch als ornamentfeindliche Doktrin ausgelegt und teilweise fehlinterpretiert Dem Architekten ging es aber wohl viel mehr um die fließende, prozessorientierte Gestaltung in der „Verbindung zwischen Herz, Seele und Funktion”, als man in allen Ornament-Debatten der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts zugelassen hat
Form follows emotion
In den 1960er-Jahren wächst die Kritik am Funktionalismus Ornamentlose Gegenstände und standardisierte Architektur erfüllen nicht mehr die Wünsche der Mehrheit der Bevölkerung Sie lassen zu wenig Raum für Emotionalität, Individualität und Humanität 20 Jahre später orientieren sich Architektur und Design zunehmend an der Populärkultur Muster und Farben gehören zur neuen Formensprache Der Begriff „funktional“ wird neu ausgelegt „Form follows function“ wird abgelöst von „Form follows emotion“ und „Form follows fun“
Oben: Ausstellungsansicht
Foto: Henning rogge
rechts: Antikes Mosaikglasfragment romische Antike, 1. bis 3. Jh. v. Chr. Glas, gepresst, geschnitten
Designtheorie
Unter dem Titel „Wie kommt ein funktionalistischer Designer zum Ornament?“ erscheint 2000 ein Text von Richard Fischer, einem deutschen Designtheoretiker und
Produktdesigner Er studiert an der Hochschule für Gestaltung in Ulm, die 1953 gegründet wurde und die Bauhaus-Idee nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1968 fortsetzte Später entwarf Fischer für die Firma Braun, genauso wie der Industriedesigner und HfBK-Professor Dieter Rams Beide gestalten so reduziert wie möglich – funktional, rational und ohne Ornamente Erst später betonte Fischer, dass zum Erfolg eines Gerätes nicht nur die Funktionalität, vielmehr auch ein ornamentaler Reiz beiträgt Die sogenannte Funktionsornamentik habe die Qualität „des Liebevollen, des auf den Menschen Zugehenden“ und drücke sich in Greifstrukturen, Falten und additivem Gestaltaufbau aus Und die praktischen Funktionen wirken auf der rationalen und das Ornamentale auf der emotionalen Ebene
Entdecke die Sammlung
In der Ausstellung kann nur ein sehr kleiner Teil der Werke gezeigt werden, die sich unter dem Begriff „Ornament” versammeln Denn in der Datenbank des Hauses sind über 12 000 Objekte mit dem Schlagwort „Ornament“ verzeichnet Damit ist dies einer der am häufigsten verwendeten Begriffe und macht die Bedeutung des Ornaments im Kontext der Kunstgewerbemuseen sichtbar So befinden sich in der Ornamentstichsammlung auch einige
Blätter, die die Personifikation der Caritas – christliche Tugend der Nächstenliebe und Wohltätigkeit – darstellen Die Caritas wird oft sitzend oder stehend gezeigt, hält ein Kind, das genährt wird, ein zweites steht neben ihr In dem Entwurf für den Schalenboden des deutschen Goldschmiedes und Kupferstechers Theodor de Bry ist die Caritas von sieben Werken der Barmherzigkeit umgeben Darstellung der Caritas ist auch in der Dekoration der im Innenhof des MK&G eingebauten historischen Fassade zu sehen
von Stoffen – zeigen den Einfluss auf die europäische Ornamentik im 19 Jahrhundert Grafiken und Möbel des Bauhaus und Deutschen Werkbunds verzichten bewusst auf jede Art von Dekoration Max Bill (1908-1994) gestaltet 1954 den schlichten und robusten „Ulmer Hocker“ Dieter Rams (*1932) setzt das Prinzip „form follows function“ fort und entwirft 1957 die Radio-Lautsprecher-Kombination „SK4/1“ und „L 1“ für das Elektrounternehmen Braun
Die Welt spiegeln
Den Ursprung ornamentaler Gestaltung verdeutlichen antike Glasscherben aus der Sammlung des MK&G, die die konzeptuelle Designerin Anna Resei in ihrem Ausstellungsprojekt „water carriers“ (2023) während der Residenz des Fonds für Junges Design aufgreift Die Reproduziertbarkeit ornamentaler Formen nutzen Anne Meerpohl und Anna Tautfest aus der Experimentellen Klasse der HFBK Hamburg, um in ihrer 2022 im Rahmen des Reeperbahn Festival entstandenen „Care Station“ feministische Inhalte zu kommunizieren Ihre digital bedruckten Banner „Ornamente der Fürsorge“ beinhalten Handgesten der Zuneigung und Berührung, die durch Wiederholungen zu Mustern verstetigt werden und damit die Bedeutung von Care-Arbeit in der Gesellschaft vermitteln
Die in der Ausstellung gezeigten persischen Stickereien und Katagami – japanische Papierschablonen zum Einfärben
In der Ornamentstichsammlung findet man auch Dutzende Spiegel-Darstellungen, deren Rahmen nach Art des jeweils zeittypischen Ornaments gestaltet sind Zahlreiche Entwürfe sind seit der Renaissance zur Gestaltung von Innenräumen angewandt worden Hier ausgestellte Stiche zeigen verspielte Ornamente, die sich im 17 und 18 Jahrhundert als wichtigstes, prachtvolles Zierelement der Architektur und im Kunsthandwerk etablieren Der Produktdesigner Ettore Sottsass (19172007), Gründer der italienischen Gruppe Memphis und Mitglied des Studio Alchimia (beiden geht das Radical Design voraus), steht für die Wende zum emotionalen Design und den Bruch der herrschenden Regeln des Funktionalismus Die Mailänder Memphis-Bewegung schafft farbenfrohes und verspieltes Interieur, das mit Funktionalität und schlichtem Design bricht: 1981 entwirft die Memphis-Designerin Martine Bedin (*1957) die rollbare Tisch- und Bodenleuchte „Super“, die ausschließlich aus runden Formen besteht Und Ettore Sottsass entwickelt bereits 1969 den beleuchteten Spiegel „Ultrafragola“, der sich in der aktuellen Maximalismus-Strömung und bei heutigen Influenzern großer Be-
liebtheit erfreut und eine starke Fangemeinde auf Instagram hat Der Spiegel kann als Blaupause für Sottsass’ Gestaltung gesehen werden, für die unkonventionellen Materialien und eigenwillige Formensprache, originelle Muster und ungewohnten Farbkombinationen Sottsass und seine Mitstreiter stellen das Design auf den Kopf, erweitern das Verständnis für Funktion, in dem sich Theorie und Praxis, Texte und Objekte gegenseitig beeinflussen und Zweckmäßigkeit und Spaß vereinen – gemäß dem Credo von Ettore Sottsass: „Wenn uns etwas retten wird, dann ist es die Schönheit“
Information
Ausstellung „Das Ornament – Vorbildlich schön“ Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) bis 28 April 2024
Fotos: wie angegeben und MK&G Hamburg
Links: Martine Bedin (*1957) Super, 1981, Tischund Bodenleuchte, Polyurethan, Metall, Courtesy Memphis Milano
Oben: Ettore Sottsass (1917-2007) Ultrafragola, 1969, Montale (Italien), Spiegel und Leuchte, Kunststoff, Holz, Spiegelglas, Gummi, Metall, Sammlung Museum fur Kunst und Gewerbe Hamburg
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