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Europas Sammlermagazin
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Künstliche Blumen The Beach Boys
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www.battenberg-gietl.de
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LESERFORUM 4 se Richtung der Malerei gekannt. Ein Wert von unter 100 Euro scheint angemessen.
EXPERTISEN
Klaus-Dieter Müller, Kunstsachverständiger, Lüneburg
n Gemälde Ich möchte Sie bitten, mir eine Expertise für dieses Gemälde zu erstellen. Es ist etwa 35 x 30 cm groß. Eine Signatur ist vorhanden. Handelt es sich hier um eine bekannte Signatur oder um einen Amateurmaler? Wie alt ist das Gemälde etwa und welchen Wert hat es?
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Rosa Glöckler, o. O.
Das Gemälde zeigt eine unbekleidete Frau in einer Art wellenbewegten Wolke oder Schleier, hinter ihr eine Kaimauer und Duckdalben, im Gewässer hinter ihr sind Fische an der Wasseroberfläche erkennbar. Das Gemälde erinnert in seiner surrealen Anmutung an die Werke des Edgar Ende (1901-1965), dessen Sohn Michael Ende heute weitaus bekannter ist. Edgar Ende hatte eine sehr eigene Technik entwickelt, surreale Traumsequenzen zu notieren und daraus Gemälde zu erschaffen. Zwar hatte er keine direkten Schüler, doch sein Einfluss bei verschiedenen Künstler, beginnend bei seinem Jugendfreund Franz Frahm-Hessler bis hin zu Mac Zimmermann und Ernst Fuchs, ist unverkennbar. Das Monogramm des Gemäldes RE ist leider nicht aufzulösen. Vermutlich hat der talentierte Laie oder Kunststudent die-
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n Gedichtband Dieses kleine Buch von Friedrich Stoltze: Gedichte in Frankfurter Mundart, 1. Band, Frankfurt am Main, H. Keller Verlag, 1865, habe ich vor Jahren auf einem Flohmarkt erworben. Ein Freund machte mich erst jetzt darauf aufmerksam, dass es sich hier um eine Erstausgabe handeln
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könnte, die vermutlich einen gewissen Wert besitzt, vielleicht zumal dieses über 150 Jahre alte Büchlein mit Goldschnitt sich in einem sehr guten Zustand, ohne Beschädigungen mit nur minimalen Altersspuren (Einbandberieb) befindet. Nun bin ich natürlich neugierig geworden und würde mich freuen, wenn Sie mir eine Werteinschätzung mitteilen würden. Ingrid Kühle-Hese, o. O.
Friedrich Stoltze (1816-1891) gilt weithin als lokale Geistesgröße, als zweitwichtigster Frankfurter Literat gleich nach Goethe. Sein selbstironischer Vers „Es is
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kää Stadt uff der weite Welt, die so merr wie mei Frankfort gefällt. Un es will merr net in mein Kopp enei: Wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!“ rückt ihn in die Ecke eines reimenden Lokalpatrioten. Tatsächlich nehmen seine Mundart-Schriften nur einen kleinen Teil seines Werkes ein. Er war ein politisch aufgeweckter Mensch seiner Zeit, ein vehementer Bis-marckGegner, Kritiker der Zeitläufte, steckbrieflich gesuchter Revoluzzer und vieles mehr. Sein erstes Gedicht schrieb er im jugendlichen Alter von 15 Jahren im Jahre 1831. Ein Jahr nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 notierte er: „Börse, schöne Götterhalle / Tempel dem Merkur zum Ruhm / Wir betreten freudig alle / Deiner Schwelle Heiligtum / Deine Kurse binden wieder / was das Vorurteil getrennt / Juden, Christen werden Brüder / wo man den Verdienst nur kennt“. Mit diesen Worten kritisierte er die durch Frankreichs Kriegsreparationen beflügelte Börsenrallye, die dann 1873 zum sogenannten „Gründerkrach“ und der nachfolgenden „Gründerkrise“ führte. Diese Ausgabe seiner Frankfurter Mundart Gedichte zeigt ein Frontispiz mit dem Abbild des Dichters sowie eine Faksimile Signatur. Also hatte der Schriftsteller zu diesem Zeitpunkt schon eine gewisse Berühmtheit erlangt und der Verleger sah es als ange-
n In dieser Rubrik beantworten unsere Experten Ihre Fragen zu dem ein oder anderen guten Stück. Doch leider sehen wir uns außerstande, ganze Nachlässe oder sämtliche sich in Ihrem Haushalt befindlichen Trouvaillen bewerten und schätzen zu lassen. Auch bitten wir um Verständnis, wenn es mit der Bearbeitung länger dauert. Senden Sie uns also Ihre Anfrage nur zu einem zu bestimmenden Objekt – mit detaillierter Beschreibung und gutem Foto, auf dem das Objekt ganz abgebildet ist. Noch ein Hinweis zu den Preisen, die von Fall zu Fall von unseren Experten genannt werden: Hierbei handelt es sich um Richtwerte, die anhand von Fotos allein getroffen werden und je nach Zustand des Objekts nach oben oder unten korrigiert werden können. Ihre Anfrage schicken Sie bitte an: Gemi Verlags GmbH Redaktion Leserforum Pfaffenhofener Str. 3 85293 Reichertshausen oder per E-Mail an info@gemiverlag.de
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LESERFORUM 5 messen an, die Fangemeinde mit einem Bildnis des Autors zu erfreuen (Holzstich der Xylographischen Anstalt von Wolfgang Pfnor (1826-1886) auf der Basis einer Fotographie). Im allgemeinen erscheinen später seltene Erstausgaben in kleinen obskuren Verlagen, unauffällig schlicht in der Aufmachung und zudem in sehr kleiner Auflage. Bereits erfolgreiche Autoren werden aufwändiger vermarktet und die Höhe der Auflage sowie die Ausstattung des Buches entsprechen dann auch dem zu erwartenden Verkaufserfolg. Der Verlag Heinrich Keller brachte zwischen 1862 und 1922 zahlreiche Auflagen der gesammelten Werke Friedrich Stoltzes heraus. Diese Ausgabe (hier ein Band von zweien) von 1865 ist tatsächlich eine Erstauflage gesammelter Mundart Gedichte, die zweite Auflage erschien erst 1872. Ich würde dieses Buch mit dem luxuriösen Einband (es gab auch eine günstige Variante mit einfachem Pappeinband) aktuell mit 35 Euro bewerten. Klaus-Dieter Müller, Kunstsachverständiger, Lüneburg
n Leibstuhl
den, rechts zwei herausziehbare Schubladen. Den unteren Teil der Kommode kann man ausfahren, die darunter liegende Schublade noch einmal ausziehen. Die Füße sind angerundet und stehen auf hölzernen Rollen. Woher stammt dieses Möbel? Wie alt mag es sein und besitzt es einen Wert? Als langjähriger Leser würde ich mich über ihre Expertise sehr freuen. Uwe Blass, o. O.
Dieses ungewöhnliche Möbelstück wirkt, als wäre es aus zwei Teilen zusammengefügt worden. Der obere Teil scheint mit seiner Fächereinteilung einen Teil eines Sekretärs nachzubilden. Der etwas bombierte untere Teil hat zwei Schubladen und eine geschwungene Zarge. Auffällig ist das Fragment einer Rocaille-Schnitzerei an der Vorderkante der großen Schublade. An den Oberkanten der Schubladenseiten ist ein Falz erkennbar. Ursprünglich war also ein Brett (mit Loch) eingelegt. Um das Gewicht aufzufangen, wird die vordere Kante der Schubladen von Möbelrollen gestützt. Die große Schublade könnte eine Waschschüssel gehalten haben, wahrscheinlicher ist eine andere Funktion. Genauso ideenreich und diskret euphemistisch wie die Bezeichnungen für diese Art
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Möbel (Leibstuhl, Nachtstuhl, chair commode, chaise percée, Chaise d'aisance), war auch die urbane Camouflage dieser Möbel. Hier scheint es sich um einen Toilettenstuhl zu handeln. Die etwas simple Ausführung spricht für eine Herstellung abseits der stilbildenden Zentren. Sehr wahrscheinlich wurde der Nachtstuhl in Lothringen im Zeitraum 1750-1770 hergestellt. Provinzielle Möbel sind oft schwer zu datieren. Abseits der Zentren hielten sich alte Dekormuster noch lange, neue Ideen setzten sich nur langsam durch oder es fehlte schlicht das Geld, um zu modernisieren. Nachtstühle waren mit Einführung des Wasserklosetts sowie Geruchsverschluss und Kanalisation irgendwann obsolet. Nach einigen technischen Vorläufern in der Antike gelten Joseph Bramah sowie Allen und Cumming 1778 als Erfinder des modernen WC. In manchen Provinzstädten zog die Kanalisation erst spät ein. Die Stadt Lüneburg war in Bereichen der Altstadt auch bekannt als die „Stadt der Giebel und der Kübel“. Der letzte Kübelmann wurde erst 1981 in Rente geschickt. Für das kuriose Möbelstück scheint ein Preis von unter 400 Euro angemessen. Klaus-Dieter Müller, Kunstsachverständiger, Lüneburg
Ich wende mich mit einem Kellerfund an Sie, den ich nicht einzuordnen weiß. Diese Kommode ist 85 cm hoch, 60 cm breit und 45 cm tief und besteht aus Eiche. Ganz oben hat sie eine schmale, abschließbare Schublade. Mittig oben ist eine halbrunde Türe (vielleicht für einen Nachttopf?), links zwei blinde Schubla-
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AUSSTELLUNGEN n Zart wie Eisen Vom 19. Mai bis zum 31. Dezember 2022 zeigt das Deutsche Goldschmiedehaus Hanau im Goldsaal die Ausstellung „Zart wie Eisen” mit mehr als 100 filigranen, häufig von floralen Motiven inspirierten Schmuckstücken aus der Sammlung Klaus-Peter und Judith Thomé. Das Schmuckmuseum Pforzheim konzipierte die Ausstellung, um die Sammlung Thomé, die seit kurzem zum Bestand des Museums gehört, zu präsentieren. Viele der Objekte stammen von zwei der bekanntesten private Produzenten des Eisenschmucks, Johann Conrad Geiss (um 1771-1846) und Siméon Pierre Devaranne (1789-1859). Durch diese beiden erfolgreichen Werkstätten aus Berlin wurde der Eisenkunstguss in Preußen von den staatlichen Auftragsarbeiten unabhängig. Im Goldschmiedehaus ergänzen Beispiele des Eisenkunstgusses aus Hanau eine Auswahl der in Pforzheim ausgestellten Schmuckstücke. Der Eisenkunstguss entwickelte sich in Preußen aus der kommerziellen Entscheidung Friedrich II. (17121786) im Jahr 1751 den Im- und Export von nicht preußischem Eisen zu verbieten. Die Gründung der staatlichen Eisenhütten erfolgte zunächst zur Produktion von Munition. Wichtige Eisengießereien wurden nach englischem Vorbild mit modernen, kleinen Kupol- und Tiegelöfen im oberschlesischen Gleiwitz (heute Gliwice) und Berlin errichtet. Erst durch diese war es
Operntäschchen, Stahl, Berlin, um 1810, Sammlung Klaus-Peter und Judith Thomé Foto: Winfried Reinhart 06 / 22
Miniatur mit Porträt von Mademoiselle Henriette Rath, der Gründerin des Emailmuseums in Genf, Emailfarben auf Porzellan, Pierre Hébert, Paris (?), 1834, Sammlung Klaus-Peter und Judith Thomé; Deutsches Goldschmiedehaus Hanau Foto: Winfried Reinhardt möglich, kleine Elemente aus Tiegeln zu gießen. Zur Herstellung von Feingussarbeiten ist zudem dünnflüssiges Eisen nötig, welches durch ein neu entwickeltes Verfahren zur Umschmelzung von Roheisen gewonnen wurde. Die technischen Entwicklungen waren entscheidend, um die anspruchsvollen Entwürfe umzusetzen, die über Medaillen und Kameen zum Eisenschmuck führten. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wurde in Gleiwitz Eisenkunstguss betrieben. Sowohl Händler als auch Privatpersonen konnten hier Schmuck, Gebrauchs- und Ziergegenstände erwerben. Die Entwürfe dieser Kunstgegenstände stammten häufig von Künstlern und Architekten, darunter der damalige Hofbaumeister Karl Friedrich Schinkel (1781-1841). Die Berliner Juweliere Geiss und Devaranne, deren Absatz von Goldschmuck zurückging, begannen um 1806 Kameen aus Gleiwitz zu erwerben und sehr erfolgreich in Schmuckstücke umzuarbeiten. Schon bald entwarfen und stellten die Juweliere selbst Schmuckteile aus Eisen her. Für den qualitätsvollen Eisenschmuck aus Berlin etablierte sich die Bezeichnung „fer de Berlin“. Elemente wie Blattformen konnten wiederholt und zu unterschiedlichen Schmuckstücken verbunden werden. Großer Beliebtheit erfreuten sich von der Antike inspirierte Motive wie mythische Szenen, Göttinnen und Götter, befeuert durch archäologische Grabungen in Griechenland und Italien sowie florale Ornamente und Tierfiguren. Die Schmuckteile wurden entweder aus flüssigem Eisen in Formen gegossen oder aus dünnen Eisenstäben zu Draht gezogen und dann in Form gebogen und geflochten. Für den
Guss wurden Modelle aus Messing oder Silber in einen Formsand gelegt, der angefeuchtet und festgestampft wurde, bevor die Modelle vorsichtig herausgelöst wurden. In die zurückbleibenden Hohlräume wurde senkrecht sehr dünnes Eisen eingefüllt, das dann waagerecht durch die feinen Gusskanäle in der Gussform bis in die kleinsten Verästelungen floss. Das Eisen durfte nicht zu heiß sein, da beim Erkalten sonst die Gefahr bestand, dass dünnwandige Glieder reißen. Nach der Formung wurden die Ornamente gesäubert, poliert, mehrmals mit einem dünnen Lack überzogen und durch Erhitzen getrocknet. Die Hitze verdampfte das Öl in dem Lack, so dass die Stücke anschließend matt glänzten. Eisenschmuck spiegelte, im Gegensatz zum Brillantenpomp des 18. Jahrhunderts, wichtige Werte der damaligen Gesellschaft wider: Beständigkeit, Bescheidenheit und Zurückhaltung. Der Eisenkunstguss entwickelte sich unter König Friedrich Wilhelm II. (1770-1840) bedeutend weiter. Für Kriegsehrungen musste aufgrund des Bronzemangels für zahlreiche Denkmäler und Gedenktafeln auf Eisen ausgewichen werden. Eisenschmuck wurde in erster Linie als Trauerschmuck getragen. Seine Beliebtheit stieg nach dem Tod der Königin Luise von Preußen (1776-1810). Eiserne Luisenbroschen, -kreuze und -anhänger wurden von preußischen Frauen zum Gedenken an die beliebte Königin getragen, die nach ihrem legendären Treffen mit Napoleon in Tilsit (1807) als Heldin verehrt wurde. Ihr Ehemann König Friedrich Wilhelm III. (17701840) stiftete 1813 das Eiserne Kreuz als Verdienstorden für Teilnehmende der Befreiungskriege. Königin Luise wurde postum die erste Trägerin der von Karl Friedrich Schinkel entworfenen Auszeichnung. Zur Finanzierung der Befreiungskriege gegen Napoleon (1813-1815) rief Prinzessin Marianne von Preußen (1785-1846) die Frauen im Staate dazu auf, Goldschmuck „für die Rettung des Vaterlandes“ zu spenden. Als Gegenleistung erhielten Spenderinnen und Spender einen Ring oder eine Brosche aus Eisen mit der Inschrift „Gold gab ich für Eisen“. Die Symbole der patriotischen Gesinnung wurden mit Stolz getragen. In Hanau gab es im 19. Jahrhundert zwei Eisengießereien, die Kunstgegenstände und Schmuck herstellten: Ernst Georg Zimmermann und Alfred Richard Seebaß. Leider sind aus diesen Werkstätten so gut wie keine vollständigen Schmuckstücke erhalten. Schmuckteile wie Rosetten, Kreuzanhänger und Tierfiguren belegen jedoch, dass der Eisenfeinguss auch in Hanau praktiziert wurde. Zudem wird deutlich, dass erfolgreiche Motive von einer Vielzahl von Werkstätten hergestellt wurden. Die extreme Ähnlichkeit einzelner Schmuckstücke macht die Zuordnung unsignierter Arbeiten heute fast unmöglich. Telefon: 06181 256556 Webseite: www.goldschmiedehaus.com
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MESSEN / MÄRKTE / TREFFEN n Flanieren und verhandeln Organisiert von der Fa. Schöne Märkte veranstaltet Stadtmarketing Regensburg nach coronabedingter zweijähriger Pause am Sonntag, dem 12. Juni endlich wieder den großen Antiquitätenmarkt in der Weltkulturerbestadt Regensburg. Die Qualität dieses Marktes hat sich inzwischen nicht nur bei deutschen, sondern auch bei vielen ausländischen Besuchern herumgesprochen. Händler aus vielen deutschen Bundesländern, aus Tschechien, Belgien sowie aus Österreich bieten an diesem Tag in herrlichem Altstadt-Ambiente eine in Süddeutschland sicher einmalige Auswahl an Antiquitäten, edlem Trödel und ausgefallener Sammlerware an. Die Marktflächen befinden sich in zentraler Innenstadtlage zwischen der Maximilianstraße und dem Neupfarrplatz. Zwischen 9 und 17 Uhr kann man auf etwa 1100 laufenden Metern Bäuerliches und Sakrales aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert erwerben. Alte Puppenstuben, Spielzeug, Glas, Porzellan und rare antiquarische Bücher finden sich ebenso wie Küchenantiquitäten, Möbel und restaurierte französische Kronleuchter. Vom Barock bis zu Biedermeier und Jugendstil werden neben bezahlbaren kleinen Dingen auch hochpreisige Waren für den anspruchsvollen Sammler angeboten. Design aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren entspricht ebenso wie die gute alte Vinylschallplatte noch den Marktbedingungen, die standardmäßig ein Alter von wenigstens 50 Jahren für die angebotenen Gegenstände fordern. Strikt verboten sind hingegen Antik2000, Neuware und Repliken.
und Keramiker werden an beiden Tagen in der Pfeilerhalle des Museums präsentiert. Wer sich selbst einmal an der Töpferscheibe oder beim freien Gestalten mit Ton ausprobieren möchte, hat hier beste Gelegenheit dazu. Telefon: 0341 2229100 Webseite: www.grassimak.de
n Fahren und feilschen Für die Oldtimerfreunde in Deutschland und den Nachbarländern gibt es am Wochenende vom 10. bis 12. Juni nur ein Ziel, denn Friesland wird dann zur europäischen Kultstätte klassischer Fahrzeuge: Der 39. Bockhorner Oldtimermarkt. Auf 180.000 Quadratmetern treffen sich über 5.000 Old- & Youngtimerfahrzeuge, von der Nobelkarosse über den Kleinwagen bis zu rassigen Sportwagen und klassischen Motorrädern. Auch Nutzfahrzeuge und Traktoren sind in großer Zahl vertreten. Beim Bummel über das Parkgelände findet der Besucher viele Kultmobile, wie sie in dieser großen Zahl nirgends anzutreffen sind. Fachkundige Infos geben die Fahrzeughalter gern, so dass der weitere Weg – vielleicht zum eigenen fahrbaren Schätzchen – über den Automarktplatz mit seinen rund 200 Verkaufsobjekten führen kann. Hier werden Träume Wirklichkeit, sowohl in fahrbereitem Zustand mit TÜVSegen, als auch zur Endmontage in der heimischen Garage. Praktisch, denn passendes Zubehör gibt’s gleich nebenan auf dem Teilemarkt; dort präsentieren etwa 1000 Anbieter ihre Ware. Besondere Beachtung verdient die diesjährige Sonderschau „American way of drive“, ein an allen Tagen stattfindendes großes Treffen von amerikanischen Fahrzeugen bis Baujahr 1997.
Rosemarie Steinbach, Keramikmarkt Leipzig im Grassi Oldtimer in Aktion zeigt die „Friesland-Rallye“ am Sonntag, dem 12. Juni, ab 9.30 Uhr. Hier bietet sich den Besuchern die einmalige Gelegenheit, über 100 Oldtimerfahrzeuge mit allen Sinnen zu erleben, während die Hamburger RallyeLegende Uwe Quentmeier sein Insiderwissen Preis gibt. Sonntags-Tipp: Der sonntägliche Kofferraumverkauf eröffnet Privatanbietern mit kleinem Warensortiment eine einfache Verkaufsmöglichkeit. Auf die angebotenen Schätze aus Garage, Keller und Dachboden darf man gespannt sein. Der 39. Bockhorner Oldtimermarkt öffnet am Freitag ab 10 Uhr seine Pforten, Samstag und Sonntag jeweils um 8 Uhr. Telefon: 04453 7333 Webseite: www.bockhorner-oldtimer-markt.de
Telefon: 0176 64323220 Webseite: www.schoene-maerkte.de
n Formen und brennen In den beiden Innenhöfen des Grassimuseums Leipzig findet am 11. und 12. Juni, jeweils von 10 bis 18 Uhr, der Keramikmarkt Leipzig im Grassi statt. An die 60 von einer Jury ausgewählte Keramiker aus dem deutschsprachigen Raum, aus Japan, Frankreich, Polen und Tschechien verkaufen aktuelle Arbeiten. Von gut gestalteter Gebrauchskeramik bis hin zu freien künstlerischen Objekten reicht das Angebot. Zarte Porzellantassen stehen neben kraftvollen Gefäßen aus dem Holzbrand und figürlichen Keramiken. Die verschiedensten Herstellungsund Brenntechniken – wie Raku oder Salzbrand – sind vertreten. Der Keramikmarkt Leipzig im Grassi vergibt drei Preise des Kunstvereins terra rossa e.V. für die besten Einreichungen zum Thema „Begehrlichkeiten”. Sämtliche Objekte der teilnehmenden Keramikerinnen
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KÜNSTLICHE BLUMEN KATHRIN BONACKER
Auf Trödelmärkten zieren sie oft Vasen, deren Zweck so besser ins Auge sticht, manche finden sich an Hüte montiert, andere sind zu bunten Büscheln oder auf Strohkränze gebunden: Künstliche Blumen fristen meist eher ein Beiwerk-Dasein. Dennoch sind sie oftmals aufwändig gearbeitet oder haben eine lange Geschichte zu erzählen. Diese Art Flora wird aus Papier, Leder oder Stoff gemacht, inzwischen auch maschinell aus Plastik oder synthetischen Fasern. Dazwischen finden sich die unterschiedlichsten Sammelstücke.
Blumen für die Ewigkeit Es gab Zeiten, da waren Blumen ein so kostbares Handelsgut, dass davon einzelne Porträts angefertigt wurden: Wer zeigen wollte, was für wunderbare Tulpen im eigenen Besitz gewesen waren, hängte sich dann ein Stillleben an die Wand. Wer aber dreidimensionale Blüten zum Schmuck von Raum oder Garderobe wollte, konnte seit sehr langer Zeit auf das Kunsthandwerk zählen: „Die unverwelkbare Flora ließ Industrien wachsen, Handel blühen, bestimmte Moden und Innendekorationen. Seidenblumen dienten als königliche Geschenke und sentimentale Souvenirs, sie füllten Ausstellungen und Modeberichte, schmückten Heilige wie Halbweltdamen.“ (Tione Raht, Die Geschichte der Seidenblumen, S. 7). Hier ist schon angesprochen, in wie vielen Bereichen sich künstliche Blumen finden lassen. Die große Zeit der künstlichen Blumen lag parallel zur Mode der üppig geschmückten Hüte und der floralen Dekoration um die Wende zum 20. Jahrhundert. Um 1900 mussten die Hutkrempen auf den Damenköpfen oft extra breit sein, um ganze Gärtlein aufzunehmen. Am Revers von Rekruten wurden ebenfalls Blümchen befestigt, es gab Toten- und Brautkränze aus Kunstblumen und große Umzüge durch die Straßen erforderten ohnehin nicht-welkenden Blumenschmuck, sei es an Kostümen, religiösen Symbolen oder Festwagen. Auch in den 1950er-Jahren, als die Mode der Nachkriegszeit alle möglichen Spielereien ermöglichte, waren Hüte mit floralem Links: Damenhut von 1909/10 im Victoria & Albert-Museum Oben: Porträt der Lyrikerin Irene von Schellander aus „Die Woche“ 38/1905
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Dekor keine Seltenheit. Eines der kurioseren Textilobjekte war aber ein Kleid, das sich 1951 in der Kölner Zeitschrift „Neue Illustrierte“ fand. Der Text dazu beschrieb es so: „ein aus strohfarbenen Taftbändern geschlungenes ‚Körbchen‘ ist mit Frühlingsblumen gefüllt und stellt ein jugendliches Kleid für warme Abende dar.“ (Nr. 9, S. 10). Das zunehmende Verschwinden der Hüte aus der Standardgarderobe führte in der Folge zum bloßen Schattendasein der Hutblumen in heutiger Zeit. Aktuell sind die Nachahmungen der Flora vor allem als Raumdekoration sowie seltener als Haar- und Hutschmuck zu festlichen Anlässen in Gebrauch. Da gibt es die nachgeahmten Palmen und die Sträußchen als Tischzierde in Restaurants und Hotels, die keine frischen Pflanzen und Blumen pflegen oder jeweils erneuern möchten. Auch viele öffentliche Gebäude haben aus diesem Grund Kunststoffbäumchen in leeren Ecken stehen. Diese Kunstpflanzen sind sowohl pflegeleichter, weil sie nicht eingehen oder welken, als auch inzwischen immens viel billiger und in jedem Baumarkt zunehmend täuschend echt zu haben. Dabei handelt es sich dann eben nicht um traditionelle Handwerks-
kunst, sondern um einfach gemachte kleine Sträuße aus „Dior-Röschen“ (aus gewickeltem Stoff) oder von weit her importierte Fabrikware aus petrochemisch produzierten Bestandteilen wie Polyester. Solcherlei Kunstblumen lassen sich auch für kleines Budget als Hochzeitsdekoration für Brautschmuck, Brautjungfernkränzchen, Herrenbuketts oder Kirchenbankgirlanden erwerben.
Herstellung von Kunstblumen Ganz anders sind die mit Liebe zum Detail in Handarbeit hergestellten Schmuckoder Hutblumen früherer Tage produziert worden. Der Wunsch, auch im Winter oder
kühleren Regionen bestimmte Blumen jahreszeitunabhängig um sich zu haben und auch an grauen Novembertagen Buntes zu tragen führte schon früh zum Wunsch nach künstlichem, möglichst naturgetreuem Ersatz. Bereits aus der Antike gibt es Berichte über parfümierte Seidenblumen und Kränze, die die Blütezeiten der Pflanzen überdauern sollten, und auch aus dem Mittelalter ist überliefert, wie die Kunst speziell
Oben von links nach rechts: Blumenkorb-Kleid: modische Spielerei von 1951 Reklamemarke der Frankfurter Firma „Wolschendorff & Meissner“ Cotillonblumen-Angebot von E. Neumann & Co, Dresden, Ende des 19. Jahrhunderts Mitte: Sommerhut von 1911 aus dem Museum für Hamburgische Geschichte Rechts: Darstellung der Kunstblumenherstellung auf einem „Liebig“-Bild 1908 06 / 22
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in Nonnenklöstern gepflegt wurde. Hier entstanden dann beispielsweise Altardekorationen und kunstvolle Blütengebilde für Prozessionen. Bis ins 18. Jahrhundert waren besonders die italienischen Produzentinnen bekannt für ihre Exportartikel, die sich aus den Stoffresten der dort ansässigen Seidenindustrie fertigen ließen. Selbst aus den für die Seidenherstellung nicht verwendeten Restkokons der Seidenraupen entstanden eine Zeit lang sogenannte Kokonblumen (oftmals in Kinderarbeit). Die Erfindung des Stanz- und Aufschlageisens zur industriellen Erzeugung von Blütenblättern hat dann den Weg zur Fertigung größerer Mengen von Kunstblumen nach Vorlagen geebnet, und die Kunstfertigkeit der Herstellenden wurde an immer präziseren Naturnachahmungen gemessen. Für jede einzelne Blumensorte gibt es separate Stanzen und Stempel. Die Blu-
menmacherei war damals vielerorts eine Gelegenheit für Frauen zur Erwerbsarbeit, und auch Christiane Vulpius, die später Goethes Frau wurde, war zunächst Arbeiterin in der „Fürstlich privilegierten Blumenfabrik zu Weimar“, die dem späteren Herausgeber des „Journal des Luxus und der Moden“ gehörte. Wer sich eine handgefertigte Blume ansieht, kann erkennen, um wie viele Einzelteile unterschiedlicher Art es sich handelt: Die inneren Staubgefäße sind umfangen von Blütenblättern, deren kompliziert verlaufende Farbigkeit oft sehr aufwändig hergestellt werden muss, darum herum liegen Kelchblätter. Sehr kleinteilige Malerei, Handarbeit mit Nadel und Faden und Formarbeit mit viel Fingerspitzengefühl sind nötig, um viele unterschiedliche Einzelteile herzustellen. All diese sind in die
dem natürlichen Modell nachempfundene Form geschnitten oder gestanzt, mit Draht verstärkt oder an Draht geklebt, die Stiele einzeln umwickelt mit Papier oder Stoff, nicht selten ergänzt mit weiterem Blattwerk. Manche Objekte sind lackiert oder gewachst, selbst aus Leder oder Federn finden sich Blüten, manche Blumen haben aufgesetzte Pailletten. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Der mögliche Überzug mit flüssigem Wachs durch Eintauchen verschaffte den Blüten einen porzellanartigen Glanz, machte sie aber auch staub- und bruchempfindlich. Die Kunstblumenfabriken vervielfachten im 19. Jahrhundert ihre Umsätze, immer neue Betriebe kamen hinzu. In Frankreich war die Pariser Firma Trousselier berühmt für ihre exquisiten Dekorationsobjekte, der Hauptumsatz wurde hier wie anderswo aber vermutlich mit großen Kränzen und nicht mit einzelnen Boutonnièren (also Blümchen für das Knopfloch) am Revers eines Bräutigams gemacht. Die Produktion wurde erst in den 2010er-Jahren eingestellt. In Deutschland ist sicher in der sächsischen Ortschaft Sebnitz die bekannteste Produktionsstätte (zu DDR-Zeiten ab 1953 „VEB Kunstblume“ genannt), der „volkseigene Betrieb“ entstand aus diversen einzelnen Manufakturen. Der Unternehmer Louis Meiche war ab 1869 BlumenfabriOben von links nach rechts: Blütenkappe aus einem Modebericht („Illustrirte Zeitung“, 1922) Blumenfreuden auf einer französischen Modezeitschrift von 1919 Stempel zur Blumen-Herstellung (Abb. aus „Putzfibel“ von 1952) Links: Mini-Buketts und Dior-Röschen unterschiedlichen Alters
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kant in Sebnitz, führte in der Herstellung die Arbeitsteilung ein und entwickelte Pläne zur Gründung einer Fachschule, die es dann auch, leider erst nach seinem Tod, 1909 bis 1921 in Sebnitz gab, sogar mit Landesmitteln gefördert. Die Blütezeit der Kunstblumenfabrikation in Sebnitz lässt sich aber vor allem ins Ende des 19. Jahrhunderts datieren. 1889 enthielt der Katalog von Meiches Kunstblumenfabrik, wie der Firmenchronist Schober berichtet, 1.500 verschiedene Objekte zur Auswahl. Auf der Website www.deutsche-kunstblume-sebnitz.de heißt es heute zur Geschichte der Produktion im Ort ab 1834: „Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bestanden in Sebnitz mehr als 200 größere und kleinere Firmen dieser Branche. Sie beschäftigten in Konjunkturzeiten bis zu 15.000 Menschen, davon waren etwa 90% Heimarbeiter.“ Heute werden hier immer noch fast 200 verschiedene rein handwerklich hergestellte Kunstblumen angeboten, von der günstigen „Mainelke“ bis zur wesentlich teureren großen Hortensienblüte, vom kleinsten, wilden Frühlingsblümchen bis zum Ilex mit Beeren oder dem Weihnachtsstern. Allerdings gibt es in der letzten Sebnitzer Manufaktur tatsächlich inzwischen nur noch zwölf Arbeitsplätze, zu stark sei die Konkurrenz aus dem asiatischen Raum. Ähnlich ging es auch vielen weiteren europäischen Betrieben. Die hessische Kunstblumenfabrik Lumpe in Trutzhain schloss 2003.
Dekorationsfreude Vor gut hundert Jahren jedoch war der Markt ein ganz anderer. Angesichts ganzjährig schwer zu beschaffender echter Blumen wurden künstliche Blüten geschätzt und der Hang zum Floralen in der Dekorationsfreude des Jugendstils war enorm. Gleichzeitig stellte sich das Kunsthandwerk als ein genuin weibliches dar und fand als Frauenarbeit auch insoweit Beachtung, als die hergestellten Objekte zum Zierrat zählten, die Handwerkerinnen sich also die Hände nicht schmutzig machten und somit im Bürgertum als arme, aber zarte Geschöpfe romantisiert werden konnten. Die „Liebig“-BildchenSerie „S 935“ von 1908 (also eine Zusammenstellung von damaligen ReklameSammelbildern, die dem „Fleisch-Extract“ beilagen) stellt daher die Kunstblumenma-
cherinnen in eine Reihe mit Frauen beim Spitzenklöppeln, bei der Porzellan- oder Miniaturmalerei, beim Lederpunzen (für Buchumschläge) oder beim Sticken. Die abgebildeten Damen in schönen Kleidern arbeiten in einer Gruppe am Tisch und passende Verpackung (ein Karton in Form einer Hutschachtel) liegt bereit. Niemand leidet Not. Inwieweit diese Darstellung der Wahrheit entspricht, sei dahingestellt. Im 1957 erschienenen Kinderroman „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler (auch bekannt als Autor des „Räuber Hotzenplotz“) schildert dieser eine ganz andere Szenerie, die auch die relative Armut der Kunstblumenherstellenden und -handelnden beschreibt. In der Geschichte geht es eigentlich um die kleine Hexe, die ihr gutes Herz zu verschiedenen Gelegenheiten beweist, weil sie menschenfreundliche Zauber bewirkt, obwohl sie eigentlich mit ihren ‚nur‘ 327 Jahren noch viel zu jung zum Hexen ist und es nicht darf. Da heißt es „Ganz
Oben links und rechts: Strohhut mit Seidenblumen aus den 1950er-Jahren Toque von der französischen Hutmacherin Jane Blanchot mit Samtblumen, 1937 Rechts: Mai-Nelke von 2021 06 / 22