AUK TIONSPREISE
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EXPERTISEN
n Myra-Glas
Wir besitzen eine große Glasschale, die wir eigentlich nie benutzen Das Glas ist sehr dünn und auch die schimmernde Oberfläche scheint empfindlich zu sein Die Württembergischen Metallwarenfabrik soll sie hergestellt haben Wissen Ihre Experten mehr über diese Art von Glas und ob sie wertvoll ist?
Tatsächlich stammt diese Schale von der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) in Stuttgart Sie zählt zu den MyraProdukten von WMF Nachdem die Fabrik im Ersten Weltkrieg zerstört worden war, wurde sie in den 1920er-Jahren wieder aufgebaut Stilistisch orientierte sie sich noch in Zeiten nach dem Krieg an der Formgebung des Jugendstils um 1900 Für das Glas und seine Oberfläche waren vor allem die irisierenden, schon um 1900 patentierten Favril-Glaswaren von Louis Comfort Tiffany leuchtende Vorbilder Ähnlich wie bei Tiffany ist auch bei den Myra-Produkten die Farbe in das Glas eingearbeitet, weist besondere Färbungen und eine schillernde Oberfläche auf Dass die WMF diese Glaskunst in ihr Sortiment aufnehmen konnte, war in erster Linie dem Glastechniker Karl Wiedmann (19051992) zu verdanken, der 1925 die Leitung der WMF-Glashütte übernommen hatte Sein erster Auftrag war tatsächlich die Fer-
tigung von Gläsern in Anlehnung an die irisierenden Jugendstilgläser von Tiffany und der böhmischen Glashütte Loetz Wiedmann entwickelte eine höchst komplizierte Herstellungstechnik, bei der meist formgeblasene Bleigläser für Vasen und Schalen durch Gelbbeizen, Reduzieren, Aufdampfen von Metallsalzen und abschließendem Mattbrennen mit einer dauerhaften Irisierung versehen wurden Nach 15-monatiger Entwicklungszeit konnte das Myra-Glas im Jahr 1926 in die Serienproduktion gehen Dennoch war jedes Stück auch ein Einzelstück, da es formgeblasen war und anschließend von Hand weiterbearbeitet wurde Das MyraGlas war ein weltweiter Exportschlager Mitte der 1950er-Jahre stellte die WMF die Produktion ein Das Glas galt als nicht mehr zeitgemäß und Vasen und Schalen aus Rauchglas hatten ihm den Rang abgelaufen Benannt wurden diese Gläser übrigens nach dem Ort Myra in Kleinasien, an dem antike Gläser gefunden worden waren, die im Laufe der Zeit durch Mineralsalze irisierende Oberflächen bekommen hatten Myra-Glas ist immer hauchdünn und die Objekte, die WMF herstellte, haben immer einen dekorativen Charakter Auch Sie sollten diese Myra-Schale nicht im tägli-
n In dieser Rubrik beantworten unsere Experten Ihre Fragen zu dem ein oder anderen guten Stück Doch leider sehen wir uns außerstande, ganze Nachlässe oder sämtliche sich in Ihrem Haushalt befindlichen Trouvaillen bewerten und schätzen zu lassen Auch bitten wir um Verständnis, wenn es mit der Bearbeitung länger dauert Senden Sie uns also Ihre Anfrage nur zu einem zu bestimmenden Objekt – mit detaillierter Beschreibung und gutem Foto, auf dem das Objekt ganz abgebildet ist
Noch ein Hinweis zu den Preisen, die von Fall zu Fall von unseren Experten genannt werden: Hierbei handelt es sich um Richtwerte, die anhand von Fotos allein getroffen werden und je nach Zustand des Objekts nach oben oder unten korrigiert werden können
Ihre Anfrage schicken Sie bitte an:
Gemi Verlags GmbH
Redaktion Leserforum
Robert-Bosch-Str. 2
85296 Rohrbach
oder per E-Mail an info@gemiverlag de
chen Gebrauch nutzen – sie ist wirklich zu empfindlich Bei Myra-Objekten handelt es sich um in großen Serien hergestellte Glaswaren Der Markt ist bis heute nicht verknappt und der Preis damit auch nicht sehr hoch Ihre große Schale schätze ich auf 300 bis 400 Euro
n Die Fee
Wir sammeln alte Porzellane, die wir auf Reisen oft auf Flohmärkten oder in kleinen Antikläden kaufen und zum Teil dann auch benutzen Unter den Tellern haben wir einen sehr verzierten, den wir nie als Speiseteller verwenden Er scheint uns zu besonders zu sein Offensichtlich stammt er nicht aus den gängigen deutschen Manufakturen Wir vermuten, er wurde eher in Wien geschaffen, wegen der Marke an der
Unterseite Leider können wir den Teller nicht datieren und preislich einschätzen, da wir die gemalte Signatur nicht entziffern können Sie befindet sich auf der vorderen Seite des Tellers im Bereich der Bemalung Könnten Sie bitte mit Ihrem geschulten Auge einen Blick darauf werfen?
Familie B aus Dortmund
!Die Unterseite des Ziertellers und die Malerei auf dem Fond geben viele Informationen über den Urheber und die Manufaktur, in der dieser Teller entstand Die gemalte blaue Marke am Boden steht für die Wiener Porzellanmanufaktur, die im Alsergrund ihr Zuhause hatte und von 1718 bis 1864 bestand Mit Meissen gehörte sie zu den ältesten Porzellanmanufakturen in ganz Europa Die Malerei, die eine Fee auf einem Felsen sitzend zeigt, ist unten in Gold signiert und dem Porzellan- und Miniaturmaler Johann Claudius Herr (1775 bis nach 1838) zuzuschreiben Johann Claudius Herr war ein sehr berühmter Künstler der Wiener Porzellanmanufaktur Sein Beruf als Porzellanmaler wurde ihm quasi schon in die Wiege gelegt Johann Claudius Herr wurde 1775 in eine Familie geboren, die in den Wiener Porzellanhandel verwickelt war Zudem arbeiteten mehrere seiner Familienmitglieder auch in der Wiener Porzellanmanufaktur, darunter sein Vater Johann und sein Onkel Claudius Im Alter von zehn Jahren lernte Johann Claudius Herr das
Leben in der Manufaktur kennen, 1791 wurde er dort Lehrling in der Figurenmalerei, ab 1793 war er außerdem Student an der Wiener Akademie Im Jahr 1801 galt Johann Claudius Herr in Wien als einer der besten Maler seiner Branche Seine Arbeit wurde hochgeschätzt und Johann Claudius Herr zählte zu den Lieblingsporzellanmalern von Kaiser Franz I , der oft von ihm dekorierte Teller und Tassen als diplomatische Geschenke bestellte Bis 1806 dekorierte Johann Claudius Herr hauptsächlich kleinere Gegenstände wie Tabakdosen, Deckel, Kaffeebecher, Pomadendosen und Tabakspfeifen Danach verlegte er sich auf die Bemalung von Tellern, die er mit mythologischen oder phantastischen Motiven bemalte Zu diesen zählt auch Ihr Teller, der an der Unterseite mit „Die Fee“ betitelt ist Die Malerei dürfte ab 1810 entstanden sein Ab 1831 zog sich Johann Claudius Herr zurück und übertrug die Arbeit für die Wiener Porzellanmanufaktur seinem Bruder Laurenz Herr (1787 bis nach 1850), dem ebenfalls eine erfolgreiche Karriere im Unternehmen beschieden war Im Jahr 1838 stellte Johann Claudius Herr seine Tätigkeit für die Wiener Manufaktur ganz ein Die Porzellanmalerei von Johann Claudius Herr hat aufgrund ihrer hohen Qualität bis heute viele Anhänger und einen lebendigen Markt Eine Schätzung von 2 000 bis 3 000 Euro für Ihr Exemplar ist durchaus realistisch Dr Bettina Krogemann, Kunstexpertin München
n Periskopisch
Einen detaillierten Einblick in das Gesamtwerk von Werner Nöfer (*1937 Essen) bietet die Sommerausstellung „Periskopisch!” Sie lässt den deutschen Maler und Grafiker im Kontext der grafischen Szene in Hamburg um 1970 wiederentdecken Nöfer ist bekannt für seine zahlreichen Arbeiten im öffentlichen Raum wie das Leitsystem für den Berliner Flughafen Tegel Für Hamburg hat er das Wandbild im Eingang des Abaton-Kinos (1970) und die große Fassadenarbeit von 1968 an der Häuserfront des legendären GrünspanMusikclubs in der Großen Freiheit zusammen mit Dieter Glasmacher (*1940 Krefeld) entworfen Letzteres ist nicht nur eines der ersten Wallpaintings Europas –mittlerweile ist es ein unter Denkmalschutz stehendes Wahrzeichen der Hamburger Musik- und Clubszene
Im unverwechselbaren Design der späten 1960er-Jahre, in einer Mischung aus Pop Art, Landschaftsmotiven und grafischer Präzision faszinieren Nöfers Werke durch ihre klare Farbigkeit und Formensprache
Die Ausstellung zeigt erstmals ca 40 seiner Grafiken, von denen die Kunsthalle die meisten 2017 als Geschenk des Künstlers erhalten hat Die grafischen Arbeiten – so auch der Siebdruck periskopisch, der sich fast identisch am Grünspan wiederfindet –dienten oftmals als Vorlage für die Arbeiten im öffentlichen Raum Sie werden zusammen mit Filmen, Skizzenbüchern, Buchcovern und Entwürfen zu sehen sein
Seit den 1960er-Jahren wurden Werner Nöfers Werke in zahlreichen Ausstellungen gezeigt Geprägt durch Kunstler wie Eduardo Paolozzi, der als „Vater” der Pop Art gilt, sind seine Werke gleichzeitig oft auf humorvolle Weise eine Antwort auf die „Gewalttätigkeit der technologischen und mechanischen Umwelt” (Nöfer) seiner Zeit Als „Bild im Bild” erkennt man in Siebdruck-Motiven wie Blindflug oder Monitor die Landschaft oder den glasklaren Hori-
zont als Markierung einer von technischer Apparatur geprägten Welt (Bis 24 September)
Die Ausstellung, die anlässlich des 10 Hamburger Architektur Sommers (Mai bis Juli 2023) gezeigt wird, entsteht in Zusammenarbeit mit Jörg Schilling, der seit längerem zum Werk des Künstlers forscht
Telefon: 040 428131200
AUSSTELLUNGEN MÄRKTE UND MESSEN
Webseite: www.hamburger-kunsthalle.de
n Klassisch und rassig
Für die Oldtimerfreunde in Deutschland und den Nachbarländern gibt es am Wochenende vom 9 bis 11 Juni nur ein Ziel, denn Friesland wird dann zur europäischen Kultstätte klassischer Fahrzeuge: Der 40 Bockhorner Oldtimermarkt Auf 180 000 Quadratmetern treffen sich über 6 000 Oldtimerfahrzeuge, von der Nobelkarosse über den Kleinwagen bis zu rassigen Sportwagen und klassischen Motorrädern Auch Nutzfahrzeuge und Traktoren sind in großer Zahl vertreten Beim Bummel über das Parkgelände findet der Besucher viele Kultmobile, wie sie in dieser großen Zahl nirgends anzutreffen sind Fachkundige Infos geben die Fahrzeughalter gern, so dass der weitere Weg – vielleicht zum eigenen fahrbaren Schätzchenüber den Automarktplatz mit seinen rund 200 Verkaufsobjekten führen kann Hier werden Träume Wirklichkeit, sowohl in fahrbereitem Zustand mit TÜV-Segen, als
Bockhorner Oldtimermarkt
Foto: Torsten van Reeken
auch zur Endmontage in der heimischen Garage Praktisch, denn passendes Zubehör gibt’s gleich nebenan auf dem Teilemarkt; dort präsentieren etwa 1000 Anbieter ihre Ware
Besondere Beachtung verdient die diesjährige Sonderschau „carpe diem & c’est la vie“, ein an allen Tagen stattfindendes großes Treffen von italienischen und französischen Fahrzeugen bis Baujahr 1998
Webseite: www.bockhorner-oldtimermarkt.de
„Alles uff die Gass...”
heißt es am Sonntag, dem 30 Juli wieder in Gelnhausen Der Markt hat sich mittlerweile zu einer Marke entwickelt Es ist ein Einkaufserlebnis der besonderen Art, das viele Besucher in die schöne Stadt zieht
Mit dem verkaufsoffenen Sonntag unter obigem Motto, räumen die Einzelhändler jede Menge Schnäppchen und auch Kurioses auf die Straße Der Bereich vor ihren Geschäften wird zu einem Flohmarkt, auf dem man auch schon mal im Sommer einen Weihnachtsbaum kaufen kann Kurzum, alles, was in den Lagern der Händler Platz wegnimmt und nicht mehr benötigt wird, wird angeboten In der Seestraße findet dann parallel der beliebte Kinderflohmarkt statt
Mit der Marke Antik & Handel in Gelnhausen knüpfen die Veranstalter an die Erfolgsgeschichte vorangegangener Antikmärkte an Erstmalig wird der Stadtmarketing- und Gewerbeverein diesen Markt in Eigenregie organisieren In diesem Jahr wird der Antikmarkt wieder in seiner gewohnten Größe auf dem Unter- und Obermarkt zwischen 9 und 18 Uhr stattfinden
Telefon: 06051 888958
Webseite: www.stadtmarketing-gelnhausen.de
BÜCHER
n Schriften aus dem Messingmuseum
Nachfragen von Interessenten, ob es im Deutschen Messingmuseum für angewandte Kunst auch neben dem Schwerpunkt Messing spezifische Themen gibt, die kulturhistorisch prägend waren, führten zu einer neuen Buchreihe In dieser Buchreihe Museumsbibliothek des Wissens werden die kunst- und kulturhistorische Bedeutung der genutzten Objekte und Gerätschaften und deren sozialgeschichtlicher Verwendungshintergrund sowie die Gegebenheiten der vergangenen Generationen anhand von vielen Beispielen erläutert Die Sitten und Gepflogenheiten der heutigen Generation, die Werte und traditionellen Verhaltensweisen befinden sich in einem starken Wandel Der Schwerpunkt der menschlichen Gesinnung, der gesellschaftlichen Ziele und des beruflichen Alltages haben sich in den letzten Jahrhunderten und massiv in den letzten Jahrzehnten so verschoben, dass soziokulturelle und traditionelle Verhaltensweisen und das Wissen darum deutlich aus dem Fokus verschwunden sind Gleichwohl wurde im Deutschen Messingmuseum für angewandte Kunst festgestellt: Es gibt Interesse Interesse eben an diesen traditionellen Gewohnheiten und an traditionellen Formen des Zusammenlebens sowie an der Ausprägung der täglichen, in Lebensgemeinschaften praktizierten Vorgänge und Rituale Wer weiß heute noch, warum sich Kaffeekränzchen gebildet haben? Warum und in welcher Form gab es die Teezeremonien? Heute ist alles „to go“ Wer weiß schon, dass es noch bis zum Anfang des 20 Jahrhunderts Wärmespender gab, die speziell zur Erwärmung der Füße, der Hände, des Bettes und des Leibes entwickelt worden sind Früher waren Rituale der Gemeinsamkeit sozialer und gesellschaftlicher Klebstoff Der Sprung aus vergangenen Jahrhunderten in unsere moderne Zeit war ein Weg mit vielen Schritten, begleitet von unglaublichen gesellschaftlichen Veränderungen und deutlichen Unterschieden in den sozialen Schichten zwischen Bauern, Bürgern, Edelleuten und der Kirche In der Museumsbibliothek des Wissens werden Fragen wie zum Beispiel: Wie sah das Leben auf dem Land, in einem Bauernhaus aus? Welche Entwicklung gab es dort über die Jahrhunderte? In den Städten lebten einfache, bessergestellte und reiche Bürger Wie war das Zusammenleben in der Familie, im Haus, auf dem Hof? Wie wurde repräsentiert? Welche regionalen Unterschiede gab es bei ähnlichem Kontext? Welche Gerätschaften erleichterten das Leben und Arbeiten? Welche Bedeutung hatten Feuer und Wärme? Dies alles sind Fragen über Vorgänge, von denen man sich heute gar keine Vorstellung mehr macht, die aber einen besonderen Reiz ausüben, wenn man sich in das
Leben unserer Vorfahren hineinversetzt Die Museumsbibliothek des Wissens mag den Lesern zu vergangenen Zeiten, deren Sitten und Gebräuchen, den gelebten Ritualen und der soziokulturellen Entwicklung eine informative Basis geben Wissenswertes erfährt man in Band 15 dieser Reihe mit dem Titel „Der Tabakgenuss” oder die Entwicklung und Nutzung der „Schreibzeuge” in Band 1
Bestellungen können über die website vorgenommen werden:
www deutsches-messing-museum gallery
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Das EnDE DEr TräumE
rEInHarD BOGEna
amerika, das Land der unbegrenzten möglichkeiten und zahlreicher Legenden. Große Freiheit und endlose Weiten, die man mit hubraumstarken, protzigen autos erfahren kann. Wahrheit oder Vorurteil? man muss es selbst erleben.
Überschwängliche Formen
Zwar zählen Pickups mit den Ausmaßen von Kleinlastwagen nach wie vor zu den beliebtesten Fortbewegungsmitteln, doch das Auto des Durchschnittsamerikaners ist auf europäisches Maß geschrumpft und kommt meist aus Japan Die legendären Straßenkreuzer, die einst das Image Amerikas prägten, findet man vereinzelt noch in jenem Teil der Städte, der eher vom weniger betuchten und meist farbigen Teil der Bevölkerung bewohnt wird Ihnen verleiht der klapprig gewordene Cadillac oder Lincoln der 70er-/80er-Jahre noch ein bisschen vom Glanz alter Zeiten, als Full Size noch den American Way of Life bestimmte und es zum Ziel unserer Träume machte
Für den Liebhaber überschwänglicher Formen, die andere als dekadent bezeichnen würden, führt kein Weg an den USA vorbei Nicht nur die Mutter aller Straßen, die legendäre und vielbesungene Route 66 lockt mit sehnsüchtigen Gefühlen und
vereinzelt dekorativ in ihrem Umfeld abgestellten Straßenkreuzern Auch Autofriedhöfe, wie sie hierzulande längst den Umweltgesetzen zum Opfer gefallen sind, bieten dort häufig einen Überblick über die Automobilgeschichte der letzten sechzig
Jahre Platz gibt es jenseits des Atlantiks in Hülle und Fülle Vieles blieb stehen, der Natur überlassen, was zu einem ganz besonderen Szenarium führte und das Blut des Autonarren in Wallung versetzt „Get your kicks "
Einstige Träume
Rückblende: Es ist einer jener heißen Tage im Sommer mit über 36 Grad im Schatten Eine beinahe tropische Luftfeuchtigkeit schlägt mir beim Verlassen des klimatisierten Wagens entgegen Lange Hosen sollte ich anziehen und Schuhe, trotz dieser Temperaturen, denn hier gibt es Schlangen, warnte mich der Besitzer eines Autofriedhofes am Vorabend und „Don't open hoods or doors, you know – snakes!"
Links: Pickups aus den 50er-Jahren
Oben: Grimmig schaut der Cadillac
So gerüstet taste ich mich langsam vor in eine automobile Wildnis, eine Welt des Skurrilen, des Abstrusen Hier stehen die Auswüchse des Luxus, Autos, die früher durch meine Träume schwebten, Straßenkreuzer, die in unserem kleinen Land trotz des deutschen Wirtschaftswunders der fünfziger Jahre höchstens im Besitz von Schauspielern oder Filmproduzenten waren, während heute Freaks und Fans das schwülstige Blech zum Kultobjekt erhoben haben
Berge von Tannennadeln auf Brokatpolstern, Moos am Armaturenbrett und aus ei-
die ausgedienten, unmodern gewordenen Symbole für Reichtum und Überfluss auf diesen Platz fuhr und für immer abstellte Lange Zeit zuvor war hier Niemandsland, eine Wiese mit wenigen Büschen, inzwischen hat ein ganzer Wald hier Wurzeln geschlagen und breitet seine Äste über Chevrolet und Ford, Packard, Cadillac und Plymouth oder Studebaker aus Verstummt sind die Achtzylindermotoren, der letzte Tropfen Benzin verdunstet und doch reckt sich manche Kühlerfigur noch stolz dem Besucher entgegen Strahlende Lackierungen von einst sind matt oder hässlichen Brauntönen gewichen, den Farben der Korrosion Nur Stoßstangen und Zierteile aus Chrom leisten jeglichem Angriff durch Sonne, Frost und Regen letzten Widerstand Einzelne dieser vierrädrigen Wesen strahlen eine beinahe aggressive, unauslöschliche Energie aus, gerade so, als wollten sie sich mit einer angriffslustigen Drohgebärde ihrer Kühlergrillzäh-
nem Kühlergrill herausblühende Pflanzen locken mich tiefer hinein in das an diesem Ort bizarr wirkende Reich der Natur Hier lässt sie ihre Muskeln spielen und holt die vom Menschen verlassenen Schätze wieder in ihren Besitz zurück; „Miss Nature" umschlingt sie mit rankenden Armen Bäume wachsen durch offene Türen und Fenster, um die verendeten blechernen Saurier für immer am Wegfahren zu hindern Totenstille liegt über dem Platz, nur hin und wieder unterbrochen vom Ruf der Vögel, die verschreckt auffliegen Hier erscheint der Mensch als Störenfried, derselbe, der
ne dem endgültigen Tod widersetzen, während andere in den matten Reflektoren ihrer Scheinwerfer den apathischen Ausdruck von Hoffnungslosigkeit zu tragen scheinen
Namen drängen sich dem Auge des Besuchers entgegen, Apache, Wildcat, Eldorado, Impala, Fairlane Noch hat niemand die Schriftzüge und Kühlerfiguren entfernt und den verlassenen Wunschträumen von einst ihre Identität genommen Jede dieser gebrochenen Blechkreaturen hat ihre eigene Geschichte, die sie dem aufmerksamen Betrachter offenlegt: ein zurückgelassenes Kennzeichen berichtet vom letzten Wohnort, Beulen von unachtsamen Begegnungen, Aufkleber bekunden die Lebenseinstellung und Schrammen die unwürdige Behandlung eines ehemaligen Besitzers Pockennarbige Markensymbole von Nash und Kaiser erinnern an längst ausgestorbene Spezies der Autoindustrie
Die Formen der Karosserien, gerade oder geschwungen, rund oder eckig, mit Heckflossen und Panoramascheiben zeigen den Zeitgeschmack vergangener Jahre Und obwohl die Autoradios keinen Ton mehr von sich geben, glaubt man doch beim Anblick der verchromten Knöpfe und Tasten den ein oder anderen Schlager zu hören Ist es kitschig, jetzt an James Dean, Elvis oder Marilyn zu denken? Schließlich sind es die Fahrzeuge ihrer Zeit, Autos wie in dem Film „Denn sie wissen nicht was sie tun", Straßenkreuzer aus dem Roadmovie und Kultfilm „American Graffiti", die von der Zeit überholt wurden und nur noch Symbol sind für die Träume der vergangenen Jugend
rascheln und Knistern
Ich bin in ein Zeitloch gefallen, fühle mich wie in Trance, als mir die untergehende Sonne das Fotografieren erschwert In diesem Moment fällt mir die Schlangenwarnung ein, die ich angesichts dieser eigen-
Von oben nach unten: absolut am Ende: Oldsmobile um 1954
abgestellt und der natur überlassen – so findet man zahllose Fahrzeuge abseits der straßen
Waidwund, ein Buick von 1948 – Wen nimmt er mit seinem „Zielfernrohr" wohl ins Visier?
artigen Welt mit ihren voluminösen, kranken Achtzylindern völlig vergessen hatte Erschrocken registriere ich jetzt ein Rascheln und Knistern um mich herum Im Halbdunkel verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Phantasie Sind es die Geräusche der Schlangen oder von diversem anderen Getier, das hier in den Blechruinen seine Heimat gefunden hat oder kehrt etwa Leben zurück in die Autoleichen? Im Schutz der Dämmerung scheint sich das ein oder andere Vehikel noch einmal aufraffen zu wollen Leise knarrend und ächzend bewegt sich eine Tür, eine offene Haube Gespenstisch bewegt sich der zerrissene, mürbe Innenhimmel einer großen Limousine im Abendwind hin und her Es ist ein Nash, der hier bis zu den Achsen im Morast eingesunken ist und trotzdem noch würdevoll erscheint
Crazy! Kann man bei Autos überhaupt von Würde sprechen? Ist das Automobil nicht einfach nur ein lebloser Gegenstand aus Blech und Plastik, Lack und Stoffpolstern?
Ich behaupte: Nein, niemals! Denn jedes einzelne verkörpert die Arbeit der Menschen, die an seiner Entstehung beteiligt waren, vom Ingenieur bis zum Fließbandarbeiter Wie viele Werksangehörige mögen stolz auf ihr Werk gewesen sein, haben es mit Befriedigung das Fließband
Von oben nach unten: Chevrolet El Camino von 1949, ehemals ein Luxus-Laster – schade drum
seine Frontpartie macht ihn zum Kultmobil, trotzdem scheint er hier vergessen zu sein –studebaker von 1950
herunterfahren gesehen und es „ins Leben" entlassen, um dem Menschen über viele Jahre zu dienen? Der Fahrer vertraute dem Wagen, er verließ sich auf das Funktionieren von Lenkung, Fahrwerk und Maschine, bis er ihn schließlich durch ein jüngeres Modell ersetzte Autos haben sicher keine eigene Würde, keine Seele und doch glaubt man gerade hier, wo die Natur sich der Verstoßenen annimmt, zu spüren, dass vielen Wagen etwas mitgegeben wurde, vom Konstrukteur, dem Erbauer und letztlich auch von jenem Menschen, der sich einst zum Kauf gerade dieses Modells entschlossen hatte Vielleicht liegt darin der eigenartige Reiz, die Anziehungskraft der verlassenen Schönheiten, die an diesem Ort wie einst Dornröschen auf ihren Erlöser zu warten scheinen
Gerade im Zeitalter schwindender Wertvorstellungen, in der Wegwerfgesellschaft von heute, in der man immer rastloser nach Abwechslung, nach Neuem strebt, in einer Zeit, in der viele verlernt haben, etwas zu bewundern und Glücksfälle als Selbstverständlichkeit empfinden, wird man hier auf dem Autofriedhof an ehemalige Werte erinnert Hier können die Autos der Vergangenheit ein letztes Mal Flagge zeigen Die Schönheit ihrer Form glaubt man noch einmal zu sehen, trotz Rost, Beulen und gesplitterter Scheiben Unter Staub und Schmutz, verdeckt von Moos, Efeu und anderen Grünpflanzen erahnt man den früheren Glanz wie bei einem alten Menschen, hinter dessen faltiger Haut und abgetragener Kleidung man immer noch die einstige Schönheit vermuten kann
mit morbidem Charme
Wie lange werden wir den morbiden Charme dieser Idylle noch genießen können, vielleicht ein lange gesuchtes Teil entdecken, das einen anderen Wagen am Leben erhalten könnte? Die Uhren auf dem Friedhof ticken nicht mehr, aber die Zeit bleibt nicht stehen
Fotos: Reinhard Bogena
Von oben nach unten: Ein 1949er-Pontiac Chieftain, nachdem niemand ihn kaufte, blieb er einfach stehen...
ebenso wie dieses modell von 1952
Ob diesen Ford mustang mitsamt airstreamWohnwagen wohl noch jemand gerettet hat?
Ein seltenes stück automobilgeschichte: Hudson Commodore um 1948