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Europas Sammlermagazin
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EXPERTISEN
■ Keramikvase
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Wir bitten um Auskunft zu dieser Keramikvase: ziegelroter Scherben, wohl von Hand gedreht, dreifarbig glasiert, moosgrün/schwarz/blau, Laufglasur blaugrau, partiell überdeckend. Der Durchmesser beträgt 15,5 cm, die Höhe 30 cm. Die Marke, die unten am Boden eingeritzt ist, lesen wir „Oden“. A. und L. Klingner, o.O.
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Die Vase in Ihrem Besitz scheint von Hand auf der Töpferscheibe gedreht worden zu sein. Form und Verlaufglasur sind typisch für die Zeit des späten Jugendstils. Der Name des Herstellers liest sich wohl „Oder“. Dieser Name ist leider weit verbreitet, findet sich aber auch in der
Region um die Stadt Bürgel. Leider ist der Name ohne Vorname nicht zielführend, ich kann also nur vermuten, dass die dekorative Vase in dieser Region in der Zeit des Jugendstils oder auch später entstanden ist, Schätzpreis 50 bis 100 Euro. Klaus-Dieter Müller, Kunstsachverständiger Jagdschloss Göhrde
■ Gussformen
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Auf einem Flohmarkt in Südfrankreich kaufte ich vier Löffel-Gussformen aus Bronze. Die Gussformen sind zweiteilig und etwa 20 cm lang mit einer Eingiessöffnung an der Spitze. In einer Form befindet sich die Inschrift „ETAIN FIN“. Können Sie mir helfen? Aus welcher Zeit stammen diese Gussformen? Welchen Wert haben sie etwa pro Form? Klaus Dahrens, Ravensburg
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Die Gussform für Zinnlöffel wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich hergestellt, wie die Beschriftung Etain Fin vermuten lässt. Die bronzene Gussform wurde vermutlich von einer spezialisierten Firma extra für Zinngießer angefertigt. Mit Hilfe dieser Form ließen sich je nach Bedarf Zinnlöffel aus Altzinn herstellen, in die-
sem Fall das Modèle filet violon, welches seit etwa 1750 in Frankreich beliebt ist. Deutsche Hersteller erfanden dafür den Namen „Augsburger Faden“, in England ist dieses Design als „fiddle thread“ bekannt. Gleiche Gussformen werden häufig in Auktionen zu einem Preis um die 100 Euro verkauft. Klaus-Dieter Müller, Kunstsachverständiger Jagdschloss Göhrde
■ Zuckerdose
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Diese Zuckerdose ist mein neuester Fund vom Flohmarkt. Der Teller hat die Maße 12 x 12 cm, die Dose 7 x 7 x 8 cm
■ In dieser Rubrik beantworten unsere Experten Ihre Fragen zu dem einen oder anderen guten Stück. Doch leider sehen wir uns außerstande, ganze Nachlässe oder sämtliche sich in Ihrem Haushalt befindlichen Trouvaillen bewerten und schätzen zu lassen. Auch bitten wir um Verständnis, wenn es mit der Bearbeitung länger dauert. Senden Sie uns also Ihre Anfrage nur zu einem zu bestimmenden Objekt – mit detaillierter Beschreibung und gutem Foto, auf dem das Objekt ganz abgebildet ist. Noch ein Hinweis zu den Preisen, die von Fall zu Fall von unseren Experten genannt werden: Hierbei handelt es sich um Richtwerte, die anhand von Fotos allein getroffen werden und je nach Zustand des Objekts nach oben oder nach unten korrigiert werden können. Ihre Anfrage schicken Sie bitte an: Gemi Verlags GmbH Redaktion Leserforum Pfaffenhofener Straße 3 85293 Reichertshausen
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LESERFORUM 5 inkl. Deckel. Teller wie Deckel sind gemarkt mit Wellner und Rosenthal. Der Deckel lässt sich beim Schieben nur in einer Richtung abnehmen. Können Sie mir bitte mehr zur Zusammenarbeit dieser Firmen sagen? Gab es noch mehr Geschirr in dieser Art? Natürlich würden mich auch Alter und Wert der hübschen kleinen Dose interessieren. Die Löffelaussparung ist minimal beschädigt. M. Lucius, o.O.
ist absolut naheliegend. Allerdings war die Zusammenarbeit wohl nur von kurzer Dauer. Nur wenige andere Rosenthal / WellnerProdukte sind bekannt. Der Wert des Marmeladen- oder Senfgefäßes liegt heute bei 30 bis 60 Euro. Klaus-Dieter Müller,
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Die dekorative Dose mit Schiebedeckel hat eine interessante Vorgeschichte. Die polygonale Form mit dem prägnanten Kantenrelief in Form einer Früchtegirlande ist sofort als Serviceteil der Serie „Maria“ erkennbar. Die bekannteste Variante ist die ohne Dekor, also „Maria weiß“. Laut Legende hat Philipp Rosenthal dieses Design entworfen, bzw. in ein neues Material
Kunstsachverständiger Jagdschloss Göhrde
■ Terrine Ich möchte Ihnen diesen Flohmarktfund, eine Suppenschüssel aus Metall, vorstellen. Sie ist 20 cm hoch, 22 cm breit und wiegt 1488 g. Die Henkel sind wohl angelötet. Rund um diese Stellen wird das Material schneller dunkel. Den Hersteller habe ich im Internet gefunden. Er scheint bedeutend gewesen zu sein. Ich nehme an, die Stempel beziehen sich auf das Herstellungsjahr bzw. die Art der Versilberung, wüsste aber gerne Genaueres dazu. Ich hoffe, Ihr Experte kann da weiterhelfen. Auch eine Werteinschätzung wäre interessant. Bettina Lichtenberg, Leverkusen
dem offiziellen staatlichen System, einer Kombination von Marken, die die Identifizierung des Ursprungs und des Alters jedes Stückes ermöglichen, diente diese private Kennzeichnung mit Jahresbuchstaben wohl nur dem Zweck, den Käufer zu täuschen, da hier Silberpunzen imitiert wurden. Für einen kurzen Zeitraum verwendete Walker & Hall hebräische Buchstaben, den Buchstaben Daleth wohl um 1909. „A1“ soll wohl ein Hinweis auf die Qualität sein, der aus der Seefahrt entlehnte Wimpel mit den Buchstaben „W&H“ ist das Firmenkennzeichen von Walker & Hall, die Zahl „84“ könnte eine Produktions- oder Formnummer sein oder es wurde das französische System übernommen, welches wiederum eine Adaption sächsischer Industrienorm war. Dann wäre die Zahl „84“ ein Hinweis auf die Qualität der Versilberung, d.h. 84 Gramm Silber auf einer bestimmten Fläche. Aktuell würde ich die Terrine mit 60 bis 90 Euro bewerten. Klaus-Dieter Müller, Kunstsachverständiger Jagdschloss Göhrde
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Die formschöne und sparsam dekorierte Terrine wurde im Zeitraum 1905 bis 1910 von der englischen Firma Walker & Hall in Sheffield hergestellt. Das so genannte Sheffield plate wurde schon 1743 erfunden und der Herstellungsprozess immer weiter optimiert. In diesem Fall wurde auf das günstige Trägermaterial, vermutlich Kupfer oder sogenanntes Nickelsilber, eine dünne Schicht 800er-Silber mit einem stark silberhaltigen Lot aufgelötet. Die Firma Walker & Hall verwendete eine Reihe von unterschiedlichen Buchstaben-Systemen, um das Herstellungsdatum auf ihren Produkten zu vermerken. Im Gegensatz zu
überführt, und anlässlich der Geburt seines Sohnes 1916 nach seiner Frau benannt. Jüngere Forschung konnte belegen, dass der Entwurf auf eine silberne Dose zurückgeht, die von der Bildhauerin Helene Brandt für die Ausstellung des Deutschen Werkbundes 1914 in Köln entworfen und von Bruckmann & Söhne in Heilbronn hergestellt worden war. Der Deckel der Dose in Ihrem Besitz wurde in Kooperation mit der Sächsischen Besteckfabrik Wellner in Aue hergestellt, kaum 100 km von Selb entfernt. Eine Kooperation der beiden Firmen während der wirtschaftlich schwierigen 1920er-Jahre 09 / 20
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dität und in irrealen Szenen, die unversehens zur Wirklichkeit werden könnten. Dem Zeitgeist auf der Spur, aber zu jeder Zeit treffend – so könnte man die Karikaturen von Pepsch Gottscheber charakterisieren. Manch einer muss zweimal hinschauen auf das Erscheinungsjahr – meint man doch, es handele sich um hochaktuelle Themen, dabei stammt die Zeichnung aus den 80er-Jahren. Lernt der Mensch denn nie dazu? (Bis 8. November im Olaf Gulbransson Museum Tegernsee)
! Pepsch Gottscheber, geboren 1946 in der Steiermark, kam nach dem Abschluss an der Grazer Kunstgewerbeschule 1966 nach München, wo er bis heute lebt. Er jobbte als Fotograf, Siebdrucker, Vertreter, Chauffeur, Beleuchter. Seit 1971 ist er als freier Zeichner tätig. 1974 erschien seine erste politische Karikatur in der „Süddeutschen Zeitung“, für die er nach wie vor arbeitet. Außerdem zeichnete er regelmäßig Karikaturen und Cartoons für viele Zeitungen und Magazine wie „Stern“, „Die Zeit“, „Die Presse“, „Weltwoche“, „TagesAnzeiger Magazin“ u.a. Er veröffentlichte Bücher und illustrierte Literatur für Kinder und Erwachsene. Für seine politischen Karikaturen erhielt Pepsch Gottscheber 1978 den deutsch-amerikanischen „ThomasNast-Preis“. Diesem Teil seines Werkes ist in der Ausstellung ein eigener Bereich gewidmet. Doch das thematische Spektrum von Pepsch Gottscheber reicht weit über das tagespolitische Geschehen hinaus. Das zeigt der zweite Teil der Ausstellung. Pepsch lacht gern, aber das Zeichnen nimmt er ernst: genau hinsehen, Details erfassen, Nachdenken. Er betrachtet die Geschehnisse aus völlig unerwarteten Perspektiven. Sein satirischer Weitblick kennt keine Grenzen: atmosphärisch dicht, grotesk, skurril, poetisch. Jedes dieser Blätter könnte auch der Anfang einer Geschichte sein. Vollständige Geschichten dagegen zeigen seine Comic Strips in
drei Bildern, in denen er einen ganz besonderen Witz entwickelt. „Die Zeichnungen von Pepsch sind böse, aber nicht bösartig, die Ironie kommt auf ihre Kosten und führt ihm die Hand. Die Hoffnung, mit seinen Zeichnungen Wirkungen zu erzielen, und die sitzt in jedem Karikaturisten, meldet sich unterschwellig zu Wort“ (Süddeutsche Zeitung). „Ein bissiger Vogel, der mit Lust verätzt, was uns heilig und teuer ist“ (Stern). „Viele seiner Bilder sind von geradezu unersä ttlicher Wirkung“ (Vorwärts) – schreibt die Presse. In seinen Cartoons zeigt Pepsch Gottscheber den Zustand der menschlichen Gesellschaft in ihrer abgründigen Absur-
! Zauber und Magie haben seit jeher die Menschen fasziniert. Die Ausstellung im Museum Fürstenfeldbruck spannt den Bogen von schwarzer und weißer Magie über Wahrsagerinnen, Geisterbeschwörungen bis hin zu modernen Bühnenshows, in denen gehobene Unterhaltungskunst dargeboten wird. Zaubern hat Hochkonjunktur, nicht erst seit dem unglaublichen Erfolg von Harry Potter. Das Okkulte spielt in unserer Gesellschaft nach wie vor eine bedeutende Rolle und wird von Werbung und Politik geschickt genutzt. In diesem Zusammenhang sind auch „magische Orte“ zu sehen, von denen es in der Region um Fürstenfeldbruck eine ganze Reihe gibt. Darstellungen von großen Zauberern, Kunststücken und magische Begebenheiten werden den Betrachter bezaubern. Die überbordende Fantasiewelt der Zauberkunst spiegelt sich in den Objekten und zeigt deutlich: Magie spielt sich im Kopf ab. Die Besucherinnen und Besucher tauchen ein in die Welt der Magie und können den einen oder anderen Zaubertrick te-
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sten und sich von Illusionen in den Bann ziehen lassen. Zur Ausstellung werden Führungen, Zaubervorstellungen, ein museumspädagogisches Programm und ein Ausstellungskatalog zum Preis von 18,90 Euro angeboten. (Bis 11. Oktober)
einen „Jonathan Swift an der Feder”. Zahlreiche weitere Bücher mit Searles Zeichnungen erschienen auch hierzulande, darunter das „Große Katzenbuch” oder die „Illustrierte Weinsprache”. Es gibt einen Katalog. (29. August bis 22. November)
! Selten ist das Werk eines Künstlers so sehr mit seiner Zeit und ihren Menschen verflochten wie bei Ronald Searle, diesem vielfach ausgezeichneten Karikaturisten. Deshalb ist die große Werkschau im Museum Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst zugleich auch ein Lebensbericht. Mit seinem vielfältigen Werk gilt Ronald Searle als einer der einflussreichsten Karikaturisten des 20. Jahrhunderts. In mehr als acht Jahrzehnten schuf Searle mit seinen Illustrationen, Reportagezeichnungen, werbegrafischen Arbeiten und Animationsfilmen ein umfangreiches Lebenswerk von internationalem Rang. Ein unverwechselbarer, meisterhafter Strich, kombiniert mit rabenschwarzem Humor, reichem Wissen, pointiertem Spott sowie einer tiefen Menschlichkeit haben Ronald Searle ausgezeichnet. Seine Schulmädchen von St. Trinian’s sind in England mindestens so berühmt wie Max und Moritz in Deutschland. Das Museum Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst bewahrt seit 2010 Searles Nachlass als Dauerleihgabe der Stiftung Niedersachsen. Dazu gehören auch die wissenschaftliche Bibliothek Ronald Searles zur Geschichte der Karikatur, seine Sammlung historischer Karikaturen sowie sein persönliches Archiv.
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Der Künstler mit dem typisch britischen Humor wurde 1920 in Cambridge geboren und veröffentlichte bereits als 15-Jähriger seine ersten Cartoons. Im deutschsprachigen Raum wurde Searle dank eines jungen Verlegers bekannt, der 1952 einen Verlag gründete, um Searles bissige Karikaturen veröffentlichen zu können: Der Schweizer Daniel Keel startete den Diogenes-Verlag mit dem SearleBand „Weil noch das Lämpchen glüht”. Und Friedrich Dürrenmatt nannte Searle
Nach der langen Durststrecke haben Flohmarktfreunde in München im September noch Gelegenheit, an den beliebten Hofflohmärkten teilzunehmen. Hier die kommenden Termine: Ramersdorf & AltPerlach, Sa. 5. September; Solln & Obersendling, Sa. 12. September; Hadern Hofflohmärkte Spezial, So. 13. September; Aubing, Sa. 19. September, jeweils zwischen 10 und 16 Uhr. Folgende Maßgaben müssen im Rahmen der Ausnahmegenehmigung beachtet und eingehalten werden: Für die Besucherinnen und Besucher gilt die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern, Mund-Nasenschutz-Pflicht für alle im Hof / Garten, den Anweisungen der Ordnungsperson / Verkäufer im Hof folgen, regelmäßig Desinfektionsmittel benutzen, Wühltische vermeiden, Produktkontakt einschränken und Geduld mitbringen, wenn das Gedränge vor dem Hof oder Garten zu dicht werden sollte. Auch sollte die Bezahlung kontaktlos erfolgen, z. B. via Geld-Schale. Wenn all diese Punkte beachtet werden und gegenseitig Rücksicht genommen wird, sollte einem ungetrübten Flohmarktvergnügen, dem alle schon seit Monaten entgegenfiebern, nichts im Wege stehen.
! Der oldthing-Feiertagsevent am 3. und 4. Oktober auf der Trabrennbahn Berlin Karlshorst ist bekannt für seine gepflegte und entspannte Stimmung. Das Großereignis in Sachen Antiquitäten und Sammeln hält mit einem ausgeklügelten Sicherheitskonzept noch einmal mehr Raum für ein stilgerechtes Feilschen, Gustieren, Austauschen und Fachsimpeln bereit. Ein Besucherleitsystem via App regelt den Zugang. Aus engen Marktgassen werden weite Besucherwege und während des gesamten Marktgeschehens kontrollieren Ordnungskräfte die Einhaltung der Vorgaben. Weitere Infos und Anmeldung unter:
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Römer benutzten beschriftete Anhänger oder Plomben, die an den Gefäßen befestigt wurden. Diese Methode blieb jahrhundertelang durch das gesamte Mittelalter üblich. Im Zeitalter der Renaissance wurden Weinanhänger auch aus Edelmetallen oder Elfenbein angefertigt.
In Deutschland ist die Kennzeichnung von Wein seit über 100 Jahren gesetzlich geregelt. Im Jahr 1892 wurde erstmals durch ein Weingesetz festgelegt, welche Angaben eine Flasche auf dem Etikett zu führen hatte. Seitdem wurden diese Regeln immer wieder verändert und an die Anforderungen der jeweiligen Zeit angepasst. Am Anfang enthielten Etiketten meist nur ein paar sparsame Angaben zu Herkunft oder
Kelterort des Weins. Das erste bekannte Weinetikett mit Bild war auf einer Flasche 1822er „F.M. Schloss Johannisberger Cabinet“ angebracht. Es stellte das Schloss Johannisberg mit den umliegenden Weinbergen dar. Bis dahin hatten die Winzer ihre Weine gekennzeichnet, indem sie Qualitätsziffern in den Korken brannten oder Stempel in ein Siegel aus Siegellack auf der Flasche drückten. Diese Art der Kennzeichnung war uralt: Schon vor 6000 Jahren drückten die Sumerer Stempel und Rollsiegel in den Ton ihrer Wein-Amphoren. Die Griechen und
Die Bezeichnung „Etikett“ für einen bedruckten Zettel auf der Flasche hängt übrigens mit der gesellschaftlichen „Etikette“ – den guten Umgangsformen – zusammen. Der Begriff leitet sich vom französischen „étiquette“ (= feststecken) ab. An den französischen Adelshöfen der frühen Neuzeit war es üblich, die Rangfolge der anwesenden Fürsten bei offiziellen Anlässen auf Zetteln, so genannten Étiquettes, festzuhalten. Wenn jemand gegen diese Festlegung verstieß, handelte er „gegen die Etikette“. Sehr bald bürgerte sich die Bezeichnung Étiquette in den allgemeinen Sprachgebrauch ein, um Zettel und Schilder auf Waren zu beschreiben. Auch in Deutschland setzte sich der Begriff Etikett im 18. Jahrhundert durch.
Bis Weinflaschen mit gedruckten Weinetiketten, wie wir sie heute kennen, ihren Sie-
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vervielfältigen. Er hatte die geniale Idee, statt eines gestochenen oder geätzten Druckstocks einen flachen Stein zu verwenden. Das Prinzip beruht auf dem Gegensatz von Fett und Wasser. Das zu druckende Bild oder die Schrift wird zuerst mit einer fetthaltigen Farbe auf eine glatt geschliffene Kalksteinplatte aufgebracht. Nun wird der Stein mit einer ätzenden wässrigen Lösung behandelt und danach mit Wasser befeuchtet. Rollt man nun
geszug antraten, waren noch zwei wichtige technische Innovationen notwendig: die Entwicklung der normierten Glasflasche und der modernen Drucktechnik. Bis weit ins 19. Jahrhundert war die Herstellung von Glasflaschen aufwändig und teuer. Erst im 20. Jahrhundert konnten Flaschen unter Einsatz von Maschinen serienmäßig und in großen Stückzahlen produziert werden. Eine 1903 in den USA von Michael Joseph Owens entwickelte Maschine brachte es bereits auf 240 Flaschen pro Stunde. Noch schneller und billiger ging es mit der 1927 von Henry W. Ingle und Charles Goodwin Smith entwickelten vollautomatischen Maschine, die in modernisierter Form bis heute die gebräuchlichste Maschine zur Flaschenherstellung geblieben ist. Derweil hatte sich auch bei der Drucktechnik allerhand getan. Pionier dieser Entwicklung war der Münchener Bühnenautor Alois Senefelder, der Ende des 18. Jahrhunderts nach einer Möglichkeit suchte, Notenblätter schnell und kostengünstig zu
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Druckfarbe auf den Stein, bleibt diese nur an den fettigen Stellen haften und kann auf Papier gedruckt werden. Senefelders „Lithografie“ (abgeleitet von Lithos = Stein), die er zwischen 1796 und 1798 erfand, war ein großer Erfolg und bildete (im wahrsten Sinne des Wortes) den Grundstein für das Flachdruckprinzip, auf dem der heutige Offsetdruck basiert. 1880 entwickelte Hugo Koch eine Steindruck-Schnellpresse; mit Maschinen wie dieser konnten rund 800 Bogen Papier in einer Stunde gedruckt werden. Die mehrfarbige Variante der Lithografie ließ sich 1837 der Elsässer Godefroy Engelmann unter dem Namen „Chromolithografie“ patentieren. Bis in die 1930er-Jahre war sie das billigste und verbreitetste Verfahren zur Herstellung von farbigen Illustrationen. Ende des 19. Jahrhunderts gelang es, den schwerfälligen Stein durch einen rotierenden Zylinder mit aufgespannter Metallplatte zu ersetzen. Daraus entwickelten 1904 zwei Erfinder den Offsetdruck, bei dem das Motiv der Druckplatte über einen Gummituchzylinder auf den Papierbogen übertragen wird. Die erste moderne Rollenoffsetmaschine ging 1912 in Leipzig in Betrieb. Die Berufe „Lithograph“ und „Steindrucker“ wurden übrigens erst 1956 aus den Lehrlingsrollen der Industrie- und Handelskammern gestrichen, und das Verfahren wird heute noch auf Kunstschulen praktiziert. Die Erfindung der Chromlithografie und später der Offsetmaschine ermöglichten es, farbige Motive billig, schnell und in hohen Auflagen zu vervielfältigen; nun war
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auch die Massenproduktion von Sammelbildchen, bunten Ansichtskarten und Weinetiketten möglich.
Während die ersten Etiketten meist nur schlicht den Inhalt der Flasche in Textform wiedergaben, etablierten sich schnell Bilder und künstlerische Motive, wobei der dekorative und werbende Charakter der Etiketten in den Vordergrund trat. Nicht zuletzt macht diese Vielfalt der Motive den Reiz für Liebhaber und Sammler der bunten Bilder aus. Ähnlich wie bei Briefmarkensammlern ist das Sammeln nach Motiven beliebt, zum Beispiel Etiketten mit Tieren, Rittern, Wappen, Stadtansichten und so weiter. Andere spezialisieren sich auf Weinbauregionen oder Weinorte und sammeln Etiketten aus einer bestimmten Region. Ein Spezialthema sind grafisch anspruchsvolle Künstleretiketten, die für besonders hochwertige Weine entworfen wurden. So lässt zum Beispiel das berühmte Weingut Château Mouton-Rothschild in der Nähe von Bordeaux seit 1945 Etiketten von Malern wie Marc Chagall, Pablo Picasso, Joan Mirò oder Jeff Koons gestalten.
Weinetiketten sind nicht zuletzt für Historiker eine interessante Quelle, da sie stets auch als kulturgeschichtliche Dokumente ihrer Zeit gelesen werden können. Sie geben nicht immer Auskunft darüber, wie die Welt zur Zeit der Darstellungen „wirklich“ aussah. So finden sich zum Beispiel auf Etiketten für Oppenheimer Wein Stadtansichten, die aus dem 17. Jahrhundert stammen und durch Dampfschiffe auf dem Rhein ergänzt wurden. Auch entsprachen die idyllischen Landschaftsbilder,
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sinnenfrohe Mönche, flirtende Winzerinnen und pompöse Ritterwappen wohl nie der Realität. Aber gerade diese oft kitschigen Bilder einer „heilen Welt“ sind wichtige Hinweise auf die Ideale, Träume und Sehnsüchte der Menschen in der jeweiligen Zeit.
Eine Personengruppe ist dem Zauber der „kleinen bunten Quadrate und Rechtecke“ auf jeden Fall verfallen: Die Enthusiasten, die im April 1997 in Rüdesheim den deutschen Freundeskreis WeinetikettenSammler (DFWS) gründeten. Ziel der Gemeinschaft, zu der auch Sammler aus dem Ausland gehören, ist die Förderung von Aktivitäten rund um das Thema Weinetiketten. Pflege der Sammlung von Weinetiketten, Durchführung von Tauschtreffen, Organisation von Ausstellungen und allgemein Förderung der Forschung über die Geschichte der Weinetiketten. Hier finden angehende und erfahrene Sammler Antworten auf Fragen und können sich auf regen Austausch freuen. Weitere Infos unter https://www.weinetikettensammler.de/ Fotos: Die abgebildeten Etiketten stammen aus den Sammlungen des Oppenheimer Geschichtsvereins und des DFWS (Stephan Euler)