Welt aus Zinn Metronome 0 9 / 2 0 2 2 6 4 4 1 9 • € 5 , 5 0 Schweiz CHF 9, | Österreich € 6, TERMINHEFT als Beilage Europas Sammlermagazin 4 196441905502 09 2 Monate Termine Á neu
n Bergmann ?Ich möchte Sie um eine Expertise zu dieser Gussfigur bitten Es handelt sich dabei um einen 64 cm großen Bergmann mit einem recht stattlichen Gewicht von 36,5 kg Er stammt vermutlich aus dem Erzgebirge, wo er genau gefertigt wurde, hoffe ich nun von Ihnen zu erfahren Viel leicht hilft ja die Sockelinschrift „EKM 1909” weiter? Auch eine Wertangabe wäre für uns von Interesse Walter Josten, Gehrde !Die Figur eines Bergmanns/Hauers in Paradekleidung kann man wohl tatsäch lich in das Erzgebirge verorten Die säch sische Volkskunst hat eine lange Tradition und wurde in weiten Kreisen der Gesell schaft geschätzt Über den Hersteller „EKM 1909“ wird sich wohl nichts heraus finden lassen Die Darstellung ist eher naiv bemüht Konkrete Details, singulär typisch für ein bestimmtes Bergwerk, sind leider auch kaum auszumachen Die Kappe, Jacke, gezackte Pelerine und Hose konn ten um 1900 schon so im Versandhandel erworben werden Die Grubenlampe, „Frosch“ genannt, ist ebenfalls weit ver breitet, scheint aber in Sachsen häufiger verwendet worden zu sein Hergestellt wurde die Figur mit Sandgussverfahren in einer nicht näher benennbaren Eisenhütte Als Wert würde ich einen Betrag von unter 300 Euro annehmen Klaus Dieter Müller, Kunstsachverständiger, Lüneburg in dieser Zeit geeignetes Malmaterial zu erwerben Anfang des Jahres kostete ein Hühnerei lediglich 270 Mark, Ende des Jahres über 300 Milliarden Mark Man kann also davon ausgehen, dass dieses Bild einst einen enorm hohen Betrag ge kostet hat Heute würde ich dieses Porträt eines weitgehend unbekannten Malers mit 100 Euro bewerten Klaus Dieter Müller, Kunstsachverständiger, Lüneburg n Porträt ?In unserem Privatbesitz befindet sich ein Bild, auf dem ein junger Mann dar gestellt ist Rechts ist eine Signatur recht gut zu lesen: H Hackl, darunter 1923 So weit wir informiert sind, war das Bild ur sprünglich in Adelsbesitz Ist Ihnen der Maler bekannt? Und können Sie uns mit teilen, um wen es sich bei dem Porträtier ten handelt? Ursula Heinrich, o O !Das Porträt eines jungen Mannes folgt in der Komposition mit Landschaftsaus blick älteren Vorbildern, die Reduktion auf wesentliche Farbflächen nimmt die Male rei der Neuen Sachlichkeit vorweg Über den Zeichner Hans Hackl ist nur wenig be kannt Offenbar war er in der Region Mün chen aktiv, an der Akademie studiert hat er jedoch nicht Das Papier der Pastellkrei de Zeichnung ist schon etwas gebräunt Das spricht für Holzschliff haltiges Papier aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg Das Pastell ist „1923“ datiert, dem Jahr der Hyperinflation Es war sicher nicht einfach, n In dieser Rubrik beantworten unsere Experten Ihre Fragen zu dem ein oder anderen guten Stück Doch leider sehen wir uns außerstande, ganze Nachlässe oder sämtliche sich in Ihrem Haushalt befindlichen Trouvaillen bewerten und schätzen zu lassen Auch bitten wir um Verständnis, wenn es mit der Bearbeitung länger dauert Senden Sie uns also Ihre Anfrage nur zu einem zu bestimmenden Objekt mit detaillierter Beschreibung und gutem Foto, auf dem das Objekt ganz abgebildet ist Noch ein Hinweis zu den Preisen, die von Fall zu Fall von unseren Experten ge nannt werden: Hierbei handelt es sich um Richtwerte, die anhand von Fotos allein getroffen werden und je nach Zustand des Objekts nach oben oder unten kor rigiert werden können Ihre Anfrage schicken Sie bitte an: Gemi Verlags GmbH Redaktion Leserforum Pfaffenhofener Str. 3 85293 Reichertshausen oder per E Mail an info@gemiverlag de
LESERFORUM 4 EXPERTISEN 09 / 22
n Wandschmuck ?Vor einiger Zeit kaufte ich dieses Bild, das angeblich von V Gilbert ist Eine Signatur ist jedoch nicht zu erkennen, nur das Metallschild auf dem Rahmen gibt einen Hinweis auf Gilbert Ist sie vielleicht unter dem Rahmen versteckt? Auf der Rückseite ist eine Echtheitsgarantie auf dem grünen Aufkleber Die Leinwand scheint ziemlich neu Die Innenmaße sind circa 39 x 29 cm Auf Deutsch heißt das Bild: „Und dann ich " Können Sie mir sa gen, ob das Bild wirklich von V Gilbert ist oder ob es sich um eine Kopie handelt? Kann man auch eine „Echtheitsgarantie" fälschen? Ich wüsste auch gern, wieviel es wert sein könnte Beate Neumann, o O !Bei diesem dekorativen Wandschmuck handelt es sich leider nur um eine Repro duktion, genau genommen um bedrucktes Papier mit Prägung, auf Textil geleimt Die haptisch fühlbare Textur der Oberfläche erweckt den Eindruck, als ob der Pinsel duktus in der Farbschicht ertastbar sei In Kombination mit „Leinwand“ (wohl eher Baumwollgewebe), dem Keilrahmen so wie dem sehr feinen Offsetdruck ist dann die Illusion fast perfekt Der Zettel auf der Rückseite nennt den Hersteller, den Künstler der Vorlage und das Motiv Was das Wort „Guaranted“ in diesem Zusam menhang bedeuten soll, bleibt rätselhaft Falls „guaranteed“ gemeint ist, stellt sich immer noch die Frage, was hier eigentlich garantiert wird Das Material? Die Qualität der Druckfarbe kann wohl nicht gemeint sein, denn diese Drucke verbläuen sehr schnell, bleichen also leicht aus Gedruckt wurde der Text offenbar mit einem Nadel drucker Dem Schriftbild nach würde ich diese Reproduktion daher in die 1980er Jahre datieren Mit einer Lupe lassen sich leicht die runden Punkte des Offsetdrucks erkennen, aus denen sich das Bild zusam mensetzt Hier handelt es sich nicht um eine Fälschung, sondern schlicht um eine täuschend echte Reproduktion nach dem Gemälde von Victor Gabriel Gilbert (1847 1935) Die Reproduktion hat lediglich ei nen dekorativen Wert Klaus Dieter Müller, Kunstsachverständiger, Lüneburg
LESERFORUM 5 09 / 22
RAL K5 Farbfacher; Werkbundarchiv Museum der Dinge; Berlin © TQCSHEEN 2018 Foto: Armin Herrmann / Werkbundarchiv Muse um der Dinge
MAGAZIN 6 AUSSTELLUNGEN 09 / 22 n „Lerne Ordnung, liebe sie!” Dies war einst ein beliebter Satz bei der Kindererziehung Mit der Sonderausstel lung „Dinge ordnen” will das Werkbund archiv Museum der Dinge ganz konkret Analogien zwischen alltäglichen Ord nungssystemen und musealen Strukturen aufzeigen Im Alltag sind wir bemüht, dem Chaos Ein halt zu gebieten mittels Ordnungshel fern, Ordnungshütern und Ordnungsra stern, mithilfe von Ordnungsratgebern oder Ordnungscoaches, sie alle geben bestimmte Strukturierungen vor: als Kä sten, Schubfächer und Schränke oder als Regeln, Koordinaten, Systeme, Auszeich nungen, Register, Anleitungen und Gebo te Die Betrachtung dieser Ordnungsvor und verrichtungen macht die Allgegen wart von Strukturierungsaufgaben deut lich Im Museum ist Ordnung ein unverzichtba rer Aspekt, vielleicht der wesentlichste Die Ordnung der Dinge und die Ordnung des Wissens bedingen sich hier gegensei tig Theoretische Strukturierungsmodelle lassen den praktischen Zugriff oft verges sen, der beim musealen Ordnen deutlich wird: im Sammeln, Auspacken und Sich ten, Einordnen, Inventarisieren und Kata logisieren von Objekten und Dokumenten Auf Grundlage der vergleichenden Be trachtung und Analyse, des Unterschei dens, des Trennens und Zusammenfü gens agiert das Museum als eine Art „Ord nungsmaschinerie“ Eine „Ordnungsma schinerie“, die in Abhängigkeit vom jewei ligen Auftrag, einer wissenschaftlichen Sy stematik und dem aktuellen Wissensstand funktioniert Stempel; Werkbundarchiv Museum der Dinge; Berlin Foto: Armin Herrmann / Werkbundarchiv Museum der Dinge Rubik’s Cube, 1974; Werkbundarchiv Museum der Dinge; Berlin Foto: Armin Herrmann / Werkbundarchiv Museum der Dinge
Die Sonderausstellung „Dinge ordnen” bil det einen kommentierenden Rahmen für die nach Art eines offenen Depots ange legte Dauerausstellung des Museums Zu Beginn der Ausstellung steht die „Regi stratur“ eigentlich eine Protokollinstanz für administrative Vorgänge für den Pro zess, den Objekte mit der Integration in die musealen Sammlungen durchlaufen Im zweiten bildhaften Teil der Ausstellung steht das Museum als Behältnis im Vorder grund symbolisiert durch Kästen mit di versen Schubladen, die zum geordneten musealen Aufbewahren genutzt werden und wurden Diese schweren materiellen Gebilde sind mit zwei künstlerischen In stallationen von Sibylle Hofter und Moritz Fehr verknüpft Mit dem Projekt soll vor dem Hintergrund vielfältiger Ordnungsdinge ein Raum für die eigene Reflexion und darüber hinaus auch für einen Diskurs von und mit Spezia listinnen und Spezialisten der Wissens und der Alltagsordnungen geöffnet wer den Vorträge, Gespräche und Workshops widmen sich dem Thema aus ganz unter schiedlichen Blickwinkeln und laden ein zu einem mit der Ausstellung angestreb ten Erkenntnisprozess Das Projekt „Dinge ordnen” bildet den Auf takt für weitere Aktivitäten anlässlich des 50 Jubiläums der Gründung des Werk bundarchivs in den Jahren 1972/73 (Bis 31 Oktober) Telefon: 030 92106311 Webseite: www.museumderdinge.de
Fotoflohmarkt am 4 September im Fichtelgebirgsmuseum Wunsiedel n Phantasten und Phänomene Einmal im Jahr verwandelt sich das Tech nik Museum Speyer in ein Mekka für Phan tasten Anhänger von Star Wars, Star Trek und Co stehen schon längst in den Start löchern und bereiten sich auf das Scien ce Fiction Treffen am 24 und 25 Septem ber vor Die Veranstaltung findet innerhalb der regulären Öffnungszeiten des Muse ums statt und ist im Eintrittspreis des Mu seums inbegriffen Mit dabei sind zahlreiche Kostümgruppen der unterschiedlichsten Genres, Infostän de zu den Themen Cosplay oder Modell bau sowie Händler, bei denen es alles für große und kleine Nerds gibt Als offizieller Partner unterstützen Mitglieder der Star Wars Kostümgruppe „German Garrison“ das Treffen Die Kostümträger der „dun klen Seite der Macht“ sind ganz zahm und n Ab auf die Alm! Traumhafte Gegend, ereignisreiche Stra ßen, die Benefizausfahrt, Camping direkt auf der Alm Wiese, gutes Essen, zünftige Musik, ein ideenreiches Kinderprogramm n Ritsch, ratsch, klick Analoge Fotografie ist wieder gefragt: Alte Kameras, Stative, Objektive, Umhängeta schen, Diaprojektoren, Leinwände, Diakä sten, Diarahmen, Fotoalben, Foto Postkar ten oder gar Super 8 Filmkameras und Videokameras mit dem entsprechenden Filmmaterial finden auch bei den soge nannten „Digital Natives“ wieder vermehrt Interesse Aus diesem Grund veranstaltet das Fichtelgebirgsmuseum am 4 Septem ber 2022 einen Foto und Kamerafloh markt mit Livemusik und Festbetrieb Der Markt findet bei jedem Wetter statt Wer mit einem Stand dabei sein möchte, kann sich einen Platz reservieren Es findet sich bestimmt ein Liebhaber für die guten oder auch kuriosen Stücke aus der priva ten Sammlung Telefon: 09232 2032 E Mail: verwaltung@fichtelgebirgsmuseum.de Webseite: www.fichtelgebirgsmuseum.de begrüßen die Besucher schon bei der Ein fahrt auf den Museumsparkplatz Passen de Erinnerungsfotos gibt es in der Raum fahrthalle Besucher in Science Fiction oder Superhelden Kostümen erhalten an beiden Tagen einen Rabatt 2022 sind auch wieder die Aussteller AJ Design mit ihren Transformers und die Gruppe „Guar dians of the Galaxy Germany“ dabei Telefon: 06232 670868 Webseite: www technik museum de und freundliche, fröhliche Menschen mit ihren Volkswagen Klassikern das ist die Mischung, die das Treffen zu etwas Be sonderem macht Nach drei Jahren Pause treffen sich die Volkswagenklassiker vom 9 bis 11 Sep tember auf der Postalm im Salzburger Land Die Postalm ist das größte zusam menhängende Almgebiet Österreichs Im Winter wird die auf ca 1300 m gelegene Alm als Skigebiet genutzt, im Sommer ste hen Wanderwege zur Verfügung Am nördlichen Rand der Postalm kann man bis zum Wolfgangsee und Schafberg se hen Herzlich Willkommen sind originale und authentische Volkswagen mit Heckmotor: Typ1, Typ2, T3 luft oder wassergekühlt, Typ4 Transporter, Bus, Bulli T1, T2, T3, Käfer, VW 1500, 1600, VW 411, 412, EMPI IMP Buggy, VW Brasilia, Puma, Fridolin, Karmann Ghia, SP2, Typ 181, Kurierwagen, Typ 82, Typ 21, Kübel, Typ 166, Schwimmwagen, Porsche 914, Rometsch, Hebmüller, Dannenhauer & Stauss Telefon: 089 58804390 Webseite: www vwpostalm at
Sifi Treffen im Technik Museum Speyer
MAGAZIN 7 09 / 22 VW Almtreffen, Foto: Phil Anderegg
Glaskunst in der elektronik
teCHnik 8
FranZ PiCHler Glas war stets ein wichtiger Werkstoff für die elektrizität. durch reibung einer Glasplatte mit einem wollenen tuch wird diese elektrisch geladen. dieser physikalische effekt war die Basis zur konstruktion von elektrisiermaschinen bei denen der wichtigste Bestandteil ein drehbarer Glaszylinder oder eine runde Glasscheibe waren. die elektrisiermaschinen des londoner instrumentenmachers Francis Hauksbee (1680 1713) und des leipziger Physikprofessors Johann Heinrich Winkler (1703 1770) stellen berühmte frühe Beispiele dafür dar. Besonders kann hier auch die vom englischen instrumentenmacher John Cuthbertson (1743-1821) für das teyler Museum in Harlem angefertigte große Glasscheibenmaschine genannt werden, die auf Bestellung des holländischen naturforschers Martinus van Marum (1750-1837) von ihm gebaut wurde. in diesem aufsatz geht es aber nicht um solche mit Glas gefertigte Maschinen, sondern um Gerätschaften, bei denen die isolierende eigenschaft von Glas für die elektrizität wichtig ist. Wir befassen uns aber auch nicht mit Glasiso latoren, die bis heute hier verwendet werden, sondern mit Geräten, die für die entwicklung der modernen elektronik in der Vergangenheit eine große Bedeutung erlangt haben und daher als besondere sammlungsstücke bis heute geschätzt werden. es sind dies die Geißlerröhren, die Crookes schen röhren und im Besonderen auch die elektronenröhren, wie diese für radio und Fernsehen und auch für die weltweite telefonie in der Vergangenheit eine große Bedeutung hatten.
Verschiedene Geißlerröhren Geißlerröhren
Der Name „Geißlerröhren“ geht auf den aus Thüringen stammenden Glasbläser Heinrich Geißler (1815 1879) zurück, der in Bonn für die dortige Universität tätig war und für die physikalische Forschung Gas entladungsröhren anfertigte Füllt man statt einem Gas eine fluoreszierende Flüs sigkeit ein, so leuchtet diese nach Anle gung einer elektrischen Hochspannung Indem verschieden farbige solche Flüs sigkeiten in kunstvoll verschlungene Pfade eingefüllt werden, erhält man ein schönes stark leuchtendes Farbbild Die Anferti gung solcher „Geißlerröhren“ verlangte von den Glasbläsern eine hohe Kunstfer tigkeit Geißlerröhren gehörten in der Ver gangenheit zum wichtigen Inventar jedes Physikkabinetts einer höheren Schule und wurden von den Lehrmittelerzeugern, z B von der Firma Max Kohl aus Chemnitz und der Fa Leybold aus Köln angeboten Heu te sind physikalische Experimente mit Geißlerröhren wegen der möglichen Ge fahr einer Röntgenstrahlung aus dem Un terricht verschwunden Für Sammler und Liebhaber elektrischer Besonderheiten, die sich in ihrer Sammelleidenschaft die
ser Gefahr ohne Furcht aussetzen, werden aber Geißlerröhren noch erzeugt Nach Entdeckung der Kathodenstrahlen durch den Bonner Physikprofessor Julius Plücker (1801 1868) und deren Erfor schung durch Wilhelm Hittdorf und Eugen Goldstein führte der Engländer William Crookes (1832 1919) mit diesen verschie dene Experimente durch Er hielt Katho denstrahlen für eine Art einer „strahlenden Materie“ und für einen vierten Aggregat zustand, neben den bekannten „flüssig“, „fest“ und „gasförmig“ Er hatte damit nicht ganz unrecht, da der englische Physiker J J Thomson (1856 1940), Inhaber des Cavendish Lehrstuhls in Cambridge, im Jahre 1897 schließlich die Kathodenstrah len als eine Strahlung von atomaren Parti keln, den Elektronen, erkannte Von Croo kes haben sich bis heute die Crookes schen Röhren erhalten Es sind dies eva kuierte Glasröhren mit „kalten“ Elektroden, zwischen denen bei Anliegen einer Hoch spannung, etwa erzeugt mittels eines Fun keninduktors, Kathodenstrahlen entste hen William Crookes untersuchte die ver schiedenen Wirkungen, die Kathoden strahlen haben Von Crookes stammt die Entdeckung, dass bei Auftreffen von Ka thodenstrahlen auf bestimmte Mineralien oben von links nach rechts: elektromotor mit Geißlerröhre Geißlerröhre Geißlerröhre unter Hochspannung unten von links nach rechts: Crookes sche röhre mit käfer leuchtender käfer Crookes’sche röhren
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teCHnik 10 diese in kräftigen Farben leuchten Indem man verschiedene solche Mineralien etwa in Form eines Schmetterlings, eines Käfers oder eines Hahns auf eine der beiden Elektroden als ein Mosaik anordnet, erhält man so sehr schöne farbige leuchtende Objekte Eine weitere Crookes sche Röhre ist die mit einem Flügelrad Crookes glaub te, dass die Kathodenstrahlen eine me chanische Kraftwirkung auf die Flügel er zeugen und dieses damit zu laufen be ginnt Tatsächlich war die Ursache aber die Wärmewirkung auf die Flügel, wobei der damit entstehende Wind die Drehbe wegung erzeugt In der damaligen Zeit der schwach leuchtenden elektrischen Kohlefaden lampen von Edison begeisterten solche Crookes’sche Röhren die Betrachter Für Sammler stellen diese Röhren neben den Geißlerröhren bis heute beliebte Objekte dar Elektronenröhren waren in der Vergangen heit ein wichtiger elektronischer Baustein zur Realisierung von Telefon Weitverbin dungen und für Radio und Fernsehen Den Beginn setzte die Liebenröhre des Österreichers Robert von Lieben Bereits im Jahre 1906 hatte von Lieben ein deut sches Patent für sein „Kathodenstrahlen relais“ erhalten, jedoch erst im Jahre 1911 konnte damit die Verstärkerwirkung für Te lefonströme erreicht werden In dieser Zeit entstand auch in den USA die dringende Aufgabe zur Entwicklung von technischen Mitteln, um über lange Strecken Telefon gespräche führen zu können Man konnte von New York bisher nur bis Chicago tele fonieren Der amerikanische Westen konn te wegen der großen Dämpfung der Tele fonströme telefonisch nicht erreicht wer den Im Jahre 1914 gelang es jedoch schließlich, von New York nach San Fran cisco eine Verbindung herzustellen Dies ermöglichte die von der Firma Western Electric für die amerikanische Telefonfirma AT&T entwickelte Hochvakuum Elektro nenröhre des Typs 101 A, mit der man die dafür notwendige Verstärkung erreichte In Deutschland hatte die Firma Telefunken und Siemens & Halske sowie auch AEG und TKD während des Ersten Weltkrieges verschiedene Hochvakuumröhren zur Ver wendung in Verstärkern für lange Telefon leitungen entwickelt Bei Siemens & Hals ke waren dies die Typen A und Mc Ihre Er zeugung erforderte eine sorgfältige Glas arbeit, mussten doch die notwendigen Elektroden wie der Heizfaden, das Steuer 09 / 22 oben: Crookes sche röhre mit Flügelrad Flügelrad unten: Zweidraht telefonverstärker mit Mc-röhren elektronenröhren / „Poströhren”
teCHnik 11 09 / 22 gitter und die Anode mit Glas befestigt werden und in einem evakuierten Glaskol ben eingebaut werden
Nach Ende des Ersten Weltkrieges galt es, die bestehenden Telefonnetze mit einer genügenden Anzahl von Fernleitungen auszustatten Dazu waren die dafür erfor derlichen Kabelleitungen mit Röhrenver stärker auszustatten Im Abstand von etwa 70 Kilometern waren dafür Verstärkeräm ter zu errichten Von den dafür notwendi gen Elektronenröhren, die man gemeinhin als „Poströhren“ bezeichnete, wurde eine lange Lebensdauer zusammen mit großer Zuverlässigkeit verlangt Von der Firma Siemens & Halske wurden dafür die Röhren ab dem Jahre 1920 die Type BF und ab dem Jahre 1926 die Type BO er zeugt Die BF Röhre gilt als die erste spe zifisch für Verstärkerämter entwickelte „Poströhre“ Wie die Bilder zeigen, war für die Erzeugung der Röhren BF und BO eine anspruchsvolle Glasarbeit erforderlich
Ganz oben links: siemens & Halske a röhre oben links: s&H Mc-röhre oben Mitte: BF röhre oben rechts: Bo röhre rechts: Zweidrahtverstärker mit BF röhren anspruchsvolle Glasarbeit
Die Firma Siemens & Halske erkannte schon bald, dass die serienmäßige Pro duktion von „Poströhren“ die hochwertige Arbeit einer größeren Anzahl von profes sionellen Glasbläsern erforderte Man be schloss deshalb, dafür eine eigene Fabrik zu errichten Im Jahre 1921 wurde dafür die Firma „Technische Glaswaren GmbH“ kurz TEGLA genannt, in Berlin Charlotten burg gegründet TEGLA erzeugte ab 1921, weitgehend in Handarbeit, die Ver stärkerröhren von Siemens Wegen der hochwertigen handwerklichen Glasarbeit, die man dabei leistete man kann durch aus von einer Glaskunst sprechen wer den die bei TEGLA erzeugten Röhren auch heute noch von Museen und Samm lern sehr geschätzt Um eine Vorstellung von den Produktionszahlen zu bekommen, sei angeführt, dass im Abteilungsbericht von TEGLA für das Geschäftsjahr 1921/22 aufgelistet ist, dass man 17 094 Verstär kerröhren erzeugte Die Zahl der Beschäf tigten lag damals bei 300 Es entstanden so bei TEGLA neben den Röhren BF und BO weitere „Poströhren“ für den Einsatz in den Systemen für Weit verkehrs Telefonie und für die dazu erfor derlichen Messgeräte Als Beispiele dafür sind die Röhren der Type OBE, OR und BEb hier gezeigt Am Bild der Röhren OBE, OR und BEb ist zu sehen, welche anspruchsvolle „Glas kunst“ einzusetzen war, um die senkrecht im Inneren angeordnete „Triode“, beste hend aus dem Heizfaden (Kathode), das Steuergitter und die diese umfassende zylindrische Anode mechanisch mittels Glasstäben isoliert zu befestigen und die Anschlussdrähte zum Röhrensockel zu führen Die Firma TEGLA war durch die Lieferung von Verstärkerröhren für die Firma Sie mens & Halske jedoch nicht voll ausgela stet Aus diesem Grunde wurden bei
Von links nach rechts: oBe, or, Beb eigene Fabrik
schlussworte Fertigung von röhren bei teGla
teCHnik 12 09 / 22
TEGLA auch für andere Firmen Elektro nenröhren produziert Als ein Beispiel dafür kann die Röhre VE der Firma „Deut sche Telefonwerke und Kabelindustrie AG“ (DeTeWe) gelten, die in ihrem Hoch frequenz Telefoniesystem „System Ha bann“ für Hochspannungsleitungen ein gesetzt wurde Auf der nächsten Seite ist links eine Abbildung der VE Röhre von DeTeWe gezeigt Sowohl Fachleute an Universitäten, Schu len und Museen und im Besonderen Sammler schätzen allgemein die hand werkliche Fähigkeit und das Bestreben nach einer schönen Formgebung, die in der Vergangenheit oft bei der Erzeugung von technischen Geräten eingesetzt wur de Ein technisches Gerät kann damit ge wissermaßen zu einem Objekt werden, bei dem sich ein Vergleich mit einem Kunst werk aufdrängt Bei Sammlern besteht so gar die Gefahr, dass solche technischen Geräte in der Wohnung die Rolle von Kunstobjekten bekommen Man möchte liebgewordene Sammlungsstücke einfach
Franz Pichler: Robert von Lieben 100 Jahre Patent Kathodenstrahlenrelais Uni versitätsverlag Rudolf Trauner, Linz, 2006
gerne um sich haben Historische techni sche Objekte dieser Art sind heute jedoch oft zu einer Rarität geworden Dies trifft zum Beispiel auch für die in diesem Auf satz behandelten gläsernen Objekte weit gehend zu Dennoch kommen sie etwa für einen Verkauf bei „Bares für Rares“ kaum in Frage Ihre Bedeutung im Rahmen der Geschichte der Technik ist meistens zu wenig bekannt, der Materialwert ist ver gleichsweise zu Edelsteinen oder Gold gering Daran interessierte Käufer sind schwer zu finden Sie stellen eben keine Antiquitäten im traditionellen Sinne dar Besitzer von den in dem Aufsatz behan delten Objekten der technischen Glas kunst, die in der Entwicklung der Elektronik einen großen Anteil hatten, wird daher ge raten, sich an dem Besitz lebenslang zu erfreuen oder sonst diese an kundige Sammler oder an Museen weiter zu geben
Franz Pichler: Glaskunst für den Telefon Weitverkehr Zur Geschichte der Elektro nenröhren von Siemens & Halske für Tele fonverstärker 1920 1926, erschienen in e&i, 2008 Fotos: Prof Franz Pichler teCHnik 13 09 / 22
Ganz oben und oben: Ve und Ve detail rechts: Fertigung von röhren bei teGla literaturhinweise
B Pohlmann und Dr A Gehrts: Die Ver stärkerrohre der Fernmeldetechnik Sie mens Zeitschrift, 2 Jahrgang, 5 /6 Heft, 1922, Seite 282 291