Trödler 09/2024

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TRÖDLER ISSN 1863-0340

VERLAG GEMI Verlags GmbH

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AUTORINNEN UND AUTOREN Reinhard Bogena, Alexander Glück, Heidrun Th Grigoleit

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TERMINE Hans Neumeier, Tel 08441/4022-34 eMail: termine@gemiverlag de

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zEITSCHRIFTENHANDEL VU Verlagsunion KG

MARKTVERTRIEB Gemi Verlag

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DRUCK Kastner AG Wolnzach

ERSCHEINUNGSwEISE 10 mal im Jahr

TITELFOTOS Alexander Glück; Grassi Museum für Angewandte Kunst, Leipzig, Patrick Goetelen

Alle Rechte vorbehalten Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfältigt oder verbreitet werden Unter dieses Verbot fallen die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-ROM

Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/21 (Preise gültig seit 01 07 2021)

n Expertenauskünfte

n Ausstellungen, Messen STÜHLE

n „A Chair and You” MUSIK

n Jukeboxen

SOUVENIRS

n Der Musical-Besuch

AUKTIONEN 28 n Notizen, Termine, Preise

n Rare Blue Note Jazz Records

n Flohmarktpreise

n Familie Pfefferson

?Bei einem Skandinavien-Urlaub vor einigen Jahren fand ich diese beiden entzückenden Haushaltsutensilien auf einem Hofflohmarkt in der Nähe von Uppsala in Schweden Für einen kleineren zweistelligen Betrag wechselten die beiden Gewürzstreuer die Besitzerin Noch heute freue ich mich täglich beim Frühstück über ihre sonnige Ausstrahlung Leider ist der Bodenstempel stark verwischt, so dass ich die Zeichen nicht deuten kann Gerne würde ich mehr über diese beiden skurrilen Objekte wissen Vielleicht besteht ja eine Chance? Maria Schneider, Kiel

!

Das sind ja zwei äußerst dekorative und zugleich gebrauchsfähige HaushaltsGegenstände, die das moderne skandinavische Design des Mid-Century entzückend verkörpern Diese handbemalte schwedische Keramik versprüht durch ihre eigenwillige Form und Buntheit eine wahrhaft positive Energie Der verwischte Bodenstempel lässt sich hier entschlüsseln Dargestellt ist die „Familjen Pepparsson“ (Familie Pfefferson), die jederzeit für reichlich Würziges im Haushalt sorgt Das Gewürz-Set besteht eigentlich aus drei Familienmitgliedern, die „Pfeffer-Mutter“

scheint aber in Ihrem Set abhanden gekommen zu sein Das ansprechende Design dazu stammt von der Künstlerin Anita Gunvor Nylund-Hedlung (1931-2023), Tochter von Gunnar Nylund (1904-1997) Gunnar Nylund gilt als Pionier der dekorativen Kunst in Skandinavien und als einer der bedeutendsten Keramiker (u a für Rörstrand) des 20 Jahrhunderts Anita Nylund startete ihre lange Karriere an der Otto Skolds Malerskola in Stock-

holm Ab 1956 bis Anfang 1965 war sie als Designerin bei der Jie-Keramik (gegründet 1909, erloschen 1992) in Gantofta federführend, wo auch diese beiden Exponate fabriziert wurden Tätig waren dort neben Anita Nyland auch ihre DesignerKollegen Aimo Nietosvuori, Annika Kihlman, Gabi Citron-Tengborg, Lisa Larson, Maria Ericson, Solveig Nyqvist, Kjell Engman, Staffan Johnson etc Berühmt sind auch Anita Nylunds weitere Keramik-Seri-

n In dieser Rubrik beantworten unsere Experten Ihre Fragen zu dem ein oder anderen guten Stück Doch leider sehen wir uns außerstande, ganze Nachlässe oder sämtliche sich in Ihrem Haushalt befindlichen Trouvaillen bewerten und schätzen zu lassen Auch bitten wir um Verständnis, wenn es mit der Bearbeitung länger dauert Senden Sie uns also Ihre Anfrage nur zu einem zu bestimmenden Objekt – mit detaillierter Beschreibung und gutem Foto, auf dem das Objekt ganz abgebildet ist

Noch ein Hinweis zu den Preisen, die von Fall zu Fall von unseren Experten genannt werden: Hierbei handelt es sich um Richtwerte, die anhand von Fotos allein getroffen werden und je nach Zustand des Objekts nach oben oder unten korrigiert werden können

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Redaktion Leserforum

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en wie „Kryddgrängen“, „Var lilla stad“, „Prisma“, „Jassons frestelse“, „Cookie“, „Riga“ etc Im Jahr 1967 gründete sie dann ihr eigenes Design-Studio in Göteborg Freiberuflich war sie weiterhin für Marken wie Rörstrand, Eneryda Glasbruk und Royal Copenhagen tätig In den 1980er-Jahren gründete sie die „Konst och Design GAN“

In Skandinavien genießt Anita Nylund einen gewissen Kultstatus bei Keramikfreunden Ihre bunten, warmherzigen und humorvollen Keramiken findet man in zahlreichen Museen Skandinaviens Obwohl es nur „Gebrauchs“-, Küchen- oder Tischutensilien sind, wirken sie schon auf den ersten Blick recht einzigartig durch ihre auffallende Handbemalung Für ein komplettes und unbeschädigtes FamilienDreierset aus Anitas Hand sind Sammler gerne bereit, 150 bis 200 Euro auszugeben Joscha Eberhardt, Redaktion

n Bosse Figur

?

Schon seit einigen Jahren befindet sich diese kleine Keramikfigur in meinem Besitz Ich habe sie damals auf dem Fürther Grafflmarkt, der dort zwei Mal jährlich in der Altstadt stattfindet, in einer Krempelkiste für kleines Geld gefunden Direkt in seinen Bann gezogen hat mich das verschmitzte Lächeln des Buben Da der Boden und die Figur keine Marke erkennen lassen und ich daher keinen Hinweis auf den Hersteller und das Alter der Figur habe, würde ich mich über eine Aufklärung sehr freuen Anna Schuster Fürth

!In der Tat, der Bub, wohl ein BauernJüngling, scheint mit geschlossenen Augen schelmisch in sich zu ruhen Er strahlt in seiner Simplizität eine besondere äußere und innere Zufriedenheit und Glückseligkeit aus! Da geht einem Keramikliebhaber das Herz auf Wer könnte dafür nur verantwortlich sein? Walter Bosse (1904 Wien - 1979 Iserlohn), ein österreichischer Künstler, der unzählige humoristische Keramik- und Metallobjekte in seiner langen Schaffensphase entwarf Sein Motto lautete: „Allen Arbeiten liegt die Absicht zugrunde, möglichst vielen Menschen Freu-

de zu machen, Lichtblicke in ihren Alltag zu bringen, die dieser meist nötig hat Dem Luxus gehe ich weit aus dem Wege, denn für viele von uns ist ja schon das, was man dringend braucht, Luxus ” Die Mimik seiner Grotesken-Schöpfungen spiegeln oftmals eine kindliche Verspieltheit aus, die augenblicklich bei der Betrachtung zu einer Gemütsaufhellung und zu einem weiteren Lächeln führen

Nach einem Studium an der k k Kunstgewerbeschule Wien und einem einjährigen Studienaufenthalt an der Münchner Kunstgewerbeschule baut sich Bosse erfolgreich in Kufstein (1924-36) sein erstes Kunstkeramik-Atelier auf Schon in dieser Epoche entwirft er ein vergleichbares Pärchen, „der Zwergenmann und die Zwergenfrau“ bzw „der Bauer und die Bäuerin“, die beide ebenfalls mit verschränkten Händen dargestellt und oftmals mit „Bosse Austria“ und „KK Kufsteiner Keramik“ oftmals gemarkt sind Im Unterschied zu Ihrem Exemplar weisen die früheren Ausformungen aufwändiger glasierte und bemalte Gesichter und Hände auf Neben seiner Tätigkeit in seiner eigenen Werkstatt entwirft Walter Bosse noch zahlreiche figürliche Grotesken für Augarten,

Metzler & Ortloff, Fischer, Scheibbs, Goldscheider, Goebel etc Nach dem Zweiten Weltkrieg versucht er, in Wien mit seinen „Terra“-Keramik-Objekten an die Vorkriegs-Erfolge anzuknüpfen Die Firma mit dem Markenzeichen einer Gemse existiert jedoch nur von 1947 bis 1951 Dort ist auch Ihre Keramik (Boden-Nr 16) hergestellt worden Von 1950 bis 1972 ist er dann freier Mitarbeiter bei der Staatlichen Majolika Manufaktur Karlsruhe (ca 245 Entwürfe) Von 1958 bis 1961 stellt Walter Bosse als freier Mitarbeiter der Firma Achatit in Köln über 20 Grotesken als Voll- und Halb-Plastiken her Anfang der 1950er-Jahre und mit dem Umzug nach Iserlohn (1955) beginnt Bosse zudem mit der Massenproduktion von Messing-Artikeln wie dem erfolgreichen „Igl“-Ascher, Tier-Kleiderhaken, Gluttöter etc Sein umfassendes Gesamtwerk wird auf rund 8 000 Modelle geschätzt! Rund ein Drittel davon entfallen auf Keramikobjekte Nicht ganz so seltene „Terra“-Nachkriegs-Keramikobjekte (1947-51) wie ihr „Bub“ werden oftmals zwischen 100 bis 200 Euro im Handel angeboten Vorkriegsmodelle können je nach Zustand das Doppelte erreichen Joscha Eberhardt, Redaktion

AUSSTELLUNGEN

n Design für alle

Für wen ist unsere Welt eigentlich gestaltet? Die Ausstellung „Design für alle?” im Museum für Gestaltung Zürich präsentiert zeitgenössisches, inklusives Design und Architektur Im Zentrum stehen fünf Statements von internationalen Designschaffenden, deren Praxis die Vielfalt der Gesellschaft einbezieht und unsere Umwelt zugänglicher macht

Jeder Mensch ist einzigartig und hat unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten Die gestaltete Umwelt entspricht jedoch selten den Anforderungen aller Menschen, die nicht den gängigen Normen entsprechen, sind besonders von Diskriminierung betroffen Sie sind damit konfrontiert, Gegenstände, Räume oder Transportmittel aufgrund von Behinderungen, Größe, Alter, Geschlecht, finanziellen Ressourcen oder Sprachbarrieren nicht oder nur eingeschränkt nutzen zu können

Es stellt sich die Frage: Für wen ist unsere Welt eigentlich gestaltet? Oder umgekehrt formuliert: Wer wird „by design” ausgeschlossen? Trotz vieler Fortschritte, gibt es in unserer Gesellschaft noch viel Potenzial, das Bewusstsein für Inklusion zu schärfen und stärker in die Gestaltung zu integrieren Hier setzt die Ausstellung an Neben spekulativen Auseinandersetzungen von Designschaffenden wird ein breites Spektrum inklusiven Designs gezeigt; von Apps, Spielzeug und Kleidung über Do-it-yourself-Projekte bis hin zur Gestaltung des öffentlichen Raums

Die Debatten um Inklusion und Partizipation nehmen seit den 1980er-Jahren einen wichtigen Platz im Designdiskurs ein Dabei geht es darum, die gestaltete Umwelt für alle Menschen unabhängig von ihren Fähigkeiten, ihrem Alter oder ihrer Lebenslage zugänglicher zu machen Hilfsmittel wie Rampen und Rollstühle spielen dabei

Sema Gedik, speziell fur Menschen mit Kleinwuchs designte Strumpfhosen des Labels Auf Augenhoehe, 2021; Museum für Gestaltung Zürich Foto: Anna Spindelndreier

Birgit Dodenhoff, Leerling, 2023, Digitalzeichnung; Satiricum Greiz © B. Dodenhoff

eine wichtige Rolle, sind aber aus heutiger Sicht nur ein Teil des breiten Spektrums an inklusiver Gestaltung Leitmotive wie Dialog, Partizipation und Vielstimmigkeit waren zentral für die Konzeption der Ausstellung So versteht sich die Schau als Forum, das aktuelle Positionen, Stimmen und Diskussionen zum Thema zusammenführt Fünf ausgewählte Kreativschaffende aus den Bereichen Architektur und Design haben jeweils ein räumliches Statement für die Ausstellung konzipiert: Das international renommierte Architekturstudio MIXdesign zeigt ein spekulatives Projekt für eine Toilettenanlage mit Räumen für vielfältige Bedürfnisse Die Designpionierin und Aktivistin Sara Hendren hat einen dokumentarischen Filmbeitrag zum Thema Hacking gedreht: Ein handwerklich versierter Architekt mit amputiertem Unterarm gibt Einblick in seine Welt des Do-it-yourself Designs Dis, ein Londoner Recherchekollektiv bestehend aus Autor James ZatkaHaas und Architekt Jordan WhitewoodNeal, realisierten eine poetische audio-visuelle Rauminstallation zum Thema Behinderung und Nacht Das österreichische Modeunternehmen MOB, das mit inklusiver Mode für Furore sorgt, zeigt den Designprozess rund um ihr Key-Piece: einen Herrenanzug für Rollstuhlnutzer Fem arc, ein Kollektiv aus Berlin lädt dazu ein, Räume aus eigener und fremder Perspektive zu erleben und Erfahrungen in der Ausstellung auszutauschen (Bis 20 Oktober)

Telefon: +41 43 4466717

Webseite: www museum-gestaltung ch

n Obacht: Witz!

„Ich denke, also spinn‘ ich!“ lautet der treffliche Titel der 11 Triennale im Greizer Sommerpalais Mit Werken von 126 Künstlerinnen und Künstlern handelt es sich um die bisher größte Leistungsschau des Sa-

tiricums Nahezu 300 Werke wurden für die neue Triennale ausgewählt, über 250 davon sind auch im Katalog abgebildet Zum diesjährigen Thema „Ich denke, also spinn‘ ich!“ erläutert Museumsdirektor Dr Ulf Häder, dass „ein Thema gesucht wurde, das den Zeitgeist abbildet Die berühmte Erkenntnis des französischen Philosophen René Descartes „Ich denke, also bin ich!“ ist daher vom SATIRICUM mit einer ironischen Brechung übernommen worden Aber Spinnen ist ja eine zutiefst menschliche Eigenschaft und eine Form des Denkens“

Der Sammlungs- und Ausstellungsbereich für Karikaturen und Cartoons wurde 1975 in der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung Greiz gegründet Heute bildet das Sommerpalais mit seinen Ausstellungen und Publikationen ein bedeutendes Zentrum dieser Kunstgattung in Deutschland Die ursprünglich auf DDRKünstler beschränkten Biennalen wurden nach der Wende auf den Dreijahresrhythmus umgestellt und für deutschsprachige Beiträge aus der gesamten Bundesrepublik und dem Ausland geöffnet

In diesem Jahr wurden etwa 60 Prozent der Arbeiten von Zeichnerinnen und Zeichnern aus den alten Bundesländern eingesandt, darunter zahlreiche „Neulinge“, die erstmals in Greiz dabei sind

Die Blätter greifen mit humoristischen Mitteln Themen aus Politik und Gesellschaft auf Soziale Probleme werden ebenso behandelt wie Zwischenmenschliches oder moderne Entwicklungen der Digitalisierung Dabei kommt der gattungstypische Humor nicht zu kurz Ob traditionell mit der Feder gezeichnet oder am Tablet entwickelt, Satire und Ironie gehören dazu, wenn sich im Zusammenwirken von Text und Bild – manchmal auch ganz ohne Text – der Witz entfaltet (Bis 3 November)

Telefon: 03661 705819

Webseite: www sommerpalais-greiz de

Uwe Krumbiegel, Noch immer mangelt es oft an Rücksicht, 2022, Tuschestift, digital koloriert; Satiricum Greiz © U. Krumbiegel

VERMISCHTES

n Antikes auf dem Marktplatz

Die Ludwigsburger Antikmeile ist traditionell ein Paradies für Sammler und Liebhaber schöner Dinge Über 150 Anbieter aus dem gesamten Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland präsentieren am Wochenende des 28 und 29 September ein hochwertiges Angebot auf dem Marktplatz: antike Möbelstücke, Spielzeug, Bücher, Glas, Gemälde, Uhren und vieles mehr Technikbegeisterte werden an Ständen mit historischen Fotoapparaten, Telefonen, Schreib-, Rechen- und Nähmaschinen sicher fündig Wer sein Zuhause mit etwas Edlem verschönern möchte, findet auf der Antikmeile zum Beispiel Jugendstil-Leuchter und Biedermeier-Rahmen Zu erstehen gibt es außerdem englische Kleinantiquitäten, böhmische Glaswaren oder französische Keramik Wer es rustikaler mag, kauft bäuerliche Antiquitäten und hochwertiges Leinen Alte Reklametafeln, antike Lampen oder Schiffsantiquitäten verleihen Wohnzimmer oder Küche das gewisse Etwas Historische Eisenbahnen, Steifftiere und Puppenstubenzubehör erfreuen nicht nur die kleinen Besucherinnen und Besucher Christoph Adels, Leiter der Abteilung Veranstaltungen bei Tourismus & Events Ludwigsburg, erklärt den Erfolg der Ludwigsburger Antikmeile so: „Wir legen Wert auf eine hohe Qualität der Waren und ein breitgefächertes, wertiges Angebot Dazu kommt die fantastische Kulisse des barocken Marktplatzes “ An einem Stand bei der Zentral-Apotheke begutachten Experten auf der Antikmeile erworbene sowie mitgebrachte Antiquitäten

Telefon: 07141 9102252

Webseite: https://visit ludwigsburg de/antikmeile

n Jubiläum mit Neujahrsgrüßen

In diesem Jahr gibt es in Bad Rodach ein Jubiläum Am 31 August richtet der Rückert-Kreis in Bad Rodach die 25 Roeslerbörse aus Anlässlich des Jubiläums wird Rolf Hinderk Peters, der Autor des 1998 erschienenen Ausstellungskatalogs einen Vortrag über seine mittlerweile 40 Jahre andauernde Forschungstätigkeit zu Max Roesler und die Geschichte der Roeslerbörse halten Der Vortrag findet am Vorabend der Roesler Börse um 18 Uhr im ehemaligen Jagdschloss im heutigen Haus des Gastes in Bad Rodach statt Für den Firmengründer Max Roesler war der direkte Kontakt zur Käuferschaft immer besonders wichtig Schon als Direktor der Wächtersbacher Steingutfabrik stellte er die aktuellen und gängigen Erzeugnisse regelmäßig im Frühjahr und im Herbst auf der großen internationalen Leipziger Messe aus Als selbstständiger Unternehmer blieb die Präsentation in Leipzig eine Verpflichtung, und 1919 konnte Max Roesler eine Ehrung für seine 100 Teilnahme an dieser wichtigen Verkaufsschau entgegennehmen

Als Zeichen der besonderen Verbundenheit beschenkte er seine Freunde und Geschäftspartner zu jedem Jahreswechsel mit einem besonderen Neujahrsgruß Der erste ist datiert: Rodach, Sylvesterabend 1896/97 – ein Familienbild Die Neujahrsgrüße der Feinsteingutfabrik Max Roesler erfreuen bis 1914 jedes Jahr die Freunde und Geschäftspartner und sind jetzt keramische Erzeugnisse, die oft in den Fach-

zeitschriften der keramischen Industrie „Sprechsaal“ und „Keramische Rundschau“ der geneigten Leserschaft vorgestellt werden Meistens extra für diesen besonderen Zweck entworfen, zeigen sie den jeweils aktuellen Trend der Produktion Kleine Gebrauchsgegenstände für den Schreibtisch, immer mit der Jahreszahl, dem Firmenlogo und einem Vierzeiler des Firmeninhabers Kleine Vasen 1899 mit tränenden Herzen im Relief und 1913 mit einem Netz aus mit Kobalt gefärbter Steingutmasse, Dosen 1901 mit einem Segelschiff im Relief, ganz dem Jugendstil verpflichtet und 1905 im Stil der Serie Louis VI mit dem für Roesler so typischen Durchbruch, eine Bleistiftschale im Stil der Serie Blütenrand 1906 und ein Briefhalter in Wiener Manier mit Würfeldurchbruch 1908 Der Tintenlöscher für 1909 ist im Empire Stil gestaltet und der Kalenderhalter von 1910 zeigt den Durchbruch der von Max Roesler entworfenen Serie Weltesche 1911 besinnt man sich noch einmal auf den Jugendstil

Die 25 Roeslerbörse findet am Samstag, dem 31 August in Bad Rodach wieder in Verbindung mit dem beliebten Altstadtflohmarkt rund um das Jagdschloss statt Das Heimatmuseum mit vielen Exponaten aus der Feinsteingutfabrik Max Roesler hat von 13 bis 15 Uhr geöffnet Wer an der Roesler-Börse oder am Altstadtflohmarkt teilnehmen möchte, erhält Informationen bei der Stadt Bad Rodach unter untenstehender Nummer Rolf Hinderk Peters

Telefon: 09564 922215

Feinsteingutfabrik Max Roesler, Keramische Neujahrsgrüße von 1899 bis 1914, Sammlung Rolf Hinderk Peters; Roesler Börse in Bad Rodach

„A CHAIR AND YOU”

HEIDRUN TH. GRIGOLEIT

Das Grassi Museum für Angewandte Kunst in Leipzig zeigt noch bis zum 6. Oktober mit der Ausstellung „A Chair and You“ eine der weltweit bedeutendsten Privatsammlungen von Stühlen, die von über 100 Künstlerinnen und Künstlern, Designern sowie Architekten von den 1960er-Jahren bis heute gestaltet wurden. Der Stuhl verkörpert eine spannende Schnittstelle zwischen Ästhetik und Nutzen, eine Form mit unendlichen Möglichkeiten. Diese außergewöhnliche Schau ist einer der Höhepunkte im Jahr 2024, in dem das Museum sein 150-jähriges Bestehen feiert. Denn der Stuhl gilt als Symbolobjekt des Designs par excellence. Kaum eine Gestalterin oder ein Gestalter hat sich im Laufe der Karriere nicht mindestens einmal mit diesem Möbel beschäftigt. Und es gibt nur wenige Gegenstände, die auch von freien Kunstschaffenden entworfen wurden.

Designobjekt Stuhl

Der Genfer Unternehmer und Sammler Thierry Barbier-Mueller (1960-2023) trug seit den späten 1990er-Jahren unzählige innovative und außergewöhnliche Stuhlobjekte zusammen, deren Charakter weit über die übliche Typologie von Stühlen hinausreicht Barbier Mueller über sein Sammelgebiet: „Ein Stuhl ist ein Stuhl, für alle und für jeden! Revolutionär, skurril, innovativ, humorvoll, ironisch, fröhlich, elegant, langweilig, überraschend, mager, mysteriös, provisorisch, frech, brutal, raffiniert, praktisch, unpraktisch oder geradezu unbenutzbar; der Charakter eines jeden Stückes ist für alle verständlich “ Die Vielfalt seiner Sammlung beruht auf den Verschränkungen und Gegenüberstellungen unterschiedlicher Ansätze und Sichtweisen, durch innovative Erprobungen

und formale Arbeiten sowie die Verwendung experimenteller Materialien und das Spiel mit Maßstäben und Funktionen

Sammlung Barbier-Mueller

In den 1990er-Jahren war der Sammler Thierry Barbier-Mueller (1960-2023) fasziniert von der Kreativität, der Frische und der großartigen Spontanität von Designern wie Ron Arad oder Tom Dixon Durch zahl-

Links: A CHAIR AND YOU: Dark Space Foto: Felix Bielmeier

Oben: A CHAIR AND YOU: Bright Space Foto: Felix Bielmeier

reiche Entdeckungen und Begegnungen erwarb er stetig neue Objekte, bis schließlich eine Sammlung mit mehr als 650 Stühlen aus der Zeit der 1960er-Jahre bis heute entstanden ist Die Sammlung, die etwa zu zwei Dritteln aus Einzelstücken, Prototypen oder Werken aus kleinen, limitierten Auflagen besteht, spiegelt dieses Interesse an atypischen Objekten abseits der üblichen Nischen des Industriedesigns wider Barbier-Mueller verfolgte mit der Sammlung nicht das Ziel, einen wissenschaftlichen Korpus über die zeitgenössische Geschichte des Stuhls zu erschaffen, sondern war vielmehr daran interessiert, die Innovation und Kreativität in diesem Feld hervorzuheben Es ist vor allem das Objekt an sich, das ihn gefesselt hat – dessen Einzigartigkeit, die Plastizität, der Humor, die Materialität

Inszenierung

Die Präsentation der rund 140 Stühle in der Ausstellung wurde dem renommierten amerikanischen Regisseur und Künstler

Oben: Robert Wilson, Amadeus Chairs (aus „Die Zauberflöte"), 1991, Stahl, Edition 1/3, Gilbert Kadyszewski, Paris

Oben rechts: Porträt Robert Wilson Foto: Yiorgos Kaplanidis

Rechts: Philipp Aduatz, Melting Chair, 2011, Fiberglas mit silbernem Überzug, Edition von 12 + 3 A P

Robert Wilson anvertraut In einer außergewöhnlichen Inszenierung lässt er die Besucherinnen und Besucher in Welten eintauchen, in denen die Stühle zu Protagonisten einer Theateraufführung werden Inspiriert von diesem Korpus zwischen Kunst und Design, entwarf Robert Wilson eine spektakuläre Szenografie, in der die rund 140 Exponate zur Geltung kommen Wilson erzählt Geschichten ohne Worte Mit Ton, Licht und Gestaltungselementen, die an Bühnenbilder erinnern, wird eine ganz besondere Atmosphäre geschaffen, in der das ikonenhafte Designobjekt Stuhl in seinen zahlreichen Variationen auf ungewohnte Weise entdeckt werden kann Er hinterfragt die Objekte, macht sie sich zu eigen und haucht ihnen Leben ein, um sie selbst sprechen zu lassen Die Ausstellung konfrontiert die Gäste mit einer Szenografie, in der anhand der einzigartigen Sammlung von Thierry Barbier-Mueller auch die Geschichte der Kunst und des Designs von den 1960er-Jahren bis heute erzählt wird Denn Stühle gehören zu den liebsten Objekten des US-amerikanischen Regisseurs Er hat selber ein Dutzend davon entworfen, vornehmlich für seine Bühnenbilder Die Dreiergruppe der „Amadeus Chairs“ entwarf Wilson für eine Szene aus Mozarts Oper „Die Zauberflöte” Die Szene spielt im Wald, und das von Wilson imaginierte Mobiliar evoziert mit seinen eleganten Linien und zarten Verzweigungen die Vegetation des Schauplatzes Die Stühle des Regisseurs repräsentieren das ganze Bedeutungsspektrum dieses Möbels: Sie sind Gebrauchsgegenstand, Theaterkulisse, Kunstwerk und Skulptur in

einem Die Ausstellung im Grassi Museum vereint nun Werke von international renommierten Kreativen ebenso wie weniger bekannte Positionen verschiedenster Nationalitäten

Melting Chair

Philipp Aduatz hat an der Universität für Angewandte Kunst Wien Industriedesign studiert Seine Leidenschaft für die Verwendung neuer Materialien erfordert den

Einsatz modernster Technologien Mit Techniken wie 3D-Druck oder Laserscanning entwirft der Designer Möbel in limitierten Auflagen „Melting Chair“ besteht aus Fiberglas mit Silberbeschichtung Das Verfahren verleiht dem Möbel eine besonders skulpturale Anmutung Der Stuhl scheint zu einer Pfütze zu zerschmelzen und verweist auf unterschiedliche Aggregatzustände – fest wird zu flüssig – ohne dabei seine Funktion einzubüßen Mit seiner spiegelnden Oberfläche reflektiert und verzerrt er den umgebenden Raum

Thomas Feichtner hat an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz Industriedesign studiert und seine Laufbahn in der Ski- und SnowboardBranche begonnen Sein „Pixel Chair“ entstand in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Schinko, das auf den Bau von Schaltschränken und Metallgehäusen spezialisiert ist Der Stuhl aus Edelstahl ist Resultat einer Falt-, Schweiß- und Poliertechnik, die ähnlich in der Herstellung von Autokarosserien angewandt wird Das Verfahren garantiert Stabilität, und jeder Teil des gekanteten Blechs erfüllt eine tragende Funktion Wie beim Origami faltet der Designer das Stahlblech auf, wobei Rückenlehne und Armlehnen sich aus der Form der Beine ergeben und umgekehrt

Archiduchaise

Nach seinem Studium der Innenarchitektur am Brüsseler Institut Saint-Luc gründete Xavier Lust sein eigenes Studio Im Jahr 2000 nahm er die Zusammenarbeit mit verschiedenen Produzenten auf Als Student hatte er am Straßenrand entsorgte Metallteile gesammelt und damit begonnen, sie zu zerlegen und neu zusammen-

zusetzen Seitdem experimentiert er unaufhörlich mit dem Material und entwickelt neue Falt- und Biege-Techniken Gebogenes Metall ermöglicht ihm die Herstellung von Objekten, die zugleich stabil und leicht sind Sein Stuhl „Archiduchaise“ mit einer Metalloberfläche aus spiegelndem, hochglanzpoliertem Aluminium scheint das Objekt in ein Kleid mit Schleppe zu hüllen Die elegante Erscheinung wird vermenschlicht und verwandelt sich, wie der Designer mit dem Titel humorvoll suggeriert, in eine Erzherzogin

von allen Seiten und gibt ihm eine neue Form Wie eine zweite Haut eröffnet sie neue Lesarten und verleiht dem Objekt Eleganz und Raffinesse

Consumer ’s Rest

Nach dem Studium an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem setzte Ron Arad seine Ausbildung an der Londoner Architectural Association School of Architecture fort Schon früh interessierte er sich für das Material Stahl, das er biegt, schweißt, bohrt und schneidet – oder mit der Metallpresse deformiert, um zu überraschenden Ergebnissen zu gelangen Der Designer lehnt gerade Linien und Winkel ab: „Second Hand Rose“ aus der Serie „Chair by its Cover“ besteht aus 20 individuellen Exemplaren Arad hüllt den Stuhl buchstäblich in ein Blech aus Kupfer und Edelstahl Diese reflektierende Metalleinfassung zeigt den Stuhl

Frank Schreiner alias „Stiletto Studios“ hat in Berlin Visuelle Kommunikation studiert Dort beteiligte er sich auch an der Bewegung des Neoismus, die UndergroundPhilosophie mit experimenteller Kunstpraxis verband Der in mehreren Disziplinen tätige Künstler befasst sich unter anderem mit dem Objektdesign Anfang der 1980er-Jahre entwickelte er den Prototyp seines Stuhls „Consumer’s Rest“, eine Satire auf die Konsumgesellschaft Der aus einem gesägten und gebogenen Einkaufswagen gefertigte fahrbare Stuhl steht bereit, um vom Einkaufen erschöpfte Konsumentinnen und Konsumenten aufzunehmen Die Form ist sowohl von Charles Eames’ „Wire Chair“ als auch vom ikonischen, aus geschweißtem Stahl gefertigten „Diamond Chair“ des Designers Harry Bertoia inspiriert Consumer’s Rest fällt in die Kategorie des Critical Design: Der Stuhl verwendet das formale Vokabular des Readymade, einer Kunstform, die sich Objekte aller Art aneignet, sie zweckentfremdet und zu Kunstwerken macht

Oben links und rechts: Ron Arad, Second-Hand Rose aus der Serie Chair by its Cover, 1989, hochglanzpolierter Edelstahl, patinierter und gewachster Baustahl, Holzstuhl von Le Corbusier, Edition von 20, jedes Exemplar ein Unikat

Stiletto Studios, Consumer's Rest, 1981, geschnittener und gebogener Einkaufswagen aus Kupfer, Plastik, Edition 28/100

Unten links und rechts: Thomas Feichtner, Pixel Chair, 2009, gefalzter Edelstahl, geschweißt, poliert, Prototyp, Schinko, Österreich

Xavier Lust, Archiduchaise, 2007, hochglanzpoliertes Aluminium, Edition von 18

Pixel Chair
Second Hand Rose

Redisigned Zigzag

Alessandro Mendini studierte am Politecnico in Mailand und vertrat die Bewegung des Radical Design, die gegen die Konsumgesellschaft protestierte 1978 befasste sich Mendini mit dem Konzept Redesign: Er wandelte ikonische Möbelentwürfe um, womit er das Feld Design einem kritischen Blick unterzog Der Stuhl „Redesigned ZigZag“ gehört zu dieser Serie Der 1934 von dem niederländischen Gestalter Gerrit Thomas Rietveld entworfene Zickzack-Stuhl gilt heute als Meilenstein in der Geschichte des westlichen Möbeldesigns Mendini machte sich einen Spaß daraus, die Rückenlehne zu einem Kreuz zu verlängern – ein herausforderndes Augenzwinkern in Richtung des Religion Design

Chair for very Brief Visits

Der Mailänder Plastiker und Autor Bruno Munari war von Surrealismus und Futurismus fasziniert und wandte sich später einem dem Konstruktivismus nahestehenden Produktdesign zu 1948 gründete er mit den Künstlerkollegen Gianni Monnet, Atanasio Soldati und Gillo Dorfles die Be-

Oben links und rechts: Alessandro Mendini, Redesigned ZigZag, 1978, Holz, Edition von 2

Bruno Munari, Chair for very Brief Visits, Entwurf 1945, hergestellt produced 1998, gewachstes Walnussholz, Einlegearbeit, Aluminium, Edition 3/9, Zanotta, Mailand

Unten links und rechts: Martino Gamper, Chair of the Rings, 2008, Buche, unbekannte Edition, Thonet, Deutschland

Tom Dixon, Pylon Chair, 1992, Handgeschweißter Stahl, Limited Edition, jedes Exemplar ein Unikat

wegung für konkrete Kunst (MAC), die sich in Malerei, Skulptur, Design, Grafik und Architektur der Erforschung von geometrischer Form und Nichtfiguration verschrieb Munaris erster „Chair for very Brief Visits“ entstand 1945 Später vertrieb der Hersteller Zanotta den Stuhl in neun Exemplaren: Wer sich auf dieser Sitzfläche mit schwindelerregender Neigung niederlässt, dem ist – wie der Titel nahelegt – nur ein äußerst kurzer Aufenthalt vergönnt Dieser Stuhl ist darauf aus, seine Benutzer abzuwerfen

100 Stühle an 100 Tagen

Martino Gamper absolvierte zunächst eine Tischlerlehre und studierte dann Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien Am Londoner Royal College of Art

setzte er seine Ausbildung fort Von 2005 bis 2007 hinterließ er mit seinem Konzept der „100 Stühle an 100 Tagen“ Eindruck in der zeitgenössischen Designszene Dabei gestaltete er an 100 Tagen 100 ikonische Stuhlmodelle um und interpretierte sie neu, indem er sie auseinandernahm und auf originelle Weise wieder zusammensetzte Er griff auf Bestandteile unterschiedlicher Modelle zurück, um daraus vollkommen neue zu schaffen

Expressiver Minimalismus

Tom Dixon begann seine Laufbahn als Bassist der Punkband Funkapolitan Für seine ersten Designarbeiten griff der Autodidakt auf ausgediente Gegenstände wie Pfannen oder anderes Altmetall zurück, das er auf Müllhalden fand Die Fundstücke baute er zusammen Immer auf neue Erfindungen aus, schuf er 2002 die Marke „Tom Dixon“ Metall, Eisen, Stahl oder Kupfer ist das Material seiner Wahl, mit dem er gern experimentiert Der Designer erläutert, dass er „versucht, zum Kern eines Gegenstands vorzudringen, ohne dabei zu kompliziert oder modisch zu werden Die gelungensten Objekte sehen eben aus wie eine Lampe oder ein Stuhl und versuchen nicht, etwas anderes zu sein“ Er nennt das einen „expressiven Minimalismus“

Aus einem Stück

Caroline Schlyter hat in der Fachklasse Crafts and Design an der Stockholmer Kunsthochschule Konstfack studiert Aufgabe ihrer Abschlussarbeit war, einen

Stuhl auf Grundlage eines Buchstabens zu entwerfen Schlyter wählte das „h“ und entwarf zunächst mehrere Miniaturmodelle in verschiedenen Materialien, bevor sie ein erstes Modell in voller Größe aus Walzstahl schuf, das sie mit einer roten Stoffbahn überzog Ziel der Designerin war, einen Stuhl aus einem einzigen Stück Holz von drei Metern Länge zu fertigen Heute wird der Stuhl aus einem einzigen Brett aus Birkensperrholz geformt Er erschien in einer Auflage von 20 Exemplaren

BarbedWire Chair

Arik Levy hat am Art Center, College of Design in La Tour-de-Peilz, Schweiz, Industriedesign studiert Dort entwickelte er einen Ansatz, der Kunst und Design miteinander vereint Für den Gestalter „manifestieren sich im Stuhl BarbedWire die gesellschaftlichen Codes, die unser Denken, unsere Gefühle und unser Sozialverhalten konditionieren“ Der Stuhl „BarbedWire Chair“ vermittelt Unbehagen, Instabilität, Gefahr und sogar Aggression Der Stuhl verweist auf räumliche Einschränkungen und bewachte Grenzposten Wer sich auf diesen Stuhl setzt, erfährt Leid und Schmerz, wodurch Vorstellungen von religiöser Buße geweckt werden BarbedWire Folded Chair hat seine Funktion als Sitzgelegenheit vollständig verloren und gerät zu

einem Durcheinander unverständlicher Elemente Um die Aussage zu begreifen, muss man die beiden Zustände des Stuhls zusammengeklappt und aufgeklappt in Verbindung betrachten

In Beton

Nach dem Studium der Innenarchitektur an der Kunstgewerbeschule Zürich gründete Stefan Zwicky sein eigenes Büro Er interessiert sich für die Codes des Brutalismus, die er sich durch die Verwendung von Beton, minimalistische Formen und

den massiven Charakter seiner Schöpfungen neu aneignet Der Sessel „Grand confort, sans confort, dommage à Corbu“ schert sich weder um das Wohlbefinden der Benutzerinnen und Benutzer noch lädt er zum Verweilen ein Die Form greift das ikonische Modell des Sessels LC2 auf, das Le Corbusier 1928 mit Pierre Jeanneret und der Designerin Charlotte Perriand entwarf Der Sessel mit Metallgestell und Polstern wird hier schlicht in Beton überführt

Oben links und rechts: Arik Levy, BarbedWire Chair & BarbedWireFolded Chair, 2012, Stacheldraht, Unikat

Caroline Schlyter, Lilla h, 1988-1990, Birkenholz, Edition 2/20

Unten links und rechts: Stefan Wewerka, Classroom Chair, 1971, rot lackiertes Holz, Edition 17/40, Mikro, Berlin

Stefan Zwicky, Grand confort, sans confort, dommage à Corbu, 1980, Beton und Stahl, Edition 32/35

Verformung

Nach seinem Architekturstudium in Berlin arbeitete der vielseitige Künstler und Designer Stefan Wewerka in verschiedenen Architekturbüros Ab den 1960er-Jahren befasste er sich mit der Verformung von Alltagsgegenständen Der Designer entwickelte ein originelles Verfahren, bei dem er seine Objekte im richtigen Maßstab und perspektivisch genau entwarf, sie dabei aber verzerrte „Classroom Chair“ ist ein anschauliches Beispiel: Ein einfacher Klassenzimmerstuhl wird auf einer Seite zum Kreisbogen verformt, während die andere Seite der Bewegung folgt Der Stuhl rebelliert, buckelt und vertreibt den Sitzenden, der von der Sitzfläche gleitet

Biodesign

Luigi Colani war der Erfinder des sogenannten Biodesigns, einer von Naturformen inspirierten Designströmung Nach dem Studium der Bildhauerei und Malerei an der Hochschule für Bildende Künste Berlin ging er nach Paris und studierte Aerodynamik an der Université de la Sorbon-

Oben links und rechts: Luigi Colani, Poly-COR, 1968, fiberglasverstärktes Polyester, Edition von 10, Cor Sitzkomfort, Deutschland

Nathalie du Pasquier, Pilar, 1985, Holz, Stoffe, Edition von 2, hergestellt von Pierluigi Ghianda

Unten links und rechts: Front Design, Chainsaw Chair, 2007, Holz, Unikat

Charles Kaisin, Hairy Chair, 2011, Holz, Kleber, Papierstreifen, Edition 8/20, jedes Exemplar ein Unikat

ne Auf der Suche nach Lösungen für praktische Probleme bei der industriellen Produktgestaltung befasste er sich mit dem Aufbau von Pflanzen, ließ sich von ihren geschwungenen Formen anregen und verweigerte sich Winkeln und Geraden So schuf er ein umfangreiches Werk von Objekten mit ausschließlich abgerundeten Konturen – von Luftfahrzeugen und Autos bis hin zu Wohnzimmermöbeln Auch „Poly-COR“ demonstriert Colanis Absicht, Möbel mit organischen Kurven zu entwerfen Der Stuhl besteht aus glasfaserverstärktem Polyester Die Sitzfläche wird wie eine Blüte von einem einzigen Schaft getragen, der sich von der Basis nach oben entfaltet

Muster und Farben

Nathalie du Pasquier war Anfang der 1980er-Jahre Gründungsmitglied der Gruppe Memphis, einer italienischen Design- und Architekturbewegung Die Bewegung zeichnete sich durch eine ungehemmte Farbgebung aus und entwickelte

ein experimentelles Repertoire sinnlicher und unorthodoxer geometrischer Formen Du Pasquiers umfangreiches Werk reicht von Stoffen und Teppichen bis hin zu Möbeln In ihren Arbeiten setzt sich die Künstlerin mit dem Konzept des Musters auseinander Der Stuhl „Pilar“ aus Holz und Stoff ist mit seinen lebhaften Farben und organischen Mustern charakteristisch für du Pasquiers damalige Schaffenszeit

Front Design

Das Studio Front Design wurde 2004 von drei schwedischen Designerinnen gegründet Heute sind es nur noch zwei: Sofia Lagerkvist und Anna Lindgren Sie bekennen sich zu einem unkonventionellen, experimentellen und radikal innovativen Gestaltungsansatz Ihre gemeinsame Leidenschaft für das Entwerfen und Umsetzen von Objekten führt sie auf abseitiges Terrain Vieles überlassen sie dem Zufall: Mal arbeiten sie bei der Herstellung von Lampen mit Magiern zusammen, mal kooperieren sie mit Ratten, deren Spuren ein Tapetenmuster bilden Für „Chainsaw Chair“ schlossen sich die Designerinnen mit einem Holzfäller zusammen, der mit der Kettensäge einen Stuhl aus einem Baumstamm herausschnitt Jedes Objekt ist individuell und markiert eine Art Nullpunkt der Stuhlherstellung

Recycling

Charles Kaisin hat am Londoner Royal College of Art in der Klasse des berühmten Designers Ron Arad studiert Schon früh befasste er sich mit dem Thema Recycling und verlieh für den Müll bestimmten Gegenständen durch Anpassungen und Bearbeitungen eine neue Funktion Auch „Hairy Chair“ hat an diesem heute als Upcycling bekannten Ansatz teil Mit dem Reißwolf zerschnitt der Designer alte Zeit-

Studio

schriften zu Streifen, die er auf einen aussortierten Stuhl klebte Diese Wiederaneignung verleiht dem Stuhl eine Art zweite Haut und ein neues Leben Die Schichten aus Papierfransen kleiden ihn in einen „Pelzmantel“; er verwandelt sich in eine haarige Kreatur mit der Anmutung eines Plüschtiers

Denkmuster dekonstruieren

Jerszy Seymour hat am Londoner Royal College of Art Produktdesign studiert Nach Seymour soll Design Situationen herbeiführen, die die Gesellschaft verändern Zu diesem Zweck gründete er 2004 den „Jerszy Seymour Design Workshop“, eine Plattform für Gemeinschaftsprojekte zur Erkundung möglicher Utopien Im Volcano Project wird der Vulkan als Urgewalt der Natur aufgefasst und lässt sich zudem als Metapher für den Workshop selbst verstehen Die brodelnde Lava wird zum sprudelnden Quell kreativer Möglichkeiten, die ständig in Entwicklung sind Der „Amateur Workshop Chair“ entstand im Rahmen dieses Projekts Dazu wurden Stühle aus Holz und flüssigem Wachs gefertigt Weit abseits von kapitalistischen Modellen sollen in den Workshops vorherrschende Denkmuster dekonstruiert werden

Ausstellungsprojekt

Um die Ausstellung „A Chair and You“ zu schaffen, trafen sich Wilson und sein Team einen Sommer lang in Watermill vor Long Island in den USA, um die Grundlagen für das Projekt zu schaffen Ziel dieses Workshops war es, eine originelle und immer-

sive Szenografie für das Mudac in Lausanne zu entwerfen, die auf der Sammlung von mehr als 650 Stühlen aus dem Besitz von Thierry Barbier-Mueller basiert Sie umfasst Entwürfe von Designern wie Ettore Sottsass, Martino Gamper und Maarten Baas sowie von bildenden Künstlern wie Donald Judd, Niki de Saint Phalle, Lawrence Weiner und Franz West Nach einer sorgfältigen Auswahl von 220 Objekten aus dieser umfangreichen Sammlung wurde die Museumsetage in vier Räume unterteilt – heller Raum / mittlerer Raum / dunkler Raum und Kaleidoskop – jeder mit seiner eigenen Atmosphäre und Umgebung

Kaleidoskop Space

Eine „Oper“ in vier Akten ist die Präsentation der Kaleidoskop Space Der Raum

bleibt geschlossen Ein Würfel, dessen Inneres mit Spiegeln ausgekleidet ist, dient als Schatztruhe für die Exponate Durch kreisförmige Öffnungen kann man die skulpturalen metallischen Eigenschaften der Stühle ausmachen, die mit der reflektierenden Umgebung geradezu verschmelzen Das wechselnde Licht verstärkt den Kaleidoskop-Effekt

Dark Space

Durch eine niedrige, von hinten beleuchtete Tür betreten die Gäste den düsteren, gedämpft wirkenden Raum Dark Space Als schwebten sie im Dunkeln, werden die Stühle nacheinander mit wechselndem Licht angestrahlt, was den Sitzmöbeln die Aura von Stars verleiht Wie in einem Planetarium lenken Scheinwerfer den Blick der Besucher auf die Exponate, die zu den markantesten Stühlen der Sammlung gehören

Medium Space

Ruhe, Minimalismus und Geometrie bestimmen den Medium Space Die monochrome Landschaft wird durch gerade,

Oben links und rechts: Franz West, Schöne Aussicht, 1989, Eisen, geschweißter und lackierter Stahl, Edition 4/25, Meta, Memphis, Mailand

Jerszy Seymour, Amateur Workshop Chair, 20092010, Holz, Polycaprolacton, Unikat

Links: A CHAIR AND YOU: Dark Space

Foto: Felix Bielmeier

klare Linien gegliedert Inspiriert von der Formensprache in Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon (1929) wird die Architektur von semitransparenten Wänden strukturiert Der offene und beruhigende Raum steht in Dialog mit den streng architektonischen Stühlen Dem diffusen und gedämpften Licht entgegengesetzt ist eine metallische Klangumgebung

Bright Space

Inseln aus einem engmaschigen Netz aus den buntesten und schrillsten Stühlen der Sammlung erschaffen die Illusion, sich in einem Wald wie aus einer Fantasiewelt zu verirren Knallige Farben, überraschende Stoffe und Kurven beherrschen den lichtdurchfluteten Raum Die Stühle wurden intuitiv nach Verwandtschaft und zu Themen wie dem Animalischen, dem Dualen oder dem Skulpturalen, ihrem Popfaktor, ihrem Witz oder auch der technischen Raffinesse zusammengestellt

Beleuchtung, Ton, Gestaltung

Marcello Lumaca und Dario Felli wurden mit der Beleuchtung und dem Ton der Ausstellung betraut, die wesentliche Bestandteile von Robert Wilsons Inszenierungen sind, sowie Annick Lavallée-Benny mit der Gestaltung Das gleiche Team war im Grassi Museum für Angewandte Kunst be-

Oben: A CHAIR AND YOU: Kaleidoskop Foto: Lucie Jansch

Rechts: Ingo Maurer, Gio Ponti in the Sky with Diamonds, 2004, Holz, Kristalle, LED, Unikat

teiligt und passte die Ausstellung speziell auf die Räume des Hauses an

Ausstellung und Katalog

Ausstellung „A Chair and You“, bis 6 Oktober, GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Johannisplatz 5-11, 04103 Leipzig www grassimak de, Literatur: The Spirit of the Chair The Chair Collection of Thierry Barbier-Mueller, Oktober 2022, Lars Mueller Publishers GmbH, 384 Seiten, 927 Abbildungen, ISBN 978-3-03778-710-6, English, ISBN 978-3-03778-711-3, French Fotos, auch auf den folgenden beiden Seiten, wenn nicht anders angegeben: Patrick Goetelen

Robert Wilson

Robert Wilson, geboren in Waco, Texas, zählt zu den weltweit führenden Vertretern der visuellen und Performancekunst Auf unkonventionelle Weise verknüpft er in seiner Bühnenarbeit eine Vielzahl künstlerischer Medien, darunter Tanz und Bewegung, Licht, Skulptur, Musik und Dialog Mit viel Gefühl und eindrucksvollen Bildern werden seine Produktionen weltweit gefeiert Nach seiner Ausbildung an der Universität Texas und dem Pratt Institut in Brooklyn gründete Wilson die New Yorker Performance-Gruppe The Byrd Hoffman School of Byrds Mitte der 1960erJahre und entwickelte erste eigene Stücke Seine Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen wurden in Hunderten von Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert und seine Werke befinden sich in Privatsammlungen und Museen auf der ganzen Welt Er wurde mit zahlreichen Preisen für herausragende Leistungen geehrt, darunter eine Nominierung für den Pulitzer-Preis oder den Goldenen Löwen der Biennale von Venedig Er wurde in die American Academy of Arts and Letters sowie in die Deutsche Akademie der Künste gewählt und besitzt acht Ehrendoktorwürden Frankreich ernannte ihn zum Kommandeur des Ordens der Künste und Literatur (2003) und zum Offizier der Ehrenlegion (2014); Deutschland verlieh ihm das Offizierskreuz des Verdienstordens (2014) und im September 2023 wurde er in den USA im Weißen Haus mit der international renommierten, japanischen Auszeichnung Praemium Imperiale geehrt

Friedrich Schilcher, Peak Too, 2017, satinierter Edelstahl, Edition 2/7
Ron Arad, Narrow Papardelle, 1992, verchromtes Metall, Edelstahlnetz, Edition 10/20

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