Trödler 11/2022

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Hornarbeiten Lotte Winter 11/2022 64419 • € 5,50 Schweiz CHF 9,–| Österreich € 6,–TERMINHEFT als Beilage Europas Sammlermagazin 4196441905502 11 2 Monate Termine Á neu

n Eule

?Eine Freundin von mir ist im Besitz dieser Porzellaneule. Sie ist circa 6 cm hoch und am Boden signiert mit F und Muster. Wir wüssten beide gerne, wer der Hersteller ist und wie Sie als Experte diese Eule wertmäßig einschätzen würden.

!Diese Frage war tatsächlich nur mit Hilfe des Museums Schloss Fürstenberg zu lösen. Die Porzellan Manufaktur Fürstenberg feiert in diesem Jahr ihr 275-jähriges Jubiläum. Gegründet wurde die Manufaktur 1747 auf Geheiß von Herzog Carl I von Braunschweig-Wolfenbüttel und zählt da-

mit zu den ältesten noch existierenden Betrieben dieser Art. Die kleine Eule war ursprünglich als Teil einer Till EulenspiegelFigur konzipiert. Der naturalistische Sockel wurden zu diesem Entwurf hinzugefügt. Offiziell war die Eulenfigur nicht im Programm der Manufaktur, sondern ist Ergebnis der Museums Pädagogik im Jahr 1996. Besucher des Museums hatten und haben dort die Möglichkeit, die verschiedenen Arbeitsprozesse der Porzellan-Herstellung kennenzulernen. All die Sorgfalt, Leidenschaft und Kreativität, die in das Produkt einfließen, kann man dort unmittelbar erleben. Der Stempel auf der Unterseite liest sich also nicht „Muster“, sondern schlicht „Museum“, die kleine Figur wurde

also im Shop des Museums verkauft. Die Figur hat nur einen marginalen Wert. Die Erfahrungen, die man beim Besuch des Museums macht, sind natürlich unbezahlbar. Klaus-Dieter Müller, Kunstsachverständiger, Lüneburg

n Poliakoff?

nen. Der Malstil des Künstlers lädt ja förmlich dazu ein, sie nachzumachen, könnte man denken. Ich weiß, dass man nur anhand eines Fotos keinesfalls eine stichhaltige Aussage über die Echtheit eines Bildes machen kann. Trotzdem möchte ich Sie bitten, mal einen Blick darauf zu werfen. Ich habe die Signatur mittels der bekannten Suchmaschine mit echten Signaturen verglichen, das sieht schon verdammt gut aus, muss ich sagen. Ich glaube nicht, dass es Öl ist, vermutlich eine Gouache oder sowas. Der Malgrund ist ein aufgedoppelter Karton. Vom Alter her könnte es auch hinkommen, so wie ich den Karton einschätze. Die Abmessungen sind: 48,5 cm x 31,5 cm. Für eine ehrliche Einschätzung wäre ich Ihnen sehr dankbar. Ernst Balazs, o. O.

!Natürlich ist es eine Fälschung. Die ersten Bilder aus dieser sehr produktiven Fälscherwerkstatt tauchten kurz nach der Wende auf Flohmärkten auf. Zunächst wurden Fälschungen osteuropäischer Künstler wie Václav Špála oder Hugó Scheiber angeboten, später folgten Matisse, Picas-

?

Als langjähriger Leser Ihres Magazins möchte ich Sie wieder mal um Ihre unverbindliche Einschätzung eines Bildes bitten. Ich habe dieses Bild, unten rechts signiert mit Serge Poliakoff, vor Jahren mal auf dem Flohmarkt gefunden. Mir ist bekannt, dass Bilder von Serge Poliakoff sehr oft gefälscht wurden und eigentlich nicht auf einem Flohmarkt zu finden sein kön-

so u. a. große Namen der westeuropäischen Kunstgeschichte. Die Malerei wird meist in Gouache oder mit Leimfarben ausgeführt. Als Grundlage dienen oft Rückwandpappen alter Drucke, manchmal grundiert, manchmal wurde direkt auf die Pappe gemalt. Manche Bilder sind auf der Rückseite mit ein paar Pinselstrichen mit brauner Wasserfarbe – so wie bei diesem

n In dieser Rubrik beantworten unsere Experten Ihre Fragen zu dem ein oder anderen guten Stück. Doch leider sehen wir uns außerstande, ganze Nachlässe oder sämtliche sich in Ihrem Haushalt befindlichen Trouvaillen bewerten und schätzen zu lassen. Auch bitten wir um Verständnis, wenn es mit der Bearbeitung länger dauert. Senden Sie uns also Ihre Anfrage nur zu einem zu bestimmenden Objekt –mit detaillierter Beschreibung und gutem Foto, auf dem das Objekt ganz abgebildet ist.

Noch ein Hinweis zu den Preisen, die von Fall zu Fall von unseren Experten genannt werden: Hierbei handelt es sich um Richtwerte, die anhand von Fotos allein getroffen werden und je nach Zustand des Objekts nach oben oder unten korrigiert werden können.

Ihre Anfrage schicken Sie bitte an:

Gemi Verlags GmbH Redaktion Leserforum Pfaffenhofener Str. 3 85293 Reichertshausen

oder per E-Mail an info@gemiverlag.de

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Exemplar –auf alt getrimmt. In der Regel stehen diese Fälschungen auf größeren unübersichtlichen Flohmärkten auf dem Fußboden hinter anderen Bildern, damit sie dort „entdeckt“ werden können. Den Weg mancher dieser Bilder konnte ich von amerikanischen Sammlungen über Ebay Frankreich, Ebay Deutschland bist zur angeblichen Quelle „Berliner Flohmarkt“ zurückverfolgen. Oftmals strömen diese Fälschungen noch den Geruch nach frischer Farbe aus. Falls die Gier nach Geld den Verstand blockiert, empfehle ich die Signatur mit der Hand abzudecken und dann zu entscheiden ob das Bild immer noch so überzeugend ist. Eigene Überheblichkeit und der Glaube es besser zu wissen sind hier die größte Gefahr. Die

schwärzeste aller Lügen ist die Halbwahrheit. In diesem Fall ist die Pappe alt, aber leider gilt das nicht für das später darauf gemalte Bild. Diese Machwerk hat natürlich keinen Wert, es ist eine Fälschung, hergestellt mit der bösen Absicht den Käufer und auch den Marktwert des Künstlers zu schädigen. Klaus-Dieter Müller, Kunstsachverständiger, Lüneburg

n Gießkanne

?Ich habe hier eine Gießkanne, vermutlich aus Zinn, geschenkt bekommen. Neben einer Jahreszahl von 1782 oben weist sie einige Punzen auf. Sie misst ca. 35 cm. Kann man die Kanne näher bestim-

men? Wieviel ist sie ungefähr wert? Über eine Einschätzung würde ich mich sehr freuen. Robert Munster, o. O.

!

Die dekorative Gießkanne wurde vor wenigen Jahren in Italien im pseudo-antiken Stil hergestellt. Manche dieser Kannen tragen auch gerne eine Jahreszahl an gut sichtbarer Stelle, z.B. 1793 oder 1688 etc.

Die meisten dieser italienischen Nachahmer alter Handwerkskunst wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren gegründet. Sie nutzten die große Nachfrage nach antikem Zinn in jener Zeit, um einerseits Gewinne einzufahren und zerstörten andererseits durch die Masse der Reproduktionen den Sammlermarkt für viele Jahrzehnte. Erst seit kurzem steigen die Preise wieder für altes Zinn. Zinn hat einen sehr niedrigen Schmelzpunkt und ist daher das ideale Recycling-Metall. Zwar wurde auch in alter Zeit auf die Reinheit des Zinns geachtet, doch war der Bleianteil bei altem Zinn ein Problem. In den 1970er-Jahren wurden die Zinngießereien verpflichtet, nur noch Reinzinn für Essgeschirr und dergleichen zu verwenden. Damit einher geht die Verpflichtung, das Zinn auch so zu kennzeichnen. Die gezeigte Zinnkanne zeigt eine Fülle von Pseudopunzen, aber auch einen Hinweis auf den tatsächlichen Hersteller, die Firma Marinoni di Marinoni A. & C. Das Firmenzeichen ist die Eule. Die Angabe 95% ist verklausuliert zu sehen als „095“. Im Handel erhältlich war diese Gießkanne für um die 150 Euro. Andere Gießkannen italienischer Hersteller können auch über 400 Euro kosten. So eine Gießkanne ist im Gebrauch aufgrund der Haptik und der Wertigkeit des Materials sicher eine Freude. Ich würde die Kanne mit etwa der Hälfte des Neupreises bewerten.

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AUSSTELLUNGEN

n Hello, Robot

Science-Fiction wird Realität: Seit einigen Jahren hält die Robotik Einzug in unser Leben. Die Beispiele reichen von Transportdrohnen oder Pflege-Robotern bis hin zu Internet-Bots, die Informationen steuern, aber auch manipulieren können. „Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine” war 2017 die erfolgreichste Ausstellung in der Geschichte des Vitra Design Museums und kommt zum Abschluss ihrer weltweiten Tournee noch einmal zurück nach Weil am Rhein. Dafür wird sie um wichtige Entwicklungen in Robotik und Digitalisierung der letzten Jahre ergänzt, denn der Robotik-Boom ist ungebrochen. Zugleich haben die letzten Jahre gezeigt, wie stark öffentliche Debatten und sogar Wahlen heute durch Algorithmen und künstliche Intelligenz gesteuert werden können und welche Risiken sich daraus ergeben. Neben Robotern aus dem Wohnbereich, der Industrie oder der Medizin präsentiert die Ausstellung Medieninstallationen, Computerspiele und Beispiele aus Film und Literatur. Sie zeigt, wie der Robotik-Boom unser Leben verändert – und wie Design die Robotik verändert.

„Die Roboter sind da” –was wie Science Fiction klingt, ist längst Alltag. Autos, Waschmaschinen, Geldautomaten, Drohnen, der selbstfahrende Zug zwischen Flughafen-Terminals, der digitale Assistent, der sich um Kundenanliegen kümmert – das alles und vieles mehr wird heute zumindest teilweise durch Robotik gesteuert. Denn die Definition eines Roboters ist einfacher als man denkt: es braucht ein Gerät, das Daten sammelt; Software, die diese Daten interpretiert; und schließlich ein Gerät, das eine Reaktion darauf generiert. Das kann ein Lichtpunkt auf dem Bildschirm sein, aber auch

Historic toy robots, 1956-1980, Boston Dynamics, Spot, 2019, Privatsammlung; Vitra Design Museum Weil am Rhein Foto: Andreas Sütterlin

Wärme, Sound oder Bewegung. Selbstlernende Algorithmen – sogenannte Bots –sind damit ebenso Roboter wie kommunizierende Alltagsgegenstände, die oft als Internet der Dinge bezeichnet werden. Als Roboter gilt also vereinfacht alles, was „smart” ist. Und das betrifft längst nicht mehr nur einzelne Objekte, sondern letztlich unsere gesamte Umwelt, die täglich noch selbstlernender und autonomer wird. An der Schnittstelle zwischen dem Menschen und dieser robotischen Umwelt steht Design. Über die bloße Gestaltung von Form und Funktion geht das weit hinaus. Die Ausstellung „Hello, Robot” zeigt, wie Design die Interaktion und Beziehung zwischen Mensch und Maschine, aber auch von Mensch zu Mensch prägt – im Guten wie im Schlechten. Dabei müssen wir uns viele Fragen stellen, allen voran: Wie wollen wir – als Individuum und als Gesellschaft – mit neuen Technologien umgehen?

Im ersten Teil der Ausstellung geht es um die alte Begeisterung der Moderne für den künstlichen Menschen und darum, wie die Popuärkultur unser Verständnis von Robotern geprägt hat. Hier treffen wir nicht nur auf bekannte Roboter aus Film und Literatur, etwa R2-D2, den liebenswerten Astromech-Droiden aus Star Wars, sondern auch auf den ganz realen, vierbeinigen Roboter Spot von Boston Dynamics. Der Roboterhund assistiert bei Raketentests und in den Ausgrabungsstätten von Pompeji. Zuletzt erlangte er fragwürdige Berühmtheit mit einem Video, das ihn im menschenleeren Shanghai zeigt. Auf dem Rücken trägt er ein mit Klebeband befestigtes Megafon, über das die Menschen zur Einhaltung der Corona-Maßnahmen aufgefordert werden.

Der zweite Teil der Ausstellung widmet sich jenem Bereich, in dem die Robotik ihren Durchbruch erlebte: Industrie und Arbeitswelt. Während der Roboter in diesem Kontext heute immer wieder als Bedrohung für die Arbeitnehmer beschrieben wird, beleuchtet die Ausstellung die aktuelle Debatte um dieses Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Bandbreite der Exponate reicht hier vom klassischen Industrieroboter bis zu einer Installation der Gruppe RobotLab, bei der ein Roboter am laufenden Band Manifeste produziert und damit hinterfragt, wo die

Grenzen zwischen automatisierbarer Arbeit und menschlicher Kreativität liegt. Ein Beispiel in diesem Themenbereich ist das Gerät Symbol von Motorola (2009), ein sogenanntes tragbares Terminal, das in großen Logistikzentren zum Einsatz kommt. Arbeitsabläufe sollen damit effizienter werden: Aufträge kommen direkt auf das Display, der am Finger getragene Scanner registriert die Erledigung. Durch diese Verschmelzung von Mensch und Maschine wird die Leistung der Belegschaft live überwacht. Diese Entwicklung wird kontrovers diskutiert und sorgt immer wieder auch für negative Schlagzeilen. Der dritte Teil der Ausstellung zeigt, wie uns die neue Technologie noch näherkommt – als „Freund und Helfer” im Alltag, im Haushalt, in der Pflege, als digitaler Begleiter oder gar beim Cybersex. Besonders spannend ist es dabei zu beobachten, wie sich nicht nur die Beziehung zwischen Mensch und Maschine wandelt, sondern auch die Interaktion von Mensch zu Mensch. Unter anderem zeigt die Ausstellung einen Wandteppich der französischen Künstlerin Eva Ostrowska. Die Künstlerin zeigt darin auf humorvolle und subversive Art, wie Frauen sich in Zeiten von Dating Apps vor Grenzüberschreitungen schützen können.

Im vierten und letzten Teil geht es um die zunehmende Verschmelzung von Mensch und Robotik, etwa, wenn wir in einem „lernenden” Gebäude leben, oder uns in einer so genannten „smart city” bewegen. Technologie prägt uns, und wir prägen unsere technologische, robotische Umgebung.

Für seine Videoinstallation „Google Maps Hacks” hat der Berliner Medienkünstler Simon Weckert mit einem Bollerwagen voller Smartphones auf leeren Straßen einen künstlichen Stau in Google Maps erzeugt. Der Online-Kartendienst registriert erhöhtes Verkehrsaufkommen und Unfälle durch Crowdsourcing: Standortinformationen sämtlicher Google-Nutzer vor Ort werden sofort verarbeitet und verstopfte Straßen, Gassen und Plätze in der Karte gegebenenfalls orange oder rot markiert. Weckert verdeutlicht damit, dass wir längst in einer robotischen Umgebung leben. (Bis 5. März 2023)

Telefon: 07621 7023200

Webseite: www.design-museum.de

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Christoph Niemann, Robot Morph, 2016; Vitra Design Museum Weil am Rhein © Christoph Niemann

n Geht doch!

Bis Februar 2024 stellt das Museum der Alltagskultur – Schloss Waldenbuch Erfindungen in den Mittelpunkt einer Sonderausstellung: Dinge, die ein besseres Leben versprechen oder den Alltag einfacher machen. Dank einer Erfindung geht manches, was zuvor unmöglich schien, auf einmal doch! Erfindungen sollen Probleme lösen: alltägliche oder auch große wie den Klimawandel.

Oftmals versprechen die neuen Dinge aber auch Lösungen von Problemen, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie haben. Trotzdem schaffen wir uns immer wieder Gegenstände an, die nach kurzer Zeit beiseitegelegt werden und in Schränken verschwinden.

Der Haushalt bietet ein unerschöpfliches Feld für Erfindungen aller Art. Weltweit werden jedes Jahr 250 Milliarden Euro für Haushaltsgeräte ausgegeben. Immer neue Funktionen locken zum Kauf. Die Ausstellung zeigt bewährte und kurzlebi-

dungen, die als Motor für den Konsum geeignet sind. Die Gelder für Finanzierung, Produktion und Wissensvermittlung sind ungleichmäßig verteilt. Gemeinschaftliches Wirtschaften kann dieser Ungerechtigkeit entgegenwirken. Vorgestellt werden innovative Initiativen wie Konsumgenossenschaften, Crowdfunding-Projekte, Einrichtungen zum nachhaltigen Ausleihen, Fablabs oder die Open-SourceBewegung.

Dem Bild vom einsamen Erfinder, der in einer Sternstunde eine geniale Verbesserung schafft, stellt die Ausstellung ein alternatives Modell gegenüber: Probleme werden oft in Zusammenarbeit gelöst, durch Verhaltensänderungen oder technische Anpassungen. Erfinden können alle.

Telefon: 0711 89535151

Webseite: www.museum-der-alltagskultur.de

MESSEN/BÖRSEN

n Sammeln der Superlative

ge Erfindungen vom 18. Jahrhundert bis heute, von der Kaffeemühle über den Schnellkochtopf bis zu Schälmaschine, Thermomix und Pasta-Maker. Anstatt von „Erfindung“ oder „Verbesserung“ sprechen Marketingleute gern von „Innovation“. Die Bezeichnung „innovativ“ wird dann synonym mit „kreativ“ verwendet und dient vor allem als Verkaufsargument. Bahnbrechend für blinde und sehbehinderte Menschen waren Erfindungen wie die Braille-Schrift und entsprechende Schreibmaschinen und Displays. Doch häufig stehen Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen Einschränkungen nicht im Fokus der Erfinder. Woran liegt es, dass es Bereiche mit vielen Innovationen gibt und andere, in denen kaum etwas geschieht?

Die Ausstellung zeigt den Zusammenhang von Innovation und Investition auf. Die Wirtschaft fördert vor allem solche Erfin-

Die „VerzamelaarsJaarbeurs Utrecht” ist eine internationale Sammlerbörse. Sie bietet an mehr als 2.000 Ständen eine große Auswahl für Sammler und Liebhaber von Kuriositäten, Antiquitäten oder gebrauchten Gegenständen. Neben Porzellanpuppen, Designerwaren und Geschirr umfasst das Angebot der Sammlermesse Utrecht auch Taschenuhren, Spielwaren, Glas, Keramik, Bücher, Münzen, Karten, Briefmarken und Archäologie sowie Wohnund Einrichtungsgegenstände. Festen Bestandteil der Utrechter VerzamelaarsJaarbeurs ist auch die Mega Platten- & CDMesse mit einer großen Auswahl an Singles, LPs, CDs und DVDs. Spezielle Ausstellungen, Präsentationen, Vorführungen und Autogrammstunden runden das Angebotsspektrum der Sammlerbörse ab. (12. und 13. November, Jaarbeursplein Utrecht, NL).

Telefon: +31 (0)302955911

Webseite: www.verzamelaarsjaarbeurs.nl

n Wieder Kind sein

Die Puppen- & Bären-Börse Zürich bietet ein äußert vielseitiges Angebot an AntikSpielzeug. Sie lädt ein, sich von der Vielfalt der damaligen Spielzeug-Produktion verzaubern zu lassen. Tauchen Sie ein in die Welt des Kindes von früher, das über das Spielen mit verkleinerten Objekten aus den damaligen Zeitepochen gelernt hat, wie das Leben zu funktionieren hat. Mit viel Sinn für Ästhetik und dem jeweiligen Zeitgeschmack hat man versucht, Spielzeug herzustellen. Zeitepochen spiegeln sich immer in dem jeweiligen Stück. Oft ist die Puppe oder die Eisenbahn der Einstieg, um zu sammeln. Aber das Thema Spielzeug im Ganzen ist unerschöpflich. Ein neuer Service auf der Börse: Es gibt die Möglichkeit einer kostenfreien Begutachtung und Schätzung von mitgebrachten Puppen, Bären und Spielzeug –am 30. Oktober im Kunsthaus Vortragssaal in Zürich.

Telefon: +43 664 4041926 oder +41 44 4620311 Webseite: www.puppenboerse.ch

n Für alle Sinne

Die Kultveranstaltung „design classic düsseldorf” gibt es seit 1998. Auf über 5.000 Quadratmetern entstehen in kürzester Zeit wunderbare Wohnensembles. Die hellen und weitläufigen Hallen des Blumengroßmarkts an der Ulmenstraße verwandeln sich für ein Wochenende in ein betriebsames Paradies für Designliebhaber. Nur Originalstücke des 20. und 21. Jahrhunderts, ausgesucht, außergewöhnlich und elegant kommen hier zum Verkauf. Ausgefallene Einzelobjekte aus den Bereichen Möbel, Inneneinrichtung, Accessoires & Schmuck finden ihren Weg nach Düsseldorf – und im Laufe eines lebendigen design classic-Tages auch oft den Weg in ein neues Zuhause. Internationales Flair, TopCatering –Schönes für alle Sinne.

Am Sonntag, dem 27. November, versammeln sich rund 120 angemeldete Anbieter aus ganz Europa, erwartet werden gut 5.000 internationale Besucher zum Bummeln, Gucken, Kaufen, Essen und Trinken.

Telefon: 0202 2656359 oder 0172 9531212

Webseite: www.designclassic.de

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Ein Arrangement auf der design classic düsseldorf in den Blumengroßmarkt-Hallen Düsseldorf Große Sammler-Jahresmesse mit Mega Plattenund CD-Börse in Utrecht (NL) Armbandradio, Radio Model R-72S, 1972, Museum der Alltagskultur; Museum der Alltagskultur Schloss Waldenbuch
© Landesmuseum Württemberg
Foto: Heike Fauter

STERZINGER HORNARBEITEN

Wer sich für antike Besteckteile interessiert, der wird früher oder später auch auf einen jener Hornlöffel stoßen, die mit hübschen, aber oft geheimnisvollen Bildern und Sprüchen verziert sind. Viele davon stammen aus Sterzing in Südtirol. Angesichts der dünn gestreuten Informationen zu diesem sehr randständigen Sammelgebiet gerät man unversehens auf Spurensuche. Soviel vorab: Sterzinger Hornarbeiten wurden zahlreich hergestellt, sie tauchen aber nur selten im Handel auf, oft mit ungenauer Beschreibung. Kauft man aus der Hand von Profis, braucht man tiefe Taschen. Bei den Angeboten ahnungsloser Privatverkäufer lassen sich hingegen sehr günstige Schnäppchen finden, auch wenn man für einen guten Löffel mindestens 100 Euro rechnen sollte.

Herzen und Heilige

Die Arbeiten sind mit verschiedenen Verzierungen versehen, kleine Genreszenen und Landschaftsbilder tauchen auf, eine Burg wechselt sich mit den Tieren der

Links: Sterzinger Hornlöffel mit flächiger Dekoration in mehreren Farben. Arbeiten dieser Art gehören der jüngeren Gruppe Sterzinger Hornarbeiten an. Die Motive gehen mit dem Dekorwerk ineinander über, Ziel war das Gestalten der ganzen Fläche

Oben: Aufwändig verzierter, klappbarer Löffel für ein Reisebesteck. Inschrift: „Bedenke mein Engel das ich euers nicht Seÿ als Redliche lieb und aufrichtige Treü“ und „Ich liebe dich wie du mich“. Schrift und Schreibweisen verweisen auf das ausgehende 18. Jahrhundert, können jedoch auch etwas später angebracht worden sein

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Bergwelt ab, oft gibt es Herzen, aber auch Berufe, Tätigkeiten oder Heilige werden dargestellt. Manchmal erklärt ein kurzer Text das Bild, er kann aber auch etwas rätselhaft bleiben. Diese Texte sind häufig

Oben: Sehr aufwändig verzierter klappbarer Hornlöffel mit einer Darstellung der Heiligen Drei Könige in geometrischer, farbig gearbeiteter Umrahmung. Besonders hervorzuheben sind die Kopfbedeckung des mittleren Königs sowie die plastische Darstellung des Bodens. Die Inschrift am Griffende lautet: „Wie es sein soll das zeig sich wohl.“ Die zierliche Umrankung und die Schrift könnten auf die Biedermeierzeit verweisen

Rechts: Kleine Dose für Schnupftabak, man kann sie auch für Tabletten oder Pastillen verwenden. Die einfach gehaltene Dekoration im biedermeierlichen Stil verweist auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Dose wurde mit Metallbeschlägen verstärkt. Der Deckel hat eine kleine Erhebung an der Stelle, wo man ihn öffnet

in Kurrent, also der zeitgenössischen Schreibschrift, gehalten. Viele dieser Dekorationen sind einfarbig, andere aber koloriert. Sie zeichnen sich meist durch eine etwas naive Gestaltung und betonte Lieblichkeit aus. Gesichter sind meist sehr einfach gehalten, alles erinnert an einfache Zeichnungen. Und so bestechen diese Arbeiten eher nicht durch die frappante Kunstfertigkeit ihrer Schöpfer, sondern vielmehr durch das noch immer sichtbare Bemühen, mit Fleiß und Sorgfalt etwas zu schaffen, das ans Herz rührt. Derlei betonte Lieblichkeit kennt man auch von kunstvollen Kratzarbeiten auf Ostereiern. Wie wir etwas später sehen werden, war das schon im 19. Jahrhundert ein bisschen „Masche“. Sie trug erheblich zum großen Erfolg dieser Arbeiten bei.

Geheimnisvoll und mythenreich

Sterzing liegt in Südtirol und wurde bereits im 12. Jahrhundert erwähnt, es handelt sich dabei um eine bajuwarische Gründung. Die Gegend war noch vor 150 Jahren sehr gefährlich: Zur Überquerung der Alpen war es erforderlich, hier ausgedehnte Sumpfgebiete zu überwinden. Diese Sümpfe inspirierten die Menschen zu mystischen Erzählungen über schlafende Drachen und andere Fabelwesen. Die Gegend war bereits in prähistorischer Zeit besiedelt, auf dem Vogelbühel fand man 3.000 Jahre alte Tonscherben, im Moor hat man in der Spätantike Menschen in Baumsärgen bestattet, und wo heute die Kirche

steht, war schon in grauer Vorzeit eine Art Kultplatz. 14 v. Chr. errichteten die Römer hier ein Kastell.

Um 1280 wurde Sterzing zur Stadt erhoben und um die Neustadt südlich des Zwölferturms erweitert. Die günstige Lage an der Brennerroute und ein Handelsprivileg verhalfen der kleinen Ortschaft zu einem schnellen Aufstieg, vor allem im 15. Jahrhundert. Im Wipptal entstanden zu dieser Zeit etliche Silberminen, und ihre Besitzer ließen sich in Sterzing nieder, was sich auch in einer regen Bautätigkeit niederschlug. Diese repräsentativ gestalteten Häuser sind charakteristisch für die Stadt, die zu einem bedeutenden Handelszentrum, Gerichts- und Tagungsort sowie Wirtschaftszentrum wurde.

Niedergang des Bergbaus

Als aber Ende des 16. Jahrhunderts die Silbervorräte zur Neige gingen, endete auch der Aufstieg Sterzings, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts befand sich die Stadt im Niedergang. Eine tragfähige Landwirtschaft konnte erst nach der Entsumpfung des Sterzinger Mooses aufgebaut werden. Vor allem in den Wintermonaten war es schwierig, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Hatte man einst sein Auskommen im Bergbau oder einem seiner Begleitgewerbe gefunden, so waren diese Möglichkeiten inzwischen weggefallen. Einstweilen war der Ackerbau noch zu schwach, um den Menschen genügend Arbeit zu geben. Da man an der Brenner-

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route viele Durchreisende traf, werden einige auf die Idee gekommen sein, aus den günstig verfügbaren Rinderhörnern Gebrauchsgegenstände herzustellen, und bald darauf hat man sie auch verziert. Das fand Anklang.

Das Aufblühen der Sterzinger Hornindustrie ist vor dem Hintergrund dieses langwährenden Niedergangs zu erklären: Zum Gelderwerb stellten die Menschen in Heimarbeit hübsche Gebrauchsgegenstände mit eigenartigen Verzierungen her. In seinem Aufsatz „Beiträge zu einer Chronik von Sterzing und Umgebung 18141914“ (Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 31 (1951), S. 455-491) fasste Hans Kramer die Grundzüge dieser Hornindustrie zusammen. Demnach handelte es sich bei den Erzeugnissen um Arbeiten aus den Hörnern von Rindern, größtenteils von Häuslerfamilien in Heimarbeit erzeugt. Zu den angebotenen Produkten gehörten Tabakdosen, Zigarettendosen, Pfefferbüchsen, Zündholzbehälter, Löffel, Messergriffe, Serviettenreifen, Salatbestecke, Becher, Trinkhörner, Zuckerzangen, Federhalter, Knöpfe, Schachspiele, Zierkämme und andere Dinge des täglichen Gebrauchs.

Reich verzierte Arbeiten

Verziert wurden diese Stücke mit Sprüchen, Ornamenten, Figuren, Blumen usw. Sie waren beliebt als Geschenke bei

Hochzeiten und Primizen, also der ersten von einem neuen Priester durchgeführten heiligen Messe. Dies deutet bereits darauf hin, dass es sich bei den dekorierten Erzeugnissen um repräsentative Schau-

Von oben nach unten: Schnupftabakdose für einen Jäger. Die an Fraktur angelehnte, aber von allem barocken Schmuck befreite Inschrift lautet: „Ich bin ein Jeger bin wohl bekannt / in gebürg und auch zu land.“ Als Dekorationsmittel wurden recht grobe Schraffuren eingesetzt, die gesamte Ausführung wirkt etwas grob. Interessant ist auch der Farbverlauf im Hornmaterial

Diese Dose ist genauso gearbeitet wie die von vorheriger Seite, jedoch etwas anders und ohne Farben verziert. Die Inschrift lautet: „Wie ich Rede aus dem Mund / so geht es mir von Herzen grund“

Ein weiteres Beispiel für eine kleine Tabakdose, diesmal mit auffälligem Blütendekor und einem Liebespaar auf dem Deckel. Bestimmte Stilmerkmale wie die umlaufenden Schraffurfelder tauchen immer wieder auf

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stücke handelte, die oft gar nicht zum Gebrauch bestimmt waren, wobei es jedoch einen Übergangsbereich gegeben haben dürfte: Eine aufwändig verzierte Tabakdose kann durchaus auch intensiv benutzt werden, ein verzierter Löffel hingegen nicht. Laut Kramer bestand die Industrie zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung seit 200 Jahren, also seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Zu den Käufern gehörten Klöster, Wirte und Durchreisende. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu einem Verfall dieser Erzeugung, im Jahre 1822 wurden gerade einmal zehn Löffelmacher gezählt. Trotzdem befand sich die Sterzinger Hornerzeugung auf anerkannt hohem Niveau, wie folgende Erwähnung im Jahrbuch des k. k. polytechnischen Institutes in Wien (vierter Band, Wien, 1823, S. 97) belegt:

Aus Ochsenhorn

„Joseph Heißler, zu Sterzing, und Michael Pfurtscheller, zu Fulpmes in Tirol, haben

Oben: Sieben Hornlöffel aus verschiedenen Zeiten, kombiniert mit einer Halterung, datiert 1833. Die Arbeiten unterscheiden sich deutlich in der Ausgestaltung. Der linke Löffel weist einen gedrehten Griff auf. Inschrift: „Mein Herz hengt an deinem föst, ich hoff von dir das aller Best“. Stilistisch frühes 19. Jahrhundert

Rechts: Sterzinger Besteckset, später Stil mit flächigem Dekor

dem Kabinette mehrere Arbeiten, als Löffel, Dosen u. s. w. aus weißem tirolischem Ochsenhorn eingeschickt, welches an Farbe und Undurchsichtigkeit fast dem Beine gleicht, durch Erwärmung aber durchscheinend wird, wie gemeines Horn. Eingravirte und schwarz eingeriebene Verzierungen geben diesen nationalen Kunstprodukten ein sehr artiges und gefälliges Ansehen.”

Erst ab etwa 1860 stiegen infolge der Bemühungen Konrad Fischnalers die Produktionszahlen wieder an, nun richtete sich das Angebot an „Fremde während der Sommersaison“. Man versuchte also in dieser Zeit gezielt, diese Gegenstände als Reiseandenken zu vermarkten. Die typische Gestaltung der Hornarbeiten mit hohem Wiedererkennungswert und die einfache, volksnahe Dekoration sprach die Reisenden an. Gerade das Bürgertum (das sich Reisen leisten konnte) hatte ein Faible für die Produktwelt der einfachen, vermeintlich unverdorbenen Menschen auf dem Land, und diese Nachfrage wur-

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Reiseandenken

de bereitwillig bedient. Es gibt viele Beispiele dieser Art, auch heute: So produzieren die Samen in Nordskandinavien Lederbänder mit eingeflochtenen Zinnfäden, die sich bei den Reisenden großer Beliebtheit erfreuen. Auch die inzwischen sehr teuren, jedoch immer noch sehr einfachen Holzarbeiten aus dem Erzgebirge, dem einstigen Armenhaus Deutschlands, gehen auf eine solche Geschichte zurück.

Volkskunst gut vermarktet

Nach Fischnalers Weckruf erkannten die Sterzinger Goldarbeiter Girtler und Oberretl die Chancen, die sich aus der Hornproduktion ergaben, und beauftragten Leute mit Arbeiten, die sie in den Wintermonaten zuhause durchführen konnten. Statt nun, wie anderswo, einfach simple Holzlöffel zu schnitzen, konnten sich diese Menschen nun kunsthandwerklich betätigen. Der Direktor des Gewerbeförderungsinstituts in Bozen, Oberingenieur Garay, und der Fachschuldirektor in Hall, R. v. Grünberger, bemühten sich beim Unterrichtsministerium um Förderung. Auf der Tiroler Landesausstellung in Innsbruck 1893 wurden Erzeugnisse des Beinwarenarbeiters Josef Thaler ausgestellt, 1905 fanden hochwertige Stücke ihren Weg in das Museum Ferdinandeum in Innsbruck. Im selben Jahr wurden welche von König Karl von Rumänien angekauft, 1909 auch von Erzherzog Franz Ferdinand. 1907 wurde in Sterzing eine Gewerbeausstellung veranstaltet, wo auch Hornarbeiten gezeigt wurden. Die Erzeugnisse aus Heimarbeit, folkloristisch aufgeladen, wurden durch diese Bemühungen aktiv propagiert, was jedoch nicht verhindern konnte, dass ihre Zeit allmählich zu Ende war.

Produktionszahlen

Es gibt auch Informationen über die Produktionszahlen. Demnach wurden im Jahr 1856 21.120 Stück hergestellt. In den Jahren 1860 bis 1870 nahm die Produktion von 24.000 auf 16.000 Stück pro Jahr ab, die aus zehn bis zwölf Werkstätten kamen. Im Jahre 1880 wurden gar nur noch 6.720 Esslöffel und Tabakdosen erzeugt, und zwar von sieben Personen. Deren Tageslohn lag bei 70 Kreuzern bis 1 Gulden und 40 Kreuzern, im Durchschnitt also bei ungefähr einem Gulden. Die Gesamtproduktion aller sieben Personen in diesem Jahr hatte einen Wert von 560 Gulden, also 80 Gulden pro Person, was rechnerisch etwa 80 Arbeitstagen entsprach. Damit konnte man den Winter überbrücken. Bis 1914

führte die Hornindustrie in Sterzing weiter ein bescheidenes Dasein: für den Zeitraum von 1888 bis 1912 werden lediglich zwei Hornarbeiter angegeben, vermutlich waren es etwas mehr. Interessant ist auch, dass sich an anderen Orten solche Kleinindustrie etwas besser halten konnte als in Sterzing, wo sie dann eingegangen ist.

Erste und zweite Zeit

So ähnlich wie bei den Biedermeiermöbeln, auf deren eigentliche Entstehungszeit (etwa 1815 bis 1848) eine zweite Zeit um die Jahrhundertwende folgte, können wir also auch bei den Sterzinger Hornarbeiten eine klassische (1750 bis 1800) und eine zweite Zeit (1860 bis 1880) unterscheiden. Zwar hat man auch dazwischen und danach solche Hornarbeiten angefertigt, jedoch in viel geringeren Stückzahlen. Da sich die Herstellungs- und Dekorationsverfahren nicht oder kaum verändert

Links: Eine Dose, deren Programm sich auf die Tiroler Freiheitskriege bezieht. Die Inschrift lautet: „Wir Tiroler sind nur adlers Erben / als ihm verlassen lieber Sterben“

Oben: Im Fall dieser Tabakdose beschränkt sich die Verzierung auf ein Reh und einen jungen Hirschen auf einer Waldlichtung. Die Darstellung erfolgte mit gekonnten Strichen, umrahmt von einer dezenten Bordüre. Der Dosenkorpus wurde mit einem symmetrischen floralen Muster bedeckt, das guten Geschmack und ein sicheres Flächengefühl belegt. Arbeiten wie diese stehen künstlerisch über den eher volkstümlichen Arbeiten

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haben, ist eine Unterscheidung nur anhand stilistischer Merkmale möglich. Angesichts der Erzeugung dieser Dinge für Touristen ist es zwar denkbar, dass Mitte des 19. Jahrhunderts ältere Stücke aus der früheren Zeit imitiert worden wären, dies ist jedoch unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass man dafür zeitgenössische Vergleichsstücke benötigt. Außerdem hätten die Erzeuger in der Zeit um 1860 gute Kenntnisse der Schriftformen und Rechtschreibung vor 1800 haben müssen – dass hierauf überhaupt irgend jemand Bedacht genommen hätte, kann eigentlich ausgeschlossen werden.

Hinweise zur Datierung

Deshalb kann man sich zur Datierung dieser Arbeiten einstweilen an die Schriftarten und Schreibweisen halten, die auf diesen Arbeiten verwendet wurden. Zuweilen kann man an der Schrift oft auch noch erkennen, dass sie von einer etwas betagten Hand geschrieben wurde. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang die ausführlichen Bildunterschriften. In den meisten Fällen wird man Schrift, Orthographie und Bildgestaltung dem 19. Jahrhundert zuordnen können. Etwas schwieriger ist es, wenn sich auf dem Stück gar keine

Oben: Sterzinger Hornkamm: Arbeiten wie diese zeigen, dass man auch Produkte ohne die typischen eingravierten Verzierungen hergestellt hat. Diese Sägearbeit ist äußerst filigran und erforderte viele Stunden konzentrierte Arbeit

Rechts: Kleine Tabakdose mit typischer Biedermeier-Symbolik, auch an dieser Motivwahl und -wiedergabe kann eine grobe zeitliche Zuordnung festgemacht werden

Schrift befindet, sondern nur Dekorationen. Wie aber die genannten Produktionszahlen erkennen lassen, stammt ein sehr großer Teil der Sterzinger Hornarbeiten eben aus der neueren Herstellungszeit. Das macht sie nicht weniger sammelwürdig, man sollte es aber wissen, um diese Dinge einer frühindustriellen Fertigungsweise zuordnen zu können. Sie war es, die etlichen Menschen in jener Zeit einen Gelderwerb verschaffte und eine große Menge schöner Gegenstände aus Horn entstehen ließ, von denen auch heute noch etliche zu finden und zu sammeln sind.

Worauf man achten sollte

Sammler sollten bedenken, dass Beschädigungen an antiken Stücken durch Käferfraß verursacht wurden, dem man durch die Schaffung bestmöglicher Lagerungsbedingungen („kühl und trocken“) auch heute noch Einhalt gebieten muss. Das Material Horn kann durch gelegentliche sparsame Behandlung mit möglichst reinem Paraffinöl (z. B. Babyöl ohne Zusatzstoffe) gepflegt werden. Benutzen sollte man diese historischen Stücke entweder gar nicht oder mit Bedacht. Für Besteckteile ist eine Verwendung gar nicht angeraten, aber Kämme oder Dosen werden bei pfleglichem Gebrauch keinen Schaden nehmen.

Besonders interessant dürften für den Sammler vor allem die historisch wertvollen Stücke aus der Frühzeit der Sterzinger Hornkunst sein. Aus den im Beitrag beschriebenen Gründen ist eine sichere Datierung nicht ganz leicht, oft sogar überhaupt nicht möglich. Es kann sich aber lohnen, sich mit den Schriftformen und Schreibweisen des 18. und 19. Jahrhunderts etwas genauer zu befassen, um anhand eindeutiger Schriftmerkmale auf die wahrscheinlichste Entstehungszeit schließen zu können. Doch auch die später hergestellten Löffel, Gabeln und anderen Gegenstände stellen ein dankbares Sammelgebiet dar, bei dem jedes einzelne Stück ein Unikat ist und bei dem man jederzeit auf eine Überraschung stoßen kann.

VOLKSKUNST 13 11 / 22

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