Trödler 12/2022

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Erzgebirge Pressglas 12/2022 64419 • € 5,50 Schweiz CHF 9,–| Österreich € 6,–TERMINHEFT als Beilage Europas Sammlermagazin 4 196441 905502 12 Á neu 2 Monate Termine

EXPERTISEN

n Campo San Barnaba

?Bei einem Trödler habe ich drei Aquarelle gefunden, alle ca. Din A4 groß und von derselben Hand. Können Sie den Maler identifizieren und gegebenenfalls einen Anhaltspunkt zum Wert geben?

G. Rasch, o. O.

Die drei aquarellierten Feder- und Tusche-Zeichnungen weisen alle die gleiche Technik auf. Mit der Feder wurde die Zeichnung grob angelegt, die Linien punktuell mit Tusche verstärkt und dann die Flächen farbig aquarelliert. Zwei Darstellungen scheinen Kanäle in Venedig zu zeigen. Eine Darstellung ist wohl am Campo San Barnaba entstanden. Die dritte Zeichnung greift Ideen des Kubismus auf und zeigt eine in sich verschachtelte Architekturdarstellung aus nicht zu identifizierba-

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ren Bestandteilen. Kubismus war um 1959 eine schon überlebte Stilrichtung, der hier noch einmal, 50 Jahre nach seiner Erfindung, neues Leben eingehaucht wird. Die

Signatur liest sich vermutlich W. Hirsch oder W. Kirsch, aber auch Varianten sind möglich. Es existieren zwar diverse verzeichnete Künstler mit diesem Namen,

n In dieser Rubrik beantworten unsere Experten Ihre Fragen zu dem ein oder anderen guten Stück. Doch leider sehen wir uns außerstande, ganze Nachlässe oder sämtliche sich in Ihrem Haushalt befindlichen Trouvaillen bewerten und schätzen zu lassen. Auch bitten wir um Verständnis, wenn es mit der Bearbeitung länger dauert. Senden Sie uns also Ihre Anfrage nur zu einem zu bestimmenden Objekt –mit detaillierter Beschreibung und gutem Foto, auf dem das Objekt ganz abgebildet ist.

Noch ein Hinweis zu den Preisen, die von Fall zu Fall von unseren Experten genannt werden: Hierbei handelt es sich um Richtwerte, die anhand von Fotos allein getroffen werden und je nach Zustand des Objekts nach oben oder unten korrigiert werden können.

Ihre Anfrage schicken Sie bitte an:

Gemi Verlags GmbH Redaktion Leserforum Pfaffenhofener Str. 3 85293 Reichertshausen

oder per E-Mail an info@gemiverlag.de

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aufgrund stilistischer oder biografischer Gründe ist jedoch keiner dieser Künstler ein perfekter Treffer. Wir haben es hier also mit einem zu spät gekommenen begabten Zeichner zu tun, der leider keine biografischen Spuren hinterlassen hat. Als Wert kann man einen Betrag von jeweils unter 100 Euro annehmen.

Klaus-Dieter Müller, Kunstsachverständiger, Lüneburg

n Schafherden und Fuchsjagden

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Vor einigen Jahren hatten Sie bereits meiner Lebensgefährtin Frau Kipar mit der Beurteilung eines Bildes geholfen. Jetzt habe ich eine erneute Anfrage. Es handelt sich um ein Ölgemälde des Düsseldorfer Malers Mohr mit dem Titel „Schafe”. Anbei ein Foto des Ölbildes sowie die Einkaufsquittung von 1978. Es wäre nett, wenn Sie dazu eine aktuelle Wertangabe machen könnten. Notker Hilbrenner, o. O.

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Wie die Quittung (nicht ganz vollständig) ausweist, handelt es sich um ein Gemälde des Düsseldorfer Malers Karl Mohr (1922-2013). Dargestellt ist ein Fachwerkhaus mit Schafstall, den Schafen davor und rechts der Schäfer mit dem Hütestab in der Hand. Zum Zeitpunkt des Kaufes im Jahr 1978 war das ein allseits beliebtes Motiv. Schafherden waren noch ein Teil der Landwirtschaft und insbesondere wichtig zur Pflege der Grasnarbe an den Deichen. Neben diesen heimeligen Themen malte Mohr auch Pferderennen, Fuchsjagden, Opernbälle und andere beliebte Motive. Gemälde von Schäfern und Schafherden sprechen den heutigen Betrachter weniger an, da ein Bezug zur gelebten Realität fehlt. Vergleichbare Bilder werden heute zu Preisen um die 300 bis 500 Euro angeboten.

Klaus-Dieter Müller, Kunstsachverständiger, Lüneburg

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AUSSTELLUNGEN

n Berauschend

Ob Geburtstage, Silvester oder einfach der gemeinsame Feierabend, im sozialen Miteinander nimmt Alkohol eine bedeutende Rolle ein. Das ist aber kein Phänomen der Gegenwart: Seit 10.000 Jahren werden Bier und Wein hergestellt und konsumiert. Damals wie heute ist das Trinken alkoholischer Getränke in vielen Kulturen verwurzelt. Der Wein im Symposion der Griechen oder das Bier, das beim Zusammentreffen von größeren Menschengruppen am prähistorischen Fundplatz in Göbekli Tepe (heutige Türkei) getrunken worden sein könnte, sind nur zwei Beispiele. War Alkohol also der eigentliche „Kitt der Gesellschaft“ vergangener Kulturen – und ist es vielleicht sogar heute noch? Und wie schafft er Gemeinschaft, Identität und zugleich soziale Abgrenzung?  Diesen und weiteren spannenden Fragen geht die kulturhistorische Ausstellung „Berauschend – 10.000 Jahre Bier und Wein“ auf den Grund und spannt dabei einen Bogen von der Steinzeit bis in die Ge-

Trinkgeschirr in Form eines Segelschiffs, Esaias zur Linden (nachweisbar 1609-1632), Nürnberg, 1630/32, Silber vergoldet; Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, Ausstellungsbereich „Will komm und Prosit – Trinkrituale und Herrschaftsrepräsentation“

© Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch

genwart. Sie veranschaulicht anhand von ca. 250 Objekten, welche lange Geschichte der Konsum von alkoholischen Getränken in unserem Kulturraum hat und wie stark er bis heute in unserem alltäglichen Leben verankert ist. Der geografische Ausgangspunkt ist der südwestdeutsche Raum, ergänzt durch historisch wichtige Bezüge in die mediterrane und vorderasiatische Welt.

Zentral sind dabei weniger die technischen Aspekte der Herstellung oder die Vielfalt an Produkten, als vielmehr die Rolle, die Alkohol in sozialen Kontexten der Vergangenheit und Gegenwart spielt(e). Auch die Folgen für Individuum und Gemeinschaft, die mit dem Konsum von Alkohol einhergehen, werden beleuchtet. (Bis 30. April 2023 im Landesmuseum Württemberg Altes Schloss Stuttgart)

Telefon: 0711 89535150

Webseite: www.landesmuseum-stuttgart.de

n Tintenfässer und Scherenschnitte

Bis 22. Januar zeigt das Kreismuseum Zons gleich zwei Ausstellungen parallel, die sich der Kunst rund um Papier und Tinte im weitesten Sinne widmen. So werden 175 Scheren- und Papierschnitte aus der Sammlung von Georgine und Pavel Hovorak präsentiert, die in zauberhafte Welten aus Papier entführen, sowie 190 Tintenfässer aus der Sammlung Dr. Rohm. Die sogenannten Schwarzbilder zeigen wunderschöne Märchenszenen, welche aus bekannten Märchen der Brüder Grimm, wie Dornröschen, Schneewittchen oder Hänsel und Gretel stammen. Auch Hauffs kleiner Muck und muntere Gestalten wie Münchhausen oder Max und Moritz wurden mit Schere und Papier gestaltet und laden zum Schmunzeln ein. Neben Darstellungen aus Flora und Fauna erwarten historisierende, oft kunstvoll umrahmte Schattenrisse von Personen die Besucherinnen und Besucher. Auch ganze Szenerien finden sich, wie verliebte oder streitende Paare, Kinder beim Tanzen oder Rokokoszenerien. Neben den klassischen Schwarzbildern wird auch Papierkunst aus Asien gezeigt. Darunter finden sich chinesische Papierschnitte. Diese häufig aus buntem Papier geschnittenen Objekte wurden meist als Dekoration für papierbespannte Fenster verwendet oder auch als Glücksbringer oder Schutzzeichen an Wände und Türen geklebt. Ergänzt wird die Ausstellung zudem durch Katagami aus der Sammlung des Kreismuseums. Hierbei handelt es sich um japanische Schablonen, die zum Färben von Stoffen verwendet wurden. Diese filigranen Kunstwerke wurden nicht mit der Schere, sondern mit Messern bzw. Schneidewerkzeugen gestaltet.

Formschön und kunstvoll, bisweilen auch kurios präsentieren sich rund 190 Tintenfässer aus der Sammlung von Dr. Julius Rohm. Die aufwändig gestalteten Exponate stammen aus der Zeit um 1900 bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts. Neben histori-

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Trinkhorn (sog. Greifenklaue), Ende 14. Jahrhundert, Wisenthorn, Silber, vergoldet, Email; Landesmuseum Württemberg, Stuttgart; Ausstellungsbereich „Willkomm und Prosit – Trinkrituale und Herrschaftsrepräsentation“ © Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch

sierenden Ausführungen mit Palmetten, Rocaillen, Akanthus oder Girlanden, weisen andere vielfach die schwungvolle, elegante Formensprache des Jugendstils auf. So finden sich unter den Exponaten überwiegend Produkte der Firmen WMF und Orivit, die für ihre Jugendstilentwürfe bekannt waren.

Auch wenn um 1900 bereits der Füllfederhalter Tintenfass und Feder große Konkurrenz machte, stellten diese, insbesondere beim Bürgertum, beliebte Accessoires dar, die vor allem einen dekorativen Charakter hatten. Das eigentliche Tintenbehältnis aus Glas ist bei vielen Ausführungen nicht zu sehen, sondern befindet sich in einer Fassung aus Zinn, Silber oder Messing. Bei anderen Modellen steht das Glasbehältnis im Mittelpunkt des Entwurfs, ist kunstvoll geformt und besteht dann oft aus Kristall- oder Buntglas.

Telefon: 02133 53020

Webseite: www.kreismuseumzons.de

magische Schutzbriefe und Waffensegen aus einer Zeit, als es noch keine Versicherungen gab. Die an volkskundlichen Aspekten ausgerichtete Ausstellung verdeutlicht die unterschiedlichen „Aufgaben“ der himmlischen Begleiter als Beschützer vor äußerer und innerer Gefahr, als Seelenlehrer, als ständiger Begleiter in allen Lebenssituationen und als Begleiter der Seele vom Himmel auf die Erde und zurück zu Gott. Die Exponate stammen aus der umfangreichen Privatsammlung Balon, Böblingen.

Telefon: 07150 92071525

n Engel mit Schutzbrief

Unter dem Titel „Himmlische Begleiter. Schutzengelbilder aus vergangenen Zeiten“ werden im Heimatmuseum Münchingen bis zum 12. Februar Schutzengelbilder aus Deutschland, Frankreich und Spanien sowie Postkarten, Andachtsbildchen, Ofenrohrbilder, Bücher, Kirchenfahnen und sonstige Gegenstände mit Schutzengeldarstellungen ausgestellt. Einige der alten Drucke wurden aufwändig mit Seidenstoffen, Pailletten, Perlen, Stickerei und Glimmer „decorirt“. Die Sammlung von Himmelsbriefen konnte durch einige sehr alte und sehr seltene Exemplare erweitert werden. Es handelt sich dabei um

MÄRKTE/BÖRSEN

n Für alle Sinne

Der Feschmarkt Vorarlberg in Feldkirch ist ein Marktfestival für Kunst und Design. Zahlreiche ausgewählte Nachwuchstalente, Designer, Künstler, Junggastronome und Kreative des nationalen und internationalen Kreativ-Undergrounds präsentieren sich auf dem Feldkircher Feschmarkt mit ihren Produkten, außergewöhnlichen Kreationen, Unikaten und kreativen Ideen abseits des Mainstreams aus den Bereichen Mode, Schmuck, Accessoires, Kunst, Grafik, Produktdesign, Food, Delikatessen, Sport und Kids-Design. (9. bis 11. Dezember)

Telefon: +43 (0) 69911103709 Webseite: www.feschmarkt.info

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Schutzengelbild; Heimatmuseum Münchingen Foto: Heide Balon Tintenfass Meeresjüngling mit Fisch, WMF um 1900, Sammlung Dr. Julius Rohm; Kreismuseum Zons Foto: Kreismuseum Zons Feschmarkt Vorarlberg in Feldkirch (A) Scherenschnitt Max & Moritz und Witwe Bolte, Sammlung Georgine und Pavel Hovorak; Kreismuseum Zons Foto: Kreismuseum Zons

KÖNIGIN ELISABETH II.

Am 8. September 2022 ist die Königin von Großbritannien und Nordirland mit 96 Jahren gestorben. Nach dem Tod der Monarchin blickt die Welt auf ihr langes Leben zurück und viele Menschen sichten ihre Andenken an sie oder versuchen trauernd, ihre Memorabilia zu ergänzen. Das beginnt bei den Briefmarken, die zukünftig wohl Charles III. zieren wird, und beinhaltet Bilder, Literatur, Ansichtskarten, Blechdosen und Geschirr. In den 70 Jahren Regentschaft sammelte sich so mancher Schatz an. Beginnend mit Krönungs-Souvenirs lässt sich damit die Geschichte einer britischen Prinzessin erzählen, die zur langjährigsten Königin aller Zeiten wurde.

Eine hübsche Kronprinzessin

Alles fing an mit einem Skandal, der die royale Welt erschütterte: Der nach dem Tod seines Vaters Georg V. am 20. Januar 1936 frisch gekrönte Eduard VIII. dankte noch im Dezember desselben Jahres ab, um seine Geliebte Wallis Simpson, die als geschiedene, bürgerliche und noch dazu amerikanische Frau den traditionellen Ansprüchen an eine königliche Ehefrau nicht genügte, heiraten zu können. Die Krone ging damit an seinen Bruder Georg VI. (eigentlich Albert, genannt Bertie). Und dessen älteste Tochter Elizabeth Alexandra Mary, genannt Lilibet, wurde damit am 11. Dezember 1936 als Zehnjährige zur Kronprinzessin und trat fortan immer mehr ins Rampenlicht. Ihr kurzer Dienst im Militär während des Zweiten Weltkriegs (ab Februar 1945 im ATS, der Frauenabteilung, wo sie als 19-Jährige zur Automechanikerin und -fahrerin ausgebildet wurde) knüpfte die Bande zwischen der Monarchie und der britischen Bevölkerung enger, Ansichtskarten von Elizabeth in Uniform am Lkw sind bis heute sehr beliebt.

An dritter Stelle in der Thronfolge

Die Queen wurde am 21. April 1926 in London geboren (der Geburtstag jedes Königs bzw. jeder Königin wird jedoch jeden Juni mit der Militärparade „Trooping the Colour“ gefeiert) und stand damals an dritter Stelle der Thronfolge. Bereits in ihrer Kindheit wurde sie ganz selbstverständlich fotografisch begleitet, so dass das Leben der Heranwachsenden zu einem großen Teil in der Öffentlichkeit stattfand

„Illustrierte Filmbühne“: „Eine Königin wird gekrönt“ (Titelseite)

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und die Beziehung zu Prinz Philip auch von Anfang an bekannt war. Diese Liebesgeschichte mit Happy End galt als dynastisch passend und überdies waren die beiden ein ausgesprochen schönes, fotogenes Paar, das es der Presse leicht machte. Prinzessin Elizabeth heiratete also 1947 Prinz Philip von Griechenland und Dänemark (ab 1947 Philip Mountbatten, Herzog von Edinburgh), und bekam 1948 erst Baby Charles, dann Baby Anne 1950. Am 6. Februar 1952 wurde sie durch den frühen Tod ihres Vaters mit erst 25 Jahren zur Königin.

Live-Übertragung

Die Krönung, die erste Feierlichkeit dieser Art, die gefilmt und live im Fernsehen übertragen wurde, bildete den vorläufigen Höhepunkt ihrer Popularität. Um das Ereignis angemessen begehen zu können, wartete der Hof mehr als ein Jahr und bereitete die feierliche Messe mit allem, was an militärischen Ehren und Aufzügen möglich war, minutiös vor. Unzählige Souvenirprodukte wurden hergestellt, von der Tasse bis zum Haarklammer-Set. Zum Film „Eine Königin wird gekrönt“, der auch in den deutschen Lichtspieltheatern gezeigt wurde, gibt es eine Ausgabe „Illustrierte Filmbühne“ (Nr. 1972), darin heißt es: „Die J. Arthur Rank Organisation gibt sich die Ehre, den abendfüllenden Farbfilm der Krönung Ihrer Majestät der Königin Elisa-

Von oben nach unten: Louis Wulff, M.V.O.: „Elizabeth & Philip. Our Heiress and her Consort“, Buch zur Hochzeit von 1947

Blechdose unklarer Herkunft mit Elizabeth & Philipp (um 1953)

Beliebte Ansichtskarten der 1950er-Jahre

beth II. von England zu zeigen“. Diese vierseitigen Filmprogramme, etwas kleiner als Din A4, kosteten damals 10 Pfennige und wurden vom Münchner Verlag Filmbühne vertrieben, die Titelseiten entsprachen meist dem Kino-Plakat und eigneten sich wunderbar zum Aufhängen.

verlässliche Größe in Staatsangelegenheiten und war es gewöhnt, dass ihr Porträt fast jeden Brief zierte, der im Vereinigten Königreich und dem Commonwealth verschickt wurde, von Münzen gar nicht zu reden. Sie war beliebt und in der Presse galt das Interesse vor allem dem Fortkommen ihrer Kinder. Deren nicht immer glückliche Liebesgeschichten und Scheidungen, aber auch stets wieder die politische Kritik an der royalen Haltung zu Nordirland oder dem Commonwealth als System schmälerten jedoch zunehmend das Ansehen der Monarchie.

Die 1997 als kaltherzig empfundene (Nicht-)Reaktion der Königin nach dem Bekanntwerden des Unfalltodes ihrer ExSchwiegertochter Diana verschaffte Elizabeth II damals den Ruf einer gefühllosen

Das Silberjubiläum nach 25 Jahren auf dem Thron, 1977, erlebte die Queen als 50-Jährige. Die Bevölkerung kannte sie als

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Eine Königin und ihre Jubiläen

Person, von dem sie sich nur langsam wieder frei machen konnte. Das goldene Jubiläum folgte also 2002 auf die Jahre ihres maximalen Popularitätsverlustes, während die viel zu jung verstorbene Lady Di als „Prinzessin der Herzen“ in der Presse und im Andenkenmarkt mit einer großen Fangemeinde fortlebte.

Sinn für Humor

Ausgesprochen witzig jedoch agierte Elizabeth II im Jahr 2012, also im Jahr ihres 60-jährigen Jubiläums, in dem im Juli und August auch die Olympischen Sommerspiele in London stattfanden: Sie gewann die Sympathie aller Zuschauenden am Bildschirm und im Stadion, als sie zur Eröffnungsfeier mit Hilfe eines eingespielten Filmes vorgab, in Begleitung von James Bond (dargestellt von Daniel Craig) zu dem Sportereignis anzureisen. In dem (auf YouTube einfach zu findenden) Film holt er sie, leicht nervös mit Blick auf die Uhr, ab. „Good Evening, Mister Bond.“, sagt sie und läuft mit ihm und ihren beiden Corgis durch den Buckingham Palace. Danach ist sie nur noch von hinten und von der Seite zu sehen (wie sie hinter dem Palast in einen Hubschrauber steigt und herausguckt), während London überflogen wird und überall winkende Menschen zu sehen sind. Der Hubschrauber durchfliegt die Tower-Bridge, die mit den olympischen Ringen geschmückt ist, dann ist es dunkel und das Flugobjekt erreicht schließlich das blau beleuchtete Stadion.

Bond öffnet die Tür und sondiert von oben, dann ist der Hubschrauber von unten zu sehen und schließlich Bond, wie er der Queen in ihrem rosaglitzernden Kleid den

Vortritt beim Sprung gewährt. Die Zuschauenden sehen schließlich beide mit Fallschirmen in Union-Jack-Muster langsam zur Erde trudeln, während die BondMelodie eingespielt wird. Minuten später bittet der Conferencier die Menge, sich zu Ehren der Queen, die in exakt demselben rosa Kleid begleitet von Prinz Philipp ihre Loge betritt, zu erheben.

Unsterbliche Ikone

Um das Jahr 2016 herum, als sie 90 wurde und der Thronfolger Charles ins Rentenalter kam, begann eine Art Wahrnehmung als unsterbliche Ikone, zumal ja auch ihre Mutter, Elizabeth Bowes-Lyon, genannt Queen Mum, mit 101 Jahren uralt geworden und erst 2002 gestorben war. Einer so alten Dame wie der Königin, die noch so unbeirrt arbeitete und pflichtschuldig so viele Termine wie physisch irgend möglich

Von oben nach unten: „Cadbury“-Blechdose zur Krönung 1953

Blechdose von „Oxo Ltd.“, London, England (Brühwürfel-Fabrik), 1953

Kanadische Dose zur Erinnerung an die Eröffnung des St Lawrence Seaway durch die Queen 1959

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wahrnahm, zollte das Königreich Respekt und immer mehr Liebe.

Als die Queen 2022 mit 95 Jahren ihr Platinjubiläum beging, war ihre Popularität daher extrem hoch. Sie hatte alle Regentschaftsrekorde gebrochen (und dabei sogar Queen Victoria überholt, nach der ein ganzes Zeitalter benannt ist), und London feierte mit Prunk und Fröhlichkeit. Der Clou diesmal war ein Kurzfilm mit einer anderen Ikone: Die Königin lud Publikumsliebling Paddington Bär zum Tee. Und auch er, wie zuvor Bond, wirkt zu Beginn leicht nervös. Dann benimmt er sich in der typischen Paddington-Manier, trinkt den Tee aus der Tülle der Kanne, lässt diese beinahe fallen, fällt mit der Pfote in das Gebäck und verspritzt die Sahne auf einen Diener des Palastes, während die (echte) Königin ihm gegenübersitzend das Ganze gelassen beobachtet. Mit unwiderstehlichem Charme bietet der Bär ihr schließlich ein Marmeladensandwich aus seinem roten Hut an, das er immer „für Notfälle“ dabei habe. „Das habe ich auch!“, antwortet die Queen verschmitzt, „Für später.“, und öffnet kurz ihre Handtasche (über deren Inhalt bis dahin regelmäßig spekuliert worden ist). Nun öffnet der Diener das Fenster, das auf den Palastvorhof hinaus geht und verkündet, dass die Feier beginne. „Happy Jubilee, M’am!“ wünscht Paddington in Vertretung der Zuschauenden, „And thank you for everything!“, und die Königin antwortet breit lächelnd: „That’s very kind!“. Von

Oben von links nach rechts: Haarklemmen-Set zur Krönung 1953

Frontispiz in „The Illustrated London News“: Krönungsgemälde von Terence Cuneo für dieses Heft

Porträt der lachenden, winkenden Queen aus „The Illustrated London News“

Rechts: Britische Briefmarkensammlung

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draußen schallt nun die MilitärkapellenVersion von „We will rock you“ der Popgruppe „Queen“ herein, und schließlich klopfen beide den Rhythmus fröhlich, aber vorsichtig mit ihren Löffeln auf dem Teeservice mit. Unter den niedergelegten Blumen anlässlich des Todes der Monarchin fanden sich daher auch diverse Marmeladensandwiches.

Familie und Alltag einer Queen

Nach den ersten beiden Kindern bekam die junge Königin in den Jahren 1960 und 1964 noch zwei weitere Kinder: Andrew und Edward. Und ihre Enkel, William (geboren 1982) und Harry (1984) von Charles und Diana, Peter (1977) und Zara (1981) von Anne mit Mark Philips, Beatrice (1988) und Eugenie (1990) von Andrew mit Sarah

Ferguson sowie Louise (2003) und James (2007) von Edward mit Sophie Rhys-Jones führten die Familie fort. Die zwölf Urenkel George (2013), Charlotte (2015) und Louis (2018), Archie (2019) und Lilibet (2021), Savannah (2010) und Isla (2012), Mia (2014), Lena (2018), Lucas (2021), Sienna (2021) und August (2021) hat die Urgroßmutter alle noch kennen gelernt. Familienfotos von Hochzeiten oder Taufen sind daher in der Regel im Querformat und zeigten seit langem vier Generationen. Dass eine Frau mit vier Kindern derart in der Öffentlichkeit steht und Vollzeit arbeitet, ohne gewerkschaftliche Vertretung Überstunden macht und dabei nicht einmal eine eigene Meinung haben darf, ist sicher für Elizabeth II durch personelle Unterstützung bei der Kindererziehung und in allen anderen Belangen sowie durch ein riesiges Vermögen irgendwie ausgeglichen worden. Zudem hat sie Reisen um die ganze Welt machen und aus-

gesprochen spannende Menschen kennenlernen dürfen. Dennoch ist ihr Privatleben, wie das vieler Prominenter, sicher viel zu kurz gekommen und die Allgegenwärtigkeit der Leibgarden und vor allem der Presse war bestimmt nicht immer leicht zu ertragen. So gab und gibt es aber viele

Von oben nach unten: Die Königin 1975 in Japan, Postkartenserie „Queen and People“ No.11 © Prescott-Pickup & Co.

„The Queen & Her Family, A Pictorial Record“, 1983 (Sammlung Schiebl, Marburg)

Britische Andenkenkarte zum Silberjubiläum von Elizabeth II, 1977

Scherzkarte „Liz & Phil“ („Spitting Images“, 1984) und „Queen Elizabeth“-Karte aus „What if... series“ (Rubrik „Colors“ #4, 1993)

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kleine Details, die das Bild der Königin menschlich und sie nahbar machen, über das Winken und Händeschütteln hinaus, bei dem ihr die Menschen direkt begegnen konnten. So ist ihre Liebe zu den Hunden, speziell Corgis, und zur Pferdezucht bekannt, und nicht wenige Ansichtskarten zeigen sie beim Reiten, manchmal auch in eher privater Garderobe mit Kopftuch auf dem Land bei Sandringham oder Balmoral. Als ihr Mann, Prinz Philip, im April 2021 mit 99 Jahren starb, blickte die Welt voller Mitleid auf eine wegen der Corona-Pandemie in einer riesigen Kirche einsam trauernde Witwe in Schwarz mit schwarzer Maske, und viele, denen es ähnlich ging, konnten sich mit ihr identifizieren.

Sammelobjekte

„Royal Memorabilia“ in der Londoner Reihe „Phillips Collectors Guides“ (Boxtree Verlag) von Peter Johnson ist leider von 1988, so dass weder neuere Objekte noch die heutigen Handelspreise enthalten sind. Dennoch ist das Buch vielleicht interessant für einen ersten Eindruck oder um zu sehen, was in den 1980er-Jahren für Sammelnde erstrebenswert erschien. Von den großen Ohren von Charles beispiels-

Oben von links nach rechts: Briefpapier-Dose zum Silberjubiläum der Queen 1977 (Spicer's Ltd., Sawston/Cambridge)

Dose zum Diamant-Jubiläum der Queen (Sammlung Großmann, Marburg)

Erinnerungstasse zum Silberjubiläum (Royal Grafton-Porzellan)

Erinnerungsschüssel zum Silberjubiläum, mit Liste der Könige & Königinnen (Aynsley-Porzellan)

Rechts: Die allgegenwärtige Queen im Großbritannien-Quartett von Amigo (Edition Moses Verlags GmbH)

weise ist heute nicht mehr die Rede, damals jedoch waren sie sogar als Tassenhenkel im Einsatz und seine Hochzeit mit Diana bildete das vorherrschende Thema aktueller Sammlungsinteressen. Aber auch eine derzeit wieder sehr gesuchte Blechdose, die zur Krönung der Queen 1953 erschien, ist abgebildet (S. 35) und wurde damals für etwa 5 britische Pfund gehandelt, heute starten die Ebay-Gebote zwischen 6 und 25 Pfund (Keksdose von „CWS Biscuits“, Cardiff). Überhaupt sind Blechdosen neben Porzellantassen und -tellern die häufigsten Andenken an die Königin. Sie enthielten Tee, Schokolade oder Gebäck und waren vor allem als Verpackung zum Verschenken gedacht. Der Buckingham Palast bietet als cleveres Unternehmen infolgedessen in seinem Shop für Besucherinnen und Besucher seit Jahren auch immer neue Blechdosen mit royalen Themen an, die gleich für Sammlungszwecke produziert werden. Als Figur lässt sich die Monarchin auch

erwerben, besonders schön ist dabei die solarbetriebene „Winke-Queen“, die ihre Hand im Gelenk bewegt, wenn sie genug Sonne bekommt, idealerweise also die Fensterbank ziert. Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen von „kikkerland“ (die Farbe der Garderobe ist unterschiedlich, sie trägt in der „Derby“-Version einen Hut, sonst eine Krone oder gar keine Kopfbedeckung, eine zeigt sich sogar mit Stiefeln

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und Weste im ‚Outdoor-Look‘, eine goldene mit Blumenstrauß...). Sie kostet gebraucht mindestens 20 €, die jüngeren Versionen haben einen übergroßen Kopf. Die zum Platin-Jubiläum produzierte Barbie-Puppe von Mattell „Queen Elizabeth II“, die die Königin in weißem Kleid mit viel Schmuck, Krone und Orden verkörpert, wird bei Ebay nicht unter 100 € Startgebot, meist aber über 600 € gehandelt, Tendenz steigend (der Neupreis lag bei 94,99 €).

Aber auch Salz- und Pfefferstreuer-Versionen von Elizabeth II aus Porzellan sind erhältlich – die Königin mit Corgi oder, in einer älteren Kombination, die Königin mit Palastwache. Der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein!

Eines der ersten sofort produzierten Souvenirobjekte anlässlich des Todes von Königin Elisabeth II. ist übrigens eine Tasse, die die Queen und Paddington Bär von hinten Hand in Hand wegspazierend zeigt, untertitelt mit den Worten (von Paddington): „Don’t be frightened, M’am. World will be holding your hand.“, gehandelt um 10 €, meist ergänzt durch hohe Versandkosten aus Großbritannien.

Und für den größeren Geldbeutel gibt es Drucke von Andy Warhol, die die Königin zeigen, der teuerste ist am 14. September 2022 für 554.400 Pfund bei Sotheby’s ver-

steigert worden, im März noch kam dort ein ähnlicher für gut 200.000 Pfund weniger unter den Hammer.

Literatur und andere Medien

„Was trägt die Queen, wenn sie verreist? Twinsets, Hüte, Abendroben“ ist eines der interessantesten Bilderbücher über Elizabeth II, zeigt es doch nicht nur diverse Bilder von Staatsbesuchen von 1947 bis 2007, sondern kombiniert diese auch mit der jeweils separat fotografierten Garderobe, erhaltenen Geschenken und Informationen dazu (Elisabeth Sandmann Verlag 2009, 120 Seiten). Die englische Originalausgabe von Caroline de Guitaut erschien quasi im Auftrag der Königin in der Royal Collection zum 60. Jahrestag des Commonwealth of Nations, der Staatengemeinschaft, deren Oberhaupt sie war und der damals 53 Länder angehörten.

Die seit 2016 laufende und mehrfach ausgezeichnete Netflix-Serie „The Crown“, deren aktueller Dreh wegen der Trauerfeierlichkeiten kurzzeitig unterbrochen wurde, schildert im Jahr 1947 beginnend die Geschichte des britischen Königshauses. Die Darstellerin der Königin hat dabei mehrfach gewechselt: Claire Foy, Olivia Colman und Imelda Staunton verkörperten die Monarchin bisher in unterschiedlichem Alter. Dabei gibt es Ungenauigkeiten und

Oben von links nach rechts: Film-Prospekt zu „The Queen“ von 2007

Ausschnitt aus „Stern edition“: „50 Jahre James Bond“ (2012), S. 135

Witzige Werbeanzeige vom Fernsehsender „ntv“ (2008)

Links: „Royal Collector's Edition“ zum PlatinJubiläum der Queen 2022 mit Poster

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natürlich sehr frei erfundene Dialoge, aber selbst Teile der königlichen Familie sollen angeblich Spaß daran haben. Helen Mirrens Interpretation der Rolle der Königin in „The Queen“ unter der Regie von Stephen Frears von 2006 zeigte dagegen lediglich die Geschichte der zurückhaltenden Reaktion von Elizabeth II auf den Tod ihrer Schwiegertochter Diana im Jahr 1997, für die sie sehr angefeindet wurde. Der Kinofilm verhalf Mirren zu einem Oscar als beste Hauptdarstellerin. Der Kinofilm „A Royal Night Out“ erzählt die fiktive Geschichte der Sieges- und Friedensfeier direkt am 8. Mai 1945, am Ende des Zweiten Weltkrieges, wie sie sich für die jungen Prinzessinnen Elizabeth und Margaret (damals 19 und 14 Jahre alt, dargestellt von Sarah Gadon und Bel Powley) abgespielt haben könnte. Der fröhliche und romantische Historienfilm blendet die vergangenen Grauen des Krieges nicht komplett aus, stellt aber vor allem den Kontrast eines Lebens im Palast und im London der Arbeiterklasse heraus. Die königliche Familie bleibt dabei ausgesprochen sympathisch (als König Georg VI. fungiert Rupert Everett, als Königin Elizabeth Emily Watson).

Orientieren sich die bisher genannten Medien größtenteils an den Fakten, wie sie der Öffentlichkeit bekannt sind (tatsächlich sollen die Prinzessinnen in besagter Nacht inkognito unterwegs gewesen sein), so gibt es doch auch zahlreiche, der Fantasie entsprungene Geschichten über die Königin und ihr Leben, wie es womöglich auch hätte sein können. „Die souveräne Leserin“ von Alan Bennet ist ein ausgesprochen vergnüglicher, kurzer (nur 120 Seiten langer) Roman über die Begegnung der Queen mit der Literatur, erschienen 2008 im Wagenbach Verlag. Sie trifft zufällig auf den im Hof parkenden Bücherbus der Bezirksbibliothek, und nach der Ausleihe des ersten Buches erschließt sich ihr eine ganz neue Welt, und sie stellt kurzerhand einen neuen Küchenjungen ein, der sie bei der Lektüreauswahl beraten muss.

Als Lesestoff für Kriminalroman-Fans mit royalistischer Neigung eignet sich darüber

hinaus die dreiteilige Serie „Ihre Majestät ermittelt“ von C.C. Benison mit den Bänden „Tod im Buckingham Palace“, „Tod auf Schloss Sandringham“ und „Tod auf Schloss Windsor“ (Lübbe Taschenbücher), die bereits Ende der 1990er-Jahre in Kanada erschienen sind.

In der Folge des Todes der Monarchin erscheinen nun große Mengen an Literatur, die ihr Leben feiern und mit schönem Bildmaterial aufwarten, Biografien werden geschrieben: Wer sein Bücherregal neu füllen möchte, hat jetzt gerade grenzenlose Möglichkeiten. Aber wer dem Leben der Queen mit Trödlerobjekten nachspüren will, kann momentan auch auf große Schätze stoßen, die plötzlich von Kellern und Dachböden geholt werden, und dann das eigene Andenkenregal neu bestücken. R.I.P., Elizabeth II!

Fotos: Archiv der Autorin www.kabinettstueckchen.de

Verschiedene

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Von oben nach unten: Solarbetriebene WinkeQueen von Kikkerland (Sammlung Großmann, Marburg) Die Queen mit Corgi Susan in Marguerite D. Peacocke: „Pictorial History of Buckingham Palace“, 1962 Presseartikel zum Tod von Elisabeth II.

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