TRInKGEWOHnHEITEn IM WAnDEL
Mineralwasser als Quell der gesundheit Wer heute im Supermarkt einkauft, findet eine Vielzahl von Mineralwässern vor, die deutlich macht, was der Deutschen liebstes Getränk ist. Im Laufe seiner langen Kulturgeschich-
nen, die sich Reisen oder die Kosten für
lichen Körpers.“ Der Bonner Mediziner
te war Mineralwasser jedoch nicht im-
eine Anlieferung des Wassers durch Boten
Christian Friedrich Harless erklärte 1826,
mer für alle Menschen zugänglich und
leisten konnten, also Adel und Klerus sowie
das Gerolsteiner Wasser des Sidinger
wurde aus den unterschiedlichsten Mo-
das aufkommende Wirtschaftsbürgertum.
Drees gehöre zu den „angenehmen und in dortiger Gegend sehr beliebten“ natur-
alter beschrieben Reisende und Ärzte im-
Der Bonner Mediziner Christian Friedrich Harless erklärte 1826, das Gerolsteiner Wasser des Sidinger Drees gehöre zu den „angenehmen und in dortiger Gegend sehr beliebten“ Naturwässern.
mer wieder die wohltuende Wirkung von
Auch auf dem Gebiet der heutigen Stadt
verpflichtete sich auch das Unternehmen
Bade- und Trinkkuren, wobei das Mineral-
Gerolstein befand sich eine sprudelnde
Gerolsteiner Sprudel 1888. Die nutzung
wasser damals warm getrunken wurde.
Quelle, der Sidinger Drees. Der Medici
der Mineralquellen beschränkte sich
Insbesondere dem Kohlendioxid wurde
Everhard von Malmondy verfasste 1723
damit auf den kleinen Kreis der di-
eine Heilwirkung zugesprochen, und Kur-
das wohl erste überlieferte medizinische
rekten Anwohner.
ärzte des 16. und 17. Jahrhunderts wiesen
Gutachten über diese Quelle:
Patienten an, Unmengen Sprudelwasser
„Infolge der in ihnen enthaltenen Stoffe
Für alle anderen blieb Mineralwasser bis
zu trinken. So hatte sich gegen Ende des
sind diese Wasser sehr dazu geeignet,
weit ins 19. Jahrhundert ein Luxusgut.
17. Jahrhunderts Mineralwasser als Han-
Steine in nieren und Blasen aufzulösen.
Doch was war das Alltagsgetränk der ge-
delsware in Europa etabliert. Von Heil-
Sie beheben die Verstopfung der Leber,
samten Bevölkerung? Trinkwasser war
bädern und Trinkkuren profitierten bis ins
der Galle und der Gedärme, stärken den
keine Alternative. Für die Städte wurde
19. Jahrhundert hinein jedoch nur Perso-
Magen und alle Eingeweide des mensch-
es zur Zeit der Industrialisierung zuneh-
tiven getrunken. Schon die Kelten nutzten Mineralquellen und Thermen. Ausgebaut und gepflegt wurden diese Quellen vor allem im Römischen Reich, wo man sie zur Heilung einsetzte. Auch im ausgehenden Mittel-
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wässern. Die Einwohner Gerolsteins verwendeten das Wasser unter anderem für die Zubereitung von Heedelichkoochen, einem für diese Region typischen Pfannkuchen. Um die Quelle wirtschaftlich nutzen zu dürfen, musste den Bürgern freier Zugang gewährt werden. Hierzu
Heilbad im 17. Jahrhundert.
mend zum Problem, über Brunnen und
Wasserleitungs- und Abwasserkanalsyste-
die nutzung als Handelsware stark ein-
Flüsse ausreichend gutes Trinkwasser zur
men vermochte nicht, eine zufriedenstel-
schränkten. Die nicht begüterten Schich-
Verfügung zu stellen. Der rasante Ausbau
lende Trinkwasserqualität zu garantieren.
ten deckten ihren Flüssigkeitsbedarf da-
der Industrie und der starke Bevölkerungs-
Leitungswasser konnte sich bis weit ins
mals häufig durch Bier.
zuwachs ließen sowohl den Trinkwasser-
20. Jahrhundert hinein nicht zu einem All-
bedarf als auch die Verschmutzung des
tagsgetränk entwickeln. Fruchtsäfte wur-
Grund- und Flusswassers kontinuierlich
den zumeist lediglich auf dem Land aus
steigen. Selbst der in der zweiten Hälfte
eigener Herstellung konsumiert, da feh-
des 19. Jahrhunderts einsetzende Bau von
lende Techniken zur Haltbarmachung
TRInKGEWOHnHEITEn
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Gerolsteiner wird als „natürliches Mineralwasser“ bestätigt: Bescheinigung eines unabhängigen Labors, 1928.
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TRInKGEWOHnHEITEn
neue konkurrenz: Künstliches Mineralwasser Im 19. Jahrhundert war Mineralwasser Mangelware. So war es kein Wunder, dass sich insbesondere Apotheker bemühten, Mineral- und Heilwasser zu kopieren und selbst herzustellen. Das „künstliche Mineralwasser“ konnte
den Markt. Um 1905 kamen in Berlin auf
ten sich von Chemikern Frucht- und Ge-
ortsunabhängig abgefüllt und damit kos-
eine verkaufte Flasche natürliches Mineral-
schmacksstoffe herstellen ließen, sie ihrem
tengünstiger verbreitet werden. Chemiker
wasser knapp 120 Flaschen künstliches
Wasser beimengten und es als Limo-
waren mittlerweile in der Lage, die Inhalts-
Mineralwasser. Den Mineralbrunnenbetrie-
nade verkauften. Allerdings bedeutete die
stoffe des natürlichen Mineralwassers recht
ben entstanden erhebliche Umsatzeinbu-
Popularität des künstlichen Mineralwas-
genau zu analysieren, und sie konnten
ßen. Ein Zitat aus dem Berliner Jahrbuch für
sers nicht, dass die Brunnenindustrie über
Wasser mit Kohlensäure versetzen.
Handel und Industrie 1909 besagt: „Denn
mangelnde Nachfrage klagen konnte: Der
die Bereitung eines einfachen kohlensau-
Absatz nahm gerade im letzten Drittel des
Die Berliner Mineralwasserfabrik Wolff &
ren Trinkwassers ist heutzutage so einfach
19. Jahrhunderts deutlich zu. Der Versand
Calmberg vereinfachte und vergünstigte
und erfordert so wenig Vorkenntnisse, dass
natürlichen Mineralwassers stieg in Preu-
dieses Produktionsverfahren: Sie stellte
jeder Laie mit geringen Mitteln imstande
ßen von 1870 bis 1900 um etwa das
1883 erstmals künstliches Mineralwasser
ist, die Fabrikation aufzunehmen.“
15-Fache. Die Gerolsteiner Mineralbrun-
mit Hilfe flüssiger Kohlensäure her. Im Jahre
nen, damals noch getrennt in Gerolsteiner
1898 reichten ca. 500 Mark für die erfor-
Die veränderten Bedingungen führten zu
Sprudel, Schlossbrunnen und Flora-Brun-
derlichen technischen Geräte, um aus
einem enormen Wachstum der neuen
nen, rangierten im vorderen Drittel. Das
einem für „einwandfrei“ befundenen Lei-
Branche: Während man 1875 knapp 1.000
Branchenwachstum machte sich auch in
tungswasser künstliches Mineralwasser
Betriebe im Deutschen Reich zählte, die
der Gründung von Branchenverbänden
herzustellen, es abzufüllen und zu vertrei-
künstliches Mineralwasser herstellten, wa-
bemerkbar. 1898 entstand der Allgemeine
ben. Es kam zu einem ruinösen Wett-
ren es 20 Jahre später bereits über 2.500. Es
Verband deutscher Mineralwasser-Fabri-
bewerb, da die Mineralbrunnenindustrie
ist davon auszugehen, dass um die Jahr-
kanten und 1904, unter Beteiligung von
nicht mit den Preisen des künstlich herge-
hundertwende bedeutend mehr künst-
Vertretern des Gerolsteiner Sprudel, der
stellten Wassers konkurrieren konnte.
liches als natürliches Mineralwasser umge-
Deutsche Mineralbrunnen-Verband – der
Selbst in mineralquellenreichen Gebieten
setzt wurde. Der Marktanteil wurde noch
heutige Verband Deutscher Mineralbrun-
eroberte das künstliche Mineralwasser
erweitert, als die Mineralwasserfabrikan-
nen (VDM).
trinkgewohnheiten
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Natürliches Mineralwasser setzt sich durch Anfang des 20. Jahrhunderts nahm der Verdrängungswettbewerb merklich zu. Den Herstellern von künstlichem Mineralwasser gelang es, neue Käuferschichten zu erschließen, die Wässer nicht mehr nur als Heilwasser, sondern auch als Erfrischungsgetränk begriffen. Bei der Werbung für natürliches Mineral-
solcher Nierensteine“. Und bereits im ers-
operierenden Konkurrenz. Zuletzt machte
wasser
Gesundheitsaspekt
ten Geschäftsjahr beschrieb der junge Un-
sich die wachsende Anzahl von Wasser-
zunächst im Vordergrund. Bis dato waren
ternehmer Castendyck seinen Gerolsteiner
abfüllern und -produzenten auch in der
die Begriffe „Heilwasser“ und „natürliches
Sprudel wie folgt:
zunehmenden Verwendung von Super-
Mineralwasser“ deckungsgleich. Da es
„Ein natürliches diätetisches und er-
lativen in der Werbung bemerkbar. So
unmöglich war, natürliches Mineralwasser
frischendes Getränk, mit einem von
hieß es in Werbeanzeigen des Gerolsteiner
so günstig abzufüllen und zu vertreiben
Herrn Geh. Hofrath Prof. Dr. R. Fresenius
Sprudel vom Ende des 19. Jahrhunderts,
wie das künstlich hergestellte Mineral-
in Wiesbaden als besonders empfeh-
der Sprudel sei „von Aerzten u. Autoritäten
wasser, unterstrichen Brunnenbetriebe
lend hervorgehobenen ungewöhnlich
empfohlen. Unübertroffen. Bestes Erfri-
blieb
der
sogar mehr denn je Gesundheit und Qualität. Dies galt
freier
schungsgetränk der Welt“.
natürlicher Dass sich in der Werbung und Deklaration
directer,
der verschiedenen Wässer gegen Ende
ohne Abstehen vor-
des 19. Jahrhunderts solche Tendenzen
genommener
Fül-
einbürgerten, hing ganz wesentlich damit
Was-
zusammen, dass es keinerlei Regelungen
ser erhalten bleibt.
über Wassersorten und Bezeichnungen
ärztliche Gutachten angeführt, bei wel-
Aerztlicherseits auch bei Magensäure und
gab. Für Brunnenbetriebe war insbeson-
chen „Krankheitszuständen“ das Wasser
anderen Magenleiden, zur Anregung der
dere ärgerlich, dass auch Fabrikanten
„einen wirklichen therapeutischen Werth“
Verdauung und der Unterleibsthätigkeit
ihr Wasser gern als „rein“ und „natürlich“
erwiesen habe: bei „chronischen Kathar-
bei Nieren- und Blasenleiden bestens
präsentierten. Ein Durchbruch geschah
ren der Magenschleimhaut“, „fast hoff-
empfohlen.“ Das Inserat liest sich durch
diesbezüglich im Jahr 1911, als der „Verein
nungslosen
„Diabetes“,
seine Beschreibung des Abfüllvorgangs
der Kurorte und Mineralquellen-Interes-
„Nierengicht“ und „Neigung zur Bildung
wie ein Ausstechen der mit Zusatzstoffen
senten Deutschlands, Oesterreich-Ungarns
steiner Sprudel. So wurden
in
einer
Werbung um die Jahrhundertwende
trinkgewohnheiten
hohen Gehalt an wel-
auch für den Gerol-
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So hieß es in Werbeanzeigen des Gerolsteiner Sprudel vom Ende des 19. Jahrhunderts, der Sprudel sei „von Aerzten u. Autoritäten empfohlen. Unübertroffen. Bestes Erfrischungsgetränk der Welt“.
Magenleiden“,
Kohlensäure, che
lung
bei
beim
Die Werbung des Gerolsteiner
und der Schweiz“ – der Vorläufer des heutigen Allgemeinen Deutschen Bäderver-
Sprudel setzte früh auf „Gesundheit und Qualität“.
bandes – die Nauheimer Beschlüsse fällte. Nun sollte künstliches Mineralwasser als solches deklariert werden. Eine Abgrenzung zum Heilwasser dagegen stand immer noch aus. Der Absatz künstlicher Mineralwässer brach infolge der Nauheimer Beschlüsse merklich ein. Viele Produzenten verstärkten daher ihre Produktion von Brausen und Limonaden oder stellten ganz darauf um.
Verlässliche Vertriebspartner: Ende des 19. Jahrhunderts wurde Gerolsteiner Sprudel ab Hamburg vertrieben.
trinkgewohnheiten
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Eine neue Trinkbewegung Die um 1900 aufkommende Lebensreformbewegung förderte das Trinken von Mineralwasser gemäß ihrer Auffassung von einer naturbelassenen Ernährung. Unterstützung erhielt die Mineralwasser-
Programm geschrieben hatte, unterstütz-
schen Getränkeabsatzes lieferten. Zum
branche auch durch die Mäßigkeitsbewe-
te die Bewegungen. Sie stellte schnell fest,
Haupterwerbszweig der Mineralwasser-
gung. Sie hatte es sich zur Aufgabe
dass Alkoholverbote eher zu Protesten
fabrikanten hatten sich mittlerweile Limo-
gemacht, den insbesondere in der Arbei-
und Streiks führten, ein bezahlbares An-
naden entwickelt: Hiervon trank der
terschaft vorherrschenden Alkoholkon-
gebot alkoholfreier Alternativen dage-
Durchschnittsdeutsche 6,13 Liter je Jahr.
sum zurückzudrängen. Überall in den Städten entstanden „Trinkhallen“ – in Frankfurt am Main bis heute noch als „Wasserhäuschen“,
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trinkgewohnheiten
Zwar war Mineralwasser um 1900 herum für Arbeiter immer noch unerschwinglich, der Konsumentenkreis nahm jedoch langsam, aber stetig zu.
gen den Bierkonsum effektiv reduzierte. Zwar war Mineralwasser um 1900 herum
für
Arbeiter
immer noch unerschwinglich, der Kon-
im Rheinland als „Büdchen“ bekannt –,
sumentenkreis nahm jedoch langsam,
die kostengünstige Wässer und Limona-
aber stetig zu. Dazu trug auch bei,
den anboten. Teile der Lebensreform-
dass viele Industriebetriebe begannen,
bewegung hingen auch der Wasserheil-
Mineralwasser zu vergünstigten Konditio-
kunde an und empfahlen Bäder, Güsse,
nen an ihre Belegschaft abzugeben. Die
nasse Wickel und eben auch Trinkkuren.
Anzahl der Mineralwasserproduzenten
Aus der Bewegung heraus gründeten
und -brunnen erreichte 1919 einen histori-
sich Reformhäuser, die bald die Apothe-
schen Höchststand: Es wurden 12.257 Be-
ken als bisherige Hauptverkaufsstellen
triebe gezählt, die allerdings bei einem
für Mineralwasser ablösten. Die Reichs-
Pro-Kopf-Verbrauch von 0,95 Liter natür-
regierung, die sich den Kampf gegen
lichem und künstlichem Mineralwasser
den Alkohol in ihr gesundheitspolitisches
lediglich 1,7 Prozent des gesamten deut-
Eine der ersten „Trinkhallen“ in Frankfurt am Main um 1900.
trinkgewohnheiten
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Während der 1920er Jahre vollzog sich in der Mineralwasserbranche ein starker Konzentrationsprozess. Die Besetzung des Rheinlands schnitt
Dabei bemühten sich die Brunnen um
viele Brunnen und Wasserfabrikanten von
eine qualitative Verbesserung des Ge-
ihren Abnehmern oder ihren Flaschen-
tränketyps.
lieferanten ab. Hinzu kamen die 1919 ein-
Gerolsteiner folgte 1934 diesem Trend
geführte Mineralwassersteuer und die
und bot seither das Erfrischungsgetränk
erste Wirtschaftskrise um 1923, sodass
„Gerri“ an. Zu dieser Zeit hatte der Mineral-
vor allem die kleineren und neu gegrün-
wasserkonsum aufgeholt und war mit
deten Betriebe der Branche in Konkurs
dem der Limonade fast gleichgezogen.
gingen. nach der Krise Ende der 1920er
noch ahnte man nicht, welche rasante
Jahre stabilisierte sich die Brunnenindus-
Entwicklung Mineralwasser in den folgen-
trie wieder und wuchs bis ins Jahr 1942:
den Jahrzehnten nehmen sollte.
Auch
das
Unternehmen
1925 zählte man 150 Betriebe, die natürliches Mineralwasser abfüllten, 1933 waren es 206 und 1941 schon 269. Limonaden hatten für die Verbraucher mittlerweile einen festen Platz bei der Getränkewahl. Die Mineralbrunnen ließen sich jedoch nur zögerlich auf die Herstellung von Limonaden ein, da die Qualität des künstlichen Mischgetränks bislang verhältnismäßig schlecht war. Zur Auslastung ihrer Maschinen und des Personals erwies es sich jedoch als sinnvoll, antisaisonale Produkte in das Sortiment aufzunehmen.
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entwicklung der brunnenindustrie
1925 1933 1941
150
Betriebe
206
Betriebe
269
Betriebe
Der Trend geht zum Fruchtigen: 1934 führte Gerolsteiner die Limonade „Gerri“ ein.
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Der Sprung zum Massengetränk Überschaut man die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg bis etwa 1990 hinsichtlich der Absatzveränderungen, so lassen sich diese grob in zwei Phasen gliedern. Bis Ende der 1960er Jahre verzeichneten
stilles Wasser und Mineralwasser mit
fast alle alkoholfreien Erfrischungsgeträn-
wenig Kohlensäure beliebt waren, etab-
ke ein starkes Wachstum. Die Brunnen-
lierten sich derartige Angebote in den
industrie profitierte davon vor allem durch
1970er Jahren auch in Deutschland.
ihre Limonaden. Der Mineralwasserabsatz stieg zwar absolut an, hatte jedoch
Keine nennenswerten Auswirkungen hat-
innerhalb der alkoholfreien Erfrischungs-
te die Ausweitung des Getränkeabsatzes
getränke den geringsten Zuwachs. Ent-
dagegen auf den Trinkwasserkonsum. Die
scheidend für die Ausweitung des Mine-
mittlerweile gute Qualität des Leitungs-
ralwasserkonsums nach 1970 war, dass
wassers wurde zwar auch von den Bür-
neue Käuferschichten gewonnen werden
gern anerkannt, der Weg durch die Rohre
konnten. Die Branche trat dazu auch
bis hin zum Wasserhahn jedoch stieß häu-
an Großeinrichtungen wie Krankenhäuser
fig auf eine gewisse Skepsis. Und tatsäch-
oder Kantinen heran.
lich können die kommunalen Trinkwasseraufbereiter auch nur bis zur häuslichen
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trinkgewohnheiten
Ab den 1970er Jahren begann dann eine
Wasseruhr für Qualität bürgen. Letzten En-
Phase, in der vor allem der Pro-Kopf-Ver-
des erlangte Trinkwasser wohl deshalb,
brauch des Mineralwassers stark anstieg:
selbst durch die in den 1980er und 1990er
von 12,5 Liter im Jahr 1970 auf gut 80 Liter
Jahren Mode gewordenen Filtergeräte
im Jahr 1990. Diese wachsende Nachfrage
und Soda-Streamer, als Getränk keine
bewirkte auch eine Diversifizierung des
große Bedeutung – am ehesten noch für
Sortiments. Mit Blick auf Frankreich, wo
die Zubereitung von Tee und Kaffee.
Werbeanzeige aus den 1970er Jahren: Gerolsteiner inszeniert seinen Sprudel in der typischen „Perlenflasche“ der Genossenschaft Deutscher Brunnen.
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Bereicherte die heimische Speisetafel: Gerolsteiner Tafelwasser, das sp채tere Gerolsteiner Medium.
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voM „tafelwasser“ zuM heutigen MediuM Das Mineralwasser mit wenig Kohlensäure ist eines der erfolgreichsten Produkte. Die Anfänge von Gerolsteiner Medium lie-
Gerolsteiner Stern Quell eingeführt. Im
ten Wechsel beim Sortennamen, als die
gen schon in den 1960er Jahren, als erst-
Jahr 1987 kam es abermals zu einer
Bezeichnung in Gerolsteiner Medium ge-
mals ein kohlensäurereduziertes Mineral-
Umbenennung des Wassers mit wenig
ändert wurde. Ähnlich wie bei der
wasser eingeführt und zweckdienlich
Kohlensäure: Unter anderem aus gesetz-
30 Jahre zuvor erfolgten ersten namens-
Gerolsteiner „Tafelwasser“ genannt wurde –
geberischen Gründen erhielt es den na-
änderung hatte sich die Begriffswahr-
die Verbraucher sollten das kohlensäure-
men Gerolsteiner Stille Quelle. Sie sollte
nehmung im Laufe der Zeit verändert:
arme natürliche Mineralwasser zum Essen
sich als eigene Marke etablieren. Dazu
Die Verbraucher erwarteten nun bei
reichen, für die Eiswürfelproduktion oder
wurde weiterhin die grüne 0,75-Liter-
einem stillen Wasser ein vollkommen
als Mischgetränk einsetzen. Bei der Markt-
Brunneneinheitsflasche eingesetzt.
kohlensäurefreies Produkt – was sich vor
einführung wurde darauf geachtet, dass sich Gerolsteiner „Tafelwasser“ durch seine Flaschenausstattung vom Sprudel unterschied: Es wurde in einer grünen Flasche mit Kronkorkenverschluss abgefüllt.
„Was ich am Mineralwasser spannend finde, ist, dass es so ein riesiges Spektrum aufmacht, von ganz profan bis hin zu besonders kultiviert.“ Jens Lönneker, Psychologe und Marktforscher, rheingold, Institut für qualitative Markt- und Medienanalysen Ein markantes Brunnensymbol und das
40 Jahren mit „Gerolsteiner Still” noch
nach Erfolgen zu Beginn der 1970er Jahre
aufwändig gestaltete Etikett sorgten je-
nicht durchsetzen konnte, während sich
fiel das „Tafelwasser“ später hinter die Er-
doch für die gewünschte Individualität.
der Begriff Medium als standardisierte
wartungen zurück. Die Bezeichnung
Auch der hellgrüne Flaschenkasten unter-
Bezeichnung für kohlensäurereduziertes
„Tafelwasser“ hatte sich schlichtweg über-
strich die eigene Markenpersönlichkeit
Mineralwasser etablierte. Die Produkt-
lebt, weil der Konsument diesen Ausdruck
von Gerolsteiner Stille Quelle, die neben
qualität hat sich im Laufe der Zeit
mittlerweile als Oberbegriff für künstlich
dem Gerolsteiner Sprudel und dem
nicht verändert.
aufbereitetes Wasser verstand. Um dieser
Heilwasser St. Gero als dritte nationale
Entwicklung gerecht zu werden, wur-
Marke ausgebaut werden sollte. Im Jahr
de Ende 1978 die neue Bezeichnung
2008 kam es schließlich zum bisher letz-
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Gerolsteiner hatte Mineralwasser mit wenig Kohlensäure bereits in den 1960er Jahren ins Sortiment aufgenommen und war auf eine wachsende Verbrauchernachfrage gestoßen. „Immerhin vermittelten kohlensäureredu-
schritten diese Grenze jedoch. Diese
zierte Wässer statt der Dynamik des
fiel weg, als man sich 1980 in der Euro-
zischenden Sprudels eher „Bilder von
päischen Gemeinschaft auf eine gemein-
Sanftheit und Ruhe“, so der Psychologe
same Regelung einigte, die dann 1984
und Marktforscher Jens Lönneker, „und
durch die Mineral- und Tafelwasserver-
es ist leichter, hiervon viel zu trinken, als
ordnung in deutsches Recht umgesetzt
von stark kohlensäurehaltigen Getränken.“
wurde. Die Folge war eine größere Präsenz
Gerolsteiner Medium ist heute in Deutschland das beliebteste Mineralwasser mit wenig Kohlensäure; das im Jahr 2003 eingeführte Gerolsteiner Naturell ist das meistverkaufte stille Mineralwasser aus Deutschland.
Gerolsteiner konnte sich mit seinem kohlensäurereduzierten Mineralwasser „Stille Quelle“ – dem heutigen Gerolsteiner Medium – und später mit dem stillen Mineralwasser Gerolsteiner Naturell erfolgreich gegen die Wettbewerber behaupten. Gerolsteiner Medium ist heute in Deutschland das beliebteste Mineralwasser mit
deutschen Markt allerdings mit recht-
wenig Kohlensäure, das im Jahr 2003 ein-
lichen Problemen zu kämpfen: Laut
geführte Gerolsteiner Naturell ist das
deutscher Tafelwasserverordnung von
meistverkaufte stille Mineralwasser aus
1934 musste Mineralwasser mindestens
Deutschland.
die meisten französischen Wässer unter-
trinkgewohnheiten
deutschen Markt.
Französische Anbieter hatten auf dem
1.000 mg gelöste Mineralien enthalten –
40
französischer Mineralbrunnen auf dem
Vermittelt „Sanftheit und Ruhe“: Anzeigenmotiv für das kohlensäurefreie Mineralwasser Gerolsteiner Naturell 2003.
trinkgewohnheiten
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Auf zu neuen Ufern: Mineralwasser zwischen Ästhetik und Alltag Seit 1990 hat sich Mineralwasser als neues Alltagsgetränk etabliert. Aber auch das Auge trank zunehmend mit. Die Branche experimentierte mit neuen
wässer gibt, deren Mineraliengehalt unter-
Verpackungen für „Ästhetik-Trinker“. Der
halb der üblichen Leitungswasserwerte
für eine solche Käuferklientel etwas bie-
liegt, scheint nicht bekannt zu sein.
der gewordenen Brunnen-Einheits-Pfand-
Andere dagegen konsumieren sehr be-
flasche wurden verschiedene moderne
wusst qualitativ hochwertige Mineralwäs-
Alternativen zur Seite gestellt. Viele Un-
ser. Sie nehmen einen höheren Preis
ternehmen führten individuelle Gourmet-
in Kauf, die Marke wird zu einem Teil
gebinde ein, die sich gestalterisch teils an
des Genusserlebnisses.
Parfumflacons orientierten. Restaurants legten immer häufiger Wert auf Wasserkarten und in Toprestaurants berieten zum Teil sogar Wassersommeliers und tun dies bis heute. Dass mittlerweile rund 50 Prozent des Mineralwassers in Discountern zum Billigpreis angeboten wird, steht im Widerspruch zu diesem Trend. Hier zeigt sich ein gespaltenes Konsumverhalten: Für die einen ist Mineralwasser zum kaum noch beachteten Alltagsgetränk geworden. Es ist überall verfügbar und bereits für wenige Cent erhältlich. Von welcher Qualität diese Wässer sind und dass es Mineral-
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trinkgewohnheiten
„Bier, Mineralwasser und Zeitungen haben eines gemeinsam: Über sie kann man sich regional identifizieren. Sie können daher zum Teil an der Wahl des Mineralwassers ersehen, welcher Region sich jemand zugehörig fühlt. Wenn beispielsweise ein Bonner nach Hamburg umzieht und dort weiterhin Gerolsteiner trinkt, dann fühlt er sich eher immer noch im Rheinland zu Hause.“ Jens Lönneker, Psychologe und Marktforscher, rheingold, Institut für qualitative Markt- und Medienanalysen
Ästhetisch und formschön: die Gerolsteiner Gourmetflasche für Gastronomie und Hotellerie.
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„Wir gehen davon aus, dass in Zeiten, in denen die Lebenszusammenhänge eher als wirtschaftlich eingeengt erlebt werden, die Menschen dazu neigen, in Getränken eine Kompensation zu suchen. Wenn also das reale Leben so ein bisschen trister ist, versüßt man es sich über Limonaden oder Bier. Sobald dagegen die Welt offensteht, scheint beim Trinken eher eine Gegenbewegung einzusetzen, die auf eine gewisse Ernüchterung setzt. Hier spielt dann wieder das Mineralwasser eine große Rolle im Alltag.“ Jens Lönneker, Psychologe und Marktforscher, rheingold, Institut für qualitative Markt- und Medienanalysen
Sorgen für geschmackliche Abwechslung: Gerolsteiner Erfrischungsgetränke auf Mineralwasserbasis.
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TRInKGEWOHnHEITEn
Die 1990er Jahre waren geprägt von einem zunehmend gesättigten Mineralwassermarkt.
Die Gerolsteiner Limonaden bieten einen hohen Fruchtgehalt, Gerolsteiner Moment punktet mit Tee-Essenzen.
neue internationale Marken wie nestlé, Danone und Coca-Cola positionierten sich mit Mineral- oder Tafelwässern am bis dato fast ausschließlich regional geprägten Markt. Durch den Fall der Mauer vergrößerte sich zudem die Wettbewerberzahl. Zum neuen Trend des beginnenden 21. Jahrhunderts wurden Wasser basierte Getränke mit leichtem Fruchtzusatz. Sie kamen vor allem den Verbrauchern entgegen, die des vielen Wassertrinkens mittlerweile überdrüssig geworden waren und dennoch nicht hinter den erreichten Stand gesunder Trinkmenge zurückfallen wollten. Vor diesem Hintergrund erweiterte sich das Gerolsteiner Sortiment 2005 um Gerolsteiner Fit, 2006 um das Wellnessgetränk Gerolsteiner Moment sowie Gerolsteiner naturell plus Frucht und 2007 um das Vitalgetränk Gerolsteiner Linée. Seit Februar 2012 bietet Gerolsteiner mit einer Limonade mit hohem Fruchtanteil ein Getränk an, das den Spagat zwischen wasserbasiertem Dauergetränk und klassischem Süßgetränk ermöglicht.
TRInKGEWOHnHEITEn
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„Man muss schon im Vorfeld erkennen können, welche Fragen der Verbraucher in Zukunft stellen wird, und wenn er sie stellt, hat man die Antworten am besten schon parat. Dann nämlich läuft man dem Trend voraus, und das ist nach wie vor die größte Herausforderung.“ Joachim Schwarz, Geschäftsführer kaufmännischer Bereich, Gerolsteiner Brunnen
Pro-koPf-verbrauch von Mineralwasser iM inland
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Seit 125 Jahren bewährt Mineralwasser hat den Wandel vom Luxusheilwasser Gutsituierter zum Alltagsgetränk der breiten Masse der Bevölkerung vollzogen – auf knapp 135 Liter ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Mineral- und Heilwasser im Jahr 2011 mittlerweile geklettert. 125 Jahre schon hat sich die Marke
Während andere gesunde Produkte oft mit
Gerolsteiner im Wandel der Trinkgewohn-
Geschmackseinbußen assoziiert werden,
heiten bewährt. Seit 1888 steht sie für
verbinden sich die Qualitätsmerkmale Ge-
Qualität, Mineralienreichtum und Gesund-
sundheit und Geschmack bei Mineralwas-
heit. Doch was unter Gesundheit verstan-
ser zu einem stimmigen Produktimage:
den wird, hat sich stark verändert. Noch
Wasser als erfrischendes Lebenselixier.
bis ins 19. Jahrhundert war der Konsument
Um das Trinken auf diese Weise erleben
eher Patient – ein Bild, das noch bis in die
und genießen zu können, benötigen die
1930er Jahre z. B. in dem Mineralwasser-
Käufer die absolute Sicherheit, dauerhaft,
Werbeslogan „Kranksein? Nein“ reaktiviert
also verlässlich, ein qualitativ hochwer-
wurde. Zwar wurden noch bis in die 1970er
tiges, natürliches Mineralwasser zu sich
Jahre medizinische Untersuchungen von
zu nehmen.
Gerolsteiner Quellen durchgeführt, aber
sumenten zählte als Kaufargument zuneh-
„Bei Gerolsteiner stand die Beschäftigung mit dem Verbraucher schon immer im Mittelpunkt und die Orientierung an dessen Wünschen hat absolute Priorität.“
mend der erfrischende Genuss als Basis für
Joachim Schwarz, Geschäftsführer kaufmännischer Bereich, Gerolsteiner Brunnen
ihre Ergebnisse wurden immer weniger zur Werbung genutzt. Denn für die Kon-
ein gesundes, das heißt möglichst unbeschwertes, geistig und körperlich aktives Leben. Zentrales Motiv ist der WellnessGedanke, nämlich seinem Körper das, was er braucht, in Form von H2O und Mineralien zuzuführen. Genau hierin liegt auch die besondere Stärke des Mineralwassers.
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