Kapitel 1 - Gründung des Gerolsteiner Brunnen

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DAS WASSER MIT STERN



DAS WASSER MIT STERn



voM glück, einen schatz der natur Pflegen zu dürfen 1888 wird bei der Suche nach natürlicher Kohlensäure eine artesische Quelle entdeckt. Ein Ereignis, das über 125 Jahre vielen Familien in der Eifel und ihrer Umgebung Arbeit, Einkommen und Halt schenken sollte. Ein Quellfund, der nicht nur Ausgangspunkt der Entwicklung eines der wichtigsten Mineralbrunnenbetriebe Deutschlands und weltweit werden sollte, sondern auch Einfluss hatte auf die Region und ihre Menschen. Bis heute sind wir – Geschäftsführung und

zum Jubiläum ist allen Menschen gewid-

Sie soll uns zum anderen Mut machen,

Mitarbeiter des Gerolsteiner Brunnen –

met, die sich in den letzten 125 Jahren

unsere Zukunft in der guten Tradition

uns dieser besonderen Verantwortung,

um die Marke Gerolsteiner verdient ge-

unserer Vorgänger fleißig und auf der Basis

aber auch dieses besonderen Glücks

macht haben. Auch wenn natürlich nur

unserer gemeinsamen Werte mit glück-

bewusst. Wir sind dankbar dafür, diesen

einige wenige persönlich genannt wer-

licher Hand zu gestalten.

einzigartigen Schatz der natur mit seinem

den können und jede historische Be-

so gut mineralisierten und so erfrischend

trachtung selbst bei größtem Bemühen

Wir hoffen, dass diejenigen, die in

schmeckenden Wasser hüten und pflegen

immer unvollständig bleiben muss, soll

125 Jahren beim 250. Jubiläum der Marke

zu dürfen. Aber wir wissen auch, wie

der Rückblick auf die Zeit seit 1888 doch

Gerolsteiner auf unsere Anstrengungen

zerbrechlich eine intakte natur in den

vor allem zwei Zwecke erfüllen: Er soll

und die unserer nachfolger zurückschauen

letzten Jahrzehnten – selbst in einer so

zum einen die Leistungen aller Men-

werden, so zufrieden mit uns sein kön-

wunderschönen

ursprünglichen

schen würdigen, die zur großartigen

nen, wie wir es mit unseren Vorgängern

Landschaft wie der Eifel – geworden ist.

Entwicklung der Marke und des Unter-

sind. Packen wir es an!

Das macht die Herausforderung, diesen

nehmens beigetragen haben, und unsere

Schatz für die nächsten 125 Jahre zu

Hochachtung für diese Leistungen zum

bewahren, umso größer. Dieses Buch

Ausdruck bringen.

und

Axel Dahm



inhalt GRÜnDUnG DES GEROLSTEInER BRUnnEn

VERPACKUnG UnD InnOVATIOn

Seite 5

Seite 77

TRInKGEWOHnHEITEn IM WAnDEL

HERKUnFT UnD QUALITÄT

Seite 25

Seite 99

AUS DER REGIOn In DIE WELT

KOMMUnIKATIOn

Seite 49

Seite 119

REGISTER Seite 139



GRÜnDUnG DES GEROLSTEInER BRUnnEn


Die Eifelstadt, in der alles seinen Anfang nahm: Gerolstein um 1900.

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GRĂœnDUnG


die ursPrünge in der vulkaneifel Fast so alt wie die Geschichte der Region Eifel ist auch die der Mineralwasser- und Kohlensäurequellen in Gerolstein. Der Fund eines Steinbeils 1778 im Sidinger Drees – der ältesten bekannten Quelle in Gerolstein – lässt darauf schließen, dass diese schon in der Steinzeit als Trinkquelle genutzt wurde. Auch bei den in der Vulkaneifel siedeln-

residierte, ließ zwischen 1724 und 1726

den Römern genossen die zahlreichen

durch den kurtrierischen Ingenieur Kirn

Gerolsteiner Quellen – und besonders der

den Sidinger Drees neu erschließen. Um

Sidinger Drees – ein hohes Ansehen. Sie

ihn rein zu halten, verhinderte er den

sagten dem Wasser gar eine wundertätige

Zulauf des Flusses Kyll und auch den

Wirkung nach. Diese antiken Siedler fass-

Zustrom von Regenwasser. Die damaligen

ten den Sidinger Drees mit kunstvollen

Mediziner überzeugten ihn, diesen Schritt

Eine der rund 150 antiken

Votivtafeln ein und verliehen so ihrer

zu gehen. Sie waren der Meinung, dass

römischen Münzen aus

Dankbarkeit und Ehrerbietung Ausdruck.

das Gerolsteiner Wasser ein Heilmittel

dem Sidinger Drees.

Rund 150 römische Münzen, zumeist aus

gegen Gallen- und Blasenleiden sowie

der Zeit des Kaisers Maximinus, der Anfang

gegen Impotenz sei. Besonders Letzteres

des 3. Jahrhunderts n. Chr. regierte, fanden

stieß auf offene Ohren bei Graf Mander-

sich im Drees. Auch sie waren wahrschein-

scheid, dessen Ehe bis zu diesem Zeit-

lich zur Huldigung des Gewässers ge-

punkt kinderlos geblieben war. nach der

dacht. Durch den Kulturzusammenbruch

erfolgreichen neuerschließung des Dree-

zu Zeiten der Völkerwanderung, dem

ses ließ er Tonkrüge mit hoheitlichem

Abrutschen ins „finstere Mittelalter“, gerie-

Familienwappen anfertigen und mit dem

ten diese Quellen jedoch zunehmend in

Gerolsteiner Wasser füllen. Gleichzeitig

Vergessenheit.

errichtete er in seinem Haus in Köln eine Verkaufsniederlassung, die das Wasser

Als frühester Begründer der Eifeler und

nicht nur ins Rheinland, sondern sogar bis

insbesondere der Gerolsteiner Mineral-

nach Holland verkaufte.

brunnenindustrie ist Graf Franz Georg von Manderscheid-Blankenheim anzusehen. Der Graf, der auf Schloss Gerolstein

GRÜnDUnG

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Eine Region wird erschlossen: Bau der Eisenbahn in Richtung Kรถln bei Pelm um 1870.

8

GRร nDUnG


In den folgenden Jahrzehnten fiel napoleon in deutsche Lande ein. Auch die Stadt Gerolstein wurde nahezu völlig zerstört. Dies hatte natürlich auch verheerende Auswirkungen auf das noch junge Geschäft mit dem Mineralwasser: Es brach ein und wurde zunächst nicht wieder aufgebaut. Erst 100 Jahre später erfuhr die Mineralbrun-

Verkehrsanbindung wurden die Absatz-

setzungen wies das mit Kohlensäure durch-

nenindustrie erneut einen Aufschwung.

märkte erschlossen, die für eine gewinn-

strömte Tiefenwasser damals wie heute

In den 1870er und 1880er Jahren – in der

bringende Ansiedlung von Industriezwei-

eine extrem hohe Reinheit auf. Diese Tat-

Geschichtsschreibung als Gründerzeit be-

gen notwendig waren. Es entstanden

sache machte das Gebiet rund um

zeichnet – ließen reichlich vorhandenes

gewerbliche Betriebe, die sich die Beson-

Gerolstein für die Trinkwassergewinnung

Kapital und aufblühender Unternehmer-

derheiten der Eifelregion zu nutze mach-

besonders wertvoll. Erst jedoch durch die

geist industrielle und gewerbliche Unter-

ten – speziell die der Mineralbrunnen- und

Eisenbahn konnte dies gewinnbringend

nehmen entstehen. Die Gründung eines

Kohlensäureindustrie.

industriell genutzt werden.

gesamtdeutschen Reiches unterstützte

Speziell für die Region waren die Eröffnung der Strecke Gerolstein – Kall 1870 und die Anbindung an die schon bestehende Bahnstrecke Köln – Trier von großer Bedeutung.

dabei den wirtschaftlichen Aufschwung. Der eigentliche Motor der voranschreitenden Industrialisierung und Erschließung abgelegener Landschaftsteile war jedoch der Bau der Eisenbahn. Auch die infrastruk-

Ihre Fortsetzung fand die Entwicklung der Mineralbrunnenindustrie in Gerolstein im Jahr 1878 mit der Gründung des Schlossbrunnen Gerolstein in Pelm. Wenig später, im Jahre 1883, entstand mit dem Gerolsteiner Flora-Brunnen ein zweites Mineral-

turell noch unerschlossene Eifel, die bislang

So war es ein Zusammenspiel zwischen der

brunnenunternehmen und weitere fünf

ein rein land- und forstwirtschaftlich ge-

Erschließung abgelegener Landschafts-

Jahre später wurde ein dritter Brunnen-

nutztes Gebiet war, profitierte von dieser

teile durch den Eisenbahnbau und den

betrieb gegründet, der die Eifel endgültig

Entwicklung. Speziell für die Region waren

Kenntnissen der Geologen über die Beson-

national sowie international bekannt machte:

die Eröffnung der Strecke Gerolstein–Kall

derheiten der Region Eifel, die ein altes

der Gerolsteiner Sprudel.

1870 und die Anbindung an die schon be-

Gewerbe neu entstehen ließen. Durch die

stehende Bahnstrecke Köln–Trier von gro-

besonderen Eigenschaften der Vulkaneifel

ßer Bedeutung. Mit der verbesserten

und die optimalen natürlichen Voraus-

GRÜnDUnG

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die gründung des gerolsteiner sPrudel w. castendYck Das Jahr 1888 markierte sowohl für das Unternehmen als auch für die Marke Gerolsteiner den Beginn. Es folgten 125 Jahre Wachstum, unterbrochen von Existenzkrisen. Die Entwicklung von Gerolsteiner ist eine

Gerolstein“. Was bewegte den Direktor der

vermuten, dass das Gebiet um Gerolstein

bewegende und zugleich eine erfolg-

Mathildenhütte, Geologe und Haupt-

über eine große Menge an Kohlensäure

reiche Geschichte, die von ganz unter-

mann a. D. dazu, ein derartiges Unterneh-

verfügen musste. Und darauf lag sein ei-

schiedlichen Charakteren und Einflüssen

men zu gründen?

gentliches Hauptaugenmerk. Mit der vor-

geprägt wurde. Das Unternehmen selbst

anschreitenden Industrialisierung war seit

musste sich in fünf verschiedenen Staats-

den 1860er Jahren auch der Bedarf an

formen behaupten und dem ständig

Kohlensäure permanent gestiegen. Vor

wandelnden Markt anpassen. Dies gelang

allem die Chemie- und Farbenindustrie

in einer Art und Weise, die bis heute

benötigte für ihre Produktion große Men-

innerhalb der Geschichte der deutschen

gen. Der Kohlensäuremarkt versprach eine

Mineralbrunnen einmalig ist. Dabei er-

ertragreiche Zukunft. Deshalb veranlasste

oberte die Marke nicht nur den nationa-

Wilhelm Castendyck 1887 erste Probe-

len, sondern auch den internationalen

bohrungen. nachdem er circa 100 Meter

Markt, und das bereits Ende des 19. Jahr-

tief vorgedrungen war, brach plötzlich

hunderts. Eine solche Geschichte der

ein die ganze Rohrweite fassender

Erfolge und Misserfolge hängt jedoch

Strahl empor, der eine Höhe von 30 bis

nicht nur von wirtschaftlichen Faktoren, sondern auch von starken Persönlich-

Wilhelm Castendyck, Gründer des „Gerolsteiner Sprudel W. Castendyck Gerolstein”.

keiten ab, die das Unternehmen und seine Marke nachhaltig beeinflussten.

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GRÜnDUnG

40 Metern maß. Dieser durch die Kohlensäure getriebene Wasserstrahl beförderte Unmengen an Sand und faustgroße

Diese Frage ist aus heutiger Sicht schwer

Steinbrocken aus dem Erdinneren an

zu beantworten. Gesichert ist, dass er aus-

die Oberfläche.

Hierbei spielt eine Person eine maßgeben-

gezeichnete geologische Kenntnisse besaß,

de Rolle: Wilhelm Castendyck, Gründer

insbesondere die Eifel betreffend. Eigene

des „Gerolsteiner Sprudel W. Castendyck

geologische Studien ließen Castendyck


„Der anscheinend bedeutendste neuere Aufschluss ist der Gerolsteiner Sprudel, der, in größerer Tiefe erbohrt, anfangs geysirartige Ausbrüche mit nicht zu messenden Wasser- und Gasmassen und dazwischen faustgroße Steine und Sand unter mächtigem Brausen bis 50 Fuß hoch emporschleuderte und erst nach mühsamer Fassung zum geregelten Abfluss gebracht werden konnte.” Aus der undatierten Denkschrift von Wilhelm Castendyck

Ein Stück Geschichte: die Gründungsurkunde des „Gerolsteiner Sprudel W. Castendyck“ vom 1. Januar 1888.

GRÜnDUnG

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„Also ich denke, das Markenbild ‚Stern mit schwarzem Löwen’ hat eine ganz überragende Bedeutung. Der Stern ist ein starkes Zeichen, er ist ein absoluter Blickfang, und der Löwe ist natürlich etwas Kraftvolles und sehr einprägsam. Dieses Markenzeichen ist auch für mich heute nach wie vor unverzichtbar.“ Rolf Hermes, ehemaliger Leiter Vertrieb, Gerolsteiner Brunnen

Das Logo „Achteckiger, roter Stern mit schwarzem Löwen“ – seit 1888 Markenzeichen und Symbol für Qualität.

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GRÜnDUnG


Quellausbruch des Gerolsteiner

Castendyck, der den ersten Quellausbruch eher zufällig ausgelöst hatte, beschloss, neben Kohlensäure auch Mineralwasser zu vermarkten.

Sprudel – abgebildet auf einer Speisekarte aus den 1890er Jahren.

Überzeugt von seiner Geschäftsidee,

kannt machen. Damit grenzte sich der

schloss er am 7. Dezember 1887 mit der

Gerolsteiner Sprudel auch von den übri-

Stadt einen notariell beurkundeten Ver-

gen Mineralbrunnen ab. Das besondere

trag, der ihm ein Wegerecht einräumte.

Markenzeichen verwurzelte ihn in der

noch im Dezember 1887 konkretisierte

Eifelregion und hob ihn zugleich in der

er in einem zweiten Schritt seine Pläne

großen Mineralbrunnenlandschaft hervor.

und stellte einen Antrag zur kommerziellen nutzung der erbohrten Quelle.

Am 21. März 1889 schließlich wurde

Zum 1. Januar 1888 gründete der Berg-

die Firma Gerolsteiner Sprudel W.

werksdirektor eine GmbH, deren Ge-

Castendyck mit dem Warenzeichen

schäftszweck es war, Sprudel zu ver-

„Achteckiger, roter Stern mit schwar-

treiben. Und im selben Jahr, genau am

zem Löwen“ in das Zeichenregister

22. november 1888, ließ sich der tüch-

eingetragen.

tige Geschäftsmann vom damaligen

Ausbruch der Quelle, dem Ursprung

Bürgermeister der Stadt Gerolstein ge-

der

nehmigen, den im Stadtwappen von

später

Gerolstein enthaltenen schwarzen Löwen

Gerolsteiner Sprudel.

Eine

Zeichnung

Unternehmensgründung, sogar

das

Briefpapier

vom zierte des

für seine Marke verwenden zu dürfen. Dies war die Geburt des Löwen als Markenzeichen für die Marke Gerolsteiner. Dass Castendyck sein Produkt mit dem Stadtwappentier prägte, sollte nicht nur sein Unternehmen, sondern auch die Stadt Gerolstein überregional be-

GRÜnDUnG

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etablierung der Marke gerolsteiner sPrudel Die ersten lukrativen Absatzmärkte boten das nahe gelegene, dicht besiedelte Rheinland und das industriell geprägte Ruhrgebiet. Doch Castendyck musste sich von den

bekannt ist, bescheinigte dem Gerolsteiner

bereits vorhandenen lokalen Mineralwas-

Sprudel einen „ungewöhnlich hohen Ge-

serbetrieben wie dem Schlossbrunnen

halt an freier natürlicher Kohlensäure“.

Gerolstein und dem Flora-Brunnen ab-

Zudem verwies Fresenius auf die be-

grenzen. Schon früh arbeitete er deshalb

sondere Eigenschaft des Wassers, bei Ma-

an der „Markenidentität“. Bereits elf Tage nach Eintrag ins Handelsregister war das Gerolsteiner Wappen Teil einer Annonce für Gerolsteiner Sprudel im Anzeigenblatt „Beiblatt der Fliegenden Blätter“ in München. Die Werbung des Fir-

Prof. Dr. Carl Remigius Fresenius, dessen Name durch den gleichnamigen Konzern noch heute bekannt ist, bescheinigte dem Gerolsteiner Sprudel einen „ungewöhnlich hohen Gehalt an freier natürlicher Kohlensäure“.

zu wirken. Bis heute bestätigt Fresenius als neutrale Instanz die

Qualität

des

Gerolsteiner Mineralwassers. Zugleich wurden Abfüll- und Werkshallen sowie Büro- und Versandgebäude

errichtet

und die nötigen Maschinen zur Auf-

breitung des Sterns mit Löwen. Dabei

nahme der Produktion angeschaff t. Der

verwies er insbesondere auf die Qualität

Versand des Sprudels, abgefüllt in Tonkrü-

des Wassers, die er sich von einem aner-

gen mit dem Gerolsteiner Markenwappen,

kannten Arzt attestieren ließ: Prof. Dr. Carl

konnte beginnen.

den gleichnamigen Konzern noch heute

GRÜnDUnG

„hilfreich lindernd“

mengründers setzte bewusst auf die Ver-

Remigius Fresenius, dessen name durch

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genbeschwerden


Innen Sprudel, außen Stern: 1888 kommt Gerolsteiner Sprudel in Tonkrügen auf den Markt.

GRÜnDUnG

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verkauf des Jungen unternehMens Durch Wilhelm Castendycks Engagement in Export und Marketing verliefen die ersten Jahre nach Gründung des Unternehmens sehr erfolgreich. Die nationale und internationale Ver-

weiterer wichtiger Bestandteil der Denk-

bei diesen Übernahmen engagierten:

marktung trug Früchte. Schon 1889

schrift ist Castendycks Beschreibung sei-

Ärzte und Adlige. Ärzte investierten aus

präsentierte Castendyck seinen Sprudel

ner Quellbohrung 1887. Er erläuterte nicht

beruflichen Gründen in Quellen, denen

auf einer internationalen Messe in Ant-

nur die Beschaffenheit des erbohrten

eine besondere heilende Wirkung attes-

werpen und gewann Gold. Dadurch

Mineralwassers, sondern hob hervor, dass

tiert wurde. Adlige sahen in der Über-

machte sich die Marke auch früh inter-

es aus medizinischer Sicht eine große

nahme von Brunnenbetrieben eine inte-

national einen namen.

Zukunft habe und bereits im In- und

ressante Kapitalanlage. Brunnen wurden

Ausland vertrieben werde. Castendycks

als Teil der Gutswirtschaft angesehen.

Doch bereits 1889/90 entschied sich

geologische Expertise verlieh seinen Aus-

Adlige waren es auch, die die Gerolsteiner

Wilhelm Castendyck, sein Unternehmen

sagen eine wissenschaftliche Basis.

Sprudel W. Castendyck GmbH kauften:

zu veräußern. Die Gründe dafür sind nicht

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GRÜnDUnG

Die Familien Freiherr von Barnekow in

endgültig zu rekonstruieren. Es existiert

Gerade für Kapitalgesellschaften waren

Altmarrin, Graf Sholto Douglas in Ralswiek

eine undatierte Denkschrift von Casten-

der steigende Mineralwasserkonsum und

auf Rügen und von Grumme-Douglas in

dyck über die Geologie der Region Gerol-

die viel versprechenden langfristigen

Berlin übernahmen 1890 den jungen,

stein. Er hatte sie persönlich verfasst, um

Gewinnaussichten der Mineralwasserin-

aufstrebenden Betrieb.

die Eifelregion und sein junges Unterneh-

dustrie sehr attraktiv. Sie waren in der

men potenziellen Käufern vorzustellen.

Lage, die erforderlichen Mittel für die

Darin erklärte der Geologe die Besonder-

immer aufwändigere Fülltechnik und die

heiten der Vulkaneifel und insbesondere

komplexen Vertriebssysteme aufzubrin-

die der Gegend um Gerolstein. Er führte

gen. Und sie hatten das Kapital, um in die

die lange geologische Geschichte der

für den Unternehmens- und Markenerfolg

Region und ihren vulkanischen Ursprung

zunehmend an Bedeutung gewinnende

an und erklärte dessen Auswirkungen auf

Werbung zu investieren. Auffällig ist, dass

das so entstandene Mineralwasser. Ein

sich insbesondere zwei Personengruppen


Was macht die Region um Gerolstein so besonders? Wilhelm Castendyck erläutert den geologischen Ursprung des Mineralwassers in seiner Denkschrift, etwa 1889/90.

GRĂœnDUnG

17


Neue Inhaber – neue Ideen? Mit dem Verkauf verlor der Gerolsteiner Sprudel auch seine Leitung. Auf Empfehlung von Graf Douglas stellte das Unternehmen 1891 mit Ernst Körber einen neuen Direktor ein. Er führte die Marke schon nach wenigen Jahren in die vorderste Reihe der deutschen Mineralbrunnen. In seiner langen Amtszeit, die erst 1927 mit

dern reiste selbst zu mehreren Flaschen-

Sprudel mit 2.730.000 Füllungen auf Platz

seinem Tod endete, gelang es Ernst Kör-

fabrikanten und begutachtete die Qualität

zwei aller ortsansässigen Mineralbrunnen.

ber, sowohl das Unternehmen als auch die

der Flaschen. Erst danach schloss er jähr-

Mit einer Stammbelegschaft von 75 Mitar-

Marke weiterzuentwickeln und als feste

liche Exklusivverträge mit ausgewählten

beitern erwirtschaftete das Unternehmen

Größe in der deutschen Mineralbrunnen-

Flaschenproduzenten ab und sicherte so

einen Umsatz von 409.560 Mark. Übertrof-

landschaft zu etablieren. Dazu musste die

eine gleich bleibende Qualität. Der Erfolg

fen wurde er lediglich vom Gerolsteiner

Qualität des vertriebenen Mineralwassers

ließ nicht lange auf sich warten: Bereits

Schlossbrunnen. Die Füllzahlen der kleine-

aber nicht nur beworben, sondern auch

nach zwei Jahren, 1893, überschritt die

ren Mineralbrunnen in und um Gerolstein

dauerhaft sichergestellt werden. Ernst

Produktion von Gerolsteiner Sprudel die

blieben deutlich unter 100.000 Füllungen.

Körber führte nicht nur die Verträge mit

Grenze von einer Million Füllungen pro

dem Kontrollinstitut Fresenius fort, son-

Jahr. 1899 behauptete sich der Gerolsteiner

Produktion der Mineralbrunnen von 1899

18

gründung


„Das Geheimnis von Gerolsteiner ist, dass das Unternehmen in jeder Phase in der Lage war, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die unabhängig von der sofortigen Wirkung die Marke langfristig gestärkt haben.“ Joachim Schwarz, Geschäftsführer kaufmännischer Bereich, Gerolsteiner Brunnen

Ein neuer starker Mann im Unternehmen: Ernst Körber, ab 1891 Direktor und erster bürgerlicher Gesellschafter.

GRÜnDUnG

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Eine der ersten Gerolsteiner Anzeigen um die Jahrhundertwende.

Ausgewählte Partner vertrieben Gerolsteiner in den Regionen.

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GRĂœnDUnG


Obwohl Gerolsteiner bereits 1899 regional betrachtet Platz zwei belegte, sah sich der Mineralbrunnen in den 1890er Jahren – wie die gesamte Branche – einer neuen Herausforderung gegenüber. Künstliches Mineralwasser, mit Kohlendioxid aufbereitetes Tafelwasser, überschwemmte den Markt. Allein mit Preissenkungen konnten die

zent erhöht. Der Export übertraf allein für

war sowohl national als auch international

Mineralbrunnenbetriebe dieser Konkur-

das Jahr 1898 den Inlandsabsatz um das

durch ausgewählte Vertreter in den jewei-

renz nicht entgegentreten. Die Brunnen-

Dreifache. nach Ende des Ersten Weltkriegs

ligen Regionen organisiert. In den 1890er

betriebe versuchten sich von der billigen

1918 brachen die Exportmärkte weg.

Jahren lag die Verantwortung für den

Massenproduktion durch gezielte Wer-

Im nationalen Markt entwickelte sich die Marke Gerolsteiner derart gut, dass man 1895 entschied, den Vertrieb nach Köln zu verlegen.

Generalvertrieb im süddeutschen Raum

che mussten fast alle Brunnenbetriebe auf

Das blühende globale Handelssystem

der Marke war dieser Schritt von großer

dem inländischen Markt Ertragseinbußen

entstand in dieser Form nicht wieder.

Bedeutung, denn so konnte besser auf

hinnehmen. Ausnahmen gab es nur weni-

Handelsbarrieren, Devisenmangel und

kundenspezifische Wünsche eingegan-

ge. Zu ihnen zählte auch der Gerolsteiner

politische Grenzen zwangen die Unter-

gen werden. Auch unterschiedliche Ge-

Sprudel. Er gehörte zu den Unternehmen,

nehmen, sich nationaler zu orientieren.

bindewünsche der Kunden ließen sich

bung und Aufklärung über ihre natürlichen Produkte abzugrenzen. Es entbrannte ein Verdrängungswettbewerb, dem sehr viele Betriebe zum Opfer fielen. Trotz insgesamt wachsender Umsätze innerhalb der gesamten Mineralwasserbran-

die einen Teil ihres Absatzes im Ausland

bei dem Unternehmen Menzel & Glaser aus Stuttgart. So ließ sich die Marke deutlich besser auf dem Markt positionieren, da Gerolsteiner direkt mit seinen Vertretern und Zwischenhändlern in Kontakt treten konnte. Für die weitere Entwicklung

schneller und effektiver bedienen. Der

tätigten und es geschaff t hatten, ihre

Im heimischen Markt entwickelte sich die

Kontakt zwischen Produzent, Vertreter

Marke auf dem inländischen Markt zu

Marke Gerolsteiner derart gut, dass man

und

etablieren. Laut einem Bericht der Bal-

1895 entschied, den Vertrieb nach Köln

enger. Die Marke schaff te es, ihre Markt-

neologischen Zeitung vom 10. Februar

zu verlegen. Die Unternehmensleitung

durchdringung erheblich zu steigern.

1898 hatte sich der Auslandsabsatz der

suchte eine engere Bindung an das Ver-

deutschen Mineralwasserindustrie inner-

triebsstammgebiet und die dort ansässi-

halb der letzten zehn Jahre um 800 Pro-

gen Vertreter im Rheinland. Der Vertrieb

Endverbraucher

wurde

spürbar

GRÜnDUnG

21


Das Unternehmen weitet sich aus Mit der Verlegung des Vertriebs weg vom Produktionsstandort ging die Umbenennung der Gerolsteiner Sprudel W. Castendyck Gerolstein in die Gerolsteiner Sprudel GmbH Köln mit Zweigniederlassung in Gerolstein einher. Gesellschaftskapital waren 1.500.000 Reichs-

verlieh der Marke innerhalb der Brunnen-

Zeit entfielen in Preußen etwa 87 Prozent

mark. Laut Gesellschaftervertrag vom

landschaft ein eigenständiges Gesicht. Am

der Gesamtproduktion natürlicher Mine-

10. Februar 1896 waren die Gesellschafter

4. März 1904 änderte sich die Zusammen-

ralwässer auf nur zehn Unternehmen.

Dr. Morton Graf Douglas und Angus Graf

setzung der Gesellschafter erneut: An-

Die Gerolsteiner Sprudel GmbH rangierte

gus Graf Douglas

mit 9 Millionen Litern Absatz unter den

entschied sich, Di-

ersten fünf. Der Absatz wuchs derart

rektor Ernst Körber

rasant, dass weitere Quellbohrungen not-

einen Teil seines An-

wendig wurden. 20 Jahre nach der Grün-

teils in Höhe von

dung, am 5. Juni 1908, erfolgte im Zuge

45.000

zu

einer Bohrung erneut ein starker Quell-

übertragen. Mit ihm

ausbruch, ähnlich dem des Jahres 1887.

gleich: Das Grundkapital eines anderen

tauchte der erste bürgerliche Name in

Die entfesselte Quelle sprang fünf Meter

Mineralbrunnens aus dieser Zeit, der

der Gesellschafterliste der Gerolsteiner

über den Bohrturm empor und erreichte

Aachener Kaiserquelle AG, belief sich 1892

Sprudel GmbH Köln auf. Es ist anzu-

somit insgesamt eine Höhe von über

lediglich auf 240.000 Reichsmark.

nehmen, dass sich Douglas zu diesem

20 Metern. Erst nach vier Tagen konnte

Schritt entschlossen hatte, da Körber sich

dieses Spektakel gebändigt und die

Mit der Umbenennung zur Gerolsteiner

um das Unternehmen und die Marke

Quelle langsam der Produktion zugeführt

Sprudel GmbH Köln erlosch auch der

besonders verdient gemacht hatte und

werden. Durch die nun mögliche De-

Bezug zum Gründer Wilhelm Castendyck.

sein Vertrauen genoss. Für Körber selbst

ckung der erhöhten Nachfrage rückte

Jedoch hielten die neuen Verantwort-

war dies eine bedeutende Veränderung.

der Schutz des Markennamens in den

lichen bewusst am von Castendyck ge-

Nun war er nicht mehr nur derjenige,

folgenden Jahren stärker in den Vorder-

wählten Markenbild fest. Es hatte sich

der Entscheidungen ausführte, sondern

grund. 1913 beauftragten die Gesellschaf-

mittlerweile auf dem Markt etabliert und

aktiv an diesen mitwirken konnte. In dieser

ter den Geschäftsführer, gegen den

Douglas mit einem Stammanteil von je 750.000 Reichsmark beteiligt. Damit investierten sie eine ungewöhnlich hohe Summe. Zum Ver-

22

gründung

20 Jahre nach der Gründung, am 5. Juni 1908, erfolgte im Zuge einer Bohrung erneut ein starker Quellausbruch, ähnlich dem des Jahres 1887.

Mark


Ein beeindruckendes Schauspiel: Im Juli 1908 schoss eine weitere Quelle 20 Meter empor.

Konkurrenten aus Pelm, den Schlossbrun-

Einschnitt. Der persönlich haftende Ge-

Füllmengenzahlen stiegen deshalb stetig

nen Gerolstein, Klage zu erheben. Das

sellschafter und Geschäftsführer Ernst

an. Die Marke Gerolsteiner Sprudel war

Konkurrenzunternehmen sollte es unter-

Körber verstarb. Eine Ära ging damit zu

eine nationale Größe geworden und zu-

lassen, den Ortsamen Gerolstein zu füh-

Ende. 36 Jahre hatte er die Geschicke

dem auf dem besten Weg, den internatio-

ren, da es aus Pelm kam. Zwar blieb die

des Unternehmens gelenkt. Kurz nach der

nalen Markt weiter zu erschließen. Nun

Klage erfolglos, jedoch verdeutlicht diese

Gründung eingetreten, war er es, der die

galt es, auf dem von Körber gelegten

Initiative, dass sich die Geschäftsführung

damals noch junge Marke entscheidend

Grundstein aufzubauen.

der hohen Bedeutung des Markennamens

prägte. Körbers Erfolgsrezept lag in der

bewusst war. Nach der anhaltenden

konstruktiven und stimmigen Bewerbung

Hochphase erfuhr das Unternehmen am

des Produktes und der daraus resultieren-

24. Oktober 1927 einen ersten deutlichen

den Erschließung neuer Absatzmärkte. Die

gründung

23



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