Sehnsucht Südsee Hansjörg Hinrichs
Lebensraum und Lebenstraum. Beschwörung einer entschwindenden Welt.
Sehnsucht Südsee Hansjörg Hinrichs
Lebensraum und Lebenstraum. Beschwörung einer entschwindenden Welt.
Für Eveline
Hawaii
Guam Yap Palau
Indonesien
Mikronesien
Papua-Neuguinea Salomonen
Marquesas Samoa
Vanuatu Fiji Australien
Neukaledonien
Neuseeland
Bis ans Ende der Welt Seit seiner Entdeckung gilt dieser grรถsste Kulturraum der Erde als Traumparadies schlechthin. Und er verzaubert noch immer.
Bora Bora Tahiti Osterinsel
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Von Horizont zu Horizont Die ersten Reisen um die Welt
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In einem Ring aus Feuer und Wasser Werden und Vergehen
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Seefahrer zwischen zehntausend Inseln Unterwegs im blauen Nirgendwo
62
Zu viel für die Sinne Sternstunden der Menschheit
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Der blaue Traum Endstation Sehnsucht
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Gartenzauber Land auf einem Tausendstel der Fläche
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Zurück in die Steinzeit Atacama-Wüste Argentinien Chile
Verborgene Urwelten und Schätze
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Ahnen, Geister und Spiritualität Patagonien
Magische Weltbilder im Zeitalter der Digitalisierung
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Unberührtes Eis Der Traum von der Südsee endet in Zähneklappern
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Schatten und Abgründe Der Mensch – des Menschen grösster Feind
Deception Island Paradise Bay
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Als Gast in bester Gesellschaft Was ich von der Südsee gelernt habe
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Worte und Taten Hermann Oberli
In the town where I was born Lived a man who sailed to sea And he told us of his life In the land of submarines So we sailed up to the sun Till we found a sea of green And we lived beneath the waves In our yellow submarine   The Beatles 
Barrier Reef, Australien
«Man sollte oft wünschen, auf einer der Südseeinseln als sogenannter Wilder geboren zu sein, um nur einmal das menschliche Dasein, ohne falschen Beigeschmack, durchaus rein zu geniessen.» Johann Wolfgang von Goethe
Kopfschmuck der Hulimänner, Papua-Neuguinea
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Aloha Auf der Suche nach dem Paradies
Lagune von Bora Bora, Französisch-Polynesien Vorherige drei Doppelseiten: Dientes de Navarino, Argentinien Tikehau, Französisch-Polynesien Alesasso, Küstenwächter, Salomonen
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Liebe Leserinnen, liebe Leser Ich bin nun seit bald vierzig Jahren auf Reisen. Dabei halte ich meine Eindrücke mit der Kamera fest. Bilder von brodelndem Magma, von Feuer und Asche, Meer und Strand, von einem genügsamen Alltag und magischen Kulten mögen Ihnen die Sinne und die Herzen öffnen für ein anderes Leben in einem anderen Teil der Welt. «Sehnsucht Südsee» regt zum Nachdenken über Lebensqualität und die Bedingtheit unserer Werte an. Reisen führt zu Begegnungen mit anderen Welten und anderen Menschen. Es führt zu neuen Erkenntnissen über die Welt und über sich selbst. Wenn «Reisen bildet», wie man sagt, dann gehört zu dieser Bildung die Erkenntnis: Es geht auch ganz anders als hier bei uns. Viele Menschen sehnen sich nach dem Paradies. Einige warten aufs Jenseits, andere suchen es hier auf der Erde. Die Südsee ist im Lauf der Zeit zu einer Projektionsfläche geworden – zur Fata Morgana. Das Buch geht der Geschichte dieses Mythos nach. Manche Suchende fanden in der Südsee ihr Paradies. Andere scheiterten. Vielleicht liegt das Paradies nur in uns selbst. Ich musste eine schmale Auswahl treffen aus meinen über hunderttausend Bildern. Dabei reicht (m)ein Menschenleben gar nicht, um die ganze Südsee mit ihren über zehntausend Inseln kennenzulernen. Aber ich bin ja auch nicht allein. Vor mir haben andere das Bild der Südsee geprägt: Louis Antoine de Bougainville, James Cook sowie Wissenschaftler und Künstler, die sie auf ihren Reisen begleiteten, dann Philibert Commerson, Sir Joseph Banks, Georg Forster, Sir William Hodges, Sydney Parkinson, der Berner John Webber (Johannes Wäber) und viele andere mehr. Das Gefühl, «auf einer der Südseeinseln als sogenannter Wilder geboren zu sein», wie Goethe schreibt, wird uns Europäern versagt bleiben. Wir sind von dieser Welt. Doch ich schätze mich ausserordentlich glücklich, hin und wieder die Natur, die Kulturen und die Menschen der Südsee miterleben zu dürfen. Dieses Buch habe ich gemacht, um Sie an meiner Freude teilhaben zu lassen. Hansjörg Hinrichs
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Von Horizont zu Horizont Die ersten Reisen um die Welt
Sydney, Australien
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«Der Ehrgeiz führt mich nicht nur w sondern so weit wie für den M
James
Ouvéa, Neu
weiter als je einen Menschen zuvor, Menschen überhaupt möglich.»
s Cook
ukaledonien
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Yasawa, Fiji
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Fast jeder Punkt der Erde ist innert vierundzwanzig Stunden erreichbar. Dennoch liegt die Südsee für die meisten Europäer noch immer jenseits des Horizonts der eigenen Erfahrung. Dort, irgendwo zwischen Südamerika und Asien, haben wir uns ein Traumland bewahrt, das wir beliebig ausmalen dürfen. In diesen Fantasien haben wir nichts zu verzollen, wir brauchen keinen Pass und haben erst noch eine Dimension mehr als in der Hetze des Alltags: Die Zukunft und die Vergangenheit stehen offen. Der Traum von der Südsee wurde erstmals in der europäischen Aufklärung vor rund dreihundert Jahren geträumt. Und obwohl sich die weissen Flecken auf der Landkarte inzwischen gefüllt haben, ist er noch heute aktuell.
Originalnachbau der «Endeavour» Nächste Doppelseite: Savai’i, Samoa
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Nachbau der «Endeavour» Rock Islands, Palau
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Rock Islands, Palau
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Tahaa, Franzรถsi
isch-Polynesien
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Vulkan Mauna Kea, Hawaii Links: Schwefel, White Island, Neuseeland
In einem Ring aus Feuer und Wasser Werden und Vergehen
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«Dicht neben dem Wehe der Welt und oft aus seinem vulkanischen Boden hat der Mensch seine kleinen Gärten des Glücks angelegt.» Friedrich Nietzsche
Vulkan Lascar, Atacama, Chile
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Andenkette mit dem Vulkan Batea Mahuida, Argentinien Vulkan Osorno und Vulkan Calbuco, Chile Rechts: Vulkan Pu’u O’o, Hawaii Nächste Doppelseite: Mondtal, Atacama, Chile
Die Südsee liegt im Herzen des pazifischen Feuerrings
erodieren und versinken wieder im Wasser, bis nur noch
mit seinen zahllosen Vulkanen, die sich zwischen Asien
das Atoll rundum bleibt und sich auf dem Gestein unter
und Amerika aneinanderreihen. Alle Inseln der Südsee sind
Wasser Korallenriffe bilden. Als Zeugen des Werdens und
vulkanischen Ursprungs. Sie führen zurück in die Welt der
Vergehens sind auf ihrer fruchtbaren vulkanischen Erde
ersten Tage der Schöpfung: Magmamassen bilden Inseln,
paradiesische Gärten entstanden.
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Vulkan Yasur, Vanuatu Salar de Atacama, Chile
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Schwefel, Vulkan Mauna Loa, Hawaii
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Molokai,
, Hawaii
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Doubtful Sound, Neuseeland
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Vulkan Kilauea, Big Island, Hawaii Nächste Doppelseite: Laguna Cejar, Atacama, Chile
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Seefahrer zwischen zehntausend Inseln Unterwegs im blauen Nirgendwo
Lagune von Bora Bora, Franzรถsisch-Polynesien
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Maap
ÂŤWer einmal diesen Stillen Ozean d der muss in ihm fortan seine Wahlheimat sehen
  Herman Melv
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p, Yap
durchschweift und durchdacht hat, n. Er ist die grosse Mitte aller Wasser der Welt.»
ville, «Moby Dick»
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Nirgendwo ist unser blauer Planet blauer und weiter als in der Südsee. Jede Insel ist eine Welt für sich. Und doch haben polynesische Seefahrer auf ihren Auslegerkanus diese Inselwelt schon vor dreitausend Jahren als Kulturraum erschlossen – Jahrtausende bevor Kolumbus es wagte, durch die Meerenge von Gibraltar hinaus nach Westindien zu segeln. Mindestens ein halbes Jahr dauerte die Reise der europäischen Seefahrer, als sie den Pazifik als letztes Weltmeer für ihre Kronen erschlossen. Auf den Ferieninseln von Französisch-Polynesien fühlen sich heute Gäste aus aller Welt wie Könige.
Rangiroa, Französisch-Polynesien Handgeflochtenes Schiffstau, Yap Nächste Doppelseite: Carp, Yap
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Maap, Yap
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Kanu, Yap
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Ausleger vertäut, Maap, Yap
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Seraya Kecil, Indonesien
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Deutscher K Ngerukeuid-I
Kanal, Palau Inseln, Palau
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Zu viel fĂźr die Sinne Sternstunden der Menschheit
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Polynesischer Kopfschmuck Links: Tänzerinnen, Moorea, Französisch-Polynesien
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«Denn Kummer, Sorgen und Unglüc scheinen diesem glücklichen Vol
Georg Forster, «Re
Feuertanz, Tahaa, Fra
ck, die uns so frühzeitig alt machen, lke gänzlich unbekannt zu sein.»
eise um die Welt»
anzösisch-Polynesien
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Samuel Wallis, der englische Entdecker Tahitis, fand ein «launisches, trügerisches und diebisches Völklein» vor. Die nächsten Besucher, der Franzose Louis Antoine de Bougainville und der Engländer James Cook, trauten ihren Sinnen nicht: Sie fühlten sich im Paradies, wie aus den Bord- und Tagebüchern der Kapitäne und ihrer Mannschaften leicht zu erkennen ist. In der Zeit dazwischen hatte Jean-Jacques Rousseau den gebildeten Kreisen der westlichen Zivilisation in seinem «Contrat Social» den «edlen Wilden» vorgestellt. Der Nachhall dieser ideengeschichtlichen Revolution prägt bis heute das Südseebild eines Ferienparadieses. «Reif für die Insel», das heisst reif für die Südsee mit all ihren Klischees, von denen wir unter unserer Winternebeldecke träumen.
Tänzerin, Moorea, Französisch-Polynesien Kopfschmuck Nächste Doppelseite: Moorea, Französisch-Polynesien
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Marcelline, Huahine, Franzรถsisch-Polynesien
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Kopfschmuck
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Maupiti, Franzรถsisch-Polynesien Rechts: Bora Bora, Franzรถsisch-Polynesien
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Der blaue Traum Endstation Sehnsucht
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Tahaa, Franzรถsisch-Polynesien
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«Die erste Erfahrung lässt sich niemals wiederholen. Der erste Sonnenaufgang, die erste Südseeinsel sind Erinnerungen eigener Art und rühren an eine Jungfräulichkeit der Empfindungen.» Robert Louis Stevenson, «Die Schatzinsel»
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Moorea, Französisch-Polynesien
Tahiti war der Anfang der Begegnung mit der Südsee und ist der Kristallisationspunkt aller Sehnsüchte geblieben. Aber Tahiti ist nur eine von vielen Inseln, welche die natürliche Schönheit der Gesellschaftsinseln variieren und erweitern. Raiatea, Tahaa und Bora Bora, die Kerngebiete der polynesischen Theokratie, verkörpern heute mit Moorea, Huahine und einem Dutzend weiterer Inseln so etwas wie Herz und Seele des blauen Traums. Wenn Gott in Frankreich leben würde, wäre er hier in Französisch-Polynesien zu Hause.
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Tahaa, Franzรถsisch-Polynesien
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Lagune von Bora Bora, F
Franzรถsisch-Polynesien
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Korallen, Rangiroa, Franzรถsisch-Polynesien
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Rangiroa, Französisch-Polynesien Maupiti, Französisch-Polynesien Nächste Doppelseite: Bora Bora, Französisch-Polynesien
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Anahoe, Marquesas, Franzรถsisch-Polynesien
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Bora Bora, Franzรถsisch-Polynesien
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Raiatea, Franzรถs
sisch-Polynesien
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Yasawa, Fiji
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Fregattvögel, Ahe, Französisch-Polynesien
Gartenzauber Land auf einem Tausendstel der Fläche
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Ãœber Guam
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«Kein Augenblick des Tages kann sich mit dieser frühen Morgenstunde messen, wenn die Sonne über das goldene Bambusgeflecht spielt und die Natur, deren Teil wir sind, strahlend erwacht.» Thor Heyerdahl
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Opunohu Bay, Moorea, Französisch-Polynesien Links: Hakaui, Marquesas, Französisch-Polynesien Nächste Doppelseite: Moloka’i, Hawaii
Zu Französisch-Polynesien gehören auch das Archipel
Brackwasser sichern rund ums Jahr eine reichliche Ernte.
Tuamotu, die Marquesas, die Austral-Inseln und die Îles
«Zugreifen» heisst es auf den Märkten. Früchte und Gemüse,
Gambier. Auf vier Millionen Quadratkilometern Wasser mit
Schweine und Hühner, alles ist da, was es zu einem üppigen
Fischgründen, Lagunen und Korallengärten gibt es auch
Gericht aus dem Erdofen braucht. Bloss die Blumen nicht
Regenwälder und Landwirtschaft im tropischen Überfluss.
vergessen. Blumen ins Haar, Blumen als Kranz um den Hals.
Brotfruchtbäume, die Tahiti-Kastanie und Kokospalmen im
Schön, als Palagi – als Fremder – willkommen zu sein.
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Kosrae, Mikronesien Rechts: Taroblatt
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Tikehau, Franzรถsisch-Polynesien
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Rock Islands, Palau
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Tahiti, Franzรถsi
isch-Polynesien
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Klivie Links: Lotusgarten
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Frangipani Palme
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Banyan, Kaua’i, Hawaii Lava, Hawaii
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Marktauslag
ge, Suva, Fiji
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Zurßck in die Steinzeit Verborgene Urwelten und Schätze
Ahu Tongariki, Osterinsel, Chile Rechts: Steingeld, Kaadi, Yap
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Fischerin Rosie mit ihrem
«Wenn dein Sohn Hunger Gib ihm d
Aus Mel
m Netz, Papua-Neuguinea
hat, gib ihm keinen Fisch. die Angel.»
lanesien
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Mitten in der tropischen Inselwelt erhebt sich auf Papua-Neuguinea die vergletscherte Pyramide des Carstensz höher als der Mont Blanc. Melanesien erscheint exotischer als alles, was uns sonst auf dieser Erde an menschlichem Leben begegnet. Während die polynesische Gesellschaft mit einer Sprache und ähnlichen Gütern und Werten ein riesiges Dreieck zwischen Hawaii, Rapa Nui (Osterinsel) und Aotearoa (Neuseeland) geprägt hat, finden sich in Melanesien allein auf Neuguinea Hunderte von Stammeskulturen und Sprachen. Sie sind bis heute noch nicht so weit erforscht, dass jemand zuverlässig sagen könnte, wie viele es sind und welche verwandt sind. In den Wäldern und an den Schleifen des Flusses Sepik leben Stämme noch immer nahe bei den Geistern, fast unberührt von Regierung und Verwaltung in der Hauptstadt Port Moresby. In Neuguinea und auf den Salomonen sind neben dem enormen kulturellen Reichtum auch grosse Gold- und Kupferminen zu finden. In Mikronesien, dem dritten Archipel der Südsee, liegt die Insel Yap: Hier sind Steinmünzen bis heute Gold wert.
Lagune Marovo, Salomonen Wilson, Papua-Neuguinea Nächste Doppelseite: Yalimänner, Papua-Neuguinea
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Corinne, Fische
erin, Salomonen
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Feuertanz, Tahaa, Franzรถsisch-Polynesien Tuesday, Hulimann, Papua-Neuguinea
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Ahu Tongariki, Osterinsel, Chile Nächste Doppelseite: Pua, Papua-Neuguinea
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Renage, Papua-Neuguinea
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Versammlungshaus, Maap, Yap Harold und Kelly, Lakwanda, Papua-Neuguinea
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Ahnen, Geister und Spiritualität Magische Weltbilder im Zeitalter der Digitalisierung
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Tari, PapuaLetzte Doppelseite: Tho
«Woher kommen wir, was sin Wer lässt was und waru Der weisse Mann kennt die Antworten n
Chief S
In Ozeanien öffnet sich hinter der physisch erfahr-
Da gibt es Tabus und mag
baren Welt noch ein höherer, tieferer, metaphy-
Dschungel, die unumstös
sischer Kosmos. Hier bewegen sich Ahnen und
spruchen. Da sind Vulkana
Geister, deren Auftritt wir Europäer einzig am
und Hurrikane, deren Gew
Verhalten der Einheimischen erkennen können.
am eigenen Leib erfahren
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-Neuguinea omas, Papua-Neuguinea
nd wir und wohin gehen wir? um mit uns geschehen? nicht – in unseren Gärten finden wir sie.»
Somosa
gische Zonen im
oder sie gar erklären zu wollen, führt ins Unge-
ssliche Macht bean-
fähre, Unbenennbare – in eine Naturverbundenheit,
ausbrüche, Stürme
die seit Jahrtausenden vielleicht nach denselben
walt auch Fremde
Urgründen fragt wie Relativitätstheorie und Quan-
n. Darüber zu reden –
tenphysik.
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Chief Josef und Jonas, Lakwanda, Papua-Neuguinea Links: Dominik, Lakwanda, Papua-Neuguinea
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Munda, Salomonen Sinaraggu, Salomonen Rechts: Huli-Kopfschmuck, Papua-Neuguinea Nächste Doppelseite: Huli-Zeremonie, Papua-Neuguinea
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Munda, Salomonen
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Hulimänner, Papua-Neuguinea
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Paradise Bay, Antarktis Rechts: Ausfahrt Lemaire-Kanal, Antarktis
Unberührtes Eis Der Traum von der Südsee endet in Zähneklappern
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King George Island, Antarktis Bismarck-Strasse, Antarktis Nächste Doppelseite: Spegazzini-Gletscher, Argentinien
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«Warum sind wir so empfänglich für den Reiz dieser Landschaften, wenn sie doch so leer und erschreckend sind?» Jean-Baptiste Charcot
Nach der Begegnung mit den Bewohnern Tahitis wartete noch eine besondere Aufgabe auf die Kapitäne Cook und Bougainville: Sie sollten die Terra Australis Incognita finden. Dieses grosse, reiche und glückliche Land tief im Süden spukte seit der Antike durch die Köpfe europäischer Geografen. Aber wo war es zu finden? Feuerland im Süden Südamerikas konnte es nicht sein, das stand fest, seit Francis Drake 1609 die Passage durchkreuzt hatte. Cook segelte so tief in den antarktischen Süden, bis er sicher war: Die Terra Australis gibt es nicht. Als er noch weiter vorstiess, fand er eine Welt, in der Gott erst das Licht, die Fische und die Vögel erschaffen hatte. Wenn die Sehnsucht nach einem Paradies auf Erden heute noch ein Ziel haben kann, ist es die Antarktis. Hier hat noch kein Mensch dauerhaft gewohnt, hier ist der Ort vor dem Sündenfall.
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ZĂźgelpinguine, Half Moon Island, Antarktis
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Deception Isla
and, Antarktis
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Doubtful Sound, Neuseeland Nächste Doppelseite: Danco Island, Antarktis
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Lemaire-Kan Ferguson-Kan
nal, Antarktis nal, Antarktis
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Bradshaw Sound, Neuseeland
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Schatten und Abgründe Der Mensch – des Menschen grösster Feind
Über Guam
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Rapa Nui und seine Moai liegen am Rand der poly-
Die Tragödie der Osterinsel ist nur eine von vielen in
nesischen Welt. Der Grund für die Einsamkeit der ge-
den Südseeregionen. Die Dezimierung der Bevölke-
heimnisvollen Köpfe, die schweigend in der Landschaft
rung durch westliche Krankheiten, die Missionierung
stehen, ist nicht mehr sichtbar: Vor hundertfünfzig
ohne Rücksicht auf lokale Traditionen, die Folgen des
Jahren verschleppten peruanische Menschenhändler
Kolonialismus, wo die Inseln als Spielbälle der Welt-
die Bevölkerung als Arbeiter nach Südamerika – bis auf
mächte dienten, die Macht von König Alkohol und die
etwa hundert, die sich in Höhlen verstecken konnten.
Abhängigkeit vom Dollar – das alles lässt die pazifischen Inselwelten heute nach den Launen der globalen Wirtschaftsmächte zappeln.
«Zu Trümmern wird alles gehn, was wir bedächtig bauten.» Friedrich Schiller, «Wallenstein»
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Als Gast in bester Gesellschaft Was ich von der Südsee gelernt habe
Warum träume ich einem entschwindenden Tahiti hinter-
Ich habe die Langsamkeit schätzen gelernt und den
her und sehne mich nicht nach der Insel Manhattan
Schatten der Sprachlosigkeit. Wir müssen gar nicht so
mit ihren goldenen Türmen, die an den Wolken im Him-
viel reden, wir können uns auch anders austauschen.
mel kratzen? Kann unsere Fantasie Neuland erschaf-
Mit Musik, mit Zeichen, in einem Spiel. Sich in den Sand
fen, in dem zu leben sich lohnt?
zu setzen und dem Gegenüber mit einem Zweiglein eine Botschaft zu ritzen, öffnet überraschende Türen.
Nach meiner katholischen Kindheit und einem stren-
Sie führen zu Vorstellungen, die anders sind als meine.
gen, kontrollierten Leben als Lehrer hat die Südsee
Wie zeige ich Respekt oder gar meinen Dank? Geld
mein Leben verändert. Als hätte sich die Blende geöff-
hat hier nicht denselben Wert. Das hat mich hingeführt
net und mich aus der Enge einer dunklen Kammer ins
zu dankbarer Demut.
warme Licht des Lebens gespült. Ich habe Vertrauen gewonnen. Ich habe gemerkt: Das Leben fliesst weiter,
Umgekehrt musste ich lernen, dass ich nur zu Hause
ganz von allein. Worum sollte ich mich sorgen? Heute
kein Fremder bin. Ich diente auch hier und da als Pro-
ist heute, morgen ist morgen. Die Leichtigkeit des Seins
jektionsfläche – als Päng Päng oder als Palagi aus
ist gar nicht so unerträglich. Aber geschenkt wird sie
dem Himmelstor.
nicht.
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Fakarava, Franzรถsisch-Polynesien Letzte Seite: Ahe, Franzรถsisch-Polynesien
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Wie jede Liebe neigt auch die Liebe zu einem kon-
Was habe ich mit nach Hause gebracht? Erinnerungen,
kreten Paradies dazu, sich an Illusionen zu klammern,
Souvenirs. Eine schwarze Perle, wie es sie nur in
spröde und brüchig zu werden oder sich von der
Französisch-Polynesien gibt. In meiner Estrichkammer
schwarzen Seite zu zeigen. Es ist nicht lustig, jeden
verwahre ich eine kleine Sammlung – fast alles Ge-
Tag wie Gott in Frankreich zu leben. Manche vertreibt
schenke, ohne die mich Gastgeber und Zufallsbekannt-
das selige Gleichmass eines nicht enden wollenden
schaften nicht ziehen liessen. Wenn ich meine Hals-
Glücks wieder aus dem Ort ihrer einstmaligen Sehn-
ketten aus Muscheln, Schnecken, Nüssen und Knochen
sucht. Nur wenige bleiben «for good». Das ist kein Ort
schüttle, rasseln und rascheln sie auf elektrisierende
für das Seelenheil, eher eine Rehaklinik zur Heilung
Weise.
zivilisationsmüder Seelen. Auch das Paradies ist kein Zustand. Es ist in Bewegung – ein stetiger Fluss.
Die Südsee hat mir die Augen geöffnet. Und das Herz, die Seele und die Sinne. Dafür danke ich den vielen Menschen zu Hause und in der Südsee, die mir zur Seite standen und immer wieder aufs Neue dort stehen. Hansjörg Hinrichs
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Worte und Taten Pacific Society unterstützt den nachhaltigen Aufbau der medizinischen, vor allem der chirurgischen Versorgung der Salomonen und weiterer pazifischer Inseln.
Die Salomonen sind eine der kleinsten und ärmsten
Ein Grossteil der Bevölkerung Ozeaniens ist me-
Inselnationen im Südpazifik. Von rund 1000 Inseln, die
dizinisch unterversorgt. Es fehlt an ausgebildetem
sich über eine Fläche von 1, 3 Millionen Quadrat-
Personal, medizinischen Einrichtungen und Geld.
kilometern verstreuen, sind etwa 600 bewohnt. Über
Der Schweizer Chirurg Hermann Oberli engagiert
600 000 Menschen leben hier.
sich seit über zwanzig Jahren im Sinn der «Hilfe zur Selbsthilfe» – direkt, kontrolliert und unbürokratisch.
«Als mich das Gesundheitsministerium der Salomonen 1993 anstellte, erhielt ich eine einfache Aufgabe»,
Der Erlös aus «Sehnsucht Südsee» geht vollum-
sagt Herrmann Oberli: «Control all surgical services and
fänglich an den gemeinnützigen Verein «Medizin im
training – die Verantwortung für die gesamte Chirurgie
Südpazifik».
im Land inklusive Ausbildung. Das ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Entwicklungshilfe: dass man eingeladen und willkommen ist.»
www.hermannoberli.ch
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«Wenn die Wissenschaft und Gelehrsamkeit einzelner Menschen auf Kosten der Glückseligkeit ganzer Nationen erkauft werden muss: so wäre es, für die Entdecker und Entdeckten, besser, dass die Südsee den unruhigen Europäern ewig unbekannt geblieben wäre.» Georg Forster
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Patronat Sabine und Fredi Grossauer Zur Fernsicht, Heiden, www.fernsicht-heiden.ch
Impressum Idee Hansjörg Hinrichs und Dr. Jürg R. Conzett
Konzept Markus Mäder und Hansjörg Hinrichs
Fotos Hansjörg Hinrichs
Kameras OLYMPUS
Texte Markus Mäder und Hansjörg Hinrichs
Redaktion und Lektorat Beat Gloor
Gestaltung Die Gestalter, Graziella Berther
Druck und Bindung Buchbinderei Burkhardt
© 2017 ISBN 978-3-033-06207-8 Pacific Society, Mendlegatter 6, 9050 Appenzell Meistersrüte
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ISBN 978-3-033-06207-8