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Wasser, hoch konzentriert
Vor allem im Sommer gilt sparsam mit einem Parfum umzugehen. Die Wärme der Sonnenstrahlen verstärkt das Aroma und so wird aus einem gewünschten Hauch oftmals eine unerwünschte Wolke.
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Valeska Jansen
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Eleanor Moa / Unsplash
Wer kommt zuerst, der Mensch als körperliche Silhouette oder seine Aura? Was uns nach der Verwendung eines Duftes umgibt, also Wolke oder Hauch, wird in Fachkreisen Sillage genannt. Ob diese dezent oder markant wirkt, bestimmt neben der verwendeten Menge vor allem die Konzentration eines Parfums. Reines Parfum besteht nämlich aus 15 bis 30 Prozent Parfumöl. Für sich allein betrachtet, riecht dieses hingegen eher unangenehm, dazu wirkt es auch meist hautreizend. Allerdings ist der Begriff eher irreführend, denn Parfumöl, das normalerweise aus verschiedenen synthetischen oder natürlichen ätherischen Ölen besteht, ist eben nur ein kleiner Bestandteil eines Parfums. Der grösste Anteil besteht immer aus reinem Alkohol. Die Menge des Öls entscheidet über die Kategorisierung eines Duftes. Begonnen beim Parfum, über das Extrait de Parfum, weiter zum Eau de Parfum, hin zur leichteren Variante dem Eau de Toilette bis zum Cologne, auch Eau de Cologne genannt und schliesslich zur schwächsten Formulierung im Zusammenhang mit der Basis des Duftöls, dem Eau Fraîche. Die Fragen, die sich nun stellen, sind: «Wann ist welche Kategorie angebracht? Wird ein leichtes Aroma zu schnell verfliegen, ein schweres wiederum alles und jeden im Umfeld erschlagen?»
Message in a bottle
Die Sillage (aus dem französischen für «Spur») ist bei reinen Parfums immer sehr markant. Fast gewinnt man den Eindruck, dass sie mit einem Messer geschnitten werden könnte, dass sie wie Zuckerwatte auf der Zunge zergehen mag. Umarmen Sie jemanden, der reines Parfum trägt, wird der Geruch wahrscheinlich über Stunden an Ihnen haften bleiben, so wie Lippenstift nach einer «Küsschen-Begrüssung» auf den Wangen kleben kann. Die richtige Konzentration individuell für sich herauszufinden, ist dabei genauso wichtig
wie das Finden des subjektiv empfundenen perfekten Duftes. Hier kommen Erinnerungen ins Spiel. Das Unterbewusstsein steuert dabei die Auswahl und das oft ganz unabhängig von einem Parfüm, das vielleicht an die Grossmutter erinnert. Der berühmte Parfümeur Pierre Aulas, er kreierte u. a. Düfte für Thierry Mugler und Azzaro, beschreibt seine erste Erinnerung an einen Duft so: «Meine erste Dufterinnerung ist kein Parfum, sondern eine Mischung aus frisch gewaschenem Haar, frisch gemähtem Gras und dem Geruch nach Kühen.»
Alkohol gegen Kopfschmerz
Auf Alkohol im Duftwasser kann niemals verzichtet werden, denn er dient als Träger, stabilisiert den Duft und verdünnt die Öle so, dass sie die Haut nicht reizen und der Geruch sich angenehm entfalten kann. Mit einem Anteil von 15 bis 20 Prozent besitzt das Eau de Parfum, kurz EDP, die zweithöchste Konzentration an Parfümölen. Seine Sillage umgibt den Träger von morgens bis abends, allerdings niemals so intensiv wie die eines reinen Parfüms. In der benachbarten Umkleidekabine wird eine andere Person sicher keine Kopfschmerzen bekommen. Auch bei einer Umarmung wird das Eau de Parfum nicht unkontrolliert übertragen. Die meisten Frauen verwenden es bevorzugt im Herbst und Winter, bei kühlen Temperaturen oder auch gerne im Sommer am Abend. Der Parfümeur Alberto Morillas, er kreierte Düfte für Bulgari, Gucci, Calvin Klein, Cartier, Salvatore Ferragamo und viele mehr, erklärt woran es liegt, dass manche Düfte länger haften als andere: «Das hat etwas mit der Zusammensetzung, mit der Konstruktion zu tun. Enthält ein Parfum viel Vanille oder Patschuli oder Rose wie zum Beispiel Chloe, dann steht diese Zutat dominant im Vordergrund. Alle anderen Zutaten verschwinden quasi dahinter. Genau das mögen einige Frauen nicht. Sie empfinden solche Düfte dann oft als zu intensiv. Es gibt deshalb auch einen neuen Dufttrend. Die Bouquets dürfen nicht mehr einseitig-, sie müssen heute viel facettenreicher sein. Wie beim Make-up, das muss auch viel subtiler wirken als noch vor 20 Jahren.»
Versace
Frisch und spritzig soll das neue Versace «EDT Dylan Turquoise» auf eine tropische Insel, umgeben von einem türkisfarbigen Meer entführen. Hanf hält auch in der Kosmetik Einzug. Die «Wenn eine Frau das BedürfSamen haben eine entzündungshemmende Wirkung auf die Haut. nis hat, den ganzen Flakon über sich zu giessen – dann soll sie es tun!», sagt Thierry Wasser, Chefparfümeur für das Haus Guerlain.
Duftwasser im Sommer
Normalerweise präsentiert sich ein neuer Duft als Eau de Parfum und das leichtere Eau de Toilette, was simpel ins Deutsche übersetzt «Duftwasser» heisst, folgt kurz darauf. In der wärmeren Jahreszeit ist das Eau de Toilette mit einer geringeren Konzentration an Parfümölen von 5 bis 15 Prozent sehr beliebt. Ein Parfümöl besteht übrigens normalerweise nicht aus 100 Prozent natürlichen essentiellen Ölen wie der englische Luxus-Parfümeur Roja Dove erläutert: «Zu einem sehr grossen Teil verwende ich bei der Kreation eines Duftes natürliche Inhaltsstoffe. Es ist allerdings schlicht unmöglich, ausschliesslich natürliche Ingredienzien zu verwenden. Es ist eigentlich wie in der Mode. Wenn Sie zum Beispiel ein T-Shirt aus 100 Prozent Baumwolle tragen, ist es weniger komfortabel als eines mit einem Prozent Elasthan. Mein Prinzip hier ist: So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig.»
Zum stabilisierenden Alkohol kommt nun beim Eau de Toilette auch Wasser zum Verdünnen hinzu. Meist verfliegt seine Sillage bis zum Abend und
wirkt dabei auch weniger «aufdringlich» als das stärker konzentrierte Eau de Parfum. Doch wer nun glaubt, dass die leichtere Version immer eine 1:1-Kopie des Originals ist, der liegt falsch. Oft werden für das EDT schwere Noten wie z. B. Patschuli entfernt und leichtere Noten wie z.B. jene von Zitrusfrüchten hinzugefügt. Die Krux bei der Verwendung eines Eau de Toilette liegt oft darin, dass es bereits nach kurzer Zeit vom Träger selbst nicht mehr wahrgenommen wird. Das Aroma scheint plötzlich vollständig verschwunden.
Zeit für einen Wechsel?
Nein, denn kaum kommt das Eau de Toilette mit Feuchtigkeit in Kontakt, z. B. bei einem Regenschauer, ist es wieder präsent. Anstatt eines Duftwechsels lässt sich dem eigentlichen Favoriten auch neues Leben in Form eines weiteren Eau de Toilette einhauchen. Beim sogenannten «Layering», also dem übereinander Auftragen sollte nur sichergestellt sein, dass sie komplementär zueinander sind. Was bedeutet, dass ein Rosenduft mit einem hölzernen Duft kombiniert werden sollte und nicht mit einem Lilien Odeur, oder ein Oud-Duft kann gut mit einem Iris-Bouquet harmonieren, weniger allerdings mit Moschus. Chantal Roos, Parfümeurin mit ihrer eigenen Marke Roos & Roos und berühmt für ihre Kreationen für Yves Saint Laurent «Paris» und «Opium», erinnert sich an ihren Auftrag, das erste «L’Eau d’Issey» 1992 für Issey Miyake zu kreieren: «Ein Duft, der Wasser symbolisiert. Rein und frisch sollte er sein. Ein Parfümeur, den ich fragte, wie er das ‹L’Eau› interpretieren würde, antwortete mir: ‹Warum füllen Sie nicht einfach eine Flasche Evian in einen Flakon, dann haben Sie L’Eau.› Mir ging es aber um etwas ganz anderes. Ich sah vor Augen einen plätschernden Bach, der über Pflanzen, an Blüten vorbei, über Stock und Stein fliesst.» Heute, fast 30 Jahre später, gibt es unendlich viele Interpretationen des L’Eau d’Issey. Kombiniert mit Rosen oder bei der Variante für Männer mit Vetiver oder Tabak, dieser Duft zeigt perfekt, welche Zutaten in Kombinationen harmonieren.
Guerlain
«Nettare di Sole» lässt den köstlichen Duft von kandiertem Blütenhonig aufleben.
Acqua di Parma
Ein bisschen Italianità: «Bergamotto di Calabria» ist eine Hommage an die italienischen Bergamottenfelder, auf denen die kostbaren Früchte gesammelt werden.
Furla
Das «Eau de Toilette Fizzy Mint» von Valmont stellt eine prickelnde Minze in den Mittelpunkt.
Lebenswasser, erfrischend und anregend
Noch leichter und dezenter, dafür sehr erfrischend, präsentiert sich ein Cologne, auch Eau de Cologne genannt. Früher war der Name «Cologne» der Überbegriff für männliche Düfte. Dabei steht er tatsächlich für eine sehr leichte Parfümkonzentration. Das in ihm enthaltene Parfümöl hat nur einen Anteil von circa 2 bis 4 Prozent. Sein leichter und dezenter Duft wirkt unaufdringlich, sodass das Cologne vor allem gerne im Sommer und bei warmen Temperaturen getragen wird. Es gibt allerdings noch eine Steigerung von Leichtigkeit, und diese lässt sich bei einem Eau Fraîche entdecken. Anstelle von Alkohol kommt hier tatsächlich auch Wasser zum Einsatz, und seine Parfümöl- Konzentration beträgt meist nur 1 bis 3 Prozent. Es eignet sich besonders gut als Erfrischung für zwischendurch und kann deshalb problemlos immer wieder nachgelegt werden, ohne dass das direkte Umfeld «geruchsbelästigt» wird. Ob von Kopf bis Fuss oder nur gezielt partiell aufgetragen, dazu hat der Guerlain-Chefparfümeur Thierry Wasser eine eindeutige Meinung: «Bloss hinter den Ohrläppchen? Dazu kann ich nur eines sagen: Wir haben heutzutage so viele Regeln und Vorschriften! Alles wird indoktriniert. Nein! Ich empfehle dazu rein gar nichts! Jede Frau soll selbst entscheiden, wo sie ihr Parfüm aufträgt und wie viel sie davon be-
4711
Das «Eau de Cologne Wunderwasser» von 4711 soll die Frische von Wasser symbolisieren.
Ferragamo
«Oceani di Seta» ist der Kraft und dem Reiz des Meeres nachempfunden.
Acqua di Sale
Der Duft «Acqva di Sale» ist die olfaktorische Interpretation eines Strandes in Sardinien und wärmenden Sonnenstrahlen.
nutzt! Und wenn sie das Bedürfnis hat, den ganzen Flakon über sich zu giessen – dann soll sie es tun! Ich bin der Letzte, der hier irgendeine Regel proklamieren würde!» Diese Aussage Wassers ist mindestens so erfrischend wie ein Cologne oder Eau Fraîche und ermuntert zum Experimentieren mit den diversen neuen «Duftwassern» dieses Sommers. ●
Clean
Der Duft «Lush Fleur» von Clean aus der Linie Reserve ist zwar ein Eau de Parfum, soll aber die Reinkarnation von Frische sein.