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«Si händ de Chue sider nüme use grüeft»

Dr. Jürg Stüssi-Lauterburg, Historiker

War ab 1984 Chef der Eidg. Militärbibliothek, von 2007 bis 2016 Chef der Bibliothek am Guisanplatz und gleichzeitig Stabsmitarbeiter des Vorstehers VBS (Bundesräte Adolf Ogi, Samuel Schmid, Ueli Maurer und Guy Parmelin). Zudem ist er Bezirksrichter in Brugg AG, Buchautor und Alt-Constaffelherr, 2003 bis 2013 war er Mitglied des aargauischen Grossen Rates.

Nach Norden! Das war, in den 1450er und 1460er Jahren, die Losung der Eidgenossen. Schaffhausen war seit 1454 zugewandter Ort und Mülhausen war auf dem Weg dazu. Habsburg-Österreich bremste die Ausdehnung der Eidgenossenschaft. Der Albrechtsplatz in Rheinfelden, der schmucken Stadt, welche noch bis 1797 österreichisch bleiben sollte, nennt sich auch heute noch nach Erzherzog Albrecht VI. Albrecht, Gegenspieler seines Bruders und Kaisers Friedrichs III, starb 1463 und wurde von Cousin Sigismund beerbt. Sigismund wurde so Hauptgegner der Eidgenossen.

Da der sundgauische Adel Mülhausen weiterhin nicht in Ruhe liess, sondern vielmehr im Mai 1468 mit Heeresmacht gegen die Stadt zog, handelte sich Sigismund eidgenössische Kriegserklärungen ein. Mülhausen sei ein Schweizer Kuhstall, war von den Feinden zu hören. Ein eidgenössischer Zug folgte, auf das Ochsenfeld zwischen Mülhausen und Thann, wo die Eidgenossen, freilich vergeblich, Herzog Sigismund die Feldschlacht anboten. Der Sundgauerzug führte zu grossen Zerstörungen und zu einer Entlastung des bedrängten Mülhausen. Das Lied vom Sundgauerzug schliesst mit der Feststellung, die Adligen hätten der Kuh seither nicht mehr gerufen, wohl aus Sorge, noch einen solchen Streit auf sich zu laden:

«sy hand der Kuo sidhar nümen grueft heruss, sy ersorgten wol aber ein solchen Struss, damit ist dieses Liedli uss.» tete sich. Jährlich im August führt heute die Junggesellenschaft 1468 Waldshut den Chilbibock herum, um zu zeigen, wie ihre Vorfahren einen fetten Bock auf den Mauerzinnen den Eidgenossen draussen zeigten, um Überfluss an Lebensmitteln vorzutäuschen. An der schönen, in Gedenkmedaillen verewigten, Tradition mag etwas sein. Sicher ist, dass Sigismund tief in die Tasche langte und den Abzug der Eidgenossen von der belagerten Stadt erkaufte. Im Rahmen, der von der Stadt Basel und den Bischöfen von Basel und Konstanz vermittelten Waldshuter Richtung hatte Sigismund den Schaffhausern das Lösegeld für Amstad zurückzuzahlen und den Eidgenossen eine Kriegsentschädigung von 10'000 Gulden zu geben, für welche sowohl Waldshut als auch der Schwarzwald Sicherheit waren. versuchte, weitere Ressourcen von den Beherrschten zu den Herrschenden zu transferieren, so wie das Staaten immer wieder getan haben und in der Tendenz vielleicht immer tun werden. Man sollte sich die Dinge in unserem Kontext allerdings nicht allzu theoretisch vorstellen: Hagenbach schützte und förderte den weiterhin als Raubritter aktiven Bilgeri von Heudorf, er liess selber willkürlich Menschen töten, ja er befahl, die Leichen zur Abschreckung öffentlich liegen zu lassen. Macht ist, mehr oder weniger sichtbar, immer gewalttätig. Der Widerstand gegen Machtmissbrauch aber ist ein Ausdruck des angeborenen Freiheitswillens des Menschen. Hagenbachs Tyrannei und Heudorfs Räubereien störten die Kreise der an Handel, Eigentum, Vertragsrecht und Frieden orientierten Reichsstädte Basel, Strasbourg, Colmar und Sélestat. Sie schlossen sich 1473 zur Niederen Vereinigung, einer Art neuer Eidgenossenschaft, zusammen. Nun hatte Karl der Kühne von Burgund, Hagenbachs Chef, einen alten Feind, König Ludwig XI von Frankreich. Ludwig, klug und reich, förderte die naheliegende Annäherung zwischen Eidgenossen und Niederer Vereinigung. Louis XI erreichte sogar eine Aussöhnung der Eidgenossen mit ihrem habsburgischen Erzfeind Sigismund. Resultat I: Ewige Richtung, also nicht nur Waffenstillstand, sondern Frieden, geschlossen am 30. März 1474 in Konstanz. Resultat II: Bruch zwischen Habsburg und Burgund.

Das galt für das Elsass, nicht aber für den Schwarzwald. Der – in Tiengen lange, vielleicht immer noch in einem Wandbild verewigteschwäbische Ritter Bilgeri von Heudorf führte eine Fehde gegen Schaffhausen. Heudorf hatte 1467 sogar den Schaffhauser Bürgermeister Hans Amstad als Geisel genommen und ein Lösegeld erpresst. Gegen Raubritter galt es, sich in Respekt zu setzen. Waldshut wurde im Juli und August 1468 belagert.

Zwar hiess Sigismund «der Münzreiche», aber seine Liquidität entsprach diesem postumen Übernamen nicht. Im Gegenteil: Seiner Finanznot wegen musste sich Sigismund nach einem Geldgeber umsehen. Auch mag es ihm nicht unangenehm gewesen sein, mitzuhelfen, den Eidgenossen einen ungemütlichen Nachbarn zu verschaffen, selbst um den Preis eigenen Verzichts. So verpfändete der Habsburger im Vertrag von Saint-Omer im Mai 1469 die Vorlande, Elsass, Schwarzwald, Fricktal, kurz das damalige Vorderösterreich, dem Burgunderherzog Karl dem Kühnen als Sicherheit für ein Darlehen. Damit grenzte die Eidgenossenschaft ab 1469 politisch an Burgund. Das war von Belang, weil der von Karl dem Kühnen eingesetzte Landvogt Peter von Hagenbach, ein sundgauischer Adliger, mit den Eidgenossen eine persönliche Rechnung offen hatte. Die Eidgenossen hatten im Krieg sein väterliches Schloss zerstört. Hagenbach genoss zunächst den Schutz beider Häuser, Burgund und Habsburg, die noch einige Zeit an einer dynastischen Verbindung werkelten, welche sich aber angesichts von Herzog Karls besonderem Charakter zerschlug.

Waldshut 1468

RATGEBER TREUHAND

Nun war jedoch das Belagern von festen Städten keine Stärke der Eidgenossen. Waldshut behaup-

Hagenbach verlangte Zoll, wo vorher keiner verlangt worden war, er forderte Steuern, die vorher nicht existiert hatten. Mit anderen Worten: Er

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