Forschungsreihe 02/2018
Umkämpfte Marken Neue Wege im Brand Management
Bildquelle: Pinterest
Der Automobilhersteller Mercedes-Benz wurde vor kurzem von einem «Doppel-Shitstorm» getroffen, nachdem er in einer Instagram-Werbeanzeige folgendes Zitat des Dalai Lama platzierte: «Look at situations from all angles, and you will become more open» (Abb. 1). Dieses Zitat missfiel Teilen der chinesischen Bevölkerung, da nach deren Ansicht der Dalai Lama, als geistliches Oberhaupt der Tibeter, Anführer einer separatistischen Bewegung ist. Daraufhin entfernte Mercedes-Benz den Instagram-Post und teilte mit, man werde «sofort Massnahmen ergreifen, um das Verständnis der chinesischen Kultur und Werte zu vertiefen.» Auf diese Entschuldigung reagierten Konsumenten, Politiker und NGOs in Europa mit grosser Empörung. Deren Standpunkt ist, dass sich Mercedes- Benz bedingungslos der kommunistischen Partei in China unterwerfe und dabei Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte vernachlässige.
Dieses einführende Beispiel zeigt einerseits, dass es für Unternehmen immer schwieriger wird den Ansprüchen und Werten aller Konsumenten gerecht zu werden und andererseits, dass durch die hohe digitale Vernetzung Meinungen in Kürze verbreitet und soziale Bewegungen losgetreten werden können. Marken geraten durch unkontrollierbare Einflussnahme vielseitiger Stakeholder immer häufiger unter grossen öffentlichen Druck. Dieses Phänomen soll durch die Konzeptualisierung von «umkämpften Marken» besser verstanden und mit adäquaten Marketing-Strategien proaktiv sowie reaktiv adressiert werden. Dabei liegt eine umkämpfte Markensituation immer dann vor, wenn (1) unterschiedliche Stakeholder(-gruppen) sich einer Marke annehmen, (2) sich deren Interessen und Markenassoziationen widersprechen und (3) sie durch öffentlichkeitswirksames Verhalten Einfluss auf das dominante Markenbild sowie den Markenwert nehmen.
Abbildung 1: Mercedes-Benz zitiert den Dalai Lama. (Quelle: Instagram)
DIE MARKENWELT IM WANDEL
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rke
Die in der Praxis geläufigen wirkungs- oder funktionsbezogenen Markenmanagementansätze gehen von einem statisch kontrollierbaren Markenbild aus. Identitätsbezogene Ansätze sind weniger verbreitet. Diese ermöglichen durch Einbezug soziokultureller Analysen eine Abbildung dynamischer Marktprozesse und somit eine flexible Marken führung, welche die Interessen diverser Anspruchsgruppen berücksichtigt. Um dem anhaltenden Wandel in der Markenwelt gerecht zu werden ist es wichtig Sensibilität für belangvolle Marktsignale und zukunftsweisende Markentrends zu entwickeln.
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These 1: Ambiguität durch bidirektionale Kommunikation
Über das letzte Jahrzehnt wurde das globale Konsumsystem zunehmend von Unsicherheit und Ambiguität geprägt. Stakeholder mit unterschiedlichsten Interessen streben expansiv nach Indivi dualität und Popularität. In dieser multilateralen VUCA-Welt (d.h. bestimmt von «volatiltiy, uncertainty, complexity, and ambiguity») stossen Manager mit klassischem Marketingverständnis schnell an ihre analytischen Grenzen. Nach deren Auffassung genügt der Einsatz massenmedialer Kommunikation (z.B. TV, Radio, Print, Website oder Online-Ads), um Markenbotschaften an ein breites Publikum zu senden (Abb. 2a). Ferner wird angenommen, dass
Konsumenten sich nur im Freundes- / Familienkreis über Marken austauschen und sich mit den ange botenen Feedbackoptionen (z.B. E-Mail oder Telefon) zufriedengeben. Entgegen diesem traditionellen Marketingverständnis verdeutlicht das rapide Wachstum der Beliebtheit sozialer Medien, dass Konsumenten Interesse an einem intensiven Diskurs mit Unternehmen und an der aktiven Mitgestaltung von Marken haben. Facebook, Instagram, Twitter, persönliche Blogs, etc. ermöglichen es Konsumenten ihre individuellen Meinungen und Erfahrungen mit der breiten Öffentlichkeit zu teilen und in bidirektionale Kommunikation mit der Markenführung zu
treten (Abb. 2b). Diese mehrseitige Kommunikation stellt für Brand Manager zunächst ein grosses Risiko dar, sie birgt bei genauerer Betrachtung jedoch auch zahlreiche Chancen. Durch den zunehmenden Einfluss von Konsumenten vermindert sich die Kon trollierbarkeit von Markenassoziationen durch das Unternehmen. Nicht erfüllte Leistungsversprechen sowie Fehler in der Markenkommunikation können
schwerwiegende Konsequenzen auf die Markenpositionierung und den Markenwert haben. Zudem unterliegen Marken einem höheren Risiko manipulativer Nutzung. Andererseits bietet der vermehrte Austausch mit Konsumenten die Chance Geschäftspraktiken zu verbessern, den Zugang zu einem grossen Pool an kreativen Ideen sowie die Möglichkeit der rasanten Steigerung der Markenbekanntheit.
Abbildung 2: Marketingkommunikation (Quelle: Eigene Darstellung)
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These 2: Autorität durch digitale Vernetzung
Ein weiterer Trend, der mit der zunehmenden digitalen Vernetzung einhergeht, ist der wachsende Einfluss von Opinion Leadern. Studien haben gezeigt, dass Meinungsführer gewisse Charakteristika gemeinsam haben. Dazu gehören (1) ein starker Einbezug von Marken in die Selbstdarstellung, (2) ein hoher Grad an Produktvertrautheit und (3) der Drang nach Individualität, Selbstverwirklichung und öffentlicher Aufmerksamkeit. Zum Aufbau einer individuellen Identität mit positiver Aussenwirkung intendieren Opinion Leader andere Marktteilnehmer von ihren Meinungen zu überzeugen. Um dieses Ziel zu erreichen ist der Aufbau eines
möglichst grossen Netzwerks an Followern notwendig. Dies gelingt vorzugsweise durch den Einsatz von Social Media Plattformen. Sofern kein kommerzielles Abhängigkeitsverhältnis besteht, spielt es hinsichtlich der Markennutzung für Opinion Leader meist keine Rolle wofür die Marke eigentlich steht oder welche Ziele die Markenführung verfolgt. Wichtig ist lediglich, dass der öffentlichkeitswirk same Markenkonsum für Individualität und Po pularität sorgt. Somit können Marken in kurzer Zeit von neuen Assoziationsketten geprägt werden, die das Markenbild ausserhalb der Kontrolle der Markenverantwortlichen nachhaltig beeinflussen.
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These 3: Diversität durch soziokulturelle Veränderung
Nicht nur die Kommunikation wird durch das Internet beschleunigt, sondern auch der Modus des menschlichen Zusammenlebens. Die rapide Informationsweitergabe impliziert gesellschaft liche Entwicklungen mit Einfluss auf die Konsumwelt: die eigendynamische Vermischung von kulturellen Systemen und sozialen Normen führt zur Entstehung neuer Subkulturen; durch neu artiges Konsumverhalten wird dem Wunsch nach Abgrenzung und Einzigartigkeit Ausdruck ver liehen; Marken werden für Propagandazwecke von (Rand-)Gruppen entkontextualisiert und manipulativ umgestaltet. Der resultierende Anstieg an soziokultureller Diversität hat zur Folge, dass es für Unternehmen immer schwieriger wird ein einheitliches Markenbild zu etablieren. Als Gegenmassnahme entwickelte der amerikanische Kulturökonom Douglas Holt das Konzept des «cultural branding». Dieses spezifiziert Handlungsmaximen mit Hilfe derer eine Marke in eine Kulturikone transformiert werden kann. Derar tige Markenikonen zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen hohen symbolischen Identitätswert haben. Marken wie Levi’s oder Marlboro sind Beispiele hierfür. Beide bedienen sich dem «Wild West» Narrativ und haben dieses tief in den Köpfen der Konsumenten verankert (Abb. 3). Oft gehen Kunden mit Markenikonen tiefe emo tionale Beziehungen ein, da sich diese gut eignen, um anderen Marktteilnehmern die eigene Iden tität zu signalisieren.
Abbildungen 3: Cultural Branding und Markenikonen (Quelle: Pinterest)
UMKÄMPFTE MARKEN: EIN PERSPEKTIVENWECHSEL Wem gehört eine Marke eigentlich? Nach Eintragung in einschlägige Markenregister werden Unternehmen rechtlich als Eigentümer einer Marke angesehen. Solange die Rechte Dritter nicht verletzt werden, bedeutet dies, dass Unternehmen andere von jeglicher Einwirkung auf ihren immate riellen Vermögensgegenstand ausschliessen dürfen. Darauf aufbauend nehmen klassische Marketing theorien an, dass der legale Markeneigentümer die Bedeutung einer Marke festlegt und kontrolliert. Die alltägliche Praxis zeigt jedoch, dass eine Vielzahl an Anspruchsgruppen Einfluss auf die dominante Markenbedeutung nimmt. Da in unserem globalisierten Wirtschaftssystem jeder Konsument Zugang zu Markenprodukten hat, ist der Prozess der «Brand Meaning Co-Creation» unaufhaltbar. Volkswirtschaftlich stellen Marken keine privaten Güter, sondern vielmehr Gemeinschaftsgüter dar (Abb. 4). Die Nutzung einer Marke ist nicht zu begrenzen, dennoch besteht Rivalität zwischen den Nutzern. Das Markenrecht kann nicht verhindern, dass Marken durch legalen Konsum in ihrer Bedeutung entkräftet oder negiert werden.
Ferner besteht neben der rechtlichen auch die Möglichkeit einer psychologischen Eigentümerschaft. Dies impliziert die affektive Wahrnehmung, Eigentümer einer Sache zu sein, obwohl dafür keine rechtliche Grundlage besteht. Gemäss des amerikanischen Konsumforschers Russell Belk betrachten psychologische Eigentümer Marken häufig als eine Erweiterung ihres «Selbst». Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass es hierfür drei zentrale Gründe gibt: (1) den Drang nach Kontrolle des persönlichen Umfelds, (2) das Streben nach symbolischem Besitz zum Ausdruck der eigenen Identität und (3) das Verlangen nach Heimat. Zudem begründet die psychologische Eigentümerschaft an Marken den Wunsch der Konsumenten bei der Markenführung mitzuwirken. Dies kann zu unvorhersehbaren Interpretationen und ungewollter Verwendung einer Marke führen. Da verschiedene Anspruchsgruppen durch Ihren (Nicht-)Konsum Markenassoziationen unkontrollierbar mitgestalten können wird deutlich, dass eine Marke keinesfalls nur dem rechtlichen Urheber gehört.
Abbildung 4: Marken als Gemeinschaftsgut (Quelle: Mohr & Tomczak, 2015)
Wie wird eine Marke umkämpft? Eine «umkämpften Marke» liegt vor, wenn zwei oder mehr Anspruchsgruppen eine Marke unterschiedlich interpretieren und die zugehörigen Assoziationen durch öffentlichen (Anti-)Konsum zum Ausdruck gebracht werden. Dies kann eine Veränderung der Markenbedeutung zur Folge haben. Die relevanten Anspruchsgruppen umfassen den rechtliche Marken eigentümer, die Kunden sowie andere Konsumenten. Von jeder dieser Parteien kann eine umkämpfte Markensituation ausgelöst werden. Dabei muss eine umkämpfte Marke nicht zwingend mit negativen Konsequenzen für den Markeninhaber verbunden sein. Da dies jedoch häufig der Fall ist, bedarf es einer angemessenen Vorsorge, einem gegenwartsnahen Monitoring sowie geeigneter Handlungsstrategien zur Eindämmung einer umkämpften Marke. Im Allgemeinen gibt es zwei Ursachen für die unternehmensbedingt Umkämpfung einer Marken: Performancediskrepanz und Wertediskrepanz. In beiden Fällen besteht ein Missverhältnis zwischen den Erwartungen der Konsumenten und dem Verhalten des Unternehmens. Bei Nichterfüllung einer erwarteten Performance (z.B. Produktqualität) oder Wertehaltung (z.B. Corporate Social Responsibility), tendieren Konsumenten zunehmend dazu ihr Missfallen auf die Marken zu übertragen und ihren Ärger der Öffentlichkeit zu signalisieren. Insbesondere bei wiederholter Wahrnehmung von Performance- oder Wertediskrepanzen hinterfragen Konsumenten die Markenbedeutung, teilen ihre negativen Erfahrungen mit anderen Markteilnehmern oder rufen sogar zum Markenboykott auf. Beispiele sind die Umkämpfung von Abercrombie & Fitch nach dem öffentlichen Statement
des ehemaligen CEOs Mike Jeffries gegen den Konsum von übergewichtigen Kunden, die scharfe Kritik von Greenpeace an Nestlé aufgrund der umstrittenen Abholzung des indonesischen Regenwaldes oder die öffentliche Debatte gegen Nike hinsichtlich der schlechten Arbeitsbedingungen in asiatischen Fabriken. Beliebte Methoden für die Verbreitung von Anti-Marken-Botschaften sind negatives «Word-ofMouth» oder das Erschaffen sogenannter «Doppel gänger Brand Images». Die Konsumforscher Craig Thompson, Aric Rindfleisch und Zeynep Arsel bezeichnen damit «verunglimpfende Bilder und abwertende Geschichten über eine Marke die in der Öffentlichkeit durch ein lose organisiertes Netzwerk an Konsumenten, Anti-Marken-Aktivisten, Bloggern und Opinion Leader verbreitet werden» und ein Risiko für emotionale Marketingstrategien darstellen (Abb. 5). Unabhängig vom Verhalten des Unternehmens, können Konsumenten auch eigenständig eine Marke umkämpfen. Dies ist der Fall, wenn Marken für individuelle Interessen adaptiert werden. Beispielsweise können Marken als Identitätssymbol reinterpretiert werden, Gruppenzugehörigkeit signalisieren oder zur Abgrenzung von anderen Marktteilnehmern genutzt werden. Sofern der neuartige Markenkonsum dem bestehenden Kundenstamm widerspricht oder sich dieser mit den neuen Kunden nicht identifizieren kann, entstehen kontroverse Markenassoziationen. Die Marke wird somit von beiden Parteien umkämpft. Dies kann zur Folge haben, dass sich die Markenwahrnehmung der Zielkunden verändert und sich diese von der umkämpften Marke abwenden. Als Beispiel werden im folgenden Kapitel die umkämpften Marken Birkenstock und New Balance eingehend betrachtet.
Abbildung 5: Starbucks Doppelgänger Brand Images (Quelle: Thompson, et al., 2006)
Welche Auswirkungen haben umkämpfte Marken? Die möglichen Folgen der Umkämpfung einer Marke sind vielseitig. Generell entstehen unkon trollierte Markenassoziationen. Diese können mit den Interessen des Unternehmens vereinbar sein oder im Wiederspruch dazu stehen. Falls die neuen Assoziationen erwünscht sind bedeutet dies für die Markenführung häufig eine Umpositionierung der Marke unter Ansprache neuer Kunden. Sofern dadurch die bestehenden Kunden nicht negativ beeinflusst werden, ist sowohl eine Erweiterung des Marktanteils als auch eine Steigerung des Markenwerts möglich. Die Ansprache neuer Kunden kann jedoch auch eine Markenverwässerung zur Folge haben. Dabei wird die Marke von einer zu breiten Masse konsumiert und somit in
ihrer Bedeutung unscharf. Dies verwehrt den Konsumenten eine identitätswirksame Abgrenzung von anderen Marktteilnehmern und erzeugt ein unauthentisches Markenbild. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass eine umkämpfte Marke mit ungewollten bzw. negativen Assoziationen aufgeladen wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn vorurteilsbehaftete Randgruppen der Gesellschaft oder radikale Anti-Marken-Aktivisten sich einer Marke annehmen und diese für Ihre Zwecke missbrauchen. Um nicht selbst mit den negativen Assoziationen in Verbindung gebracht zu werden zieht sich der bestehende Kundenstamm zurück und lehnt den weiteren Markenkonsum oftmals ab. Dies kann die Markenpositionierung nachhaltig gefährden und zu einem rapiden Verlust von Marktanteilen führen.
FALLSTUDIEN BIRKENSTOCK & NEW BALANCE
1 Birkenstock, eine Marke die traditionell für orthopädische Gesundheitsschuhe steht, wurde 1774 in Deutschland gegründet. Als Schuhhersteller ist Birkenstock für Sandalen mit Gummi-Kork-Sohle und Lederriemen bekannt. Seit jeher wurden diese als unästhetisch angesehen und als modischer Fauxpas bezeichnet. Die herkömmliche Birkenstock- Kundschaft setzt sich aus Senioren mit Bedarf an bequemen Hausschuhen, aus Berufstätigen (z.B. Ärzten und Apothekern) und aus dem ökologischen Anti-Etablissement zusammen. Jedoch zog Birkenstocks massiver Mangel an Coolness neue Konsumentengruppen an. So wurde die Marke zunächst für Hippies und später für Hipster zu einem ge genkulturellen Identifikationssymbol. Dann, vor etwa fünf Jahren, war Birkenstock unvorhersehbar auf internationalen Fashion Weeks präsent, erschien in Modemagazinen und wurde
fortan in exklusiven Boutiquen verkauft (Abb. 6). Heute präsentieren Fashionistas auf der ganzen Welt die ehemals als unästhetisch denunzierten Sandalen der breiten Öffentlichkeit. Interessanterweise wurde diese Neupositionierung nicht von Birkenstocks Markenführung initiiert. Der CEO von Birkenstock erklärte, dass das Marketing des Unternehmens rudimentär aufgebaut ist und dafür nur ein sehr geringes Budget zur Verfügung steht. Stattdessen erwarben Opinion Leader der Modebranche, im Besonderen das deutsche Model Heidi Klum, psychologisches Eigentum an Birkenstock und transformierten die unattraktiven Sandalen in ein begehrenswertes Modesymbol. Obgleich die Markenverantwortlichen von Birkenstock eine Positionierung im gehobenen Modemarkt nicht intendierten, war die Umkämpfung vorteilhaft, da sich das Markenbild in eine wünschenswerte Richtung weiterentwickelte und die bestehenden Kunden nicht abgeschreckt wurden. Insgesamt erhöhte sich sowohl der Marktanteil als auch der Markenwert von Birkenstock erheblich.
Abbildungen 6: Birkenstocksandalen als Modesymbol (Quelle: Instagram)
2 Die zweite Fallstudie untersucht New Balance, einen amerikanischen Sportschuhhersteller der 1906 geg ründet wurde. Nach zunächst langsamem Wachstum expandierte das Unternehmen in den 1980ern global und etablierte sich als eine der führenden Marken für Schuhe im athletischen Sport- und Lifestylebereich. New Balance unterscheidet sich von den Wettbewerbern insbesondere dadurch, dass das Unternehmen einen wesentlichen Teil der Schuhproduktion in den USA ange siedelt hat. Dieses Alleinstellungsmerkmal war
jedoch auch der Ausgangspunkt dafür, dass die Marke Ende 2016 massiv umkämpft und mit negativen Werten besetzt wurde. Nach der Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten erklärte der Vizepräsident von New Balance: «We feel things are going to move in the right direction». Der Hintergrund war sein Interesse an Trumps Opposition gegen die Transpazifische Partnerschaft (TPP), welche die U.S. Produktionsstrategie von New Balance gefährden könnte. Die Konsumenten missinterpretierten diese Aussage als eine eindeutige Befürwortung der Wahl von Präsident Trump und denunzierten daraufhin die Marke in den sozialen Medien. Zudem machte sich der Daily Stormer, einer der grösste amerikanische Neo-Nazi-Blogs, bekannt für seine antisemitischen, ausländerfeindlichen und homophoben Inhalte, das Statement zu Nutze und verkündete New Balance als den «offiziellen Schuh für weisse Menschen». Der rechten Szene zugehörige Opinion Leader ermutigten Rechtsradikale New Balance Schuhe zu kaufen und ihren Schuhkonsum über die sozialen Medien zu verbreiten. Obgleich sich die Markenführung von New Balance von den rechtsextremen Proklamationen öffentlich distanzierte, veränderte sich die Markenwahrnehmung der Konsumenten radikal. Ehemalige New Balance Enthusiasten boykottierten die Schuhe nicht nur, sondern entsorgten oder verbrannten diese sogar öffentlich, um ihren Widerstand gegen die rechte Szene zum Ausdruck zu bringen (Abb. 7). Ausserdem kritisierten Konsumenten New Balance scharf in den sozialen Medien, verbreiteten nega tive «Doppelgänger Brand Images» und adaptierten ihr Konsumverhalten einerseits aus Protest gegen den Rechtsextremismus andererseits aus Angst selbst mit Neo-Nazis assoziiert zu werden.
Eine qualitative Konsumentenbefragung ergab, dass die rechtsradikale Umkämpfung von New Balance nur eine begrenzte Reichweite auf die Markenwahrnehmung in der Schweiz hatte.
Abbildung 7: New Balance als umkämpfte Marke (Quelle: Twitter)
STRATEGISCHE IMPLIK ATIONEN FÜR DIE MARKETINGPRAXIS Die beiden Fallstudien haben gezeigt, dass das Risiko einer umkämpften Marke durch den Wandel in der Konsumwelt kontinuierlich zunimmt. Das Machtverhältnis zwischen Unternehmen und Konsumenten hat sich vehement verändert. Der rechtl iche Eigentümer kontrolliert die dominante Bedeutung seiner Marken nicht mehr alleine, sondern zahlreiche Anspruchsgruppen nehmen Einfluss a uf diese. Daher sollen die folgenden Handlungsstrateg ien Brand Manager unterstützen umkämpfte M arken zu prognostizieren, Vorsorge zu betreiben und negative Auswirkungen zu vermeiden. (1) Prognose: Als Voraussetzung für die frühzeitige Erkennung einer umkämpften Marke müssen Unternehmen ein tiefgreifendes Verständnis für die soziokulturelle Einbettung der eigenen Markenbedeutung entwickeln. Kulturelle Einflüsse, Konsumenten(-gruppen) sowie Nicht-Kunden müssen als «Co-Creators» von Markenassoziationen akzeptiert werde. Die Erkenntnis, dass Kontrollabgabe in der modernen Markenführung unumgänglich ist, ermöglicht ein dynamisches Markenmanagement mit flexibler Prognose von unerwarteten Ereignissen.
(2) Prävention: Um zu verhindern, dass unerwünschte Markenassoziationen entstehen und sich am Markt verbreiten, sollten Unternehmen den Kernwerten ihrer Marke uneingeschränkt treu bleiben und potentielle Diskrepanzen bzw. Fehlinterpretationen durch polarisierende Konsumenten(-gruppen) vermeiden. Die erweiterten «Ps» der Markenführung (d.h. product, price, promotion, place, people, process, physical evidence) sollten so gestaltet werden, dass Konsumenten keinen Grund zur Beschwerde wegen nichterfüllter Erwartungen haben. (3) Reaktion: Sofern eine abträgliche Markenumkämpfung eintritt, sollte das Brand Management weiterhin mit der Zielkundschaft kommunizieren und sich auf keinen Diskurs mit der Anti-Marken-Bewegung einlassen. Bei performance- oder wertebasierter Umkämpfung ist eine unverzügliche Entschuldigung sowie ein glaubhaftes Besserungsversprechen notwendig, um dem Missfallen bzw. Vertrauensverlust der Konsumenten gezielt entgegenzuwirken. Sollte die Umkämpfung durch egozentrische Markennutzung einer polarisierenden Gruppierung ausgelöst werden, ist eine klare Abgrenzung und die beständige Erfüllung des Markenversprechens wesentlich.
AUTOR Daniel Dietrich Research Associate, Institut für Customer Insight, Universität St. Gallen E-Mail: daniel.dietrich@unisg.ch Phone: +41 (0)71 224 21 36 LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/daniel-dietrich/ Daniel Dietrich ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Customer Insight der Universität St. Gallen. Als Wirtschaftsingenieur erforscht er die technologiegetriebene Trans formation in der Konsumwelt und beschäftigt sich mit verhaltensökonomischen Konsumentenentscheidungen. Neben seiner Forschungstätigkeit unterstützt er Unternehmen durch Beratung und Vorträge zu den Themen Konsumwandel und «umkämpfte Marken».
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In Zusammenarbeit mit Experten aus der Wissenschaft und der Praxis nimmt die GfM eine führende Rolle in der Forschung im Bereich marktorientierte Unternehmensführung in der Schweiz ein. Die GfM-Mitglieder erhalten die wichtigsten Ergebnisse der von der GfM unterstützten Forschungsprojekte in der Publikation «GfM-Forschungsreihe» zugestellt. 01/2018 Trends 2018
01/2017 What’s next ? Kant für morgen 02 /2017 Neue Wege zur Innovation – von der Problemlösung zur Problemfindung 03/2017 Innovation in der Schweiz 04/2017 Influencer Marketing 05/2017 Marketingorganisation der Zukunf t 06/2017 Marke und Authentizität
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