Forschungsreihe 04/2016
Internet of Things
Marketing
Erfolg
Internet of Things Gute Aussichten fĂźr das Marketing
SCHÖNE NEUE WELT – IoT MACHT’S MÖGLICH.
Von der Zahnbürste über das Auto bis hin zum Industrieroboter kommunizieren Gegenstände jetzt eigenständig – sei es mit anderen Objekten, Anwendungen oder auch mit Menschen. Alles ist zunehmend miteinander vernetzt. Dadurch werden die Grenzen zwischen physischer und virtueller Welt zunehmend durchlässiger, die Konsequenz: Das Internet ist quasi überall, willkommen im «Internet of everything».
GERÄTEREVOLUTION Die Verbreitung von Mobile Devices und die Entwicklung drahtloser Netzwerke sind zwei Haupttreiber des rasanten Fortschritts. Gleichzeitig wird die Nutzung der Technologie wirtschaftlich betrachtet immer interessanter, denn die Kosten für Sensoren und von Connectivity sinken. Mobile Endgeräte wie Smartphones bieten einen digitalen Zugang zu Produkten und Services – vor allem im Bereich der Steuerung und Nutzung neuer Dienste, die auf physischen Produkten basieren (Car2Go, Airbnb etc.). Auch im B2B-Kontext, etwa in der Industrie, geht die Reise weiter. Die «neue» Welt wird damit durch neue Services und Dienstleistungen bestimmt, die dank IoT kontextuelle Informationen ge-
Mobile Geräte (in Milliarden) 25 20
15 10
5 0
2016
2017
2018
2019
2020
Bis 2020 wird sich die Zahl der Geräte auf 25 Milliarden er höht haben. Dabei wird es 2019 allein doppelt so viele Inter net of Things-Geräte geben, wie Smar t phones, Tablet s und PCs. (Quelle: BI Intelligenc e)
1
« Blog W ir t s chaf t s woche» «K roker ’s Look @ I T» vom 18. M ä r z 2015: ht t p:// blog.w i wo.de/ look-at-i t /2015/03/18/ inter net-of-t hings-5-millia rden-ver net z tegerate-und-70-millia rden-dolla r-ums at z-im-ja hr-2015/ (S t a nd Augus t 2016)
nerieren. Dies zeigt sich etwa, wenn es um das Abrufen von Informationen oder die Steuerung von Anwendungen im «Smart Home» geht. R ASANTES WACHSTUM – AUCH DER DATEN Unzählige Objekte sind mit Sensoren verknüpft und sind über Internet erreichbar. Bis 2020 sollen es laut dem Marktforscher BI Intelligence 25 Milliarden sein. Andere Experten sprechen bereits von einer Billion. 2019 wird es doppelt so viele IoT-Geräte geben wie Smartphones, Tablets und PCs zusammengenommen, schätzt BI Intelligence. Zu diesem Zeitpunkt soll mit Produkten, Technologien und Services rund um das Internet der Dinge weltweit eine Summe von 1,7 Billionen Dollar erlöst werden. 1
BIG DATA
Wer über IoT spricht, spricht auch über Big Data. Denn die Vernetzung von physischen Objekten ist mit einer Datenexplosion verbunden. Man stelle sich vor, dass sämtliche Geräte im Haushalt vernetzt werden. Damit lässt sich aufgrund der Daten herausfinden, wann und wie oft sie benutzt werden, an welchem Zeitpunkt sie kaputtgehen oder einen allfälligen Service benötigen. Die Daten sind also das neue Gold für das Produktmarketing und der Umgang mit grossen Datenmengen wird zur neuen Königsdisziplin.
BIG DATA
DER RICHTIGE ZEITPUNKT? JETZT! Stand 2015 ist IoT als Technologie auf dem sogenannten «Gipfel der überzogenen Erwartungen» des Gartner Hype Cycle angelangt. 2 Weil das Thema so breit ist, hat Gartner es mittlerweile sogar in Subthemen aufgeteilt: Smart Home, Smart Cars, IoT-Plattformen und vieles mehr. Das bedeutet: Bis IoT wirklich produktiv ist, werden schätzungsweise weitere Jahre vergehen. Für Unternehmen ist also jetzt genau der richtige Zeitpunkt, sich mit dem Thema zu befassen und eine eigene IoT-Vision zu entwickeln. Dabei besteht die Herausforderung darin, IoT sinnvoll und gewinnbringend in die Digitalisierungsstrategie zu integrieren. Das erfordert nicht nur das Einführen neuer Prozesse und ein internes Veränderungsmanagement, sondern kann letztlich auch soweit gehen, dass neue Geschäftsmodelle entstehen müssen.
EIN BLICK IN DIE PRAXIS Die Transformation ist bereits in vollem Gang. Besonders im B2B-Geschäft zeigen eindrucksvolle Praxisbeispiele, was möglich ist. Erfolgreich wird das IoT bereits in der Produktion eingesetzt. Industrie 4.0 ist für die Industrie ein echter Wachstumsmotor. Dabei geht es nicht nur um mehr Effizienz durch Automatisierung oder um Innovation, sondern immer auch um ein verbessertes Kundenerlebnis. 2
a r t ner-Pre s s emi t teilung «G a r t ner ’s 2015 Hy pe C ycle for Emerging Technologie s Ident i f ie s t he C ompu t ing Innovat ions G T hat O rga niz at ions Should Moni tor» vom 18. Augus t 2015: ht t p:// w w w.ga r t ner.c om /new sroom / id /3114217 (S t a nd Augus t 2016)
ALLES WIRD SMART – AUCH DIE FABRIK
Ob Digitalisierung, IoT oder Automation Robots – Industrie 4.0 veränder t die Produk tion.
Das intelligente Vernetzen von Produktionssystemen, Bauteilen und Menschen ist ein wesentliches Merkmal von Industrie 4.0. Wie das in der Praxis aussehen kann, demonstriert beispielsweise Trumpf aus Ditzingen. 3 Für den Maschinenbauer ist der Trend zur individuellen Massenproduktion ein wesentlicher Treiber bei der Digitalisierung des eigenen Unternehmens. Beispiel: Viele Kunden wollen heute ihr neues Auto mitgestalten. Diese Entwicklung erhöht den Veränderungsdruck auf die Fertigung. Diese muss wesentlich schneller und flexibler werden und sich zu einer «Smart Factory» entwickeln. Die flexible, automatisierte, vernetzte Fertigung von Trumpf in Gerlingen ist nach den Prinzipien von Industrie 4.0 aufgebaut und stellt Stanzwerkzeuge nach Kundenwunsch her. Die Kunden, etwa Zulieferer, suchen sich über den Web-Shop von Trumpf Basiskomponenten für ihr Stanzwerkzeug heraus. Parameter wie Form und Grösse können sie individuell gestalten. Eine Software erfasst die Daten und leitet sie direkt an die Produktionssysteme in Gerlingen weiter. Dort bauen Roboter das angeforderte Werkzeug. Wenn ein Auftrag erledigt ist, holen sie
sich selbstständig den nächsten – und das rund um die Uhr. In Zukunft sollen auch die Werkstücke selbst per Laser mit wichtigen Informationen versehen werden. Das hilft den Kunden beim Einbau in die eigene Fertigung und sorgt ausserdem dafür, dass der gesamte Bestellund Abwicklungsprozess digital abgebildet ist. Vernetzt, effizient, flexibel, schnell und transparent. Die Trumpf-Kunden erleben das Business im Prinzip genauso wie ein Privatkunde, der bei Amazon bestellt. Und: Sie können ihr Produkt selbst mitgestalten. Neben diesen Elementen helfen die gesammelten Daten bei der Weiterentwicklung des eigenen Angebotes. Durch das Erkennen bestimmter Bestellmuster und -zeiten lassen sich zukünftig auch passende Marketingmassnahmen entwickeln, die den Kunden situativ unterstützen.
3
I ndus t r ie a n zeiger.de «Produk t i ver s ein durch Ver net zen» vom 29. Juni 2015: ht t p:// w w w.indus t r ie a n zeiger.de/er p/-/a r t icle/32571342 /40900352 / Produk t i ver-s ein-durch-Ver net zen /a r t _c o_ INSTA NCE _0000/ma x imized / (S t a nd Augus t 2016)
WARTUNGSKOFFER SMARTPHONE Für den Schweizer Aufzug- und Fahrtreppenhersteller Schindler hat das Thema Wartung und Service oberste Priorität. 4 IoT hilft Schindler dabei, seine Prozesse in diesem Bereich vollständig zu digitalisieren. Die Fahrtreppen und Aufzüge des Unternehmens sind rund um den Globus im Einsatz. Sie werden nach und nach mit intelligenten Sensoren ausgerüstet, damit sie automatisch und detailliert Auskunft über ihren Zustand geben können.
Die rund 30 000 Servicetechniker von Schindler arbeiten mit dem iPhone. Dieses dient ihnen als «digitaler Werkzeugkoffer». Eine App hilft bei der effektiven und ressourcensparenden Einsatzplanung, zeigt Bau- und Wartungspläne von Anlagen und ermöglicht das Bestellen von Ersatzteilen. Ausserdem dient das iPhone als Analysegerät für den aktuellen Zustand von Anlagen, die mit Sensoren versehen sind.
Einsatzplanung
Bestellung von Ersatzteilen
Digitaler Werkzeugkoffer
Wartungspläne
4
N eue Zürcher Zeit ung «Schindler f lick t Au f züge mit dem iPhone» vom 14. Juni 2016: ht t p:// w w w.n z z.ch / w ir t s chaf t / f r uechte-der-digi t a lisier ung-s chindler-f lick t- au f zuege-mi t-dem-iphone-ld.88698 (S t a nd Augus t 2016)
Baupläne
SERVICE WIRD WICHTIGER ALS DAS PRODUKT Auf diese Weise sind Service-Techniker von Schindler im Idealfall schon unterwegs, bevor ein Aufzug überhaupt stehenbleibt. Ein anschauliches Beispiel für «Predictive Maintenance». Das Potenzial ist klar: Überzeugender Service lässt sich ebenso gut oder zukünftig sogar besser verkaufen wie zuverläs sige Hardware. So hat General Electric Milliarden in IoT investiert und vorgemacht, wie der Wandel vom Anbieter von Investitionsgütern hin zum Dienstleister funktioniert. 5 Ob es um Industrie 4.0, intelligente Service-Modelle oder das Smart Home geht – der Fokus liegt künftig auf der bestmöglichen Vernetzung mit dem Kunden und darauf, seine Bedürfnisse zu erfüllen. So wird das häufig zitierte Lippenbekenntnis «Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt» Realität. Das Modell birgt Chancen für sämtliche Unternehmens bereiche – nicht zuletzt für das Marketing. An den Beispielen Trumpf und Schindler zeigt sich exemplarisch: Das Marketing kann die gewonnenen Produkt- oder Servicedaten tagesaktuell in seine Kommunikation einfliessen lassen und die Kunden so immer gezielter ansprechen.
5
M DS Blog «Da s Inter net der Dinge verä nder t die Wel t . . . auch im B2B-Ver t r ieb» vom September 2015: ht t p:// w w w.mds.eu / blog / inter net-der-dinge-und-b2b-ver t r ieb (S t a nd Augus t 2016)
IoT: WARUM UND WIE DAS MARKETING PROFITIERT Durch die allumfassende Vernetzung entstehen für Unternehmen unendliche Möglichkeiten, zuzuhören und auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einzugehen – dafür müssen sie im Marketing allerdings einige Kompetenzen aufbauen oder verstärken. Doch die Umstellung zahlt sich aus: VERBESSERUNG DER KUNDENBEZIEHUNG: Durch ein neues, datenbasiertes Kundenverständnis kann das Marketing gezielter und individueller auf den Bedarf der Kunden eingehen – etwa in der Produktkommunikation. Tritt beispielsweise ein Service-Fall ein, kann die Datenauswertung dabei helfen, dem Kunden in Echtzeit und auf dem richtigen Kanal ein Ausgleichsangebot zu machen.
GEZIELTE VERK AUFSFÖRDERUNG: Das Beispiel des Maschinenbauers Trumpf zeigt: Dank IoT müssen Kunden nicht einfach das Produkt kaufen, das auf Lager ist. Vielmehr werden sie proaktiv in die Produktion integriert und können ihre individuellen Anforderungen einbringen. Das fördert letztlich Kundenbindung und Abverkauf. MEHR EFFIZIENZ DURCH SYNERGIEN: Durch IoT werden interne Silos durchlässiger. Mit den relevanten Informationen zur rechten Zeit am rechten Ort bekommt beispielsweise der Vertrieb neue Vermarktungsargumente für einen erfolgreichen Abschluss an die Hand. Andererseits profitiert Marketing von einer besseren Vernetzung mit der Produktion oder dem Service.
Kundenbeziehung
Verkauf
Marketing Vorteile
Effizienz
CHECKLISTE: VORAUSSETZUNGEN FÜR EIN ERFOLGREICHES IoT-MARKETING Das Internet der Dinge wird neben anderen grossen Treibern wie Cloud oder Mobile dazu führen, dass der Chief Marketing Officer (CMO) eine zentrale Rolle übernimmt, wenn es darum geht, die Kundenbeziehung zu pflegen und zu wahren. Folgende Punkte helfen CMOs dabei, das IoT Marketing aufzubauen und voranzubringen: DATENKOMPETENZ IoT generiert fortlaufend riesige Datenmengen. Um diese Daten, möglichst in Echtzeit, auszuwerten und aus den Ergebnissen die richtigen Handlungen für das Marketing abzuleiten, müssen nicht nur die notwendigen technischen Voraussetzungen – etwa in Form von Big-DataLösungen – vorhanden sein, sondern auch das entsprechende Know-how. Der «Data Scientist» ist daher ein Berufsbild, das im Marketing auf jeden Fall Zukunft hat. FOKUS AUF SICHERHEIT Der Faktor Datensicherheit spielt nicht nur im Consumer-Bereich eine entscheidende Rolle dabei, dem Internet der Dinge zum Durchbruch zu verhelfen. Auch wenn es um Industrie 4.0 geht, muss die IT-Sicherheit oberste Priorität haben, etwa, um gegen HackerAngriffe gewappnet zu sein. Eine komplexe Aufgabe, bei der u.a. der Datenschutz eine zentrale Rolle spielt. PARTNERSCHAFTEN Der Einsatz von IoT beziehungsweise Industrie 4.0 erfordert viel neues Know-how, das nicht immer im Unternehmen vorhanden ist. So hat sich Schindler im Zuge seiner Digitalisierungsstrategie nicht nur mit Apple als Technologiepartner zusammengetan, sondern auch mit General Electric. Trumpf setzt für den Wissenstransfer u.a. auf das Code_n-Ökosystem und hat mit Axoom sogar einen IT-Dienstleister für Industrie 4.0 gegründet.
MUT ZUM EXPERIMENT Nicht von jeder Idee lässt sich der Kunde sofort begeistern. Deshalb ist es wichtig, neue Marketingstrategien in Verbindung mit IoT in Form von Trial & Error auszuloten und dabei Kunden und Nutzer mit einzubeziehen. Schindler etwa hat seine Kunden frühzeitig in die Entwicklung seines Service-Portals sowie seiner App involviert und ihr Feedback mit aufgenommen. FAZIT Das Internet der Dinge birgt für das Marketing ein riesiges Potenzial. Marketing-Verantwortliche sollten sich jetzt mit dem Thema befassen und mit der strategischen Planung beginnen. Dabei geht es vor allem darum, zunächst eine «vernetzte» Vision für das Unternehmen zu entwickeln und die Möglichkeiten von IoT auf die eigenen Produkte und Services zu übertragen.
ÜBER DEN AUTOR JÜRG STUKER ist Par tner und Chief E xecutive Of ficer (CEO) der Namics Kontakt: Juerg.Stuker@namics.com
ÜBER NAMICS Namics gehör t zu den führenden Full-Ser vice-Webdienstleistern für E-Commerce, Digitale Kommunikation, Content Management, Web Applikationen und Mobile Business Solutions im deutschsprachigen Raum. Der in der Schweiz führende E-Business-Spezialist versorgt international tätige Unternehmen mit strategischer Beratung, kreativer Konzeption und technischer Umsetzung aus einer Hand. Das inhabergeführ te Unternehmen wurde 1995 gegründet. An den Standor ten in St. Gallen, Zürich, Frankfur t, München Hamburg und Belgrad betreuen rund 500 Mitarbeitende u.a. folgende Kunden aus den unterschiedlichsten Branchen: BASF, Bausparkasse Schwäbisch Hall, Boehringer Ingelheim, Daimler AG, Drive Now, KUK A, Medela, Migros, Swica, Swiss Life, UBS und Viessmann.
WEITERE INFORMATIONEN Webseite: ht tps://www.namics.com Blog: ht tps://blog.namics.com
PERFOR MANCE
neutral Drucksache No. 01-16-426044 – www.myclimate.org © myclimate – The Climate Protection Partnership
GfM-Forschungsreihe
In Zusammenarbeit mit Experten aus der Wissenschaft und der Praxis nimmt die GfM eine führende Rolle in der Forschung im Bereich marktorientierte Unternehmensführung in der Schweiz ein. Die GfMMitglieder erhalten die wichtigsten Ergebnisse der von der GfM unterstützten Forschungsprojekte in der Publikation «GfM-Forschungsreihe» zugestellt. 01/2016 8 key trends that will shape the future of marketing 02 /2016 Zielgruppen im mobilen Zeita lter wirkungsvoll erreichen 03/2016 Die Brücke zwischen CMO und CIO
01/2015 Globalview 02 /2015 Marketing Transformation 03/2015 D-Time 04/2015 Mit «4-Gewinnt» zur starken Marke 05/2015 Sharing Economy: Teile und verdiene! 06/2015 Trendthema Thick Data
Unter dem Link ht tp://www.gfm.ch/de/forschung/forschungsreihe/ können Sie die GfM-Forschungsreihen der vergangenen Jahre kostenlos downloaden.
S chweizerische Gesellschaf t für Marketing, Löwenstrasse 5 5, 80 01 Zürich Telefon + 41 (0)4 4 202 3 4 25, Fa x + 41 (0)4 4 281 13 30, w w w.gfm.ch, info@gfm.ch