Handelzeitung Spezial Oktober2013

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Lara Gut Die momentan erfolgreichste Skirennfahrerin der Schweiz ist auch eine gefragte Markenbotschafterin. Seite 64

Special Marketing inhalt

Mobility gewinnt GfMMarketingpreis 2013 Die Schweizer Carsharing-Pionierin erhält dieses Jahr den Award der Gesellschaft für Marketing (GfM). Die Mobility Genossenschaft verbinde Innovation und Nachhaltigkeit vorbildlich mit der marktorientierten Unternehmensführung. Seite 61

Wie man in turbulenten Zeiten bestehen kann Der deutsch-schweizerische Medienfuturist und Strategieberater Gerd Leonhard formuliert fünf Thesen zur Zukunft des Marketings. Und Ulrich H. Moser, Präsident der GfM, erklärt im Interview, was Schweizer Firmen heute machen müssen, um morgen erfolgreich zu sein. Seite 62/63

Ambition und Realität der Markenführung Prophet und die GfM haben 32 hiesige Konzerne zu ihrer Markenführung befragt. Dabei fallen zwei Diskrepanzen auf: Zwischen Theorie und Praxis zeigt sich eine deutliche – so nicht zu erwartende – Lücke. Und die besten Unternehmen ­wählen einen gänzlich anderen Zugang als ihre schwächeren Mitbewerber. Seite 65

Interhome definiert den Marketingmix täglich Der Ferienimmobilien-Spezialist der Migros-Reisetochter Hotelplan vollzieht einen radikalen Kurswechsel. Die 17 lokalen Marketingteams weltweit werden durch ein einziges ersetzt, das von der Schweiz aus alle Aktivitäten steuert und so mit ­weniger Mitteln mehr erreicht. Seite 67

St. Galler Pionier des Dialogmarketings

peter frommenwiler

Vor 35 Jahren legte Unternehmer Peter Stössel mit einer Occasions-Kuvertier­ maschine den Grundstein für die MS Mail Service. Heute beschäftigt seine Firmengruppe über 2000 Mitarbeitende, ebenso dazu gehören die erworbene rbc Solutions und die gegründete Quickmail. Seite 74 Dritte Dimension: Christiane Fimpel und Phil Binkert von 3D-Model.ch zeigen, was man heute mit 3D-Druckern alles machen kann – nicht nur Trophäen und Schmuck. Verantwortlich für diesen special: Norman C. Bandi

Im Schatten des Landes

Foto-portfolio Die Bilder der Beilage zeigen die nächste industrielle Revolution – den dreidimensionalen Druck. Das Startup 3D-Model.ch aus Zürich nutzt die Technologie in sämtlichen Variationen täglich, etwa um für die Medizin Knochen zu reproduzieren.

Konzerne Die Schweiz gilt als Weltmeisterin der Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Aufgeschlüsselt nach Investitionen für Forschung und Entwicklung hiesiger Unternehmen lässt sich dies nicht erhärten. Norman C. Bandi

peter frommenwiler

Fotos: Peter Frommenwiler

In den weltweiten Ranglisten zu Inno­ vation und Wettbewerbsfähigkeit belegt die Schweiz regelmässig einen der vor­ dersten Plätze. Vielfach steht sie sogar zuoberst auf dem Podest. Ein Indiz ­dafür, dass die hiesigen Unternehmen ihren Teil zum erfolgreichen Abschnei­ den des Landes beitragen müssten. Doch anhand der am 22. Oktober 2013 zum neunten Mal erschienenen Studie «Global Innovation 1000» der interna­ tionalen Strategieberatung Booz & Com­ pany lässt sich dies nicht erhärten. Die 30 erfassten Konzerne mit Sitz in der Schweiz investierten dieses Jahr zwar rund 31 Milliarden Dollar in For­

schung und Entwicklung (F&E), was aber nur 4,9 Prozent der gesamten F&EAufwendungen der besten 1000 Unter­ nehmen ausmacht – mit 638 Milliarden Dollar (plus 5,8 Prozent) erreicht dieser Wert ein neues Rekordhoch. Immerhin: 18 der 30 hiesigen Kon­ zerne erhöhten gemäss Booz ihre F&ELeistung gegenüber dem Vorjahr. Dabei weisen die Schweizer Unternehmen mit 8 Prozent eine hohe Forschungsinten­ sität aus. Der weltweite Durchschnitt für das Verhältnis von F&E-Ausgaben zu Gesamtumsatz liegt bei 3,6 Prozent. Hingegen: Über 60 Prozent der F&EInvestitionen der hiesigen Konzerne entfallen auf die beiden Basler Pharma­ giganten Roche und Novartis – in ihrer

Sparte sind sie führend. Roche erhöhte die F&E-Aufwendungen um 8,1 Prozent auf 10,2 Milliarden Dollar und liegt da­ mit wie im Vorjahr auf dem dritten Platz der weltweiten Rangliste. Bei Novartis ging die F&E-Leistung um 2,1 Prozent auf 9,3 Milliarden Dollar zurück, womit das Unternehmen von der zweiten Stelle auf die siebte Position abrutscht. Die weiteren Konzerne mit Schwei­ zer Sitz in den Top 100 sind der Halb­ leiterproduzent STMicroelectronics in Genf (58), der Nahrungsmittelmulti Nestlé in Vevey (84) sowie der Energieund Automationstechnikspezialist ABB in Baden (96). Knapp nicht unter den besten hundert ist das Agrarmittel­ unternehmen Syngenta (113) in Basel.

Die besten Konzerne im globalen Vergleich von Booz sind andere. Mit ­einem F&E-Volumen von 11,4 Milliar­ den Dollar ist Volkswagen (Deutsch­ land) neuer Spitzenreiter, gefolgt von Samsung (Südkorea) mit einem F&EVolumen von 10,4 Milliarden Dollar. Als innovativstes Unternehmen gilt weiter­ hin Apple (USA) vor Google (USA), während es Samsung auch in dieser Wertung erstmals in die Top 3 schafft. Indes im «Global Innovation Index», den die gleiche Strategieberatung am 1. Juli 2013 publizierte, schwang unser Land zum dritten Mal in Folge obenaus. www.booz.com/global/home/what-we-think/ global-innovation-1000



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peter frommenwiler

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Rennwagen: Sieht aus wie Lego, ist aber aus einem Guss – das 10 Zentimeter lange Modell eines Formel-1-Boliden aus Plastik, von einem industriellen 3D-Drucker in Farbe gefertigt.

Teilen als Geschäft

GfM-Marketingpreis 2013 Alle Welt spricht heute von Shareconomy. Mobility macht das schon seit Jahren – und wird dafür nun von der Gesellschaft für Marketing ausgezeichnet. Susanne Wagner

M

obility hat etwas geschafft, was vor 30 Jahren kaum jemand für möglich hielt: Mehr als 105 000 Schweizer verzichten darauf, für Auto­ fahrten ausschliesslich den eigenen Pri­ vatwagen zu benutzen. Stattdessen teilen sie den fahrbaren Untersatz mit Gleich­ gesinnten. Das Auto weniger als Status­ symbol zu betrachten, sondern einfach als pragmatische Möglichkeit von A nach B zu kommen – mit dieser Vision schlossen sich Ende 1980er-Jahren ein paar Köpfe in Stans NW zusammen und gründeten eine der Vorläufer-Genossenschaften, Share­ Com. Zehn Jahre später fusionierten sie mit der zeitgleich in Zürich gegründeten ATG Auto Teilet Genossenschaft – und die Mobility Genossenschaft entstand. Damit nahmen sie ein Phänomen vor­ weg, das heute als Megatrend in Gesell­ schaft und Wirtschaft gilt: Shareconomy, sprich Teilen als Lebensphilosophie, bei der Nachhaltigkeit mit Komfort verknüpft wird. Im Gegensatz zu herkömmlichen Autovermietungen erlaubt es das Car­ sharing, ein Fahrzeug nur stundenweise zu mieten. Der Grundgedanke bleibt: Die Kunden nutzen den Wagen, kümmern sich aber nicht um Reparaturen, Service, Unterhalt, Steuern oder Versicherungen. Was klein begann, entwickelte sich zu einem Vorzeigeunternehmen. Auffallend

über 5000 Einwohnern präsent. Das Netz ist so dicht angelegt, dass 65 Prozent der schweizerischen Bevölkerung an ihrem Wohnort Zugriff auf einen Mobility-Stand­ ort haben. Neu sind die unverwechsel­ baren roten Fahrzeuge auf Standorten in Siedlungen präsent. Viviana Buchmann sieht dort ein Kundenpotenzial. «Wir spre­ chen Leute in urbanen Wohnüberbauun­ gen an, die entweder ganz auf das Auto oder auf das Zweitauto verzichten wollen.» Gegen Konkurrenz gewappnet Immer häufiger hört sie, dass die Person, Eine wichtige Voraussetzung für die die den ganzen Tag ausser Haus arbeitet, ­Erfolgsgeschichte ist aber auch das gute den Familienwagen zuhause lässt und den Netz des öffentlichen Ver­ Arbeitsweg mit dem öffentli­ kehrs (ÖV). «Mobility be­ chen Verkehr kombiniert mit Die Coolness deutet Anschlussmobilität. Mobility zurücklegt. von Carsharing Das gut ausgebaute ÖV-Netz Die dynamische Entwick­ in der Schweiz ist ideal, um lung der Branche bringt noch stärker kombinierte Mobilität zu le­ herausstreichen Konkurrenz hervor. Etwa ben», sagt Geschäftsführerin eMotion, das Carsharing-­ als neues Ziel. Viviana Buchmann. Organi­ Pilotprojekt mit Elektrofahr­ sationen wie SBB, Zürcher zeugen der Migros-Tochter Verkehrsverbund und andere regionale M-Way. Oder das Projekt Sharoo, auch von Tarifverbünde waren seit Beginn entschei­ M-Way, das sich noch bis Ende Jahr in der dende Kooperationspartner – ebenso im Testphase befindet. Mobility-Chefin Vivi­ Marketing. Dazu kamen in den letzten ana Buchmann meint dazu: «Mitbewerber Jahren Grossverteiler wie die Migros, was beleben den Markt. Es ist positiv, wenn den Nutzern ermöglicht, mit ihren Fahrten sich mehr Leute mit dem Thema ausein­ zusätzliche Cumulus-Punkte zu sammeln. andersetzen.» Sie betont, dass sich die An­ Damit Carsharing überhaupt funk­ gebote stark unterscheiden. Beim Sharootioniert, ist eine gewisse Anzahl Kunden Modell stellen Privatpersonen ihr eigenes nötig. Deshalb setzt Mobility auf eine breite Auto zum Teilen zur Verfügung. Mobility Abdeckung und ist in jeder Ortschaft mit hingegen entlastet die Kunden von jeg­

hoch ist heute die E-Business-Quote von über 93 Prozent. Bereits 1999 ermöglichte Mobility Reservationen per Internet – in einer Zeit, als das tägliche Leben noch längst nicht derart online durchdrungen war wie heute. Der einfache Zugriff für die Kunden, unter anderem dank der Anwendung der neusten IT-Lösungen, ­ ­gehört bei Mobility zu den Grundpfeilern des Marketings und des Unternehmens.

lichem organisatorischem Aufwand des Wagenbesitzes.

Firmen und junge Leute im Visier Um für die Anforderungen in der Zu­ kunft gewappnet zu sein, investiert Mobi­ lity laufend in die technische Infrastruktur. Ein wichtiges Thema ist die Firmenmobi­ lität, denn der Mix aus Geschäfts- und ­Privatkunden sorgt für eine optimale Aus­ lastung der Fahrzeuge. Im Rahmen des Angebots Pool-Carsharing rüstet Mobility bereits vorhandene firmeneigene Autos mit der Mobility-Technologie aus, um die Handhabung zu verbessern und die Flotte besser auszulasten. Solche Angebote im Firmenkunden­ bereich will Viviana Buchmann mit ihrem Team in Zukunft noch besser bekanntma­ chen. Handlungsbedarf besteht ihrer ­Ansicht nach auch, wenn es darum geht, «die Coolness von Carsharing noch ­stärker ­herauszustreichen». Denn sie ist d ­ avon überzeugt, dass das Konzept von Mobility zum heutigen urbanen und modernen ­Lebensstil passt. Dazu gehört auch eine ausgebaute Flexibilität, die das Pilotpro­ jekt Free Floating in naher Zukunft an­ strebt. Mit Free Floating können Kunden Autos per Smartphone orten und ohne vorgängige Reservation nutzen. Damit ­reagiert Mobility auf die Nachfrage der jungen Kunden nach spontanen Einweg­ fahrten ohne Angabe einer Endzeit.

Mobility

105 000 Kunden, 47 Prozent beteiligt, 2650 Fahrzeuge, 100 Prozent nachhaltig

Unternehmen Den 17 400 Kunden der 1997 gegründeten Mobility Genossen-

mehr als 105 000 Mobility-Kunden sind 47 Prozent Genossenschafter. An 1380 Standorten in 500 schweizerischen Ortschaften stehen 2650 Fahrzeuge bereit.

keystone

Preisträger Mobility ist die Gewinnerin des mit 20 000 Franken dotierten GfMMarketingpreises 2013. Die Gesellschaft für Marketing (GfM) hat ihn am 29. Ok­ tober zum 29. Mal verliehen. Die Luzerner Genossenschaft folgt auf Freitag (2012), Geberit (2011), Mobiliar (2010), Mammut (2009) und Logitech (2008). Mit ihrem «Jahrespreis der Stiftung für Marketing in der Unternehmensführung» zeichnet die GfM seit 1984 Persönlich­ keiten oder Unternehmen aus, die durch aussergewöhnliche Marketingleistungen aufgefallen sind. Mobility wurde dieses Jahr unter 77 Bewerbungen ausgewählt.

Pro Nutzer von Mobility sinkt der CO2Ausstoss um 298 Kilogramm pro Jahr.

schaft stehen zu Beginn 760 Fahrzeuge zur Verfügung. Heute ist Mobility eines von drei am meisten verbreiteten Carsharing-Systemen in Europa und beschäftigt 200 Mitarbeitende. Von den

Begründung Manfred Bruhn, Professor für Marketing an der Universität Basel und Präsident des Stiftungsrats der GfM: «Die Innovation ist der zentrale Erfolgstreiber. Mobility hat das Thema Sharing als Megatrend als einer der Ersten in der Wirtschaft erkannt. In der Zwischenzeit gibt es in anderen europäischen Ländern Imitatoren. Auch das Konzept des Carsharing ist innovativ. Dank Selbstbedienung rund um die Uhr ist eine stundengenaue Abrechnung möglich. Mobi­lity ist nicht nur in Sozialen Medien präsent,

durch Apps können die Fahrzeuge ­gebucht werden. Die neuste Innovation, das Free Floating, erlaubt ab 2014 eine noch freiere Nutzung. Der nachhaltige Erfolg von Mobility zeigt sich zudem in der hohen Loyalität – 30 Prozent der ­Kunden haben ihr Privatauto verkauft. Mobility Carsharing war eine der ersten Firmen, die eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt haben. Dank Mobility fahren jährlich 23 000 Autos weniger und pro Nutzer sinkt der CO2Ausstoss um 298 Kilogramm pro Jahr. Massgebend waren auch die dominante Marktposition von Mobility unter den drei meistverbreiteten Carsharing-Systemen in Europa und der einfache Kaufund Nutzungsprozess für die Kunden.»

«Lancieren ­Pilotprojekt Free Floating» Wie hat sich das Marketingkonzept von Mobility seit der Lancierung im Jahr 1997 verändert? Viviana Buchmann: Anfangs machten wir unser Produkt vor allem mittels ­Kooperationen mit unseren Mobilitäts­ partnern wie den SBB oder den Tarif­ verbünden bekannt. Erst vor rund sechs Jahren war Mobility in der Lage, eine selbstständige Werbekampagne mit ­Inseraten, Plakaten und TV-Spots aus eigenen Mitteln auf die Beine zu stellen.

Viviana Buchmann Geschäftsführerin, Mobility Genossenschaft, Luzern

In letzter Zeit sind wir mehr zu differen­ zierterer Marktbearbeitung übergegan­ gen. Dazu gehört städtespezifisches und zielgruppenorientiertes Marketing. Mit Mobility hat nun wieder eine Ge­ nossenschaft den GfM-Marketingpreis gewonnen. Hat die Rechtsform einen Einfluss auf die Marketingstrategie? Buchmann: Diese Rechtsform ermög­ licht es uns, innovativ zu bleiben und eine langfristig angesetzte Strategie mit einer nachhaltigen Entwicklung des ­Angebots umzusetzen. Als Genossen­ schaft müssen wir nicht auf den nächs­ ten Quartalsabschluss hinarbeiten oder bei jeder Schwankung das Steuer ­herumreissen. Carsharing ist eine sehr ­investitionsintensive Tätigkeit, die sich nur langfristig auszahlt. Welches sind nebst Ihrem Marketing ­weitere Erfolgsfaktoren von Mobility? Buchmann: Entscheidend ist, dass wir technologisch spitze bleiben und die ITLösungen für unsere Angebote laufend ausbauen. Deshalb entwickeln wir auch die Apps für die mobilen Geräte kontinuierlich weiter. Beispielsweise für die Smartphones, mit denen die Kunden bei unserem Pilotprojekt Free Floating, das wir 2014 lancieren wollen, das gewünschte Auto orten können. interview: Susanne Wagner


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handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Fünf Thesen Marketing wird zu Inhalt

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Gerd Leonhard Chef, The Futures Agency, Arlesheim BL

«Bis zum Jahr 2020 wird unautorisierte Kundenansprache nutzlos geworden sein.»

Allgemeinheit gewährleistet. Denn wer wird seine Location bekannt geben, wenn er sich nicht sicher fühlt? • These 4: Firmen werden versuchen voraus­ zusagen, wie die Menschen über ihren Brand denken, um dann in Echtzeit Merkmale zu ­ändern und die Konversation mit den Kunden neu zu beginnen. Alle Unternehmen der Zukunft werden eine grosse Aufgabe haben. Dafür zu sorgen, dass sich der Verbraucher geschätzt und geschützt fühlt. Zu gewährleisten, was Amazon «customer delight» (Kundenglück) nennt, wird die wichtigste Mission sein. Wenn eine Firma dies vermasselt, wird sie von allen verlassen werden. • These 5: Unternehmen können so viele Informationen sammeln, wie sie wollen, aber Daten allein werden nie genug sein, denn man wird die Kunden nach wie vor auf einer emo­tionalen Ebene erreichen müssen. Die Quint­essenz für Marketeers wird folgender Grundsatz sein: Wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht vermenschlicht wird, wird es oder sie sich nicht verkaufen. Ein Kaufentscheid wird kein ­intellektueller Prozess mehr sein, bei dem man denkt, etwas könnte nützlich sein – er wird nur erfolgen, wenn man sich sagt: «Das will ich wirklich.» Marketing und Werbung müssen in der ­Zukunft mehr zu Inhalt werden, damit wir überhaupt noch am Empfangen interessiert sind. Fast alle Marken werden zu Sendern und ­Ver­legern (social-local-mobile-video-cloud = SoLoMo+), und sämtliche Telekommunika­ tionskonzerne sowie Internetplattformen müssen unsere Daten und Privatsphären aktiv ­verteidigen – sonst heisst es nur noch «do-notrack» und «unlike» auf den digitalen Kanälen. Gerd Leonhard ist Medienfuturist, Strategieberater und Chef von The Futures Agency in Arlesheim BL.

peter frommenwiler

D

ie Zukunft ist digital. Das Marketing ist digital. All dies hat gravierende ­Auswirkungen – für die adressierten Konsumenten, für die adressierenden Unternehmen. Die nächsten Jahre bringen Veränderungen, die wir so nicht erwarten und so noch nie gesehen haben. Fünf Thesen dazu, wie die Zukunft des Marketings aussieht. • These 1: Bis zum Jahr 2020 wird Unterbrechungswerbung praktisch verschwunden sein. Stattdessen wird Marketing individualisiert, kundenspezifisch und an das angepasst werden, was ich als meine Wünsche oder Opt-ins ausgedrückt habe. Konkret heisst dies, dass Marketing zu Inhalt wird. Dabei werden Daten essenziell sein und wir als User werden mit ­unseren Daten spielen und einige persönliche Informationen für die Nutzung von Platt­formen sowie Dienstleistungen eintauschen. Konsumenten werden Beziehungen zu Brands ein­ gehen, die auf Vertrauen aufgebaut werden. Und wenn eine Firma dieses Vertrauen missbraucht, wird sie untergehen. Bis in sieben Jahren wird die unautorisierte Kundenansprache nutzlos geworden sein. Ich als Konsument entscheide, von wem ich hören möchte. Ich werde Dinge mögen oder nicht. Unternehmen müssen bei mir Punkte gutmachen. • These 2: Separate Marketingabteilungen werden verschwinden. In Zukunft wird der Kaufgrund sozial motiviert sein. Wenn ein Produkt grossartig ist und es alle lieben, wird es sich verkaufen. Und Kunden werden aufhören, ­ ­Produkte von Firmen zu kaufen, die nicht ihren Werten entsprechen, weil sie keinen Grund ­dafür sehen, denen Geld zu geben. • These 3: Ortsbasierte Dienstleistungen werden ungemein wertvoll und nützlich sein, aber nur, wenn eine Art Privatsphären-Bank ins ­Leben gerufen wird. Eine ermächtigte, neutrale Autorität oder Instanz, die die Sicherheit der

Kleiderhaken: Salopp gesagt im Spaghetti-Verfahren produziert.


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handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

«In turbulenten Zeiten wesentlicher Treiber» Interview: Norman C. Bandi

Das Jahr 2013 stand bei der GfM unter dem Motto «Core Principles of Superior Marketing». Wie gut ist Ihren über 740 Mitgliedern die Rückbesinnung auf die Kernaufgaben geglückt? Ulrich H. Moser: Die GfM-Mitgliederfirmen verfolgen mehrheitlich nachhaltige und auf langfristige Unternehmensziele ausgelegte Marketingstrategien. Zudem stellen wir immer wieder mit Freude fest, dass sie sich nicht von kleinen Mode­ erscheinungen verführen lassen. Unsere

der mensch Name: Ulrich H. Moser Funktion: Präsident der GfM (seit 2007); Profi-Verwaltungsrat, etwa bei Alfred Müller, Hug und Rivella Alter: 57 Wohnort: Zug Ausbildung: Ökonom HWV (FH), AMP Harvard Business School Die Organisation Die 1941 gegründete Gesellschaft für Marketing (GfM) ist in der Schweiz die Plattform für marktorientierte Unternehmensführung. Ihr gehören über 740 Firmen aller Branchen und öffentlich-recht­ liche, marktwirtschaftlich ausgerichtete Institutionen als Mitglieder an.

Mitglieder konzentrieren sich auf wenige, aber wichtige Dinge im Marketing. Für Unternehmen, die den propagierten Appell noch nicht verinnerlicht haben: Wie lauten die «Core Principles of ­Supe­rior Marketing» und wofür stehen sie? Moser: Unser Vorstandsmitglied Stefan Michel, Marketingprofessor am IMD in Lausanne, hat an der diesjährigen GfM Marketing-Trend-Tagung die 3C lanciert. Sie stehen für: Co-Create Value – Mehrwert mit dem Kunden schaffen, Communicate Value – den Mehrwert kommunizieren, Capture Value – eine Preisprämie für den Mehrwert erwirtschaften. Früher hiess der Grundsatz 4P: Product, Price, Promotion, Place. Lösen die neuen 3C nun den alten Marketingmix ab? Moser: Nein. Die 3C sind eine logische Weiterentwicklung der 4P. Wer heute im Marketing Erfolg haben will, kommuniziert und interagiert mit seinen mündigen Kunden auf partnerschaftlicher Ebene. Das Jahr 2014 steht bei der GfM unter dem Motto «Successful Marketing in Turbulent Times». Die Zeiten sind immer turbulent. Weshalb rückt das erst jetzt in den Fokus? Moser: In der Wirtschaft muss man ak­ zeptieren, dass turbulente Zeiten eher zur Regel als zur Ausnahme werden. Wer auf ruhige Zeiten hofft, wird wahrscheinlich enttäuscht werden. Erfolgreiche Marketeers haben begriffen, dass Marketing vor allem in turbulenten Zeiten ein wesent­ licher Treiber zur Sicherstellung des Unternehmenserfolges sein muss. Die Krise als Tagesgeschäft. Moser: Turbulente Zeiten sind nicht zwingend immer Krisen. Neue Absatzmärkte – Stichwort Schwellenländer – bieten Chancen für etablierte Unternehmen. Diese positiven Turbulenzen stellen das Marketing ebenfalls vor grosse Herausforderungen. Firmen neigen dazu, bei wirtschaftlichem Gegenwind auf die Vermarktungsbremse zu treten, weil sie Kosten sparen müssen.

News

GfM präsentiert Gerd Leonhard Einmal mehr organisiert die Gesellschaft für Marketing (GfM) Anfang Jahr zweimal ihren Brush-up, um Interessierten e­ inen Ausblick auf die Zukunft zu bieten. «Radikaler Wandel – working, learning and ­living in the future», lautet diesmal der ­Titel des Keynote-Referats von Gerd ­Leonhard. Der deutsch-schweizerische Doppelbürger ist einer der angesagtesten Medienfuturisten und Strategieberater sowie Chef von The Futures Agency mit Sitz in Arlesheim BL. Die beiden GfM Brush-up zum Jahresauftakt finden ­jeweils von 12 bis 13 Uhr mit anschlies­ sendem Apéro statt: Donnerstag, 16. Januar 2014, an der Universität Bern; Freitag, 17. Januar 2014, an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ). Teilnahmegebühr: 75 Franken für GfM-Mitglieder, 150 Franken für Nicht-GfM-Mitglieder. www.gfm.ch/de/veranstaltungen

GfM MarketingTrend-Tagung Der 24. Jahreskongress der Gesellschaft für Marketing (GfM) steht nächsten Frühling unter dem Motto «Successful Marketing in Turbulent Times». Auf der Bühne erwartet werden unter anderem: Dominique Turpin, Präsident des IMD in Lausanne; Dominique von Matt, Chef der Werbeagentur Jung von Matt/Limmat; Rainer Balensiefer, Managing Director von Accenture Interactive für Deutschland, Österreich und die Schweiz; Magnus Lindkvist, schwedischer Trendspotter und Zukunftsforscher. Die nächste GfM Marketing-Trend-Tagung findet statt am

Dienstag, 25. März 2014, von 9 bis 17 Uhr im Kongresshaus Zürich. Teilnahme­ gebühr 690 Franken für GfM-Mitglieder und 890 Franken für Nicht-GfM-Mitglieder. Im Preis inbegriffen sind Pausen­ erfrischungen, Mittagessen (inklusive Getränke) sowie Apéro. www.gfm.ch/de/veranstaltungen/gfmmarketingtrend-tagung.htm

GfM fördert neuen HWZ-Studiengang Gemeinsam mit der Gesellschaft für Marketing (GfM) hat die Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) ein neues Certificate of Advanced Studies (CAS) zum Thema Brand Leadership ins Leben gerufen. Der Studiengang wird im nächsten März lanciert und setzt den klaren Fokus auf die Interdisziplinarität einer erfolgreichen Markenführung. Brand Leadership übernimmt die strategische Verantwortung für die Marke, definiert, wofür sie steht, und macht diese Inhalte den unterschied­ lichen Anspruchsgruppen erlebbar. Der CAS Brand Leadership vermittelt ein Führungsverständnis, bei dem die Marke im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns steht, und bietet Instrumente für wertsteigernde Markenführung im ­digitalen Zeitalter. Der Studiengang richtet sich an markenaffine Führungskräfte, die ihr strategisches Markenverständnis stärken wollen. Im Rahmen von Gastreferaten, Fallstudien sowie Exkursionen verknüpft der CAS Brand Leadership neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit ­bewährten Erfolgsregeln aus der Praxis. Für die Studiengangsleitung verantwortlich sind Peter Felser und Max Meister. www.fh-hwz.ch/de/prod/studiengang/casdas/ brandleadership.htm

Warum sollten sie jetzt ihre Anstren­ gungen inten­sivieren und investieren? Moser: Die Grundanforderungen, das heisst eine gute Qualität zu einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis, werden von den meisten Anbietern abgedeckt. Die Aufgabe des Marketings geht weiter. Kunden wollen nicht nur befriedigt,­ sondern begeistert werden. Wer diese ­Herausforderung besser meistert als seine Mitbewerber, wird vor allem in schwierigen Zeiten als Sieger vom Platz gehen. Wie lautet Ihr Patentrezept? Moser: Es gibt keines. Die wirklich wichtigen Trends, die sogenannten Megatrends, beeinflussen aber über längere Zeiträume unser Handeln und damit unseren Erfolg. Wir sehen die Nutzung der neuen Technologien wie Social Media weiterhin als zentralen Trend im Marketing. Sharing oder Shareconomy ist ebenfalls eine sehr spannende Entwicklung im Marketing. Und wie hilft die Gesellschaft für Marke­ ting ihren Mitgliedern diesbezüglich? Moser: Unsere Kernangebote in den Bereichen Forschung, Weiterbildung, Ver­ anstaltungen und Publikationen erfreuen sich nach wie vor grosser Beliebtheit. Die GfM wird als ideale Plattform geschätzt – sowohl für den Wissenstransfer als auch für die Pflege des Netzwerks.

peter frommenwiler

Ulrich H. Moser Der Präsident der Gesellschaft für Marketing (GfM) über bestehende und künftige Herausforderungen.

Captain America: Kleine Statue, die mit dem Gips-3D-Drucker farbig hergestellt ist.

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peter frommenwiler

handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Fingerringe: Neue Ideen, Formen, Muster und Varianten lassen sich mit dem industriellen 3D-Drucker ausprobieren – wer möchte, kann die Schmuckstücke aus Hartplastik auch tragen.

Medaillen jagen, Sponsoren erobern

Markenbotschafterin Die junge Tessinerin Lara Gut ist die beste und am besten vermarktete Schweizer Skirennfahrerin der Gegenwart.

W

enn Lara Gut (22) etwas nicht passt, dann handelt sie. Über­ raschend und kurz vor dem Start zur Weltcup- und Olympia-Saison hat die Ikone im Schweizer Damen-Skiteam vor kurzem ihren Trainer gefeuert. Das Ver­ hältnis mit dem italienischen Coach habe sich zuletzt nicht positiv entwickelt, be­ gründete Vater und Manager Pauli Gut die Entlassung in den Medien. Die Trennung habe sich abgezeichnet. Die Tessinerin selbst sagt dazu nicht viel. Nur, dass sie von ihrem Ex-Trainer zu wenig Engagement und Begeisterung gespürt habe. Im Hin­ blick auf die Olympischen Winter­spiele 2014 in Sotschi ist das keine gute Voraus­ setzung. Tochter und Vater Gut haben des­ halb abrupt die Reissleine gezogen.

Als Teenager vom Erfolg überfordert Geschwindigkeit zeichnet Lara Gut in erster Linie im Schnee aus. In einem leider eher mässigen Schweizer Damen-Skiteam sorgt sie seit fünf Jahren für die meisten sportlichen Höhepunkte. So gewann sie bei der WM 2013 in Schladming die Silber­ medaille im Super-G und damit das ein­ zige Edelmetall für unsere alpine Nation. Schnell ist Lara Gut auch im Kopf und sorgt trotz ihrer Jugend bereits für die Kar­ riere nach dem Spitzensport vor. Diesen Sommer bestand sie ihre Maturaprüfun­ gen, um dann gleich voll in die intensive Vorbereitungsphase einzusteigen für die Saison, die letztes Wochen­ende mit ihrem Sieg in Sölden begann. Dem grossen Ziel, an Olympia zu den Gewinnerinnen zu ­gehören, wird zurzeit alles untergeordnet. anzeige

Gleichwohl ist Lara Gut von diversen Verpflichtungen abseits der Piste auch in dieser sportlich wichtigen Phase nicht ­befreit. Keine andere Schweizer Skirenn­ fahrerin ist bei Sponsoring- und Werbe­ partnern so begehrt. Ihr Erfolg ist ein Grund dafür, ihre attraktive Erscheinung und ihre extrovertierte Wesensart sind ­Multiplikatoren. Die Liste der Partner wird daher jährlich länger. Ragusa, Audi, Rolex, Andermatt Swiss Alps, Kjus Sportmode und Rossignol sind die gegenwärtigen Haupt­sponsoren, für die Lara Gut als Bot­

schafterin wirbt. Selbst die Filmbranche wurde auf die Tessinerin aufmerksam. Im Film «Tutti giù» des italienischen Regis­ seurs Niccolò Castelli, der 2012 in den ­Kinos lief, spielt Lara Gut eine junge, cha­ rismatische Spitzenskirennfahrerin, die vom plötzlichen Erfolg überrumpelt wird. Eine Rolle, die ihr reales Leben nach­ erzählt. Mit 17 gewann sie ihr erstes Welt­ cup-Rennen. «Ich wurde zunächst förm­ lich überrollt von einer Druckwelle mit ­Medienterminen, Interviews, SponsoringEvents und so weiter. Gleichzeitig wurden

Lara Gut

Dreimal WM-Silber – und einmal Kinofilm Skirennfahrerin Lara Gut (22) ist zurzeit die erfolgreichste Schweizer Skirennfahrerin. Die Allrounderin geht in allen vier Disziplinen an den Start und hat ihre Stärken in der Abfahrt und im Super-G. Sie gewann bislang drei WMSilbermedaillen (Abfahrt, Super-G und Super-Kombination) und 2008 als bis heute jüngste Rennfahrerin (17) ein Weltcup-Rennen. 2009 erlitt sie bei ­einem Sturz eine Luxation an der rechten Hüfte und verpasste die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver. Multitalentiert Lara Gut wuchs in ­Comano TI auf. Ihr Vater stammt aus der Deutschschweiz, ihre Mutter aus der Romandie. Im Fernstudium absolvierte sie parallel zum Spitzensport das Gymnasium und spricht Italienisch, Franzö-

zvg

Robert Wildi

Lara Gut mit ihrer dritten Silbermedaille: Super-G an der WM 2013 in Schladming.

sisch und Deutsch fliessend sowie Englisch und Spanisch. Neben zahlreichen Sponsoring- und Werbeverträgen hat sie letztes Jahr als Hauptdarstellerin in der Tessiner Produktion «Tutti giù» ­debütiert. Eine Fortsetzung ihrer Filmkarriere ist zurzeit nicht vorgesehen.

Spielt Geld für die Schweizer Olympiavon mir immer noch bessere sportliche Leistungen erwartet», sagt Lara Gut. Als Hoffnung nur eine Nebenrolle? «Sicher Teenager war sie von diesem Druck pha­ nicht eine so wichtige wie meine Ambitio­ senweise überfordert. «Inzwischen habe nen im Spitzensport», sagt Lara Gut im ich gelernt, wie ich mit dem Rummel um­ Wissen, dass das eine ohne das andere gehen muss.» Ihre wichtigste Erkenntnis: nicht möglich ist. Dankbar sei sie daher, von den Sponsoren mit den «Jedes Engagement neben notwendigen Mitteln unter­ dem Sport kann für mich nur Ihre attraktive stützt zu werden, um Spit­ dann funktionieren, wenn es ­Erscheinung und zensport auf diesem Niveau auch Spass macht. Die klare Hauptrolle muss aber zu je­ ihre extrovertierte zu betreiben. Und Lara Gut müsste schwindeln, wenn der Zeit der Skisport einneh­ Wesensart sind sie verneinen würde, sich men.» Die Erfahrungen der Multiplikatoren. aktiv zu vermarkten. Profes­ letzten Jahre helfen Lara Gut sionell nutzt sie heute alle heute, bei der Auswahl von Sponsoren sorgsam umzugehen. Es ist ihr modernen Kommunikationskanäle, ver­ wichtig, dass potenzielle Partner nicht nur sorgt die Fans mit Ferienfotos via Face­ den kommerziellen Erfolg im Visier ha­ book oder twittert auch mal einen medien­ ben, sondern genauso am Menschen Lara wirksamen Kommentar. «Natürlich bin Gut interessiert sind. «Heute habe ich das ich mir bewusst, dass jede Regung und Glück, mit lauter solchen Unternehmen Kleinigkeit via Social Media zu einer zusammenarbeiten zu dürfen», sagt sie. Nachricht oder einem ganzen Artikel aus­ Dadurch falle ihr diese Arbeit einerseits geschlachtet werden kann.» Hier gelte es leichter, anderseits mache sie richtig Spass für sie, ein gesundes Gleichgewicht zu fin­ – und zwar für beide Seiten. «Das ist die den und sich selber stets treu zu bleiben. Die Bewirtschaftung der Sponsoren perfekte Voraussetzung, um gemeinsam wird im KMU Gut heute klar strukturiert. erfolgreich zu sein.» Priorität hat die sorgfältige Pflege der Kommunizieren über alle Kanäle ­bestehenden Partner. Neue Kooperatio­ Ein Erfolg, der sich auf das Portemon­ nen werden angestrebt, sofern sie ins Port­ naie auswirkt. Das Thema ist für Lara Gut folio passen. Dieses Geschäft beherrscht indes Tabuzone. Weder zu ihren Einkünf­ die junge Tessinerin heute. Den Kopf hat ten als Skirennfahrerin noch zur Dotierung­ sie gleichwohl fast permanent beim Ski­ ihrer Sponsoring- und Werbeverträge gibt fahren. In dieser – ihrer wichtigsten – Welt es eine Auskunft. Einzig im Zusammen­ zählt nicht ein kamerawirksames Lächeln, hang mit ihrem Filmdebüt in «Tutti giù» ist sondern nur Arbeit, Disziplin, Hunderts­ etwas zu erfahren. «Ich wollte eigentlich tel­sekunden. Da gibt es keine Kompromis­ keine Gage dafür, erhielt dann aber doch se. Eine Olympia-Medaille in Sotschi kann einen minimalen Lohn, den ich für arme man sich schliesslich mit noch so lukrati­ Kinder in Afrika gespendet habe.» ven Sponsoring-Verträgen nicht kaufen.


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handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Personal zu selten eingebunden Achim Wirtz

K

omplexe und dynamische Märkte stellen Unternehmen vor immer höhere Anforderungen an ihre Markenführung. Wie gut ist sie dafür aufgestellt, was sind ihre grössten Herausforderungen und wo bestehen Defizite? Eine Studie im Sommer dieses Jahres zum Stand der Markenführung im deutschsprachigen Raum liefert Antworten. Befragt wurden vom internationalen Beratungsspezialisten Prophet in Kooperation mit der Gesellschaft für Marketing (GfM) rund 600 Markenverantwortliche und Marketingentscheider. In der Schweiz haben sich 32 Konzerne daran beteiligt, darunter Coop, Credit Suisse, Galenica, Geberit, Holcim, Nestlé, Roche, SBB, Swiss, Swisscom, Swiss Re oder UBS. Die Mehrzahl der hiesigen Mitwirkenden ­können als Markt- und Reputationsführer eingestuft werden.

Drei Grundmuster der Markenführung Die Studie zeigt drei Grundmuster von Markenführung. Jedes vierte Unternehmen ist von der Rolle des Kommunikators geprägt. Markenführung folgt hier einem eher klassischen Markenverständnis – kommunikationszentriert, vom Marketing mit wenigen und einfach zu erhebenden Kennzahlen geführt. Die Integratoren ­repräsentieren ein weiteres Viertel der ­Unternehmen. Sie nutzen die Marke als Leitplanke für die Entwicklung von Marktleistungen und haben die enorme Bedeutung der Mitarbeiter für den Markenerfolg erkannt. Entsprechend ausgeprägt arbeiten hier Markenführung und Personalmanagement zusammen.

Fast jedes zweite Unternehmen gehört zur Gruppe der Strategen. Sie leiten die Markenstrategie konsequent aus der Unternehmensstrategie ab und definieren langfristige Zielsetzungen und Markenprogramme mit einem umfassenden Stakeholder-Ansatz. In der Schweiz sind viele der befragten Konzerne den Integratoren und Strategen zuzuordnen. Zu den Kommunikatoren gehören sie weniger.

Erfolg messen – Mitarbeiter aktivieren Die meisten Unternehmen messen den Erfolg der Markenführung mit einzelnen isolierten und traditionellen Kennzahlen, die keine Rückschlüsse auf den Einfluss der Markenführung auf den Unternehmenserfolg zulassen. Im Vordergrund der Erfolgsmessung stehen Bekanntheits-, Image- und Absatzdaten. Investitionen in die Marke werden von Anlässen oder Initiativen der Wettbewerber getrieben. Die Marke wird eher als Kostenfaktor denn als Erfolgsfaktor betrachtet. Die besten Konzerne messen den Markenerfolg mit einer Vielzahl unterschied­ licher – auch digitaler – Dimensionen und setzen diese in Kennzahlensystemen in Beziehung zu harten Geschäftskennzahlen. Hier kommen auch ROI-Analysen (Return on Investment) zum Einsatz. In ­einigen wenigen Unternehmen werden integrierte Kennzahlensysteme in Form von Marken-Cockpits oder Brand Balanced Scorecards eingesetzt. Von einer längerfristigen und ganzheitlichen Investitions- beziehungsweise Budgetplanung auf Basis zuverlässiger KPI-Systeme (Key Performance Indicator) sind wir aber auch bei den meisten führenden Unternehmen noch weit entfernt.

Erkenntnisse Wer im Konzern das Sagen hat – strategisch und operativ

Verantwortlichkeiten bei der Markenführung auf Unternehmensebene (in Prozent) Strategische Markenführung 29 74 50

Operative Markenführung Verwaltungsrat

0

Geschäftsleitung

3

27 35

47

Marketing-Abteilung

53

Brand-Management-Abteilung

Einheitliches Erlebnis über sämtliche Kanäle sicherstellen 65 59

Interne Aktivierung der Mitarbeiter Klare Differenzierung gegenüber Wettbewerbern Sicherstellung eines klaren internen Verständnisses von Bedeutung & Potenzial der Marke Kontaktaufnahme/Interaktion der Marke mit den Kunden Integration der Digital & Social-Media-Kanäle in die Markenstrategie Balancieren der Erwartungshaltungen unterschiedlicher Stakeholder Gestiegene Kundenanforderungen ans Markenerlebnis Interne Umstrukturierungen aufgrund neuer Technologien

53 41 38 38 35 15 15

Moderne Technologien einbinden und Marke mehr nutzen Künftige Trends mit Einfluss auf die Markenführung im Unternehmen (in Prozent)

88

Einbindung neuartiger Technologien Nutzung der Unternehmensmarke auf der Vermarktungsebene Integration von Social Media Straffung der Markenarchitektur

78 77 66 56

Dehnung bestehender Marken 26

Geschäftsausweitung in neue Kategorien Neue Wettbewerber durch Startups mehrfachnennungen möglich

Ein einheitliches und alle Kontaktpunkte abdeckendes Markenerlebnis ist die wichtigste aktuelle Herausforderung der Markenführung. Fast genauso wichtig ist die Aktivierung der Mitarbeiter eingestuft. Sie spielen in jeder Branche eine entscheidende Rolle für das Kundenerlebnis. Diese Einstufung sollte also eigentlich keine Überraschung sein. Nur jedes fünfte Unternehmen bindet die Marke in die Produktentwicklung ein. Nur ein Drittel der Unternehmen integriert die Markenführung in den Vertrieb und nur knapp 40 Prozent in die Entwicklung der Servicequalität. Das erstaunt. Man kann kein ganzheitliches Markenerlebnis aufbauen, wenn die Marke in Produktentwicklung, Vertrieb und Service keine Rolle spielt. Dieser Widerspruch wartet darauf, aufgelöst zu werden. Als wesentliche künftige Herausforderung in der Markenführung wird die Integration neuer Kommunika­ tionstechnologien und -kanäle angesehen,­ beispielsweise Social Media. Die stärkere Nutzung der Unternehmensmarke in der Vermarktung von Produkten und Services ist ein branchenübergreifender Trend. Entsprechend planen zwei von drei Unternehmen, ihre Markenportfolios zu bereinigen und ihre Markenarchitektur zu straffen. Auch wenn die Aktivierung der Mitarbeiter als Herausforderung erkannt ist, liegen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Nur die Hälfte der Unternehmen

gibt an, dass Mitarbeiter als Zielgruppe in der Markenführung definiert sind. Lediglich jedes zweite Unternehmen sieht in der Mitarbeiteraktivierung eine Voraussetzung für den Aufbau seiner Marke. Nur in jedem zehnten Unternehmen arbeiten Markenführung und Human Resources eng zusammen. In keinem ­ ­anderen Bereich sind die Markt- und Reputationsführer anderen Unternehmen so weit voraus wie bei der markenbasierten Mitarbeiteraktivierung. Sie wird von ihnen ausnahmslos als eine der drei wichtigsten Herausforderungen definiert und als Grund für zusätzliche Markeninvestitionen eingestuft. Die Marke ist als relevante Orientierungsgrösse für Personalführung und -rekrutierung identifiziert und wird – in enger Kooperation mit Human Resources – entsprechend ausgerichtet.

Aktuelle Herausforderungen für die Markenführung im Unternehmen (in Prozent) Sicherstellung eines einheitlichen Markenerlebnisses über alle Kanäle

Diagramme: Früher machte man aus Studien zweidimensionale Grafiken, heute kann man dreidimensionale Modelle ausdrucken.

Schweizer Unternehmen betrachten die Marke eher als Kostenfaktor denn als Erfolgsfaktor.

53

Corporate-Communications-Abteilung

peter frommenwiler

Markenführung Eine Studie von Prophet und GfM zeigt Unterschiede zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Schweizer Unternehmen.

16

quelle: Studie «Markenführung – von Kommunikatoren, strategen und integrierern», Prophet/GFm

Probleme zielgerichtet anpacken Die Herausforderungen der Markenführung und die Art, wie die besten Konzerne mit ihnen umgehen, zeigen klar auf, wie Marken stärker werden können. Der erste Schritt ist die realistische Beurteilung des Beitrags der Marke zum Unternehmenserfolg und die Klärung strategischer Fragestellungen auf der obersten Führungsebene. Die Rolle der Marke muss entsprechend definiert und organisatorisch verankert werden. In einem zweiten Schritt sind die Methoden und Kriterien

der Erfolgsmessung mit Kennzahlen der Unternehmensführung zu kombinieren. Dies umso mehr, als die Unternehmensmarke bei der Vermarktung von Marktleistungen in praktisch sämtlichen Branchen immer wichtiger wird. Entsprechend sind Markenportfolios und -architekturen zu überprüfen und zu bereinigen. Die als hoch prioritär eingestufte Integration interaktiver Plattformen in das Marken­ erlebnis ist lösbar. Bleibt ein kritischer Faktor, der die ­Wirkung all dieser Massnahmen entschei-

dend beeinflusst: Die Aktivierung der Mitarbeiter zur Erfüllung des Markenversprechens und zur Verbesserung der Markenleistung. Eine Marke braucht Botschafter, die sie für Konsumenten erlebbar machen­. Die Mitarbeiter sind deshalb die wichtigste Ressource, um die sich eine erfolgreiche Markenführung zu kümmern hat. Achim Wirtz, Managing Partner, Prophet, Zürich. Die Resultate der Markenführungsstudie können ab sofort bei Prophet oder via die GfM bestellt werden.

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66 | Marketing

peter frommenwiler

handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Konzeptauto: Im Auftrag eines Kunden wurde diese Spielzeug-Limousine ohne drehende Räder aus Gips in der dritten Dimension gefertigt – Firmen können solche Gags beispielsweise als Werbegeschenke verwenden.

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Kompetenzen In der «CMO Insights Survey» von Accenture offenbaren über 400 Marketingleiter aus zehn Ländern ihre Sorgen. Brian Whipple und Baiju Shah

W

ährend Chief Marketing Officers (CMO) ihre Unternehmen tag­ täglich durch die stürmischen Gewässer des globalen Wettbewerbs navi­ gieren, wird eines deutlich: Die wenigsten fühlen sich für diese Aufgabe ausreichend gewappnet. Vier von zehn geben an, sie hätten nicht die richtigen Mitarbeiter, Werkzeuge und Ressourcen, um ihre Mar­ ketingziele umzusetzen. In diesem komplexen, unerbittlichen Umfeld setzen CMO auf fünf Kompe­ tenzen zur Steigerung der Unterneh­ mensleistung: Innovation, Kundenanalyse, ­digitale Orientierung, Kundeninteraktion und ­gezielte Marketingmassnahmen. Von

den genannten Kompetenzen ist die digi­ tale Orientierung am schwächsten ausge­ prägt. Und das gerade jetzt, wo digitale Kompetenz wichtiger ist denn je. Digitale Orientierung ist für den Erfolg nahezu ­jeder Marketingstrategie unerlässlich.

Die digitale Diskrepanz Dennoch ist die digitale Orientierung unter den fünf Marketingkompetenzen am schwächsten (siehe Grafik links). ­Dabei kann sie den Vertrieb massgeblich fördern. Die Leistung im Bereich digitale Orientierung ist in Unternehmen mit ­hohen Wachstumsraten um 21 Prozent höher als bei Unternehmen mit negativen Wachstumsergebnissen. CMO in florie­ renden Unternehmen stellen fest, dass ein

Digitale Orientierung als schwächste Unternehmensfähigkeit Bedeutung und Leistung der fünf Marketingkompetenzen (in Prozent)*

Führend/wichtig

Bedeutung 2009 Bedeutung 2011 Bedeutung 2012

3,80 3,83 3,76

Schwach/unbedeutend

0,27 3,53

0,47

3,75 3,63

0,43

0,15

Leistung 2009 Leistung 2011 Leistung 2012

3,80

0,25 0,34

3,48 3,50 3,46

3,36 3,33

0,25

0,40 0,34

3,59

3,54 3,44

Die grössten Hindernisse der fünf Marketingkompetenzen (in Prozent)* Die zwei grössten Barrieren Ineffiziente Geschäftspraktiken Mangelnde Finanzmittel/Ressourcen

4,02

3,99 3,67

3,77 0,38

0,15 0,31 3,61 3,52 3,46

3,83 3,89 0,33 0,22

22 20

18

0,37 3,69

3,61

*Befragt wurden Über 400 Marketingleiter in zehn ländern

Kundeninteraktion

3,52

17

9

9 5

0

Digitale Orientierung

6

19

18 18

16

14

13

12 10

quelle: «CMO Insights Survey 2013», Accenture Interactive

20

19 15

15

Innovation

Zugang zu Kundendaten Mangel erforderlicher Kenntnisse Mangel zentraler Technologie/Tools Mangel Integration anderer Geschäftsbereiche Weiss nicht/nicht sicher

25

5 Digitale Marketingmassnahmen Kundenanalyse Orientierung

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Ineffiziente Geschäftspraktiken und mangelnde Finanzmittel

Lücke

3,84 3,84 3,88

Kanäle Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Zwei Drittel der Marketingleiter halten den Austausch mit Kunden für eine wich­ tige Kompetenz. Nur 13 Prozent halten ihre Leistung in diesem Bereich für her­ vorragend, 16 Prozent gar für schlecht. Ineffiziente Geschäftspraktiken und mangelnde Finanzmittel oder Ressourcen wirken sich auf alle fünf Marketingkompe­ tenzen negativ aus (siehe Grafik rechts). Ineffiziente Geschäftspraktiken stehen der digitalen Orientierung allerdings am meisten im Weg. Effiziente Geschäfts­ abläufe sind für die unternehmensweite Sensibilisierung für digitale Medien Vor­ aussetzung – kein Wunder also, dass CMO hier mit Schwierigkeiten zu kämpfen ha­ ben. Ebenso wenig verwunderlich ist, dass

digital ausgerichteter Betrieb weniger mit Schwankungen zu kämpfen hat. Zwei Drittel der mehr als 400 befragten Marketingleiter wissen, dass eine stärkere digitale Ausrichtung nur funktionsüber­ greifend über das gesamte Unternehmen hinweg eingeführt werden kann, aber erst 7 Prozent sind der Meinung, dass ihre ­Bemühungen einen Fortschritt bringen. Tatsächlich schätzt einer von fünf CMO den digitalen Fokus in seinem Unterneh­ men im Branchenvergleich als schlecht ein – begründet durch ineffiziente Ge­ schäftsprozesse, Kompetenzlücken und die wachsende Vielfalt der digitalen Kanäle. Gleiches ist im Bereich der Kunden­ interaktion zu beobachten, wenn es darum geht, für das Unternehmen über digitale

Kundenanalyse

*Befragt wurden Über 400 Marketingleiter in zehn ländern

13

8

8

Innovation

16

17 13

10 7 4

4

19

17 15 15

10 6

5

7

Kundeninteraktion Marketingmassnahmen quelle: «CMO Insights Survey 2013», Accenture Interactive

mindestens 20 Prozent der befragten Mar­ ketingleiter meinen, digitale Werkzeuge würden in ihrem Unternehmen nicht ko­ ordiniert und integriert genutzt. Um Verbrauchern relevante Erfahrun­ gen zu ermöglichen, müssen Ressourcen eingesetzt werden – nicht unbedingt mehr, aber individuell angepasste und gezielt eingesetzte. Der Zugang zu Kundendaten ist die tiefste Hürde. Dennoch kann es sein, dass CMO nicht die richtigen Metho­ den zur Verfügung haben, um die Daten herauszufiltern, mit denen sie die Kunden­ interaktion gezielt fördern können.

Die neue CMO-Agenda Angesichts steigender Kundenerwar­ tungen und verschiedener Kanalpräferen­ zen überrascht es nicht, dass sieben von zehn Marketingleiter für die kommenden fünf Jahre eine signifikante Veränderung im Marketing erwarten. Um einen echten Wandel zu bewirken und ihren Dienstleis­ termix zu rationalisieren, müssen CMO vier Dinge tun: Das Marketing-Geschäfts­ modell grundlegend neu gestalten; intern neue Kompetenzen aufbauen; sich die richtigen Partner suchen; die digitale Ori­ entierung im Unternehmen vorantreiben. Fazit: Digitale Werkzeuge verändern das Marketing. In einer informations­ überfluteten Welt hat der markenzentrierte Vermarktungsansatz von früher längst an Bedeutung verloren. Es ist kaum noch möglich, damit Kunden anzulocken und die Investitionen rentabel zu machen. Brian Whipple, Global Managing Director, und Baiju Shah, Managing Director for Strategy & Innovation, Accenture Interactive, Accenture, Chicago (USA).


Marketing | 67

handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Konstante Kontrolle

Interhome Der Ferienimmobilien-Spezialist der Migros-Reisetochter Hotelplan zentralisiert seine Marketingaktivitäten und setzt auf ein umfassendes Tracking.

V

or fünf Jahren verfügte Interhome, der Schweizer Anbieter von 33 000 Ferienhäusern und -wohnungen in 31 Ländern, über ein Marketingbudget von 14 Millionen Franken, heute muss der Spezialist der Migros-Reisetochter Hotelplan mit halb so viel Geld auskommen. Interhome-CEO Simon Lehmann sieht ­ sich zudem mit einer verschärften Wett­ bewerbssituation konfrontiert. «Immer mehr Mitbewerber drängen in den Ferienhausmarkt, es findet eine regelrechte Verdrängung statt.» Da sich das kompetitive Umfeld so stark verändere, könne man nicht einfach mehr Geld in Internet-Suchmaschinen wie Google investieren. Zumal die Kosten pro Klick jedes Jahr um 20 bis 30 Prozent steigen würden. Lehmann entschied sich deshalb zu ­einem radikalen Kurswechsel. Die total 17 lokalen Marketingteams weltweit wurden durch ein einziges Team ersetzt, das von der Schweiz aus alle Aktivitäten steuert. Zentral in seiner neuen Marketingstrategie ist das End-to-End-Tracking, bei dem der Weg des Kunden von der ersten Suchanfrage bis zur Buchung mitverfolgt wird. «Wenn wir unsere Mittel so effizient wie möglich einsetzen wollen, müssen wir ­unseren Kunden kennen», sagt Lehmann. Zur Veranschaulichung zieht er das Bild eines «Töggeli»-Kastens heran. Auch hier zähle nicht nur das Tor (oder der letzte

So verteilt Interhome seine Mittel auf sämtliche Kanäle Marketingmix für 17 Märkte im Schnitt *

SEA 42% Performance Display 19% SEO 4% DMA 11%

Catalogues 11%

localxxxxxx B2C/B2B 9% xx,x Affiliate Networks 4% SEO Search Engine Optimazation SEA Search Engine Advertising DMA Direct Marketing Activities B2B Business-to-business B2C Business-to-consumer * Budgetsplit wird täglich angepasst

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quelle: Interhome

Klick). Jeder Spieler, der den Ball dorthin bringe, sei ebenso relevant. Im Fall von ­Interhome könnten dies AdWords, organische Suche, Re-Targeting, Search Engine Advertising (SEA) oder die direkte Eingabe der Webadresse sein.

bei anderen Unternehmen oft vernach­ lässigt wird, ist die lokale Markteinschätzung», so Lehmann. Man könne mittels Daten zwar messen, was zum Beispiel in Frankreich passiere, trotzdem sei es wichtig, den Marktexperten Frankreich in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Täglicher Budgetsplit Dieser habe weitere Einblicke, lese die «Im Ferienhausbereich sind die Wege Zeitung, spreche mit Menschen und beurzur Buchung sehr heterogen», sagt der teile die Entwicklung vielleicht anders. Chef. Durchschnittlich informiere sich der Eine weitere wichtige Quelle sei das Kunde während 37 Tagen, bevor er sich für Call Center. «Hier herrscht ein Puls, den ein Angebot entscheide. In dieser Zeit man nicht einfach technisch erfassen ­besuche er 39 Websites via 11 verschiedene kann», erklärt Lehmann. Um zu sehen, Search Engines. «Da die Suchperiode rela- was in den einzelnen Märkten gefragt sei, tiv lang ist, besteht die Herausforderung brauche man den Input der Menschen, darin, den Kunden immer wieder zurück- die rund um die Uhr mit den Kunden Konzuholen», sagt Lehmann. Erschwert werde takt hätten. dies durch den breiten Marketingmix von Gemäss Lehmann generiert Interhome Interhome. Man habe einen E-Shop, biete jährlich rund 70 Prozent Neukunden – Apps für Tablets und Smartphones und dies bei jährlich mehr als 500 000 Gästen. betreibe zudem ein grosses Die geringe Zahl Repeaters Call Center in Prag. Entschei- Alle 14 Tage gibt sei zum Teil auf das Produkt dend sei, wie man die verzurückzuführen: Ferienhäues ein Realityschiedenen Aktivitäten verser buche man in der Regel zahne. Check mit jedem nur ein- oder zweimal im «Als Erstes müssen wir Jahr. Zudem nehme die involvierten den Conversion-Path kenKundenloyalität generell ab. Wissensträger. nen, also den Weg des KunLaut einer Studie würden den zur Buchung», erklärt sich zwei Drittel aller KunLehmann. Als Nächstes würden die Daten den nicht mehr daran erinnern, wo sie ihr analysiert, die aus Quellen wie dem Inter- Ferienhaus gebucht hätten. Dennoch net, Google Analytics oder dem Customer strebt die Hotelplan-Tochter einen Relationship Management (CRM) kämen. Stammkundenanteil von 40 bis 50 Prozent «Diese Infos sauber zusammenzufügen, an. «In Zukunft soll das Call Center verist entscheidend», sagt Lehmann. Meist mehrt für die Kundenpflege eingesetzt habe man zwar eine Masse von Daten, werden. Wir werden es massiv nutzen, um man müsse aber auch das Know-how und Leute zurückzurufen, Follow-ups oder die entsprechenden Leute haben, die sie neue ­Offerten zu machen.» Auch das Diaufbereiten könnten. Interhome beschäf- rect Marketing solle besser gestaltet wertigt zurzeit zwei Analysten. Das Keyword- den. Beispielsweise, indem man mehr Handling wird an Agenturen ausgelagert. über die Newsletter heraushole. Als dritte Diese würden jährlich 9217 TextAds in Massnahme will Lehmann die Kunden­ 560 Kampagnen in 17 Google Accounts inter­aktion in sozialen Medien intensivieschalten. ren und so mehr Informationen für das Sind die Daten analysiert, macht Inter- Re-Targeting generieren. home einen Budgetsplit und passt die Marketinggelder an die aktuellen Entwick- Kataloge verschwinden Als grösste aktuelle Herausforderung lungen an (siehe Grafik). Dies geschieht laut Simon Lehmann nicht alle paar Mo- sieht der Chef seine Mitbewerber, welche nate, sondern täglich. In die Analyse fliesst dank finanzstarken Investoren über zehn ebenfalls eine Beurteilung der Konkur- bis zwanzig Mal grössere Marketingbudrenzsituation mit ein. «Wenn wir beispiels- gets als Interhome verfügten. «Diese setzweise sehen, dass ein Mitbewerber in ei- ten auf die Entwicklung der Brands und nem Land plötzlich sein Search Engine weniger auf Rentabilität. Interhome gibt Marketing reduziert, spielen wir das dort es seit fast 50 Jahren, wir müssen mit aus, weil wir sehen, dass die Klicks billiger ­anderen Mitteln kämpfen.» Am effizientesten sei man zurzeit im kommissio­ werden», sagt der CEO. Alle zwei Wochen findet ein Reality- nierten B2B-Geschäft, bei dem man über Check statt, bei dem Interhome sämtliche Vertriebspartner wie Booking.com, CasaKnow-how-Träger an den Tisch holt. «Was mundo oder Atraveo wachse.

peter frommenwiler

Denise Weisflog

Plastikbecher: Innen zum Wegwerfen, aussen Schicht für Schicht in 3D gedruckt.

Einer der wichtigsten Kanäle sei Goo­ gle. «Im Moment bekommen wir die meisten Buchungen über AdWords. Das ist ­eigentlich dramatisch, weil dies bedeutet, dass unsere Brand-Bekanntheit abnimmt und kaum jemand mehr den Suchbegriff ‹Interhome› eingibt», sagt Lehmann. Heute liege der Anteil Online-Buchungen bei 70 Prozent, dennoch müsse man sämt­liche Kanäle optimieren. Schliesslich beinhalte ein Marketingmix nicht nur die Internetwelt, sondern auch das Call Center, die ­lokalen Büros, Promotionen und nach wie

vor den Print. Die Kataloge, auf die nur noch 7 Prozent aller Buchungen entfielen, würden jedoch bald verschwinden. In der Schweiz habe man bereits dieses Jahr auf Prospekte verzichtet. Mehr Umsatz generiert Interhome mit seiner neuen Marketingstrategie nicht. Dennoch ist Lehmann vom Kurswechsel überzeugt. In den letzten Monaten seien die Costs-per-Click massiv angestiegen. Dank der neuen Strategie könne man nun der Konkurrenz standhalten, die dieselben AdWords anpeile wie Interhome.



Marketing | 69

handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

Aus zwei mach eins

Gebo Cermex Positionierung eines durch Fusion ­entstandenen Unternehmens durch Kunde & Co – bei absoluter Geheimhaltung bis zur Lancierung.

D

ie Ausgangslage für die Positio­ nierung: Zwei Unternehmen über­ legen sich, zu fusionieren. Banken, Anwälte und Treuhänder werden einge­ schaltet. Fieberhaft suchen alle Seiten nach besten Lösungen und geben Unsum­ men dafür aus, dass die Übung glatt über die Bühne geht. Kaum ist der Zusammen­ legungsentscheid auf Verwaltungsrats­ ebene gefallen, wird der Hahn zugedreht. Was dann folgt, ist häufig Usus: Presse­ konferenzen, Interviews mit den Invol­ vierten und mehr oder weniger fundierte Kommentare in den Medien. Zurück blei­ ben frustrierte Mitarbeitende, Aktionäre und Lieferanten, die um ihr künftiges Auf­ tragsvolumen bangen. So nicht, sagte sich Henrik Kattrup, Managing Partner von Kunde & Co in ­Zürich, der solche Merger-Pannen schon am eigenen Leib erlebt hat. Die ursprüng­ lich dänische Full-Service-Agentur (siehe Kasten) geht einen total anderen Weg. Jüngstes Beispiel – gerade erfolgreich be­ endet – ist die Fusion von Gebo und Cermex. Damit sollten ein Spezialist, füh­ rend auf dem Gebiet der Fördertechnik und des Materialhandlings, sowie ein ­Experte für Um- und Endverpackungen unter einem Dach zusammengeführt ­werden. Was auf dem Papier einer klassi­ schen Lösung im Sinn einer industriellen Logik entspricht. Die Synergien sind offen­ sichtlich, aber nur, was den maschinellen Teil angeht. Wer garantiert, dass dies auch in den Köpfen des betroffenen Personals ankommt?

Die Menschen Genau hier setzt Kunde & Co an. Was geht in den Köpfen der von einer Fusion Betroffenen vor? Die Drahtzieher dieses Zusammenschlusses hatten bei Gebo ­Cer­mex zum Ziel, das neu entstehende ­Un­ternehmen mit rund 1800 Angestellten ­überzeugend am globalen Markt für die Verpackungsanlagen-Technik zu positio­ nieren – mit einem klaren Profil und mög­ lichst viel Goodwill für das neue Gebilde. Kunde & Co bekam genau fünf Monate Zeit, um den bestmöglichen Start zu reali­ sieren. Im Normalfall wird erst nach einer ­Verschmelzung damit angefangen, über

die künftige Stellung im Markt und über das entsprechende Konzept zu hirnen. Der Schweizer PET-Hersteller Sidel (über 5500 Angestellte), die Mutter von Gebo Cermex mit Hauptsitz in Frankreich und seinerseits Teil des Schweizer Tetra-LavalKonzerns (fast 34 000 Angestellte), kam zum Schluss, dass dieses Ziel nur mit einer präzisen analytischen Vorarbeit, bei der sämtliche Involvierten einbezogen wer­ den, zu erreichen ist. Ein gefundenes Fres­ sen für Kattrup: Kunde & Co hat bereits vergleichbare Massarbeit bei Intersport, Merck Serono, Straumann sowie Landis+ Gyr geleistet, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Bei Sidel wurde vor allem mitberück­ sichtigt, dass die neue Marke Gebo Cer­ mex eine optimale Projektionsfläche braucht. Mit Pressekonferenzen, Verlaut­ barungen, Orientierungen und – als Folge davon – verunsicherten Mitarbeitenden, Kunden und Lieferanten ist das noch längst nicht garantiert.

Der Prozess «Wir haben bei Sidel vor dem Launch und den üblichen Ankündigungen damit begonnen, qualitative und quantitative Marktanalysen durchzuführen, in Umfra­ gen und Workshops die Positionierung zu definieren und das Konzept samt Logo, Key Visuals, Plakaten und Websites fixfer­ tig zu erstellen. Die Mitarbeitenden haben am Tag X eine interne Broschüre bekom­ men, in der der neue Marktauftritt und die neue Positionierung beschrieben ­wurden», blendet der Projektleiter in jene ­Wochen zurück, in denen das Kunststück vollbracht werden musste, den neuen Look unter dem Slogan «first in line» vor­ zubereiten, ohne Geheimhaltungspflich­ ten zu verletzen. Alles lief generalstabsmässig ab: Hen­ rik Kattrup legt den Gebo Cermex Case, wie er intern heute genannt wird, offen auf den Tisch. Klar, dass er vor dem Tag X ­einen Decknamen hatte. Das Gespräch mit ihm über das Vorgehen wird beinahe zu einem psychologischen Seminar, das sich auch auf andere Fälle übertragen lässt, in denen heikle Inhalte transportiert werden müssen. «Wir haben damit begon­ nen zu überlegen, was bei den Mitarbei­ tenden abläuft, wenn sie vom Merger er­ fahren», beginnt die Lektion Nummer eins.

Kunde & Co

Marketing als fehlerfreier Hürdenlauf Full-Service Kunde & Co wurde 1988 von Jesper Kunde in Kopenhagen gegründet. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 160 Mitarbeitende aus 13 Nationen und hat neben dem dänischen Hauptsitz seit 2001 eigene Niederlassungen in Düsseldorf und ­Zürich. Die Full-Service-Agentur bietet folgende Dienstleistungen als Kompetenzen: Integrierte Kommunikation, Design und Visual Identity, Film, Media, Digital, CRM und Dialog, Analyse, ­interne Kommunikation, Kommunikationsplattform, Branding, strategisches Marketing, internationale Kampagnen.

Philosophie «Marketing ist wie ein Hürdenlauf. Um ein optimales Resultat zu erzielen, müssen alle Hürden fehlerfrei genommen werden. Jedes Unternehmen hat seinen individuellen ­Hürdenlauf, den wir in Zusammenarbeit mit unseren Kunden ausarbeiten. ­Daraufhin ermitteln wir die zentralen, ­marketingorientierten Herausforderungen und arbeiten an den strategischen ­Vorgehensweisen sowie den konkreten Lösungen, die immer dasselbe Ziel ­haben: Die Marktposition des Unternehmens zu stärken und profitable ­Ergebnisse zu erzielen», so Kunde & Co.

peter frommenwiler

Mélanie Knüsel-Rietmann

Brillenfassung: Zuerst kann man Form und Stil mittels 3D-Printing testen, danach beispielsweise in Serienproduktion gehen.

Die zentralen Fragen lauten: Werde ich gefeuert? Kann ich meine Position be­ haupten? Werde ich gar den Arbeitsplatz wechseln müssen? Wird mein Aufgaben­ kreis verändert? Muss ich künftig alles ­anders machen? Kann ich nicht mehr mit meinem alten Bürokollegen zusammen­ arbeiten? Raffiniert an dieser internen Abklärung ist, dass es – vordergründig – gar nicht um die Fusion, sondern quasi um die all­ gemeine Befindlichkeit ging, die aber als Seismograf für das weitere Vorgehen diente.­Analog lief es im externen Unter­ suchungsfeld ab, also bei Lieferanten, Kunden und generell anvisierten Stake­ holdern. Lapidar genannt: Es wurde der Puls gefühlt. Aufgrund der gesammelten Daten und Informationen erstellte Kunde & Co die notwendigen Unterlagen für das weitere, differenziertere Vorgehen, wobei immer die interne und externe Sichtweise be­ rücksichtigt wurde – getreu dem uralten Kommunikationsprinzip: «Du hast von dir ein Bild, der andere aber auch. Wir müs­ sen eine Schnittstellenmenge finden.»­ Natürlich ging es darum, Synergien aufzuzeigen, betriebliche und äussere Wahrnehmungen, Wünsche, Erwartungs­ haltungen und Zukunftsängste zu anti­ zipieren. Aber im Grunde genommen ­basiert das Erfolgsrezept einer geglückten Fusion auf den vorhin genannten Grund­ regeln, nach denen sich eine künftige ­Zusammenarbeit zwischen zwei Firmen­ kulturen ausrichten muss, wenn sie gelin­

gen soll. «Es gilt, die eigene Geschichte des Unternehmens vor Augen zu führen und zu extrapolieren, wohin die Reise gehen soll oder könnte. Mit welchen ­ Werthaltungen kommen wir zum gemein­ samen Ziel, noch profilierter und noch wettbewerbsfähiger zu werden? Welchen Eindruck wollen wir bei unseren Kunden hinterlassen? Und schliesslich: Welchen

Du hast von dir ein Bild, der andere aber auch. Wir müssen eine Schnitt­stellenmenge finden. einzigartigen Stellenwert wollen wir – ­gegenüber der Konkurrenz – einnehmen? Und das vom ersten Tag weg», umreisst Henrik Kattrup die wesentlichen Themen. Apropos Mitbewerber: «In der Phase des Zusammenführens profitiert die Kon­ kurrenz am meisten, wenn dieser Prozess schlecht und unprofessionell gestaltet wird.» Stimmt. Verunsicherte Mitarbei­ tende beschäftigen sich mit sich selber, Lieferanten, Kunden und Aktionäre re­ agieren negativ in der Phase des labilen Übergangs, welche sich mit einem klaren Schlachtplan wie dem Gebo-Cermex-Plan von Kunde & Co verhindern lässt.

Das Resultat Als sämtliche Involvierten einbezogen, orientiert und voll motiviert waren, so Hen­ rik Kattrup, wurden ihnen noch schriftlich

alle Schritte erläutert, etwa die anvisierte Position des neuen Brands oder die neue Stellung im Markt. Und, das ist das Ent­ scheidende, auch die Verkaufs­präsen­ta­ tion und die Imagebroschüre mit dem neuen gemeinsamen Produkteangebot bekamen sie schon ausgehändigt. «Wir können doch unsere Spezialisten nicht auf die Kunden loslassen, wenn sie erst aus der Zeitung, via Communiqué oder Powerpoint-Präsentation erfahren, was abgelaufen ist, und ihnen Monate später Hilfsmittel zur Verfügung stellen», sagt Henrik Kattrup. Ein geschickter Schachzug, der wohl viel unnütze Ausein­ andersetzungen, Hosenbeinabsägereien, ja sogar Personalkündigungen und Liefe­ rantenwechsel erspart. «Damit haben wir einen unnötigen Kräfteverlust verhin­ dert», kommentiert der Projektleiter die­ sen komplizierten Prozess sec, um gleich hinzuzufügen: «Eigentlich geht es letztlich darum, dem Kunden aufzuzeigen, dass ihm dieser Merger durch die Gesamtheit der neu angebotenen Leistung den Mehr­ wertschöpfungsbeitrag erhöht und dass die Differenzierungskraft zur Konkurrenz noch grösser wird.» Und Henrik Kattrup bringt gleich ein Beispiel für den Lack­ mustest, den das neue Gebilde bestanden hat. An der Drinktec in München – für ­Getränkefachleute quasi wie die Olma in St. Gallen für Bauern, der Catwalk für Modeschöpfer in Paris oder die Art in ­Basel für Künstler – wurden die Termin­ kalender des Aussendienstes von Gebo Cermex so prall gefüllt wie noch nie.


70 | Marketing

So druckt man heute die Welt von morgen

3D-Model.ch Mitten in Zürich sitzt der erste dreidimensionale Copyshop der Welt. Hier lässt sich erleben, wie wir in Zukunft Produkte herstellen.

Stefan MAIR

N

ahe der Langstrasse im Zürcher Kreis 4 hat sich ein Startup ange­ siedelt, das in den Geschichts­ büchern einmal als Pionier einer indus­ triellen Revolution stehen könnte. Wer den Begriff Revolution für übertrieben hält, sollte sich einmal intensiv mit 3DModel.ch von Christiane Fimpel und Phil Binkert befassen. Denn was das Paar in seinen Geschäftsräumen macht, könnte kaum faszinierender sein. Menschen werden eingescannt und eine Maschine druckt sie als Puppen aus. Schmuck, Spielzeug, Teile für die Medizin kommen ohne weiteres Zutun aus den 3D-Apparaten. Die Printer in der Firma scheinen keine Grenzen zu kennen. Alles, was auf ein Speichermedium passt, kön­ nen sie produzieren. «Ich brauche nur die 3D-Daten auf einem Stick, das genügt, dem Drucker zu sagen, was er tun soll», erklärt Phil Binkert. 3D-Printer machen aus digitalen Daten sozusagen Dinge zum Anfassen. «Das könnte unser Leben tat­ sächlich ähnlich einer industriellen Revo­ lution verändern», sagt der Unternehmer. Die Maschine baut das Modell, das produziert werden soll, dabei Schicht um Schicht auf. Man kann nicht nur Kunst­ stoffe schichten, sondern auch Metall, Gips, Keramik oder Glas. Fachleute nen­ nen das Prinzip «additive Fertigung». Bin­ anzeige

kert führt aus: «Bei Druckern für Privat­ anwender ist der Rohstoff ein Plastikdraht auf einer Spule, der Plastikfaden wird auf­ geheizt wie bei einer Heissleimpistole. Der Druckkopf trägt den geschmolzenen Kunststoff auf, Schicht für Schicht.»

Im Keller gestartet 3D-Model.ch-Mitbegründer Binkert erkannte die Bedeutung von 3D-Printern schon während seiner Arbeit für das ­globale Architekturbüro Daniel Libeskind. Wünschte der Kunde nämlich eine Ände­ rung der Vorlage, war das enorme Mehr­ arbeit. Mit einem 3D-Drucker konnten neue Modelle einfach hergestellt werden.

3D-Drucker produzieren eine unendliche Palette an Dingen: Schmuck, Spielzeug – dereinst Lebensmittel. In der Anfangszeit tüftelten Phil Binkert und Christiane Fimpel noch in bescheide­ nen Verhältnissen: «Vor sechs Jahren ha­ ben wir angefangen, wir waren zu zweit und haben einen Keller als Geschäftsraum gemietet», erinnert sich die gelernte Kom­ munikationsmanagerin Fimpel. Binkert ergänzt: «Ich und Christiane haben ge­ spürt, dass sich in diesem Bereich etwas bewegt, dann haben wir uns gesagt: Let’s

go for it». Die Tätigkeitspalette von 3DModel.ch ist dabei gross. Die Firma ist Ver­ triebspartner des Druckerherstellers 3D Systems, sie verkauft Printer, druckt selber Gegenstände nach Auftrag aus und berät Kunden. Dazu gibt es umfassende Weiter­ bildungsangebote. Interessierte können Workshops besuchen, sogar Schulen laden Christiane Fimpel und Phil Binkert zu Prä­ sentationen ein. Auch Branchen, für welche die Welt der 3D-Printer eine Chance oder eine mögli­ che Bedrohung sein könnte, holen sich ­Informationen bei 3D-Model.ch aus erster Hand. So wittern Banken und Versicherer Geschäftsmöglichkeiten. Logistiker hin­ gegen fragen sich, wie sie darauf reagieren können, wenn Kunden die Produkte nicht mehr geliefert bekommen, sondern gleich zuhause ausdrucken. Die Anwendungsbereiche für 3D-Prin­ ter sind schier unbegrenzt. Luftfahrt und Autoindustrie stellen schon heute Bau­ teile im sogenannten additiven Verfahren her. Darunter sind Triebwerkselemente oder Armaturenbretter. Theoretisch könn­ te das ganze Auto aus dem Drucker kom­ men, ein solches Gerät existiert bereits in den USA – nur der Motor ist aus Metall. Ideal sind 3D-Printer auch für die Archi­ tekturszene, die ihre Modelle in bisher ­ungekannter Qualität ausdrucken kann. Mit einem riesigen Scanner wäre es sogar möglich, ein ganzes Haus zu fertigen. Der

3D-Model.ch: Christiane Fimpel und Phil Binkert vor ihren Hightech-Druckern in Zürich.

italienische Architekt Enrico Dini kündigte an, 2014 ein solches Hausdruckprojekt durchführen zu wollen. Natürlich stehen sogar Künstler und Designer Schlange beim Startup, sie können ihre Phantasie mit äusserster Präzision materialisieren. Besonders spannend sind auch An­ wendungen in der Chirurgie. Bereits jetzt stellt 3D-Model.ch Übungsobjekte für das Universitätsspital Zürich her. So können Ärzte etwa anhand von Mustern Opera­ tionen anhand der präzisesten Objekte üben. Auch in der Zahnmedizin ­werden Operationen dank dem 3D-Druck verbes­

sert. Selbst konventionelle Druckshops gehören zu den regelmässigen Besuchern bei Christiane Fimpel und Phil Binkert. «Viele fragen uns, wie sie 3D-Printer in ihre Geschäfte integrieren können. Unsere Kurse sind sehr gut besucht», erklären beide. Im Standort nahe der Zürcher ­ ­Bäckeranlage arbeiten heute Menschen aus den unterschiedlichsten Richtungen. «Bei Stellenausschreibungen können wir nicht einen 3D-Druck-Techniker anfor­ dern, weil dieses Berufsbild erst entsteht», sagt Fimpel. «Das sind Jobs von morgen, deshalb besteht unser Team aus Querein­


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peter frommenwiler

testen klingt bei alledem die Idee, sogar Essen auszudrucken. Dabei soll eine ­biologische Tinte verwendet werden, die verschiedene Zelltypen enthält. Ob die Möglichkeit, sich sein Essen selber aus­ zudrucken, indes jemals serienreif wird, steht in den Sternen.

steigern, die Ideen und Erfahrungen aus den unterschiedlichsten Bereichen mit­ bringen.» Diese Vielfalt an Perspektiven ist im Umgang mit verschiedenen Kunden von Architekten bis Vertreter von Indus­ trieunternehmen von grossem Nutzen. Christiane Fimpel weist aber auch auf die Herausforderungen hin, die 3D-Druck noch zu überwinden hat. Nicht zuletzt ­berührt das Thema 3D-Printing eine ganze Reihe von Fragen, die in den nächsten Jah­ ren geklärt werden müssen. Wer hat etwa das Copyright auf Objekte, die sich ein Endkunde selbst ausdruckt? Wie sieht es anzeige

mit Fragen der Haftung aus, wenn plötz­ lich ein Defekt auftritt? Schliesslich hat der Endkonsument das Produkt ja «selber her­ gestellt», indem er es sich zuhause ausge­ druckt hat. Wer ist dazu für die Entsorgung verantwortlich? Was passiert, wenn ge­ fährliche Gegenstände wie Waffen aus­ gedruckt werden? Wer verhindert, dass ­Jugendliche sich Dinge basteln, die sie gar nicht besitzen dürften? An all diesen Fragen dürfte die Branche in den nächsten Jahren arbeiten, um einen sicheren Rechtsrahmen für die neue revo­ lutionäre Technik zu schaffen. Am verrück­

Expansion geplant Sicher ist, dass sich bereits jetzt im ­Internet eine riesige Community gebildet hat, die Konstruktionen für das 3D-Prin­ ting hochlädt, mit anderen teilt und sich bei Modellen anderer bedient. Dadurch verbessern sich Muster fortlaufend, und Endkunden können aus den unzähligen Konstrukten auswählen und diese herun­ terladen. Von Erweiterungen für Smart­ phones, Ersatzteilen für Haushaltsgeräte, bis zu einem Haarkamm ist alles dabei. Die Kreativität dieser Communities ist eine nicht zu unterschätzende Triebfeder für die Entwicklung der ganzen 3D-Druck­ Branche (siehe Kasten). Die Zukunft von 3D-Printern und von 3D-Model.ch sieht Christiane Fimpel sehr rosig. Der Sprung ins Ausland ist schon vorbereitet. «Wir planen die Eröffnung ­einer weiteren Copyshop-Filiale in Wien Anfang 2014. Dahinter steckt ein Konzept der Expan­ sion in weitere europäische ­Metropolen», sagt Fimpel stolz. www.3d-model.ch

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3D-Drucker

Die Zukunft der Boombranche Für Privatnutzer Während 3D-Drucker vor einigen Jahren noch ein Vermögen kosteten, sind sie inzwischen für den privaten Nutzer erschwinglich. Kleinere Exemplare wie der «Cube» von 3D Systems sind ab 1700 Franken erhältlich – Profigeräte können über 100 000 Franken teuer sein. Die Printer für zuhause sind ungefähr so gross wie eine Kaffeemaschine. 25 Designs beziehungsweise Objektvorlagen werden mitgeliefert. Besonders spannend ist es aber, sich 3D-Objekte via Apps herunterzuladen. Im Internet gibt es zudem Programme, mit denen man selber zum Designer werden und etwa eine Lampe oder Tasse so variieren kann, bis sie dem ­eigenen Geschmack entspricht. Wachstum erwartet Die Zahl der 3DDrucker in privaten Haushalten ist noch klein. Letztes Jahr wurden gerade einmal 50 000 Stück verkauft. Da inzwischen aber benutzerfreundliche Software-Anwendungen auf dem Markt sind, die auch für Laien verständlich sind, schätzen Experten, dass die Zahl der Verkäufe in den nächsten Jahren

stark ansteigt. Firmen wie Nokia oder Lego bieten auf ihren Websites sogar schon Designs zum Download an. So kann beispielsweise ein Nokia-Gehäuse für Handys oder ein Lego-Stein als 3D-Modell heruntergeladen und ausgedruckt werden. Die Mustervorlagen können dabei einfach auf den individuellen Geschmack abgestimmt werden. Rosiger Ausblick Das amerikanische Marktforschungsunternehmen Global Industry Analysts (GIA) prognostiziert in einer aktuellen Studie, dass die Branche der 3D-Printer bis 2018 auf ­einen Wert von mindestens 3 Milliarden Dollar wachsen wird. Berechnet wurde dies auf Basis von 34 Unternehmen aus den USA und 27 Unternehmen aus Europa. Banken arbeiten bereits an Anlagestrategien, um vom Boomgeschäft mit den 3D-Druckern zu profitieren. Dabei werden sowohl ­klassische Druckereifirmen, die mit 3DPrintern arbeiten, ins Portfolio aufgenommen, als auch Unternehmen, die die 3D-Technologie produzieren, für die Kapitalinvestition berücksichtigt.


72 | Marketing

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Mini-Mobile-Marktforschung

Applikationen Wie man alle Inhalte von Apps systematisch messen und das Angebot auf die Nachfrage ausrichten kann.

ren an eine Identifizierungs-Technologie für Apps gemacht – egal ob Apple, Android oder andere. Wie aus einem kleinen Buch werden auf diesem Weg die bei der Pro­ duktion und Pflege verwendeten Inhalte systematisch maschinell herausgelesen. Dieses Verfahren ist zwar technisch ­kompliziert, liefert aber als Einladung für die verantwortlichen Betreiber von Apps messbare, unabhängige, agentur- und technologieneutrale Informationen zur Wirkung der mobilen Kommunikation. Nutzen ziehen aus den Ergebnissen aber auch Analysten, Agenturen und inter­ essierte Kunden.

Christoph Glauser

Was steht drauf? Die Wirkung von Apps kann man mit verschiedensten Methoden messen. Eine anzeigen

peter frommenwiler

L

andauf, landab wird eifrig an App­ likationen (Apps) für Smartphones und Tablet-Computer gebastelt. Kein Wunder setzen sich Agenturangestellte bereits am Donnerstag nach Hause ab und werkeln freiwillig sowie oft ohne Vergel­ tung bis und mit oder über das Wochen­ ende hinweg an der neuen, ultimativen Entwicklung, die den Rest der Menschheit glücklich und vor allem sie selber reich machen soll. Da kommen ­digitale Markt­ forscher, entzaubern die f­arbigen Knöpfe und messen die Wirkung der Inhalte auf sämtlichen Apps. Mit der iPhone-Euphorie kam die AppEuphorie. Was man inzwischen nicht alles als App runterladen kann – mit Betonung auf «kann». Dieses Jahr sollen es laut Gart­ ner weltweit mehr als 80 Milliarden Down­ loads werden, nächstes Jahr schon über 130 Milliarden. Letztes Jahr waren es noch keine 50 Milliarden Downloads. Digitale Marktforscher, hierzulande etwa ArgYou, fragen in diesem Zusammenhang: Muss man irgendeine App runterladen, nur weil sie da ist? Liefert sie überhaupt die nach­ gefragten Angebote für die Nutzer, die ­mobile oder online verwendet werden? Um dies zu messen, machen sich Soft­ ware-Spezialisten hinter das Analysieren von Apps sowie deren Inhalten – und das ganz systematisch mit wissenschaftlich erprobten statistischen Methoden.

Oberschenkelknochen: Der nicht gehärtete Gips wird abgewischt (depowdering).

davon sind die Nutzungs- oder Leistungs­ daten auf den App-Stores, beispielsweise Google Play, iTunes (Apple), Samsung Apps oder Windows Store. Eine andere sind Zahlen der Agenturen, die Applika­ tionen herstellen. Die beste Datengrund­ lage ist fast noch i­mmer der Stand auf dem Bankkonto des Anbieters respektive

manchmal von Telekommunikations­ firmen, wo man sieht, wie oft eine BezahlApp gekauft wurde. Ob diese dann wirklich intensiv ­genutzt wird, ist eine andere Frage, die mit den Download-Zahlen allein leider oft nicht beantwortet werden kann. Deshalb haben sich Entwickler in den vergangenen Jah­

Was steckt drin? In einem weiteren Schritt sammeln die digitalen Marktforscher mit zahlreichen Software-Tools bei über 180 verschiedenen Suchmaschinen – online und mobile – die Daten aus der Nutzung dazu. So kann man in 28 Sprachen messen, ob die auf den Applikationen ursprünglich ver­ wendeten ­Inhalte innerhalb der letzten 30 Tage überhaupt je gesucht wurden. Auf diesem Weg analysierte mobile Angebote können anschliessend besser auf die Nachfrage abgestimmt werden und ha­ ben dadurch eine viel grössere Wirkung, sprich eine e­rhöhte Chance, wirklich genutzt zu werden. Dieses neuartige Verfahren der Wir­ kungsmessung erlaubt es auch, systemati­ sche Benchmarks für den mobilen Markt und darüber hinaus branchenweite Kon­ kurrenzvergleiche sowie Bedarfsanalysen auf dem Umweg über Apps bereitzustel­ len. Die Marktforschung auf dem Smart­ phone oder Tablet-Computer steckt noch völlig in den Kinderschuhen. Aber auf den ­kleinen Bildschirmen der Endgeräte ist es ­extrem wichtig, die Kommunikation möglichst gezielt zu verdichten, damit die Kunden genau das kriegen, wonach sie meistens suchen. Enttäuschte Mobile-

Nutzer sind innert Sekunden wieder weg und kommen nie wieder. Das gilt es zu vermeiden.

Was hilft weiter? Die rasante Entwicklung und der sich abzeichnende Verdrängungswettbewerb bei den Apps führen automatisch dazu, dass sich die Hersteller und Agenturen in Zukunft vermehrt für diese Form der Wir­ kungsanalysen interessieren müssen. Bei neuen Apps macht es deshalb Sinn, sich bereits in einem sehr frühen Stadium dar­ um zu kümmern. Beispielsweise wird hier auf der Basis einer Konzeptanwendung oder einer ersten Idee die Relevanz der verwendeten Inhalte gemessen. Frei nach dem Motto: «Besser vorher messen, an­ statt hinterher zu jammern.» Auf Englisch sagt man diesem Verfahren: «Optimize ­before you build». Inhaltlich werden Vor­ projekte, sogar Vorkonzepte oder Mockups bei den Apps daraufhin analysiert, ob die geplanten Angebote über genügend Nachfrage verfügen. Nach der Lancierung werden diese Apps auch entsprechend intensiv mobil genutzt und konvertieren besser. Sind die Apps live geschaltet, benötigen die Markt­ forscher meistens nur ein digitales Format beziehungsweise ein «*.ios»- oder «*.apk»File als Ausgangsinformation. Diese For­ mate beinhalten jeweils schon alle Inhalte,­ die man für eine vertiefte Untersuchung benötigt. Für interessierte Kunden ent­ steht kein zusätzlicher Aufwand. Sämt­ liche Angaben zu den Projekten werden vertraulich behandelt. Es ist damit zu rechnen, dass das Interesse an solchen Mini-Mobile-Marktforschungen in den nächsten Jahren stark zunehmen wird. Christoph Glauser, Geschäftsführer, ArgYou, Baar. Aktion von ArgYou für «Handelszeitung»-Leser: App-Wirkungsanalyse 2660 statt 3130 Franken.


Marketing | 73

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Verbraucher involvieren Roland Bernhard und Nadia Eggmann

D

ass Konsumenten Mitspracherechte beim Entwickeln von Produkten erhalten und eine aktive Rolle bei Innovationsprozessen von Unternehmen spielen, das ist schon länger eine Tatsache. Durch die zunehmend stärkere digitale Vernetzung zwischen Verbrauchern untereinander – sowie mit Anbietern – prägt der Konsument jedoch immer mehr auch die Brand Identity mit. Ihn ­deswegen als Co-Markenentwickler zu b ­ etrachten, ist eine logische Konsequenz. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Verbraucher reichen dabei von der Infor­ mationsweitergabe bis hin zum aktiven Vertreten oder sogar Verteidigen eines Brands. Dies kann zur Co-Markenentwicklung und zur Gestaltung von Wachstums­optionen führen. Ersteres war vor der Etablierung der sozialen Netzwerke zwar teilweise auch schon möglich,

Damit der Kunde zum Co-Markenentwickler wird, muss man ihn ­ kennen lernen. etwa durch das Tragen eines gebrandeten T-Shirts. Nur nimmt die Reichweite der symbolischen Handlung oder einer Unterhaltung über eine bestimmte Marke heute durch digitale Medien stark zu und verbreitet sich aus­serdem rasant. Treffend lässt sich folgern: Wer seine Brand Equity steigern will, der sollte vor allem eines können: Den Kon­sumenten zum begeisterten Markenbotschafter machen. Praktische Muster, wie Verbraucher ­aktiv in die Brand-Identity-Thematik eingebunden werden können, existieren unzählige. Der Schweizer Fleischverarbeiter Bell etwa bietet nebst einer interaktiven Grill-App auch Grill-Meisterschaften oder startete die Aktion mit folgendem Aufruf auf Facebook: «Poste dein Grill-Bild an unsere Pinnwand und versehe es mit folgenden Hashtags: #bbq#american_bbq.» Das vielseitige Vorbild Bell zeigt, wie eine positive Reputation und aktives Engagement der Konsumenten erzielt werden können. Obwohl Bell hier fortschrittlich agiert, ist das Potenzial im Hinblick auf die digitale Brandbildung in Kooperation mit dem Verbraucher als Co-Markenentwickler noch lange nicht ausgeschöpft. Ein hervorragender Ansatz, dieses Potenzial umzusetzen, liegt in einem ersten Schritt im detaillierteren Kennenlernen und Verstehen des Konsumenten.

Näher beim Kunden mittels Small Data Big Data ist hierfür eine erste Option, die momentan in aller Munde ist. Big Data führt zu statistisch gesehen traumhaften Datensätzen und einer breiten erfass­ baren Grundgesamtheit. Allerdings kann

deren Auswertung dann aber oft nicht so adäquat durchgeführt werden wie ­erwünscht. Die Fehlerquellen und Miss­ interpretationen sind gross, die Daten oft gesichtslos oder anonym. Für gewisse Ziele wie zum Beispiel Trend-Scouting oder Meinungsforschung mag das Arbeiten mit Big Data zwar der absolut richtige Weg sein. Gerade Social Media Monitoring Tools wie Brandwatch, Radian6 oder die Social Insights Generation Methodology, kurz SIG, von Vivaldi Partners können hier das Beste aus Big Data herauskitzeln. Für andere Ziele, etwa das Befähigen von Kunden zur Co-Markenentwicklung, zeigt sich die Fokussierung auf Big Data ­jedoch als tendenziell kontraproduktiv. Denn hier sollte es vielmehr um Inter­ aktion, Schaffen von Begeisterung, gezielte Konsumentenausrichtung, um Persönliches gehen. Während nun also Big Data als grosses Schlagwort in Marketingkreisen kursiert, entfacht sich bereits auch eine Gegenrichtung dazu, nämlich die Arbeit mit Small Data. Unter Small Data werden Daten verstanden, die nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern gezielt und vertieft I­nformationen zu Verbrauchern liefern. Hauptsächlich spielen der Eins-zu-eins-Gedanke wie auch der Leitspruch «Qualität vor Quantität» eine übergeordnete Rolle. Laut dem Cisco Visual Networking Index (Global Mobile Data Traffic Forecast Update, 2012–2017) werden in vier Jahren mindestens 8,6 Milliarden Geräte, die ans mobile Netzwerk angeschlossen sind, in Privatbesitz sein. Dies führt zu einer enormen Menge an theoretisch vorhandenen personalisierten Small Data, die praktisch genutzt werden könnten. Das Mobile Episode Tracking, kurz MET (siehe Kasten), bietet zur Erhebung dieser ­Daten eine elegante Lösung.

Absicht bedeutet noch lange nicht Kauf Dieses brandneue Tool befindet sich gerade in der Markteinführungsphase und wird in Kooperation mit etablierten Unternehmen eingesetzt. Durch die Anwendung des MET kann Kundenverhalten in Echtzeit erfasst und damit ganzheitliche ­Outside-in-Informationen zu einem bestimmten Thema generiert werden. Es geht darum, ganz nahe am Konsumenten zu sein und ihn detailliert mit seinen ­Alltagsbedürfnissen kennen zu lernen. So kann durch das MET direkt und unverzerrt erkannt werden, was der Verbraucher tatsächlich tut – und nicht nur sagt, was er tun wird. Biases wie die Social ­De­sirability können damit in erster Linie ­verhindert werden. Dies ist von grosser Relevanz, denn die blosse Angabe einer Kaufbeabsichtigung bedeutet noch lange nicht, dass der Kauf dann wirklich getätigt wird. Das MET ist in drei modularen Schritten aufgebaut, die einen besonders tiefen Konsumenteneinblick erlauben. Bei jedem Input von Seiten des Befragten kann spezifisch nachgehakt und damit

Vivaldi Partners

Unabhängige Strategieberatung Firma Die führende unabhängige ­Be­ratungsfirma für Wachstumsstrategien hilft durch die Expertise in den Bereichen (Brand-)Strategie, Innova­ tion, Marketing und Transformation und ­befähigt ihre Kunden, Wachstumschancen bestmöglich wahrzunehmen. Vivaldi Partners wurde 1999 gegründet und hat ihren Hauptsitz in New York. Niederlassungen gibt es in München, Düsseldorf, London, Zürich, Amsterdam, Hamburg sowie Buenos Aires. Tool Das neue Mobile Episode Tracking (MET) von Vivaldi Partners zur Erfassung tiefgründiger Konsumentendaten in Echtzeit gliedert sich in drei Schritte:

• Daily Episodic Photo Capture: Der Konsument dokumentiert seinen Alltag anhand von aussagekräftigen Fotos mit seinem Smartphone und beantwortet dazu ein paar kurze, schriftlich gestellte Fragen. • Daily Episodic Reconstruction: Am Ende einer festgelegten Periode, zum Beispiel jeden zweiten Tag, werden ­jeweils spezifische Fragen gestellt, die das Bild der Konsumenteninforma­ tionen verdichten. • In-depth Episode Exploration: Nach der gesamten Untersuchungszeit, rund zwei Wochen, werden die inter­ essantesten Episoden vertieft mit dem ­Konsumenten betrachtet.

peter frommenwiler

Co-Markenentwickler Die Führung der Brand Identity gehört zu den Kernaufgaben des Marketings. Wie dies passiert, verändert sich im digitalen Kontext essenziell.

Oberschenkelknochen: Das fertige Modell ist entpulvert und bereit zum Trocknen. Die Farben wurden intensiviert (epoxiert).

ins Detail gefragt werden. Dies garantiert tiefe und spezifische Insights und beugt Missinterpretationen vor. Erfragt werden können die verschiedensten Aspekte wie Einschätzungen, Erfahrungen, Verhalten, Zufriedenheit, Ratings, Anwendungen oder Verbesserungsvorschläge – hier sind keine Grenzen gesetzt. Diese individuelle

Betrachtung des Verbrauchers führt zu fundierten Erkenntnissen, die zu Vorteilen bei der Identifizierung von Schlüsselfaktoren für Loyalität und Präferenzen, beim Erfassen von nicht befriedigten Bedürfnissen, beim Erhöhen der Markenrelevanz für den Konsumenten und speziell auch bei der Generierung von Wachstumsoptio-

nen führen. Wer weiss, welche Handlungsoptionen sich durch die Arbeit mit Small Data für Brands noch ergeben? Und: Kennt man seine (zukünftigen) Kunden eigentlich schon tiefgründig genug? Roland Bernhard, Senior Partner, und Nadia Eggmann, Research Analyst, Vivaldi Partners, Zürich.

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74 | Marketing

Speerspitze im Marketing MS Mail Gruppe In 35 Jahren von der Occasions-Kuvertiermaschine zum Outsourcing-Marktführer.

Mélanie Knüsel-Rietmann

P

atron Peter Stössel (69) erinnert sich: «Angefangen hat seinerzeit ­alles mit einer Occasions-Kuvertiermaschine, die ich zugleich als Gründungskapital in die MS Mail Service einbrachte. Zwar hatte ich das HSG-Lizenziat in der Tasche – jedoch keinen Rappen im Sack. Dafür hatte ich umso mehr gute Ideen im Kopf.» So zum Beispiel das Erbringen von Dienstleistungen an Kunden, die Dialogmarketing-Prozesse entlang ihrer Wertschöpfungskette auslagern wollten. Zu diesem Zeitpunkt ein bahnbrechender Ansatz, denn das Outsourcing war für die meisten Unternehmen noch ein Wort mit sieben Siegeln. Zusammen mit einem Freund startete er mit diesem Geschäftsmodell für den Textilversand Peter Hahn,

den die MS Mail Service heute noch zu ­ihren Kunden zählen darf. «Die Kuvertiermaschine ratterte Tag und Nacht. Wenn der eine am Boden schlief, arbeitete der andere und umgekehrt», erzählt Direktmarketing-Pionier Peter Stössel über die Anfänge seines Imperiums.

Von 2 auf 2000 Mitarbeitende Das war vor 35 Jahren und klingt ­irgendwie abenteuerlich. «An so etwas Profanes wie Direktwerbung zu glauben, kam fast einer Gotteslästerung gleich. Es war die Zeit der klassischen Werbung. An den Tankstellen wurde man von Tigern angefaucht, in den Waschküchen stemmten weisse Riesen jeden Kleiderstapel.» Ein Direktwerber ist damals gegen den Strom geschwommen und wurde be­ lächelt. ­Seine Kommilitonen an der Uni-

zvg

Peter Stössel (rechts) mit Sohn Milo und Tochter Nayla.

anzeigen

versität St. Gallen fragten Peter Stössel: ­«Warum warst du überhaupt an der HSG?» Und heute? Im Zeitalter von Customer Relationship Management (CRM), Big Data, Multichanneling oder Social Media ist der personalisierte Dialog die Speerspitze im Marketing – kreativ, treffsicher und effizient. Die alte Kuvertiermaschine war eine gute Investition. Mittlerweile ­beschäftigt die Dachgesellschaft MS Mail Gruppe 2000 Mitarbeitende, knapp 800 Vollzeitbeschäftigte, und setzt kumuliert rund 100 Millionen Franken im Jahr um. Als eines der führenden Outsourcing-Unternehmen in der Schweiz werden zurzeit gegen 390 Kunden aus den verschiedensten Branchen betreut. In deren Namen und Auftrag werden jährlich annähernd 1000 Kampagnen und Prozesse durch­ geführt. Je nach Bedarf nutzen die Kunden ­eines der flexiblen Outsourcing-Modelle. Sie profitieren vom Leistungsumfang, der von A wie Adressen bis Z wie Zustellung ein Gesamtspektrum im Dialogmarketing und Contact Management abdeckt. Apropos Kunden: Unter den Unternehmen, die hierzulande ihr Vertrauen in die Hände des Familienunternehmens legen, hat es bekannte Namen wie AXA Winterthur, Betty Bossi, Bogner, Coop, Esprit, GE ­Money Bank, Generali, Harley-Davidson, Hugo Boss, HSE24, Jack Wolfskin, Kraft Foods, Le Shop, Madeleine Mode, Manor, Pan Gas, Procter & Gamble, Pro Idee, Puma, Mercedes-Benz, Raiffeisen, Swisscom, Swiss Ski, Syngenta, UBS, Walz, Weltbild, Yves Rocher oder Zalando. Die 1978 gegründete MS Mail Service mit Sitz in St. Gallen ist über die Jahre suk-

zessiv gewachsen. Sie hat inzwischen Niederlassungen in Adligenswil LU, Muttenz BL und Lauterach (Vorarlberg). 2007 erwarb sie die rbc Solutions in Feldmeilen ZH, die seit über 25 Jahren führende ­Gesamtanbieterin in Dialogmarketing und Contact Management. 2009 gründete MS Mail Service die Quickmail in St. Gallen: Die erste private Firma, die in der Schweiz adressierte Briefe, Mailings, Kataloge und Zeitschriften zustellt. Die Kernkompetenzen der drei Unternehmen bieten viele ­Synergieeffekte. Etwa im Bereich CRM und Logistik, aber auch im Fulfillment-Angebot der MS Mail Service sowie bei den Postdienstleistungen der Quickmail. «Unsere hohen Anforderungen an die Flexi­ bilität und Kundenorientierung bilden die gemeinsame Grundlage», erklärt CEO Milo Stössel. «Die Vielfalt unserer Kunden reicht vom Internet-Startup zum Grosskonzern. Diese facettenreichen Outsourcing-Prozesse sind nicht nur Grundlage des Full-Service-Angebots, sondern auch unsere Triebfeder der Innovation.»

Übergabe an zweite Generation Schon früh hat Peter Stössel sowohl seinen Sohn Milo (34) als auch seine Tochter Nayla (32) in seine weit gespannten ­Aktivitäten einbezogen. Milo Stössel hat 2008 die Leitung der Muttergesellschaft von seinem Vater nahtlos übernommen. Heute führt er als Delegierter des Verwaltungsrates auch die Unternehmensgruppe. Gleichzeitig konnte Peter Stössel das OKPräsidium des renommierten St. Galler Springturniers Concours de Saut International Officiel (CSIO) an Nayla Stössel übergeben. An diesem Grossanlass trifft

Nachbearbeitung: Die im industriellen 3D-Drucker

sich Jahr für Jahr die Weltelite der Springreiter im Gründenmoos, das als schönstes Stadion Europas gilt. Der grösste Pferdesportevent der Schweiz zieht jährlich bis zu 40 000 Besucher an. Die Kinder des Patrons sitzen also fest im Sattel. Milo Stössel war bei allen ­Ausbauschritten des Unternehmens dabei und hat wesentlich dazu beigetragen, dass frühzeitig das E-Commerce-Geschäft


peter frommenwiler

handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

gefertigten Hartplastikteile werden im Ofen erhitzt, um das Stützmaterial Wachs abzuschmelzen.

stark forciert wurde. Er räumt ein, dass sein Vater zunächst weniger davon ange­ tan war, da er mit dem klassischen Ver­ sandhandel gross geworden ist. Rasch sah er aber ein, dass kein Weg an diesem stark wachsenden Markt vorbeiführt. Als Peter Stössel das operative Geschäft seinem Sohn übergab, war der längst mit ­einem Bein drin. «Er hat mich – weitestgehend – machen lasse», meint hierzu Milo Stössel anzeige

schmunzelnd. Genau so hielt es der Se­ nior mit seiner Tochter. Sie war seit ­Jahren beim CSIO eine wichtige Mitorganisa­ torin und kennt die Welt des profes­sio­ nellen sowie internationalen Reitsports aus dem Effeff. Den Vater als strategi­ schen Sparringpartner im Rücken zu ­haben, sehen beide aber als wichtigen ­Erfolgsfaktor für den geglückten Nach­ folgeprozess.

«Bescheidenheit, Respekt und eine g­ ewisse Demut sind Tugenden, die einen guten Unternehmer auszeichnen.» Ein Credo des Seniors, nach dem sich auch Milo Stössel ausrichtet. Einmal im Ge­ spräch, schimmert dann trotzdem ein biss­ chen Stolz durch. «Nebst dem rechtzei­ tigen Aufspringen auf den E-CommerceZug macht mir natürlich die Entwicklung der jüngsten Tochtergesellschaft beson­ ders Freude: Quickmail ist das erste private Unternehmen, das in der Schweiz adres­ sierte Briefe, Mailings, Kataloge und Zeit­ schriften zustellt.» Diese Chance wurde wahrgenommen, als dieser Markt teilliberalisiert wurde. Milo Stössel ist fest davon überzeugt, dass dies nur ein erster Schritt auf dem Weg zur weiteren Marktöffnung sein wird. Doch vorderhand ist er zufrieden mit dem an­ sehnlichen Erfolg. Seit der Gründung vor vier Jahren hat Quickmail über 70 Mil­ lionen Sendungen befördert und viele ­Arbeitsplätze geschaffen. Im letzten Jahr wurden fast 29 Millionen Zustellungen ­getätigt und damit allein in der Deutsch­ schweiz bereits 63 Prozent aller Haushalte erreicht, sprich 1,6 Millionen. «Unser Ziel ist es, 85 Prozent im Rahmen dieser Teilliberalisierung zu erreichen», sagt Milo Stössel. Er fügt hinzu, dass rbc Solu­ tions mit ihrer IT-Kompetenz diesen Auf­ schwung massiv unterstützt hat. Damit ist gleich ein Beispiel von v­ ielen angespro­ chen, bei dem sich die drei Gruppen­ firmen ergänzen. Als Premium-Gesamtanbieterin ent­ wickelt und unterstützt rbc Unternehmen, die sich auf ihre Kernkompetenzen kon­ zentrieren möchten. Seit über 25 Jahren

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knüpft rbc im Auftrag ihrer Kunden Kon­ nel- und E-Commerce-Markt Schweiz. takte, die fruchten und von Dauer sind. «Mein grösstes Anliegen ist, dass wir un­ Ihr Tätigkeitsfeld umfasst Consulting und sere Kunden mit unserer Passion als Dienst­ Project Management, Data Intelligence leister höchst professionell bedienen, auf und Data Services, CRM Solutions, CRM ihre Wünsche flexibel eingehen und ihre Services sowie Customer Interaction Ma­ Anregungen sofort aufnehmen. Das gilt nagement. Dialogdienste werden nahtlos auch für die Mitarbeitenden. Sie sind für uns genauso eine Quelle der in die Prozesslandschaft der Inspiration und Innovation. Auftraggeber eingebettet. Je Im Namen der Wir spüren immer wieder, nach Bedarf kommen diese Kunden jährlich dass sie es schätzen, in ei­ entweder bei rbc oder direkt nem Umfeld tätig zu sein, beim Kunden vor Ort zum an die 1000 das ihnen Einblick und Kon­ Einsatz. Die Kostenvorteile Kampagnen und takte in die verschiedensten für den Kunden sind evident, Prozesse. Branchen bietet», so Milo weil ihm moderne Infrastruk­ Stössel. Natürlich hat er trotz turen und ausgereifte Soft­ ware-Lösungen im eigenen Haus zur Ver­ dem florierenden Unternehmen grös­sere fügung stehen. Darüber hinaus entfallen Herausforderungen. Um ein Beispiel ge­ beten, ­erwähnt er die Lohnsitua­tion. «Als Investitions- und Wartungskosten. personalintensiver Dienstleister haben Zentrum des Schweizer E-Commerce wir ­einen sehr hohen Lohnkos­tenanteil.» Ein Besuch in der Zentrale in St. Gallen Der Preisdruck vom Markt sei nicht ge­ ist beeindruckend. Im Call Center werden ring. «Aber wir stellen zu unserer grossen Anrufe entgegengenommen, Fragende Befriedigung fest, dass der Wunsch nach beraten, Reklamationen erledigt und via Qualitätsanbietern wieder zunimmt und Live-Co-Browsing Kunden gleichzeitig wir damit nach wie vor eine faire Lohn­ auf ihrem Bildschirm begleitet. Über die politik betreiben können.» Data Intelligence Services werden Kun­ Als Leader auf dem Gebiet von sour­ denstämme, Warenkörbe oder Katalog­ cingbasierten Dialogmarketingdiensten reihen analysiert, Social-Media-Services muss er in seinen Zukunftsstrategien und sogar das Management von Debito­ ­solche Entwicklungen im Auge behalten. ren, Bonitätsprüfungen oder Trainings à la Und dann bricht bei Milo Stössel ein carte angeboten. Eigentliches Herzstück Schalk durch, der genauso seinem Vater ist die Logistik: Mehrere Millionen Pakete Peter Stössel eigen ist. Mit Blick auf den verlassen pro Jahr die Lager der MS Mail Wettbewerb meint er abschliessend: «Ich Service; flankiert von dazu passenden halte zwar nichts vom Spruch ‹Alle kochen Diensten wie Fiskalvertretung, Verzollung nur mit Wasser›, und ich konnte auch oder professionelle Dienste aus dem Let­ noch nicht in alle Töpfe sehen. Aber uns tershop oder Fulfillment bietet das Unter­ gäbe es nicht so lange, hätten wir nicht ein nehmen einen Fullservice im Multichan­ bisschen Weihwasser dazugegossen.»


76 | Marketing

Wo digitale Ideen zu Geld werden Silicon Valley Social, local, mobile: Hier werden diese drei Werte mit Inbrunst gelebt – mehr von den Startups als den Giganten.

Alice Baumann

M

it überdurchschnittlich vielen Startups auf 6,8 Millionen Einwohner zieht die pulsierende San Francisco Bay Area regelmässig Schweizer Marketingexperten an, welche live miterleben möchten, wie Innovation ­geschieht. Eine Studienreise von Swissnex San Francisco und der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) bringt die Erkenntnis, dass kurzfristiges riskantes ­ Handeln durchaus opportun ist in diesen volatilen Zeiten. Nur nichts tun ist falsch. «Unternehmen im Silicon Valley zu ­besuchen, ist anregend und erschöpfend zugleich», mahnt Sean Randolph, President & CEO der Vereinigung Bay Area Council. Offenheit, Engagement und die Bereitschaft, sich mit Fremden zu verbinden, seien die Voraussetzung zum erfolgreichen Gedankenaustausch. «Grasp the spirit. Leave your comfort zone and move on to where the magic happens», ruft er den Schweizern als Willkommensgruss zu. Eine Handvoll Communication- und Social-Media-Experten nimmt einen zwölfstündigen Langstreckenflug, eine inten­ sive Arbeitswoche, jetlagbedingte Schlafstörungen und auch nicht unbeträcht­liche ­Kosten auf sich, um herauszufinden, ob die Amerikaner uns Europäern punkto Unternehmertum und Soziale-MedienExzellenz wirklich voraus sind. Die Antwort lautet «jein».

Schnell scheitern und wieder gründen Während strategische Massnahmen und die Nutzung vorhandener Tools vergleichbar sind, ist die Mentalität diametral anders. Bei jedem der zahlreichen Firmen­ besuche sind Mut und Machbarkeit zu spüren. Angst zu versagen zeigt sich indes kaum. Vor allem die Innovationsorganisationen der Universitäten wie zum Beispiel Skydeck Berkeley und die noch kleinen Startups vermittelten die Botschaft des «just do it». Es scheint, als sei fast alles möglich und als gäbe es im Bundesstaat Kalifornien kaum Hindernisse zur Gründung neuer Unternehmen, steuerliche schon gar nicht. Von dem Inder T. M. Ravi, einem leidenschaftlichen Investor und davor in Serie erfolgreichen Gründer und Chef ­ ­diverser Startups im Bereich Big Data, ist zu erfahren, dass es im Silicon Valley einzig darum gehe, ein Unternehmen zu lanImpressum Redaktion und Verlag, Axel Springer Schweiz, Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich

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cieren und es dann binnen maximal drei Jahren entweder zu verkaufen oder an die Börse zu bringen. «Egal, ob du scheiterst oder zu Geld kommst – mach es schnell, denn die nächste Herausforderung wartet schon auf dich», so sein ultimativer Tipp an Menschen jeder Kultur, die über das kalifornische Gründer-Gen verfügen. Zögern sei uninteressant und hindere einen nur daran, weitere Firmen zu kreieren. Dies sei so oft nötig, bis eine Idee zu Geld geworden sei. T.M. Ravi erzählt dies im Wissen, dass europäische Firmen oft Unternehmens­ geschichten zelebrieren, welche sich über mehrere Generationen erstrecken. Die San Francisco Bay Area sei stattdessen stolz darauf, dass die Hälfte des VentureKapitals der USA in Kalifornien investiert werde, betont der Inder. Goldenen Boden habe derzeit Big Data. «Daten sind das Öl dieses Jahrhunderts. Lasst uns diese Welle reiten», sagt er. Die amerikanischen Universitäten Berkeley und Stanford strahlen aussergewöhnlich viel Historie und Tradition aus. Doch aufgepasst: Der Inder Ram Kapoor,

«Daten sind das Öl dieses Jahrhunderts. Lasst uns diese Welle reiten», ist das neue Credo. neuer Direktor des Departements Marketing & Digital Communications mit langer Vergangenheit in renommierten globalen Werbeagenturen, lässt beim Markenauftritt von Berkeley keinen Stein auf dem ­anderen. Man wird sehen, ob er die Leitung der Universität für die erstmalige Kommunikationsstrategie und den Change-Prozess engagiert halten und das Rebranding ihrer vielen Fakultäten und Fachgebiete durchziehen kann. Das einheitliche Erscheinungsbild und die neue Website sind für 2014 geplant. Wie unternehmerisch eine Universität sein kann, zeigt sich zudem in Skydeck Berkeley. Hier verhelfen Professoren und pensionierte Unternehmer vielen Startups aus dem wissenschaftlichen Umfeld zum Erfolg. Wer Erfolg haben will, muss die So­ zialen Medien bespielen. Daher liegt der ­Fokus dieser Studienreise auf der Kommunikation der besuchten Organisationen. Die Social-Media-Aktivitäten des Campus Stanford Engineering sowie der California Academy of Sciences sind eher klassischer Natur. Zahlreiche Gespräche mit lokalen Experten legen den Schluss nahe, dass viele Schweizer Unternehmen ihre Aufgaben im Soziale-Medien-Bereich

ebenso effizient machen wie ihre kalifornischen Kollegen. Was gut geschulte Social Media Manager in der Schweiz planen und umsetzen, ist also durchaus State of the Art.

Vom Siliziumtal zurück zur Metropole Und Schwachstellen gibt es auch bei Institutionen im Silicon Valley und in San Francisco. Ein als Pressesprecher der Stadtverwaltung fungierender ehemaliger Schnupperstift vermittelt die Überfor­ derung einer Stadt, mit ihren Bewohnern ­einen zielführenden Dialog zu pflegen, ungewollt, aber eindrücklich. Zerknirrscht befindet er, mit nur 300 Stellenprozenten für die Sozialen Medien kommuniziere seine Metropole wie ein Startup. Schade für San Francisco. Denn es siedeln sich immer mehr innovative Unternehmen in der Stadt an, weil ihre Mit­ arbeitenden urban wohnen und den Stau auf dem Highway 101 ins Silicon Valley vermeiden wollen. Die Stadt gehört also aus mehreren Gründen zum Siliziumtal. «Nehmt die Geografie nicht wörtlich: Das Silicon Valley mit dem Hotspot Cupertino ist zwar ein Ökosystem zwischen Regierung, Wirtschaft und Universitäten, das die Freiheit von Informationen, Entwicklungen und Ideen fördert. Aber es handelt sich nicht nur um einen amerikanischen Traum. Tatsache ist, dass über 50 Prozent der Unternehmen von Immigranten gegründet werden», erzählt Sean Randolph. Das Silicon Valley sei zunehmend ein «Mindset» oder «State of Mind» statt eine Region. «Wir sind ein globaler Marktplatz von Ideen und ermöglichen einzigartige Wertschöpfungsketten. Menschen, die hier arbeiten, sind sich bewusst, dass R ­ isiko mit Scheitern verknüpft ist.» Wer keine Fehler mache, könne auch keinen Erfolg haben. «In der Bay Area beherbergen wir 300 Venture Corporations, teilen Kultur sowie Werte und sind bestens vernetzt», bringt Sean Randolph das Wirken im Hotspot auf den Punkt. «Bei uns investieren 100 Multimillionäre in Startups. Die neun aktivsten Investoren haben in der Bay Area im Jahr 2011 total 21,6 Milliarden US-Dollar eingeschossen. Am meisten profitiert haben die Bereiche Social Media und Cleantech.» Einen überraschenden Eindruck hinterlässt die Soziale-Medien-Managerin der weltbekannten lokalen Fernseh- und Radiostation CBS. Frei von jeder Kenntnis einer Unternehmensstrategie und ohne Ausbildung in ihrem Fachbereich postet eine junge Frau News über Gott und die Welt, dies während gefühlter 24 Stunden pro Tag und an sieben Wochentagen. Ist sie abwesend, springt eine Person ein, die

Herstellung: UV-Licht härtet die 0,016 Millimeter dicken Schichten im Modus Extreme High Defini

noch weniger weiss über den Job. Eine Nachbearbeitung der ausgezeichneten Newsstreams gibt es bei CBS ebenso wenig wie landesweit einheitliche Kommunikationsprinzipien. Das erschütterte die Gäste aus der Schweiz umso mehr, als der Empfang beim Sender ausgesprochen freundlich, die Führung durch die vielen Studios aufschlussreich und die Kommunikation sehr transparent ist.

Twitter-Quartier wird bald hip werden Eher ernüchternd war auch der Besuch bei den Giganten Facebook in Menlo Park und bei YouTube in San Bruno. Die im ganzen Silicon Valley hoch kultivierte Gastfreundlichkeit, die überall und jederzeit dieselbe Vollverpflegung beinhalten kann, wie sie die Mitarbeitenden rund um die Uhr geniessen, ist präsent. Doch sie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die arrivierten Grössen ihre Besucher gern auf eine nette, aber distanzierte Art mit ­Essen und Floskeln abspeisen. Ihr Ziel ist, Unternehmensgeheimnisse und visuelle Informationen vor der Konkurrenz abzuschirmen. Das Check-in erinnert teilweise an das Prozedere an einem Flughafen und die nette Begleitung auf dem hausinternen Rundgang an die ehemalige DDR. Amüsant sind auch die von Google in Zürich bekannten Installationen wie die Rutschbahn. Bei YouTube wird den Be­ suchern aus der Schweiz eingeschärft, sie mangels Versicherungsschutz nicht auszutesten. Der Minigolfplatz in der Mitte der Bürolandschaft ist ebenso wenig zum Spielen gedacht. Statt der erwarteten Kuschel­atmosphäre herrscht in den YouTube-­Büros Totenstille.

Neuerdings pflegt sogar Twitter Geheimniskrämerei. Das Unternehmen ist dank enormen Steuererleichterungen in ein derzeit noch sozial benachteiligtes Viertel an der Marketstreet gezogen. Eine «Seefeldisierung» dieses Quartiers wird erwartet. Denn Twitter residiert dort ebenso grosszügig wie die längst etab­ lierten Social-Media-Giganten im Silicon Valley und erweckt mit schicken Präsen­ tationen den Eindruck, der Informationsaustausch werde immer enger mit dem Thema Werbung verknüpft. Grossen Wert legt die Sprecherin auf die Feststellung, dass Twitter im Gegensatz zu Facebook nicht Menschen verbinde, die einander schon kennen, sondern interessenbasiert funktioniert. Diese Chance nutzten immer mehr Völker in ­einem immer höheren Tempo: «Für die erste Milliarde Tweets haben wir drei ­Jahre ­ ­gebraucht. Nun generieren wir alle drei Tage so viele», erzählt die Marketingmit­ arbeiterin. Bereits 70 Prozent aller Tweets würden ausserhalb der USA geschrieben. Die globale Konversation geschehe in 35 Sprachen (Stand März 2013). Sehr wertvoll sei Twitter unter anderem bei Grosskatastrophen wie der Flut an der Ostküste der USA. Sehr authentisch wirken echte Startups wie der vor drei Jahren gegründete Li­ mousinen-Taxiservice namens Uber. Eine Handvoll Mitarbeitende mit auffälligen Augenringen bewegen sich hektisch telefonierend zwischen mehreren Dutzend leeren Pulten und Stapeln von AppleSchachteln. Sie lenken ihre selbstständig operierenden Premiumfahrer per GPS. Es ist ersichtlich, dass die Gründer vom


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peter frommenwiler

handelszeitung | Nr. 44 | 31. Oktober 2013

tion (XHD) aus. Das Druckverfahren nennt sich Multi-Jet Modeling, zum Einsatz kommt ein industrieller 3D-Printer.

In Kürze dürften dank Metaio auch unsere privaten Smartphones Bilder dreidimensional darstellen. der Herstellung von Drohnen eine neue industrielle Revolution einläuten. Als Väter der Entwicklung lobt er die ETH Zürich und die EPF Lausanne. Mit seiner Firma 3D Robotics präsentierte sich Chris Anderson als Macher und Startup-Unternehmer, nicht mehr als Wissenschafter und Journalist. Ein Umsatz von mehreren Millionen US-Dollar gibt ihm recht.

Dreidimensionaler Blick in die Zukunft Räumlich die Phase verkörpernd, da Kleinstbüros neben dem Bildschirm noch Surfbrett und Fahrrad beherbergen müssen und der Kaffee aus einer Kartonschachtel in Pappbecher ausgeschenkt wird, ­öffnet Pionier Metaio mit seinem «Auganzeige

mented Reality»-Tool ein spannendes Fenster in die Zukunft. In Kürze dürften demnach selbst unsere privaten Smartphones Bilder dreidimensional darstellen. Dieses Teilen räumlicher Ansichten soll die Werbung revolutionieren und ein riesiger Goldgrubenmarkt sein für Autoproduzenten, die Mode- und Möbelbranche, Spielzeuganbieter, Hochglanzmagazine und viele mehr. Laut dem lokalen Chef Trak Lord vermag «the cool stuff» den ­Monatsumsatz von Grosskunden um 30 Millionen US-Dollar zu steigern. Erstaunlich klein ist auch Storify, ein in San Francisco angesiedeltes KMU, das uns die Welt erklären will. Gegründet und ­betrieben von erfahrenen Medienschaffenden, kuratiert Storify mit hoher Pro­­fes­ sionalität Links zu Texten, Bildern und ­Filmen. Co-Gründer Burt Herman, der sich als Kriegsreporter verdient gemacht hat und sich trotz seinem raschen Erfolg auffällig informell gibt, legt grossen Wert auf das Verifizieren von Fakten, bevor sie neu aufgemischt global publiziert werden. Dies schafft er mit einem Dutzend Mit­ arbeitenden anstelle von Maschinen. Noch legt er Zahlen und Fakten über sein Start­ up nicht offen. Fazit: Social, local, mobile – im Silicon Valley werden diese drei Werte mit Inbrunst gelebt. Wie hungrige Wölfe verfolgen die aus aller Welt stammenden Internetcracks gemeinsam mit ihren Business Angels die Vision, eines Tages ein erfolgreiches Unternehmen an die Börse bringen oder verkaufen zu können. Dafür arbeiten sie hart, stehen täglich im Stau auf dem Highway 101 und lassen die Wirtschaft brummen.

Swissnex

Kontaktvermittler sowie Reiseleiter Global Als eine von der Eidgenossenschaft vor einem Jahrzehnt gegründete Organisation zur Förderung von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur unterstützt Swissnex Schweizer Startups und expandierende Organisationen mit Schulungen und Tagungen d ­ abei, im Ausland leichter Fuss zu fassen, ­Netzwerke zu bilden und Visibilität zu erhalten. Alle Anstrengungen dienen der Förderung von Innovation. Regional Swissnex San Francisco etwa pflegt vor Ort 20 000 Kontakte, arbeitet mit allen Schweizer Universitäten zusammen, hat letztes Jahr 21 Startups besucht und 107 Events mitorganisiert, an denen mehr als 28 000 Personen teilgenommen haben. Das Jahresbudget 2012 betrug 2,5 Millionen US-Dollar (http://swissnexsanfrancisco.org). Lokal Swissnex San Francisco beschäftigt 17 Mitarbeiter. Sie leiten abwechslungsweise die begehrten Studien­ reisen in der San Francisco Bay Area, die fünftgrösste Metropolregion der USA. Welche bekannten und noch unbekannten Marken man in der Region zwischen San José, San Francisco und Oakland entdecken kann, veranschaulicht die Landkarte (siehe Bild rechts).

www.SiliconValleyMap.com

­ evorstehenden Durchbruch am Markt b überzeugt sind und mit der Miete einer ganzen, noch fast leeren Etage in einem schicken Hochhaus für erfolgreiche Zeiten vorgesorgt haben. Ihre Niederlassungen in New York, Chicago und Los Angeles, aber auch in Stockholm, London und Paris seien bereits am Rotieren, versichern die enthusiastischen Betreiber. Geld für Werbung habe man nicht; das Empfehlungsmarketing funktioniere aber bestens via Blogging und von Mund zu Mund. Aufschlussreich ist ebenfalls ein Vortrag von Internetguru Chris Anderson. Der Ingenieur mit Schweizer Wurzeln will mit



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