| 29. Oktober 2015
Special
Marketing
Überflieger GfM-Marketingpreis 2015 für Pilatus Seite 8
Ulrich H. Moser Der Präsident der Gesellschaft für Marketing über die akuten Chancen und Gefahren. Seite 4
Dominique Gisin Die ehemalige Skirennfahrerin über ein Karriere-Ende und ihre Lust aufs Berufsleben. Seite 22
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Sieger auf jedem Terrain. Mit dem Allradantrieb 4MATIC.
SPECIAL MARKETING
Nichtssagende Sinnbetonung
M IMPRESSUM Der Special «Marketing» im Magazin-Format ist eine redaktionelle Beilage der «Handelszeitung». Gesamtverantwortung Norman C. Bandi Redaktionelle Mitarbeit Thomas Ackermann, Peter Felser, Alexander Hahn, Marc Lottenbach, Marianne Rupp, Lukas Stuber, Jürg Stuker, Donato Virgilio, Benjamin von Walter, Susanne Wagner, Benedikt Weibel, Robert Wildi, Philipp Zutt Chefredaktor Stefan Barmettler Stv. Chefredaktor Marcel Speiser Ressortleitung Norman C. Bandi Stv. Ressortleitung Roberto Stefano Layout Roger Cavalli Titelbild Pilatus Aircraft Ltd Korrektorat Simone Abegg, Urs Bochsler, Beat Koch Adresse Redaktion «Handelszeitung» Förrlibuckstrasse 70 8021 Zürich Telefon: 043 444 59 00 Fax: 043 444 59 30 Mail: redaktion@handelszeitung.ch Website: www.handelszeitung.ch Verlag Ralph Büchi (Leitung), Maike Juchler (Stv. Leitung) Anzeigenverkauf Renato Oliva (Leitung), Adi Frei, Verena Tschopp, Karin Urech, Eveline Fenner (Kunst), Servais Y.F. Micolot (Westschweiz), Brigitte Lopez-y-Martin (Westschweiz) Marketing Michael Ebnöther (Leitung), Nicola Eberhard (Product Manager) Adresse Verlag/Verkauf «Handelszeitung» Förrlibuckstrasse 70 8021 Zürich Telefon: 043 444 59 00 Fax: 043 444 59 32 Mail: verlag@handelszeitung.ch Mail: inserate@handelszeitung.ch
TITELBILD: PILATUS AIRCRAFT LTD
Druck Ringier Print Adligenswil AG Herausgeberin Axel Springer Schweiz AG Bekanntgabe von namhaften Beteiligungen im Sinne von Art. 322 StGB: Amiado Group AG
acht etwas Sinn, nur weil uns aufoktroyiert wird, dass etwas Sinn macht? Kaum. Noch seltener in der Werbung. Trotzdem suggerieren uns dies zwei laufende Schweizer Kampagnen: «Das macht Sinn» von Sunrise und «Wenn ein Kredit Sinn macht» von Cembra. Sofern Produkte und/oder Leistungen nicht direkt Qualität und/oder Service unterstreichen, dann müssen es eben Slogans und/oder Claims richten.
Im Fall von Sunrise kann dem Telekommunikationskonzern zugutegehalten werden, dass er als erster Mobilfunkanbieter die Mindestvertragslaufzeiten abgeschafft hat. Diese sinnvollen Freedom-Handyabos mögen zwar den Nerv der Zeit treffen, doch die Angebote sprechen nicht für sich. Obwohl Tennisstar Roger Federer als sympathisches Testimonial uns dies im aktuellen TV-Spot glauben macht, weil er in seiner Freizeit genau deswegen nicht über die Angebote von Sunrise spricht – und beim Zähneputzen lieber Pingpong spielt. Die sinnstiftenden Kundenvorteile werden verschwiegen, um der nichtssagenden Markenbotschaft nicht die Show zu stehlen. Im Fall von Cembra kann dem Kreditinstitut wenig zugutegehalten werden. Jeder, der schon mal ein Bankdarlehen abgestottert hat, weiss, dass es kurzfristig zweckvoll
Norman C. Bandi Ressortleiter «Handelszeitung»
sein mag, aber langfristig unsinnig ist. Da nützt es wenig, dass Christa Rigozzi als omnipräsente Botschafterin für allerlei Marken uns nett anlächelt – in einem Sujet gar sich auf einem Sofa räkelnd. Die Ex-MissSchweiz wird dabei als nationales Aushängeschild solider helvetischer Tugenden propagiert. Beim Geld ist das eher Sparen. Immerhin kann die Sinnbetonung auch so gedeutet werden: Wenn es unbedingt ein Kredit sein muss, dann bitte von Cembra ... Apropos Sinn machen: Wie steht es in diesem Kontext um den Gewinner des GfMMarketingpreises 2015? Die Pilatus Flugzeugwerke sind nicht gerade für ihre Werbekampagnen bekannt. Vielmehr lassen sie Produkte und Leistungen für sich sprechen oder setzen Qualität und Service dann in Szene, wenn der Flugzeughersteller etwas zu sagen hat. Den «Roll-out» des neuen Businessjets PC-24 am 1. August 2014 in Stans-Buochs verfolgten rund 30 000 Zuschauer. Das ist Marketing. Das ergibt Sinn.
INHALT Ulrich H. Moser Der GfMPräsident ruft 2016 zum Jahr von Marketing und Innovation aus. 4 Pilatus Flugzeugwerke Was alles für den Sieger des GfM-Marketingpreises 2015 spricht. 8 Stefan Michel Der IMDProfessor erklärt, wie gute Vermarktung heute funktioniert. 14 Benedikt Weibel Für den ehemaligen SBB-CEO ist alles einfach – sein Rezept heisst Simplicity. 16
FOTO-PORTFOLIO Markenstudie Das sind die 20 Powerbrands der Schweiz – und wer nicht mehr dabei ist. 17 Wintertourismus Eine neue Studie zeigt auf, wieso die Schweiz gegen Österreich verliert. 19 Dominique Gisin Wie eine Olympiasiegerin ihre Karriere nach dem Profisport sieht. 22 Peter Felser Der BrandExperte weiss, warum alte und neue Marken eine Mission brauchen. 26
Die Illustrationen auf den Seiten 6, 10, 12, 18, 24 und 32 zeigen die stärksten Marken der Schweiz nach ausgewählten Branchen. Als Quelle dient der neue BrandAsset Valuator 2015, die grösste repräsentative Markenstudie im Land. Sie wird alle zwei Jahre im Auftrag der Y&R Group Switzerland durchgeführt.
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SPECIAL MARKETING
«Permanente Veränderung ist ein Muss» Ulrich H. Moser Der Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Marketing (GfM) über Trends wie Transformation, Innovation und solides Handwerk.
INTERVIEW: NORMAN C. BANDI
Das Jahr 2015 stand bei der GfM unter dem Motto «Marketing Transformation». Welches sind Ihre Hauptlehren aus dem intern verordneten Leitmotiv? Ulrich H. Moser: Das Thema «Digital Revolution» und damit einhergehend «Digital Marketing» ist immer mehr in aller Munde. Der Fokus «Marketing Transformation» geht aber weit darüber hinaus. HSG-Professor Marcus Schögel hat es an der diesjährigen GfM Marketing-Trend-Tagung wunderbar auf den Punkt gebracht: r Kundenverständnis, Digitalisierung und Innovationen verändern das Marketing und seine Aufgaben nachhaltig. r Überlegte Ansätze entstehen durch das überlegte Verständnis der Kunden, ihrer bekannten und noch unbekannten Bedürfnissen und ihrer Prozesse. Technologien helfen, die richtigen Dinge richtig zu tun. r Marketing Transformation geht jeden an – insbesondere die Führungskraft. Wie erfolgreich haben die mehr als 700 GfM-Mitgliedfirmen in den vergangenen Monaten ihre marktorientierte Unternehmensführung transformiert? Unsere Mitgliedfirmen haben den Prozess mehrheitlich bereits vor längerer Zeit begonnen. Typisch schweizerisch gingen sie dabei vorsichtig, seriös und zielstrebig vor. Es wurden kleine, finanziell überschaubare Versuchsprojekte gestartet. Aus den Erfahrungen wurden Lehren gezogen und die Ansätze optimiert. Wir sind der Überzeugung, dass die meisten unserer Mitglieder auf gutem Weg sind. Es ist auch die einzige Chance. Wer sich nicht bewegt, der wird bewegt, und zwar ins Out. Inwiefern hat die überraschende Aufhebung des Euro-Mindestkurses am 15. Januar 2015 durch unsere Nationalbank vorgesehene MarketingTransformationen verunmöglicht?
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Die finanziellen Mittel müssen jetzt noch haushälterischer eingesetzt werden. Und noch etwas hat der Entscheid gezeigt: Sicher ist heute nur, dass gar nichts mehr sicher ist. Und nicht einmal das ist ganz sicher. Oder sind Marketing-Transformationen in den Konzernen und/oder KMU hierzulande infolge dessen erst zu einem akuten Schwerpunktthema geworden? Der Anreiz für eine Transformation ist mit dem neuen Wechselkurs sogar gestiegen. Schweizer Firmen müssen noch innovativer und kreativer sein, um im internationalen
«Marketing und Innovation sind die Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Alles andere sind nur Kosten!» Wettbewerb zu bestehen. Permanente Veränderung ist ein Muss. Die Sicherheit liege in der Vielzahl der Variablen, so Churchill. Wir müssen generell flexibler, agiler, beweglicher und wohl auch mutiger werden. Das Jahr 2016 steht bei der GfM unter dem Motto «Marketing & Innovation». Gehört das heute nicht automatisch zusammen? Schon der amerikanische Managementguru Peter Drucker brachte es auf den Punkt: «Marketing und Innovation sind die Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Alles andere sind nur Kosten!» Die Schweiz ist sehr stark im Bereich der technischen Innovationen. Ja, da sind wir gar unter den Weltbesten zu finden. Wo wir Verbesserungspotenzial orten, ist bei der erfolgreichen Vermarktung dieser Innovationen. Was haben Innovationen als wesentlicher Treiber für den zukünftigen Unternehmenserfolg in der Schweiz mit der GfM zu tun?
DER MARKTORIENTIERTE Name: Ulrich H. Moser Funktion: Präsident der GfM (seit 2007); diverse Verwaltungsratsmandate, zum Beispiel Alfred Müller AG, Biomed AG, Hug AG, Rivella AG, Teo Jakob AG Alter: 59 Wohnort: Zug Ausbildung: Ökonom HWV (FH), AMP Harvard Business School Der Verband Die 1941 gegründete Schweizerische Gesellschaft für Marketing (GfM) ist die nationale Plattform für marktorientierte Unternehmensführung. Nach eigenen Angaben hat sie in den vergangenen 74 Jahren hierzulande deren Entwicklung massgeblich beeinflusst. Der GfM gehören derzeit mehr als 700 Firmen aller Branchen sowie öffentlich-rechtliche, marktwirtschaftlich ausgerichtete Institutionen als Mitglieder an. Der Verband unterstützt mit seinen vier Tätigkeitsfeldern Forschung, Aus- und Weiterbildung, Veranstaltungen sowie Publikationen das Marketing nachhaltig. Seine Mission lautet offiziell: «Die GfM fördert Marketing als Denkhaltung der marktorientierten Unternehmensführung.» Als Vision will man dafür die Referenz im Land sein.
Das Marketing muss die Innovationen – ob Produkt- oder Dienstleistungsneuheiten oder Geschäftsprozessverbesserungen – initialisieren, unterstützen und dafür sorgen, dass die Innovationen am Markt erfolg- `
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Differenzierung & Relevanz
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BrandAsset Valuator Die stärksten Retail-Marken der Schweiz – digital
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LINK: WWW.BRAND-ASSET-VALUATOR.CH
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` reich verkauft werden. Damit sind Innovationen für die Schweiz und die GfM von zentraler Bedeutung. Die wirtschaftlichen Perspektiven sprechen nicht gerade für wachsende Innovationsund Marketingbudgets, weil die Kosten unter Druck bleiben. Was stimmt Sie trotz allem zuversichtlich? Die Höhe der Budgets allein ist kein Garant für mehr Innovationen. Schweizer Firmen, vor allem KMU, haben immer wieder bewiesen, dass sie mit sehr begrenzten Mitteln sehr interessante Innovationen hervorbringen können. Mit operativ wirksamem Marketing soll die Erfolgschance dieser Innovationen optimiert werden. Digital Transformation, Big Data, Internet of Things oder Collaborative Economy sind
sogenannte Buzzwords unserer Zeit. Welche neuen globalen Trends orten Sie, die hierzulande wegweisend sein werden? Alle die genannten Themen sind relevant. Dabei soll aber nicht vergessen werden, dass Marketing immer auch solides Hand-
«Firmen, die den Kunden und dessen Bedürfnisse ins Zentrum ihres Schaffens setzen, werden langfristig erfolgreich sein.» werk bleiben soll. Firmen, die den Kunden und dessen Bedürfnisse ins Zentrum ihres Schaffens setzen, werden langfristig erfolgreich sein.
Was bestimmt die Marketingagenda 2016 sonst noch? Die Mega-Trends, das heisst die langfristig relevanten Veränderungen wie Globalisierung, technologische Fortschritte, Nachhaltigkeit, demografische Veränderungen – gerade in der Schweiz –, Sharing Economy oder Mobility werden uns auch im nächsten Jahr beschäftigen. Und was hat die GfM für 2016 selbst Neues auf Lager? Die GfM wird im kommenden Jahr 75 Jahre jung. Wir planen für unsere Mitglieder und die marketinginteressierte Öffentlichkeit einige Überraschungen. Dabei bleiben wir unserem Zweck treu, das heisst, wir werden auch weiterhin die marktorientierte Unternehmensführung in der Schweiz wo immer möglich fördern.
NEWS ` GfM BRUSH UP 2016
` MARKETING-TREND-TAGUNG
«Postcards from the Future»
Innovation vermarkten
Referat Die beiden traditionellen GfM Brush Up zum Jahresauftakt finden diesmal mit Anne Lise Kjaer (Bild) statt. Die 1962 in Dänemark geborene Futuristin, Autorin sowie Unternehmerin hilft Organisationen dabei, nachhaltige und innovative Zukunftsstrategien zu entwerfen. Mit ihrer Trendforschungsagentur Kjaer Global in London berät sie Konzerne wie Ikea oder Sony. Ihre Referate unter dem Titel «Postcards from the Future» hält Kjaer jeweils von 12 bis 13 Uhr – am 14. Januar
Konferenz Die 26. GfM Marketing-TrendTagung am 16. März 2016 von 9 bis 17 Uhr im Hotel The Dolder Grand in Zürich dreht sich um «Marketing & Innovation», so lautet auch das neue Jahresmotto der Gesellschaft für Marketing (GfM). Dabei sollen Schlüsselfaktoren für den Unternehmenserfolg ergründet und diskutiert werden. Auf der Bühne machen dies beispielsweise: Daniela Lager (Moderatorin SRF), Torsten Tomczak (Universität St. Gallen), Christoph Brand (Tamedia), Erich Joachimsthaler (Vivaldi Partners), Rasoul Jalali (Uber), Monica Gli-
2016 an der Universität Bern, am 15. Januar 2016 an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Anmeldung unter www.gfm.ch/de/veranstaltungen.
` FORSCHUNGSREIHE
Gesammelte Wissenswerke Lektüre Erfahrungen aus Theorie und Praxis vermittelt die GfM mit ihrer Forschungsreihe. Sechsmal jährlich erscheint in Zusammenarbeit mit einem oder mehreren namhaften spezialisierten Partnern eine wissensvermittelnde Broschüre zur marktorientierten Unternehmensführung. Dieses Jahr standen bereits folgende Themen auf der Agenda: «Sharing Economy – Teile und verdiene!» mit dem Prüfungs-
und Beratungsdienstleister Deloitte, «4-Gewinnt!» mit der Universität St. Gallen und dem Hörgerätehersteller Kind, «D-Time – Die Zeitwende der Digitalisierung» mit dem Gottlieb Duttweiler Institute (GDI), «Marketing Transformation» mit der Universität St. Gallen sowie «Trend Report 2015: Globalview» mit dem Zukunftsinstitut. Die gesammelten Werke gibt es zur Gratislektüre unter www.gfm. ch/de/forschung/forschungsreihe.
senti (Migros), Jean-Marie Dru (TBWA/ Worldwide), Caspar Coppetti (On), Jens Wegmann (Comedy-Redner), Howard H. Yu (Harvard Business School), Stefanie Turber (ComfyLight) oder Philipp Riederle (Your Young Guyde). Die Konferenzgebühr inklusive Getränke, Lunch und Apéro beträgt 690 Franken für GfM-Mitglieder und 890 Franken für Nichtmitglieder. Anmeldung unter www.marketing-trend-tagung.ch. HANDELSZEITUNG | Nr. 44 | 2015
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Vom Propeller zum Düsentriebwerk GfM-Marketingpreis 2015 Die Gesellschaft für Marketing ehrt die Pilatus Flugzeugwerke – nicht nur wegen ihres ersten Businessjets. SUSANNE WAGNER
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PILATUS AIRCRAFT LTD
m 11. Mai 2015 schrieb der kleine Flugplatz Stans-Buochs ein neues Kapitel der helvetischen Luftfahrtgeschichte. An jenem Tag hob der Prototyp des neuen Businessjets PC-24 der Pilatus Flugzeugwerke das erste Mal ab und drehte 55 Minuten lang seine Runden über der Zentralschweiz. Die Neuentwicklung der Stanser ist das erste Düsenflugzeug aus einheimischer Produktion. Neun Monate zuvor, am 1. August 2014, hatte Pilatus den Businessjet erstmals der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Mehr als 30 000 Flugzeuginteressierte waren zu diesem «Roll-out» gekommen, darunter Kunden, Mitarbeitende, Freunde und Fans des Hauses. Dass die Wahl für das Datum auf den Nationalfeiertag fiel, war kein Zufall. Für Pilatus-Verwaltungsratspräsident Oscar J. Schwenk war es ein Bekenntnis zum nationalen Werkplatz: «Wir wollten demonstrieren, dass wir in der Schweiz bauen. Unser Markt ist die Welt. Aber wir produzieren in Stans und sind stolz darauf.»
Produktionshalle am Hauptsitz in Stans OW: Pilatus produziert von A bis Z in der Schweiz.
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Jahre am grossen Wurf gearbeitet Diese Präsentation des PC-24 unter Einbezug der Bevölkerung war letztlich mit ein Grund dafür, dass die Jury der Schweizerischen Gesellschaft für Marketing (GfM) die Pilatus Flugzeugwerke als Sieger des Marketingpreises 2015 auswählte. «Obwohl die meisten Besucherinnen und Besucher dieses Anlasses sich niemals einen PC-24 werden leisten können, weiss Oscar J. Schwenk, dass erfolgreiche Unternehmen nicht nur Gewinnmaximierung betreiben sollen», erklärt Jurypräsident Stefan Michel, Marketingprofessor am IMD in Lausanne (siehe Interview auf Seite 14). «Erfolgreiche Unternehmen kreieren Werte für Aktionäre, Mitarbeiter und die Gesellschaft als Ganzes.» Stefan Michel ist überzeugt, dass das Business-to-Business-Marketing eine andere Werbestrategie erfordert, als es bei normalen Konsumgütern der Fall ist. Dazu gehört auch, Geduld zu haben, bis die Zeit reif ist, die Öffentlichkeit über das neue Produkt zu informieren. Obwohl schon seit Jahren am grossen Wurf gear- `
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BrandAsset Valuator Die stärksten Retail-Marken der Schweiz – klassisch
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rund 500 Millionen Franken investieren. Hunderte von Ingenieuren steckten unzählige Arbeitsstunden in die Entwicklung und die zahlreichen Tests bis hin zu Zertifizierungen nach internationalen Standards. Am Werkplatz Stans findet von A bis Z die ganze Produktion statt: Vom bis auf 1 Tausendstelmillimeter genauen maschinellen Ausfräsen der einzelnen Aluminiumteile bis zum Ausbau, zur Ausrüstung und zur Endmontage des einzelnen Flugzeugs. Jedes Jahr verlassen etwa 100 bis 120 Maschinen die Produktionshallen in Stans, das sind zirka zwei Stück pro Woche. Das Konzept des neuen PC-24 orientiert sich gemäss Schwenk stark an den Bedürfnissen der Kunden. «Der Markt gab die
PILATUS AIRCRAFT LTD
` beitet wurde, gelang es Pilatus, das Projekt lange Zeit geheim zu halten. «Erst als wir von unserer Idee vollumfänglich überzeugt waren, informierten wir die Öffentlichkeit vor zwei Jahren über den PC-24», sagt Schwenk. Bis anhin produzierte das Stanser Unternehmen ausschliesslich Propellerflugzeuge – mit 1400 produzierten Maschinen ist der PC-12 das meistverkaufte einmotorige Turboprop-Flugzeug der Welt. Mit dem zweistrahligen PC-24 hat Pilatus erstmals einen Düsenflieger für Geschäftsleute im Angebot. Idee und Umsetzung des helvetischen Businessjets gelten in Aviatikkreisen als ambitioniertes Projekt und vor allem als eine teure Investition. Der Schweizer Flugzeugbauer wird in seine Innovation
PC-24: Der erste Schweizer Businessjet bei seinem Erstflug am 11. Mai 2015 in Stans-Buochs.
Anforderung vor», so der Verwaltungsratspräsident. Im Fall des PC-24 war es das Ziel, mit 45 000 Fuss sehr hoch und mit 780 Stundenkilometern sehr schnell zu fliegen. Gleichzeitig sollte das Flugzeug auch auf einer unbefestigten Unterlage, etwa auf Naturpisten mit Sand, Gras oder Schotter, landen können, was ein normaler Geschäftsflieger laut ihm nicht vermag. «Ein Jet, der sehr hoch fliegt, braucht ein schlankes Flügelprofil wie eine Seemöwe, nicht wie ein Huhn. Um langsam und auf kurzer Piste zu landen und zu starten, ist ein ganz anderes Flügelprofil notwendig. Dies war der Kompromiss, den wir suchen mussten.»
Der Patron fliegt nicht mehr selbst Seine Flugzeugleidenschaft wurde schon vor Jahrzehnten geweckt, als er als junger Ingenieur bei den Eidgenössischen Flugzeugwerken in Emmen (der heutigen Ruag) im Bereich Aerodynamik arbeitete und Tag für Tag im Windkanal stand. Obwohl Patron Oscar J. Schwenk nach wie vor von der Aviatik begeistert ist, fliegt er nicht mehr selbst, wie er betont. «Dafür haben wir hochqualifizierte Piloten. Meine Aufgabe ist es, die Firma zu führen.» In seiner aktuellen Funktion als Verwaltungsratspräsident der Pilatus Flugzeugwerke ist er für die Strategie des Unternehmens, das Marketing und das PC-24-Projekt verantwortlich. Das operative Geschäft hat 2013 Markus Bucher als CEO übernommen. Die Freude über den Erfolg mit dem PC-24 lässt sich Schwenk auch dadurch nicht trüben, dass die Pilatus Flugzeugwerke in der Vergangenheit immer mal wieder in der Kritik standen, etwa von Armeegegnern. «Wir glauben an Pilatus und unsere Pro- `
«Wir haben die besten Produkte in der Nische» Gratulation zum Marketingpreis 2015 der Gesellschaft für Marketing: Was ist aus Ihrer Sicht der Grund für diesen Erfolg? Oscar J. Schwenk: Wir haben die besten Produkte in der Nische und sind dort die Nummer eins und wollen es bleiben. Flugzeuge verkauft man nicht so einfach wie Fernseher. Vor Vertragsabschlüssen können lange Verhandlungen stehen, und auch der Verkaufspreis ist sehr hoch. Wie wichtig ist unter diesen Bedingungen gutes Marketing beziehungsweise eine marktorientierte Unternehmensführung? Alle unsere unternehmerischen Tätigkeiten basieren auf dem Erkennen und der Befriedigung von Kundenbedürfnissen – im Einklang mit dem langfristigen Erreichen unserer nachhaltigen Rentabilitätsziele. Wir verkaufen nicht nur ein Flugzeug, sondern damit verbunden auch einen vollumfänglichen Service. Dazu gehört beispielsweise eine schnelle und
Oscar J. Schwenk Verwaltungsratspräsident, Pilatus Flugzeugwerke, Stans NW
weltweite Ersatzteilverfügbarkeit, welche die «Aircraft on Ground»-Zeit minimiert. Wenn es sein muss, senden wir unsere eigenen Techniker vor Ort und bieten persönlich Unterstützung. Gibt es in Ihrer Firma eine Marketingphilosophie? Pilatus betreibt ein marktorientiertes Marketing. Im Falle des neuen PC-24 haben wir mit unseren bestehenden
PC-12-Kunden gesprochen und sie gefragt, wie sie sich ein künftiges Flugzeug von Pilatus vorstellen und was dieses genau können soll. Auf diesen Erkenntnissen haben wir den PC-24 entwickelt. Dabei kommt die Innovation zum Zug. Was machen die Pilatus Flugzeugwerke im Marketing anders als die anderen – auch im Vergleich mit nationalen und internationalen Mitbewerbern? Pilatus verfolgt seit Jahren eine konsequent auf die Bedürfnisse des Kunden fokussierte Nischenpolitik. Die Nähe zum Kunden und das Erfüllen seiner Wünsche sind unser tägliches Credo. Über die absolute Kundenfokussierung und unsere «Swiss made»-Nischenprodukte haben wir die Marke Pilatus gut sichtbar am Markt positioniert und sind weltweit erfolgreich. INTERVIEW: SUSANNE WAGNER
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BrandAsset Valuator Die stärksten Uhren/Schmuck-Marken der Schweiz
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` dukte und setzen uns leidenschaftlich dafür ein. Wir sind stets bemüht, mit der Zeit zu gehen und neuste Trends zu erkennen. Wo sinnvoll, setzen wir diese auch ein. Und wir sind und bleiben ein seriöses Unternehmen, das sich stets an die gesetzlichen Rahmenbedingungen hält. Dafür stehen wir mit unserem Namen», ergänzt Oscar J. Schwenk.
FOTOS: PILATUS AIRCRAFT LTD
Produktion vor Beginn ausgebucht Gegenwärtig baut Pilatus drei verschiedene Prototypen des PC-24, die in den kommenden zwei Jahren ihr 2000-stündiges Testflugprogramm auf der ganzen Welt absolvieren werden. Rund 1000 Parameter werden dabei getestet. Das Interesse am neuen Flugzeug ist nicht nur sehr gross, sondern es wurde 2014 anlässlich der European Business Aviation Exhibition in Genf bereits 84 Mal verkauft – ohne dass das Produkt überhaupt physisch existierte. Ab PC-6: Der legendäre «Pilatus Porter» ist dafür ausgelegt, fast überall operieren zu können. 2017 werden die ersten PC-24 an die Kunden geliefert. Bis dahin ist die Produktion des neuen Businessjets bereits ausgebucht. Dieser erste Verkaufserfolg ist für Doch wie ist es möglich, dass die Leute Schwenk wiederum auf die grosse Nähe die millionenteure Katze im Sack kaufen? zum Kunden zurückzuführen. Er bezeichOscar J. Schwenk antwortet: «Der PC-24 ist net die Fokussierung auf die Kunden als der weltweit erste ‹Super Verwichtigsten Marketinggrundsatile Jet› und wir kreierten resatz des Unternehmens. «Seit spektive besetzen mit ihm eine Der PC-24 ist der Jahren trimmen wir unsere Marktnische. Das Flugzeug Mitarbeitenden auf den Kunweltweit erste verfügt über die grösste Kabine denfokus. Unsere Stärke ist, seiner Klasse, ist als einziger dass die Kunden unsere Mit«Super Versatile Businessjet mit einem Frachtarbeitenden kennen und wir Jet», der einen tor ausgestattet und kann auf sie verstehen», sagt der Pat- PC-12: Mit 1400 Stück das meistverkaufte Markt besetzt. sehr kurzen, ja sogar Naturron. Dafür spreche darüber einmotorige Turboprop-Flugzeug der Welt. pisten starten und landen. Für hinaus, dass Pilatus vor kurdie Kunden heisst das: Schnelzem in den USA den «Custoler am Ziel, mehr Platz, mehr Landeplätze mer Service Award» des amerikanischen ausgibt, muss erst erarbeitet werden. Über und Flexibilität. Mit dem PC-24 hat man Fliegermagazins «Professional Pilot» ge- die Jahre haben die Pilatus-Mechaniker Zugang zu mindestens 21 000 Flugplätzen wonnen habe – zum 14. Mal hintereinander. zu vielen Kunden eine persönliche gegenweltweit – fast 100 Prozent mehr als im VerDas Vertrauen eines Kunden, der 10 Mil- seitige Beziehung aufgebaut. Diese Strategie gleich zum nächsten Konkurrenzflugzeug.» lionen Franken und mehr für ein Flugzeug scheint aufzugehen.
PILATUS
Der einzige Schweizer Flugzeughersteller Tradition Die 1939 gegründete Pilatus Flugzeugwerke AG mit Sitz in Stans OW ist mit fast 2000 Mitarbeitenden einer der grössten Arbeitgeber in der Zentralschweiz und der wichtigste Flugzeughersteller der Schweiz. Das Unternehmen bildet über 100 Lernende in elf verschiedenen Berufen aus – die Förderung von jungen Berufsleuten hat bei Pilatus nach eigenen Angaben einen hohen Stellenwert. Die Firma hat zwei selbstständige Tochtergesellschaften in Broomfield (USA) und Adelaide (Australien), eine Joint-Venture-Gesellschaft in China und arbeitet weltweit mit rund 50 Verkaufsund Servicezentren zusammen. Position Pilatus ist heute die weltweit führende Herstellerin von einmotorigen
Turboprop-Flugzeugen (PC-12) und produziert Maschinen in den Bereichen Geschäftsfliegerei sowie militärische Trainingsflugzeuge. Als einziges schweizerisches Unternehmen entwickelt es solche Maschinen selbst und verkauft sie auf allen Kontinenten. Vorjahr Der Umsatz der Pilatus Flugzeugwerke AG stieg 2014 um 16 Prozent auf 1,174 Milliarden Franken. Damit war das vergangene Jahr das bisher erfolgreichste in der 75-jährigen Firmengeschichte. Zukunft Die Serienproduktion für den neu entwickelten Businessjet PC-24 soll 2016 anlaufen. Bereits 2017 sind erste Auslieferungen des ersten Düsenflugzeugs aus Schweizer Produktion geplant.
Ohne Kunden keine Berechtigung In den USA und in Australien beschäftigt Pilatus eigene Unterhaltsabteilungen. Und falls irgendwo in Europa ein Problem auftauchen sollte, ist Pilatus in der Lage, von Stans aus einen Ingenieur als Troubleshooter aufzubieten. «Zuerst kommt der Kunde. Ohne Kunden hat Pilatus keine Berechtigung», erklärt Schwenk. Sein Unternehmen sei kein öffentliches Institut, das Forschungsgelder oder Subventionen erhalte. Es müsse jeden Franken selber hart verdienen. Und wie zentral ist dabei der Faktor Swissness? «Natürlich spielt Schweizer Qualität eine Rolle, aber auch andere Flugzeughersteller produzieren qualitativ hochwertige Maschinen.» Das sei Usanz und werde von einem Flugzeugkäufer erwartet, meint Oscar J. Schwenk. «Wir sind ein unabhängiges Schweizer Unternehmen, wir sind klein, flexibel, entscheiden schneller. Das merken die Kunden – und deshalb vertrauen sie uns.» HANDELSZEITUNG | Nr. 44 | 2015
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SPECIAL MARKETING
«Kern jeder Strategie ist der gleiche» Stefan Michel Der Jurypräsident des GfM-Marketingpreises über die Auszeichnung im Allgemeinen, den neuen Gewinner im Speziellen und marktorientierte Unternehmensführung.
INTERVIEW: SUSANNE WAGNER
Sie haben auf dieses Jahr als Jurypräsident des GfM-Marketingpreises den langjährigen Vorgänger Manfred Bruhn abgelöst. Er war Marketingprofessor an der öffentlichrechtlichen Universität Basel und Sie sind Marketingprofessor an der privaten Kaderschmiede IMD in Lausanne. Wird nun alles anders? Stefan Michel: Sicher nicht. Der Präsident des Stiftungsrates steht ja nicht im Mittelpunkt, sondern die GfM. Wir wollen Unternehmen auszeichnen, die marktorientiert erfolgreich arbeiten. Für den Auswahlprozess ist der gesamte Stiftungsrat zuständig. Wir hatten gute Diskussionen und einigten uns auf einen würdigen Preisträger. Also keine Revolution. Sind Sie ein Bewahrer? Natürlich wollen wir die GfM weiterentwickeln. Die Anforderungen ans Marketing ändern ständig und die GfM will der Marketingpraxis in diesem Prozess helfen, zum Beispiel mit ihrer Forschungsreihe. Eine Revolution im Marketingpreis ist aber nicht notwendig, weil wir von den Kriterien überzeugt sind. Seit 1984 respektive 31 Jahren würdigt die GfM mit dem «Jahrespreis der Stiftung für Marketing in der Unternehmensführung» Persönlichkeiten und Organisationen, die sich durch herausragende Marketingleistungen ausgezeichnet haben. Was ist in die Moderne übersetzt darunter zu verstehen? Im Gegensatz zu anderen Preisen zeichnen wir nicht Kampagnen aus, sondern suchen Vorbilder für eine langfristige marktorientierte Unternehmensführung. Selbstverständlich haben sich die Parameter des Marketings stark verändert, aber der Kern jeder Strategie bleibt der gleiche: Sie müs-
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sen erstens verstehen, was im Markt passiert. Zweitens müssen Sie entscheiden, in welchen Segmenten Sie mit welchen Angeboten erfolgreich sein können. Und drittens müssen Sie dafür sorgen, dass die Organisation diese Strategie umsetzen kann und will. Solche Awards gibt es hierzulande quasi wie Sand am Meer. Was sind die Alleinstellungsmerkmale des GfM-Marketingpreises? Von den 30 Preisträgern seit 1984 ist erst eine Marke verschwunden. Das ist ein deutliches Zeichen für unsere Absicht, Unternehmen mit nachhaltigen Strategien auszuzeichnen. Der Stellenwert des Marketings leidet global darunter, dass viele Geschäftsführer und Verwaltungsräte Marketing mit kurzfristigen Abverkaufsaktionen und farbigen Broschüren verwechseln. Dabei achten wir auf die Dimension der Innovation und wollen Preisträger mit einem starken Bezug zur Schweiz auszeichnen.
«Wir achten auf die Dimension der Innovation und wollen Preisträger mit starkem Bezug zur Schweiz auszeichnen.» Die GfM zeichnet also nationale Vorbilder aus. Wie passt der diesjährige Preisträger Pilatus Flugzeugwerke in dieses Big Picture? Die Firma Pilatus hat mit dem PC-24 einen eigenen Businessjet entwickelt und erfolgreich auf den Markt gebracht. Dabei hat sie auf ihren Kernkompetenzen aufgebaut und das Kundenwissen in jedem Schritt des Prozesses integriert. Die Lancierung verläuft äusserst erfolgreich – und der Frankenschock vom 15. Januar 2015 trübt die Erfolgsaussicht kaum. Die Pilatus Flugzeugwerke sind ein Vorbild für Schweizer Unter-
DER MARKETINGEXPERTE Name: Stefan Michel Funktion: Direktor Executive MBA und Marketingprofessor am IMD; Jurypräsident GfM-Marketingpreis Alter: 48 Wohnort: Hünenberg ZG Ausbildung: Dr. oec. publ., Universität Zürich Die Schule Das IMD ist eine privat geführte Wirtschaftshochschule in Lausanne, die 1990 aus der Fusion zweier Kaderschmieden hervorgegangen ist. Die Vorgänger waren von Konzernen primär für die Ausund Weiterbildung des eigenen Führungskräftenachwuchses ins Leben gerufene Bildungsstätten – die 1946 von Alcan gegründete IMI in Genf und die 1957 von Nestlé gegründete IMEDE in Lausanne.
nehmen, die sich in einem globalen Markt und einer überbewerteten Währung bewähren müssen – und die sich um die Arbeitsplätze in der Schweiz sorgen. Pilatus gehört nicht gerade zu den grossen Werbern? Im klassischen Business-to-Business-Marketing hat Werbung einen ganz anderen Stellenwert als im Marketing für Konsumgüter. Was uns jedoch besonders gut gefallen hat, ist der Einbezug der gesamten Bevölkerung bei der Präsentation des Jets am 1. August 2014. Ist die Bekanntheit von Pilatus mit Patron Oscar J. Schwenk nicht zu stark an eine Persönlichkeit gekoppelt? Viele erfolgreiche Firmen werden auf eine Person reduziert. Ich glaube nicht, dass Oscar J. Schwenk den Erfolg alleine seiner Arbeit zuschreibt, auch wenn er Grossartiges geleistet hat. Einen Jet zu entwickeln und im globalen Markt einzuführen, ist immer das Resultat eines Teams.
SPECIAL MARKETING
SIMPLICITY
Einfachheit ist nicht einfach
O
hne die Reduktion der Informationsflut auf ihre wesentlichen Elemente könnten wir nicht einmal eine Strasse überqueren. Reduktion bestimmt unsere Wahrnehmung und unser Handeln. Dafür steht Simplicity. «Suche den Kern des Problems. Konzentriere dich darauf. Schneide alles andere mit dem Rasiermesser ab.» Wilhelm von Ockham, ein englischer Theologe und Philosoph, hat diese glasklare Handlungsanweisung vor 700 Jahren formuliert. «Ockhams Razor» ist im angelsächsischen Sprachbereich ein stehender Begriff geblieben. Wie aber wird der Kern des Problems gefunden? Es brauche dazu «le Coup d’œil», meinte ein halbes Jahrtausend später Carl von Clausewitz, der preussische Begründer der Lehre von der Strategie. Das sei die Kunst, aus einer unübersehbaren Menge von Informationen die für einen Entscheid relevanten Elemente zu erkennen. Daniel Goleman, der amerikanische Protagonist der Emotionalen Intelligenz, umschreibt es so: «Just one cognitive ability distinguished star performers from average: pattern recognition, the big-picture thinking.» In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind zwei Ökonomen unabhängig voneinander und von zwei verschiedenen Seiten her auf das gleiche Phänomen gestossen. Der Preusse Hermann Heinrich Gossen entwickelte die Lehre vom abnehmenden Grenznutzen. Der Italiener Vilfredo Pareto entdeckte die asymmetrische Verteilung vieler Variablen sowohl in der Natur als auch im sozialen Bereich. Beide Phänomene lassen sich in einer gekrümmten Summenkurve darstellen. Ihre Interpretation besagt, dass sich mit 20 Prozent Input 80 Prozent des Outputs erzielen lassen. Die Angelsachsen habe für diese 80/20-Regel den bildhaften Ausdruck «the low hanging fruit effect» geprägt. Der amerikanische Psychologe Gary Klein hat im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums Entscheidungen in Extremsituatio-
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Benedikt Weibel Honorarprofessor für Praktisches Management, Universität Bern
nen untersucht. Er hat Feuerwehrkommandanten im Einsatz beobachtet und ihre Entscheide anhand von Interviews analysiert. Aufgrund des Zeitdrucks wurden viele Entscheide intuitiv getroffen. Dabei werden konkrete Situationen mit Mustern verglichen, die aufgrund von Erfahrungen im Gedächtnis gespeichert sind. Intuition kommt also keineswegs einfach aus dem Bauch. Bei seinen Analysen ist Gary Klein
«Je mehr Einzelheiten einbezogen werden, umso weniger ist zu erkennen, was wirklich wichtig ist.» zum Schluss gekommen, dass es für einen Kommandanten entscheidend ist, seine Absichten so knapp wie möglich zu beschreiben. Je mehr Einzelheiten einbezogen werden, um so weniger ist zu erkennen, was wirklich wichtig ist. Neu ist diese Erkenntnis nicht, wie der berühmte Satz zeigt, der mehreren Geistesgrössen, darunter Goethe, zugeschrieben wird: «Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen einen langen Brief schreibe, für einen kurzen hatte ich keine Zeit.» Er bringt die Thematik auf den Punkt. Kurz, prägnant und einfach ist wirkungsvoller als kompliziert. Aber auch viel aufwendiger. Erst wenn man die Komplexität begriffen hat, ist man in der Lage, den Kern des Problems zu erfassen und die Lösung zu definieren. Einfachheit ist nicht einfach, sie muss hart erarbeitet werden. Apple-Ikone Steve Jobs
hat mit seinem Credo «Simplicity is the highest level of sophistication» den Technologiekonzern zur wertvollsten Unternehmung der Welt gemacht. Tatsächlich haben die zuerst von Apple entwickelten Tools zu einem Siegeszug der Einfachheit geführt. Die gerade mal 45 Quadratzentimeter grosse Bildschirmfläche eines Smartphones hat die Softwareentwickler zu Höchstleistungen angespornt. Apps gibt es erst seit gut sieben Jahren. Sie haben nicht nur die IT, sondern auch das Marketing grundlegend verändert. Wenn heute das Wort von der «Uberisierung der Welt» herumgeistert, dann spricht man von Anwendungen, die ebenso einfach wie effizient sind. Deshalb hat der Konzernchef des grössten Haushaltgeräteherstellers der Welt die Weisung herausgegeben, dass mehr als drei Bedienungsschritte – inklusive Abschalten – nicht mehr toleriert werden. Der österreichische Architekt Adolf Loos war Ende des 19. Jahrhunderts mit seiner Losung «Weg mit dem Ornament» der Impulsgeber für eines der einflussreichsten künstlerischen Experimente, das Staatliche Bauhaus in Weimar. Die klaren Proportionen der Bauhausarchitektur sind noch heute stilbestimmend. Das beste Beispiel für die Eliminierung alles Ornamentalen ist das Logo von Google. Es wurde innert sieben Jahren fünfmal angepasst und ist heute radikal entschlackt. «Weg mit dem Ornament» ist offenbar auch das Credo von Mary Barra, seit 2014 CEO von GM. Die erste Frau, die eine der grossen Automobilfirmen führt, hat – als sie noch Personalchefin war – einen zehnseitigen Dresscode durch zwei Worte ersetzt: Angemessene Kleidung. Benedikt Weibel war von 1993 bis 2006 CEO der SBB. Heute ist er an der Universität Bern Honorarprofessor für Praktisches Management, Präsident sowie Mitglied verschiedener Gremien (unter anderem Rheinhäfen) und Publizist. 2014 ist sein Buch «Simplicity – Die Kunst, die Komplexität zu reduzieren» erschienen.
SPECIAL MARKETING
800 Brands im Stresstest Markenstudie Ricola kehrt in den Club der Powerbrands zurück – neu gehören dazu Caran d’Ache, Coop, Halbtax, Rotes Kreuz, Victorinox und Windows. NORMAN C. BANDI
D
er BrandAsset Valuator ist seit 1995 die grösste repräsentative Markenstudie des Landes. Sie wird alle zwei Jahre von der Kommunikationsagentur Y&R Group Switzerland in Auftrag gegeben. Zum Anlass des Jubiläums wurde der BrandAsset Valuator komplett überarbeitet. Die wichtigste Änderung betraf die Umstellung von einer Offline- zu einer Online-Befragung. Hierfür wurde das Design neu aufgesetzt. Erstmals beantworteten rund 5600 anstatt wie bisher 1500 Personen zwischen 14 und 74 Jahren Fragen zur persönlichen Markenwahrnehmung. Die Erhebung wurde durch das Forschungsinstitut Link in der Deutschschweiz und der Romandie durchgeführt. Das vorliegende Ranking stützt sich auf die Ergebnisse der Markenstärke, welche sich aus den vier Faktoren Differenzierung, Relevanz, Wertschätzung und Vertrautheit zusammensetzt. Darüber hinaus geben die Resultate Aufschluss über Image und Nutzung der 800 untersuchten Brands im Stresstest. Fazit: Google setzt sich zum ersten Mal an die Spitze der stärksten Marken der Schweiz und verdrängt Migros auf den 2. Platz (siehe Tabelle). Aus den Top 20 der sogenannten Powerbrands verabschieden sich Coca-Cola, Cumulus, M-Budget, Ikea, Office (Microsoft), Ragusa und Swatch.
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Die 20 stärksten Marken der Schweiz BrandAsset Valuator
Ranking 2015
Ranking 2013
1
3
+2
Migros
2
1
–1
Rega
3
4
+1
Lego
4
8
+4
Toblerone
5
2
–3
Rotes Kreuz (SRK) Wikipedia Victorinox Die Post Rivella Le Gruyère Caran d’Ache Halbtax (SBB) Windows (Microsoft) Ricola SBB Ovomaltine Zweifel Lindt Coop
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
26 10 22 18 5 7 23 28 29 30 16 12 15 13 50
+20 +3 +14 +9 –5 –4 +11 +15 +15 +15 = –5 –3 –6 +30
LINK: WWW.BRAND-ASSET-VALUATOR.CH
Verschiebung
QUELLE: Y&R GROUP SWITZERLAND
SPECIAL MARKETING
Differenzierung & Relevanz
HOCH
BrandAsset Valuator Die stärksten Finanzdienstleister-Marken der Schweiz
2 3 5
6 8
4
7
10 9 11
TIEF
12 13
TIEF
Vertrautheit & Wertschätzung
Powergrid Brand
HOCH
Ranking 2015
Ranking 2013
Verschiebung
1
Raiffeisen
41
77
+36
2
Kantonalbanken
86
192
+106
3
PostFinance
98
148
+50
4
UBS
340
426
+86
5
Migros Bank
372
411
+39
6
Credit Suisse ZKB Bank Coop Cembra Valiant Credit-Now Cashgate Bob Money
447 582 617 686 721 788 792 793
546 606 621 737 676 737 737 792
+99 +24 +4 +51 –45 –51 –55 –1
7 8 9 10 11 12 13
LINK: WWW.BRAND-ASSET-VALUATOR.CH
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1
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QUELLE: Y&R GROUP SWITZERLAND
SPECIAL MARKETING
Schweiz–Österreich 1:3 Wintertourismus Emotional schlägt der östliche Nachbar die Heimat der Skiferien sogar bei den Schweizer Kunden, so eine Neuromarketingstudie von Zutt & Partner.
zuvorkommend
sympathisch
Winterferien authentisch charakterstark
speziell
0815
funktionierend zuverlässig pünktlich
sauber
pompösstark
gastfreundlich
aussergewöhnlich
angenehm
convenient QHX
zugänglich
HUIULVFKHQG
¸EHUUDVFKHQG
lebensfreudig
RȼHQ
Winterurlaub
mächtig imposant
ZUTT & PARTNER
selbstbewusst
Fazit: Während sich die Schweiz nach wie vor mit Vorurteilen herumschlägt, baut Österreich bereits die nächsten Wettbewerbsvorteile aus.
PHILIPP ZUTT UND DONATO VIRGILIO
K
ritik an die Adresse des hiesigen Wintertourismus wird es auch auf diese Saison hin wieder hageln. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Jedes Jahr dasselbe Lied: «Im Konkurrenzvergleich stolze bis überrissene Preise bei gleichzeitig unfreundlicher Bedienung.» Doch läuft der österreichische Wintertourismus wirklich besser, nur weil die Schweiz die genannten zwei Defizite hat? Und wenn, sind diese Defizite herbeigeredet? Oder sind sie im Unterbewusstsein der Gäste längst verankert und damit Imagewirksam? Und weshalb blüht dann beispielsweise die Schweizer Schokoladenindustrie trotz massiv höheren Preisen?
Kleiner Heimvorteil bei Schweizern Diesen Problemstellungen wurde mit dem Neuromarketing-Befragungssystem EmoCompass auf den Zahn gefühlt. 200 Teilnehmer aus der Schweiz und aus Deutschland bildeten mittels codierter Farben und Formen ihre Empfindungen zu den Skisport-Hochburgen Schweiz und Österreich ab (mehr zur Methodologie im Kasten). So konnten einerseits bestätigende alte Vorurteile, anderseits erstaunliche neue Erkenntnisse aus dem Unterbewusstsein der befragten Gäste geholt werden.
Zuerst betrachtet wurde das sogenannte Emotionsvolumen: Es besagt, wie viel Gemütsbewegung insgesamt – unabhängig von der Art der Empfindungen – die Schweiz beziehungsweise Österreich als Winterdestinationen auslöst. Bei den Schweizern löst das Tourismusangebot im eigenen Land emotional wenig mehr aus als dasjenige im östlichen Nachbarland. Die hiesige Branche profitiert damit (noch) von einem geringen Heimvorteil von etwa 10 Prozent. Anders sieht die Perspektive der Deutschen aus. Da gewinnt Winterurlaub in Österreich klar mit knapp 30 Pro-
zent Emotionsvorsprung gegenüber Winterferien in der Schweiz (siehe Grafik 1 auf Seite 20). Grundsätzlich gilt: Je mehr Emotionen beim Konsumenten ausgelöst werden, desto tiefer ist seine Preissensibilität. Schweizer Schokolade, bei der erfolgreich hohe Preise durchgesetzt werden können, löst zum Beispiel im In- und Ausland ein Emotionsvolumen von bis zu 50 Indexpunkten aus. Im Vergleich: Der Schweizer Wintertourismus liegt aus Sicht der Schweizer bei 31, aus Sicht der Deutschen sogar nur bei 21. Um mehr über die Preisemp- `
METHODOLOGIE
Qualitative EmoCompass-Befragung Studie Die Resultate basieren auf einer qualitativen EmoCompass-Befragung, durchgeführt von der Unternehmensberatung Zutt & Partner in Wolfhausen im Zürcher Oberland. Analysiert wurden die ermittelten Gemütsbewegungen von 200 Teilnehmenden aus der Schweiz und aus Deutschland. Die Befragung erfolgte in online geführten Einzelinterviews – komplett nonverbal über neuropsychologisch codierte Muster. Die Arbeit mit abstrakten Farben und Formen ermöglicht das Erschliessen der Emotionen auf tiefem
individuellem Assoziationslevel und fast unter Ausschluss von Kognition (rationalem Denken) und von reinen Likes und Dislikes. Es werden für die Methodologie die Erkenntnisse aus der Neurologie wie Synästhesie, patchworkartiges Arbeiten des Hirns sowie Fuzzy Logic genutzt. Links Mehr Hintergrundinformationen zur Methodologie gibt es unter www.zutt.ch. Zur kompletten Studie mit einem Experteninterview und einer Kolumne geht es via www.globalemotionsforum.com. HANDELSZEITUNG | Nr. 44 | 2015
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SPECIAL MARKETING
Schweizer Defizite treffen im Wintertourismus auf österreichisches Können Grafik 1: Emotionsvolumen in Indexpunkten 31
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Bei Schweizer Gästen
Winterferien Schweiz* Winterurlaub Österreich
21
27
Bei deutschen Gästen
* SCHWEIZ MIT HEIMVORTEIL VON 10 PROZENT BEI SCHWEIZER GÄSTEN
` findungen zu erfahren, gilt es, die Gesamtemotion in einzelne Empfindungsbereiche zu zerlegen und diese genauer zu betrachten. Die Schweizer Winterdestinationen wissen sich leider tatsächlich in der Wahrnehmung des Preises zu profilieren – als «stark/ selbstbewusst», entsprechend hoch ist dieser im Unterbewusstsein der Gäste verankert. Auf der anderen Seite bestätigt sich das vielzitierte Defizit im Auslösen von Empfindungen wie «gastfreundlich/zuvorkommend». Wohlgemerkt: Mit dem Neuromarketing-befragungssystem EmoCompass können die Befragten ihre Antworten (etwa aufgrund gängiger Meinungen) nicht ra-
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Grafik 2: Freundlichkeits-Preis-Verhältnis gastfreundlich, 53 3,1 zuvorkommend, 45 sympathisch, angenehm 27 pompös, stark, 17 0,6 selbstbewusst, mächtig, imposant Winterferien Winterurlaub Freundlichkeits- Österreich Schweiz Preis-Verhältnis (1 = ausgeglichen)
Grafik 3: Emotionale Wettbewerbsvorteile Österreich gegenüber Schweiz klar im Plus +28,3
tional übersteuern, sie äussern sich lediglich über codierte Farben und Formen, deren Bedeutung sie nicht kennen. Dieser Freundlichkeits-Preis-Trade-off wird zur wahren Killer-Kombination, wenn man dieselben Empfindungsbereiche für Winterurlaub in Österreich betrachtet. Hier zeigt sich das Bild nämlich mit genau umgekehrten Vorzeichen. Die Empfindungen «gastfreundlich/zuvorkommend» steigen gegenüber der Schweiz aufs Doppelte an, diejenigen für «starke/selbstbewusste» Preise sinken auf unter die Hälfte im Vergleich mit der Schweiz. Dieses emotionale Bild zeigen Schweizer als auch deutsche Gäste. Wissend, dass Konsumenten bereit
sind, für Gastfreundlichkeit einen höheren Preis zu bezahlen, lässt sich ein Freundlichkeits-Preis-Verhältnis für beide Länder errechnen: Bei Winterferien in der Schweiz beträgt dieses 0,6, beim Winterurlaub in Österreich 3,1. Alles ab 1 ist emotional ausgeglichen und damit als Minimum anzustreben (siehe Grafik 2 auf Seite 20).
+4,5 Bei Schweizer Gästen
Bei deutschen Gästen
QUELLE: EMOCOMPASS-NEUROMARKETING-BEFRAGUNG, ZUTT & PARTNER
Österreichs zusätzliche Pluspunkte Nimmt man die Angebotskette mit den einzelnen Leistungsträgern genauer unter die Lupe, fällt auf: Während in den Skigebieten das Lösen des Freundlichkeits-PreisDilemmas die Schweiz wieder aufs selbe Niveau wie Österreich bringen würde, reicht
SPECIAL MARKETING
dieser Schritt bei den Hotels und (Berg-)Restaurants alleine nicht. Die österreichischen Hoteliers und Gastronomen haben es inzwischen geschafft, weitere attraktive Empfindungsbereiche im Unterbewusstsein der Gäste stärker zu besetzen als ihre Schweizer Kollegen. Die Studie zeigt klar höhere Werte für «lebensfreudig/überraschend» sowie «charakterstark/aussergewöhnlich» für die Anbieter unseres östlichen Nachbarlandes. Nebst Freundlichkeits- und Preisvorteilen punktet Österreich also auch mit Überraschung und Charakter. Das (Zurück-)Gewinnen deutscher Gäste wird landläufig und auch von Brancheninsidern als harter Kampf beschrieben. Die Erhebung belegt, dass der erstarkte Franken dabei nur eine von mehreren Wettbewerbshürden darstellt. Die genannten neuen emotionalen Wettbewerbsvorteile der österreichischen Konkurrenz wirken nämlich bislang bei den Deutschen stärker als bei Inlandgästen. Während österreichische (Berg-)Restaurants und Hotels bei den Schweizern nur mit 4,5 Indexpunkten im Emotionsvorteil liegen, sind es bei den Deutschen bereits 28 Indexpunkte. Das heisst, bei der deutschen Kundschaft ist der aufgebaute Wettbewerbsvorteil Österreichs
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deutlicher – und es dürfte aus Sicht des Schweizer Wintertourismus spürbar länger dauern, diesen wettzumachen (siehe Grafik 3 auf Seite 20).
Zentrale Erkenntnisse im Überblick Es ergeben sich für den Schweizer Wintertourismus damit folgende vier Ebenen mit akutem Veränderungsbedarf: đ Preis: An ihm zu schrauben, ist offensichtlich schwierig – seit dem SNB-Entscheid am 15. Januar 2015 ist es für die Tourismusanbieter zudem nicht einfacher geworden. Hier braucht es sehr innovative, vielleicht sogar disruptive Lösungen wie Restaurantoder Personal-Sharing von Hotels. đ Gastfreundlichkeit: Eine längst bekannte Hausaufgabe. Wie viel unfreundlicher die Schweiz objektiv wirklich ist, lässt sich sicherlich diskutieren. Tatsache ist, dass der Schweizer Service unbewusst als deutlich unfreundlicher wahrgenommen wird als der österreichische. Dieser Erkenntnis gilt es Beachtung zu schenken, und die notwendige Imagekorrektur gilt es anzupacken. Am besten wohl wiederum mit Massnahmen, die über das Unbewusste wirken. đ Schweizer Kundschaft hat Priorität: Diese gilt es zuerst wieder mit vollem Herz zu-
rückzugewinnen. Denn erstens profitiert die Branche (noch) von einem kleinen emotionalen Heimvorteil. Zweitens fällt bei uns Schweizern die Freundlichkeits-Preis-Problematik aufgrund der eigenen Währung weniger ins Gewicht oder zumindest weniger auf. Und drittens haben wir uns von den neuen Vorteilen Österreichs (Überraschung und Charakterstärke) bislang noch weniger einnehmen lassen als die deutschen Gäste. đ Überraschung und Charakter: Hoteliers und Gastronomen tun gut daran, sich zu überlegen, wie sie ihr Kundenerlebnis auffrischen und exklusiver im Sinne von «aussergewöhnlich» machen können. Konsequent und für jeden Touchpoint in der Erlebniskette. Oft ist hier nicht das ganz grosse Budget nötig, sondern ein geschicktes Adaptieren von bewährten Rezepten anderer Anbieter und sogar anderer Branchen – gepaart mit einer guten Portion Kreativität und Mut. Damit kann der Schweizer Wintertourismus über kurz oder lang emotional wieder in den Lead gehen. Philipp Zutt, Managing Partner und Delegierter des Verwaltungsrates, und Donato Virgilio, Projektleiter, beide Zutt & Partner, Wolfhausen ZH.
JEAN-CHRISTOPHE BOTT/KEYSTONE
SPECIAL MARKETING
DIE QUEREINSTEIGERIN
«Stagnation gehört dazu»
Name: Dominique Gisin Funktion: Studentin, Co-Autorin und ehemalige Skirennfahrerin Alter: 30 Wohnort: Engelberg OW Ausbildung: Matura, Sportmittelschule Engelberg; Physikstudium, ETH Zürich (angefangen)
Dominique Gisin Die Abfahrts-Olympiasiegerin über die Karriere nach dem Profisport und ihr erstes Buch. INTERVIEW: ROBERT WILDI
Der Ski-Weltcup 2015/16 steht vor der Tür. Mit welchen Gefühlen werden Sie die ersten Rennen als Zuschauerin erleben? Dominique Gisin: Mit einer gehörigen Portion Wehmut. So viele Jahre im Skizirkus lässt man nicht auf Knopfdruck hinter sich, so ganz ohne Emotionen. Wenn ich auf Instagram und Timeline die fantastischen Schneebilder sehe, die meine ehemaligen Teamkolleginnen posten, dann juckt es mich schon gehörig. Zumal Skifahren für mich nicht nur Spitzensport, sondern auch viel Leidenschaft war und immer noch ist. Das ist nicht ganz einfach im Moment. Bereuen Sie den Rücktritt? Der Bauch würde schon manchmal am liebsten rechtsumkehrt machen und die Rennski wieder aus dem Keller holen. Mein Verstand weiss allerdings, dass der Entscheid definitiv gefallen ist und auch der Zeitpunkt dafür der richtige war.
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Sie haben den ersten Sommer seit langer Zeit ohne hartes Trainingsprogramm hinter sich. Haben Sie dennoch Sport getrieben? Ja, schon ein wenig. Etwas Windsurfen, etwas Biken, Stabilisationsübungen für mein Knie. Übertrieben habe ich nicht, weil mir der Sommer sowieso viel zu heiss war. Ich ertrage die Hitze nicht allzu gut und bin auch klimatisch eher winterorientiert. Aber langweilig wurde es Ihnen nicht? Alles andere als das. Es läuft zurzeit extrem viel. Ich erhalte unzählige Anfragen für Auftritte, Projekte, Fotoshootings. Und meine Vortragsreihe, die ich heuer zusammen mit meinem langjährigen Sportpsychologen Christian Marcolli lanciert habe, erfreut sich einer sehr grossen Nachfrage. Als Team ergänzen wir uns dabei prima. Christian verfügt über viel Beratungserfahrung mit Leuten aus der Wirtschaft, ich bringe die sportliche Komponente rein. Wie sieht das Zielpublikum dafür aus?
Sehr bunt durchmischt. Von Verbänden und Organisationen bis zu Unternehmen jeder Grösse. Wir sprechen manchmal vor zehn, aber auch vor tausend Leuten. Es geht in den Vorträgen um meine Karriere als Spitzensportlerin, um meinen Leidensweg wegen unzähliger Verletzungen und um meine Art, damit umzugehen respektive niemals aufzugeben. Wir haben allein in diesem Jahr schon über 20 Vorträge gehalten. Die Anfragen kommen fast täglich rein. Ihr Olympiasieg scheint viele Menschen enorm gefreut und inspiriert zu haben. Die Olympia-Goldmedaille war sicher so etwas wie ein später Lohn für die vielen Jahre der Rückschläge und Entbehrungen. Was mich aber im Gespräch mit den Vortragsbesuchern besonders freut und bewegt: Die meisten haben meine Karriere schon lange vor Sotschi mitverfolgt und wissen oft sehr gut Bescheid über meine verschiedenen Stationen als Sportlerin in den Jahren zuvor. Für sie steht die Olympia-Goldmedaille `
SWISS MADE – FOR THE WORLD MARKET Der PC-24 ist der weltweit erste und einzige «Super Versatile Jet» Jet». Anlässlich der Europe European Business Aviation Conference & Exhibition (EBACE) konnte Pilatus im 2014 innerhalb von eineinhalb Tagen 84 PC-24 verkaufen. Der Businessjet verfügt über die grösste Kabine seiner Klasse, ist mit einem Frachttor ausgestattet und kann auf sehr kurzen Naturpisten starten und landen. Genau das macht ihn so einmalig und begehrt: schneller am Ziel, mehr Platz, mehr Möglichkeiten und Flexibilität. Pilatus Flugzeugwerke AG : Schweiz : Tel. +41 41 619 61 11 : www.pilatus-aircraft.com
SPECIAL MARKETING
Differenzierung & Relevanz
HOCH
BrandAsset Valuator Die st채rksten Versicherungen-Marken der Schweiz
2
1
3 8
4
7
TIEF
9 10 11
5 6
Vertrautheit & Wertsch채tzung
TIEF Powergrid Brand
Ranking 2015
Ranking 2013
Verschiebung
1
Suva
22
73
+51
2
TCS
78
137
+59
3
Die Mobiliar
174
200
+26
4
AXA Winterthur
305
474
+169
5
Zurich
394
569
+175
6
Helvetia SwissLife Allianz Basler Generali Vaudoise
428 495 513 577 587 612
564 637 623 633 648 666
+136 +142 +110 +56 +61 +54
7 8 9 10 11
LINK: WWW.BRAND-ASSET-VALUATOR.CH
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HOCH
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QUELLE: Y&R GROUP SWITZERLAND
SPECIAL MARKETING
` nicht im Vordergrund. Sie besuchen die Vorträge, um noch mehr Details über meine ganze Geschichte zu erfahren. Und um sich Motivationstipps zu holen? Das ist ein Kernelement des Vortrags und tatsächlich die meistgestellte Frage aus dem Publikum. Die Nachfrage war sogar so gross, dass Christian Marcolli und ich in diesem Frühling beschlossen haben, die Vortragsreihe mit einem Buch zu ergänzen. Auch dieses Projekt hat mich heuer wahnsinnig stark beschäftigt. Von der Idee bis zur Buchpräsentation im September verging gerade mal ein halbes Jahr. Eine sehr intensive Arbeit, in der viel Herzblut steckt. Ist Ihr Buch eine Art Motivationsbibel? Ich habe überhaupt nicht den Anspruch, aus meiner Geschichte irgendwelche Standars abzuleiten, die Allgemeingültigkeit haben sollen. Motivation und Durchhaltewillen sind Eigenschaften, die immer eng mit dem individuellen Charakter einer Person zu tun haben. Im Buch haben wir trotzdem versucht, dieses Thema einigermassen analytisch aufzubereiten, um möglichst vielen Lesern einen Mehrwert zu bieten.
DOMINIQUE GISIN
mir passt und dass ich hinter einem Produkt stehen kann. Unter dem Strich haben sich ein paar gute Kooperationen ergeben, von denen ich kommerziell profitieren kann.
«Making it happen» Person Dominique Gisin war von 2005 bis 2015 Teil der Schweizer Damen-Skinati und auf die Speeddisziplinen Abfahrt und Super-G spezialisiert. Grosser Höhepunkt einer Karriere, die von vielen Verletzungen und neun Knieoperationen geprägt wurde, war der Abfahrts-Olympiasieg 2014 in Sotschi. Nach der letzten Weltcup-Saison 2014/15 gab sie ihren Rücktritt. Projekt Im September 2015 präsentierte Dominique Gisin als Co-Autorin mit ihrem langjährigen Sportpsychologen Christian Marcolli ihr 160-seitiges Buch «Making it happen». Das Werk wird in einer limitierten Auflage von 2467 Exemplaren vermarktet. Die Zahl entspricht in Kilometern genau der Luftlinie von ihrem Geburts- und Wohnort Engelberg nach Sotschi.
Welches waren denn Ihre Strategien, auch in harten Zeiten nie aufzugeben und immer wieder zurückzukommen? Ganz wesentlich finde ich, dass man lernt, schwierige Situationen zu akzeptieren. Hadern nützt nichts, sondern bindet wertvolle Energien, die es zwingend für den Wiederaufbau braucht. Ich habe mich nach jeder der neun Knieoperationen mit neuen Zielen motiviert, die realistisch waren. Bei der Umsetzung muss man kleine Schritte gehen können, und zwar mit viel Beharrlichkeit und noch mehr Geduld.
Das tönt nach Rezepten, die auch in der Wirtschaft funktionieren. Davon bin ich überzeugt. Dass wir unseren Vortrag in sehr vielen Unternehmen halten dürfen, nicht selten bei Mitarbeiteranlässen, spricht wohl dafür, dass meine Geschichte in der Wirtschaftswelt ebenfalls Beachtung findet. Firmenchefs sagen mir, dass es sie beeindruckt, wie ich nach jedem Rückschlag nichts unversucht liess, um mich wieder an die Spitze zu kämpfen. Beharr-
Finanziell ausgesorgt haben Sie mit den Werbeverträgen, die möglicherweise noch ein paar Jahre laufen, aber nicht. Nein, das wäre ja schön. Ich renne mit diesen Engagements nicht primär dem Geld nach, sondern erachte sie als honorable Wertschätzung seitens der Partner für meine Person und meine Leistungen als Sportlerin. Aber natürlich sind die Einnahmen dank diesnr Engagements für mich auch sehr willkommen, um die Phase zwischen Spitzensport und dem neuen Berufsleben gut zu überbrücken. Wie sehen denn Ihre Pläne für die Karriere nach der Karriere aus? Ich drücke zuerst einmal die Schulbank und habe soeben ein Physikstudium an der ETH Zürich aufgenommen. Mein nächstes Ziel ist der Bachelor nach drei Jahren. Dann schaue ich weiter. Haben Sie konkrete Berufsvorstellungen? Noch nicht. Ich stelle mir dereinst irgendeine Tätigkeit an der Schnittstelle von Physik und Sport vor. Das ist aber ein weites Feld. Was mich ebenfalls interessieren würde, wäre eine Tätigkeit in der Aviatik. Ich habe auch bereits diverse Flugstunden absolviert und eine Privatpilotenlizenz erlangt.
ZVG
Ihr Geheimrezept? Wenn ich nach einem längeren Ausfall mit einem Rückstand von 3 Sekunden auf die anderen ins Training startete, dann wollte ich ihn beim nächsten Lauf auf 2,9 Sekunden reduzieren. Stagnation gehört aber stets dazu und muss als Teil des Prozesses akzeptiert werden. Man darf dabei das Ziel nie aus den Augen verlieren. Neben einer gewissen Demut gehören also auch Mut und Ehrgeiz dazu. Ich gebe mich nie mit Mittelmass zufrieden, auch wenn ich in meiner Karriere phasenweise akzeptieren musste, nicht darüber hinauszukommen.
Dazu gehört auch Ihr neues Engagement als Botschafterin für Engelberg Tourismus? Ja. Diese Partnerschaft ist für mich als Engelbergerin eine grosse Herzensangelegenheit, mit der sich praktisch ein Kreis schliesst. Denn Engelberg war mein allererster Kopfsponsor im Ski-Weltcup. Es ist sowieso toll, wenn ich als Botschafterin für lokale Organisationen auftreten darf.
«Meine Geschichte findet in der Wirtschaftswelt ebenfalls Beachtung.»
lichkeit und Fleiss sind auch in der Geschäftswelt gefragte Eigenschaften. Denn sie führen zum Erfolg. Auch sportliche Grosserfolge lassen sich zu Geld machen. Schöpfen Sie da aus dem Vollen? Natürlich half mir das Gold in Sotschi, bereits vorhandene Sponsoren für ein weiteres Engagement über meine aktive Karriere hinaus zu gewinnen. Es sind nach Olympia auch zahlreiche neue Anfragen gekommen. Allerdings bin ich diesbezüglich wählerisch. Es ist mir wichtig, dass eine Partnerschaft zu
Woher haben Sie als Skirennfahrerin die Zeit dafür genommen? Es tönt vielleicht sarkastisch. Aber aufgrund meiner vielen Verletzungen als Skifahrerin bekam ich notgedrungen immer wieder Zeit, mich auch anderen Dingen zu widmen. Die Fliegerei gehört dazu. Ein guter Freund und Pilot überredete mich während einer der zahlreichen Zwangspausen zu einer fliegerischen Vorschulung. Das brachte mich dann auf den Geschmack. An eine Karriere als Skitrainerin hatten Sie nie gedacht? Nicht wirklich, obwohl ich dem Skirennsport sicherlich stets eng verbunden bleibe. Allein schon deshalb, weil meine beiden jüngeren Geschwister Michelle und Marc noch aktiv sind. Aber im Ski-Weltcup ist das Trainergeschäft eine absolute Männerdomäne. Das Studium und der Einstieg in eine Berufswelt abseits der Pisten reizen mich definitiv mehr. HANDELSZEITUNG | Nr. 44 | 2015
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SPECIAL MARKETING
MISSION
Was starke Marken von anderen unterscheidet
S
eit 1995 erfasst die Markenstudie BrandAsset Valuator die stärksten Marken der Schweiz und zeigt, welche in der Gunst der Konsumenten an der Spitze stehen. Erstaunlicherweise waren mehr als die Hälfte der heutigen Stars bereits vor 20 Jahren top. Brands wie Migros, Toblerone, Ovomaltine, Lindt und Caran d’Ache schaffen es, über Jahrzehnte ganz oben zu sein – einige sogar ohne grosse Marketinganstrengungen. Wie ist das möglich? Warum bleibt in vielen Bereichen kein Stein auf dem anderen und dennoch können sich einige Marken unverändert an der Spitze halten?
Peter Felser Verwaltungsratspräsident, Serviceplan Suisse, Zürich
Viele der neuen Senkrechtstarter werden zudem von Persönlichkeiten geführt, die selbst als Werbeträger an vorderster Front für die Brands wirken. Mit spektakulären Events und gut inszenierten Markenerlebnissen werden die Gründer und CEO zu effizienten Werbefiguren. Richard Branson und Steve Jobs machten es vor. Marc Zuckerberg, Larry Page und andere folgten.
Drei Faktoren erklären, warum sich einige der alten Powerbrands so gut halten: Erstens bewegt sich die breite Bevölkerung langsamer, als die Trendsetter meinen – und offenbar Doch ist es tatsächlich das auch ein Teil der Werber und «Erstaunlicherweise clevere Marketing der Journalisten. Fachleute Patrons und Chefs, das zu waren mehr als die blenden den Mainstream, diesen schnellen Erfolgen immerhin die Mehrheit der Hälfte der heutigen führt? Nein. PersönlichkeiBevölkerung, gerne aus und ten sind wichtig – allerdings Stars bereits vor fokussieren in ihren Aussanicht als unmittelbare 20 Jahren top.» gen primär auf die InnovatoWerbeträger, sondern zum ren. Zweitens werden viele Vorleben der Mission. Die Markenbilder bereits in unLeidenschaft, die Welt zu verändern, die Verinnerlichung der Mission serer Kindheit geprägt. Wer sich von klein auf mit Ovomaltine stärkt, dem bleibt diese motiviert. Entscheidend ist die Kombination von Brand Leadership und Markenmission. Marke in positiver Erinnerung, selbst wenn Eine charismatische Führung und eine diese heute kaum präsent ist. Und drittens zeichnen sich fast alle der stärksten Marken klare Mission sind markentechnisch unschlagbar. durch eine prägnante Mission aus. Diese Brands haben eine klare Überzeugung und Und die Digitalisierung? Werden in Zukunft nachvollziehbare Existenzberechtigung. nur noch digitale Marken dominieren? Die Menschen wissen, warum es diese Nein. Die Digitalisierung bietet viele neue, Brands gibt und was sie für die Menschheit interessante Businessmodelle. Bei der tun. Das bindet die Kunden langfristig und Markenführung erhöht sie das Tempo und zahlt sich auch für die Markenbesitzer aus. die Effizienz der Marktdurchdringung. Langzeitstudien zeigen nämlich, dass Aber auch die neuen Powerbrands zeichBrands mit einer klaren Mission weit überdurchschnittliches Wachstum und deutlich nen sich primär durch eine sinnstiftende Beziehung aus – eben eine inspirierende höhere Gewinnmargen ausweisen. Mission. Ohne diese ist eine langfristige Loyalität gar nicht denkbar. Dies hat mit Die klare Mission ist auch der Grund, der der Digitalisierung vorerst nichts zu tun. neue Powerbrands so schnell an die Spitze bringt. Die Mission «Informationen der Das jüngste Beispiel ist Tesla. Die Marke ist Welt zu organisieren und für alle zu jeder nicht nur innovativ, sondern auch markenZeit zugänglich und nutzbar zu machen» technisch ganz stark unterwegs. Sie schafft hat Google seit der Gründung vorgelebt. es, mit einer inspirierenden Mission und Sie begeistert Mitarbeitende und Kunden der Persönlichkeit von Elon Musk zu begleichermassen und prägt die gesamte geistern. Im nächsten BrandAsset Valuator Unternehmenskultur. Überzeugung und werden wir bestimmt viel von Tesla hören. Mission der Marke wirken anziehend.
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HANDELSZEITUNG | Nr. 44 | 2015
WEITERBILDUNG
Brand Leadership an HWZ lernen Kurs Die erfolgreichsten Unternehmen werden heute von Persönlichkeiten geprägt, die primär über die Kraft der Marke führen. Der CAS Brand Leadership der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) und der GfM vermittelt ein neuartiges Führungsverständnis. Im Mittelpunkt stehen die Überzeugung der Marke und deren Mission. Der halbjährige Zertifikatslehrgang richtet sich an Interessenten, die ihr strategisches Markenverständnis stärken wollen. Im Rahmen von Gastreferaten, Fallstudien und Exkursionen verknüpft der Kurs neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit Erfolgsregeln aus der Praxis. Zu den renommierten Referenten gehören Fachexperten wie die beiden HSG-Professoren Torsten Tomczak und Sven Reinecke, der Neuromarketingspezialist Hans-Georg Häusel sowie CEO erfolgreicher Marken wie Urs Riedener (Emmi) und Thomas Amstutz (Feldschlösschen). Beginn des nächsten Lehrgangs: März 2016.
SPECIAL MARKETING
Wanted: «Right Potentials» Employer Branding Ideenwettbewerbe sind ein erfolgversprechender Ansatz. BENJAMIN VON WALTER UND ALEXANDER HAHN
D
ie Grundidee des Employer Branding ist: Wer als Unternehmen am Markt erfolgreich sein will, muss als Arbeitgeber bekannt sein und über ein Image verfügen, das sich positiv abhebt. Die Post beispielsweise hat ihre neue Arbeitgeberpositionierung erarbeitet. Der Dienstleister setzt unter dem Motto «Wir bewegen Gelb» neu auf Gestaltungsspielraum, Vertrauenskultur und Vielfalt an Berufen für derzeitige und zukünftige Mitarbeiter. Dabei geht es nicht nur darum, für Jobsucher attraktiv zu sein. Vielmehr ist es wichtig, die richtigen Kandidaten anzusprechen. Ziel ist, die «Right Potentials» für sich zu gewinnen, also diejenigen Jobsucher, die den Anforderungen am besten entsprechen. Klassische Personalmarketingaktivitäten wie Werbung oder Karriereseiten im Internet bieten im Hinblick auf diese Zielsetzung oft nur eingeschränkte Möglichkeiten.
An konkreten Fallbeispielen messen Dementgegen sind Web-basierte Ideenwettbewerbe ein innovatives Instrument, das sich sowohl dazu eignet, die Arbeitgebermarke bekannt zu machen und positiv aufzuladen, als auch gezielt Kontakte mit geeigneten Talenten anzubahnen. Konkret treten bei Ideenwettbewerben potenzielle Kandidaten wie Ingenieure, IT-Fachkräfte
oder Hochschulabsolventen in einen zeitlich begrenzten Wettbewerb, um eine definierte Problemstellung zu lösen. Diese können vielfältig auf den Unternehmenskontext angepasst sein: Für bestehende Technologien neue Anwendungsfelder zu erschliessen, für zukünftige Anwendungen neue Ideen zu finden oder ganz konkrete technologische Probleme zu lösen. Die Themenstellung orientiert sich an der Arbeitgeberpositionierung sowie den gesuchten Zielgruppen. Die Talente reichen ihre Ideen auf einer Web-Plattform ein und
Unternehmen können anhand der Beiträge und Kommentare Rückschlüsse auf die Eignung der Stellenkandidaten ziehen. kommentieren auch andere Beiträge. Der Vorteil: Unternehmen können anhand der Beiträge und Kommentare Rückschlüsse auf die Eignung der Kandidaten ziehen und diese gezielt ansprechen. Beispielsweise hat Siemens erfolgreich einen Ideenwettbewerb für ingenieurwissenschaftliche Studierende in den Wachstumsmärkten Naher Osten und Brasilien durchgeführt. Dabei nutzte man eine etablierte Plattform und führte eine OnlineKampagne zur Gewinnung von Teilneh-
mern durch. Der Wettbewerb resultierte in über 41 000 Besuchern der Plattform, 8400 Interaktionen mit der Kampagne und 600 konkreten Beteiligungsideen.
Zunehmend zielgruppengerechter Neben dieser grossen Zahl an Einreichungen fand, angeregt durch ein aktives Community Management, auch eine wertvolle Kollaboration mit Siemens-Mitarbeitern und zwischen den Kandidaten statt. Die Beiträge wurden durch die Community 16 400 Mal bewertet und 4400 Mal kommentiert. Nach Wettbewerbsende wurden die Sieger in einer Award Ceremony in Katar unter Teilnahme von Siemens-Executives und regionalen Politikern gewürdigt und mit einem Praktikum bei Siemens belohnt. Das Erfolgsgeheimnis solcher Wettbewerbe sind digitale Plattformen, die eine leichte Handhabung und hohe Reichweite ermöglichen. Sie sichern zudem eine nahtlose Integration in das firmenspezifische Employer Branding und das Corporate Design. Mittlerweile führen selbst mittelständische Unternehmen basierend auf solchen Tools Ideenwettbewerbe durch. Dies zeigt, dass das Employer Branding mithilfe neuer Technologien zunehmend zielgruppengerechter und effizienter wird. Benjamin von Walter, Dozent für Marketing, FHS St. Gallen – Hochschule für Angewandte Wissenschaften, und Alexander Hahn, Project Manager, Hyve Innovation Group, München.
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SPECIAL MARKETING
Die digitalen Wachstumstrends Globaler IP-Datenverkehr und dessen Entwicklung (2014 und 2019)
Traffic-Anteil Videonutzung
67% 2014
Anzahl Internet-User
2,8 Milliarden 2014
3,9 Milliarden 2019
Anzahl Online-Geräte und Web-Anschlüsse
14,2 Milliarden 2014
24,4 Milliarden 2019
Netzgeschwindigkeit
20,3 Mbps* 2014
42,5 Mbps* 2019
80% 2019
*MEGABIT PRO SEKUNDE
QUELLE: CISCO VISUAL NETWORKING INDEX GLOBAL IP TRAFFIC FORECAST
Video gehört Zukunft Content Marketing Die Nutzungsverlagerung von Print auf Online ist Realität. Bewegte Bilder machen im Web schon heute zwei Drittel aus – bald 80 Prozent. MARC LOTTENBACH
B
ig Data, Multi Device Strategies oder Personalisierung sind die aktuellen Schlagwörter im modernen Marketing. Alles wird technischer und messbarer. Die Frage nach der Art und Weise der Kommunikation steht meistens im Hintergrund. Die Buchstaben werden heute einfach vom bedruckten Papier ins Internet verlagert. Das Nutzungsverhalten im Web spricht aber eine andere Sprache. Video gehört die Zukunft. Eine Analyse mit Lösungsansätzen. Die Nutzungsverlagerung von Print auf Online ist Realität. Dieser Wandel macht sich auch in der Kommunikationsweise der Unternehmen bemerkbar. Der Kanton Zürich überträgt bereits seit November 2011 die Medienkonferenzen live übers Internet und Swisscom hat im April 2015 die Marke Wingo in Form einer reinen Web-Medienkonferenz lanciert. Neben diesen Beispielen bestätigen drei Indikatoren diesen Trend: đ Cisco Visual Networking Index: Eine hilfreiche Studie für die Evaluierung der Trends im Internet ist der Cisco Visual Networking Index. Die Studie erhebt den aktuellen globalen IP-Datenverkehr und prognostiziert dessen Entwicklung. Die letzte Publikation im Mai 2015 führt das Thema Video als separates Highlight auf. Video ist demzufolge eine der wichtigsten Inhaltsformen der Zukunft mit einem signifikanten Wachstum in den nächsten Jahren. Bereits 2014 ist der Traffic-Anteil von Video gegenüber dem gesamten IP-Datenverkehr bei 67 Prozent. Bis 2019 wird ein Anteil von gegen 80 Prozent erwartet (siehe Grafik oben).
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HANDELSZEITUNG | Nr. 44 | 2015
đ Globale Internet-Player: Google hat im Oktober 2006 für rund 1,65 Milliarden Dollar YouTube gekauft. Mit ein wenig Verspätung hat Facebook im April 2012 Instagram für 1 Milliarde Dollar übernommen und im Dezember 2013 für geschätzte 400 bis 500 Millionen Dollar den Video-Werbetechnologieanbieter Liverails gekauft. Selbst Twitter, als reiner Nachrichtendienst, hat im März 2015 für eine unbekannte Summe den Livestreaming-Anbieter Periscope übernommen. Investieren Unternehmen dieser Art und Grösse in neue Kommunikationsformen, so lässt die Nutzung der breiten Masse nicht lange auf sich warten. đ Bekannte Marken: Red Bull ist der Vorzeigeschüler, was Video angeht. Mit ihrem Red Bull Mediahouse investieren die Österreicher viel Geld und personelle Ressourcen in die Produktion von Videoinhalten. Die Auslagen lohnen sich. Mittlerweile kauft sogar das SRF Filmmaterial von Red Bull. Hand aufs Herz: Wurde Ihnen schon mal Geld für Ihre PR-Geschichte geboten?
Wertvoller als 1,8 Millionen Wörter Das geschriebene Wort verliert im digitalen Umfeld laufend an Bedeutung. James L. McQuivey, Vice President & Principal Analyst bei Forrester Research, machte zum Thema folgende Aussage: «Ein Video ist wertvoller als 1,8 Millionen Wörter.» Aber welche Art von Videoinhalten soll umgesetzt werden? Die Veränderungen betreffen ja nicht nur die Art des Contents, sondern auch die Nutzungssituation des Kunden. Alles wird mobiler, die Bedürfnisse spezifischer und der Content muss schnell vermittelt sein. Unser Informationsverhal-
ten verlagert sich von «primetime» zu «all the time». Dies hat auch Einfluss auf die Videostrategie. Google spricht im Blog «Think with Google» von sogenannten Micro-Moments. Den «Moment To Know», den «Moment To Go», den «Moment To Do» und den «Moment To Buy». Ein Beispiel: Sie möchten den Spülkasten Ihres WC reparieren. Suchen Sie nun die Produktanleitung zum Durchlesen oder schauen sie ein Tutorialvideo auf YouTube? Ein typischer «Moment To Do». Die Einsatzmöglichkeiten von Video reichen aber über diese Micro-Moments hinaus. Produktdemonstrationen, Beantwortung von Kundenanfragen im Customer Care, Employer Branding oder E-Learning sind bloss einige Auszüge von möglichen Einsatzgebieten.
Kreative Ideen und Kostenkontrolle Es ist nicht jeder Red Bull. Aber das UserBedürfnis nach mehr Video betrifft jedes Unternehmen. Ein 30 Sekunden Imagespot reicht nicht mehr aus. Die User suchen sich ihre Inhalte auf diversen Plattformen. YouTube steht mehr für «how to video», Facebook für «breaking news videos», Instagram für «behind the scenes videos». Die Kanäle verlangen nicht immer nach Hollywoodproduktionen. Smartphonefilme oder Go-Pro-Aufnahmen sind da absolut ausreichend und kanaladäquat. Es gilt also, die richtigen Kundenmomente zu identifizieren, je nach Inhalt die richtige Plattform zu wählen und mit kreativen Ideen die Kosten im Griff zu halten. Eines ist klar, die Kunden wollen in Zukunft mehr Video. Marc Lottenbach, CEO & Co-Founder, Yoveo, Zürich.
SPECIAL MARKETING
Weniger Privilegierten helfen Kooperation Wie Arosa, Grächen und Pro Juventute ein Stück vom Glück schenken. THOMAS ACKERMANN
A
rosa Tourismus, Grächen Tourismus und Pro Juventute gehen gemeinsame Wege. Die Bündner und Walliser Familiendestinationen unterstützen die Non-Profit-Organisation, indem sie ihre Gäste motivieren, während den schönsten Tagen des Jahres auch an benachteiligte Kinder, Jugendliche und Familien zu denken. Denn nicht alle sind privilegiert, sich Ferien leisten zu können. «Arosa und Grächen ermöglichen mit ihren Gästen zusammen mit Pro Juventute diesen Familien ein paar unvergessliche Tage in den Schweizer Bergen», begründet Pascal Jenny, Direktor von Arosa Tourismus die Koperation. Die Gäste können Pro Juventute ganz einfach unterstützen: Auf der Online-Plattform die Buchung aufrunden, den Skipass in eine Sammelbox werfen und somit das Depot von 5 Franken spenden oder beim
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fonds gespeist. Aus diesem Check-out im Hotel einen Bewerden in Arosa und Grächen trag auf die Rechnung setzen vergünstigte Ferien für benachlassen. Die Gäste geben damit teiligte Familien finanziert. einen Teil ihres Glücks an weniPro Juventute «Wir zeigen damit, dass ger Privilegierte weiter. Die Des)HULHQ ) QÁLEHU zwei touristische Institutionen tinationen ihrerseits runden die Verschenken Sie ein Stück vom Glück. ihre Positionierung mit einem Spenden auf und organisieren glaubwürdigen Engagement weitere Aktivitäten und setzen untermauern können», erklärt auf ihre Veranstaltungen, um Berno Stoffel, Direktor von Geld zu sammeln. Gleichzeitig Grächen Tourismus. Kreative nutzen Arosa und Grächen die Ideen werden zusammen entKommunikationskanäle von Pro worfen, weiterentwickelt und Juventute, um auf ihr Engage- Engagement: Arosa und Grächen helfen. kommuniziert. Nicht jede gute ment aufmerksam zu machen. Idee muss überall neu erfunDas gesammelte Geld steht Pro Juventute einerseits für die allgemeine den werden. Und Pro Juventute erhält UnArbeit zugunsten von Kindern, Jugendli- terstützung für ihre Arbeit, die sie zu rund chen und Familien zur Verfügung. Mit der 80 Prozent aus Geldern von Privatpersonen, Notrufnummer 147 etwa hilft Pro Juventute Firmen und Stiftungen finanzieren muss. jährlich über 150 000 Ratsuchenden rund um die Uhr. Anderseits wird mit einem Teil Thomas Ackermann, Bereichsleiter Kooperationen und des Sammelertrags ein spezifischer Ferien- Mitglied der Geschäftsleitung, Pro Juventute, Zürich. Ganz einfach etwas Gutes für Kinder und Familien tun: Werfen Sie den gebrauchten Skipass in eine der gelben Spendenboxen und spenden Sie so das Depot von 5 Franken an Pro Juventute. Auch Barspenden sind so möglich.
Unterstützen Sie Projekte zu Gunsten von Kindern, Jugendlichen und Familien in der Schweiz sowie Ferien in Arosa und Grächen für finanziell benachteiligte Familien.
Spenden können Sie unter anderem in Hotels, bei den Bergbahnen sowie der Tourismusinformation.
SPECIAL MARKETING
Einen Schritt weiter gehen Digitale Transformation Big Data genügt nicht. Nur mit Thick Data gibt es ein umfassendes Bild über den sozialen Kontext der Kunden.
SCREENSHOT
Lifeathome.ch: Ikeas Ansatz, um aus Thick Data mehr zu machen.
JÜRG STUKER
S
tets mehr Unternehmen stehen vor der Herausforderung, massgeschneiderte Angebote für ihre Kunden zu entwickeln. Um die Zielgruppen im Zuge der Digitalen Transformation besser zu verstehen, sammeln und analysieren Firmen Unmengen an Daten. Das Schlagwort dafür lautet Big Data. Ein grosser Nachteil dieses Ansatzes: Er vernachlässigt die Motive, die hinter dem Handeln von Interessenten stecken. Genau diese Lücke füllt Thick Data. Big-Data-Analysen gehören zur Schlüsseltechnik des digitalen Zeitalters. Damit lässt sich ermitteln, wie sich die Kunden verhalten und wie eine optimale Customer Experience aussieht. Der Weg dazu ist, alle Arten von kundenbezogenen Daten zu erfassen und zu korrelieren: Vom Alter der Kunden über deren Kaufverhalten bis hin zu den angeklickten Online-Anzeigen.
Tiefgreifendes Datenwissen Die Kernfrage lautet dabei: Was tut der Kunde? Im Fokus stehen primär «Was» und «Wie viel», immer über statistische Methoden genähert. Diese statistische Analyse gibt aber keine Antwort auf das Problem, warum Kunden in einer bestimmten Weise agieren. Diese Frage zielt darauf ab, die Kundenmotivation besser zu verstehen, und basierend darauf, passende Angebote oder Prozesse
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HANDELSZEITUNG | Nr. 44 | 2015
anzubieten. Erforderlich ist allerdings ein neuer Denkansatz, der, ergänzend zu Big Data, die Beweggründe ermittelt. Während Big Data auf eine quantitative Analyse ausgelegt ist, die sich in Terabyte oder sogar in Exabyte messen lässt, konzentriert sich Thick Data auf den sozialen Kontext solcher Datenpunkte. Der Ansatz stellt Informationen zur Verfügung, die über blosse Zahlen hinausgehen – etwa welche Rolle menschliche Gefühle wie Vertrauen oder Tradition bei Kaufentscheidungen mitspielen. Im Rahmen einer Thick-Data-Analyse kann beispielsweise folgende Frage gestellt werden: Was erleben Menschen unterschiedlicher Nationen in der Zeit zwischen dem Aufstehen und dem Weg an die Arbeit? Viele Unternehmen in den USA haben bereits diese Ergänzung zu Big Data für sich entdeckt und in ihre digitale Strategie eingebunden. Aber auch europäische Konzerne sind bereits aktiv. Dazu gehört Ikea. Auf der Website «Life at Home» beschäftigt sich der schwedische Einrichtungskonzern mit Fragen rund um das Leben zu Hause, etwa wie Menschen morgens aufstehen oder welche Bedeutung das Essen zu Hause hat. Anhand von Artefakten wie Fotos und Videos wird gezeigt, was Menschen in acht Metropolen zwischen dem Aufstehen und dem Verlassen der Wohnung tun, zum Beispiel duschen, schminken oder Sport treiben. Dank den gesammelten Informationen und Artefakten erhält Ikea ein umfassendes Bild über
den sozialen Kontext seiner Kunden. Richtig interpretiert, gibt dieses Impulse für die Neu- oder Weiterentwicklung von Produkten und Prozessen.
Besseres Kundenverständis Nicht nur das Möbelhaus kann von einer ganzheitlichen Sicht auf den Menschen und sein Tun profitieren, sondern jedes Unternehmen. Wichtig sind dabei zwei Faktoren: r Ein offener Blick auf Menschen und deren Motivation – er eröffnet die Sicht auf das Selbstverständliche. Dadurch werden Muster und Handlungen erkennbar, die bei der Bewältigung von Alltagsproblemen helfen. r Das Sammeln von Thick Data: Dazu gehören dokumentierte Beobachtungen (Fotos und Videos), Erfahrungsberichte von Interviews und Artefakte (verwendete Gegenstände der Probanden). Wichtig dabei sind alle möglichen Kontaktpunkte zwischen Kunden und der Unternehmensleistung sowie deren Marke. Wer seine Kunden umfassend verstehen und massgeschneiderte Angebote vermarkten will, muss mehr tun, als riesige Datenbestände erfassen und auswerten. Ergänzend dazu verlangt es nach einer menschenbezogenen Analyse. Sie berücksichtigt vor allem Handlungsmotive – das können klassische Big-Data-Ansätze nicht leisten. Es ist das Erlebnis am Kontaktpunkt. Jürg Stuker, Partner und CEO, Namics, St. Gallen.
SPECIAL MARKETING
Die meisten messen falsch Online-Marketing Attributionsmodelle ermöglichen eine andere Sicht auf die Daten. einer Customer-Journey-Analyse. Das Ergebnis: Google AdWords sorgten einerseits direkt für erheblichen Umsatz, anderseits beeinflussten sie indirekt eine fast doppelt so hohe Umsatzsumme. Die Folge: Das Investment in Google-Werbung wurde fortan konsequent mittels Attributionsmodellen bewertet, das Budget laufend angepasst. Das Resultat: 2014 lagen die Investments in Google-Werbung um 40 Prozent höher als im Vorjahr, der Gesamtumsatz stieg dabei um über 50 Prozent an. Eine überproportionale Skalierung des Werbenutzens – der Traum jedes Marketers. Alles, was es dazu benötigte, war eine andere Sicht auf die Daten.
LUKAS STUBER
D
as Online-Marketing besitzt einen unbestreitbaren Vorteil: Effekte sind messbar. Allerdings verlassen sich die meisten Werbetreibenden auf das antiquierte Modell der «Last Click»-Messung. Das zieht Fehlentscheide in der Budgetierung und verpasste Umsätze nach sich. Abhilfe schaffen Attributionsmodelle. Der erste Besuch im Online-Shop führt selten gleich zum Kauf. Stattdessen besuchen wir in der Regel mehrere OnlineShops mehrmals, und das auf verschiedenen Wegen. Zunächst beispielsweise via Google, später vielleicht via Newsletter, zuletzt tippen wir die URL direkt ein und zücken erst jetzt die Kreditkarte.
Den Wert jedes Klicks erkennen Werbetreibende stellt das vor ein Messproblem: Steht ein Klick auf eine GoogleAnzeige am Beginn einer Customer Journey, wird der Wert dieses bezahlten Klicks zumeist ignoriert. Denn die meisten Werbetreibenden nehmen selbst 2015 eine blosse «Last Click»-Messung vor. Der letzte Klick, der zum Umsatz geführt hat, kriegt den ganzen Erfolg gutgeschrieben. Alle vorangegangenen Klicks desselben Users werden somit absurderweise als wertlos taxiert. Budgetentscheide, die auf dieser Basis gefällt werden, sind also zwangsläufig falsch. Abhilfe schafft ein Konzept, das in der Schweiz erst
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Systematisch eingesetzt, können Attributionsmodelle die Effizienz des Werbefrankens drastisch erhöhen. langsam Fuss fasst: Attributionsmodelle, die etwa Google Analytics kostenfrei zur Verfügung stellt. Sie ordnen die Umsätze nach bestimmten Verteilschlüsseln jedem Klick eines Kunden zu. Systematisch eingesetzt, kann das die Effizienz des Werbefrankens drastisch erhöhen. Der Case eines der zehn grossen Schweizer Online-Retailer illustriert das. 2013 unterzog er seine Marketing Investments
Vollständigkeit ist nicht zu haben Wer also auf moderne Messmodelle im Online-Marketing setzt, macht Umsatzsprünge. Trotzdem sind selbst fortgeschrittene Attributionsmodelle erst Stückwerk. Denn Customer Journeys werden zusehends komplexer. Wir recherchieren auf dem Smartphone, kaufen später via Laptop ein oder marschieren gleich ins Geschäft. Die Ubiquität des Internets erlaubt es den Konsumenten heute, Geräte und Kanäle beliebig zu wechseln. Die gängigen Messkonzepte machen diese Wechsel noch nicht mit, aber immerhin: Sie sind viel genauer als die gängige «Last Click»-Messung, die entsorgt gehört. Lukas Stuber, Geschäftsführer, Yourposition, Zürich.
SPECIAL MARKETING
Differenzierung & Relevanz
HOCH
BrandAsset Valuator Die stärksten Krankenkassen-Marken der Schweiz
5 6 10
1 3 2 4 7 8 9
TIEF
11
Vertrautheit & Wertschätzung
TIEF Powergrid Brand
Ranking 2015
Ranking 2013
Verschiebung
1
Helsana
482
641
+159
2
CSS
494
662
+168
3
Sanitas
560
672
+112
4
Concordia
602
697
+95
5
Visana
618
689
+71
6
Groupe Mutuel Swica Assura KPT ÖKK Sympany
633 642 698 712 740 779
684 660 674 704 715 705
+51 +18 –24 –8 –25 –74
7 8 9 10 11
LINK: WWW.BRAND-ASSET-VALUATOR.CH
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HOCH
HANDELSZEITUNG | Nr. 44 | 2015
QUELLE: Y&R GROUP SWITZERLAND
ZVG
SPECIAL MARKETING
DIE FÜHRUNGSFACHFRAU
«Delivering Happiness»
Name: Nicole Brandes Funktion: Management Coach, Autorin und Vortragsrednerin Alter: 53 Wohnort: Uetikon am See ZH Ausbildung: Kommunikation, Strategisches Management und Interkulturelle Mediation, IFK Luzern
Nicole Brandes Die Schweizer Managementexpertin über die neuen Eigenschaften von Führungskräften mit interkultureller Kompetenz.
INTERVIEW: MARIANNE RUPP
Sie sprechen am 5. November 2015 anlässlich des 11. Swiss Leadership Forum in Zürich über Führungspersönlichkeiten der Zukunft. Was macht Sie zur Expertin? Nicole Brandes: Einerseits Erfahrung. Ich habe internationale Projekte geleitet und Organisationen aufgebaut. Zudem habe ich 15 Jahre im Top-Management gearbeitet mit Unternehmern, die Weltimperien aufgebaut haben. So habe ich hautnah miterlebt, was erfolgreiche Führung ausmacht. Anderseits meine Aus- und Weiterbildungen. Und seit sechs Jahren beschäftige ich mich ausschliesslich mit dem Thema. Ich bin mit Meinungsführern, Zukunftsforschern und Ethikern laufend im Dialog. Warum braucht es Ihrer Ansicht nach neue Führungspersönlichkeiten? Der Unternehmenskontext hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Eine der grössten Herausforderungen für Führungs-
kräfte ist es, die Komplexität zu managen. Das erfordert eine neue Art von Verständnis und somit neue Kompetenzen. Hat sich das Umfeld so drastisch verändert? Das Stichwort heisst Digitalisierung. Die sozialen Netze revolutionieren Firmenstrategien, Kundenansprache und Verhältnis zwischen Führung und Mitarbeiter. Die Macht verschiebt sich vom Anbieter zum Kunden. Somit verändern sich die Rahmenbedingungen für Führungskräfte radikal. Was charakterisiert die neuen Chefs? Sie sind flexibel, resilient, kollaborativ und selbstreflektiert. Weshalb sind es diese Eigenschaften? Zukunftsforscher beschreiben das neue Umfeld mit dem Akronym Vuka – Volabilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität. In einem solchen Umfeld, das immer weniger planbar ist und in dem der Manager nicht mehr Kontrollinstanz und strategischer
Vordenker sein kann, ist flexibles Handeln und Denken gefordert. Zugleich braucht der Manager ein hohes Mass an Resilienz, also Widerstandskraft, um mit diesen Unsicherheiten umgehen zu können. Und wieso ist kollaborativ so wichtig? Verstehen heisst heute kollaborieren. Die Intelligenz des Einzelnen reicht in einem komplexen System nicht aus, es braucht die Diversität. Daraus kann der Manager die unterschiedlichen Sichtweisen und Weltbilder der Mitarbeiter verbinden und die Zusammenarbeit ermöglichen. Durch diese Vielfalt entsteht nicht nur ein Wettbewerbsvorteil in Bezug auf Kreativität und Innovation, sondern sie ermöglicht auch, die Komplexität zu bewältigen. Warum legen Sie zudem so grossen Wert auf den Begriff selbstreflektiert? Selbstreflektiert bedeutet, sich der eigenen Werte bewusst zu sein – und nicht, wie oft angenommen, die eigenen Stärken und ` HANDELSZEITUNG | Nr. 44 | 2015
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SPECIAL MARKETING
Wie gelingt es einem Chef, ein gemeinsames Sinnverständnis im interkulturellen Kontext herzustellen, wenn es schon im nationalen oft schwierig genug ist? Indem er eine Ausbildung in interkultureller Kompetenz absolviert. Die Vorstellung, dass man in der Kooperation mit Menschen aus anderen Kulturen intuitiv richtig vorgeht, ist falsch. Sprachen und Business sind lernbar, auch interkulturelle Kompetenz. Muss der interkulturell tätige Manager den Business-Knigge jedes Landes beherrschen? Nein. Es braucht aber ein Grundverständnis, wie Menschen aus verschiedenen Kulturen ticken. Dazu gehört es, sich vertraut zu machen mit anderen Weltbildern und anderen Einstellungen, etwa welche Rollen Hierarchien und Geschlechter haben oder wie ein
«Die Vorstellung, dass man in der Kooperation mit Menschen aus anderen Kulturen intuitiv richtig vorgeht, ist falsch.» unterschiedliches Zeitverständnis die Menschen beeinflusst. Sitten und Etiketten eines Landes zu kennen, ist dann wichtig, wenn man spezifisch mit dem Land zu tun hat. Das Grundverständnis ist jedoch prioritär, weil es befähigt, Situationen zu antizipieren, zu analysieren oder zu deeskalieren. Welche Kompetenzen braucht es, damit zukünftige interkulturelle Führung gelingt? Zuerst muss das Bewusstsein vorhanden sein, dass Unterschiede wirklich existieren. Das tönt simpel, aber ich höre oft die in diesem Kontext falsche Aussage: «Im Grunde sind wir doch alle gleich.» Dann folgt die Bereitschaft, sich intensiv mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen. Weiter ist die Ambiguitätstoleranz zentral, also das Entschlüsselnkönnen, dass es unterschiedliche Perspektiven und Herangehensweisen zu Problemlösungen gibt. Zudem ist eine hohe Selbstreflexion unabdingbar in der interkulturellen Führung. Eine gute interkulturelle Zusammenarbeit ist kein Brei, in dem alle verschmelzen, sondern ein gemischter Salat, in dem jeder seine Identität behält. Für den Erfolg ist auch entscheidend, ob eine emotionale Resonanz hergestellt werden kann.
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HANDELSZEITUNG | Nr. 44 | 2015
NICOLE BRANDES
Holakratie-Coach und neues Buch Person Nicole Brandes arbeitete 15 Jahre im Top-Management internationaler Grosskonzerne. So war sie unter anderem Delegierte der Konzernleitung der Swissair und hat beim Flugzeugabsturz in Halifax das Care Team geleitet. Als Executive Director baute sie bei der UBS den VIP Club auf. Brandes hat Kommunikation, Strategisches Management und Interkulturelle Mediation am Institut für Kommunikation und Führung (IKF) in Luzern studiert. 2015 absolviert sie zusätzlich die Ausbildung zum ersten Holakratie-Coach der Schweiz. 2016 erscheint ihr neues Buch «WE-Q» zum Ansatz «Wir-Intelligenz: Die Führung der Zukunft». Auftritt Am 22. Oktober 2015 stand Nicole Brandes als Rednerin an der TEDx in Köln auf der Bühne. Am 5. November 2015 tut sie dies am SLF in Zürich. Das 11. Swiss Leadership Forum im Kongresshaus steht unter dem Titel «Intercultural Leadership». Entsprechend referiert Brandes als die Keynote-Speakerin zum Thema «Glokale Helden».
Können Sie ein Beispiel geben? An einer Konferenz in China beobachtete ich, wie ein deutscher Manager sich bei seinem chinesischen Partner entschuldigte, dass sein Vorgesetzter nicht kommen konnte, weil dessen Frau gestorben war. Daraufhin brach der chinesische Geschäftsmann in schallendes Gelächter aus. In so einer Situation zu lachen, ist für uns verletzend. Der Chinese hingegen wollte lediglich die Situation entspannen, weil der deutsche Geschäftsmann das Tabu gebrochen hatte,
«Rund 70 Prozent der Schweizer Unternehmen scheitern in den ersten drei Jahren in China.» dass weder über Probleme, Krankheit geschweige denn über den Tod gesprochen wird. So können Welten aufeinanderprallen. Rund 70 Prozent der Schweizer Unternehmen scheitern übrigens in den ersten drei Jahren in China. Kann man sich interkulturelle Kompetenzen besser aneignen, wenn man im Ausland lebt oder viel reist? Beides erweitert in der Regel den Horizont. Aber das bedeutet nicht, dass man automatisch kompetent ist. Kultur wird dann wichtig, wenn man sich für etwas einsetzen muss, etwa in Verhandlungen. Ich habe selbst im Ausland gelebt und mein ganzes Berufsleben international gearbeitet. Aber erst mein interkulturelles Studium ermöglichte mir zu verstehen, was warum passiert, und unter die Oberfläche zu blicken. Eine Schulung, ein Training dazu gehört meines Erachtens heute unbedingt in die Managementausbildung.
ZVG
` Schwächen zu kennen. Heute arbeiten Menschen aus unterschiedlichen Nationen zusammen und jeder hat seine kulturell geprägten Vorstellungen und Handlungsweisen. Der Manager fungiert daher neu als Moderator und schafft eine Wertegemeinschaft, in der alle gemeinsam funktionieren. Das kann er nur, wenn er sich seiner eigenen Werte bewusst ist. Eine gesunde Identität entsteht nur durch Abgrenzung.
Nicole Brandes: Tritt bald beim 11. Swiss Leadership Forum auf.
Warum ist emotionale Resonanz zentral? Durch die sozialen Netzwerke hat eine Machtverschiebung vom Anbieter zum Kunden und Mitarbeiter stattgefunden. Daraus folgt, dass sich eine Führungskraft noch viel mehr mit den Bedürfnissen dieser Menschen auseinandersetzen muss, zwar nicht nur nach soziodemographischen Kriterien, sondern auch in kultureller und emotionaler Hinsicht. Kultur, Emotionen – das sind beides schwer zu fassende, vieldeutige Begriffe. Trotzdem sind beide sehr einflussreiche Kräfte. Die Kultur beispielsweise beeinflusst unser Denken, Fühlen und Handeln. Das wird von vielen Organisationen unterschätzt oder sogar ignoriert. Dabei ist der Grund «unüberwindbare kulturelle Unterschiede» einer der meistgenannten auf Ranglisten, warum Projekte scheitern.
Muss eine Führungskraft heute weniger Fachwissen haben, dafür umso mehr interkulturelle Führungskompetenz? Der Wettbewerb ist weltweit. Ob wir nun lokal oder global unterwegs sind. Es braucht mehr Fachwissen, um zukunftsfähig zu sein. Zusätzlich braucht es in der Zusammenarbeit mit Menschen aus aller Welt mehr soziale und psychologische Fähigkeiten. Können heutige Chefs sich so verändern, dass sie alle diese Anforderungen erfüllen können? Ich glaube an die Intelligenz und Adaptionsfähigkeit des Menschen. Viele Beispiele haben bereits gezeigt, dass das neue Denken grosses Potenzial birgt. Eines der eindrücklichsten Beispiele dafür ist Tony Hsieh, Gründer von Zappos. Er hat mit einem agilen Führungsansatz und einer netzartigen Organisationsstruktur einen ganz neuen Weg beschritten und seine Maxime «Delivering Happiness» spektaktulär umgesetzt.