Freitag Der Zürcher Kulttaschen-Hersteller erhält den GfM-Marketingpreis 2012. Seite 51
| 1. November 2012
Special Marketing inhalt
Denners Spottplakate im Urteil der Profis Anfang Jahr provozierte der Schweizer Discounter seine Mitbewerber. «Die Kampagne war zwar angriffig, kam aber mit humorvollem Augenzwinkern daher», so Werber Geri Aebi. «Man hat den lauterkeitsrechtlichen Graubereich ausgenutzt», so Kollegin Nadine Borter. Seite 52
Herausforderungen im Detailhandel Coop-Verwaltungsratspräsident Hansueli Loosli skizziert die Zukunft. «Wachsen kann nur, wer Mehrwerte schafft und sich von der Konkurrenz differenziert.» Hier seien die Nähe zum Kunden und zu seinen Wünschen sowie die Nachhaltigkeit die Profilierungsinstrumente. Seite 53
Die neuen Prinzipien für die Vermarktung Das Jahr 2013 steht bei der Gesellschaft für Marketing (GfM) unter dem Motto «Core Principles of Superior Marketing». Die Neuausrichtung ist zugleich eine Rück besinnung auf alte Tugenden – verbunden mit einem Fokus, der den Kunden noch mehr ins Zentrum rückt. Seiten 56 und 57
Holcim lebt den Net Promoter Score Der Schweizer Zementkonzern hat als einer der ersten Grossbetriebe im Indus triebereich den sogenannten Promotorenüberhang eingeführt. Der Ziehvater des Unterfangens erzählt, wie schwierig es war, sowohl interne Vorurteile als auch externe Hürden zu überwinden. Seite 61
Erland Brügger, seit eineinhalb Jahren Chef des Getränkeherstellers, will mit einer gezielten Innovationsstrategie wieder Wachstum generieren. «Eine Marke, die neue Produkte lanciert, wird von den Konsumenten ganz anders bewertet als eine, die keine Neuheiten bietet.» Seite 63 Schweizer Kultprodukte: Hacker von Zyliss (1953), Farbstifte von Caran d’Ache (1915), Holzkuh von Trauffer (1938) und Nespresso-Kapsel von Nestlé (1988).
Bruno Arnold
Rivella macht Kunden zu seinen Erfindern
Verantwortlich für diesen special: Norman C. Bandi
Mit gleichen Waffen
Foto-Serie Die Bildstrecke dieser Beilage zeigt Schweizer Produkte, die es bis zum Kultstatus gebracht haben. Im Bild unten sieht man den Bundesordner, der hierzulande seit den 1920er-Jahren gebraucht wird – Biella liess diesen Begriff erst 1989 als Marke schützen.
Shitstorm Wie man einen Sturm der Entrüstung in Sozialen Medien im Keim erstickt, demonstrierte die Migros. Wie man es nicht machen sollte, zeigte United Airlines. Norman C. Bandi
Bruno Arnold
Fotos: Bruno Arnold
«Wir sind uns wohl alle einig: Die Weih nachtszeit beginnt eigentlich mit dem Öffnen des ersten der 24 Kalendertür chen. Wir können also gut verstehen, dass der Verkauf von Weihnachtsgebäck manchen zu früh kommt», schrieb die Migros am 10. Oktober 2012 auf ihrer Facebook-Seite. Damit reagierte der Detailhändler gekonnt auf einen dro henden Shitstorm und zeigte Reue. «In diesem Sinne spenden wir für jeden Like bis 18 Uhr, für jede Kundenrück meldung, die wir bis jetzt erhalten haben, 100 Gramm Guetzli an Kinder heime in der ganzen Schweiz – insge samt also 13 696 Mal 100 Gramm.»
Die Ursache des vermeintlichen Sturms der Entrüstung im Internet war der Eintrag einer besorgten Kundin 24 Stunden zuvor. «Liebe Migros. Bitte beachtet doch, dass die Jahreszeit nach Sommer der Herbst ist und nicht Weih nachten! Ich weiss, das frühzeitige Er scheinen von Weihnachtsguetzli & Co wird jedes Mal mit ‹Das wollen die Kunden so› begründet. Dem möchte ich entgegensetzen: Ich – und jeder andere, den ich bisher gefragt habe – möchte das nicht!», schrieb sie am 9. Oktober 2012 auf die Facebook-Seite des Detailhänd lers. In knapp zwei Tagen wurde diese persönliche Nachricht mehr als 20 000 mit «Gefällt mir» bewertet und über 1500 Mal kommentiert. Mittlerweile
sind es zwar mehr als 25 000 Likes und über 1800 Kommentare. Im Vergleich zum Wirbel der ersten 48 Stunden waren die Reaktionen in den Wochen darauf nicht mehr der Rede wert. Wie man es nicht machen sollte, demonstrierte eine US-Fluggesellschaft über Jahre. «United Breaks Guitars» ist ein Song des kanadischen Musikers David Carroll. Er schildert, wie er die Zerstörung seines Instruments wäh rend einer Reise mit United Airlines selbst mitansehen musste. Das Video zum Song wurde am 6. Juli 2009 bei YouTube veröffentlicht. Bis heute wurde es stolze 12,5 Millionen Mal angeschaut und kaum nachvollziehbar oft in Blogs, Foren oder Sozialen Medien ausge
schlachtet. Zudem berichteten grosse TV-Sender wie CNN oder Zeitungen wie «The Times» darüber. Keine öffentliche Stellungnahme gab es bislang von United Airlines, wel che die Gitarre auf dem Gewissen hat. Dabei wäre es so einfach gewesen, dem Shitstorm Einhalt zu gebieten. Die USFluggesellschaft hätte nur innert 24 bis 48 Stunden auf den Beitrag eintreten müssen – am besten auf den gleichen Kanälen und mit den gleichen Mitteln wie der Ankläger. Stattdessen durchlief das Thema im Konzern die Instanzen von der Chefetage übers Marketing zu den Juristen. Zuletzt entschuldigte man sich direkt – ohne dem Image im Inter net förderlich zu sein.
Freitag-Tasche: 1993 nähten Daniel und Markus Freitag erstmals Taschen aus gebrauchten Lastwagenplanen – heute verarbeitet ihr Unternehmen jährlich rund 400 Tonnen Material und verkauft 300 000 Produkte.
Bruno Arnold
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«Produkt muss für sich selber sprechen»
Das nächste Leben Susanne Wagner
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er Blick von der Wohnung auf die Zürcher Hardbrücke mit all den vorbeidonnernden Lastwagen war der Anfang. Daniel und Markus Freitag stachen die farbigen Planen der LkW ins Auge. Die jungen Grafikdesigner kamen auf die Idee, dass ein Material, das jahre lang die Ladungen auf Fahrzeugen schützt, auch ihre Entwürfe vor dem Regen bewah ren könnte. Sie besorgten sich eine ausrangierte Lastwagenplane, schneiderten und näh ten sich robuste Taschen für den Eigenge brauch. Diese gefielen den Freunden und den Freunden der Freunde so gut, dass man grössere Serien zu produzieren be gann und 1993 eine Firma gründete. Der Rest ist bekannt: Das Design war ein Wurf – und die Taschen fanden schnell Käufer bei der urbanen, jungen Bevölkerung. Ob romantische Firmenhistorie oder urbane Legende – die Geschichte passt hervorragend in die Marketingstrategie, die ganz ohne klassische Werbemassnah men wie Anzeigen, Plakate oder TV-Spots auskommt. «Unsere Produkte müssen so für sich selbst sprechen, dass man als Journalist darüber schreiben will, ohne dass wir Werbekampagnen machen», sagt Brand Manager Pascal Dulex. Bisher hat diese Methode bestens funktioniert. Bereits in den 1990er-Jahren wurden die Taschen aus Lastwagenplanen, Fahrradschläuchen und ausrangierten Autogurten zu Kultobjekten. 2003 wurde
das Urmodell F13 Top Cat in die Design sammlung des Museum of Modern Art in New York aufgenommen. 2012 widmete das Zürcher Museum für Gestaltung dem Unternehmen Freitag eine ganze eigene Ausstellung.
auf dem Velo seine Sachen trocken von A nach B transportieren kann. Das Prinzip des zweiten Lebens von Dingen zieht sich wie ein roter Faden durch den Geschäftsalltag. Nicht nur die Produkte bestehen aus rezyklierten Mate rialien. Freitag ist Ökologie und Nach Der Kreislauf vom Radfahren haltigkeit auch in der Produktion und «Unsere Tasche ist selbst ein Teil des im Geschäftsalltag wichtig. Zum Reinigen Marketings», erklärt Monika Walser, die der Lastwagenplanen verwendet man auf vor zwei Jahren die Geschäftsführung gefangenes Regenwasser. Das Fabrikge übernommen hat. Die Grün bäude ist gut isoliert, nach derbrüder Markus und Dani haltig gebaut und mit der Die Tasche ist el Freitag haben ihren Platz Wärme aus einerAbfallver selbst ein Teil im eigenen Betrieb als Krea brennungsanlage geheizt. tivchefs gefunden. «Wir hät des Marketings. Nicht zuletzt ist es möglich, ten uns vor 19 Jahren nicht Dafür braucht es die fast unverwüstlichen Ta vorstellen können, dass sich schen, falls sie trotzdem ein keine Werbung. mal kaputtgehen, in einem unsere Tasche eines Tages so verbreiten würde und die Freitag-Laden zurückzuge Firma bis nach Asien expandiert», sagt ben, wo man die Materialien trennt und Markus Freitag. Von ihm und seinem Bru fachgerecht entsorgt. der Daniel Freitag stammt der Satz, der als Bei den Taschen allein ist es nicht Firmenphilosophie die Marke bis heute geblieben. Inzwischen ist die Produkt prägt: «Wir glauben an das nächste Leben palette um Accessoires wie Portemonnaies, von Dingen und denken und handeln in Necessaires oder Notizbücher erweitert Kreisläufen.» (We believe in the next life of worden. Besonders begehrt sind Last things. We think in cycles and act in cyles – wagenplanen in seltenen Farben, etwa in and cycle.) Schwarz. Bis heute ist jede Tasche ein Die Bedeutungen Kreislauf (cycle) und Unikat, denn die Auswahl des Ausschnitts Rad fahren (to cycle) des Begriffs «cycles» der gebrauchten Materialien bestimmt drücken elegant aus, welche Themen den das Design. Genäht werden die Produkte Firmengründern bereits zu Startup-Zeiten im näheren Ausland, etwa in Frankreich am meisten Herzen lagen. Aus gebrauch oder Portugal, und in zwei kleineren ten Materialien etwas Neues schaffen – Nähereien in der Schweiz. und Rad fahren. Alle Taschen der Marke Da Lastwagenplanen ein europäisches Freitag sind so gestaltet, dass man damit Phänomen sind, sind bei Freitag drei Ein
käufer dafür zuständig, in ganz Europa den passenden Rohstoff zu erwerben. In Asien oder den USA hingegen sind Last wagenplanen so gut wie unbekannt. Dafür erobern sie diese Kontinente nun in Form von Freitag-Produkten.
Zürcher Wurzeln treu bleiben Seit einem Jahr gibt es einen FreitagStore in Tokio (Japan) – es ist der neunte seiner Art, aber auch in Metropolen wie Bangkok (Thailand) kommen die urbanen Accessoires gut an. Wie in der Schweiz und anderen Ländern werden in Asien die Kunden und Fans der Marke mit Hilfe von Sozialen Medien, etwa Facebook, infor miert und unterhalten – stets mit Hilfe von Mitarbeitern vor Ort. Sie verstehen die jeweilige Sprache und die kulturellen Eigenheiten der Region. Das Hauptquartier von Freitag bleibt hingegen in Zürich. Während die Produk tion und die Büros vergangenes Jahr nach Oerlikon gezogen sind, steht das Herz stück des Imperiums, der Flagship-Store, immer noch nahe an der Geburtsstätte des Unternehmens. Der Freitag-Turm neben dem Bahnhof Hardbrücke ist zwar nicht so hoch wie der in Sichtweite ste hende Prime Tower, das höchste Gebäude der Schweiz. Aber er hat mehrere Archi tekturpreise gewonnen und ist eines der meistfotografierten Gebäude von Zürich, weil er aus ausgedienten, aufeinander gestapelten Schiffscontainern gebaut ist und damit der Philosophie der FreitagBrüder perfekt entspricht.
Freitag
Preisträger Freitag ist die Gewinnerin des GfM-Marketingpreises 2012, den die Schweizerische Gesellschaft für Marketing (GfM) am 30. Oktober 2012 zum 28. Mal verliehen hat. Die Zürcher Firma folgt somit auf Geberit (2011), Mobiliar (2010), Mammut (2009), Logitech (2008) oder Jura (2007). Mit dem «Jahrespreis der Stiftung für Marketing in der Unternehmensführung» zeichnet die GfM seit 1984 Persönlichkeiten und/oder Unternehmen aus, die durch aussergewöhnliche Marketingleistungen aufgefallen sind. Freitag wurde dieses Jahr unter 122 Bewerbungen ausgewählt. Die Auszeichnung ist mit 20 000 Franken dotiert. Unternehmen Freitag wurde 1993 von den Brüdern Markus und Daniel Freitag
Roland Tännler
Aus Alt mach Neu – mit mehr als 300 000 Produkten jährlich
Freitag-Turm in Zürich-West: Passend zur Philosophie aus alten Schiffscontainern.
gegründet, mit der Geschäftsidee, aus gebrauchten Materialien wie Lastwagenplanen, Autogurten, Fahrradschläuchen und Airbags neue Produkte zu nähen. Die Taschen fanden so grossen Anklang, dass aus dem einstigen Start up eines der innovativsten und trendigs-
ten Schweizer Unternehmen geworden ist. Heute beschäftigt Freitag mit Sitz in Zürich-Oerlikon über 130 Mitarbeiter und produziert mehr als 300 000 Produkte jährlich. Weltweit arbeitet Freitag mit 400 Absatzpartnern zusammen. Es gibt zwei Läden in Zürich sowie weitere eigene Stores in Berlin, Davos, Köln, Hamburg, New York, Tokio und Wien. Begründung Manfred Bruhn, Professor für Marketing an der Universität Basel und Präsident des Stiftungsrats der GfM, die den GfM-Marketingpreis vergibt, erklärt zur Würdigung des Preisträgers: «Freitag hat von Beginn an seine Marke konsistent aufgebaut sowie bekannt gemacht und mit geeigneten Kommunikationsmassnahmen unterstützt. Dazu haben neben dem innova
tiven Geschäftsmodell auch der frühzeitige Einsatz eines benutzerfreundlichen Online-Shops und das regelmässige Engagement in einer Vielzahl Sozialer Medien beigetragen. Die Kunden können auf der Website ihre eigenen Ideen einbringen. Der erfolgreiche Internetauftritt überzeugt dank regelmässigen News, Infos, Fotos und Videos, etwa um die Funktionalität und Robustheit der Produkte zu demonstrieren. Auch die Architektur setzt die Firma in Form des Freitag-Turms aus gebrauchten Schiffs containern erfolgreich als Marketinginstrument ein. Die Erfolgsgeschichte des einstigen Startup-Unternehmens ist beeindruckend. Mit kleinen Mitteln hat es schnell national sowie international expandiert und verzeichnet heute jährlich eine zweistellige Wachstumsrate.»
Roland Tännler
GfM-Marketingpreis 2012 Freitag erhält dieses Jahr die Auszeichnung der Gesellschaft für Marketing – unter anderem für den exzellenten Einsatz moderner Tools wie Social Media.
Monika Walser Geschäftsführerin, Freitag, Zürich
Was macht Freitag im Marketing anders als andere Schweizer Unternehmen? Monika Walser: Wir entwickeln nur, was unseren eigenen Bedürfnissen im Leben entspricht. Das gilt für unsere Produkte, aber auch für unsere Marketing- und Kommunikationsmassnahmen. Sie müs sen einfach zu uns, den Mitarbeitern, passen. Das ist sicher der grösste Unter schied zu anderen Unternehmen. Welches ist der wichtigste Marketinggrundsatz der Firma? Walser: Der Kern unseres Brands ist die Philosophie und der Glaube daran, dass die Dinge ein zweites Leben haben sol len. Diese Philosophie zieht sich durch alles hindurch – durch die Materialien, die wir verwenden, die Produktion und Kommunikation nach aussen. So ist beispielsweise unser Briefpapier auf der Rückseite liniert, damit man es als Notizpapier weiterverwenden kann. Weshalb macht Freitag keine klassische Werbung? Walser: Wir finden es ehrlicher sowie authentischer, unsere Kunden auf anderen Wegen zu informieren und anzusprechen als mit Anzeigen oder Plakaten. Werbung ist zudem ein relativ grosser Kostenblock, den wir dann auf das Produkt überwälzen müssten. Als Schweizer KMU haben wir sowieso kein Millionenbudget für Werbung. Wir inves tieren das Geld anstatt in die Werbung lieber in die Produkteentwicklung. Das Produkt muss für sich selbst sprechen. Wo sind weitere Marketingschwerpunkte? Walser: Für uns sind die Medienarbeit und eigene Kanäle wie der Newsletter, unsere Website und unsere Communities auf den verschiedenen Sozialen Medien wichtig. Auf Facebook interagieren wir mit gut 65 000 Leuten. Wir pflegen diese Kanäle sorgfältig und liebevoll. Wir ach ten darauf, dass unsere Informationen authentisch rüberkommen, etwa mit einer witzigen Sprache oder humorvollen Produktfilmen. Wir machen unsere Arbeit seriös, aber der Spielwitz und der Spassfaktor dürfen nie fehlen – bei unse ren Mitarbeitern und unseren Kunden. interview: Susanne Wagner
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Um der Sache willen Werbeethik Denner forderte mit einer provokativen Kampagne die Mitbewerber heraus. Werbeprofis bewerten sie von witzig und effizient bis wenig nachhaltig. satz zu Denner tut dies Aldi Suisse nicht «Aus kreativer Sicht ist die rigide Hand mit Spielchen, sondern über direkte Preis habung natürlich schade», sagen Werbe chmunzeln vor den Läden. Die Auf vergleiche mit Produkten von Migros oder profis wie Geri Aebi, Chef und Mitinhaber schrift «Für AL DI rechnen können» Coop. «Wir verzichten auf verbale Angriffe der Wirz Gruppe. Er erinnert sich mit Be auf roten Plakaten sorgte Anfang Jahr gegen die Mitbewerber, sondern lassen geisterung an «grandiose» amerikanische auch bei Schweizer Fans des deutschen Zahlen sprechen», erklärt Philippe Vetterli, Konkurrenzkampagnen wie die legendäre Hartdiscounters für Heiterkeit. Mit Wort Sprecher von Aldi Suisse. Keinerlei Reakti von Pepsi-Cola gegen Coca-Cola. So etwas spielen forderte Denner in seiner Kampa onen auf die Denner-Kampagne gab es wäre in der Schweiz nicht möglich, da das gne fast alle Mitbewerber heraus. «Ein Lidl von Spar und Volg. Einzig UWG einschreiten würde. mehr sparen», «Spar mehr», «Frischer und Lidl holte zum Gegenschlag Selbst im Nachbarland Ös Denner hat fründlicher» (Volg) oder «Prix garantiert aus und kreierte ein Plakat. terreich fliegen die Fetzen lauterkeitsklein» (Coop) hiessen Slogans, die provo Darauf wurde der Dennerheftiger. So etwa zwischen kativ vor den Geschäften der Konkurrenz Slogan «Ein Lidl mehr spa den ElektronikDiscountern rechtlichen platziert wurden. Verschont wurde einzig ren» zitiert, das Wort «Ein» je Media Markt und Saturn, Graubereich Migros, der Denner gehört. doch durch «Im» ersetzt. Da die sich trotz oder gerade ausgenutzt. Die vom Discounter als Imagewerbung neben ein konkreter Preis wegen der Z ugehörigkeit bezeichnete Aktion hat ihre Wirkung nicht vergleich aus dem «K-Tipp». zum gleichen Konzern im verfehlt und war Medienthema. «Auch in Es sei für Lidl in der Situation wichtig ge mer wieder ordentlich auf die Kappe der Bevölkerung sind die Plakate auf ein wesen, auf die objektiven Fakten hinzu geben. Teilweise weit unter der Gürtellinie. breites Echo gestossen und haben der weisen und die eigenen Argumente in der Die Grenze zwischen direkt-frecher Marke zu einer neuen Aktualität und Vita Öffentlichkeit darzustellen, heisst es von und unanständig-plumper Werbung zieht lisierung verholfen», sagt Konzernspre der Pressestelle. Dies, obschon die Kon Aebi entlang dem gesunden Menschen cherin Paloma Martino. «Wir tun, was sich frontation mit Konkurrenten in der Wer verstand. Mit dem Sprichwort «Was du andere nicht trauen», umschreibt sie die bung nicht im Sinne von Lidl sei. nicht willst, das man dir tu’, das füg auch Auf juristischer Ebene hatte sich Den keinem anderen zu» als Gradmesser fahre Motivation dahinter. Ziel sei gewesen, mit Wortspielen auf direkte, witzige Art und ner abgesichert. Gemäss den Artikeln 3a man ganz gut. Wer diese Grenze über Weise die Vorteile von Denner für die Kon und 3e des Bundesgesetzes gegen den schreite, verärgere nicht nur die Mitbe sumenten hervorzuheben. Dass solche unlauteren Wettbewerb (UWG) macht sich werber, sondern auch die Konsumenten, Botschaften mit unorthodoxen M ethoden strafbar, wer «...andere, ihre Waren, Werke, was kommerziell verheerend sein könne. verbreitet werden, habe beim Discounter Leistungen,deren Preise oder ihre Ge «Fehlender Anstand und unethisches Ver eine Tradition. «Wir fordern heraus und schäftsverhältnisse durch unrichtige, irre halten gegenüber den Mitbewerbern fal sagen ganz direkt, was wir denken», er führende oder unnötig verletzende Äusse len in der Werbung so gut wie immer auf gänzt Martino. Dabei bewege sich Denner rungen herabsetzt...» respektive «… sich, die eigene Marke zurück», so Aebi. In der seine Waren, Werke, Leistungen oder Konsumgüterbranche gilt: Kein Sexismus, aber immer in einem fairen Rahmen. deren Preise in unrichtiger, irreführender, keine Drogen, kein Krieg, keine Gewalt, Nur Lidl holte zum Gegenschlag aus unnötig herabsetzender oder anlehnen keine Diskriminierung, keine Parteipolitik. Die attackierten Mitbewerber reagier der Weise mit anderen, ihren Waren, Wer Verstösse rächen sich heute sofort. Konsu ten mehrheitlich gelassen oder gar nicht. ken, Leistungen oder deren Preisen ver menten wie Mitbewerber können über die «Wir nehmen grundsätzlich keine Stellung gleicht oder in entsprechender Weise Drit Sozialen Medien umgehend reagieren zu Werbekampagnen von Mitbewerbern», te im Wettbewerb begünstigt ...». Beide und ihre ablehnende Haltung gegenüber heisst es bei Coop. Als Anerkennung für Tatbestände konnten im Fall Denner nicht einer Kampagne rasch verbreiten. die eigene erfolgreiche Arbeit der letzten nachgewiesen werden. Dies, obschon die Jahre empfindet man die Denner-Offensi Schweiz bei der Beurteilung von verglei Marktführer sollten davon absehen Im Falle von Denner sei weder Moral ve bei Aldi Suisse, wo vergleichende Wer chender Werbung deutlich strengere Mass noch Ethik verletzt worden, findet Geri bung ebenfalls praktiziert wird. Im Gegen stäbe setzt als zum Beispiel die USA. Aebi. Die Reaktionen fielen daher auch in der Öffentlichkeit überwiegend positiv aus. «Die Kampagne war zwar plakativ und angriffig, kam aber mit einem humor vollen Augenzwinkern daher.» Der WirzChef vergleicht sie betreffend Originalität mit einer Kampagne des US-Autovermie ters Avis, der mit dem Slogan «We try harder» den Marktführer Hertz ins Visier nahm und damit global Werbegeschichte schrieb. Anders beurteilt zum Beispiel Nadine Borter die Denner-Kampagne. Ein nachhaltiger Kommunikationsauftritt sei mit solchen Aktionen nicht möglich, so die Inhaberin der Agentur Contexta und «Werberin des Jahres 2011». «Man hat den lauterkeitsrechtlichen Graubereich bewusst ausgenutzt, um kurzfristig etwas Aufmerksamkeit zu bekommen.» Unabhängig von der Benotung durch Profis: Die Denner-Plakate haben Aufse hen erregt und waren zumindest ein amü santer Farbtupfer – animierten aber nicht zur Nachahmung. Langfristig sei es sicher Provokative Werbung: Denner spottet über die Konkurrenz und nur Lidl schlägt zurück. wirkungsvoller, sich mit den eigenen Stär Robert Wildi
Fotos: ZVG
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M-Budget: 1996 lancierte die Migros ihre Billiglinie – zu Beginn waren es 70 Produkte des täglichen Bedarfs, heute besteht das Sortiment aus über 500.
ken zu positionieren, als mit den Argumen ten der Konkurrenz zu spielen, meint Bor ter. Aebi hingegen findet provokative und konfrontative Werbung grundsätzlich ein spannendes Mittel, das bei guter Umset zung den Markenwert jedes Unterneh mens steigern könne. Marktführern rät er indes zwingend davon ab, sich auf Ver gleiche mit der Konkurrenz «hinabzu lassen». Dies würde rasch als Zeichen der eigenen Schwäche interpretiert. Befolgt wird der Rat von DetailhandelBranchenführer Migros. «Wir wissen, was wir können und was der Kunde möchte. Darüber reden wir mit ihm in unserer Werbung», sagt Sprecher Urs-Peter Naef. «In dieser Migros-Kunde-Beziehung ist es nicht relevant, was die Nummern zwei,
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drei, vier machen.» Auch Coop sieht von vergleichender Werbung ab. «Wir machen auf unsere einzigartigen Leistungen, speziell im Bereich Nachhaltigkeit, sowie auf unsere Eigenmarken aufmerksam», so Sprecherin Denise Stadler. Werbung wirke nur dann nachhaltig, wenn man mit An stand und Niveau kommuniziere. Wie gross die Wirkung aus kommerzi eller Sicht tatsächlich ist, steht in den Ster nen. Ob der Konfrontationskurs gegen über den Mitbewerbern Denner neue Kunden gebracht hat, ist unsicher. «Wir haben Marktforschung zur Kampagne be trieben», sagt Sprecherin Paloma Martino. Über die Ergebnisse gebe man jedoch keine Auskunft. So innig ist die Beziehung zur Konkurrenz dann doch nicht.
Taschenmesser: Das ursprüngliche «Sackmesser» wurde Ende des 19. Jahrhunderts für die Soldaten der Schweizer Armee entwickelt – heute vertreiben Victorinox und Wenger diese global.
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Detailhandel Unternehmerisch in die Zukunft
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an braucht kein Wirtschafts guru zu sein, um die derzeit grössten Herausforderungen für den Schweizer Detailhan del erkennen zu können. Sie liegen beim schwachen Euro respektive beim starken Franken. Das kurbelt den Einkaufstou rismus an wie nie zuvor: Zwischen 5 und 8 Mil liarden Franken Einkaufsvolumen verliert der Schweizer Detailhandel jedes Jahr ans angren zende Ausland. Hinzu kommt der Rückgang an ausländischen Touristen in der Schweiz, eben falls bedingt durch die Franken-Stärke. Bereits vor den Euro-Turbulenzen hatte die Preissensitivität der Kunden in der Schweiz stark zugenommen. Hierzu trugen sowohl die Marktveränderung, insbesondere im Lebens mittelsektor und in der Unterhaltungselektronik, als auch das Internet bei. Nicht nur, dass der Online-Markt stetig wächst, das World Wide Web ermöglicht mit wenigen Klicks Preisver gleiche und motiviert zur Schnäppchenjagd.
Wie geht man nun mit diesen neuen Herausforderungen um? Wer kurzfristig nach Lösungen sucht, steht auf verlorenem Posten. Wir haben mit Coop zum Glück einen längeren Anlauf genommen und die Weichen frühzeitig richtig gestellt. Dass der Euro derart stark fallen wird, war vor zehn, zwölf Jahren nicht vorauszusehen. Dass aus ländische Konkurrenten in die Schweiz kom men werden, hingegen schon, und dass da durch die Preise sinken und die diesbezügliche Sensibilität zunehmen wird, auch. Als sich Coop diese Gedanken machte, waren wir nicht so gut aufgestellt wie heute. Damals bestanden wir noch aus Coop Schweiz und daran angebun den zahlreichen Coop Genossenschaften. Diese regionalen Organisationen waren rechtlich selbstständig und weitgehend unabhängig. Es
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Hansueli Loosli Verwaltungsratspräsident, Coop, Basel
«Zwischen 5 und 8 Milliarden Franken Einkaufsvolumen verliert der Schweizer Detailhandel ans angrenzende Ausland.»
gab keine «Unité de doctrine» – dafür unzählige ineffiziente Doppelspurigkeiten. Um langfristig am Markt erfolgreich zu sein, mussten wir effi zienter und dynamisch werden. Die Lösung hiess klar Neuformierung: Zu sammenschluss der 14 regionalen Genossen schaften mit Coop Schweiz zu einer einzigen Organisation. Der Startschuss dazu fiel 1999. Die Form der Genossenschaft haben wir be wusst beibehalten. Wir streben keine Gewinn maximierung an; unsere «Dividende» fliesst in Form von Preissenkungen direkt an die Kunden zurück. Aus heutiger Sicht ist dieser Zusam menschluss – genannt CoopForte – ein Meilen stein in unserer Geschichte. Die Hauptziele der Reform waren: Konzentration auf das Kern geschäft, sprich den Schweizer Detailhandel, Spielräume für Preissenkungen erarbeiten, Synergien nutzen, neue Geschäftsfelder und Leistungen schaffen und die Effizienz erhöhen. Dies haben wir auf allen Gebieten angepackt, beispielsweise mit der Umsetzung der neuen Absatzmarktstrategie, die die Verkaufsformate und Ladenkonzepte von Coop festlegt. Der Motor für die Entwicklung von Coop sind – damals wie heute – unsere Standorte, Sortimente, Innovationen und laufenden Kos tensenkungen. Eine unserer herausragenden Stärken ist unser feinmaschiges Verkaufsstel lennetz und damit unsere Nähe zu den Kun den. Dadurch differenzieren wir uns von der Konkurrenz. Mit CoopForte entwickelten wir ein wirkungsvolles Marketing mit einem klaren Sortiments- und Preislagenaufbau. Unser ein zigartiger Mix aus Marken und Eigenmarken hat sich als weitere grosse Stärke erwiesen. In der Logistik sahen wir grosse Potenziale, unsere Effizienz zu steigern, Prozesse zu opti mieren und mit fortschrittlichen Lösungen bei spielhaft voranzugehen. Diese gipfeln zurzeit in der Logistik- und Bäckereistrategie 2015+. Durch eine Konzentration am Standort Schafis
heim AG realisieren wir grosse Mengeneffekte und sparen so Kosten – und das bei gleichzeiti ger Reduktion des CO₂-Ausstosses. Die Voraus setzung dafür war die Übernahme von Railcare, die mit dem unbegleiteten kombinierten Ver kehr einen flexiblen und umweltschonenden Warentransport ermöglicht. Auch die seit 1999 getätigten Akquisitionen trugen dazu bei, unsere Marktposition und die finanziellen Erträge zu stärken. Der grösste Meilenstein ist der Einstieg in den Abhol- und Belieferungsgrosshandel mit Transgourmet. Wir investierten damit in ein zweites Standbein mit Milliardenumsatz. Denn im Grosshandel steckt grosses Potenzial – nicht zuletzt wegen des wachsenden Ausserhauskonsums.
In einem gesättigten Markt über Mehrwerte trotzdem wachsen Für uns heisst die Devise: Wachsen kann nur, wer Mehrwerte schafft und sich von der Konkurrenz differenziert. Hier sind die Nähe zum Kunden und zu seinen Wünschen sowie die Nachhaltigkeit unsere Profilierungsinstru mente Nummer eins. Wir verstehen Nachhal tigkeit in einem umfassenden Sinn – ökono misch, ökologisch und sozial. Die Gestaltung eines nachhaltigen Sortiments ist deshalb nur eine Säule von dreien bei Coop. Ebenso stark zählen unsere Engagements im Bereich Res sourceneffizienz und Klimaschutz sowie für unsere Mitarbeitenden und die Gesellschaft. Um mit den aktuellen Herausforderungen Schritt zu halten, setzt die neue Coop also auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit. Das mit Erfolg: Wir sind heute im Markt sehr gut posi tioniert und können uns auch 2012 trotz eines herausfordernden Umfelds gut behaupten. Hansueli Loosli ist Verwaltungsratspräsident von Coop sowie Verwaltungsratspräsident von Swisscom.
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Wissen für den Erfolg
Weiterbildung Wirtschaftliche Veränderungen stellen hohe Anforderungen an Marketingexperten – gefragt sind fundierte Kenntnisse von anerkannten Instituten.
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ls Qualitätsmerkmal für die Auswahl der richtigen Institution zählen die Punkte des European Credit Transfer System (ECTS). 60 solcher Punkte gelten als Basis und wichtige Form der Anerkennung, weil nicht wie bei MBA- Abschlüssen offizielle Rankings als Entscheidungshilfe für eine Weiterbildung zugrunde liegen. Michael Grund, Leiter des Center for Marketing an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ), zählt weitere Krite rien auf: Die Empfehlung aktueller oder ehemaliger Studierender, die Qualität der Dozierenden aufgrund von deren Curriculum und die Anerkennung im In- und Ausland. So ist der Executive MBA – Marketing der HWZ ein international anerkannter Hochschultitel als Executive MBA ZFH; MBA steht für Master of Business Admini stration, ZFH für Zürcher Fachhochschule. Die Weiterbildung wird 2013 bereits zum zehnten Mal durchgeführt. Laut Grund fordert die Komplexität der Aufgaben heute mehr akademische Antworten. Zunehmend gefragt seien Business-Kompetenzen und Leadership-Qualitäten.
Berufsbegleitend und international Wie jeder der fünf von der Gesellschaft für Marketing (GfM) empfohlenen Kurse ist ebenso der Master of Advanced Studies (MAS) Marketing Management der Universität Basel eidgenössisch und international anerkannt, bestätigt Michael Braune Krickau, Studienkoordinator und Geschäfts leiter. Dieses Nachdiplomstudium ist auf den Ausbau sowie die Stärkung der Kompetenz und Professionalität ausgerichtet. Gemäss Braune Krickau entspricht es einem hochwertigen MBA-Programm mit dem Schwerpunkt Marketing, Marketing Management und Business Development. «Damit muss die Weiterbildung klar und konsequent mit der unternehmerischen Gesamtsicht und den umsetzenden Managementprozessen, angepasst auf die lokalen Verhältnisse, verbunden sein», so Braune Krickau. Die Beispiele stammen aus der Praxis, sind branchenübergreifend sowie weltweit gültig.
Die School of Management and Law (SML) an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur hat zum Ziel, mit dem Abschluss MAS Product Management umfassende Kenntnisse in diesem Thema zu vermitteln. Die ZHAW plant derzeit ein neues Nachdiplomstudium in Marketing Management. «Dieser MAS soll ein sogenannter MAS-Umbrella sein, der ein individuelles Zusammenstellen der Module ermöglicht», erklärt Brian Rüeger, Leiter des Zentrums für Marketing Management der SML. Mit dem MAS-Umbrella kann ein individuell auf die Bedürfnisse der Studierenden zusammengestellter MAS absolviert werden. In der Praxis bedeutet das, dass jeder Teilnehmer ein eigenes Portfolio an Modulen zusammenstellt. Die strategische Ausbildung ist Pflicht für alle, dazu kann es persönlich relevante Bereiche geben, zum Beispiel Marketing mit Kommunikation oder Product Marketing.
Spezialisiert sowie praxisbezogen Der MAS Sales and Marketing Management der Hochschule Luzern – Wirtschaft (HSLU) füllt eine Lücke. «Während sich der Dienstleistungssektor selbst und auch der Anteil Serviceleistungen bei indus triellen Gütern und Konsumgütern stetig weiterentwickelt, hat sich die Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet des Marketingmanagements nur zögerlich von dem traditionell vorherrschenden Gütermarketing lösen können», sagt Adrienne Schäfer, Dozentin und Projektleiterin. Daher bietet das Institut für Betriebs- und Regionalökonomie (IBR) der HSLU einen Master of Advanced Studies in Services Marketing and Management, kurz MAS SMM. Das Programm Certificate of Advanced Studies (CAS) Sales & Marketing Management der Fachhochschule St. Gallen (FHS) soll die Teilnehmer befähigen, sich auf die Internationalisierung der Märkte vorzu bereiten. Der praxisbezogene Zertifikatslehrgang bezieht dabei Themen wie Schlüsselkunden-, Produkt- und Multichannel-Management mit ein, die ganzheitlich und vernetzt gesteuert und in die übergeordneten strategischen Konzepte eingebunden werden sollen. Der Zertifi-
Swatch: Die Schweizer Plastikuhr setzte 1983 zu ihrem weltweiten Triumph an – bis 2033 sollen 1111 Millionen verkauft sein.
katslehrgang kann zudem unabhängig oder bei Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen als Teil des Executive Master of Business Administration (EMBA) besucht werden. Nach Bestehen des CAS gibt es die Möglichkeit, mit dem zusätzlichen Verfassen einer Diplomarbeit, eine Bescheinigung zu erlangen, das Diploma of Advanced Studies (DAS) der FHS.
«Eine vernetzte Sicht ist extrem wichtig» Grund: Die Integration der Ausland woche war ein Meilenstein; im letzten Jahr haben wir das Kommunikations modul neu aufgestellt, in Kooperation mit unserem Absolventen und heutigen Dozenten Thomas Städeli von Wirz.
Nachdiplomstudium
Die von der GfM empfohlenen Marketingkurse HWZ Zürich Institut: Center for Marke ting an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ); Kurs: Executive MBA Marketing; Dauer: 3 Semester, rund 1,5 Jahre; Aufnahmekriterien: Hochschul abschluss und studienrelevante Berufs erfahrung sowie Führungserfahrung; Kosten: 49 700 Franken beziehungs weise 48 200 Franken mit GfM-Rabatt. FHS St. Gallen Institut: ManagementWeiterbildungszentrum an der Fach hochschule St. Gallen (FHS); Kurs: CAS Sales & M arketing; Dauer: 30 Tage be rufsbegleitend, plus Leistungsnachweis und Diplomarbeit, Unterricht in Mehr tagesblöcken; Aufnahmekriterien: Abschluss einer Fachhochschule (FH), Universität, höheren Fachschule (HF), Technikerschule (TS) oder einer eidge
nössisch höheren Fachprüfung, dazu wirtschaftswissenschaftliche Fachund/oder Grundlagenkenntnisse sowie 3 Jahre Managementerfahrung oder Fachkarriere; Kosten: 18 000 Franken. Hochschule Luzern Institut: Institut für Betriebs- und Regionalökonomie (IBR) an der Hochschule für Wirtschaft Luzern (HSLU); Kurs: MAS Service Marketing and Management; Dauer: 21 Monate; Aufnahmekriterien: Hochschuloder Fachhochschulabschluss, mindestens 2 Jahre qualifizierte Berufspraxis; Kosten: 7900 Franken pro CAS-Modul, 24 600 Franken für gesamten MAS. Universität Basel Institut: Wirtschafts wissenschaftliche Fakultät an der Uni versität Basel; Kurs: MAS Marketing
anagement; Dauer: Rund 600 Prä M senzstunden plus Zeit für Vor- und Nachbereitung sowie Studienarbeit; Aufnahmekriterien: Abgeschlossenes Master- oder Bachelor-Studium an einer Fachhochschule oder Universität oder ein äquivalenter Bildungs- oder Studienweg; Kosten: 24 800 Franken. ZHAW Winterthur Institut: Zentrum für Marketing Management (ZMM) an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW); Kurs: MAS Customer Relationship Management; Dauer: 2 Jahre; Aufnahmekriterien: Abschluss einer Universität, Fachhoch schule sowie im Regelfall 5 Jahre Be rufserfahrung; Kosten: 24 000 Franken.
Bruno Arnold
Helga Wienröder
Michael A. Grund Leiter, Center for Marketing, Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ), Zürich
Die rasante wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst das Marketingmanagement. Wo zeigt sich das am eindrücklichsten? Michael A. Grund: Eine vernetzte Sicht auf die Themenstellungen ist extrem wichtig. So hat ein Preisentscheid zum Beispiel Auswirkungen auf die Marke, den Brand und die Positionierung des Unternehmens insgesamt. Preise müssen im Einklang stehen mit der Qualität des Produkts, dem Service-Level, der Gestaltung des Verkaufspunkts und zahlreichen anderen Elementen.
Gibt es eine Zusammenarbeit der HWZ mit einer ausländischen Hochschule? Grund: Im Marketing arbeiten wir seit mehreren Jahren eng mit der Darden School of Business der University of Virginia und der Universität Mainz zusammen. Darden hat immer wieder Top-Ergebnisse in den einschlägigen Rankings, wie der «Financial Times» und dem «Economist», erreicht. Alle Studierenden des EMBA – Marketing verbringen eine Studienwoche in den USA. Ist der EMBA – Marketing der HWZ automatisch als echter MBA-Abschluss bei einer Institution akkreditiert? Grund: Die HWZ ist als Institution Teil der Zürcher Fachhochschule. Die Studierenden beenden das Studium also mit einem anerkannten Abschluss.
www.gfm.ch/de/weiterbildung/struktur/nds_mas
Was bedeutet das für Ihre Weiterbildung?
interview: Helga Wienröder
56 | Marketing
Toblerone: Der süsse Schweizer Exportschlager wurde 1908 von den Chocolatiers Theodor Tobler und Emil Baumann erfunden – heute gehört die Schokolade dem amerikanischen Lebensmittelkonzern Kraft Foods.
Bruno Arnold
handelszeitung | Nr. 44 | 1. November 2012
Überlegenes Marketing Kernprinzipien Die neuen «Core Principles of Superior Marketing» führen von der Wertschöpfung über die Vermittlung zur Abschöpfung. Stefan Michel
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ie häufigste Klage, die man 2012 von Marketing-Führungskräften hört, lautet etwa so: «Wir sind Marktführer und unsere Produkte sowie Dienstleistungen sind qualitativ besser als die der Konkurrenz. Trotzdem verlieren wir immer mehr Aufträge an Billiganbieter oder müssen unsere Preise bis zur Schmerzgrenze senken. Es scheint, die Kunden interessieren sich nur noch für den günstigsten Preis, wodurch unsere Marge gefährlich schrumpft.» Die richtige Antwort darauf lautet: «Jammern hilft nichts.» Wenn die Kunden beim Marktführer gute Qualität zu tieferen Preisen erhalten, zeigt das nur, dass die Kunden richtig verhandelt haben. Darüber hinaus gibt es drei Gründe, warum es den Marktführern offenbar nicht gelingt, eine Preisprämie über dem Billigstpreis zu erzielen. Entweder ist die Leistung nicht wirklich besser oder es gelingt nicht, den Vorteil für die Kunden zu kommunizieren, respektive trotz höheren wahrgenom menen Nutzens kann keine Preisprämie durchgesetzt werden. Hier setzten die neuen «Core Principles of S uperior Marketing» an. Die Kernprinzipien der über legenen Vermarktung umfassen drei Dimensionen. Sie gruppieren sich alle um Customer Insights (Kundenfokus).
Co-creating Value: Wertschöpfung Je nach Branche sind die Erfolgsfaktoren bei dieser Dimension unterschiedlich ausgestaltet, doch die Grundidee ist konsistent. Es geht darum, gemeinsam mit dem Kunden Produkte, Dienstleistungen und Lösungen zu erarbeiten, die seine Bedürfnisse befriedigen und ihm oder ihr helfen, die gesetzten Ziele zu erreichen. Diese Forderung ist natürlich nicht neu, trotzdem ist es erstaunlich, wie häufig Führungskräfte ihre Produkte und Dienst-
leistungen aus interner Optik gestalten und verbessern. Das grösste Hindernis für eine kundenzentrierte Gestaltung des eigenen Angebots besteht häufig darin, dass zu viele Annahmen über Kundenbedürfnisse und über das Kundenverhalten getroffen werden. Vereinfacht gesagt geht es nicht darum, zu definieren, was das Produkt ist, sondern, was der Kunde mit dem Produkt macht plus welche Schwierigkeiten und Probleme er damit hat. Im Englischen hat sich dafür der Begriff Pain Points (Schmerzgrenze) etabliert. Die Dienstleistung oder das Produkt des
Schweizer Luxusuhren sind erfolgreich, weil sie in einer schnelllebigen Zeit Beständigkeit vermitteln. Unternehmens ist erfolgreich, wenn es besser als alle Alternativen die Pain Points des Kunden reduziert oder eliminiert. Google ist erfolgreich, weil es hilft, durchs Chaos des Internets zu navigieren. Schweizer Luxusuhren sind erfolgreich, weil sie in einer schnelllebigen Zeit Beständigkeit und Status vermitteln. Mobility ist erfolgreich, weil es Mobilität ermöglicht ohne die Verpflichtung, ein eigenes Auto anzuschaffen und zu unterhalten. Somit ist auch klar, dass Superior Marketing bei der Wertschöpfung nur möglich ist durch Superior Customer Insights, weshalb dieses Element im Zentrum steht.
Communicating Value: Wertvermittlung Das zweite Kernprinzip betrifft das Gestalten eines überzeugenden Nutzenversprechens (Superior Value Proposition). Man stellt immer wieder fest, dass Führungskräfte die Begriffe Brand und Value Proposition nicht unterscheiden und gelegentlich auch mit Strategie, Positionie-
rung und Wettbewerbsvorteil vermischen. Entscheidend für eine Superior Value P roposition sind die folgenden Elemente: (a) Der Kundennutzen steht im Vordergrund, nicht die Eigenschaften des eigenen Produktes, (b) der Kundennutzen wird nicht absolut definiert, sondern im Vergleich zur besten Alternative, die der Kunde hat; (c) wenn immer möglich wird diese Differenz quantitativ beziffert und (d) diese Differenz begründet. Hierzu ein Beispiel aus der Medizinaltechnik: «(a) Unsere Herzschrittmacher ermöglichen den Chirurgen eine Opera tion mit weniger Risiken und damit weniger möglichen Komplikationen, (b) im Vergleich zum Konkurrenzprodukt (c) von etwa 15 Prozent gemäss klinischen Stu dien, weil (d) unser neuartiges Material einen um 23 Prozent kleineren und 20 Prozent leichteren Herzschrittmacher erlaubt.» Entscheidend ist nun, dass die Value Proposition für die Chirurgen nicht dieselbe ist wie für den administrativen Spitalleiter. Diese sieht folgendermassen aus: «(a) Unsere Herzschrittmacher sind günstiger als die der Konkurrenz und wir nehmen ihnen die Lagerkosten und -risiken ab. (b) Im Unterschied zum Konkurrenzprodukt sind wir (c) 15 Prozent günstiger, weil wir (d) auf einen aufwändigen Verkaufsapparat verzichten und die Produkte nicht bei der Lieferung, sondern erst beim Einsatz verrechnen.» Damit wird der wesentliche Unterschied zwischen einem Brand und der Value Proposition deutlich. Die Brand Pro mise (Markenversprechen) muss generell gültig sein und langfristig in der Wahrnehmung verankert werden. Die Value Proposition hingegen muss konkret die aktuellen Bedürfnisse der diversen Kunden und Zielgruppen ansprechen. Auch beim zweiten Prinzip sind Superior Customer Insights deshalb entscheidend. Nur wenn die Kunden aus einer
ositiven Differenzierung einen höheren p Nutzen sehen, sind sie bereit, nicht beim billigsten Anbieter zu kaufen.
Capturing Value: Wertabschöpfung Superior Marketing heisst auch, dass das Unternehmen eine Preisprämie erzielt gegenüber dem tiefsten Preis im Markt. Diese Forderung provoziert bei Führungskräften häufig Widerspruch. Die Märkte seien sehr kompetitiv, die Kunden sehr mächtig und die Einkäufer mit ihren Procurement-Abteilungen erbarmungs lose Preisdrücker. Es sei deshalb illusorisch, eine Preisprämie erzielen zu wollen, so der Einwand. Tatsächlich ist es manchmal nicht möglich, die Preise zu erhöhen, doch das wird auch nicht unbedingt gefordert. Wenn zum Beispiel das Preisniveau im Markt sinkt, muss das Ziel darin liegen, die Preise weniger stark und weniger häufig senken zu müssen als die Konkurrenz. Auch wenn der Anteil der Preiskäufer in den meisten Märkten wächst, gibt es überall Kunden, die für eine bessere Qualität, höhere Lieferbereitschaft oder bes sere Beratung bereit sind, auf das billigste Angebot zu verzichten. In manchen Märkten ist die Preisdifferenz gering. Im Markt für chemische Lösungsmittel etwa verkauft der bekannteste Brand die Tonne für 1120 Euro. Die Konkurrenz kann nur 1100 Euro (plus 1,8 Prozent) verlangen. Bei einer Nettomarge von 5 Prozent bedeutet eine Preisdifferenz von 1,8 Prozent jedoch eine Gewinnsteigerung von 36 Prozent. Was man häufig beobachtet, ist der Teufelskreis der Kommodifizierung. Die Verkäufer hören von den Kunden dauernd, dass der Preis das einzige relevante Kaufkriterium ist. Diese Aussage wird unternehmensintern noch verstärkt, weil die Verkäufer einen verlorenen Auftrag viel eher mit einem zu hohen Preis erklären, als zugeben zu müssen, dass die Bedürfnisse der Kunden nicht richtig verstanden
wurden. Dadurch entsteht eine kollektive Wahrnehmung, bei der die Führungskräfte den Glauben an die eigene Value Proposition verlieren. Für Marktführer und Qualitätsanbieter ist eine Tiefpreisstrategie aber weder nachhaltig noch zwingend. Eine Value Proposition führt zu einer höheren Zahlungsbereitschaft beim Kunden, falls es dem Anbieter gelingt, den Kundennutzen aufzuzeigen und zu dokumentieren. Superior Marketing verlangt deshalb, dass die Mitarbeiter im Unternehmen fähig sind, diese Zahlungsbereitschaft in Verhandlungen und durch cle veres Pricing abzuschöpfen. Wobei auch hier die Customer Insights zentral sind. Stefan Michel, Professor für Marketing und Service Management, IMD International, Lausanne.
Konsequenz
Führungskräfte sind gefordert Ausgangslage Die «Core Principles of Superior Marketing» basieren auf drei Kernprinzipien, die sich gegenseitig ergänzen und bedingen. Wenn eine der drei Dimensionen nicht funktioniert, lässt sich mit den anderen zwei nicht mehr viel retten. Herausforderung Führungskräfte müssen bei der Umsetzung dafür sorgen, dass die richtigen Fähigkeiten in der Firma evaluiert, aufgebaut und gefördert werden. Deshalb sind die Mitarbeiter und mit ihnen die Unternehmenskultur entscheidende Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung der neuen «Core Principles of Superior Marketing».
News
GfM Breakfast mit GfK Switzerland Am Donnerstag, 15. November 2012, lädt die GfM in Kooperation mit GfK Switzerland zu einem lehrreichen Frühstück ins Hotel Park Hyatt Zürich. Der Titel des GfM Breakfast-Referats von 8 bis 10 Uhr lautet: «Retail & Channel Strategy: Der integrative 360-Grad-Ansatz zur Optimierung der Retail-Marketing-Effektivität.» Zum Thema sprechen: Ludovit Szabo, Ressortleiter Consumer Experiences und Mitglied der Geschäftsleitung von GfK Switzerland; Robert Wucher, Division Manager Technology und Head of Digital Marketing Intelligence Team von GfK SE Germany in Nürnberg; Thomas Fuchs,
Leiter Marktbereich Technology/Energy/ B2B von GfK Switzerland. Die Teilnahme ist kostenlos, auch für Nichtmitglieder.
GfM Brush-up mit Kjell Nordström Wie immer zu Beginn eines neuen Jahres veranstaltet die GfM einen Brush-up zum Jahresauftakt – diesmal mit dem schwedischen Managementguru und Marketingexperten Kjell Nordström. Er referiert zum Thema «Survival of the Sexiest» und präsentiert eine Reihe von provokanten Thesen zu den Konsumaussichten 2013. Zuerst macht er dies am Donnerstag, 17. Januar 2013, von 12 bis 13 Uhr an der Universität Bern, danach am Freitag,
18. Januar 2013, von 12 bis 13 Uhr an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ). Nach dem Vortrag von Kjell Nordström findet jeweils ein Networking-Apéro statt. Die Teilnahmegebühr inklusive Verpflegung beträgt 150 Franken für GfM-Mitglieder, 250 Franken für Nichtmitglieder.
23. GfM MarketingTrend-Tagung Am Mittwoch, 27. März 2013, findet die 23. GfM Marketing-Trend-Tagung statt. Die Jahreskonferenz von 9 bis 17 Uhr im Kongresshaus Zürich steht diesmal unter dem Motto: «Core Principles of Superior Marketing.» Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft werden anhand konkreter
Beispiele zeigen, wie sich die Welt der Vermarktung verändern wird, welche Trends relevante Auswirkungen auf das Marketing haben und wie sich Unternehmen erfolgreich in diesem Umfeld positio nieren können. Es treten unter anderem auf: Stefan Michel, Marketingprofessor am IMD; Monika Walser, Geschäftsführerin von Freitag; David Bosshart, Chef des GDI; Jez Frampton, Konzernchef Interbrand; Adrian Pfenniger, Verwaltungsratspräsident von Trisa; Jeannine Pilloud, Leiterin Personenverkehr der SBB; Rolf Dobelli, Schriftsteller und Unternehmer. Die Teilnahmegebühr inklusive Verpflegung beträgt 690 Franken für GfM-Mitglieder, 890 Franken für Nichtmitglieder. Inbegriffen sind Tagungsdokumentation, Pausenerfrischungen, Mittagessen und Getränke dazu sowie Networking-Apéro.
Neue Mitglieder der GfM im 2012 Die Gesellschaft für Marketing (GfM) hat dieses Jahr die Zahl ihrer Firmenmitglieder auf unterdessen über 730 gesteigert. Neu dazu gestossen sind unter anderem folgende Unternehmen beziehungsweise Organisationen: ABB Technikerschule, Adecco, Bain & Company, De Sede, Elvetino, Hocoma, Homegate, Hotelplan Suisse, Hotel Seedamm Plaza, HTW Chur, Kalaidos Fachhochschule, Kultur- und Kongresszentrum Trafo, Matterhorn Gotthard Bahn, Mediaschneider, Puma Schweiz, Ringier Print, SAS Institute, Swisscard AECS, The Boston Consulting Group, Volvo Schweiz oder World Vision.
Marketing | 57
handelszeitung | Nr. 44 | 1. November 2012
«Das Wichtige im Fokus halten» wollen wir die zentralen Faktoren des erfolgreichen Marketings im Fokus halten, nämlich das Wichtige. Oft werden unsere Mitglieder dieser Tage vom Dringlichen abgelenkt und laufen Gefahr, das Wichtige zu vergessen.
Interview: Norman C. Bandi
Wie lauten die «Core Principles of Superior Marketing» und für was stehen sie? Moser: Der Ausgangspunkt ist, wie immer im Marketing, der Kunde. Das erste und oberste Kernprinzip ist deshalb, mit den Produkten und Dienstleistungen einen einzigartigen Mehrwert für den Kunden
Das Jahr 2013 steht bei der GfM unter dem Motto «Core Principles of Superior Marketing». Was ist damit gemeint – Kern aufgaben der überlegenen Vermarktung? Ulrich H. Moser: Für unser Jahresmotto wählen wir immer bewusst ein konzeptionelles Thema. Unsere primäre Zielgruppe sind C-Level-Führungskräfte, etwa Chief Executive Officers, die vor allem auch für die strategischen Marketingherausforderungen verantwortlich sind. Entschuldigen Sie bitte, aber warum muss das so hochtrabend daherkommen? Moser: Das Motto setzt klare Prioritäten, das heisst, wir fokussieren uns auf die Kernaufgaben und die Kernprinzipien des Marketings. Gleichzeitig soll das Motto auch erfolgreiche Lösungen fürs Marketing aufzeigen, deshalb reden wir von Superior Marketing. Wir verstehen Supe rior auch im Sinne von Best Practice oder Next Practice. Weshalb ist es für Firmen wieder wichtig, sich auf Kernaufgaben zu fokussieren? Moser: Gerade in unsicheren Zeiten muss das Marketing sicherstellen, dass es im Zentrum des unternehmerischen Gedankengutes bleibt. Mit einem klaren Bekenntnis zu den Kernprinzipien des Marketings anzeige
der mensch Name: Ulrich H. Moser Funktion: Präsident GfM (seit 2007); mehrere Verwaltungsratsmandate, etwa Hug, Radio Sunshine, Rivella Alter: 56 Wohnort: Zug Ausbildung: Ökonom HWV (FH), AMP Harvard Die Organisation Die 1941 gegründete Gesellschaft für Marketing (GfM) ist die Plattform für marktorientierte Unternehmensführung der Schweiz.
zu schaffen. Eine wirksame Kommunika tion dieses Mehrwerts bei den ausgewählten Zielgruppen ist das zweite Kernprinzip. Als drittes Kernprinzip – ganz im Sinne der marktorientierten Unternehmensführung – muss für diesen aus Sicht der Kunden geschaffenen Mehrwert gleichzeitig eine Prämie für das Unternehmen erwirtschaftet werden. Wert schaffen und vermitteln, um mehr zu verdienen – ist das nicht zu simpel? Moser: Die Kernprinzipien klingen viel leicht etwas banal oder auch einfach. Diese im Arbeitsalltag erfolgreich anzuwenden, ist jedoch sehr schwer und alles andere als einfach. Wenn es den Marketingverantwortlichen gelingt, diese wenigen, aber wichtigen Kernprinzipien besser zu befolgen als ihre Mitbewerber, dann werden sie bei den Kunden Erfolg haben und vom Markt belohnt werden. Das Jahr 2012 stand bei der GfM unter dem Motto «The Future of Marketing». Wie gut ist Ihnen und Ihren mehr als 730 Firmenmitgliedern der Sprung in die Zukunft der Vermarktung geglückt? Moser: Die Schweizer Wirtschaft – die GfMMitgliederfirmen stellen einen repräsentativen Querschnitt unserer Wirtschaft dar – hat sich gegen den Trend einer eher verhaltenen Entwicklung in den meisten westlichen Industrieländern auch 2012 als sehr robust gezeigt. Wirksames Marketing ist ein entscheidender Faktor für diesen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg. Unsere Mitglieder haben die relevanten V eränderungen rechtzeitig erkannt und gezielt darauf reagiert.
Sigg-Bottle: Die Haushaltwarenfirma wurde 1908 in Biel gegründet – heute fokussiert das Frauenfelder KMU auf wiederverwendbare Alu-Trinkflaschen.
Bruno Arnold
Ulrich H. Moser Der Präsident der Gesellschaft für Marketing (GfM) über die Kernprinzipien der überlegenen Vermarktung.
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handelszeitung | Nr. 44 | 1. November 2012
Models und Motoren
Positionierung Mercedes-Benz setzt auf globale Mode-Events von New York über Paris bis Peking – neu als Titelsponsor der Fashion Days Zurich 2012. Denise Weisflog
Via Fashion an die Frauen Dies sei kein billiger Versuch, sexy zu wirken. «Mode und Automobil sind sich ähnlicher, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Eleganz, Innovation und das Streben nach Perfektion sind zentrale Gemeinsamkeiten. Design und Image bestimmen beide Welten und gehören somit zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren von Automobil- und Mode-Marken», sagt Grütter. Dies gelte insbesondere für Mercedes-Benz.
Schraubenzieher: Zwar keine Schweizer Erfindung – aber dank Innovation und Qualität von PB Swiss Tools fast so gut wie.
Bruno Arnold
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ie Kombination von schönen Frauen und schnittigen Fahrzeugen ist ein Relikt der chauvinistischen 1960er-Jahre. Nicht nur an globalen Autosalons, auch auf den internationalen Catwalks teilen sich Models und Motoren immer häufiger das Rampenlicht. So engagiert sich die Marke MercedesBenz beispielsweise bereits seit Jahren im Fashion-Bereich. Vom 7. bis 10. November 2012 präsentiert sie sich erstmals als Titelsponsor der Mercedes-Benz Fashion Days Zurich. Donatus Grütter, Leiter Corporate Communications von MercedesBenz Schweiz, erklärt: «Das Mode-Engagement ist zentraler Bestandteil unseres Lifestyle-Marketings in der Schweiz. Auch international gehört der Fashion-Bereich zu den Hauptpfeilern der Lifestyle-Kommunikation von Mercedes-Benz. Mit dem Titelsponsoring möchten wir unser Commitment zur Welt der Mode auch auf natio naler Ebene unterstreichen.»
reiches Beispiel an das internationale Engagement anknüpfen.» Global setzt sich Mercedes-Benz in über 30 Ländern für Veranstaltungen in der Mode-Branche ein. Unter anderem als Titelsponsor der wichtigsten Ereignisse der Welt: Der Mercedes-Benz Fashion Weeks in New York, Berlin, Miami oder Peking sowie als wichtiger Sponsor der Modewochen in Paris, London und Mailand. Dabei arbeitet Mercedes Benz mit IMG zusammen, einer globalen Agentur für Sport, Entertainment und Media. Laut Grütter wird sich Mercedes-Benz auch in der Zukunft an Schweizer ModeEvents engagieren. Für 2013 steht neben den Mercedes-Benz Fashion Days Zurich auch die NRJ Fashion Night in Zürich auf dem Programm, an der Mercedes-Benz als Presenting-Sponsor auftreten wird.
Unternehmen Durch die internationale Verpflichtung schen Designerin Charlotte Ronson, die inin der Mode sei es Mercedes-Benz gelun- ternationalen Designer Arzu Kaprol aus gen, neue sowie jüngere Zielgruppen und Istanbul, Barbara Bui aus Paris, Dawid Tomaszewski aus Berlin oder vor allem Frauen für die FasMarco de Vincenzo und Maszination der Marke zu gewinAuf die Fashion simo Giorgetti aus Mailand. nen. «Der Erfolg des EngageDays Zurich Musikalisch wird die Merce ments widerspiegelt sich undes-Benz Opening Night am ter anderem in den Kooperafolgt 2013 die 7. November 2012 von der tionen mit grossen Akteuren NRJ Fashion Bieler Band Pegasus und die in der Modebranche wie beiNight in Zürich. International Closing Night spielsweise den Fashion-Maam 10. November 2012 von gazinen ‹Vogue› und ‹Elle› oder dem amerikanischen Mode-Desig- der britischen Sängerin Kyla La Grange begleitet. ner Michael Kors», sagt Grütter. An den Mercedes-Benz Fashion Days Zum ersten Mal seit der Premiere vor Zurich wird die Marke die neue A-Klasse zwei Jahren sind die Fashion Days Zurich vorstellen sowie im Bereich Design den CLS nicht mehr als Veranstaltung an einem Shooting Brake und im Bereich Desire das festen Standort konzipiert, sondern besteConcept Style Coupé präsentieren. Zu den hen aus einem Mode-Event mit vielen Seimodischen Highlights gehören die Kollekti- tenveranstaltungen, die auf das ganze on Frühling/Sommer 2013 der amerikani- Stadtgebiet verteilt und für jeden Interes-
sierten zugänglich sind. Die neue HauptLocation für die Runway-Shows ist der Zürcher Schiffbau.
Mode-Events in 30 Ländern Bereits während der letzten zwei Jahre trat Mercedes-Benz an den Fashion Days Zurich als Partner auf. Das Titelsponsoring lag damals noch bei Vögele. Ist es nicht problematisch, auf eine Veranstaltung zu setzen, der ein gewisses BilligImage anhaftet? «Es wäre nicht angemessen, die Vergangenheit des Titelspon sorings von Vögele aus unserer Sicht zu kommentieren oder zu werten», meint Donatus Grütter. «Unser Engagement hat sich auf der weltweiten Mode-Bühne mit den renommierten Fashion Weeks bereits bestens etabliert. Wir sind überzeugt, dass die Fashion Days in Zürich als weiteres erfolg-
Daimlers Marken bekannt machen Mercedes-Benz Schweiz Die hiesige Firma ist eine Tochtergesellschaft der Daimler-Gruppe mit Hauptsitz in Stuttgart. Als Vertriebs- und Marketinggesellschaft engagiert sich Mercedes-Benz Schweiz für die Marken Mercedes-Benz, Maybach und Smart bei den Personenwagen sowie die Marken Mercedes-Benz und Fuso bei den Nutzfahrzeugen. Der Schweizer Ableger koordiniert mit gegen 400 Angestellten die Vertriebs-, Marketing-, Service- und Presseaktivitäten sowie die Schulungen und Ausbildungen der Mitarbeiter des Handels in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein.
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GfM Marketingpreisträger 2012 Die Schweizerische Gesellschaft für M arketing GfM gratuliert
zum Gewinn des GfM-Marketingpreises 2012.
Firmengründer Daniel (links) und Markus Freitag; Monika Walser, CEO Freitag lab ag.
Schweizerische Gesellschaft für Marketing, Löwenstrasse 55, 8001 Zürich, Telefon: +41 44 202 34 25, E-Mail: info@gfm.ch, www.gfm.ch
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Die Maschinerie der Bestätigung Christian Belz
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esonders Fachleute neigen dazu, sich gegenseitig zu bestätigen. Das ist menschlich. Bestätigung wirkt produktiv. Sie beruht auf der Übereinstim mung von Beteiligten. Sie selektioniert Phänomene aus der komplexen Wirklich keit und verstärkt die Anstrengungen in eine Richtung. Kontraproduktiv wirkt Bestätigung erst dann, wenn sie sich auf vermeintliche Gesetzmässigkeiten richtet, wenn sie verzerrt und verhindert, die Realität offen zu betrachten. Selbst wenn sie einseitige Interessen fördert. Die These: Verbreitete Marketing er kenntnisse verbauen wirksame Lösungen, weil in den Augen der Spezialisten nicht sein kann, was nicht sein darf. Die gleich förmige Aus- und Weiterbildung der Mar ketingabsolventen an Universitäten und Fachhochschulen hat dazu wesentlich beigetragen.
Im Marketing offenbar alles wichtiger Marketing ist inzwischen alles andere als eine homogene Disziplin. Das Sor timent von Ansätzen wuchert und reicht von Biomarketing, Jugendmarketing, Solu tion Provider, Value Pricing, Marken führung, Customer Relationship Manage ment (CRM), Social Media bis Events. Wir unterscheiden inzwischen rund 150 rele vante Ansätze. Während wir früher veri table Marketingverantwortliche antrafen, diskutieren inzwischen die Spezialisten unter sich. So bilden beispielsweise die Anhänger von Kursen zu Marken, Spon soring, Events, Customer Relationship Management (CRM), Direct Marketing oder E-Marketing oder Social Media je weils eigene Gemeinschaften. Sie treffen sich an Fachtagungen und feiern ihre Dis ziplin. Seltsamerweise gelingt es jedem Bereich, immer wieder mit Charts zu bele gen, dass die Bedeutung ihres Fachgebiets wächst, und sie weisen jeweils auch den direkten Zusammenhang zum Erfolg von Unternehmen nach. Besucher mehrerer Tagungen sind irri tiert; irgendwie gewinnen sie das Gefühl, sich jeweils in einem anderen Film zu bewegen. Alles wird offenbar wichtiger und mündet in einen Kampf der Diszipli nen und Spezialisten. Ebenfalls innerhalb von Unternehmen brauchen besondere Marketingabteilungen inzwischen viel Kraft, um sich intern zu behaupten und laufend zu belegen, wie wichtig sie sind. anzeige
Das Phänomen betrifft die Spezialisten parallelen Kaufprozessen der Kunden in der Praxis sowie der Forschung und ist funktioniert die Inszenierung meistens auch geprägt durch die handfesten Inter nicht. Der Kunde durchläuft oft 20 bis 50 essen der Dienstleister im Marketing. Zwischenschritte, um zu kaufen. Es ist Während aber Marketingforscher beson eine Illusion zu glauben, dass ein nettes ders in ihren Lehrbüchern leicht ganz Bildchen mit fröhlichen Alten dazu führt, unterschiedliche Perspektiven addieren, dass die Betrachter sich bewegen und müssen Unternehmen entscheiden, wofür beispielsweise ihre Altersvorsorge grund sätzlich neu regeln. Die Prozesse werden sie ihre Marketinggelder ausgeben. Verbreitet ist beispielsweise die Sicht heute immer länger und sie werden häufig weise zur Kraft von Marken, Emotionen, unterbrochen. Kaufprozesse fliessen und sind durch zahlreiche situa Bildern, Ästhetik und Positi tive Gelegenheiten geprägt. onierungen. Die Grundan Gute Gefühle Hier setzt ein Marketing nahme: Positive sowie ein und Gedanken an, das reale Kundenpro zigartige Gedanken und Ge zesse erfasst und wichtige fühle des Kunden zu Unter allein führen Zwischenschritte von Ab nehmen oder Leistungen nicht mehr zum bruch oder Weiterführung mobilisieren auch das Unter Produktkauf. identifiziert. Ein Marketing, bewusste des Kunden und das die Muster der Kunden führen schliesslich zum Kauf, dem automatischen Griff zum richti handlungen aus dem analytischen Custo gen Produkt am Regal, zum Bestell-Button mer Relationship Management (CRM) ab im Internet oder zur Wahl des Lieferanten. leitet. Ein Marketing, das den Kunden han Kurz: Die Gedanken, Gefühle und Identi deln lässt und schrittweise zum Kauf führt. fikationen führen zu Kaufhandlungen. Das mag vor allem für soziale Produkte Ein Marketing, das sich nahe am Kunden teilweise stimmen, etwa für Luxusartikel bewegt und beim Kunden präsent ist und oder sehr modische Produkte. Ebenfalls nicht abhebt. Naheliegend sind Instru hier werden jedoch die Kundenhandlun mente wie persönlicher Verkauf, Direct gen und der Prozess wichtiger, seit sich Marketing, Telefonmarketing, Social selbst Anbieter von Tiernahrung inszenie Media und Internet. Nicht die Instrumente ren oder Billiganbieter die globalen Be sind aber entscheidend, denn auch Me rühmtheiten einsetzen, um den Glamour dienkampagnen lassen sich auf Kunden handlungen orientieren. Demgegenüber zu besetzen. Es wird schwieriger, so einzigartig und unterhält ein YouTube-Filmchen oft die begehrenswert zu sein, dass sich Kunden Masse, bewegt sich aber nur in der auch bewegen. Gute Gedanken und Ge Gedankenwelt des Kunden und unterhält, fühle, Absichten oder angegebene Präfe entspricht also dem klassischen Marken renzen in den Marktforschungen führen verständnis. längst nicht mehr zum Kauf – selbst wenn ein Bild vom Menschen positiv ist, wenn Chefs brauchen Lizenz zum Zweifeln Das klassische Markenverständnis ver er handelt, wie er denkt. Jede Kundenhandlung prägt zudem die baut viele Wege zum wirksamen Marke Markenstärke und -dynamik weit mehr als ting. Das war aber nur ein Beispiel. Das die Gedanken des Kunden. So beruhen Gegenteil von dem, was sich Marketing starke Marken wie Google oder Amazon experten gegenseitig bestätigen, kann oft auf den Klicks im Internet, nicht auf Werbe richtig sein. Führungskräfte müssen ihren eigenen kampagnen. Das iPhone stützt sich auf das konkrete Erlebnis des Kunden, wenn Weg finden, mit Augenmass und gesun er das Gerät in der Hand hält und bedient, dem Menschenverstand vorgehen. Dazu kaum auf die Schattenwerbung von Apple. brauchen sie die Lizenz zum Zweifeln. Die Damit wird die Beziehung von Ursache Chefs und Forscher, die offenbar wissen, und Wirkung umgekehrt. Kundenhand wie es läuft, sind suspekt. lungen machen die Marke stark und nicht die Markenkampagnen bewirken Kunden Christian Belz, Geschäftsführer, Institut für handlungen. Obschon es natürlich auch Marketing (IfM-HSG), Ordinarius für Marketing, Universität St.Gallen, St. Gallen; Buch: «Marketing ein Wechselspiel gibt. Im Gerangel der Märkte mit Informa gegen den Strom» von Christian Belz, Schäffer- tionsflut, zahllosen Angeboten und vielen Poeschel, 2. Auflage 2012, 172 Seiten, 54 Franken.
Bruno Arnold
Vermarktung Kundenhandlungen machen eine Marke stark und nicht Kampagnen bewirken Kundenhandlungen. Obschon es ein Wechselspiel gibt, ist die Wirkung des Images heute fraglich.
Sparschäler: Die Urform, Modell Rex, wurde 1947 von Alfred Neweczerzal in der Schweiz erfunden – er hat auch die Vertriebsfirma Zena begründet.
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Digitale Dornröschen Soziale Medien Für zwei Drittel der Unternehmen zählen die neuen Kanäle zur Praxis. Trotzdem werden sie erst zurückhaltend genutzt. Alice Baumann
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Aromat: Das 1953 erfundene Produkt von Knorr ist heute ein Synonym für Streuwürze – auch wenn es seit 1954 hierzulande Fondor von Maggi gibt.
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Bruno Arnold
ocial Media: Dieser Begriff hat die Welt des Marketings auf den Kopf gestellt. Er eliminiert den Zwischen handel. Dadurch erhalten Firmen eine direkte Beziehung zu Kunden, Lieferanten sowie Partnern. Dies erfordert ein Um denken der Marketingverantwortlichen. Die Initiativen unter ihnen profitieren von den neuen Möglichkeiten und nutzen die neuen Kommunikationskanäle für den Dialog. Gleichzeitig erkennen sie die Her ausforderungen und wissen um die Repu tationsrisiken der Sozialen Medien. Laut einer Studie versteht weniger als ein Drittel der befragten Führungskräfte, warum Social Media wichtig sind für das Unternehmen. Dennoch lohnt sich eine Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der befragten 2000 Marketingexperten in Europa. Federführend war das britische Chartered Institute of Marketing (CIM), mit rund 20000 Mitgliedern die weltweit grösste Marketing Community. Sie führt seit zwei Jahren die «Social Media Bench mark» durch. Seit 2012 ist die Schweizeri sche Gesellschaft für Marketing (GfM) ihr internationaler Forschungspartner.
Aktive Eigennutzung ist Bedingung Das CIM und die GfM haben unter den befragten Marketingverantwortlichen recht hohe Nutzerzahlen eruiert. Auf die Frage «Welche Plattformen haben Sie letzte Woche mindestens einmal besucht?» re sultierte: Twitter 82 Prozent, Facebook 73
Prozent, Xing/LinkedIn 73 Prozent, You den Firmen ebenfalls als wichtig erachtet. Tube 59 Prozent, Unternehmens-Blogs Alle anderen digitalen Kommunikations 47 Prozent, professionelle Online-Foren kanäle, inklusive Google+, wurden zum Zeitpunkt der Studie nur wenig genutzt. 43 Prozent, Google+ 25 Prozent. Der Erfolg von Social-Media-Aktivitäten Erstaunlicherweise sind Social Media in Firmen ist eng mit den dafür verantwort bei den meisten befragten Unternehmen lichen Personen und Abteilungen ver kein integraler Teil der Marketingstrategie. knüpft. «Social people make social compa Die Firmen agieren eher taktisch. Sie wol nies» ist eine Erkenntnis von DanielRowles, len ihre Beziehung zu den Kunden nicht einem führenden Digital-Mar verlieren und von der Kon keting-Trainer und -Berater. kurrenz nicht überholt Ein Viertel der Kein Wunder, unterhalten neun werden. Deshalb nutzen Marketeers hat von zehn Marketingverantwort sie die Sozialen Medien lichen ein persönliches Xing/ noch nie Onlinenur zur Unterstützung be LinkedIn-Account. Sie sind sich Diskussionen zur stehender Marketingakti offensichtlich bewusst, dass vitäten und entwickeln kei Firma verfolgt. ne neue Handlungsweise. nur eine aktive Eigennutzung Diese Haltung entspricht der verschiedenen Plattformen dazu befähigt, ein Unternehmen durch die nicht dem Hauptgrund, weshalb ein Un ternehmen in die Social Media investieren Welt des Web 2.0 zu führen. Die befragten Marketeers besuchen die sollte. Denn es handelt sich nicht um tech wichtigsten Kanäle nicht nur regelmässig. nische Tools, sondern um eine Kommuni Sie pflegen ihre digitale Präsenz gewissen kationsform auf Augenhöhe zwischen den haft. Allerdings fällt der selektive Umgang Organisationen und ihren Stakeholdern. mit Kontakten auf: Zwei Drittel unterhal ten weniger als 200 aktive Kontakte auf ih Wer verantwortet Soziale Medien? Der klassische Streitpunkt dreht sich ren Xing/LinkedIn-Profilen. Bei einem Fünftel sind es sogar weniger als 50. Er darum, wer dafür verantwortlich ist und staunlich passiv zeigen sich die Marke die finanziellen sowie personellen Res tingfachleute bei der Analyse der eigenen sourcen bereitstellen muss. Gemäss der Unternehmens- und Produktemarken. «Social Media Benchmark» sind die soge Ein Viertel davon hat noch nie eine On nannten Digital Champions in der Regel line-Diskussion, einen Blog, ein Forum im Marketing angesiedelt. Sie bestimmen oder eine andere digitale Kommunikation zu 70 Prozent die Inhalte sowie den Kurs über ihre Firma, Marke oder ihr Produkt der Firma im Web 2.0. In 7 Prozent der verfolgt. Fast 40 Prozent haben noch nie Fälleist gar nicht geregelt, wer sich darum mitdiskutiert. «In diesem Bereich besteht kümmert. Die Frage sei daher erlaubt: grosser Nachholbedarf», so Jean-Marc Sind die Sozialen Medien in den Köpfen des Top-Managements angekommen? Grand, GfM-Geschäftsführer. Die Studienergebnisse lassen ein Nein Bei allen Antworten stellte sich heraus, dass Twitter, Facebook, Xing/LinkedIn vermuten. Denn wer nicht zuhört oder die und YouTube nicht nur bei Privatperso neuen Kanäle sogar ignoriert, hat nicht nen beliebt sind. Sie gelten auch als die begriffen, wie sich Erfolg vorbereiten lässt. vier mächtigsten Social-Media-Plattfor men für Unternehmen. Blogs werden von www.gfm.ch/de/forschung/forschungsreihe
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Bruno Arnold
handelszeitung | Nr. 44 | 1. November 2012
PostPac: Die genormten Pakete der Schweizerischen Post dürften so alt sein wie sie selbst – die einstige PTT wurde am 1. Januar 1849 zum Transport von Briefen, Paketen, Personen und Geldsendungen geschaffen.
Von der Basis bis zum Chef
Promotorenüberhang Holcim ist einer der ersten Grossbetriebe im Industriebereich, die den Net Promoter Score (NPS) durchgesetzt haben. Mélanie Knüsel-Rietmann
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inen Kunden bei der Stange zu hal ten, ist viel billiger, als einen neuen zu gewinnen. Dieser Leitsatz gilt auch für Christian Birck, der beim Schwei zer Zementkonzern Holcim weltweit für Marketing sowie Verkauf verantwortlich ist – und damit auch für das Management der Kundenzufriedenheit. Er hat in seiner langjährigen Tätigkeit als Partner bei Wolff Olins, einer der global führenden Markenberatungsfirmen, mit so bekannten Klienten wie Visa, Master card, Lufthansa, PricewaterhouseCoopers und General Electric (GE) zusammenge arbeitet. Jack Welch, ehemaliger Konzern chef von GE, hat den Schlüsselsatz für den Net Promoter Score, kurz NPS (Promoto renüberhang) – so wird heute die systema tische und wissenschaftliche Erforschung der Kundenloyalität genannt. «Es gibt nur zwei Quellen für einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz: Ein rasches Erfassen der Bedürfnisse des Kunden und die Geschick lichkeit, diese Erkenntnisse schneller als die Mitbewerber umzusetzen.» Christian Birck räumt ein, dass er 2006 am Start als Verantwortlicher für das Füh len des Pulses der Kunden bei Holcim mit seinem Team und ein paar Länderverant wortlichen quasi «allein auf weiter Flur» war, als es um NPS ging. Das sei eher ein «nice to have», hiess es. Harte finanzielle Grundlagen dafür zu erarbeiten, wäre schwierig. Nicht ganz zu Unrecht, denn das Befinden des Kunden basiert auf emo tionalen wie kognitiven Elementen. Doch Birck liess nicht locker und konnte von sei ner langjährigen Erfahrung bei Wolff Olins
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profitieren. Ein Kunde, der bereits im Boot und zufrieden ist, kostet letztlich bis zu sechsmal weniger Marketingaufwand als einer, den man zuerst gewinnen muss. Birck verwendet dafür eine eingängige, global erprobte Formel. Sie nennt sich «The rule of 10s». Man geht davon aus, dass es rund 10 000 Dollar kostet, um einen neuen Kunden zu gewinnen, aber zehn Sekunden, um einen zu verlieren.
Differenziertes Loyalitätsmanagement Mit dem NPS kann die Beziehung zwi schen Kunden und Lieferanten verbessert werden. Vereinfacht ausgedrückt, gibt es eigentlich nur drei Kategorien von Kun den, wenn wir die potenziellen, noch zu gewinnenden weglassen: Derjenige, für den die Leistung des Lieferanten von Waren oder Dienstleistungen die Erwar tungen übertrifft. Er ist begeistert. Dahin ter folgt der Kunde, bei dem Leistung und Erwartungen im Einklang stehen. Er ist zufrieden. Aber das genügt nicht für eine nachhaltige Bindung, weil hier die Chance von Konkurrenten mit besseren Angebo ten zum Trüben dieser Beziehung gross ist. Schliesslich noch der Unzufriedene. Er empfindet ein Ungleichgewicht zwischen versprochener und gelieferter Leistung. Die Aussage von Birck ist eindeutig: Es gilt, diese beschriebenen Kategorien im Auge zu behalten, mit systematischen Umfra gen zu erfassen und es nicht dabei bewen den zu lassen, sondern aktiv zu werden. In dieses System mit dem Ziel, die Kun denloyalität zu verbessern, müssen laut Birck alle Stufen einbezogen werden, die im gesamten Betrieb direkt oder indirekt mit dem Endverbraucher von Ware oder
fragungen zu Brand Equity sowie Image durch Nielsen durchgeführt und damit eine neutrale Grundlage in mehr als 50 Märkten mit 45 000 Kunden gelegt. Das erlaubte Vergleichswerte der NPS aller Mitbewerber und das Ergreifen strategi scher Initiativen, um sich bei den Haupt treibern der Kundenloyalität in jedem Markt spezifisch optimal zu positionieren. Im Gegensatz zum üblichen Erforschen des Lobens oder Tadelns, wie er von Airlines oder Hotels via 08/15-Formularen gemacht wird, liessen es Birck und sein Team nicht dabei bewenden. Zusätzlich zur klassischen Marktforschung durch Dritte setzt Holcim immer mehr auf die Einbindung ihrer Kun den, im Englischen auch als «Es braucht drei «closing the loop» bekannt. loyale Kunden, um Hier geht es darum, jeden einen negativen zu Kunden direkt zu befragen, kurz und fokussiert, um den neutralisieren.» NPS zum integrativen Be Christian Birck standteil des Beziehungs Leiter Marketing und Verkauf, managements zu machen. Holcim, Holderbank AG «Kunden, die uns Zeit wid men, um darzulegen, wo sie am eigenen Leib erfahren hat. «Es braucht der Schuh drückt, verdienen es, dass man drei loyale Kunden, um einen negativen sie sofort kontaktiert», lautet ein Kernpunkt seiner Strategie. «Sofort» heisst für ihn zu neutralisieren», sagt Birck. innert 24 bis 48 Stunden. Die eingeholten Feedbacks innert 48 Stunden erwidern Auskünfte werden nicht irgendwo «ad acta» Wie ist Birck unter den anfänglich nicht gelegt, sondern gleich intern für die ent leichten Bedingungen vorgegangen, einen sprechenden Funktionsträger aufbereitet. Grossbetrieb für den Net Promoter Score «Es gilt auch, mit negativen Urteilen umzu zu gewinnen? Er hat erreicht, dass Holcim gehen. Jeder Kunde, der uns Feedback gibt, als erster grosser Industriekonzern dieses ist im Prinzip loyal, denn er investiert Zeit Marketinginstrument einsetzte. Zunächst in unsere Beziehung. Sogar kein Feedback wurde der NPS zusätzlich als Teil von sagt etwas aus, dem man nachgehen muss», gross angelegten periodischen Marktbe sagt Christian Birck. Dienstleistungen eingebunden sind. Dazu gehören etwa die Mitarbeiter an der Front, aber auch die Marketingverantwortlichen, die Chefs der Geschäftseinheiten, die Serviceleute, die Produk tion und der Konzernchef. Sie alle müssen die Kunden zufriedenheit als Eckpfeiler einer markt orientierten Unternehmensführung ver stehen und begreifen, sodass ein unzu friedener Kunde für den Gesamterfolg der Firma eine Gefahr darstellt. Er macht seinem Ärger öfters Luft als jene, welche zufrieden sind. Das sind Ergebnisse, die durch Studien belegt sind und jeder schon
Schliesslich erwähnt der Marketing leiter eine weitere Pioniertat: Die Verwen dung von NPS für die Pulsnahme der Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Holcim hat die Zahlen des internen NPS, also die Mitarbeiterloyalität, mit denen der Kun den verbunden: «In Ländern, wo dieser Grad hoch ist, hat dies einen doppelten Effekt auf die Kundenloyalität.» Klar doch: Unzufriedene Angestellte, Aussendienst mitarbeiter und generell Frontleute ohne Pep sind keine Visitenkarte für ein Unter nehmen. So gesehen schlägt man mit der Anwendung von NPS mehrere Fliegen auf einen Schlag. Im Endeffekt resultiert ein Gewinn für alle – zufrieden Kunden laufen nicht so schnell zur Konkurrenz.
Unternehmen
In 100 Jahren zum Konzern Holcim Die Gründung eines der drei weltweit grössten Zementkonzerne der Gegenwart geht auf 1912 zurück. Der Kunstname Holcim ist aber viel jünger. 2001 wurde das ursprüng liche Logo Holderbank ersetzt. Mit gutem Grund: Im Ausland wurde es oft für ein Finanzinstitut gehalten. Heute beschäftigt Holcim mehr als 80 000 Personen und ist in 70 Ländern aktiv. 2011 setzte die Gruppe mit Hauptsitz in Zürich 21,65 Milliarden Franken (plus 2,5 Prozent) um.
62 | Marketing
handelszeitung | Nr. 44 | 1. November 2012
Navigationshilfe im Datenmeer Mediaplanung Der webbasierte «mediacompass» bietet neue Funktionen für die Analyse und Visualisierung der medialen Nutzung von Zielgruppen. Billy Rubin
Gleiche Nutzungswerte für alle Medien Total werden 3300 Personen zwischen 15 und 74 Jahren während 14 Tagen über ihr Konsumverhalten und ihre Medien nutzung vom Vortag befragt. Die Unter suchung liefert detaillierte Aussagen zu einerGrundgesamtheit von 3,33 Millio nen Personen in der Deutschschweiz (83 Prozent der 15- bis 74-jährigen) und von 1,07 Millionen Personen in der Romandie (82 Prozent der 15- bis 74-jährigen). Abge fragt werden 32 Fernseh- und 61 Radio sender, 39 Tages- und 7 Sonntagszeitun gen, 3 Gratis- und 28 Wochenzeitungen, 46 Zeitschriften, 7 Finanztitel, 69 Websites sowie der Teletext von 32 Sendern. Ermit telt werden die Werte «Durchschnittliche anzeige
Computermaus: 1985 erfand die Schweizer Firma Logitech die Drei-Tasten-Kugelmaus für den PC – heute sucht sie mit allerlei anderen technischen Gadgets ihr Glück.
Nutzer Gestern» (DNG) und «Durch schnittliche Nutzer pro Ausgabe» (DNA). «Die Erinnerung an die Nutzung ges tern entspricht stärker einer realen Mes sung als die Erinnerung an einen weiter zurückliegenden Zeitpunkt», sagt Roland Kopf, Leiter Research bei Publisuisse. Weil alle Befragten während 14 Tagen täglich interviewt wurden, konnte ebenfalls der grösste Teil der Zeitschriftenlandschaft abgedeckt werden. «Die hohe Datentiefe erlaubt die Analyse der Medien im Tagesund Wochenverlauf sowie die Planung bis auf Genre-Ebene», ergänzt Kopf. Bettina Hofmann, Ressortleiterin Me dia bei der für die Studie verantwortlichen GfK Switzerland, unterstreicht die Bedeu tung der Single-Source-Befragung. «Dank der einheitlichen Befragungsmethodik für alle relevanten Mediengattungen kann
das intermediale Verhalten detailliert ver glichen werden. Die Medienkonsumstu die ist dadurch einzigartig und erlaubt wirklich neue und vertiefende Einblicke in die Mediennutzung.» Fachleute äussern sich positiv über den neuen «mediacompass». «Er bietet eine Fülle gut strukturierter Informationen und führt dank der explorativen Arbeitsweise sehr schnell zu Insights», sagt etwa Peter Schaefer, Präsident der Account Planning Group Switzerland (APGS) und Planning Director bei der Agentur Euro RSCG. Das Tool von Publisuisse sei im Vergleich zu anderen Planungshilfen «viel benutzer freundlicher» und intuitiv bedienbar. «Sein grösstes Plus ist aber, dass man sehr schnell einen Kommunikationsmix in mehreren Varianten für Kunden zusam menstellen und visualisieren kann.»
Seit diesem Frühling setzt auch Swiss milk auf den «mediacompass». Dadurch kann die Organisation der Schweizer Milchproduzenten (SMP) ihre Zielgruppe besser im täglichen Leben begleiten. «Das Tool ermöglicht uns neue Ansätze», sagt Michael Richner, Projektleiter Media bei SMP. «Es ist extrem praktisch für die Pla nung, da es sehr genaue Daten liefert.» Und durch diese neuen Möglichkeiten komme man der Zielgruppe näher.
Der Individualisierung gerecht werden Der Ansatz des Planungstools sei sehr psychologisch. «Wir können den Kunden damit in seinem Alltag begleiten, da wir sein Verhalten sehr genau kennen», sagt Richner. So sei es möglich, der heutigen Individualisierung im Medienverhalten ein Stück weit gerecht zu werden. «Wir
Bruno Arnold
K
eine Frage, die veränderten Medien konsumgewohnheiten sowie die ständige Zunahme der Kommuni kationskanäle machen die Mediaplanung komplexer. Mit dem neuen intermedialen Planungstool «mediacompass» greift die SRG-Tochter Publisuisse den strategi schen Fachleuten in den Agenturen sowie Unternehmen unter die Arme und liefert neue Erkenntnisse über Zielgruppen und deren Mediennutzung in der Schweiz. Basis der neuen Navigationshilfe ist die Medienkonsumstudie. Diese repräsenta tive Online-Erhebung wird vom Marktfor schungsinstitut GfK Switzerland jährlich im Frühjahr und Herbst durchgeführt.
können etwa abklären, ob der gewünschte Kunde die einzelnen Medien eher unter der Woche oder am Wochenende nutzt.» Die Datentiefe ermögliche es, eine detail lierte Analyse zu erstellen. «Dies ist sicher der grösste Vorteil gegenüber MA Stra tegy», dem Konkurrenzprodukt der Wemf. Und dank der Single-Source-Befragung seien die Daten des «mediacompass» präzise. «Die Nutzer werden sehr genau durchleuchtet und man kann mit reprä sentativen Zahlen arbeiten.» Bei SMP ver wende man den «mediacompass» zum Beispiel, um einen Intramedia-Vergleich zwischen verschiedenen Medien vorzu nehmen. «Weil sich die Zielgruppen gleich in die Sinus-Milieus übertragen lassen, wissen wir genau, auf welchen Medien und in welchem Umfeld die Werbung platziert werden sollte», so Richner.
Marketing | 63
handelszeitung | Nr. 44 | 1. November 2012
Nicht mehr am Kunden vorbei
Schwarmintelligenz Das Schweizer Traditionsunternehmen Rivella setzt im Innovationsprozess neu auf den direkten Austausch mit Konsumenten. Als Plattform dient eine White-Label-Lösung des Berner Startups Atizo.
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ährend der Hitzetage im August kurvte ein Durstlöscher-Mobil von Rivella durch die Schweiz, im September wurde eine landesweite Plakatkampagne lanciert und für die kommenden Monate verschiedene TVSpots zum «offiziellen Durstlöscher der Schweiz» realisiert. Die Werbeoffensive ist notwendig, denn der hiesige Markt ist für Rivella gesättigt. 2011 lag der GetränkeAusstoss im Inland bei 82 Millionen Litern, 2009 waren es noch 84 Millionen Liter. Der jährliche Pro-Kopf-Konsum von Rivella-Süssgetränken stagniert seit drei Jahren bei 10 Litern. Erland Brügger, seit eineinhalb Jahren Chef der Rivella-Gruppe in Rothrist AG, will mit einer gezielten Innovationsstrategie wieder Wachstum generieren. «Innovation ist einer der wesentlichen Treiber für die Zukunft. Eine Marke, die neue Produkte lanciert, wird von den Konsumenten ganz anders bewertet als eine, die keine Neuheiten bietet», sagt Brügger. Um die Marke Rivella zu erneuern, setzt er auf sogenanntes Crowdsourcing via Schwarm intelligenz. In Zusammenarbeit mit dem Berner Startup Atizo wurde diesen März eine Online-Plattform aufgeschaltet, auf der Konsumenten sich mit Rivella aus tauschen, Vorschläge zu neuen Produkten machen oder Feedbacks zu laufenden Prozessen abgeben können.
Appetit auf mehr Fragen «Im Innovations-Bereich brauchen wir verschiedene Tools, mit denen wir etwas anders machen können als in der Ver gangenheit», so Brügger. Dank Atizo habe man die Möglichkeit, eine völlig neue Art der Konsumenteninteraktion zu erleben. Wichtig sei, dass die Kooperation nicht auf einer Standardisierung basiere, sondern Raum lasse, um Dinge auszuprobieren. Atizo, das seit 2008 mit einer optisch neutralen «Mutterplattform» online ist und inzwischen eine Community von fast 20 000 Usern hat, stellte Rivella eine White-Label-Lösung im Firmen-Design zur Verfügung. «Funktional gibt es keine Unterschiede zur Atizo-Plattform. User können Ideen generieren, Projekte be
werten oder für Workshops rekrutiert werden», sagt Christian Hirsig, Geschäftsführer und Mitgründer von Atizo. Da sich Rivella die Infrastrukturkosten mit anderen Kunden teilen könne, sei die Wartung der Plattform sehr günstig. Der technische Support und die Moderation lägen bei Atizo, für die Inhalte sei Rivella verantwortlich. Gemäss Hirsig bewegt sich die Jahresgebühr für die Nutzung der Crowdsourcing-Software zwischen 4000 und 30 000 Franken. Hinzu kämen Initial kosten, die davon abhingen, wie stark ein Unternehmen gecoacht werden wolle.
wenn man eine Konsumenten-Commu nity hinzugezogen hätte», meint Brügger.
Drei neue Produkte gesucht Rivellas Innovation-Community besteht heute aus knapp 700 Personen, rund jede vierte lebt in Deutschland. «Das Internet kennt keine Landes-, sondern Sprachgrenzen», sagt Atizo-Chef Christian Hirsig. Es sei viel schwieriger, Leute aus der Romandie für die Plattform zu gewinnen als aus dem deutschsprachigen Ausland. Rivella habe generell einen starken Zulauf, weil die Marke einen hohen Bekanntheitsgrad habe und ideologisch stimmig sei. Seit März wurden der RivellaCommunity drei Projekte «Es gibt uns ein unterbreitet. Es ging darum, besseres Gefühl, Vorschläge für ein neues Teeprodukt, ein gesundes Famiwenn wir wissen, liengetränk und eine neue dass andere Leute Rivella-Varietät zu machen. mitgedacht haben.» Noch läuft der Prozess. Nach Angaben von SilErland Brügger van Brauen, ProduktmanaChef, Rivella, Rothrist AG ger Innovation bei Rivella, gingen pro Thema zwischen Beim Entscheid für ein Crowdsourcing- 550 und 800 Ideen ein. Diese seien vor Tool ging es laut Brügger aber weniger um selektioniert und intern bewertet worden, Kosten als um die Nähe zum Kunden. bevor sie ein weiteres Mal zur Weiterent«Früher standen Marktforschungsinsti wicklung an die Community gingen. «Wir tute zwischen Unternehmen und Konsu- involvieren Konsumenten in einem extrem menten und alles war ‹top secret›, heute frühen Stadium des Innovationsprozesses. zählt der offene Austausch. Es geht nicht Es ist definitiv nicht so, dass intern bereits mehr nur darum, die Feedbacks der alles entschieden ist und wir nur noch Kunden aufzunehmen, sondern für ihre eine Bestätigung vom Konsumenten brauVorschläge auch offen zu sein», erklärt der chen», so Brauen. Rivella-Chef. Während man sich in der Rivella-Chef Erland Brügger fügt hinzu, Vergangenheit auf qualitative und quanti- dass es sich bei der Plattform auch nicht tative Studien verlassen habe, wolle man um einen Marketing-Gag handle. «Es ist heute die Konsumenten einbinden. «Mit klar, dass nicht alle Ideen der Community dem Tool von Atizo können wir mit den berücksichtigt werden können. Am Ende Kunden in einen Dialog treten, ohne dass liegt es bei Rivella, zu entscheiden, ob eine ein Marktforschungsunternehmen alles Idee auch mit Dimensionen wie Markenübersetzen muss. So nimmt auch der führung oder Differenzierbarkeit vereinAppetit zu, mehr Fragen zu stellen», sagt bar ist. Aber es gibt uns ein besseres Erland Brügger. Gefühl, wenn wir wissen, dass andere Können in Zukunft Flops wie Rivella Leute mitgedacht haben und unser InnoGelb, das von den Schweizer Konsumen- vationsbestreben unterstützen.» ten nicht angenommen wurde, vermieden Innovativ dank Kundeneinbindung ist werden? «Da ich damals im Entschei- Rivella übrigens auch in der klassischen dungsprozess nicht dabei war, kann ich Kommunikation. Für die zu Beginn erdiese Frage nicht beantworten. Vielleicht wähnten TV-Spots wurde ein Grossteil der hätte man gewisse Dinge anders gemacht, Darsteller via Facebook rekrutiert.
Unternehmen
Rivella Das Traditionsunternehmen mit Sitz in Rothrist AG wurde 1952 von Robert Barth gegründet und befindet sich zu 100 Prozent in Familienbesitz. Jährlich verlassen über 100 Millionen Liter Erfrischungsgetränke die Produktionsstätte. Rivella beschäftigt 267 Mitarbeitende und erwirtschaftete 2011 einen Umsatz von 139 Millionen Franken (plus 1,4 Prozent). Die Produktepalette umfasst die Süssgetränke Rivella Rot, Blau und Grün sowie die Erfrischungsge tränke Passaia, die Fruchtsaftgetränke Michel und Tinga sowie das Sportler getränk Rivi Marathon und das Handelsprodukt Grapillon Traubennektar. Getränke der Rivella-Gruppe werden heute in der Schweiz, Deutschland, den Niederlanden, Luxemburg, Frankreich und Österreich verkauft. Das Unter nehmen erhielt als erster Schweizer Getränkehersteller 1993 das Zertifikat der ISO-Norm 9001. Laut Brand Asset Valuator von Young & Rubicam gehört Rivella zu den 20 stärksten Marken der Schweiz. 2012 feierte Rivella seinen 60. Geburtstag. Unter anderem mit einem gemeinnützigen Aktionstag in und um Rothrist, an dem der Firmeninhaber an
zvg
Rivella-Gruppe als Pilotprojekt für Atizo Business
Die neutrale Innovations-Website von Atizo für Rivella: www.rivella.atizo.com.
der Seite seiner Produktionsmitarbeiter beim Abfallsammeln zu beobachten war. Atizo Das Berner Startup wurde 2008 als Website und 2009 als Firma von Christian Hirsig, Reto Aebersold und Mathias Ruch gegründet. Atizo pflegt für das Crowdsourcing eine wachsende Web-Community aus 20 000 kreativen Mitgliedern, die sich durch ihr Anwender-, Konsumenten- und Spezialwissen
auszeichnet. Atizo beschäftigt zwölf Mitarbeiter und generierte 2011 einen Umsatz von rund 500 000 Franken. Das Ziel für das laufende Jahr liegt laut Hirsig bei 1 Million Franken. Diesen August wurde als Folge des Pilotprojekts mit Rivella die White-Label-Lösung Atizo Business lanciert, eine neutrale Crowdsourcing-Plattform für Firmen, welche inzwischen von 18 Unternehmen in der Schweiz und Deutschland genutzt wird.
Rivella Rot: Das kohlensäurehaltige «Nationalgetränk» der Schweiz wurde vor genau 60 Jahren erfunden – es besteht zu 35 Prozent aus Milchserum.
Bruno Arnold
Denise Weisflog
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