Handelszeitung "Special Marketing", 29. März 2012

Page 1

Zanox Die Tochter von Axel Springer und der Publigroupe will den Schweizer Online-Werbemarkt aufmischen. Seite 54

| 29. März 2012

Special Marketing Inhalt

Neuer Trend «Newsjacking» Wenn Unternehmen clever genug sind, rasch auf aktuelle Ereignisse zu reagieren und glaubhafte, unerwartete Fakten in ­einem Blog Post, einem Tweet oder einem Media Alert zu liefern, ist es möglich, dass sie mit einer Flut von medialer Auf­ merksamkeit belohnt werden. Seite 47

Die relevantesten Marketingtrends Das Marketing der Zukunft muss ein Teil des Erlebniskonsums werden. So indivi­ duell, wie die Lebensstile der Kunden sind, so individuell müssen Kampagnen neu ­konzipiert werden. Das bedeutet nicht, dass ­jeder Konsument seine massge­ schneiderte Anzeige erhalten will. Seite 50

Die Zukunft der Marken Neu gilt es, bei der Markenführung vier Zielgruppen zu unterscheiden. Die ­Un­interessierten (Logo So?) wechseln die Marken häufig. Die Saboteure (No Logo!) lehnen sie stark ab. Die Unterstützer (Pro Logo!) investieren viel in sie. Die Bastler (My Logo!) pflegen sie gar kreativ. Seite 51

Olympia-Vermarkter Lord Sebastian Coe Der Vorsitzende des Organisationskomi­ tees der Olympischen Sommerspiele 2012 in London ist überzeugt, dass er die letzten 4 Millionen von 11 Millionen Tickets locker verkauft. «Wir machen die ersten Spiele, die tatsächlich ausverkauft sein werden», sagt er im Interview. Seiten 52/53

ss Poster Award 2 011 Rückeroberer MBT Marktführer DeinDeal Was die dänische Branding-Agentur Kunde & Co. unternimmt, damit der Schweizer Kult-Gesundheitsschuh MBT wieder ein Selbstläufer wird. Was das Schnäppchen­ portal DeinDeal von den Schweizer Mitbe­ werbern unterscheidet – und wie Ringier dabei Tamedia abgehängt hat. Seiten 60/61

Swiss Poster Award – «Plakat des Jahres»: «Gekittete Beziehung» für Fleurop-Interflora von Spillmann/Felser/ Leo Burnett.

Verantwortlich für diesen Special: Norman C. Bandi

Foto-Serie Die Bildstrecke dieser Beilage zeigt alle 14 Gewinner des «Swiss Poster Award 2011», der am 8. März 2012 an der APG|SGA Poster Night in Zürich vergeben wurde. Neben dem Plakat des Jahres und den vier Kategorien in Gold, Silber und Bronze werden der Sieger und die beiden Nominierten in der Rubrik Poster Innovation gezeigt.

Firmen werben lieber offline

Marketing in der Schweiz Printwerbung ist bei hiesigen Unternehmen am beliebtesten. Im Vergleich werden alternative Werbeformen wie Social Media oder Empfehlungsmarketing noch wenig genutzt. Norman C. Bandi

Das überrascht. In Zeiten des digitalen Hypes setzen drei Viertel der Schweizer Unternehmen nach wie vor auf klassische Printwerbung wie Inserate. Mehr als jeder zweite Befragte nutzt PR und Direktmarketing als Kommunikationsmittel. Allerdings gewinnen die neuen Kanäle zunehmend Beachtung. Das ist das Fazit der umfassenden Studie «Alternative Werbeformen», die das Marktforschungsinstitut GfK Switzerland im Auftrag der Zürcher Werbeagentur Webguerilla durchgeführt hat. Befragt wurden Ende des letzten Jahres 308 Marketing-Entscheidungsträger der Schweizer Wirtschaft.

Als Online-Werbeform hat sich vor allem Social-Media-Marketing etabliert. Mehr als jede dritte Firma schliesst diese alternative Werbeform in ihr künftiges Repertoire ein. Während Empfehlungsmarketing von einem Viertel der befragten Werbeverantwortlichen eingesetzt wird, hat nur jeder zehnte bereits Erfahrungen mit Guerilla­ marketing oder viralen Konzepten ­ gesammelt. Neuere Disziplinen – beispielsweise App Ads (Applikations­marketing) oder Crowdsourcing (Ideenfindungsprojekte in Internetgruppen) – haben sich indes noch nicht etabliert. Gemäss der Studie wollen Unternehmen in Zukunft aber vermehrt auf alternative Werbung setzen. Auch hier hat

Social-Media-Marketing den höchsten Stellenwert. Jede fünfte Firma hat diese Werbeform bisher noch nicht genutzt, plant es aber zu tun. Gut jedes zehnte Unternehmen will in naher Zukunft jedoch Blogmarketing, Suchmaschinen­ optimierung, Empfehlungsmarketing oder App Ads testen. Alternative Werbeformen werden vor allem als Ergänzung zur herkömmlichen Offline-Welt gesehen. Über 80 Prozent der Firmen investieren zwar in neue Kanäle, das Budget dafür ist aber klein. In der Regel liegen die Ausgaben unter 5 Prozent des ganzen Marketing­ etats. Die Entscheidungsträger rechnen aber mit einer steigenden Investitionsbereitschaft. Die Stärken alternativer

Werbeformen sehen sie in der Ansprache neuer Zielgruppen und der Generierung von zusätzlicher Reichweite. Betreffend User Generated Content sind Unternehmen zurückhaltend. Am meisten verbreitet sind Kommentarfunktionen, die zwei Fünftel der Firmen einsetzen, sowie Sharing-Optionen. Nur jedes sechste oder weniger Unternehmen nutzt Votings, Blogs, Foren, Tagging oder Wikis. Auch bei Social ­Media besteht Aufholbedarf. Weniger als ein Viertel der Firmen hat eine So­ cial-Media-Strategie oder bietet ihren Kunden exklusive Einblicke. http://webguerillas.com/downloads/presse/pdf/ webguerillas_AG_GfK-Studie_2011.pdf


Marketing | 47

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Swiss Poster Award – Gold «National»: «Bremskopf» für Mercedes-Benz von Jung von Matt/Limmat.

Im Rausch der Informationen

Neuer Trend Im Zeitalter von Social Media und Rund-um-die-Uhr-Nachrichten müssen Unternehmen anders kommunizieren. Die Lösung heisst Newsjacking. David Meerman Scott

W

enn Journalisten über aktuelle Geschehnisse berichten, sind die Grundinformationen – wer, was, wann, wo – meist einfach zu beschaffen. Man findet sie entweder auf der Website eines Unternehmens oder in einer konkurrierenden Zeitung. Diese Fakten kommen in den ersten Abschnitt eines ­jeden Nachrichtenartikels. Die Heraus­forderung der Reporter besteht darin, das Warum und die Konsequenzen des Ereignisses zu erfassen. Weshalb schliesst der Betrieb die Fabrik? Das Unternehmen nennt online und offline möglicherweise eine Scheinbegründung. Die Zeitungen zitieren vielleicht einen ­Experten, der über die wahren Gründe der Schliessung spekuliert. Doch darauf kann sich ein Journalist nicht berufen, ohne ­etwas Selbsterniedrigendes hinzuzufügen wie «laut einem Fachmann». Reporter brauchen Informationen aus erster Hand, und sie brauchen sie schnell. Diese Inhalte fliessen in den zweiten Abschnitt und die darauf folgenden Passagen eines Nachrichtenartikels. Daher ist es das Ziel des Newsjacker, den zweiten Abschnitt zu seinem eigenen zu machen.

Schnell wie die Feuerwehr sein Wenn Unternehmen, Organisationen oder Persönlichkeiten clever genug sind, rasch auf aktuelle Ereignisse zu reagieren und glaubhafte Zweit-Abschnitts-Fakten in einem Blog Post, einem Tweet oder ­einem Media Alert – inklusive Schlüsselwort des Augenblicks – zu liefern, ist es möglich, dass sie mit einer Flut von media­ ler Aufmerksamkeit belohnt werden. Wenn es eine Berufsgruppe gibt, von der man schnelle Reaktionen erwarten darf, dann ist es die Feuerwehr. Gut zu wissen, dass die London Fire Brigade (LFB) in der Lage ist, in Blitzgeschwindigkeit Newsjacking zu betreiben.

Am 22. August 2011 beherbergte Sir ­ ichard Branson die Schauspielerin Kate R Winslet und 20 andere Gäste in seiner ­Privatresidenz auf Necker Island in der Karibik. Als ein Blitz in die hölzerne Villa einschlug und sie in Brand setzte, half Winslet dabei, Bransons 90-jährige Mutter aus dem Flammeninferno zu retten. ­Berichte über die Rettung und Fotos des dramatischen Feuers machten weltweit Schlagzeilen. Doch die Story war dünn, nur wenige Artikel enthielten originelle Aspekte und niemand hatte einen Korrespondenten auf den British Virgin Islands. Für die Herausgeber der heftig konkurrierenden britischen Medien sind solche ­Situationen mit Stress verbunden. Entsprechend gross war die kollektive Erleichterung, als die Londoner Feuerwehr in die Bresche sprang. Nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des Brandes und Winslets Rettungsaktion offerierte die LFB der Schauspielerin, gemeinsam mit den Feuerwehrmännern an einem Trainingsprogramm teilzunehmen. Das

Angebot wurde im Rahmen einer Story auf der eigenen Website gemacht. Dieser ­clevere Newsjack verhalf der Londoner Feuerwehr zu viel Aufmerksamkeit, da ihre Einladung an Kate Winslet von Me­ dien weltweit aufgegriffen wurde. Die ­Aktion der LFB kostete nur ein paar Stunden Zeit und kaum Geld. Doch die daraus resultierende Berichterstattung war Mil­ lionen wert. Das Ganze hatte Erfolg, weil ­Timing und Botschaft perfekt waren.

Eigene Meinung via Firmen-Blog Wer kann ein Beispiel nennen, wie ein B2B-Betrieb Newsjacking einsetzen kann, um auf sich aufmerksam zu machen? Ende 2010 kamen Mitglieder der U.S. Federal Communication Commission ­ (FCC) in Meetings zusammen, um das Thema «bill shock» (Rechnungsschock) zu diskutieren. Thema war die Überraschung, die Konsumenten erleben, wenn sie eine H ­ andyrechnung erhalten, die viel höher ausfällt, als sie es erwartet haben. Zu der Zeit, als eine der Zusammenkünfte

David Meerman Scott

«The New Rules of Marketing & PR» Mensch David Meerman Scott (50) ist ein amerikanischer Marketing- und Leadership-Stratege. Er wurde am 25. März 1961 geboren und lebt in Boston. Scott ist verheiratet und Vater einer Tochter. 2003 gründete er seine Firma Freshspot Marketing in Lexington. Experte Scotts neustes Buch «News­ jacking» kam Ende 2011 als E-Book für Kindle, iPad, Nook, Sony und weitere Lesegeräte heraus. Sein vor fünf Jahren erschienener Klassiker «The New ­Rules of Marketing & PR» gewährt Einblicke in die neuen Realitäten im Inter-

net und wurde über 250 000 Mal in 25 verschiedenen Sprachen verkauft. Scotts populärer Blog «WebInkNow» (www.webinknow.com) und Hunderte von Vorträgen auf der ganzen Welt machen ihn zu einem Experten, wenn es darum geht, wie Unternehmen neue Strategien anwenden, um Kunden zu erreichen. Zu Scotts weiteren inter­ nationalen Bestsellern gehören «RealTime Marketing & PR» (2010), «World Wide Rave» (2009), «Marketing Les­ sons from the Grateful Dead» (2010). www.davidmeermanscott.com

stattfand, stellte Jeff Barak von Amdocs, Zeitalter von Social Media, Rund-um-dieeinem amerikanischen Unternehmen, Uhr-Nachrichten und Newsjacking muss das sich mit Kundenbetreuung, Rech- man anders kommunizieren. Es ist empfehlenswert, einen offiziellen nungsstellung sowie Auftragsbearbeitung für ­Telekommunikationsfirmen und Inter­ Kodex zu erstellen, der vom höheren Management, von der Unternehmensnet­ provider befasst, einen Kommentar ­ mit dem Titel «Kein Grund, (Rechnungs)­ kommunikation sowie der Rechtsabteigeschockt zu sein» auf den Blog seines lung abgesegnet wird und die Verhaltens­Betriebs. Er argumentierte, dass Mobil­ regeln für Newsjacking festhält. So sollte telefonanbieter ein Interesse daran haben, man ausgewählten Frontmitarbeitern die mit ihren Kunden einen «bill shock» zu Freiheit und Flexibilität gewähren, zur vermeiden, weil Kundenloyalität in einem richtigen Zeit einen Blog-Eintrag zu machen oder ein Media Alert zu verschicken. so hart umkämpften Markt essenziell sei. Diese clevere Newsjacking-Taktik funk- Dies kann spät in der Nacht, an einem Wotionierte, weil Journalisten, die über die chenende oder auch mitten in den Ferien sein. Um im Newsjacking aus den FCC-Meetings resulErfolg zu haben – oder auch, tierende Gesetzgebung beEchtzeit­ um ­einen Newsjack abwenrichten wollten, via Google kommunikation den zu können –, kann man Alerts nach entsprechenden nicht erst auf ein Okay von Informationen suchten und widerspricht ganz oben warten. Man in kürzester Zeit auf den offi- Denkmuster von muss ­sofort in Aktion treten. ziellen Kommentar im NaKonzernen. Newsjacking ist ein weimen von Amdocs stiessen. teres Beispiel dafür, dass alle Baraks Blog-Eintrag trug rasch Früchte: Connected Planet, eine Unternehmen zu Verlegern werden. Gibt Internetplattform der Penton-Medien- es noch andere Beispiele dafür, dass Fir­ gruppe, widmete der These von Amdocs men Werkzeuge und Denkweisen aus der einen ganzen Blog mit dem Namen «Nicht Medienwelt übernehmen? Im Journalisvom Rechnungsschock geschockt wer- mus geht es darum, eine Geschichte zu erzählen. Man kreiert Inhalte für die den». Verschiedene andere Publikationen ­ Leser­schaft und nicht für das eigene Ego. folgten mit eigenen Geschichten. Es geht auch nicht darum, Produkte anzuMedienleute auf Storys bringen preisen. Das Konzept des sogenannten Kann ein normaler Marketeer News­ Markenjournalismus gewinnt bei Unterjacking betreiben? Oder muss ein Unter- nehmen rund um den Globus an Beliebtnehmen dafür jemanden mit spezifischen heit. Organisationen stellen Print-, RadioQualifikationen einstellen? Jeder kann und Bildjournalisten an, die sie dabei newsjacken! Es ist einfach und macht ­unterstützen, Storys zu erzählen. Spass. Aber man muss schnell sein. Beim Newsjacking geht es darum, Echtzeitkommunikation widerspricht ­diese Geschichten sofort zu erzählen – in dem Denkmuster von Mega-Konzernen, diesem Augenblick, in Echtzeit, damit wonach jede Nachricht einen Konsens, ­Medienleute die Inhalte finden, wenn sie der aus einem komplexen Prozess heraus nach einem anderen Blickwinkel für ihre entsteht, widerspiegeln soll. Das mag eigene Berichterstattung suchen. funktioniert haben, als die öffentliche Diskussion nichts anderes war als ein David Meerman Scott, Marketing- und Leadership­ ­Monolog des Unternehmens. Doch im Stratege, Freshspot Marketing, Lexington (USA).


48 | Marketing

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Swiss Poster Award – Silber «National»: «Wendesätze» für Swiss Life von Spillmann/ Felser/Leo Burnett.

«Konsumenten geben den Takt an» Ulrich H. Moser Der Präsident der Gesellschaft für Marketing (GfM) über neue Trends, mehr Mittel sowie Chancen der KMU. Interview: Norman C. Bandi

Hat Marketing Zukunft? Ulrich H. Moser: Marketing wird in Zukunft sogar noch relevanter, als es heute schon ist. Die Konsumenten verlangen seit je in­ novative, qualitativ einwandfreie Produk­ te und Dienstleistungen. Bei tenden­ziell sich immer ähnlicheren Angeboten spie­ len die Emotionen eine immer wichtigere Rolle im Kaufprozess der Konsumenten sowie für deren Loyalität. In jüngster Zeit sind sie vermehrt und zusätzlich auch an den Unternehmen selbst interessiert, die diese Produkte und Dienstleistungen fer­ tigen. Zudem stellen Themen wie Nach­ haltigkeit oder Transparenz neue Auf­ gaben ans Marketing. Wo spielt die Schweiz im Weltkonzert? Moser: Der globale Marketinglead, sprich die Trendsetter, befindet sich klar im ­angelsächsischen Raum. Die innovative Leistung der Schweiz aber ist hervor­ ragend – deren Durch- und Umsetzung am Markt leider nicht immer. In der

Schweiz warten wir tendenziell ab, wie sich neue Trends und Entwicklungen im Markt bewähren, bevor wir jede Mode­ strömung mitmachen.

Dienstleistungen offline und/oder online interagieren wollen. Das operative Marke­ ting wird komplexer und anspruchsvoller, wohl auch teurer.

Prägt die Zukunft das Marketing oder prägt das Marketing die Zukunft? Moser: Sowohl als auch. Die Zukunft prägt das Marketing: Die GfM führt deshalb seit Jahren regelmässig Brush-up-Veran­ staltungen zum Jahresauftakt durch. Wir laden renommierte Marketingexperten, Strategiefachleute oder Zukunftsforscher ein, um unseren Mitgliedern die relevan­ testen langfristigen Strömungen, die soge­ nannten Megatrends, näher zu bringen. Das Marketing prägt die Zukunft: Was wir mit diesen Trends machen, liegt in den Köpfen der aktiven Marketeers. Wir haben es hier also mit einer wechselseitig sich beeinflussenden Wirkung zu tun.

Modewort Graswurzelmarketing: Was ist das und was soll respektive kann es? Moser: Prinzipiell wird beim Grassroots Marketing eine sehr enge Kommunikation mit Trendsettern beziehungsweise Multi­ plikatoren gepflegt. Bei diesem Austausch entstehen oftmals wertvolle Ideen für neue Aktionen oder Angebote. Facebook global oder auch Atizo national sind ideale Plattformen, um Grassroots Marketing unter Freunden zu betreiben. Die Initia­ tive geht in diesem Bereich nicht nur von den Marketingverantwortlichen aus, son­ dern primär von den Konsumenten.

Social Media Hype: Ist das Heil des ­Marketings wirklich nur online und viral zu finden? Moser: Nicht nur, aber zunehmend auch in der virtuellen und viralen Welt. Zusätz­ lich zu all den bekannten Offline-Marke­ tingmassnahmen haben sich gezielte Vor­ stösse in die Online-Welt durchaus be­ währt. Dabei geben die Konsumenten den Takt an. Sie entscheiden, ob sie mit Unter­ nehmen sowie deren Produkten und

der mensch Name: Ulrich H. Moser Funktion: Präsident GfM (seit 2007); mehrere Verwaltungsratsmandate, etwa bei Hug, Mediaxis und Rivella Alter: 56 Wohnort: Zug Familie: Verwittwet Ausbildung: Ökonom HWV Die Organisation Die Gesellschaft für Marketing (GfM) ist die Plattform für marktorientierte Unternehmensführung in der Schweiz. Sie wurde 1941 gegründet, feierte 2011 ihren 70. Geburtstag und zählt heute über 720 Mitglieder – primär Firmen aller Branchen und Grössen sowie ­öffentlich-rechtliche Institu­tionen und Nichtregierungsorganisationen. www.gfm.ch

Kundenloyalität und Markentreue sind langsam Schnee von gestern. Was nun? Moser: Ganz im Gegenteil. Es ist zwar schwieriger geworden, zunehmend mün­ dige und gut informierte Kunden an sich zu binden. Marketeers müssen sich also viel mehr Mühe geben, um loyale und markentreue Kunden an sich zu binden. Mehr Arbeit und mehr Mittel fürs Marke­ ting sind also angesagt. Wer in diesem ­Bereich erfolgreich agiert, wird aber ganz sicher zu den Gewinnern gehören. Apple ist das klassische globale Beispiel.

Globale Konzerne können es sich leisten, auf allen Tasten der Marketingklaviatur zu spielen. Was raten Sie Schweizer KMU, die keine solchen Mittel und Möglichkeiten haben, aber trotzdem mitmischen wollen? Moser: Viele Mitglieder der GfM sind KMU. Die erfolgreichen unter ihnen sind sich bewusst, dass sie limitierte Mittel ha­ ben. Sie kennen ihre Kunden sehr gut und gehen sehr direkt auf deren Bedürfnisse ein. Der Erfolg liegt im Fokus und nicht in der Verzettelung des Angebots. Wir raten den KMU, kleine, finanziell sowie operativ überschaubare Projekte zu lancieren und anschliessend das Feedback der Kunden einzuholen. Auf diese Art können sie sich schrittweise weiterentwickeln, ohne über­ mässige Risiken einzugehen. Was hat mehr Zukunft – Marketing mit kommerzieller Durchschlagskraft oder mit strategischem Einfallsreichtum? Moser: Die Strategie ist das Fundament für jegliche erfolgreiche Marketingtätig­ keit. Die Mission der GfM ist es daher, das Marketing noch mehr als Denkhaltung einer nachhaltigen Unternehmensfüh­ ­ rung zu fördern. Wenn die Strategie fest­ gelegt ist, gilt es, die Marketingressourcen optimal einzusetzen. Der Erfolg muss in kommerziellen Resultaten gemessen und die Marketingaktivitäten müssen dem­ entsprechend angepasst werden.

Fünf Schlüssel zum Erfolg

Umfrage Vorstandsmitglieder der Gesellschaft für Marketing (GfM) zur Zukunft des Marketings – Zitate aus dem Buch «The Future of Marketing» zum 70. der GfM.

Monique Bourquin Chefin, Unilever Schweiz, Thayngen SH

Peter Meyer Chef, GfK Switzerland, Hergiswil NW

Stefan Michel Marketingprofessor IMD, Lausanne

Werner Rellstab Verwaltungsratsmitglied, V-Zug, Zug

Peter Schmid Chef, Merrill Lynch Bank Schweiz, Genf

«

«

«

«

«

Starke Marken und Innovation sind das Lebenselixier. Das Marketing wird auch in Zukunft sicherstellen, dass die Bedürfnisse unserer Konsumenten stets im Mittelpunkt bleiben. Hingegen wird der enorme Wandel in der digitalen Welt die Art und Weise stark verändern, wie wir mit ihnen kommunizieren.»

Die Grenzen des klassischen Marketings, wie wir es kennen, verschwimmen zunehmend. Der Begriff erweitert sich aber – eine Schlüsselrolle, vor allem in der Ansprache junger Zielgruppen, kommt den Social Media zu. Eines bleibt jedoch bestehen, dass der Kunde im Zentrum aller Marketingaktivitäten steht.»

Eine Trendwende verlangt, dass Marketingverantwortliche massgebliche Impulse setzen. Sie verankern die Kundenorientierung in der Kultur der Firma und beschleunigen Innovationsprozesse, indem sie auf die Wertschöpfung des Kunden fokussieren anstatt auf den eigenen, operativen Marketingmix.»

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren des Marketings der Zukunft sind Inno­ vation, Markenstärke, Kommunikationsdynamik, Kundengewinnung und Kreativität. Und wer weiss, vielleicht werden Waren so knapp, dass die Kunden bei den Anbietern Marketing betreiben müssen, um das Gewünschte zu erhalten.»

In einer zunehmend globalen Welt steigt die Bedeutung des Marketings kontinuierlich. Zum Beispiel ist eine sehr leistungsfähige und dynamische Kundensegmentierung Voraussetzung für ein fokussiertes Wachstum und den effizienten Einsatz der knappen Marketingmittel – ein Schlüssel zum Erfolg.»


50 | Marketing

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Swiss Poster Award – Bronze «National»: «Schneller, als Sie zeichnen können» für Mobiliar von Wirz.

Den Trend schlechthin gibt es nicht Andreas Steinle

W

ie viele Werbekanäle kann ein Marketeer bespielen? Wie viele Werbebotschaften braucht ein Konsument? Keine Frage: Nie war die Dichte der Kampagnen so hoch wie heute. Das Ende des Marketings wurde vor langer Zeit bereits ausgerufen – und ist trotzdem nicht eingetreten. Weder durch die Hal­ tung der Empfänger noch durch die Auflö­ sung einzelner Kanäle. Immer breiter, ­immer tiefer, immer vielfältiger, immer unübersichtlicher. Faktisch existiert heute mehr Werbung als je zuvor. Es war aber auch niemals einfacher, Werbung zu umgehen. Egal, ob plastische Fernsehspots, haptische Direktmailings oder virtuelle Internetanzeigen, eine Viel­ zahl an Botschaften lässt sich in Nullkomma­ nix wegzappen, wegwerfen, wegklicken – oder gar nicht erst zur Kenntnis nehmen. Mit geschultem Blick sowie Erfahrungen geht der Kunde den unliebsamen Kampa­ gnen elegant aus dem Weg, blendet sie dank seiner Medienkompetenz aus. Die Werbung, die übrig bleibt und dem Ver­ anzeige

braucher aufgezwungen wird – etwa vor einem Streaming –, wird als notwendig wie einst die TV-Reklame erlebt. Prinzipiell zeigen diese Entwicklungen,­ dass am Anfang wie am Ende der Kette nicht die Marke sowie die Firma stehen oder zählen, sondern der Konsument. Er hatte nie mehr Macht über Gelingen und Misslingen ganzer Marketingstrategien. Dennoch wird er so behandelt, als sei er nicht ein Teil des Ganzen, sondern ein Fremdkörper, der skeptisch beäugt sowie untersucht wird. Immer wieder gab und gibt es Versuche, den Kunden zum Bei­ spiel über sogenanntes User-Generated Marketing einzubinden. Oder ihm werden Social-Media-Plattformen gegeben.

Konsumenten nicht aussen vor lassen Das löst nicht das Kernproblem, dass der Verbraucher aussen vor bleibt. Schon im Ansatz verliert das Marketing das Ziel aus den Augen, wenn das zahlende Unter­ nehmen als Kunde betrachtet wird und nicht der Endkonsument – die Quintes­ senz des erfolgreichen Marketings der ­Zukunft. Firmen müssen Werbung also für den Adressaten machen; nicht aus der Perspektive des Abverkaufs, der Gewinn­ steigerung, eigener Karrierebeförderung oder unter dem Druck des Reportings. Das klingt den alten Hasen im Marketing ­sicher vertraut, doch die echte Barriere, die im Kopf, wurde nie überwunden.

Obersmarte Manager und selbstver­ liebte Kreative bestimmen für den Kun­ den, ohne ihn zu fragen. Der Entscheider im Einkauf fragt sowieso nur nach dem günstigsten Anbieter. Das klingt nach ei­ nem groben Toilettenfehler. Exakt so ist es zu werten. Eigentlich leicht zu verstehen, aber in der Praxis kaum jemals gelöst. Umso problematischer, je inklusiver ei­ gentlich gedacht werden müsste. Denn der Endkonsument muss nicht reingeholt werden, sondern soll von Anfang an Teil des Ganzen sein. Das ist schwierig, es ver­ bietet Intransparenz und mittelmässiges «Me-too». Die Agenturszene schwenkt

langsam in diese Richtung. Neue Ideen wie die des Mitmachmarketings erfordern ein Umdenken in den kreativen Köpfen. Der Konsument rückt ins Zentrum der Kampagne, wird zum Teil der Kommuni­ kation und somit nicht nur zum Marken­ fan, sondern auch zum Marken­ akteur, wenn er bei Events, Games oder anderen nachhaltigen Effekten Produkte sowie Dienstleistungen erleben kann. Genau diese Kampagnen sind es, die beim Endkonsumenten in Erinnerung bleiben. Werbung muss Vergnügen berei­ ten, den Verbraucher in seinen Emotionen berühren. Nur wenn gefühlt wird, bleibt

Zukunftsinstitut

Die 50 relevantesten Trendentwicklungen Publikation Das Zukunftsinstitut, 1998 vom renommierten deutschen Trendforscher Matthias Horx gegründet, hat in seiner Publikation «Zukunft Marketing» die 50 relevantesten Trendentwicklungen zusammengetragen. Mitglieder der Gesellschaft für Marketing (GfM) können die über 120 Seiten ­umfassende Studie für 95 Franken beziehen, Nichtmitglieder für 135 Franken. www.gfm.ch/de/publikationen

zvg

Zukunft des Marketings Der Kunde muss zum Zentrum werden und darf nicht ein Forschungsobjekt bleiben.

GfM Marketing-Trend-Tagung 2012: Visualisierung des Themas Zukunft.

etwas in Erinnerung, das weiss die Psy­ chologie schon und die Neurowissenschaft­ sorgt für entsprechende Belege. Marken und Marketing müssen einen positiven ­Effekt besitzen. Dabei geht es aber nicht um ein Wiederaufflammen der banalen Spassgesellschaft, sondern um subtilen, cleveren Humor bei Anzeigen, um Infor­ mationen bei Veranstaltungen und vor ­allem um den Überraschungseffekt in der Ambient- und Outdoor-Werbung.

Konsumenten haben den Überfluss satt Das Marketing der Zukunft muss ein Teil des Erlebniskonsums werden, der sich gerade im Rahmen der prosperierenden Wohlfühlmärkte entwickelt. Die Konsu­ menten – satt vom Überfluss und skep­ tisch gegenüber Hülsen – haben verinner­ licht, dass ihnen individuelle Dienstleis­ tungen einen wesentlich langfristigeren Positiv­ effekt ermöglichen als kurze Konsum­momente. So individuell, wie die Lebensstile der Kunden sind, so individuell müssen Kampagnen künftig konzipiert werden. Das bedeutet nicht, dass jeder Verbraucher seine massgeschneiderte An­ zeige für jedes Produkt erhält oder erhal­ ten will, dafür aber, dass es den Marketing­ trend schlechthin nicht gibt – hingegen die 50 relevantesten Trendentwicklungen. Andreas Steinle, Geschäftsführung und Experte für New Marketing/Media, Zukunftsinstitut, Kelkheim.


Marketing | 51

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Swiss Poster Award – Gold «Regional»: «Hiltl Karnivoren» (Zürich) für Haus Hiltl von Ruf Lanz.

Zukunft der Marken Abkehr von Fokussierung auf Kunden

M

arken sind mehr als eines unter vielen Marketinginstrumenten und auch mehr als ein Aktionsfeld im Bereich der Produkt- oder Kommunikationspolitik. Aus Kundensicht können starke Marken einen emotionalen Mehrwert schaffen, Versprechen und Qualitätssignal sein und somit das wahrgenommene Kaufrisiko reduzieren. Aus Unternehmenssicht stellen sie eine zentrale Ressource dar. Sie unterstützen die organisatorische Koordination von Firmenstrukturen, können als Schutzmechanismus vor Nachahmern dienen und sind als Treiber des Kundenwerts zentraler Treiber des Firmenwerts. Eine Armada von Forschern, Beratern sowie ­Management-Gurus begleitet diese Entwicklung mit einer Vielzahl eigener Vorschläge zum Thema. Einige Ansätze der letzten Jahre umfassen das «emotional branding», «cult branding», «fusion branding», «pas­ sion brands», «love marks», «fire brands» oder «radical brands». Das hohe und gerade auch interdisziplinäre (Forschungs-)Interesse rund um den Themen­kom­ plex Markenführung unterstreicht die Relevanz dieses Dauerbrenners in Wirtschaft und Gesellschaft. Um das Phänomen Marke jedoch in seiner Tiefe zu durchdringen, ist es oftmals ratsam, sich mit seiner historischen Entwicklung auseinanderzusetzen. Marke und Marketing sind sehr eng miteinander verbunden. Wenn man über die Basis und Entwicklung der Marke spricht, sollte man stets eine Idee ­davon haben, wie sich das Rollenverständnis von Maranzeige

Anton Meyer Vorstand, Institut für Marketing an der LMU, München

keting entwickelt hat und in Zukunft entwickeln wird. Marketing durchläuft eine Entwicklung, bei der es von einem Medium zur Generierung von Präferenzen über die Schaffung von Umsätzen und Erlösen hin zu einem verantwortlichen Asset- und Wertemanagement heranwächst. Ein Verständnis von Marketing als wertschaffendes System verändert folglich auch die Sichtweise auf die Marke und ihr Management. Somit ist die Marke ein geteiltes Werteverständnis, ein ganzheitlich gesteuertes und gelerntes, über spezifische Zeichen abrufbares Schema. Eine Marke ist folglich nicht nur ein Logo. Entscheidender ist vielmehr, dass sich die Stakeholder des Unternehmens ihr Markenwissen aus den unterschiedlichen Kontaktpunkten mit der Marke zusammenstellen. Für das Markenmanagement bedeutet dies, ein durchgän­

giges, integriertes Markenerlebnis an allen BrandTouch-Points anzustreben, wie es schon seit Jahren im Dienstleistungsmanagement in Form von Kontaktpunktqualität gefordert wird. In letzter Konsequenz betrachten wir dann Absatzsysteme als Wert(e)schaffungssysteme, wobei sämtliche Kontakte, Prozesse und Stakeholder mit einzubeziehen sind. Die Entwicklung des Markenverständnisses basiert, analog zum Marketing, auf einem chronologischen Prozess: Während der Phase des Produktfokus (ab 1900) diente die Marke zur Wiedererkennung. Die ­Periode des Nutzenfokus (1930 bis 1990) erweiterte den Produktnutzen von Marken um den persönlichen und symbolischen Wert. Hierbei fängt die Marke ein Stück weit an, sich zu verselbstständigen. Die Phase des Beziehungsfokus (1990 bis 2000) basiert auf der Frage: Wie schaffen Marken Werte oder Nutzen? Der Kunde wird erstmals als Akteur von Markenwerten betrachtet. Seit 2000 sehen wir die Marke als einen interaktiven Prozess.­Dabei wird der Markenwert von allen Stakeholder-Gruppen mitgestaltet, egal ob sie interne Anspruchsgruppen wie Mitarbeiter sind oder von aussen, wie Kunden oder Politiker, an das Unternehmen herantreten. Alle Stakeholder sind Wertschöpfungspartner. Doch welche Herausforderungen für das Markenmanagement sind mit dieser Stakeholder-Vielfalt ­verbunden? Es geht um die zentrale Frage: Gibt es ­verschiedene Qualitäten in den Beziehungen und wie homogen sind einzelne Gruppen? Stakeholder sind nicht nur nach ihren Rollen (Kunde, Lieferant oder

Mitarbeiter), sondern auch nach ihren Einstellungen zur Marke zu differenzieren. Hierbei kann zwischen vier verschiedenen Gruppen unterschieden werden. Die Uninteressierten (Logo So?) zeigen kaum Interesse an der Marke, wenige Präferenzen und sind ­bekannt für einen häufigen Markenwechsel. Die Saboteure (No Logo!) lehnen Marken stark ab, gehen in Opposition zu Marken und leisten aktiven Widerstand. Die Unterstützer (Pro Logo!) investieren viel in die ­Beziehung zur Marke und sehen sie als wesent­lichen Teil ihres Selbstkonzepts, während die Bastler (My Logo!) sogar einen kreativen Umgang mit der Marke pflegen und sie als kulturelle Ressource zählen. Wichtig für den Marketingpraktiker ist es, sich über die Vielzahl der Stakeholder-Zielgruppen und ihrer Einstellungen zur Marke bewusst zu werden. Hierzu ist eine Abkehr der ausschliesslichen Fokussierung auf Kunden notwendig. Eine weitere Erkenntnis besteht darin, dass autoritäres Markenmanagement heute kaum mehr möglich ist. Durch den Wandel des ­Internets vom Massen- zum Partizipationsmedium ­verschwimmt die Grenze zwischen Anbietern und Nachfragern zunehmend. Insofern muss sich das Markenmanagement von einem Stück Kontrolle verabschieden, um in einem interaktionsorientierten und integrativen Umfeld bestehen zu können. Anton Meyer, seit 1993 Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre (BWL) und Marketing sowie Vorstand des Instituts für Marketing, Ludwig-Maximilian-Universität (LMU), München.


52 | Marketing

«Werbekampagne absolut unnötig»

Lord Sebastian Coe Der Vorsitzende des Organisationskomitees der Olympischen Sommerspiele 2012 in London über seine Mission sowie Vision. Interview: Norman C. Bandi

Momentan sind Sie ein olympischer Bote, der durch die Welt jettet, um die Spiele in London zu promoten, die am 27. Juli beginnen. Was ist diesbezüglich Ihre Hauptaufgabe – ist es primär ein Marketingjob? Lord Sebastian Coe: Es ist irgendwie alles, da die Spiele alle Arbeitsaspekte berühren.­ Es sind Verpflichtungen in Grossbritannien­ und rund um den Globus. Der Job bedeu­ tet aber vor allem, ein Team zu leiten, das sich langsam auf die Ablieferung eines sehr komplexen Grossprojektes zubewegt. Jeder meiner Tage ist also extrem abwechs­ lungsreich. Jetzt ist es äusserst wichtig, dass die Menschen überall auf der Welt wissen und verstehen, was wir da tun. Obwohl London nach 1908 und 1948 zum dritten Mal Gastgeber der Spiele ist. Coe: Selbstverständlich ist 2012 der mit Abstand grösste Anlass in der Geschichte Grossbritanniens. Wir dürfen dabei nie­ mals vergessen, dass wir rund 200 Staaten begrüssen werden. Es kommen also mehr Länder zu den Spielen nach London, als es Mitglieder bei den Vereinten Nationen gibt. Insgesamt erwarten wir über 15 000 Athleten, die simultan eigentlich an 26 Weltmeisterschaften teilnehmen, wofür man hochgerechnet 76 Wochen braucht – wir machen es in 16 Tagen. Gleichzeitig werden mehr als 3 Milliarden Zuschauer an den Bildschirmen live dabei sein. anzeige

Letzlich geht es darum, dass London als nächste Metropole der Welt die besten Spiele aller Zeiten durchführen will. Coe: Nein, der olympische Geist soll auch helfen, alle Völker zu inspirieren. Ich war neulich in Tokio und habe mich dort mit jungen Athleten unterhalten. Sie erzähl­ ten mir, wie aufgeregt sie sind, an den Spielen teilzunehmen. Genauso habe ich es erlebt, als ich nur wenige Tage früher in Los Angeles war. Genauso als ich kurz da­ vor eines unserer Projekte in Tansania be­ suchte. Genauso als ich einen Abstecher nach Marokko machte. Es geht nicht ein­ fach nur um London – es soll ja keine rein britische Zeremonie werden.

Am 26. Januar waren Sie schon am WEF in Davos. Kommen Sie für Ihre Olympiamission häufiger in die Schweiz? Coe: Ich neige wirklich dazu, ziemlich viel hier zu sein – teilweise aber privat. In der Schweiz mache ich mindestens einmal im Jahr Ferien. Aufgrund meiner sportlichen Vergangenheit, vor allem mit Weltklasse Zürich, habe ich hier sehr gute Freunde.

Wieso nicht? Coe: Es geht auch darum, die olympischen Werte auf der ganzen Welt zu promoten.

Welche Marketinganstrengungen unternehmen Sie, um sie noch los zu werden? Coe: Zu Beginn habe ich geglaubt, dass dies einen intensiven Marketingschub braucht. Ich muss Ihnen gestehen, eine Werbekampagne für den Verkauf ist abso­ lut unnötig, weil wir die Nachfrage nicht erhöhen müssen und darum nichts zu vermarkten haben. Keine Tickets in der Geschichte der Eintrittskarten respektive von Sportanlässen waren so begehrt. Wir machen die ersten Spiele, die tatsächlich ausverkauft sein werden – und das für alle Teilveranstaltungen von allen Sportarten an allen Austragungsstätten. Es gibt wirk­ lich keinen Marketingbedarf.

Von woher kamen Sie am 5. März 2012 abends nach Zürich geflogen? Coe: Nur von London. Und tags darauf geht es mittags weiter nach Barcelona. Am 6. März traten Sie als Keynote-Referent am Marketingtag in Luzern auf. Weshalb? Coe: Nur, um über die Arbeit zu sprechen, die wir für die Spiele leisten, und um auf­ zuzeigen, welchen Einfluss das Sponso­ ring auf dermassen viele Dinge hat. Es gibt aber auch viel Interesse aus der Schweizer Geschäftswelt, wie wir die Spiele und das Darum aufziehen und vermarkten.

Sind noch Eintrittskarten für die Hunderte von Wettbewerben in London erhältlich? Coe: Wir haben für die Olympischen Spiele noch 4 Millionen von 11 Millionen ­Tickets zu verkaufen. Sie sind ab dem 1.April 2012 ­online zu haben.

Werben Sie trotzdem für die Spiele?

Coe: Ja, aber dann konzentrieren sich ­unsere Marketinganstrengungen auf den Geist und die Werte der Spiele. Gleichzei­ tig fokussieren wir auf die Inspiration, die die Spiele den Kindern in aller Welt ver­ mitteln müssen. Dafür haben wir eigens ein Sportförderprogramm kreiert, das glo­ bal schon 12 Millionen Kinder bewegt. Agieren Sie als Mister Olympic Games mehr als Geschäfts- oder Sportsmann? Coe: Ich werde immer ein Wettkämpfer sein. Wenn du die Spiele mit den Augen der Athleten siehst, dann weisst du, was du für deine wichtigste Zielgruppe abzu­

liefern hast – und das sind die Sportler. Wir veranstalten die Show primär für sie – nicht für irgendjemand sonst. Und um das zu garantieren, führen Sie vor den Spielen viele Testevents durch? Coe: Total sind es 42 Testevents. Drei Vier­ tel haben wir durchgeführt. Der Zweck ist, dass die Athleten am eigentlichen Wett­ kampf nicht übers Ohr gehauen werden. Genau wie der Sportler trainiert, damit er im Olympiafinal seine Höchstleistung ­abrufen kann. Es soll nichts dem Zufall überlassen werden, darum bereitet er sich minuziös vor. Wir machen es nicht anders.


handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

| 53

Tickets zu verkaufen, gut Merchandising via Verkaufslizenzen zu betreiben. Bislang sind wir bei beiden Budgets auf Kurs. Werden Sie Gewinn machen? Coe: Wenn wir am Schluss einen Mehr­ ertrag hätten, wäre das ein netter Bonus. Mein Hauptanliegen ist es, die Spiele im Budget mit Breakeven zu realisieren. Swiss Poster Award – Silber «Regional»: «Feinde» (Zürich) für «WOZ» von Spillmann/ Felser/Leo Burnett.

Wie führen Sie als Vorstandsvorsitzender des Organisationskomitees der Spiele? Coe: Ich bin froh, dass ich einen sehr ­guten Geschäftsführer habe, der einen Bankenhintergrund hat. Zudem verfügen wir über ein talentiertes Management­ team. Ich amte und führe zwar über ihnen, kann mich dank ihnen aber auf die Dinge fokussieren, die ich machen muss, näm­ lich eine Mischung aus Politik, Wirtschaft und Repräsentation. Alles Operative kann ich problemlos delegieren und kontrollie­ ren. Das ist es, was ein Vorstandsvorsit­ zender zum Führen braucht. Und ich habe das. anzeige

In Ihrer Karriere als Leichtathlet waren Sie ein Einzelkämpfer. Nun müssen Sie ein Teamplayer sein. Fällt das nicht schwer? Coe: Ich komme zwar von einer individu­ ellen Sportart, aber ich habe schon damals mit anderen Leuten gearbeitet. Mein Vater war mein Trainer und er hat ein Team um mich herum geformt. Ich hatte schon frü­ her interaktive Beziehungen, obwohl es auf der Rennbahn immer wieder einsame Momente gab. Doch 99,9 Prozent der Zeit verbringt man in einem Team. Die Kosten für die Spiele belaufen sich auf 9,3 Milliarden Pfund, die Sie ausgeben…

Coe: …nur für die Infrastruktur. Das Geld kommt von der öffentlichen Hand. Dazu gehören die Ablieferung der Austragungs­ stätten, der Bau von Wohnraum, die Rei­ nigung der Natur, das Beseitigen von ­Altlasten – zu 75 Prozent handelt es sich dabei nicht um Dinge für die Spiele, son­ dern um die Erneuerung von East Lon­ don. Das ist nicht das operative Budget. Wie hoch ist dies? Coe: Rund 2 Milliarden Pfund, alles aus dem privaten Sektor. Das hängt von unse­ rer Begabung ab, ausreichend globale und nationale Sponsoren zu finden, genügend

Und was ist die grösste Herausforderung für Sie und Ihre Geschäftsleitung? Coe: Dass die jungen Athleten, die ihr ­halbes Leben für diesen Moment trainiert haben, reibungslose Spiele geniessen ­können – nicht nur bei den Wettkämpfen, sondern ebenfalls bei den Trainings, im Olympischen Dorf oder beim Sightseeing. Mein Geschäftsführer indes würde sagen: «Wir haben eine riesige Organisation ge­ schaffen, die seit 2005 ihre Zahlen jährlich verdoppelt hat, um am letzten Tag der Spiele alle Leute zu feuern.» Mein Perso­ naldirektor würde sagen: «Und was ist mit den 70000 Freiwilligen, die zu den 6000 Angestellten hinzukommen?» Mein Mar­ ketingdirektor würde sagen: «Ihr habt zwar den grössten Sportevent der Welt, aber ich habe den global bekanntesten Brand, den ich aufgewertet an Sotchi wei­ tergeben muss.» Mein Sicherheitsdirektor würde sagen: «Das ist der weltweit grösste Sicherheitsanlass mit etwas Sport neben­ bei.» Mein Finanzdirektor sagt nichts – er zählt von 2 Milliarden Pfund rückwärts.

der mensch Name: Lord Sebastian Coe Funktion: Vorsitzender des Organisationskomitees der Olympischen Sommerspiele 2012 in London Alter: 55 Wohnort: Surrey bei London Familie: Verheiratet, vier Kinder Ausbildung: Ökonom Der Olympionike Coe war in seiner Karriere als Mittelstreckenläufer zweimal Olympiasieger über 1500 Meter (1980 und 1984) und gewann zweimal Olympiasilber über 800 ­Meter (1980 und 1984). Von 1992 bis 1997 sass Coe für die Conservative Party im britischen Parlament. 2000 wurde er von der Queen zum Lord geadelt. Seit neun Jahren engagiert er sich für die Olympischen Sommerspiele 2012 in London, die vom 27. Juli bis zum 12. August stattfinden.


54 | Marketing

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Schweiz erobern

Zanox Das Performance-Advertising-Netzwerk aus Berlin will Marktführer für Online-Werbung werden. Norman C. Bandi

S

eit fünf Jahren ist Zanox in den Händen des deutschen ­Medienkonzerns Axel Springer und der Schweizer Marketingspezialistin Publigroupe. Doch erst jetzt wird das nach eigenen Angaben führende Performance-Advertising-Netzwerk Europas im hiesigen Online-Werbemarkt aktiv – gegen die grössten globalen Konkurrenten wie Tradedoubler oder Google. Am 1. Februar wurde die Schweizer Niederlassung in Schlieren ZH eröffnet und mit Roger Wassmer (39) erstmals ein Länderchef ernannt. Er wechselte quasi intern von Publimedia zu Zanox. Der Publi­groupe gehören zurzeit 47,5 Prozent des Joint Venture mit Axel Springer. Beide Mutterhäuser verfügen aber jeweils über drei Verwaltungsratsmitglieder. «Unsere ersten Mitarbeiter hierzulande waren noch bei Web2com von Publicitas angestellt», erklärt Philipp Justus (42), seit zwei Jahren Vorstandsvorsitzender von Zanox, davor war er zehn Jahre in verschiedenen Managementpositionen für Ebay und PayPal tätig. Die ersten eigenen Leute wurden ab 2010 für Zanox tätig, ­waren aber vom Hauptsitz in Berlin gesteuert. «Bis dahin hatten wir wenige ­direkte Kunden in der Schweiz, obwohl

anzeige

wir dank der Publigroupe sehr viele Anknüpfungspunkte hatten.» Dies habe sich in den vergangenen zwei Jahren stark ­verändert. Mittlerweile zählen namhafte Schweizer Betriebe wie Orange, Sunrise, Logitech, Kuoni, Eboutic oder Buch.ch zu den Geschäftspartnern.

Swiss Poster Award – Bronze «Regional»: «Bikes nach Mass» (Zürich) für Sportplausch Wider von Advico Young & Rubicam.

«Online-Marketing fast ohne Risiko» Kunden, aber man agiere neu gleichzeitig Jetzt soll weiter expandiert und inves- als eigen­ständige Gesellschaft. Im Performance-Advertising-Netzwerk­ tiert werden, so Justus. Das nationale ­Verkaufsbüro sei der Startschuss zur stra- zahlen Unternehmen gemäss Philipp Justus tegischen Offensive, zu der ein Ausbau des nur dann für ihre Online-Werbemass­ bislang zweiköpfigen Teams sowie landes- nahmen, wenn sie tatsächlich erfolgreich spezifische Marketing- und Vertriebsakti- zu ­einem Lead oder Sale führen. «Mit uns vitäten zählten. Denn der hiesige Online- kann man fast risikofrei Online-Marketing betreiben», sagt der GrupWerbemarkt entwickle sich penchef aus Berlin. Zanox rasant. Laut ­einer aktuellen Marktvolumen schaffe für hiesige Betriebe Schweizer Studie von Pricevon 700 Millionen nicht nur neue AbsatzmögwaterhouseCoopers wird lichkeiten im eigenen Land, sein Volumen von 2011 auf Franken für sondern öffne ihnen auch 2012 um 15 Prozent auf ­Online-Werbung Türen zum übrigen euro­ rund 700 Millionen Franken in der Schweiz. päischen Markt. Man helfe ansteigen. Mit dem Einstieg gleichzeitig vielen internabietet Zanox hierzulande gemäss Justus ab sofort Full Service für tionalen Werbetreibenden wie Hotel ReserPerformance Advertising. «Die Schweiz ist vation Service (HRS), Ebookers, Esprit, ein Wachstumsmarkt im zweistelligen Groupon oder Zalando in der Schweiz wei­Prozentbereich, an dem wir ein grösseres ter Fuss zu fassen. Zum Geschäftsmodell ergänzt LänderKuchenstück haben wollen.» Die Publigroupe erleichtere zwar den ­Zugang zu chef Roger Wassmer: «Mit Hilfe von Zanox

generieren Werbetreibende im eigenen Land sowie weltweit zusätzliche Umsätze und gewinnen neue Kunden.» Zudem bringe man werbetreibende Unternehmen­ (Advertiser) und Agenturen mit Internetseiten-Betreibern (Publisher) auf einer Online-Werbeplattform zusammen und fungiere hier als Mittler. «Zanox übernimmt das komplette Tracking und organisiert die Auszahlung der Provisionen an die Publisher und garantiert seinen Kunden dabei absolute Transparenz.» Die Höhe der Vermittlungsgebühr für den Publisher lege der Werbetreibende selbst fest.

mit ihren Tochtergesellschaften Affiliate Window, Buy.at, Eprofessional und M4N unterstützt die Gruppe über 4000 Kunden weltweit bei der effizienten Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen im Internet. Dazu monetarisiert die Zanox Web Services sowie der Zanox Application Store ebenfalls mobile Anwendungen. Zanox mit Zentrale in Berlin verfügt über Niederlassungen in Deutschland, England, Frankreich, Spanien, Italien, Schweden, der Schweiz, den Niederlanden, Polen, der Türkei, Brasilien sowie den USA. Der Zanox-Campus in Berlin dient gleichzeitig als internationaler Treffpunkt 543,5 Millionen Franken Umsatz 2011 für Entwickler und die Community. Global Zanox wurde 2000 von drei deutschen arbeiten über 600 Angestellte für die Firma Jungunternehmern gegründet. Seit 2007 und ihre Partnergesellschaften. 2011 erist die Firma ein Joint Venture von Axel zielte die Zanox-Gruppe laut der PubliSpringer und der Publigroupe. Zanox groupe einen Umsatz von 543,5 Millionen nennt sich das führende Performance-­ Franken (plus 20 Prozent) – davon einen Advertising-Netzwerk für erfolgsbasierte Drittel in der DACH-Region, der LöwenOnline-Werbung in Europa. Im Verbund anteil aus dem Kernmarkt Deutschland.


Marketing | 55

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Strategisches Warum Reputationsmanagement Das Geheimnis des guten Rufs: Nicht überall in Betrieben, wo Kommunikation draufsteht, steckt auch Reputation drin. Steven Loepfe

D

er Marketingguru Peter Drucker formulierte einst: «What gets mea­ sured gets managed.» Aus Mana­ gersicht ist somit nur das, was sich messen oder modellieren lässt, auch führungsre­ levant. So blinken im Cockpit des moder­ nen Unternehmers Dutzende von Mess­ grössen wie Loyalität oder Kundenzufrie­ denheit und liefern Aufschluss über die aktuelle Marktposition eines Betriebs. Wenn es aber um Reputation geht, dem strategisch wohl wertvollsten Mittel zur Differenzierung, stellt man ernüchternd fest, dass sie nicht messbar ist ...

Keine messbare Grösse Auch wenn die Wissenschaft behaup­ tet, der gute Ruf sei mit ausgereiften ­Modellen messbar und somit in höchstem Masse relevant, so herrscht in der Praxis ein anderes Bild. Reputation hat als strate. gisches Konzept selten eine «Ownership» und somit auch kein Budget. Einzige ­Ausnahme bildet die Intervention in der Krise, wenn nicht nur die Reputation des Unternehmens, sondern auch die des Ma­ nagements im Kippzustand ist. So wächst ein Widerspruch heran, still und unauf­ haltsam wie ein Nagelpilz. Man ist sich zwar im Klaren, dass Reputation strate­ anzeige

gisch wichtig ist. Man will und kann sich dem Thema aber nicht annehmen, weil man nicht weiss, wie man es tun soll. Da­ bei gibt es einen einfachen Weg zum guten Ruf. Die Frage ist nur, in welcher Richtung man diesen beschreiten möchte. In vielen Betrieben ist das Konzept der umfassenden Kommunikation seit vielen Jahren «en vogue», sprich das Paradigma, sich als kommunikativ offen zu präsen­ tieren. PR-Konzepte (früher) und Social-­ Media-Strategien (heute) bereichern den Instrumentenfächer moderner Kommu­ nikation. Im Gegensatz zur Reputation hat Kommunikation in den meisten Fällen ei­ nen «Owner» und somit auch ein Budget. Die punkto Reputation zugrunde liegende Annahme besagt, je besser, klarer, trans­ parenter und schneller ein Unternehmen kommuniziert, desto eher stärkt es seine Reputation. Aber nicht überall, wo Kom­ munikation draufsteht, steckt auch Repu­ tation drin. Man kann den Weg zum guten Ruf in zwei Richtungen gehen. Mit viel Geld und kommunikativem Tamtam. Oder, wie ­immer mehr Betriebe es tun, still und ­bescheiden von innen nach aussen. So an der Reputation zu arbeiten bedeutet, im Kern des Unternehmens anzusetzen und eine relevante Strategie zu entwickeln, die Angestellte zum Erbringen einer exzellen­ ten Arbeit inspiriert. Der gute Ruf wird so zum Resultat einer am Markt wahrgenom­ menen Top-Leistung, erbracht von Mitar­ beitern, die einen Sinn in der Strategie des Betriebs erkennen. Zentrale Bedeutung erhält hier das, was man das «Strategische Warum» nennt. Es ist die Beantwortung der Frage, warum

ein Unternehmen tut, was es tut. Das klingt zwar wie eine Selbstverständlich­ keit, erweist sich aber in der Praxis oft als schwieriges Unterfangen. Wer im Internet nach Strategiepräsentationen surft, trifft auf austauschbare, elastische Visionsfor­ mulierungen. Seien wir ehrlich: Wer hat zum Thema Strategie nicht schon «Power­ point-Karaoke» erlebt und sich gefragt, woher das Original wohl stammt? Wer es aber schafft, seine Strategie so zu erzäh­ len, dass die Mitarbeiter diese verstehen, sie inspirierend wirkt und Teams so einen Sinn in ihrem Tun sehen, der schafft eine solide Grundlage für den guten Ruf.

Sein Wort nicht brechen Die wohl wichtigste Zutat des guten Rufs ist das Einhalten seiner Versprechen gegenüber seinen Stakeholdern. Auf den Markt bezogen, geht es hier in erster Linie um das Marktversprechen im Verhältnis zur erbrachten Leistung. Wort trifft hier auf Tat. Es heisst, immer mehr Produkte seien austauschbar, man müsse darum nicht besser, sondern einfach anders sein. So kann Marketing Defizite kompensieren und die Konkurrenz übersteuern. Aber nicht auf Dauer. Die Konsumen­ ten erkennen heute schneller als je zuvor, ob man sein Versprechen einhält oder eben nicht. Wer sein Wort bricht, der fällt. So gilt punkto Reputation die g­oldene ­Regel mehr denn je, die lautet: Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es – am bes­ ten auf der Grundlage einer inspirieren­ den ­Strategie, die die Leistung beflügelt. Und am besten von innen nach aussen. Steven Loepfe, Inhaber, Loepfe Reputation, Zug.

Swiss Poster Award – Gold «Public Service»: «Treppengeländer» für Unfallversicherung Suva von Ruf Lanz.


56 | Marketing

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Kundenmagazin statt Kampagne Inhalt oder Werbung Firmen, die den Absatz ihrer Güter steigern wollen, sollten die Konsumenten nicht mit Slogans bombardieren, sondern mit Geschichten umschmeicheln. Clemens Koob und Kerstin Bolliger

M

it journalistischen Inhalten lassen sich Kaufanreize schaffen. Unternehmenseigene Medien – vom Kundenmagazin bis zum Blog – stellen eine wirkungsvolle Ergänzung oder gar Alternative zur klassischen Werbung dar. Das macht das aktuelle CP-Barometer deutlich, für welches das Europäische In­ stitut für Corporate Publishing (CP) Kommunikationsverantwortliche im deutschsprachigen Raum befragen liess. 62 Prozent der Teilnehmer halten das Potenzial, mit Unternehmensmedien den Vertrieb zu unterstützen, für gross oder ­sogar sehr gross. Für die meisten liegt die vertriebsunterstützende Wirkung von Unternehmensmedien vor allem darin ­ begründet, dass sich mit ihnen Marken gut in Szene setzen lassen und dass Kunden über Bezugsquellen informiert werden können. Aber auch die direkte Handlungsauslösung wird als Chance gesehen. So ist etwa jeder Zweite der Auffassung, dass Unternehmensmedien Kunden dazu bewegen können, persönlichen Kontakt zum Unternehmen – etwa zum Aussendienst – aufzunehmen. Immerhin zwei Fünftel sehen Unternehmensmedien als passende Instrumente an, um Kunden ­direkt zu Einkaufsmöglichkeiten wie beispielsweise Online-Shops zu leiten.

Medien zur Vertriebsunterstützung Am besten zu «Content & Commerce» passen Websites und Printmagazine. Sie werden jeweils von mehr als 50 Prozent

der Befragten für sehr gut oder sogar hervorragend geeignet gehalten, um den Absatz zu forcieren. Ein gutes Beispiel im Print­bereich ist «The Mini International». Die Leser des Kundenmagazins werden durch redaktionelle Beiträge mit klarem Bezug zur persönlichen Lebenswelt emotional angesprochen und an die Vertriebskanäle herangeführt. Das kann etwa über Testfahrten, Verweise auf Händler oder Tipps für Mini-Accessoires erfolgen. Jeweils rund 40 Prozent der Teilnehmer am CP-Barometer halten Apps, News­ letter, Videos und mobile Websites für ­hilfreich, wenn es darum geht, Kaufan­

man mit wenigen Klicks das vorgestellte Lieblingsoutfit der Woche gleich online erwerben kann. Natürlich können bereits einzelne ­Medien den Umsatz fördern. Immerhin zwei Fünftel der Unternehmen sind überzeugt, dass der Absatz wirksam gestützt werden kann, wenn man sich auf ein ­einzelnes Printmedium wie ein Kundenmagazin fokussiert. Auch isoliert eingesetzte mo­bile Medien – etwa Apps – werden von zwei Fünfteln der Kommunika­ tionsverantwortlichen als geeignet angesehen, etwas weniger denken dies von der isolierten Nutzung von Online-Medien.

Wer sich als ehrliche Informationsquelle etabliert, kann Kaufentscheidungen positiv beeinflussen.

Crossmediale Lösungen optimal Für noch wirkungsvoller befunden wird aber der abgestimmte Einsatz verschiedener Medien. Ganz vorne in der Gunst liegt ein Verbund aus Print, Onlineund mobilen Medien. 76 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass sich der Absatz sehr gut durch einen solchen Dreiklang forcieren lässt. Hier liegen für die Zukunft noch deutliche Chancen – denn die Untersuchung zeigt auch, dass bisher nur wenige Unternehmen auf einen derart orchestrierten Medienverbund setzen. Ein interessanter Fall ist diesbezüglich die Medienfamilie des «Migros-Magazin». Die Printausgabe bietet Artikel oder Por­ träts über Trends und Gesellschafts- sowie Familienthemen. Zugleich greift sie die gesamte Migros-Welt auf und fördert den Absatz mit Aktionen, Coupons und Hinweisen auf neue Produkte. Einerseits bietet das «Migros-Magazin» seiner Leser-

reize zu setzen und den Abverkauf zu erhöhen. Weniger Abverkaufsleistung wird dagegen interessanterweise sozialen Netzwerken (26 Prozent) sowie Blogs und Microblogs (11 Prozent) zugestanden. Die Potenziale, die Soziale Medien bieten, werden dabei aber möglicherweise etwas unterschätzt. Gut umgesetzt ist beispielsweise der Fashionblog Two-for-Fashion des deutschen Versandhändlers Otto. Hier berichten zwei Modejournalistinnen täglich über Trends und Persönlichkeiten der Modewelt. Otto bringt sich auf diese Weise bei Modeinteressierten ins Gespräch und schafft direkte Kaufmöglichkeiten, indem

Am Puls des Corporate Publishing j­eweils als Online-Befragung in einem festen Teilnehmerkreis von gegen 100 Entscheidern erfasst. Schwerpunkt­ thema des aktuellen CP-Barometers (Winter 2011/12) ist die Steigerung des Absatzes durch Unternehmensmedien. Initiator des CP-Barometers ist das Europäische Institut für Corporate Publishing (EICP), für die Konzeption und Durchführung ist das Marktforschungsund Strategieberatungsunternehmen Zehnvier aus Zürich verantwortlich.

Anteil Nennungen sehr gut bis hervorragend (in Prozent) Websites/Microsites

58,5

Printmagazine

52,8

Apps

41,5

E-Mail-Newsletter

39,6

Videos

39,6

Mobile Websites

37,7

E-Magazine

32,1

Soziale Netzwerke

26,4

Blogs/Microblogs Corporate Books

11,3 3,8 0 10 20 30 40 50 60 Befragt wurden 100 Entscheider.

anzeige

schaft einen klaren Informations- und Unterhaltungswert, anderseits führt es sie zum Verkaufspunkt. Das dazugehörige Internetportal – das auch auf mobilen Endgeräten läuft – bietet den Nutzern ergänzende Zahlen und Fakten sowie multimediale Beiträge. Vor allem aber können auch eigene Ausflugstipps, Rezepte, Vi-

Unternehmensmedien zur Vertriebsunterstützung

CP-Barometer

Erhebung Das CP-Barometer ist der Trendindikator zum Corporate Publishing (CP) in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Es gibt halbjährlich Auskunft über das Branchenklima und nimmt in jeder Befragungsrunde ein zentrales Trendthema unter die Lupe. Um ein ganzheitliches Bild zu erhalten, wird sowohl die Sichtweise der kommunizierenden Unternehmen als auch diejenige der CP-Dienstleister, die ­Unternehmensmedien produzieren,

Swiss Poster Award – Silber «Public Service»: «Blutleere Schweiz» für SRK von Advico Young & Rubicam.

Quelle: Europäisches Institut für Corporate Publishing (EICP)/Zehnvier

deos oder Meinungen zu Artikeln und Por­träts hochgeladen und direkt mit anderen geteilt werden. Die Erhebung zeigt, dass bestimmte Faktoren erfüllt sein müssen, damit Unternehmensmedien wirklich erfolgreich zur Vertriebsunterstützung genutzt werden können. Gefragt sind neben einem durchdachten Cross-Media-Konzept relevante Inhalte mit journalistischem Anspruch, etwa fundierte Reportagen und Hintergrundberichte, professionelle Fotostorys oder spannende News. Kaufentscheidungen lassen sich zudem nur dann positiv beeinflussen, wenn man es schafft, sich als glaubwürdige und ehrliche Informationsquelle zu etablieren. Voraussetzung dafür ist nachhaltige redaktionelle Exzellenz. Im Umkehrschluss bedeutet das, dafür zu sorgen, dass die Inhalte bei aller Absatzförderung nicht zu verkäuferisch werden. Eine überzogene Kommerzialisierung sieht das Gros der Teilnehmer als grösste Gefahr von «Content & Commerce». Clemens Koob und Kerstin Bolliger, Managing Directors, Zehnvier, Zürich.


Marketing | 57

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Swiss Poster Award – Bronze «Public Service»: «Jeder wäre gerne ein Fisch» für Zoofäscht ­Zürich von Ruf Lanz.

Ein Bund fürs Werben

Marketingkooperationen Partnerschaften mit langfristigem Erfolg – was Stars von Firmen lernen können, zeigen etwa Nokia/Microsoft, H&M/Marni, SBB/Intersport und Facebook/Skype. Simon Thun und Julie Purser

D

as Jahr 2011 war voll bedeutender Partnerschaften. Oder wer könnte die prachtvolle Hochzeit von Wil­ liam und Kate vergessen, die Milliarden Menschen auf der ganzen Welt live ver­ folgten? Oder die von Fürst Albert II. und seiner Charlene? Schlagzeilen machte auch die nur 72 Tage dauernde Blitzehe von US-Reality-TV-Starlet Kim Kardashian und dem amerikanischen Basketballprofi Kris Humphries – okay, vielleicht gibt es doch manche Partnerschaften, die einfach nicht sein sollen. Aber nicht bei allen Partnerschaften, die 2011 geschlossen wurden, spielten Stars die Hauptrolle. Tatsächlich brachte dieses Jahr zahlreiche Marketingkoopera­ tionen hervor, die die meisten Promi­ partnerschaften wohl überdauern und deutlich zeigen, welchen Einfluss Marke­ tingkooperationen für die Zukunft von Unternehmen haben werden.

Verbesserung des Markenauftritts Zunächst aber die Erläuterung einer Auffassung von Marketingkooperationen. Man stelle sich zwei oder mehrere Firmen vor, die gemeinsam ihre Marketingaktivi­ täten planen und umsetzen. Diese nutzen dabei die Stärken des jeweiligen Partners und ermöglichen den Betrieben, ihre eige­ nen Zielsetzungen besser zu erreichen, als sie es ohne Partner könnten. Einige Ko­ operationen sollen Effizienz bringen. Wei­ tere Wachstum vorantreiben. Und andere werden geschlossen, um neue Kompeten­ zen im eigenen Unternehmen zu ent­ wickeln oder aufzubauen. Für Marktbeobachter sind die span­ nendsten Kooperationen im Jahr 2011 die­ jenigen mit dem grössten Potenzial für starkes und rasantes Wachstum. Wachstum kann jedoch durch unter­ schiedliche Arten erreicht werden. Eine der bekanntesten ist die Verbesserung des Markenauftritts mit dem Ergebnis einer

positiveren Aussenwahrnehmung – wie im Fall der Kooperation zwischen Nokia und Microsoft. Durch die Partnerschaft, die das Software-Know-how von Micro­ soft mit der Expertise von Nokia im Be­ reich mobiler Endgeräte verknüpft, wurde ein weltweites mobiles Ecosystem ge­ schaffen. Beide Unternehmen konnten ihre Vorlaufzeiten von Produkteinführun­ gen verkürzen sowie ihr bestehendes ­Produkt- und Serviceportfolio auf bisher fremde Märkte ausweiten. Ausserdem wurden neue Serviceangebote entwickelt, wodurch beide Marken aus dem Schatten von Apple treten konnten – auch wenn es vorderhand nur partiell gelungen ist. Eine andere Art, wie Marketingkoope­ rationen zu Wachstum führen können, ist über eine Erhöhung der Reichweite und Durchdringung des Marktes. Ein Beispiel hierfür ist die internationale Partnerschaft zwischen H&M und Versace, die auch in der Schweiz ihre Erfolge verzeichnete. In den letzten Jahren haben sich Kooperatio­ nen mit Stilikonen zu einem wesent­lichen Bestandteil der Marketingstrategie von H&M etabliert. Die Zusammenarbeit des

Die Propheten

schwedischen Modehauses mit dem ita­ sowie Rabatten bei der Miete der Winter­ lienischen Designer brachte nicht nur bei­ sportausrüstung. Und dies alles aus einer den Marken weltweite Aufmerksamkeit, Hand vermittelt. Idealerweise bezieht der sondern verschaffte Versace durch dras­ Kunde die Skiausrüstung gleich bei einem tische Preissenkungen auch Zugang zu Intersport-Geschäft im Skiort. Keine lästi­ einem vollkommen neuen Markt. Die gen Transporte, auf die Piste, fertig, los. ­ kontinuierliche Verfolgung dieser Strate­ Während die SBB ihren Kunden Mehrwert gie verhilft H&M hingegen sein Image als durch die zusätzlichen Angebote der Ko­ Discounter im Modebereich aufzupolie­ operationspartner bieten, können die be­ ren. Der neueste Streich von teiligten Skigebiete und Ho­ H&M ist vor kurzem ange­ telbetriebe sowie Intersport Die Verzahnung laufen – die neue Designerneue Distributionskanäle beziehungsweise Marke­ der Unternehmen durch die Partnerschaft und tingkooperation mit dem ita­ ermöglicht es, die wichtige Kundenkontakt­ lienischen Label Marni. punkte der SBB nutzen. Kundenloyalität Die Vorteile für die Ein weiteres interessan­ zu erhöhen. Kooperations­partner kön­ tes Beispiel hierzulande ist nen demnach unterschied­ die Zusammenarbeit zwi­ licher Natur sein. Ein weiteres spannen­ schen dem weltweit führenden Unterneh­ des Beispiel dafür bietet in der Schweiz men auf dem Gebiet der interaktiven Un­ das Partnerschaftskonzept Snow’n’Rail terhaltungssoftware, Electronic Arts, und zwischen den SBB und einer Vielzahl von Seat Schweiz rund um das Videospiel Skigebieten, Hotelbetrieben und Inter­ «Shift 2 Unleashed», dem neuesten Ab­ sport. Dieser Multipartneransatz bietet leger der erfolgreichsten Rennspielserie dem Kunden mehrere Vorteile. Durch das überhaupt. Im Zentrum dieser Koopera­ Kombiangebot profitiert der Kunde von tion stehen die gemeinsame Kommunika­ ermässigten Bahnfahrten und Skipässen tion und Auftritte an diversen Fachmessen und Events. Für beide Partner lagen die Synergien für eine Zusammenarbeit auf der Hand, weil es grosse Überschneidun­ gen bei den Zielgruppen des Rennspiels und dem Automodell Seat Leon Cupra gibt und beide Produkte in der jeweiligen New York, Berlin, Hamburg, London, Fangemeinde Kultstatus geniessen und Madrid und Zürich. Zu den weltweiten mit Sportlichkeit, innovativem Fahrerleb­ Kunden zählen etwa BP, Cartier, Genenis und modernster Technik in Verbin­ ral Electric (GE), Hyatt Hotels, Johnson dung gebracht werden. Dieser Bund fürs & Johnson, Monsanto, United Airlines. Werben zeigt auf, wie die Marke durch den Transfer des positiven Markenimages des National In der Schweiz betreut ProKooperationspartners gestärkt und ihr phet namhafte Unternehmen wie die Profil geschärft werden kann. DKSH Holding, die UBS, die SIX Group Solches Zusammenarbeiten kann auch und die Zurich Financial Services. Das zur Stärkung der Kundenbindung einge­ Büro in Zürich wurde 2004 eröffnet. setzt werden, wie im Fall der Kooperation Geleitet wird die Niederlassung an der von ­Facebook und Skype. Die neuartige Bahnhofstrasse von Markus Koch-­ Partnerschaft baut Skype buchstäblich in Lustenberger, Associate Partner. Facebook ein und erlaubt es Nutzern so­ mit, über eine Facebook-Anwendung in­

Kreative sowie umsetzbare Ideen Weltweit Prophet ist ein global tätiges Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf strategischen marken- und marketingbezogenen Fragestellungen. Das Unternehmen unterstützt den Geschäftserfolg seiner Kunden mit krea­ tiven und gleichzeitig umsetzbaren ­Ideen. Vice Chairman von Prophet ist der Autor und Markenexperte David Aaker («Brand Relevance: Making Competitors Irrelevant», «Brand Leadership»). Derzeit hat Prophet neben dem Hauptsitz in San Francisco auch Niederlassungen in Chicago, Richmond,

nerhalb von Skype direkt Nachrichten an andere zu schicken oder Video-Chats zu führen. Eine solche Verzahnung der Kern­ angebote ermöglicht es beiden Marken, ihre Kundenloyalität zu erhöhen, indem sie ihre Produkte ein­facher nutz- und an­ wendbar machen. Und das an einem vir­ tuellen Ort, an dem Kunden ohnehin viel Zeit verbringen.

Tipps für die eigene Partnerschaft Aber wie kann das eigene Unterneh­ men die nächste Erfolgsgeschichte zum Thema Marketingkooperationen werden? Die aufgeführten Beispiele folgen einigen wichtigen Regeln. Die drei wichtigsten: •  Erstens wurde ein überzeugendes, auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittenes Konzept entwickelt, das die vorhandenen Stärken der Partner berücksichtigt. • Zweitens wurde eine echte Win-win-­ Situation geschaffen, die beiden Koopera­ tionspartnern sowie den Kunden gleicher­ massen Mehrwerte bietet. •  Drittens sorgen die verbrüderten Unter­ nehmen durch geeignete Aktivitäten und Initiativen dafür, dass die Kooperation mit Leben erfüllt wird – und zwar von der Konzepterstellung bis zur Lancierung. Wenn es also das eigene Unternehmen in die Liste der besten Marketingkoopera­ tionen für das Jahr 2012 schaffen soll, muss man bedenken, dass eine Verbin­ dung zwischen zwei Stars zwar nett ist, für eine andauernde und funktionierende Ehe aber mehr erforderlich ist. Es gilt, eine gemeinsame Vision zu schaffen, eine wirkliche Partnerschaft einzugehen und sich langfristig zu binden, um gemeinsam Wachstum und Gewinn zu verbuchen. Das US-Reality-TV-Starlet Kim Karda­ shian und der amerikanische Basketball­ profi Kris Humphries könnten davon noch etwas lernen. Simon Thun, Director & Associate Partner, Prophet, Berlin; Julie Purser, Engagement Manager, Prophet, Chicago (USA).


58 | Marketing

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Kandidaten vorschlagen

Marketingpreis Die Gesellschaft für Marketing (GfM) ehrt pro Jahr ein Unternehmen für herausragende Leistungen.

Norman C. Bandi

A

uf dieses Jahr hin vereinfacht die GfM die Teilnahme am Marketingpreis, der jeweils Ende Oktober verliehen wird. Neu muss man nicht mehr begründen, weshalb ein Unternehmen die Auszeichnung verdient hat, sondern man braucht die Kandidaten lediglich zu nominieren und anschliessend seine Kontaktkoordinaten zu hinterlassen. «Wir machen das bewusst, um den Leuten die Schwellenangst zu nehmen», erklärt Jean-Marc Grand, Geschäftsführer der Gesellschaft für Marketing (GfM). Am einfachsten geht es, seine maximal drei Vorschläge via die Website der GfM einzureichen. Die restliche Arbeit übernimmt dann die Jury des Stiftungsrats unter der Leitung von Manfred Bruhn, Marketingprofessor der Universität Basel.

Klare Teilnahmebedingungen Im Wesentlichen sollen nach Angaben der GfM ausserordentliche Marketing­ leistungen auf einem der drei folgenden Gebiete bewertet werden: •  Erfolgreiche unternehmerische Resul­ tate, die in hohem Ausmass innovativen anzeige

Marketingstrategien und effektiven Massnahmen zuzuschreiben sind. • Förderung von Marketingkernkompetenzen durch praxisnahe Übertragung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse auf die Unternehmensführung. •  Überzeugende Beiträge über das Marketing und die marktorientierte Unternehmensführung in den Medien. Zusammengefasst lauten die Beurteilungskriterien für den Marketingpreis ­gemäss Grand: Nachhaltiger unterneh­ merischer Erfolg; innovative Produkte und Dienstleistungen; wesentlicher Beitrag zum Unternehmenserfolg. «Diese Kriterien können sehr wohl auch von KMU erfüllt werden, nicht nur von Konzernen», ergänzt Grand. In den letzten Jahren wurden etwa Mittelstandsbetriebe wie Mammut, Jura oder Ricola ausgezeichnet (siehe Tabelle). «Alles sehr starke Schweizer Unternehmen.» Natürlich hat die GfM den Marketingpreis in der Vergangenheit ebenso an globale Schweizer Konzerne wie Logitech, Sika, Nestlé, UBS oder Swatch vergeben. «Die Grösse ist aber nicht entscheidend.» Seit 1984 würdigt die GfM mit dem «Jahrespreis der Stiftung für Marketing in

der Unternehmensführung» – kurz GfM Marketingpreis – Persönlichkeiten oder Unternehmen, die sich durch herausragende Marketingleistungen ausgezeichnet haben. Der Preis ist mit 20000 Franken dotiert. Mindestens diese Summe wird von den Siegern jeweils einer gemeinnützigen Einrichtung zugesprochen.

Voten der früheren Gewinner Die «Handelszeitung» fragt die Preisträger jeweils, was ihnen die Auszeichnung bedeutet. Das sagten die Gewinner der vergangenen vier Jahre: •  Albert Baehny, Konzernchef von Geberit in Rapperswil-Jona SG: «Von Industrieunternehmen wie Geberit wird normalerweise nicht innovatives Marketing erwartet. Dennoch schaffen wir es, sowohl In­ stallateure als auch Endkunden für unser Produkt zu begeistern.» • Urs Berger, früher Konzernchef und heute Verwaltungsratspräsident von Mobiliar in Bern: «Mit diesem Preis wird die Mobiliar für ihre Leistung der letzten zehn Jahre ausgezeichnet, daher sind wir sehr stolz darauf. Unser Marketing basiert nicht nur auf den Werbekampagnen, sondern auch auf der genossenschaftlichen Aus-

Swiss Poster Award – Gold «Kultur»: «Schwarz Weiss» für Museum für Gestaltung Zürich von Ralph Schraivogel.

richtung, unserer dezentralen Organisa­ tion, unserer Kundennähe, der Beratungsund der Schadenkompetenz vor Ort.» • Rolf G. Schmid, Geschäftsführer von Mammut in Seon AG: «Wir versuchen ­anders zu sein als die anderen. Wir wollen die Leute immer wieder überraschen mit Dingen, die sie nicht erwarten. Die Bilder und Ideen müssen frisch und gleichzeitig glaubwürdig sein.» • Jerry Quindlen, ehemaliger Konzernchef von Logitech in Morges VD: «Dank der ­Innovationskraft der Produkte lebt unser Marketing sehr stark von der seit jeher besten Werbung, der Mund-zu-MundPropaganda. Zentral bei unseren Marketingbestrebungen ist unser kundenorientierter Fokus. Wir möchten den Kunden mit unseren Produkten ein Erlebnis bieten. Um dies messen zu können, arbeiten wir seit einiger Zeit mit dem Net Promoter Score. Dabei handelt es sich um ein anerkanntes Marketingmesssystem, das auch andere Markenhersteller nutzen. Der Kunde wird gefragt, wie gross auf einer Skala von 1 bis 10 die Wahrscheinlichkeit ist, dass er das Produkt den Freunden oder der Familie weiterempfiehlt. Darüber hinaus setzen wir auch auf klassische und moderne Marketinginstrumente.»

Die 27 bisherigen Sieger Jahr Unternehmen 2011 Geberit 2010 Mobiliar 2009 Mammut 2008 Logitech 2007 Jura 2006 Betty Bossi Verlag 2005 Sika 2004 Nestlé Nespresso 2003 UBS 2002 Emmi 2001 Universität Bern1 2000 Swatch 1999 Oettinger-Davidoff 1998 Bucher-Motorex 1997 Coop 1996 Roche Pharma 1995 Hilti 1994 Ricola 1992 Calida 1991 Sotheby’s Switzerland 1990 Trisa 1989 Marketing Journal2 1988 Universität St. Gallen3 1987 St. Moritz Tourismus 1986 Lista 1985 Crossair 1984 NZZ4 1 Marketingprofessor Richard Kühn; 2 Chefredaktor Wolfgang K. A. Disch; 3 Marketingprofessor Christian Belz; 4 Wirtschaftsredaktor Heinz Bitterli. Quelle: Gesellschaft für Marketing (GfM)

«Die GfM ehrt den Besten der Besten» Was unterscheidet den GfM Marketingpreis von ähnlichen Auszeichnungen? Jean-Marc Grand: Seit 1984 würdigt die GfM mit dem Marketingpreis Unternehmen, die sich durch herausragende ­Marketingleistungen ausgezeichnet ­haben. Die GfM vergibt pro Jahr nur ­einen Preis an ein Unternehmen. Wir ­ehren also den Besten der Besten. Wie einfach ist es, sich für den GfM ­Marketingpreis zu bewerben? Grand: Das Bewerbungsverfahren ist sehr einfach. Jedermann kann Unter­ nehmen – sowohl Konzerne als auch KMU – nominieren. Ob dies online auf der Website der GfM oder offline per schriftliche Nominierung geschieht, spielt uns keine Rolle. Man kann den ­eigenen Betrieb oder andere Firmen ­vorschlagen. Wichtig ist aber, dass das Unternehmen einen direkten Bezug zur Schweiz hat, das heisst, entweder liegt der Hauptsitz in der Schweiz oder ein ­wesentlicher Teil der Wertschöpfung wird in der Schweiz erzielt. Was passiert nach der Eingabe? Wie muss man sich die Wahl des Siegers vorstellen?

Jean-Marc Grand Geschäftsführer, Gesellschaft für Marketing (GfM), Zürich

Grand: Alle Nominierungen werden von einer Projektgruppe einer ersten Prüfung unterzogen. Dabei wird abgeklärt, ob die Auswahlkriterien erfüllt wurden. Danach wird vom Stiftungsrat der GfM, einem Gremium von Wissenschaftlern, Experten, Werbern und Marketingpraktikern, in einem mehrstufigen Auswahlverfahren der Gewinner bestimmt. Erst nach der Wahl wird das siegreiche Unternehmen informiert. Die Krönung erfolgt jeweils an der GV der GfM, dieses Jahr am 30. Oktober im «The Dolder Grand» in Zürich. interview: Norman C. Bandi


60 | Marketing

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Der hässlichste Schuh der Welt

MBT Das Schweizer Unternehmen will Konsumenten mit Hilfe einer Imagekorrektur von externen Beratern zurückgewinnen.

Denise Weisflog

W

elche Frau würde freiwillig «die hässlichsten Schuhe der Welt» tragen? Mit diesem Problem sah sich die Vertriebs- und Marketing­ gesellschaft Masai Barefoot Technology – hierzulande besser als MBT bekannt – konfrontiert, nachdem sie eine internationale Konsumentenstudie in Auftrag gegeben hatte. Diese brachte nicht nur Schmei-

chelhaftes zu Tage: Der physiologische Gesundheitsschuh galt zwar als sehr funktional und effizient, aber auch als äusserst unansehnlich. Da sich der Markt seit der Gründung des Unternehmens völlig verändert hatte, entschied sich MBT für eine Neupositionierung. Inzwischen waren einige Patente abgelaufen, weshalb zahlreiche Mitbewerber Konkurrenzprodukte lancierten (siehe Kasten). Der ehemalige Firmen-

Masai Barefoot Technology

Aufstieg Masai Barefoot Technology (MBT) wurde 1996 vom Schweizer ­Ingenieur Karl Müller gegründet, der eine Sohlenkonstruktion mit eingebauter Instabilität entwickelte, um die Bewegung und Muskelaktivität im Körper durch Gehen und Stehen zu erhöhen. Seine Marke benannte er nach den ­Masai, dem ostafrikanischen, barfuss gehenden Kriegervolk, das für seine aufrechte Körperhaltung bekannt ist. Um sich zu «revanchieren», gründete er eine Organisation, die den Masai Zugang zu sauberem Wasser ermöglichte. Als Pate konnte er Robert F. Kennedy gewinnen, der damals stark zum Erfolg von MBT in den USA beitrug. Besitzer Im Sommer 2004 verkaufte Müller die Mehrheit seiner Marketingund Vertriebsfirma an eine Investorengruppe um die ehemaligen österreichischen Skirennfahrer Klaus Heidegger und Herrmann Oberschneider. Bis Herbst 2006 hielt Müller noch gut 80 Prozent der Gesellschaft, trennte sich dann aber wegen unternehmerischer Differenzen von seinen Partnern. Im Sommer 2007 beteiligte sich die Bostoner Investmentfirma Berkshire Partners zu 20 Prozent an MBT und übernahm im Herbst 2011 die restlichen 80 Prozent. Chef ist seit 2009 der Däne Jan Stig Anderson. MBT mit Hauptsitz in Winterthur besitzt heute Niederlassungen in 12 Ländern, in weiteren 43

anzeige

zvg

Nachahmer wieder hinter sich lassen

Sommerkollektion 2012: Leichter Hybrid aus Schnürschuh und Sandale von MBT.

Märkten werden die Produkte durch Distribu­täre vertrieben. Weltweit gibt es über 9000 Detailhändler, die MBT verkaufen, über 1 Million Schuhe werden jährlich exportiert. Rivalen Die Konkurrenzsituation ist gross. Ähnliche Fussbekleidungs­ konzepte gibt es mittlerweile unter ­anderem von Skechers (Tone-ups), Reebok (Easytone), Ganter (Ganter ­aktiv), Mephisto (Sano) oder Fitflop (Fitflops). Zu den wichtigsten Mitbewerbern gehören auch Karl Müller, der 2007 mit der Gründung von Kybun ein ganzheitliches Bewegungskonzept entwickelte, dessen Marke Kyboot ­ursprünglich als nächste MBT-Generation geplant war. Ebenso sein Sohn Karl Müller junior, der 2008 gemeinsam mit seinem Studienfreund und ­Ex-Mister-Schweiz Claudio Minder die Wohlfühlschuhmarke Joya gründete.

gründer Karl Müller und sein gleichnamiger Sohn bearbeiteten mit ihren Marken Kyboot beziehungsweise Joya die gleiche Zielgruppe, zudem schossen innerhalb ­eines Jahres 800 Online-Shops aus dem Boden, die gefälschte MBT-Gesundheitsschuhe vertrieben. Gemäss Karina Storringgaard, Head of Marketing bei MBT mit Hauptsitz in ­Winterthur, wollte man in erster Linie das generelle Marktvertrauen in physiolo­ gische Schuhe wieder aufbauen und die Konsumenten zurückgewinnen, die vom Hype der vielen Mitbewerber und von der ­darauf folgenden negativen PR verunsichert waren. Ausserdem sollte die Bekanntheit der Marke im Ausland gesteigert, der Umsatz gehalten und langfristig ausgebaut s­ owie ein zentrales Marketingkonzept entwickelt werden.

Swiss Poster Award – Silber «Kultur»: «Don Giovanni» für Theater Biel Solothurn von Atelier Bundi.

Kunde macht König Die mit der neuen Markenpositio­ nierung beauftragte dänische BrandingAgentur Kunde & Co. entwickelte in Zusammenarbeit mit MBT folgende FünfPunkte-Strategie, so Henrik Kattrup, Managing Partner der Niederlassung von Als zentrales Rahmenkonzept wurde Kunde & Co. in Zürich: laut Kattrup «Made for Your Body» ent­ •  Fokus auf die Kernzielgruppe und deren wickelt, das auf die Sohlenkonstruktion Beeinflusser – über 40-jährige Konsumen- und ihre gesundheitlichen Vorteile fokusten und ihre Physiotherapeuten. siert. Nachdem das Konzept an internen • Schönere und modernere Modelle, Workshops eingeführt war, wurden die um das Image aufzupolieren – der Kunde Aktivitäten gegenüber Healthcare Professoll mit den Gesundheitssionals gestartet und interschuhen nicht mehr krank nationale Kongresse beKunde & Co. aus­sehen; Entwicklung eines sucht. Ein Kompendium mit glaubt, dass es Instabilitätsindexes – die rund 40 wissenschaftlichen Kol­­lektion in unterschied­ Studien zur Funktion und noch 1 bis 1,5 liche mangelnde Standfestig- Jahre dauert, bis Seriosität von MBT wurde keiten für unterschiedliche produziert und verteilt. Kat­ MBT am Ziel ist. t­­rup zufolge kann kein MitMuskelbeanspruchung unterteilen. bewerber etwas Ähnliches •  Weniger Sport- und mehr Healthcare- vorlegen. Parallel dazu startete MBT in Distribution – in Apotheken und orthopä- einzelnen Märkten wie Italien und Spa­ dischen Geschäften; den traditionellen nien Inseratekampagnen; in der Schweiz Schuhhandel und die Mono-Brand-Shops und in Deutschland begann man, Fan­ ausbauen. gemeinden auf Facebook und Aktionen in • Die internationale Organisation klar den Shops aufzubauen. Weitere Märkte streamlinen. sollen folgen. • Eine neue Kommunikation mit einer Die Kampagnen für die Konsumenten ästhetischen Bildwelt aufbauen sowie laufen jeweils sechs Monate, dann werden ­ Mund-zu-Mund-Propaganda zufriedener sie innerhalb desselben Konzepts erneuKunden fördern. ert. Dies hängt gemäss Kattrup mit der

Kollektion von MBT zusammen, die zweimal jährlich erscheint. Wie er weiter erklärt, hat man sich aus Kostengründen für ein zentrales Konzept entschieden, weil dies die einzige Chance gewesen sei, genügend Budget für die ­Implementierung zu haben: «Schöne Bilder kosten Geld.» Zudem sei der Markt global und Consumer Researches hätten gezeigt, dass es in den einzelnen Ländern kaum lokale Unterschiede gebe.

«Made for Your Body» Bis das Konzept definiert und gestalterisch umgesetzt war, vergingen zehn Monate. Kunde & Co. geht davon aus, dass weitere 1 bis 1,5 Jahre nötig sind, bis es in allen Märkten sowohl Konsumenten als auch Beeinflusser erreicht hat. Die grössten Herausforderungen bei der Umsetzung von «Made for Your Body» bestanden gemäss Kattrup darin, festgefahrene Meinungen in der internationalen Organisation zu ändern. Und dies, obwohl breit abgestützte Studien, Marktanalysen, Mitarbeiter-, Konsumenten- und Expertenbefragungen vorgelegt wurden.


Marketing | 61

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Gratwanderung der Reputation

DeinDeal Das Schweizer Schnäppchenportal buhlt mit satten Rabatten um Internetkunden. Die Anbieter profitieren vom Vertriebskanal und verzichten dafür auf Umsatz und Marge. Robert Wildi

D

Vier-Gang-Dinner und einer Flasche Wein auf dem Zimmer kosten nicht etwa 524 Franken, wie regulär ausgeschrieben, sondern können via DeinDeal für 259 Franken «gewonnen» werden.

er Schnäppchen-Newsletter donnert in Höchstgeschwindigkeit und voller Überraschungen über die Mail-Server. Bereits eine halbe Million Schweizer erhalten per elektronische Post Vermittler kassiert bei Lieferanten ab Gründer und Leiter des Unternehmens regelmässig Angebote von DeinDeal auf den Bildschirm geliefert, die ohne Zweifel ist Amir Suissa, der das Portal mit vier Geverlockend wirken. Da wird eine Gesichts- schäftskollegen vor knapp zwei Jahren behandlung inklusive Hautana­lyse für 99 aufgeschaltet hat. «Wir waren entgegen statt 235 Franken offeriert. Oder eine me- der Einschätzung verschiedener Experten dizinische Heuschnupfentherapie inklu- überzeugt, dass wir damit Erfolg haben sive Diagnostik, Akupunktur, Kräuterbe- würden.» So kam es. Zwei Jahre nach der handlung und Massage für 189 statt 450 Gründung zählt DeinDeal heute schon Franken. Auch ein Dreier-BH-Set kann per 160 Mitarbeiter und hat 2011 laut Ringier über 35 Millionen Franken Knopfdruck zum SchleuderUmsatz gemacht. preis ergattert werden. Auf Nicht alle Suissa hat in der Schweiz dem Discountportal wird es ­Unternehmen als Pionier das sogenannte für 39 statt 99 Franken feilgeGroup Buying Concept einboten. empfinden geführt. Es funktioniert so: Ein Tor, wer hier nicht zuSchnäppchen Der Kundschaft werden onschlägt und sich stattdessen als seriös. line Deals respektive Gutdie gleichen Produkte zum scheine für Produkte, AngeVollpreis beim Detailhändler, Naturheiler oder im Kosmetikstudio bote oder Dienstleistungen in der gesambesorgt – Wegkosten zusätzlich. Online- ten Schweiz offeriert. Diese enthalten in Schnäppchen-Anbieter wie DeinDeal lie- der Regel einen Rabatt von 50 bis 70 Progen voll im Trend und finden immer mehr zent auf den Normalpreis. Als Bedingung, Anhänger. Auch Wellness und alle ande- dass der Deal zustande kommt, braucht es ren Ferienarten können über das Portal eine Mindestanzahl Käufer in einer bezum regelrechten Wohlfühltarif erstanden stimmten Zeitperiode. Sobald diese erwerden. Zwei Nächte im Hotel Walliserhof reicht ist, kann das Schnäppchen eingein Grächen VS inklusive Frühstücksbuffet, löst werden. Wenn nicht, verfällt der Deal

und Kunden, die bereits gebucht haben, erhalten keine Kreditkartenbelastung. «Weil wir ihnen diese fixe Anzahl Kunden garantieren, gewähren uns die Unternehmen für ihre Angebote so hohe Rabatte», erklärt Amir Suissa. Hinter dem attraktiven Tiefpreis stecken also Skaleneffekte, von denen die Dienstleister profitieren können. Dies, obschon sie auf den bereits reduzierten Verkaufstarif nochmals eine Marge abtreten müssen. Denn auch DeinDeal will verdienen. Und dies nicht zu knapp. «40 Prozent des pro Deal erzielten Umsatzes gehen an uns», sagt Suissa. Das heisst: Der Anbieter der Gesichtsbehandlung erhält für seine Leistung mit dem ­realen Wert von 235 Franken am Ende gerade noch 60 Franken, also 25 Prozent. Kann das seriös sein? Nein, finden nicht wenige Unternehmen, etwa aus der Reisebranche. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis auf diesen Portalen sei nicht attraktiv, erklärte jüngst ein Vertreter von Tui Suisse gegenüber der Fachzeitung «Travel Inside». Und auch Kuoni winkt ab. Für ganz neue und unbekannte Marktteilnehmer könne es allenfalls Sinn machen, sich über Anbieter wie DeinDeal einen Namen zu machen, sagt der Leiter E-Commerce beim Branchenführer. «Der Marke Kuoni würde es wohl eher schaden.» Vor allem aus Imagegründen. Amir Suissa kann damit leben, dass nicht alle Unternehmen ihre Angebote

Kampf der Verlage

Ringier versus Tamedia – DeinDeal baut aus, Scoup geht ein Beteiligung Die Erfolgsgeschichte von DeinDeal zieht Investoren an. So hat sich das Zürcher Medienhaus Ringier letztes Jahr mit 60 Prozent am führenden Schweizer Anbieter im Group-Buying-Geschäft beteiligt. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Die restlichen 40 Prozent teilen sich die Gründer sowie andere Investoren. Expansion Neben der Stärkung der Marktführerschaft im Kerngeschäft

anzeige

möchte DeinDeal dieses Jahr neue ­E-Commerce-Angebote für die PortalUser (Smartphones oder Tablet PC) ­lancieren. Dazu gibt es noch engere Partnerschaften mit Anbietern wie ­M-Electronics, Sharp, Powerdata, Kraft Foods, Fujifilm oder der Post. Diese ­Kooperationen sind individuell auf­ gebaut und bestehen in der Regel aus gemeinsamen Deals sowie ganzen Packages, wie Amir Suissa, Gründer und Leiter von DeinDeal, bestätigt.

Konkurrenz Die wichtigsten Mitbewerber von DeinDeal sind zurzeit globale Portale wie Groupon oder Dailydeal. Weitere nationale Anbieter wie Dealini wollen vom Trend bei der Kundschaft ebenfalls profitieren. Nicht mehr im Rennen ist die junge Konkurrenz Scoup. Der Zürcher Tamedia-Konzern und sein Partner, das Modeportal Fashionfriends, stellen die erst Mitte September 2011 lancierte Aktionsplattform Ende April 2012 ein – 37 Mitarbeiter sind betroffen.

Swiss Poster Award – Bronze «Kultur»: «Macbeth» für Theater Biel Solothurn von Atelier Bundi.

über DeinDeal «verramschen» wollen. «Auch so werden bei uns wöchentlich 130 bis 150 neue Deals aufgeschaltet.» Die Nutzer hätten permanent Zugriff auf rund 200 aktive Deals. Dass sich darunter keine «heiklen» Angebote befinden, ist dem Chef äusserst wichtig. Denn damit hat DeinDeal schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht.

Heikles Thema Brustvergrösserung So wurde zum Beispiel im November 2011 eine Brustvergrösserung ohne ­Implantate für 1799 statt 3750 Franken ­an­gepriesen. Der ausführende Arzt, ein ­Dermatologe aus Biel BE, spritzte den Patientinnen die gleiche Flüssigkeit in ­ die Brüste, mit der Lippen vergrössert oder Falten ausgebügelt werden. Das Verfahren ist zwar umstritten, aber zulässig. Nur reichte die auf DeinDeal angebotene Menge von 50 Milliliter Flüssigkeit pro Brust nicht aus für einen sichtbaren Erfolg. Dafür wären 80 bis 150 Milliliter notwendig gewesen. Die Geschichte warf hohe Wellen und sorgte für Kritik von Seiten anderer Ärzte.

Daraus hat man bei DeinDeal die Lehren gezogen. «Bevor wir einen Deal anbieten, klären wir immer die Qualität und ­Seriosität des Anbieters ab», ergänzt Amir Suissa. Auf Schönheitsoperationen werde im DeinDeal-Portfolio zurzeit ganz verzichtet. Sollten sie dereinst als Angebot in Erwägung gezogen werden, dann nur über Ärzte mit FMH-Titel. Im Zusammenhang mit einem Schnäppchen für Augen-­ Laserbehandlungen offeriert DeinDeal der Kundschaft eine Geld-zurück-Garantie, sollte sich bei der obligatorischen Voruntersuchung herausstellen, dass der ­Eingriff nicht möglich ist. DeinDeal tut einiges, um das Vertrauen der Kundschaft zu gewinnen. Die anhaltende Imagediskussion sieht Suissa aus ­einem anderen Blickwinkel. «Viele seriöse Anbieter von Dienstleistungen arbeiten nicht mit uns, um ihr Produkt zu verscherbeln, sondern um es auf eine effiziente Weise bekannt zu machen.» Bei 500 000 Newsletter-Abonnenten beziehungsweise einer halben Million registrierter Nutzer – Tendenz weiter steigend – kann dem wohl kaum widersprochen werden.


62 | Marketing

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Hier entsteht die Zukunft

Silicon Valley Schweizer Geschäftsführer und Marketingmanager waren mit der Universität St. Gallen und Google Schweiz im Hightech-Mekka. Jasmin Eberharter und Kirsten Mrkwicka

A

ls Brutstätte steht das Silicon Valley unter ständiger Beobachtung. Viele Unternehmen verfügen über sogenannte Outposts in der Region, die Trends aufspüren und Kooperationen anbahnen. Für die Swisscom ist Daniel Gerber vor Ort. Die besondere Bedeutung seiner Funktion veranschaulicht er anhand des Investitionsanteils: 39 Prozent des US Venture Capital flossen 2011 allein ins Silicon Valley. Die Rangliste führen nach wie vor Softwarehersteller an, weil Cloud Computing, Analytics sowie M ­ obile zu den grossen Trends zählen. Für das Marketing haben insbesondere die Social-Media-Plattformen im Silicon Valley spürbare Auswirkungen. Konkret zeigt sich dies beispielsweise beim Super Bowl 2012, der während der Studienreise stattfand. Das Finale der amerikanischen National Football League ist traditionell nicht nur ein Sporthappening, sondern auch ein Marketingereignis, sodass die Zuschauer auch die Werbepausen aufmerksam verfolgen. Wurden die Spots früher exklusiv für die TV-Show produziert, können die Zuschauer nun die meisten Clips schon vorab auf Youtube anschauen. Erstmals wird zudem das bekannteste Werberanking, der «USA Today Ad Meter», nach der Übertragung des Spiels ­gemeinsam mit Facebook erstellt.

Was setzt sich durch? Der erste Besuch führt zu Google. Mit Betreten des Campus in Mountainview taucht man spürbar in eine eigene Welt ein. Ob auf dem Beachvolleyballfeld oder beim Tanzkurs – die Angestellten arbeiten

«Der Spirit des Silicon ­Valley ist einzigartig. Jeder Failure ist der Beginn einer neuen Opportunity.» Hans-Peter Rohner Chef, Publigroupe, Lausanne/Zürich

«Das Motto der S ­ iliconValley-Entrepreneurs lautet: Geschwindigkeit vor Perfektion.» Dominique von Matt Chef, Jung von Matt/Limmat, Zürich

hier nicht nur zusammen, sondern gestalten auch ihre Freizeit gemeinsam. Im Sitzungsraum angekommen, wird sogleich Urs Hölzle, Google-Vizepräsident, per Videokonferenz zugeschaltet. Authen­ tisch, bodenständig und offen geht er auf alle Fragen ein. Tabuthemen gibt es keine. Es folgen Präsentationen zu Mobile Trends, Youtube, Google+ und der Zukunft des Suchens. Eindrücklich zeigen die Vorträge, wie der Suchmaschinen­ betreiber nicht nur Websites, sondern alle verfügbaren Informationen ­integrieren, auffindbar sowie Nutzern zugänglich ­machen will. Von Videoanleitungen bis zu Wettervorhersagen findet der ­Algorithmus immer die passende Antwort. Weiter erhöht werden soll die Treffgenauigkeit durch zunehmend individuelle Ergebnis-

listen, beispielsweise mit Hilfe von Google+. Welche Innovationen sich durchsetzen, ist allerdings auch eine Frage des Marketings. Denn gerade was die Nutzung persönlicher Daten betrifft, müssen die Internetnutzer einen klaren Mehrwert erkennen und Vertrauen haben. Facebook ist erst 2011 in einen grösseren Gebäudekomplex umgezogen. Der rote Backstein erinnert von aussen zunächst an ein Verwaltungsgebäude. Innen präsentiert sich der Hauptsitz des populären Netzwerks aber in äusserst modernem und kreativem Design. Die Vorträge sprühen zudem vor Leidenschaft und hinterlassen den Eindruck, dass der Konzern trotz mittlerweile über 2000 Mitarbeitern seinen Start-up-Charakter bewahrt hat. Diesen Eindruck unterstützen Plakate und

Schweizer Studienreise

Illustre Gästeschar von HSG und Google Organisatoren Initiatoren der Studienreise ins Silicon Valley vom 4. bis 9. ­Februar 2012 waren Sven Reinecke und Marcus Schögel, beide Direktoren des Instituts für Marketing (IfM) der Universität St. Gallen (HSG), sowie ­Patrick Warnking, Country Manager, und Beat Bühlmann, Sales Manager, von Google Schweiz in Zürich.

sollten das Innovationspotenzial s­ owie die Möglichkeiten digitaler Kommunikation aufzeigen. Das Silicon Valley geniesst als Hightech-Mekka weltweites Ansehen und bietet durch die geballte Expertise ein ideales Umfeld für Innovationen. Auf der Suche nach neuen Ideen waren auch die 19 Teil­nehmer der Schweizer Studienreise.

Hintergrund Unternehmensbesuche bei Google, Cisco, Facebook und Twitter

Führungskräfte Folgende Schweizer Manager waren unter anderem dabei:

anzeige

Monica Glisenti (Leiterin Unternehmenskommunikation, Migros, Zürich), Jean-Marc Grand (Geschäftsführer, ­Gesellschaft für Marketing [GfM], ­Zürich), Klaus Kappeler (Chef, Goldbach Media, Küsnacht ZH), Hans-Peter Rohner (Chef, Publigroupe, Lausanne/ Zürich), Thomas Schwetje (Bereichs­ leiter Marketing, Coop, Basel), Jörg Trouvain (Chef, Holidaycheck, Bottighofen TG) oder Dominique von Matt (Chef Jung von Matt/Limmat, Zürich).

Swiss Poster Award – Sieger «Innovation»: «Konventionen» für «WOZ» von Spillmann/ Felser/Leo Burnett; ein digitales Plakat (Film).

Sticker, die sich überall im Gebäude finden: «Our journey is only 1% finished.» Wohin die Reise geht, bleibt auch angesichts des baldigen Börsengangs spannend – an Facebook vorbeischauen kann aber wohl kein Marketeer.

Scheitern ist kein Tabu Twitter findet sich als einziges der besuchten Unternehmen direkt in der ­ ­Innenstadt von San Francisco. Gäste begrüsst ein kleiner Empfangsbereich, der mit Sofas, Kissen und Bildern einem Wohnzimmer ähnelt – anders als bei Facebook steht der Umzug in grössere Räumlichkeiten noch aus. Bevor die Präsenta­tion startet, dürfen sich die Teilnehmer ­direkt aus dem Kühlschrank mit Getränke­dosen versorgen. Die Diskussion zeigt a ­ nhand von Beispielen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Twitter. Besonders interessant sind Informa­tionen zu den Werbeformaten des Microblogging-Diensts und der Hinweis, dass weitere ­Büros in Europa geplant sind, um Anzeigenkunden künftig vor Ort zu betreuen. Neben den Besuchen bei diesen drei Social-Media-Giganten umfasste die Stu-

dienreise auch Treffen mit dem Institute for the Future, Start-ups und dem Chief Technology Officer von Cisco Systems. Ziel dieser Gespräche war der Austausch über Erfahrungen in Innovationsprozessen. Über den Erfolg entscheidet nicht nur die Güte der Ausgangsidee, sondern auch ihre erfolgreiche Umsetzung. In den Gesprächen sticht die besondere Bedeutung des Experimentierens im Silicon Valley heraus. Wiederholt betonen die Referenten, dass selbst ein Scheitern kein Tabu ist, da sich so wertvolle Erfahrungen sammeln lassen. Statt nach Perfektion streben Unternehmer im Silicon Valley nach einer permanenten Betaversion, mit der sie ihre Ideen kontinuierlich weiterentwickeln: «Done is better than perfect.» Zusammengefasst lässt sich sagen: Aus dem Silicon Valley bringen alle Teilnehmer viele neue Ideen sowie Kontakte mit. Getreu dem Motto im Hightech-Mekka heisst es deshalb jetzt: Ausprobieren, ­Experimentieren, Umsetzen. Jasmin Eberharter und Kirsten Mrkwicka, Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Doktorandin, Institut für Marketing (IfM), Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen.


Marketing | 63

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Vom Trend ­unabhängig

Agiles Marketing Wie sich mit einem höheren Mass an Handeln die Komplexität überwinden lässt. Es gilt, hier die richtige Balance zu finden.

Swiss Poster Award – Nominiert «Innovation»: «Hauchdünn» für Citterio von Advico Young & Rubicam; geschnittenes Plakat.

Christian Kleiner

D

ynamischer (Hyper-)Wettbewerb, verkürzte Produktlebenszyklen, Multimedialität, Inflation von Medienkanälen, Verbreitung mobiler ­ Endgeräte, Kontrollverlust, Interaktion, Personalisierung – so lauten einige der ­aktuellen Herausforderungen. Agilität beziehungsweise agiles Marketing erweist sich als trendunabhängiges Konzept zur Überwindung von Komplexität und zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. In der Produkt- und Sortimentspolitik ist bei vielen Absendern und Marken­ verantwortlichen aber erhebliche Komplexität gegeben. Dies manifestiert sich auf der Grundlage einer grossen Vielzahl an Waren und Dienstleistungen. Permanente Anpassungen in der Produkt- und Sortimentspolitik stellen hohe Anforderungen in Bezug auf die verlässliche Aktualisierung von bereits publizierten Kommunikationsinhalten. Immer kürzere Warenlebenszyklen bei weitgehender Waren­ parität führen zu einem erheblichen Innovationsdruck. Gleichzeitig verkürzen sich die Zeitfenster zur Lancierung von neuen Produkten und Dienstleistungen.

Komplexität wird immer höher Inhalte und Botschaften bestehen aus verschiedenen Informationskategorien. Die Verantwortlichkeit dafür ist intern auf verschiedene Personen und Abteilungen verteilt. Zur Entwicklung von (multime­ dialen) Medienbausteinen werden zudem in hohem Masse externe Dienstleister involviert. Die Zusammenarbeit mit diesen

ist üblicherweise geprägt von eklatanten Medienbrüchen und führt damit zu Langsamkeit sowie Umständlichkeit. Je höher zudem der Grad an gewünschter Lokalisierung und Individualisierung ist, umso höher wird die Komplexität. Zur Verbreitung der Botschaften stehen­ den Kommunikationsverantwortlichen eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Verfügung. Die Verbreitung von mobilen Endgeräten oder die wachsende Bedeutung von sozialen Netzwerken im Mediennutzungsverhalten der Empfänger eröffnen

Agilität

Ohne Kontrolle zu verlieren, handeln Definition Agilität (vom lateinischen Wort «agilis» für flink oder beweglich) ist die Fähigkeit, die Richtung und Position des Körpers schnell und effektiv zu ändern, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren. Überdies beschreibt Agilität Fähigkeiten eines Unternehmens oder einer Organisation, um schnell, anpassungsfähig und proaktiv in Zeiten der Veränderung sowie Unsicherheit zu handeln. Das Konzept der Agilität gilt mittlerweile auch in der Managementlehre als Quelle zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Eine Übertragung auf den Marketing- und Kommuni­ kationsbereich liegt folglich nahe.

neue Chancen. Erfolgreiche digitale Marketeers tragen diesem Umstand Rechnung, indem die Budgets für klassische Media- und Reichweitenleistung signifikant reduziert respektive zugunsten der Erstellung von Inhalten verlagert werden. Die Absatz- und Medienkanäle verlangen nach einer dezidierten Aufbereitung der Inhalte und Botschaften, was Komplexität, Koordinationsaufwand und die Kosten grundsätzlich erhöht. Auf Stufe der Empfänger von Kommunikationsinhalten spielen die Anzahl der angesprochenen Segmente oder gar die Individuen eine entscheidende Rolle. Bei der geografischen Verbreitung der Segmente und Empfänger sind selbstverständlich die persönlichen sprachlichen Ausprägungen zu berücksichtigen. Als markantes Merkmal der neuen Möglichkeiten und Medien (Web2.0) haben Absender von Inhalten zu gewärtigen, dass die Empfänger das Medium gleichberechtigt und ausserhalb des Einflussbereichs des Senders beeinflussen.

Am Donnerstag, 7. Juni 2012, lädt die ­Gesellschaft für Marketing (GfM) zu ­ihrem nächsten Brush-up. Die Abendveranstaltung in Zürich steht unter dem Titel «Uefa Euro 2012 – Das Sponsoring-Konzept von Mc­Donald’s». Im Namen von McDonald’s Schweiz referieren Thomas Truttmann, Marketing & Communications Director, sowie Aglaë Strachwitz, Communications Manager. Im Anschluss an die Präsenta­tion zum Auftritt an der Fussball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine von 17.30 bis 18.30 Uhr findet ein Networking-Apéro statt. Die Teilnahmegebühr inklusive Verpflegung beträgt 150 Franken für GfM-Mitglieder, 250 Franken für Nichtmitglieder.

Referat von David Meerman Scott Ein weiterer Brush-up der Gesellschaft für Marketing (GfM) steht dieses Jahr am Freitag, 7. September 2012, über Mittag auf dem Programm. Unter dem Titel

«­ Real-Time Marketing & PR» referiert der ­renommierte amerikanische Marketing­ visionär David Meerman Scott (im Bild). Die Veranstaltung findet von 12.00 bis 13.00 Uhr an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) statt, im Anschluss gibt es einen Networking-Apéro. Die ­Teilnahmegebühr inklusive Verpflegung beträgt 150 Franken für GfM-Mitglieder, 250 Franken für Nichtmitglieder. David Meerman Scott ist ein preisgekrönter ­Online-Thought-Leadership-Stratege ­sowie Autor von Bestsellern wie «The New Rules of Marketing & PR», «World Wide Rave», «Marketing Lessons from the Grateful Dead» oder eben «Real-Time Marketing & PR». Sein neustes Werk, das vergangenen November erschienen ist, befasst sich mit dem neuen Trend «News­ jacking» (siehe Beitrag auf Seite 47).

71. GV sowie GfM Marketingpreis Am Dienstag, 30. Oktober 2012, ab 17.00 Uhr findet im «The Dolder Grand» in Zürich zuerst die Generalversammlung der Gesellschaft für Marketing (GfM) statt, anschliessend wird der GfM Marketingpreis 2012 verliehen. Als Keynote-Referenten für die 71. GV konnte Hansueli Loosli (im Bild) gewonnen werden. Der frühere Konzernchef des Schweizer Detailhandelsriesen Coop (2001 bis 2011) und heutiger Verwaltungsratspräsident von Coop (seit 2011) oder Swisscom (seit 2012) sagt zur Zukunft des Marketings im Buch «The Future of Marketing» zum 70. der GfM: «Die Rolle des Marketings bleibt unverändert – die Kundenbedürfnisse

durch Amortisierung der Investments für Medienerzeugung und durch Personalisierung optimierte Kundenerfahrungen. Agiles Marketing versteht schnelle ­Veränderung als Konstante, es nutzt sie zum eigenen Vorteil und ist in der Lage, •  quasi in Echtzeit relevante Veränderungen zu Produkten, Märkten, Konkurrenten und vor allem Kunden zu identifizieren; • aus den gewonnenen Informationen zeitnah die richtigen Schlüsse zu ziehen, die richtigen Prioritäten zu setzen und Ressourcen schnell neu zuzuweisen; •  darauf basierend Wachstumsfelder und Opportunitäten gezielt zu kapitalisieren; •  neue Initiativen effizient umzusetzen. Es gilt im Spannungsfeld von Kontinuität, Strategie und Erneuerung die richtige Balance zu finden. Erneuerung ist keinesfalls mit Beliebigkeit gleichzusetzen. Christian Kleiner, Geschäftsführer, Marketinghub – Marketing Engineering Experts, Reinach BL.

anzeige

Medienwertschöpfungskette Agilität beschreibt das Gegenteil von Komplexität. Was ist also vorzusehen, um mit einem höheren Mass an Agilität die Komplexität zu überwinden? Wollen Marketing- und Kommunika­ tionsabteilungen ihre Agilität erhöhen, so sind sie gehalten, Kompetenzen eines ­Medienunternehmens beziehungsweise eines Multimedia-Publishers zu etablieren. Dazu bietet es sich an, das Konzept der Medienwertschöpfungskette zu etablieren. Dieses stellt Medienobjekte und

News

Event zur Uefa Euro 2012 mit McDonald’s

Prozesse ins Zentrum. Medienobjekte sind Bilder, Grafiken, Logos, Illustrationen, Textbausteine oder Audio- und Videoinhalte. Sie werden in einem Layout angeordnet und in fertigen Kommunika­ tionsmitteln (Kataloge, Preislisten, Websites, Inserate oder Medienmitteilungen) publiziert und distribuiert. Unternehmen investieren beträchtliche Summen in die Erzeugung solcher Inhalte. Insofern liegt es nahe, Medienobjekte als immaterielle Vermögens- oder Markenwerte respektive als Media Assets zu verstehen und sie ­professionell, im Hinblick auf Mehrfachund Wiederverwendung, medienneutral zu bewirtschaften. Anderseits gilt es, die unternehmensübergreifenden Prozesse entlang von Konzeption, Kreation, Layout, Produktion und Distribution zu organisieren sowie zu implementieren. Wertschöpfung manifestiert sich letzten Endes in Form von reduzierten Kosten, durch eine verkürzte «time to market»,

identifizieren, die Unternehmensaktivi­ täten hieran konsequent und besser als der Wettbewerb ausrichten und so dauerhafte Kundenpräferenzen schaffen. Die erfolgreiche Ausübung dieser Rolle wird jedoch zukünftig noch anspruchsvoller, als sie es heute schon ist. Ursache ist eine zunehmende Fragmentierung und Dynamisierung der Kundenbedürfnisse im Kontext sich ständig neu bildender und wieder auflösender Gruppierungen.»

Auftritt von Matthias Horx zum Streamen Für den traditionellen Brush-up zum ­Jahresauftakt konnte die Gesellschaft für Marketing (GfM) heuer den renommierten deutschen Trendforscher Matthias Horx gewinnen. Der Gründer und In­ haber des Zukunftsinstituts in Kelkheim und Wien referierte am Donnerstag, ­ 19. Januar 2012, in Bern und am Freitag, 20. Januar 2012, in Zürich unter dem Titel «Die Macht der Megatrends». Wer die Auftritte verpasst hat, kann sie auf der Website der GfM als Video streamen. www.gfm.ch/de/veranstaltungen



Marketing | 65

handelszeitung | Nr. 13 | 29. März 2012

Dialektische Beziehung

Markenpflege Brand Management ist eine komplexe strategisch-konzeptionelle Unternehmensleistung, die die Anbindung aller Stakeholder gewährleisten muss.

Sara Meyer

D

as Brand Management hat sich in den vergangenen Jahren von einer einseitigen zu einer dialektischen Beziehung – folglich im Diskurs – mit sämtlichen Stakeholdern verändert. Es reicht nicht mehr aus, dass Brand Mana­ ger professionelle Positionierungskam­ pagnen umsetzen, sie müssen damit auch sicherstellen, dass sie alle Anspruchs­ gruppen abholen. Marken müssen binden, Anreize schaf­ fen, Aufmerksamkeit generieren, Identifi­ kation stiften, Erfahrung vermitteln, Wün­ sche erzeugen, Kapital freisetzen und Ver­ anzeige

trauen wecken. Marken müssen konsis­ tent und zugleich beweglich sein. Diese Entwicklung schafft auch neue Herausfor­ derungen für die Marktforschung. Brand Research kann nicht länger nur ein Controllinginstrument zur Messung von Kampagneneffekten bleiben, sondern muss konsequent Entwicklungspotenzial aufzeigen. Diesem Umstand begegnet GfK Brand Insight, indem Reputations­ messungen systematisch in Instrumente der Markenführung zur Optimierung von Positionierung sowie Kommunikation überführt werden. Basierend auf einer systematischen ­Erhebung des Reputationsindexes werden

Swiss Poster Award – Nominiert «Innovation»: «Frierende Dessousmodels» für Transa von Ruf Lanz; überklebte Plakate.

in einem weiteren Schritt Bindungs- und Differenzierungspotenziale ermittelt. Der integrierte Ansatz weist somit einerseits relevante Kenngrössen für Management, Verwaltungsrat und Shareholder auf, an­ derseits auch konkrete Optimierungsan­ sätze für die Kommunikation mit externen ­Stakeholdern.

Migros siegt im Reputationsindex In der Schweiz hat sich der Reputa­ tionsindex GfK Business Reflector längst etabliert. Er weist jährlich Ruf und Anse­ hen der Schweizer Top-Unternehmen aus. In diesem Jahr nimmt Migros die Spitzen­ position ein, vor Swatch und Lindt &

Sprüngli. Doch auch die Spitzenpositio­ nen ruhen nie, denn sie müssen konstant sicherstellen, dass ihre Brand Experience und ihre Angebote den Kunden entspre­ chen. Da sich aus dem Ruf allein keine Kommunikationsstrategie bilden lässt, rückt der Dialog mit den Kunden in den Vordergrund. GfK Brand Insight stellt durch innova­ tive Forschungsansätze sicher, dass Unter­ nehmen die Bedürfnisse der Stakeholder kennen und in zielgerichtete Kampagnen überführen können. Die 360-Grad-Analy­ se beinhaltet Instrumente zur Planung, Kontrolle und Effizienzsteigerung von Po­ sitionierung und Kommunikation. Mittels

digitaler Instrumente werden sowohl die steuerbare als auch die eigendynamische, zumeist webbasierte Brand Experience gemessen und adaptiert. Diese Entwicklung beruht auf der Er­ kenntnis, dass Brand Research nur dann erfolgreich ist, wenn es die Interaktion nutzt, Erfahrungswerte der Stakeholder abbildet, auf der Metaebene aggregiert und somit Unternehmen direkte Entschei­ dungshilfen liefert. Ein neues, aber essen­ zielles Selbstverständnis der internatio­ nalen Marktforschung. Sara Meyer, Division Manager GfK Brand Insight, GfK Switzerland, Hergiswil NW.



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.