KAP Magazin #8: Innen/Außen

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Über das Innen und Außen

Inhalt

Warum schlägt an manchen Orten das Herz einen Takt schneller, fühlen wir uns in ausgewählten Räumen besonders wohl in unserer Haut? Ob in dem alten Zirbenholzstüberl der Berghütte, dem maritimen Shabby-Schick abblätternder Strandhäuser, der lichthellen Innen- und Außenarchitektur am Mittelmeer. Allen ist das Spiel zwischen innen und außen gemeinsam. Die Inspiration durch Berge, Meere, Seen oder uralte Parks. Die Sinnlichkeit von Umgebung und Architektur, die gemeinsame Verbundenheit und Weiterentwicklung.

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Allmann Sattler Wappner, München Oder der permanente Wettbewerb S. 5

brandherm + krumrey interior architecture, Köln Von zeitlosen Entwürfen S. 71

Wie ist es heute um die Verbindung von innen und außen bestellt? Wie reflektieren und planen moderne Büros, bei denen sich ein Bogen zwischen Budget, Anspruch, Größe und neuer Form spannen soll? Wir stellen zehn von ihnen vor, die sich mal mit dem Innen, mal mit dem Außen oder mit beidem beschäftigen.

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Es sind Architektinnen und Architekten, die nicht immer Metropolen brauchen, um zu Weltruf zu gelangen oder um sich zu außergewöhnlichen Arbeiten inspirieren zu lassen. Manchmal reicht dazu der Blick auf die grüne Wiese – ob im Allgäu oder in der Pfalz, ob in München oder Basel. Immer aber weist er über den Tellerrand des Bekannten, Gewöhnlichen, Gelernten hinaus – revidiert oder räumt auf.

HHF Architekten, Basel Das Einfache liegt dem Komplexen zugrunde S. 29

Ein Heft über Architektur? Ein Heft über die Lust am Bauen, Entwerfen, Gestalten. Ein Heft über das kreative Gespür, das Menschen zeigen, die beides verbinden – ein ästhetisches Innen und ein spannungsvolles Außen. Viel Spaß damit! Herzlich Ihr Andreas Grosz

2 SoHo Architektur, Memmingen Die radikale Handschrift der Provinz S. 13

Hild und K, München Und die Präsenz des Bauens S. 21

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5 O&O Baukunst, Köln Was an Idee und Form ist weiterführend brauchbar? S. 37

6 AFF Architekten, Berlin Ohne Reibung keine Wärme – die AFF-Familie S. 47

7 3deluxe, Wiesbaden Die Schönmacher – oder von der Poesie der kleinen und großen Dinge S. 55

8 J. MAYER H., Berlin Der Maßstab macht den Unterschied S. 63

10 ASTOC Architects and Planners, Köln Von großen Plänen und kleinen Details S. 79

11 Paul Robbrecht und Christiane Lange im Gespräch Über das Architektur & Kunst-Projekt MIK in Krefeld S. 87

12 Das Ungers Archiv für Architektur­wissenschaft, Köln »Brennen für Architektur in allen Facetten« S. 97


Architektur Ikone 05 griechisch ikóna: Bilder, die eine Kultur prägen.

ALGORITMO design CARLOTTA DE BEVILACQUA und PAOLA DI ARIANELLO DAS LICHT IM RAUM ALS MODULARES SYSTEM

ALGORITMO definiert eine völlig neue Dimension der Beleuchtung. Die Beleuchtung dient dabei nicht als Hilfsmittel sondern ist integraler Bestandteil der Architektur selbst. Das minimalistische Design und eine große Palette an technischen Optionen generiert scheinbar unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten – wahlweise mit LED, LED RGB oder Leuchtstofflampen. Die ALGORITMO Familie besteht aus: Einzelleuchten, Einbau- und Aufbauleuchten für die Wand- oder Deckenmontage, Pendelleuchten und Bodeneinbauleuchten. www.artemide.de/algoritmo

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Baby Dragon


Allmann Sattler Wappner Von Oliver Herwig

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Lange Zeit galten sie als Nachwuchsstars der Architekturszene, manchen gar als deutsches Pendant zu Herzog & de Meuron. Auch Allmann Sattler Wappner bürgen mit ihren Namen, auch sie verabscheuen technische Kompromisse, auch sie deklinieren jede Bauaufgabe so durch, dass ein Thema sichtbar wird. »Die Arbeitsfelder des Büros umfassen das gesamte Spektrum architektonischen Gestaltens«, heißt es ganz selbstverständlich auf der Homepage. Der Ansatz: ganzheitlich. Der Anspruch: hoch. Den Durchbruch brachte ein gewonnener Wettbewerb. Das Samuel-von-PufendorfGymnasium in Flöha von 1996 wirkt noch immer frisch und stimmig, als Gegenstück zu einer seelenlosen Lernmaschine namens Schule. Als Ort, der Begegnung stiftet und Menschen zusammenbringt. Es hagelte Lob: Architekturpreis des Neuen Sächsischen Kunstvereins 1994. Lobende Anerkennung: Deutscher Architekturpreis Beton 1997. Sowie lobende Erwähnung: Deutscher Architekturpreis 1997. Das Büro ist seither gewachsen auf rund 60 Mitarbeiter, die es mit Aufträgen zu füttern gilt. Und diese stammen zumeist von Wettbewerben. Mitten in Münchens Nymphenburger Straße schnurrt also ein Wettbewerbsmotor. Ein eingespieltes Team, das in erstaunlich kurzer Zeit

Standort: München Gründungsjahr: 1993 Inhaber: Prof. Markus Allmann, Amandus ­Sattler, Prof. Ludwig Wappner Schwerpunkte: Das gesamte Spektrum architektonischen Gestaltens Mitarbeiter: 60 www.allmannsattler wappner.de 6

erstaunlich einprägsame Entwür­fe liefert. Kein Wunder, dass sich Markus Allmann (geboren 1959 in Ludwigshafen), Amandus Sattler (geboren 1957 in Marktredwitz) und Ludwig Wappner (geboren 1957 in Hösbach) von Anfang an für den Wettbewerb als beste Form der Ideenfindung einsetzten. »Ferrari unter den Gotteshäusern« 20 Jahre sind eine lange Zeit. Oder verdammt kurz, wenn man noch einiges vorhat. Ein Blick auf die Typologien ihres Bauens zeigt Familienbande und Entwicklungslinien, aber vor allem Individuen. Bereits früh entwickelte sich das Œuvre von Allmann Sattler Wappner erstaunlich vielfältig und fern jedes Formalismus: Wohnungsbauten (darunter das »Haus der Gegenwart« des Süddeutschen Verlags) S. 10 – 11, Städtebau (etwa der sensationelle Entwurf für die Werkbundsiedlung München, ungebaut, wie übrigens auch der Wettbewerbsgewinner Kazunari Sakamoto) S. 11, Kirchen (das symbolisch aufgeladene, gläserne »Herz Jesu« in Neuhausen für den ersten Ortspfarrer angeblich ein »Ferrari unter den Gotteshäusern«) S. 8 – 9, Firmensitze (etwa ein wagemutiger Entwurf für Loewe, unrealisiert, sowie ein spektakuläres Metallensemble in Reutlingen für den Arbeitgeberverband Südwestmetall) und Einkaufszentren (darunter der reinweiße, sehr modische Umbau der Stachus-Einkaufspassagen im Herzen von München). Viele Bauten, kein wiederkehrender Duktus, kein Repertoire an Stilmitteln, die dem Kenner sofort vermeldeten: Allmann Sattler Wappner. Einige Gebäude seien sogar stillos, unkte einmal ein Architektenkollege. Prompt sahen die drei Geschäftsführer darin ein großes Lob. »Das war mit das Schönste, was über unsere Gebäude je gesagt wurde«, entgegnete Vordenker Markus Allmann. Wie aber sind die Rollen der drei Partner verteilt? Wie spielen sie sich die Bälle zu? Beredtes Schweigen. In den Vordergrund drängen mag sich niemand. Die drei Geschäftsführer haben entschieden, dass persönliche Fragen tabu sind, ihr Büro soll sich einzig über die Arbeiten darstellen. Privates und Bürointerna taugen nicht für draußen. Seit 1987 besteht Allmann Sattler, 1993 kam Ludwig Wappner als Partner hinzu. 2004 zogen die drei Architekten von einem verwinkelten Hinterhauskomplex in eine selbst sanierte Fabrik in der zweiten Reihe der vielbefahrenen Nymphenburger Straße. Mag die Mehrzahl ihrer Arbeit aus gewon­ nenen Ausschreibungen stammen, Glück hat ihnen diese beachtliche Reihe von Erfol­ gen und Erstplatzierungen nicht immer gebracht. Modelle setzen schnell Staub an, erste Preise wie das Mobile Evolution Center in Bremen oder für das Verwaltungsgebäude


der Loewe AG in Kronach. Und doch setzt sich Wappner, ehrenamtlicher Landeswettbewerbsausschussvorsitzender Bayern, für mehr Ausschreibungen öffentlicher Bauaufgaben ein. Wie sieht die Idealjury aus? Klein, antwortet Wappner, mit viel Engagement und einem Sinn für das Spekulative. Barrierefreiheit Immer wieder Bildungseinrichtungen. Kein Wunder, dass sich Allmann Sattler Wappner für Kindergärten und Schulen engagieren. Hier sollte »das Thema der Barrierefreiheit längst schon eine Selbstverständlichkeit für den Architekten, aber auch für die Bauherren darstellen«, fordert Wappner. Und setzt hinzu: »Wegweisende und qualitätsvolle, aber auch wirtschaftliche und ökologische Bauten für Kinder, die dazu auch noch das Thema der Barrierefreiheit als selbstverständliches Gestaltungselement beinhalten, sollten verstärkt als vorbildhafte Baumaßnahmen öffentlich gemacht werden.« Klingt hier nicht schon so etwas wie eine Philosophie an, ein Weg, große Worte von der architektonischen Qualität im Konkreten festzumachen, in der präzise geplanten Schule (fürs Leben), getreu der genialen Erkenntnis des Staatsmannes und Literaturnobelpreisträgers Sir Winston Churchill, dass wir zwar unsere Häuser entwerfen, diese uns später aber prägen? Wo liegen also die Stellschrauben, um am feinen Gespinst von Architektur (als räumliche Organisation sozialer Aufgaben und Strukturen) und Gesellschaft anzusetzen, um Wohlbefinden und Funktionalität zu verbinden? Bauen bedeutet für Allmann Sattler Wappner eben keine Automatik, keine Autobahn vom ersten Entwurfsgedanken bis zum Richtfest. Bauen hat viel mit Selbstzweifel zu tun, der zu neuen Lösungen führt. Dazu versuchen sich die drei immer wieder in eine »Art laienhaften Zustand zurückzuversetzen«, wie sie vor Jahren erklärten, »um den vorschnellen Rückgriff auf bestehende Typologien zu vermeiden«. Vielleicht ist das eine Erklärung für ihren Erfolg: Sie können Architektur vermitteln und wissen, dass Animationen nicht reichen, wenn Ideen Gestalt annehmen sollen. Architektur braucht mehr als Experten, die DIN-Normen kennen und die Tücken der Bebauungsvorschriften. Baukultur entsteht, wenn auch der Blick des Laien (besser noch: des Amateurs, des Liebhabers) hinzukommt und sich daraus Neues entwickelt (oder eben Treffendes für den Ort, den Kontext, die Stadt, das Leben). Und was ist das anderes als eine andere Art von Wettbewerb, ein permanenter Wettstreit um

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die besten Ideen. Das klingt sehr glatt, sehr gesteuert, sehr eingängig. Das ist aber nur eine Seite der drei Architekten. Hinzu kommt der listige Blick, mit dem sie Schwächen in Stärken verwandeln und ein Schuss Widerspenstigkeit. Wer nach dem Büro im Web sucht, muss schon vollständig eingeben: »www.allmannsattlerwappner.de«. Das hat Stil, das hat eine Handschrift, welche die drei Gestalter sonst verweigern, um sich nicht einzuengen. Darin ähneln sie tatsächlich Herzog & de Meuron.


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Herz Jesu Kirche, Neuhausen


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Haus der Gegenwart, M端nchen


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oben: Haus der Gegenwart, München  unten: Werkbundsiedlung, München


Architektur Ikone 02 griechisch ikóna: Bilder, die eine Kultur prägen.

CHOCOLATE LED design a.g Licht ÄSTHETIK UND NACHHALTIGKEIT WERDEN EINS CHOCOLATE ist die Verbindung von Ästhetik und gelebter Nachhaltigkeit: Maße und Materialität der Leuchte definieren ein neues visuelles Niveau im Bereich der Bürobeleuchtung. Ein Tageslicht- und ein Anwesenheitssensor garantieren tagtäglich und ohne Zutun einen optimierten Energieverbrauch. Die CHOCOLATE Familie umfasst: Stehleuchte, Pendelleuchte und Wandleuchte. Informationen: artemide.de/chocolate


SoHo Architektur Von Inken Herzig

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Standort: Memmingen Gründungsjahr: 2000 in Augsburg, 2007 Umzug nach Memmingen Inhaber: Alexander Nägele Schwerpunkte: Einfamilienhäuser Mitarbeiter: 8 www.soho-architektur. de

Es ist ein Büro, das keine Metropole braucht, um aufzu­fallen. SoHo Architektur aus Memmingen mag in einer kleinen Gemeinde mit gut 41.000 Einwohnern liegen, aber es hat große Ideen, wie schon der Name vermuten lässt. Soho? Alexander Nägele, der Büroinhaber, lacht. »Nein, der Name hat eher regionalen Charakter. Es handelt sich um die Abkürzung zweier Mitarbeiternamen der hiesigen Bauaufsichtsbehörde.« Eine Hommage an sie war es nicht, eher eine kleine, feine Ironie für die Schwierigkeiten, die sie mit der Behörde erlebten, erzählt der Architekt. Da horcht man auf: Da verzichtet ein junges Architektenbüro zum einen auf eine Metropole im Rücken, zum anderen auf die gehörige Portion Eitelkeit im Namenszug. Macht weniger aus sich, sondern mehr aus den Bauten, die es umsetzt, und gewinnt dabei die renommiertesten Architektur-Preise. Ob nominiert für den BDA-Preis von Bayern 2013, den »best architects award« 2013, den Baupreis Allgäu, den Holzbaupreis Baden-Württemberg und so weiter und sofort. Die Liste ist lang, die Erinnerung daran kurz. Schön, aber nicht so wichtig, wiegelt Nägele ab. Was wichtig ist? Dass sie bauen dürfen, wie sie sind: kein Bau gleicht dem anderen, keine Formensprache, die sich wie ein roter Faden oder ein schweres Tuch über die Bauten legt. Alle erinnern eher an Resultate eines offenen Dialogs. Mit dem Bauherren und der Umgebung. Das Tor zum Allgäu, das die traumhaftesten Hügel und Wälder im Weichzeichner-Format spiegelt. Eine Natur, die zu sagen scheint: mach mir’s einfach nach. Mit ihren von Löwenzahn überzogenen Heidi-Wiesen und den scharfen, scherenschnittartigen Zügen der Voralpenlandschaft. Ja, hier lässt sich Bauen! Das kann man verstehen. Hier weiß man um die Vorarlberger Schule, die vor der Haustür liegt, oder um die klare, alpine Architektur, die aus Südtirol herüberweht. Vorbilder? »Es ist schwierig genug, sich von der Welt nicht beeinflussen zu lassen«, sagt Alexander Nägele. »Das ist das Positive an der Provinz: die Einflüsse sind sparsam.« Nicht aber die Leidenschaften, die gibt es allemal. Ob für den Radikalismus und die Einfachheit eines Peter Zumthors, oder das Bedürfnis, sich selbst nicht zu verdrehen. In Memmingen geboren, in Memmingen zu Hause. Nie mit dem Wunsch, woanders hinzugehen. »Ich komme mit dem Menschenschlag hier gut zurecht«, sagt Alexander Nägele. »Ich hatte nie den Bedarf nach einer Metropole.«

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So gehören zum Berufs-Outfit die Bergschuhe, manchmal ein kariertes Hemd und eine zerzauste Beatles-Frisur. Eigen im Äußeren und etwas Eigenes vollbringend: das ist SoHo seit 13 Jahren: Ob mit schwarz verschalten Häusern, die an riesige Scheunen erinnern und in ihrem Inneren durch helle, weite Lebens-Landschaften überraschen, oder durch die Umbauten alter Fachwerk-Ensembles. Da werden dunkle Einrichtungen und enge Nischen gegen klare Treppenaufgänge, ästhetische Lichtachsen, klug eingefügte Bücherecken oder Galeriefenster mit integrierten Sitzecken getauscht. Denn SoHo ist ein Büro, das gleichermaßen das Innen und Außen versteht. Für einen Bauherren, der den Drang zum Sammeln über Jahre verspürte, entwarfen sie aufgeräumte Räume, die den Mann wieder atmen lassen. Dahinter steckt der Wunsch, ohne Schnickschnack auszukommen und


auf die Essenz zu reduzieren. »Bei jedem Projekt versuche ich, den Spielraum und die Rahmenbedingungen auszuloten«, beschreibt Alexander Nägele. »Wo die Reise hingeht, da lasse ich mich überraschen.« »Es gibt nicht den einen Weg, sondern vieles, was unterwegs passiert.« So umschreibt er auch die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen und den Tagesablauf wie auch die zukünftige Wohnsituation der Bauherren im Blick zu haben. »Bei den Innenbauten arbeiten wir dazu mit einem erstklassigen Team regionaler Handwerker zusammen«, erklärt er. Dass dies nicht unbedingt teurer sein muss als ein Haus von der Stange, bewies er mit

dem 125.000-Euro-Wohngebäude, das er für seinen Bruder entwarf. Ein neunzig Quadratmeter großer Holzbau, der die Anmutung Allgäuer Scheunen aufnimmt, dazu präzise gesetzte Fenster nach außen zeigt, Materi­alien wie Sichtbeton und Holz verwendet und außerdem noch genug Budget für den Innenausbau lässt. S. 16 – 17 So entstehen Architekturen, die mit Silhouetten wie mit dem Skalpell geschnitten, für sich selbst sprechen. Wie das »Haus ed.ot« S. 18, mit dunkler Holzverschalung und Garagenkubus aus Sichtbeton, das der Bayerische Rundfunk zu den Traumhäusern 2013 kürte. Oder das Haus im Althardt S. 19, östlich von Memmingen gelegen, das nach dem Abriss eines baufälligen Bauernhofes neu gebaut mit schnörkelloser Hofarchitektur und klugen Blickachsen die Natur zum Mitbewohner erklärt. Für Diskussionsstoff sorgten das schwarze und das weiße Haus-Ensemble in Memmingen, S. 17 das eine ganze Stadt zum Debattieren einlud. Die Verwandlung einer ehemaligen Schlosserei in ein radikales Wohnhaus mit schwarz lasierter Holzverschalung, inmitten einer heterogenen Häuserzeile mit zum Teil leer stehenden Bauten, bewies den Mut der Bauherren und des Architekten. Dass solch zeitgemäße Architektur nicht immer auf zeitgemäßes Denken trifft, unterlegten Vorschläge aus dem Stadtrat, die dunkle Fassade doch lieber zu verputzen. Auch das über einen Innenhof verbundene Nachbarhaus auf der Hinterseite – ganz in Weiß gehalten und mit klarer Form versehen – wurde zum Platzhalter einer lebendigen Architekturdiskussion. Nicht immer treffend, nicht immer berufen, aber immerhin. »Es war passiert, was man sich heute nur wünschen kann«, erzählt Alexander Nägele, »ganz normale Menschen beteiligen sich plötzlich an der Architekturdebatte«. Ein Dialog, den Memmingen nun weiterführen muss – ob die Gemeinde mit der 2000jährigen Geschichte nun will oder nicht.

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Haus BRU 1.25, Heimertingen


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oben: Haus BRU 1.25, Heimertingen  unten: WeiĂ&#x;es Haus Ensemble, Memmingen


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Haus ed.ot, M端nchen


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Haus im Althardt, Memmingen


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Baby Dragon

PSA PUBLISHERS

I world-architects.com


Hild und K Von Oliver Herwig

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Standorte: München, Berlin Gründungsjahr: 1992 Inhaber: Andreas Hild, Dionys Ottl, Matthias Haber Schwerpunkte: Bauen im Bestand Mitarbeiter: 50 www.hildundk.de

Die Tür fällt ins Schloss wie ein Tresor. Kein Empfang, kein Lächeln, kein Tresen. Links summt ein Server im Glaskäfig, die Garderobe rechts trägt schwer an Mäntel und Jacken. Dahinter arbeiten 30 Architektinnen und Architekten im Münchner Büro von Hild und K. Lange Tische, große Monitore. Keiner blickt auf, nur Dionys Ottl huscht vorbei. Kahl rasierter, glänzender Schädel, wache Augen. Ottl lächelt den trüben Tag einfach weg, obwohl er irgendwie gar nicht da ist, wie er gleich erklärt, sondern in Gedanken in Berlin, bei seiner Baustelle. An der Spree würde er gerne aufs Tempo drücken, am liebsten »einen ganzen Sonderzug mit Bauarbeitern und Gerät« in die Hauptstadt schicken. Rund 700 Kilometer quer durch die Republik. Es sei einfach eine andere Welt dort oben, sagt der langjährige Büropartner von Andreas Hild. »Das ist eben der Unterschied zwischen einer bäuerlich geprägten Kultur hier in Bayern und einer Arbeiterkultur wie in Berlin«, mischt sich Hild ein, ein Hüne mit geschorenem Haupt und Zweieinhalbtagebart. »Wollen Sie Kaffee?«, begrüßt er den Gast und geht voran in das Besprechungszimmer. Hild setzt sich vor die Bücherwand und lehnt sich zurück. Natürlich sei Architektur ein Personengeschäft, erklärt der Architekt, doch irgendwie nervt es ihn doch, dass das Büro immer wieder auf ihn selbst reduziert wird. »Wir sind zu dritt: Dionys Ottl, Matthias Haber und ich. Vergessen Sie das nicht.« Man merkt dem Büroinhaber an, dass er diese Rolle liebt: als Frontmann, der hinausgeht, die Welt des Bauens erklärt und Aufträge an Land zieht. Nachdenken über Architektur liegt dem gebürtigen Hamburger. Hild, 51, ist Vertreter jener Baumeister­generation, die verstanden hat, dass selbst der beste Entwurf sich nicht von selbst erklärt, dass Architektur, die eine Handschrift tragen will, zugleich er­ klärungsbedürftig ist. Die Bauten von Hild und K sind markante Charaktere: Ob nun das Einfamilienhaus in Niederbayern mit seiner strukturierten Ziegelsteinhaut wie ein gemütlicher Strickpullover. Oder das »Hotel Louis« am Münchner Viktualienmarkt, augenzwinkernd gemütlich wie der knisternde Kamin in der Lobby; und das Institutsgebäude der TU München S. 25 – 27, dessen titangraue, fast schwarze Klinker das Tragwerk des Ursprungsbaus aus den 1960er Jahren so plastisch ausformen, dass es etwas Körperhaftes gewinnt – Präsenz ist stets unabdingbar. Dazu kommt ein lässiger Umgang mit den in der Klassischen Moderne verschütt gegangenen Momenten von »Stimmung« und »Dekor«.

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Das hat dem Büro nicht immer nur schmeichelhafte Kommentare von Kollegen eingetragen, die sichtlich irritiert schienen von der dichten Atmosphäre, dem gelenkten Blick und den ausgesuchten Materialien vieler Bauten von Hild und K. Detailfanatismus und große Linie, das sind die beiden sich bedingenden Größen des Büros, das seit über 20 Jahren an den einmal gefassten Prinzipien weiterbaut. Ursprünglich Hild und Kaltwasser, nach dem viel zu frühen Tod des Partners abgekürzt zu Hild und K, arbeiten die Münchner nun zu dritt: Andreas Hild, Dionys Ottl (verantwortlich für das Berliner Büro) und Matthias Haber. Drei Partner. Drei Felder, die sich überlagern und ergänzen. Als Andreas Hild 2012 den Architekturpreis der Landeshauptstadt München erhielt, würdigte die Jury seine »hoch ästhetische eigenständige gestalterische Sprache« und bescheinigte dem Büro die »Kunst, bei unterschiedlichsten Bauaufgaben jeweils eindrucksvolle, spezifische und unverwechselbare Lösungen zu entwickeln«. Das mag banal klingen, führt aber ins Zentrum der gestalterischen Arbeit selbst, die sich den Ort einverleibt und seinen Materialien und Typologien neue Präsenz verleiht. Selbst das Banale scheint besonders, weil es ernst genommen wird. Wie Jiu-Jitsu-Kämpfer nehmen die Münchner auf, was sie vorfinden: Aufrisse und alte Pläne ebenso wie konkrete Betonträger und Mauern. Was verschwunden war, kehrt manchmal wieder, als strukturelles Orna­ ment oder konsequent durchdeklinierte Form. Hild studierte an der ETH Zürich bei Miroslav Sik, 1989 folgte das Diplom an der TU München. Die produktive Auseinandersetzung mit dem Kontext, der Straße, der Stadt, der Struktur, wird überdeutlich. Nach Gastprofessuren an der FH München, der Universität Kaiserslautern, der Kunstakademie Hamburg sowie an der TU Graz am Lehrstuhl für Entwerfen und Denkmalpflege der TU München. »Bauen im Bestand« ist tatsächlich eine der Stärken des Büros, das sich mit dem »Ernst eines Kindes beim Spiel« der Bauwelt stellt, mit spekulativer Energie und großer Lust, Dinge neu und anders zu betrachten. Hild und K, das war lange Zeit ein kleines, feines Büro, Spezialist für das Besondere, für clevere Lösungen und gewitzte Antworten. Heute arbeiten 50 Mitarbeiter in München und Berlin. Das Unternehmen ist gewachsen in mehr als einer Hinsicht. Waren es früher feine Einfamilienhäuser, Wartehäuschen und Theaterbauten, errichten die Architekten heute Büros und große Wohnkomplexe. Das Charakteristische ist


geblieben. Kein steriler, zwecklogischer Bau entsteht bei Hild und K, sondern – atmos­phärischer Mehrwert. »Wir wollen Häuser in jedem Maßstab auf den Punkt bringen«, fordert Hild. Er schätzt die gewachsenen Möglichkeiten und Fähigkeiten von 50 Mitarbeitern, den Weg von einer »Erfahrungskultur« zu einer »Forschungskultur«, die einmal gefundene Lösungen systematisch weiterentwickeln kann. Wer körperhaft baut, liebt bestimmt Modelle und noch mehr Modelle. Andreas Hild lächelt ein wenig spitzbübisch: Modelle? »Die kleinen Skulpturengärtchen« seien nichts fürs Büro. Eher schon im Maßstab eins zu eins, handgreifliche Details, die keine falsche Perspektive zulassen. Diese Distanz zu den Repräsentationsmedien klingt wie ein Plädoyer für das Eigentliche, den Bau, den es weder auszustellen noch als Erfahrung zu ersetzen gilt. Als das Büro vor Jahren Arbeiten in der Münchner Architekturgalerie ausstellen sollte, schufen die Architekten lieber eine Installation, einen Lesesaal mit Texten über das Bauen. So wortreich der Büroinhaber für seine Haltung wirbt, Architektur ist für ihn keineswegs gebaute Kommunikation, sondern vor allem eines: Architektur. Diese Einschätzung teilt Hild mit Miroslav Sik und dessen Vorbild Aldo Rossi, der ganz klar sagte: »Le architetture sono l’architettura.« Dann ist der Cappuccino ausgetrunken, die Worte verhallt, die Stunde vorbei. Andreas Hild setzt einen fragenden Blick auf, der heißen mag: Wär’ da noch was? Und weist auf Matthias Haber, der ins Besprechungszimmer gekommen ist, 37, gepflegter Spitzbart. »Er sorgt dafür, dass der Laden am Laufen ist.« 23


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TU M端nchen


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TU M端nchen


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Heizung

Frische Luft

Kühlung

Saubere Luft

Zehnder – alles für ein komfortables, gesundes und energieeffizientes Raumklima. ■ ■ ■ ■

Design-Heizkörper Heiz- und Kühldecken-Systeme Komfortable Raumlüftung Luftreinigungs-Systeme

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HHF Architekten Von Oliver Herwig

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Standort: Basel Gründungsjahr: 2003 Inhaber: Tilo Herlach, Simon Hartmann, Simon Frommenwiler Schwerpunkte: Architektur und Städtebau Mitarbeiter: 25–30 www.hhf.ch

Natürlich hütet jedes Büro sein Geheimnis, etwas, das den Erfolg ausmacht und eben nie ganz zu erklären ist, im Gegensatz zu einem ausgefeilten Ablagesystem für Daten. Vielleicht liegt ein Teil dieses Geheimnisses von HHF Architekten Basel an einem gewissen Ungenügen, einer inneren Unruhe, die sich nicht zufrieden gibt mit dem Naheliegenden, der sicheren Lösung, der vertrauten Umgebung oder bekannten Materialien. Tilo Herlach, 40, Simon Hartmann, 39, und Simon Frommenwiler, 40, arbeiten und denken international und sind gedanklich längst über Basel, die Schweiz, Mitteleuropa hinausgewachsen. Sie vernetzen und schlagen Wurzeln in anderen Erdteilen, anderen Kontexten, anderen Mentalitäten. Auf der Homepage von HHF findet sich ein schönes Arbeitsfoto der drei Inhaber am Besprechungstisch. Im Hintergrund Tabellen, Aufrisse, Simulationen, doch die drei sind abgetaucht in eine eigene Welt. Sie bereden einen Entwurf, der für den Betrachter unsichtbar auf Simon Frommenwilers Notebook liegt. Drei konzentrierte Blicke, drei Haltungen. Tilo Herlach wirkt wie auf dem Sprung, Simon Hartmann stützt seinen Arm lässig auf die Stuhllehne, während Simon Frommenwiler hoch konzentriert am Notebook präsentiert. Kabel quellen unter dem Rechner hervor, laufen auf den Betrachter zu, scheinen die Gedanken der drei zu verbinden mit 30


der Welt. Ja, dieses Bild fängt etwas von der Atmosphäre ein, die bei HHF herrscht. Lässigkeit braucht Präzision. Und umgekehrt. Wie sollte man ihre Arbeiten anders beschreiben als eine unglaubliche Mischung aus, ja, das klingt nun wie ein Klischee, schweizerischer Präzision und enormer Freiheit. Oder sollte man sagen: Offenheit für den Ort und seine Menschen? Ihre Häuser, Pavillons und Entwürfe für den öffentlichen Raum sind eben nicht nur stringent an einer Entwurfsidee ausgerichtet (Öffnung und Licht, Tragen und Befreien, Ordnung und Brechung derselben), sondern vielschichtig. Da ist oft eine faszinierende Form, etwa der Aussichtspunkt für die populäre Pilgerroute Mexikos, die »Ruta Peregrino« S. 32 – 33 im Bundesstaat Jalisco: scheinbar schnell zu erfassen, doch vertrackt in der Überschneidung mehrerer Kreissegmente, die bei näherer Betrachtung immer komplexer, reicher werden, eher einem Rhythmus im Raum gleichen als einer festgezurrten Konstruktion. Man kann es auch umgekehrt auffassen, und das macht zu keinem geringen Teil den Reiz vieler Projekte aus. Da ist eine hoch komplexe Raumfügung aus verschnittenen Ellipsoiden, Kreissegmenten und Linien. Diese Überlagerung regt an, um die Ecke zu blicken, neue Perspektiven in sich aufzunehmen. Und was steckt dahinter? Ein ganz rational geplanter Bau, der sich wie eine Fibonacci-Schnecke in die Höhe entwickelt und die Besucher förmlich nach oben reißt. Nirgends lässt sich das mit solcher Bestimmtheit sagen wie beim »Baby Dragon« S. 34, einer Spielskulptur für Kinder innerhalb des »Jinhua Architecture Park«. Ein geheimnisvolles Gebäude erhebt sich, ein Pavillon, eine Gräberwand? Auf jeden Fall Beton mit rötlichen Zuschlagstoffen, perforiert wie ein – Pardon – Schweizer Emmentaler. Elf verschiedene Formen machen das Repertoire aus, wodurch »nahezu unendliche Kombinationsmuster möglich sind«. Ähnliches lässt sich über das Modezentrum »Labels 2« in Berlin sagen S. 34 – 35, das verwirrend und einfach zugleich auftritt. Tragwerk und Fassade sind eine Variation über zwei verschieden geschnittene Sinuskurven. Die NZZ jubelte: Für die Architekturszene Berlins sei »Labels 2 Meilenstein und Signal des Aufbruchs zugleich.« Abschließend meint Hubertus Adam: »HHF zählen zu den hoffnungsvollsten Talenten der jungen Schweizer Architektur.« Das war 2010, und längst sind aus den Hoffnungsträgern Baumeister von internationalem Rang geworden. 31

Das Konstruktive ist eben nie Selbstzweck, es ist die Basis für etwas, was Baukultur heißt, ein Mehrwert, der durch alle Projekte schwingt, gleich, ob es sich um ein Haus in Berlin handelt, um Innenausbauten der Confiserie Bachmann in Basel oder Masterpläne für Praille-Acacias-Vernets in Genf oder La Défense in Paris. Da ist einfach viel positive Energie, eine Lust, das Bedenkenträgertum auszuhebeln. Vor zehn Jahren gründeten Tilo Herlach, Simon Hartmann und Simon Frommenwiler HHF Architekten. Bewusst haben sie sich international Aufgaben in China, Deutschland, Frankreich, Mexiko und den USA verschrieben, die sie weiterbrachten. »Seit der Gründung suchen wir bewusst die inhaltliche Zusammenarbeit mit Künstlern und anderen Architekten«, heißt es in ihrem Mission Statement. Und das sind keine bloßen Worte. Allein mit Ai Weiwei haben die drei Basler mehrere Projekte in den USA und China realisiert. Wenn sie von dem großen Konzeptkünstler sprechen, schwingt Hochachtung mit, Respekt und der Wunsch, weiterzugehen. Hinter den Erfolgen arbeitet eine beachtliche Mannschaft aus rund zwei Dutzend Mitarbeitern. Denn Kollaboration funktioniert nur, wenn auch die inneren Abläufe stimmen. Nach der ersten Dekade sind Tilo Herlach, Simon Hartmann und Simon Frommenwiler ein eingespieltes Team, sie wirken zusammen, auch wenn es nicht ganz deutlich wird, wer wie und wann Impulse setzt, wer sie wie aufnimmt und weiterführt. Simon Frommenwiler, der im Gespräch sehr präzise auf Fragen antwortet, wird etwas unbestimmt, wenn es um interne Abläufe geht. Niemand will sich in den Vordergrund drängen, niemand will nur Verantwortung, die übernehmen alle drei zu gleichen Teilen.


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Ruta Peregrino, Mexico


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oben: Labels 2, Berlin   unten: Baby Dragon, Jinhua, China


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Labels 2, Berlin


Heizung

Design-Heizkörper: Zehnder Vitalo. www.zehnder-systems.de

Kühlung

Frische Luft

Saubere Luft


O&O Baukunst Von Helena Feldmann-Fischer, O&O Baukunst

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Standorte: Berlin, Köln, Wien Gründungsjahr: Haus-Rucker-Co: 1967 in Wien, Ortner&Ortner Baukunst: seit 1987 in Düsseldorf, 1990 in Wien, 1994 in Berlin und 2006 in Köln O&O Depot: seit 2011 in Berlin O&O Baukunst: seit 2011 in Berlin, Köln und Wien Gesellschafter: Manfred Ortner, Laurids Ortner, Roland Duda, Christian Heuchel, Harry Lutz, Florian Matzker, Markus Penell Schwerpunkte: Kultur, Shopping, Büros, Hotels, Wohnen, Städtebau, Interieur, Bauen im Bestand und Nachhaltiges Bauen Mitarbeiter: 40 www.ortner.at

O&O Baukunst – ein Architekturbüro mit fast 50-jähriger Bautradition. Legendär sind die Rauminterventionen und künstlerischen Experimente, die Ende der 1960er Jahre durch Haus-Rucker-Co auf den Weg gebracht wurden S. 43. Ende der 1980er Jahre kommt es zur Gründung des Architekturbüros Ortner&Ortner Baukunst in Düsseldorf, wo Laurids Ortner viele Jahre als Professor für Baukunst an der Kunstakademie tätig ist. Seit 1990 ist Ortner&Ortner Baukunst in Wien, seit 1994 in Berlin vertreten. 2006 wird unter der Leitung von Christian Heuchel auch ein Büro in Köln eröffnet. 2011 präsentiert sich das Büro unter dem Namen O&O Baukunst mit fünf jungen Partnern. Das »MuseumsQuartier« in Wien oder aktuell das Landesarchiv NRW im Duisburger Hafen sind nur zwei Projekte, die beispielhaft für die architektonische Haltung von O&O Baukunst stehen. »Was bringt uns weiter? Alle Auseinan­ dersetzung mit Architektur lässt sich rasch herunterbrechen auf die Frage: Was an Idee und Form ist weiterführend brauchbar?« Anlässlich der Podiumsdiskussion »Chiricos Nachmittag« S. 40 im Kölner KAP Forum sprachen Manfred Ortner und Christian Heuchel über ihre Positionen. Für den gemeinsamen Abend in Köln suchten sie nach einem adäquaten Ambiente,um sich über Baukunst zu unterhalten. Sprechen über Architektur in einprägsamer Atmosphäre ist für sie der beste Weg der Architekturvermittlung. Das Format des Tischgespräches schien ihnen am angemessensten zu sein. Drei schwarze Ledersessel, gruppiert um einen runden Tisch, auf dem die Bücher des Büros zu finden sind. Unter den Füßen ein weicher, handgewebter Perserteppich. Licht aus gedimmten Lampenschirmen über dem Rauchtisch unterstreicht die heimelige Atmosphäre. Das Publikum verschwindet im Dunkel. Vertrautheit und Gemütlichkeit, die einen befreiter sprechen lässt. Subversiv werden die eigenen Inhalte in kleinen Dosen dem Publikum eingeflößt. »Unser Architekturbüro hat ein fast prähistorisches Alter. Es sammeln sich über die Jahre hinweg kulturelles architektonisches Wissen, Erfahrungen im alltäglichen Baukampf und grandios verlorene Wettbewerbe an. Sie füllen unser O&O Depot in Berlin. Dieses wird nun an die Jungen weitergegeben. Über den >osmotischen< Austausch diffundiert die architektonische Haltung, so die Hoffnung. Ein wichtiger Begriff dafür ist >borrow<. >Borrow< steht für >borgen<, was >ausleihen< UND >zurückgeben< bedeutet. Wer nicht borgt,

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prägnant sichtbar und in Gänze aufgenommen werden. Der neue Speicherturm setzt sich mit feiner Ornamen­tierung von der alten Klinkerstruktur ab. Im Innern des Foyers blickt man über große >Bullaugen< in das gesammelte Archivmaterial. Hier wird Speicherfähigkeit gezeigt. Was sich hier ablagert aus der Alltäglichkeit vergangener Tage, setzt sich in der gebauten Masse als feine Schwingung fest. Emotionale Schwingungen, die auch durch das Zumauern der 250 vorhandenen Fenster des historischen Gebäudes freigesetzt werden. Jetzt, wo diese kräftige Ursprungsidee des Wettbewerbes Realität wird, stellen sich die Nackenhaare auf beim Betrachten dieser Radikalität.« »Wer das Gebäude einmal gesehen hat, wird es nie wieder vergessen.«

ignoriert historische Lernprozesse. Das Neue soll Anregung borgen, um den Formenschatz anzureichern. Wir wollen bauen über die Zeit hinaus. Jenseits des Zeitgeistes. Dabei helfen uns die >10 Hinweise für eine bessere Architektur< aus dem Jahre 2008. In ihrer Offenheit und ihrer Leichtigkeit sind sie zu einem permanenten Begleiter in unserem Büroalltag geworden.« 10 Hinweise für eine bessere Architektur: 1 Nichts erfinden 2 Alles mischen 3 Künstler fragen 4 Einfaches verfeinern 5 Fremde Ideen weiter­spinnen 6 Rätselhaft bleiben 7 Altes umarmen 8 Hülle von Inhalt trennen 9 Großzügig probieren 10 Lernen von der großen Zahl Quelle: Ortner&Ortner Baukunst, >10 Hinweise für eine

»Derart einmalige Lösungen versuchen wir seit 2006 auch in Köln umzusetzen. Berühmt berüchtigt ist unser Entwurf der sechs Triangeltürme, im Volksmund >Müngersdorfer Manhattan< genannt. Eine ge­ schickte Verdichtung auf dem ehemaligen RTL-Gelände an der Aachener Straße. Ebenso bemerkenswert: unser Entwurf für einen neuen Firmensitz in Köln-Deutz als kühne, auf Betonkernen schwebende Glas-Stahl-Konstruktion sowie für den Breslauer Platz am Rheinufer die urbane, hoch verdichtete Blockbebauung mit prägnantem >Domfenster<. In Köln werden in Zukunft 20.000 neue Wohnungen benötigt. Es scheint heute eine unlösbare Aufgabe zu sein, attraktiven und zeitgemäßen Wohnraum bereitzustellen.« »Ist die europäische Stadt Köln an ihre Grenzen gekommen? Wie soll es weiter­ gehen mit der Speicherfähigkeit der Stadt?« »Eine Möglichkeit besteht darin, die vielen urbanen Lücken homogen zu schließen. Dies birgt für die Stadt besondere Qualitäten. So verbindet sich Vorhandenes fast lautlos, ohne dass die eigenen Inhalte alles andere übertönen.«

bessere Architektur<, 2008

»Am Ende steht der Bau als öffentliche Kunst mit langfristiger Wirkung und großem Einfluss allein da mit seiner Ver­ antwortung. Für uns ist das Landesarchiv NRW in Duisburg S. 41 – 44 ein gutes Beispiel für unser Denken. Das Archiv zeigt sich heute zur Autobahn A 40 hin als markante ziegelrote Baufigur. Das vorhandene Speichergebäude aus den 1930er Jahren wird durch einen 76 m hohen Archivturm im Zentrum ergänzt. Das 148 Regalkilometer lange Archivgut des Landes kann nun 39

Helena Feldmann-Fischer sprach mit Christian Heuchel, Gesellschafter O&O Baukunst.


Chiricos Nachmittag Podiumsdiskussion im KAP Forum  Wie lange sind wir schon auf der Suche nach diesen Bildern? Bilder, die das fast Normale herüberbringen, die eine Wirklichkeit zeigen, bei der man die Szenen schon einmal gesehen zu haben meint, ohne zu wissen, wo und wann. Bilder, die all das Bekannte und Vertraute in eine geringfügig verschobene nächste Ebene kippen und sie mit einem Mal rätselhaft und fremd machen. Braucht es dazu ständig fließenden Regen wie in >Blade Runner<, oder die flackernden Straßenfeuer, die es in Neapel gab, wenn es kalt wurde? Wohin haben sich Chandler’s Typen verdrückt? Wo ist endlich die Bar von Hopper’s Nighthawks? War das nicht die Stadt, die einzige, in der es aufregend genug war, nur da zu sein; die sich nie aufdrängte und außer dichter Fremde keine extra Eigenschaften hatte? Keine Frage, es sind die Bauten, die den Ton angeben, die Stimmung machen. Wenn jemand von Atmosphäre, von Energie der Stadt spricht, so spricht er von der Baumasse, die im Hintergrund die Dinge davor zum Tanzen bringt. Wie immer sind es Schriftsteller, Maler, Filmer, Photographen, auch Philosophen, die von dieser Eigenschaft, diesen Stimmungen, die da ausgelöst werden können, berichten. Eigentlich alle, außer den Architekten, die auf der Jagd nach dem Neuen eben angestrengt dabei sind, die nächste spektakuläre Hülle zu erfinden. Bitte Freunde, keine neuen Sensationen, lasst uns doch endlich mit dem Repertoire arbeiten, das wir jetzt ungeniert verwenden dürfen: mit allem, was von der Antike bis zur Moderne brauchbar ist.

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Der Ort, das Umfeld, die Aufgabe geben vor, was angemessen ist. Eklektisch ist dabei gar nichts. Immer ist ein anderer, direkterer Weg zu finden. In Europa haben wir uns da mit grandiosem Erbe zu arrangieren, Altes mit Neuem zu flicken, beides zu einer anderen Einheit zu verschmelzen. Und ganz selbstverständlich schiebt sich da die überragende Qualität des Mediterra­nen ins Zentrum. Für uns nichts Neues. Chirico ist unser Patenonkel, seit wir seinen Namen buchstabieren konnten. Wie viele Nachmittage im Herbst haben wir auf der Piazza d’Italia mit ihm verbracht. Die Luft ist dann schon deutlich kühler, das Licht hat endlich seine Schleier abgestreift. Alles weit hinten ist jetzt so scharf wie die Dinge ganz vorne. Und der Strich zwischen Himmel und Meer pechschwarz. Klare steinerne Bauten um uns, von tiefer Sonne mit allen Kanten golden beleuchtet. Unmittelbar daneben mit langen blauen Schatten die kompakte zweite Welt. Laurids Ortner, »Chiricos Nachmittag«


Das Landesarchiv NRW S. 42–44 Es zeigt sich zur Autobahn und zum Innenhafen als markante ziegelrote Baufigur. Das vorhandene Speichergebäude aus den 1930er Jahren wird durch einen Archivturm im Zentrum ergänzt. Das Archivgut des Landes kann nun prägnant sichtbar und in Gänze aufgenommen werden. Die Öffnungen und die Dachflächen des bestehenden Speichers werden geschlossen. Der neue Speicherturm setzt sich mit feiner Reliefierung von der alten Klinkerstruktur ab. Das Gebäude nimmt Archivalien in insgesamt 148 Kilometern Regalen auf. Das Foyer liegt im Schnittpunkt des Speichers und der Büroflächen. Es entsteht ein angemessener Eingang für das neue Landesarchiv. Das Foyer und die öffentlichen Bereiche öffnen sich zur Uferpromenade. Im Innern des Foyers blickt man über große Öffnungen in das gesammelte Archivmaterial. Von hier aus wächst der Neubau nach Osten in das Baufeld hinein. Im fünfgeschossigen Anbau, der sich mäandernd entlang des Innenhafens erstreckt, sind Foyer, Verwaltung und zusätzliche Funktionen untergebracht.

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Landesarchiv NRW, Duisburg, 2013


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»Ballon für Zwei« Apollogasse Wien, Haus-Rucker-Co, 1967


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Landesarchiv NRW, Duisburg, 2013


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ZWANZIG JAHRE REVOLUTION IN DESIGN INNOVATION HANDWERK

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AFF Architekten Von Christina Gr채we

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Standorte: Berlin, Chemnitz Gründungsjahr: 1999 Geschäftsführer: Martin Fröhlich, Sven Fröhlich Schwerpunkt: das gesamte Spektrum architektonischer Aufgaben Mitarbeiter: 14 www.aff-architekten. com

Über den Begriff »Nachwuchsarchitekten«, der noch bis vor kurzem kursierte, schmunzeln sie. Als »AFF-Familie« bezeichnet Mar­tin Fröhlich das Büroteam, das seit 1999 um ihn und seinen Bruder Sven Fröhlich wächst. Als Quasi-Familie wollten beinahe alle – übrigens fest angestellte – Mitar­bei­ter 2012 auch privat in ein selbst entwor­fenes Baugruppenhaus in der Rummelsburger Bucht Berlin ziehen. Drei wohnen nun tatsächlich dort. Das tut dem Teamgeist in dem 14-köpfigen Büro aber keinen Abbruch: Die Hierarchien sind flach, die Diskussion steht im Vordergrund, »ohne Reibung keine Wärme«, so Martin Fröhlich.

Es wird geredet bei AFF, viel und durchaus kontrovers. Der Entwurfsprozess bindet alle ein, so eng wie möglich auch die Auftraggeber. Übereinstimmung von Anfang an, das gibt es nicht, aber das wäre ja auch langweilig, so entsteht nichts Interessantes. AFF gehen ihre Architektur objekthaft an – das heißt, dass am Anfang jedes Entwurfs Erinnerungen, Bilder und tatsächlich auch reale Objekte stehen, banale Alltagsgegenstände, die aus ihrem Kontext gehoben eine eigene Bedeutung erlangen. AFF haben einen reichen Fundus solcher Objekte zusammengetragen. Von ihrer Sammelleidenschaft konnte sich ein Bild machen, wer 2011 im »Deutschen Architektur Zentrum DAZ« (Berlin) die Ausstellung »In Love to« besucht hat: ein liebevolles Arrangement unzähliger Fundstücke, die von der Postkarte über technische Gegenstände bis zu Gipsmodellen reichten, letztere die einzigen konkreten Aussagen zu Architektur. Diese Entwurfshaltung spiegeln auch die Büroräume in der ehemaligen Stadtteilbibliothek von Berlin-Friedrichshain, wo noch Mobiliar aus DDR-Zeiten steht. Nicht die sparsame Kühle so vieler Architekturbüros empfängt einen dort, sondern schwere Holzregale und Tische, angefüllt mit Modellen, Büchern und den Sammelstücken. Auch die handwerkliche Annäherung an einen Bauprozess schätzen die Architekten. Damit ist die intensive Arbeit am Modell gemeint, aber auch, später auf der Baustelle selbst zuzupacken. »Wir sind aus der Generation, die ihr Fahrrad noch selbst zerlegt hat. Meine Kinder können stattdessen besser mein Handy programmieren«, stellt Martin Fröhlich amüsiert fest. Das ist also die Atmosphäre, in der das bisher eher übersichtliche, dabei so erstaunlich vielfältige Œuvre entsteht. Das bekannteste Projekt darunter ist sicher der Umbau sowie die Sanierung und Umnutzung von »Schloss Freudenstein« S. 50 in Freiberg von 2008, das man wohl als den Durchbruch des Büros bezeichnen kann. Inzwischen aber ist längst eine Reihe wei­ terer hoch interessanter Bauten entstanden, die bei aller Unterschiedlichkeit ei­nes gemeinsam haben: sie strahlen eine Individualität aus, die auf eine sorgsam zu­ geschnittene Erarbeitung schließen lässt. Martin Fröhlich zieht die Parallele zu Kindern, die man schließlich nicht nur einfach in die Welt setzt, sondern sich auch weiter­hin um sie kümmert. AFF Architekten sind offen für alle Bauaufgaben, das schließt auch Innenraumund Ausstellungsgestaltung mit ein. Die Individualität ihrer Gebäude entsteht

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Die Schutzhütte ist vielleicht das beste Beispiel für Martin Fröhlichs Aussage, dass AFF-Bauten gerne auch eine Provokation für die Bauordnung bedeuten. Wie diese fantasievoll auszulegen ist, haben die Architekten hier bewiesen: Die Hütte liegt unmittelbar hinter dem Ortsschild. Der Klausel, dass außerhalb des Orts nichts abgerissen werden und einem Bau höchstens zehn Prozent neu hinzu­gefügt werden darf, haben AFF ein Schnippchen geschlagen und die ursprüngliche Holzkonstruktion mit Beton umgossen. Später rissen sie das Holz innen weg – zurückblieb der Abdruck im Beton, eine so karg-poetische wie baurechtlich unangreifbare und mit dem BDA-Preis Sachsen 2013 ausgezeichnete Lösung.

jedoch nicht nur durch die unterschiedlichen Funktionen. Auch innerhalb des gleichen Genres lassen sich die Architekten je nach Situation jedes Mal neue Eigenheiten einfallen. So bei zwei Schulen, der Gemeinschaftsschule Anna Seghers in Berlin-Adlershof (2010) S. 51 und der Ludwig-Hoffmann-Schule (2012) S. 54. Der Charakter der ersten wird durch ein feines Punktraster auf der verputzten Fassade erzeugt. Die Idee kam von dem Muster schwedischer Armee-Tarnnetze, die die Architekten auch als Abtrennungen in die Klassenzimmer gehängt haben. Leicht und weiß hebt sich die Anna-Seghers-Schule vom gründerzeitlichen Hauptbau der Schule ab. Der wie auch der Altbau der jüngeren Schule in Berlin-Friedrichshain stammen von Ludwig Hoffmann. AFF haben hier Backstein als Reminiszenz an den Altbau gewählt und die Fassaden mit Luftlöchern und leicht zurückgesetzten Steinen dezent ornamentiert. Wieder ein zartes Muster, wieder das Wechselspiel zwischen Alt und Neu und doch ganz anders. Zeitlich zwischen den beiden Schulen liegt ein ungewöhnliches und AFF-typisches Gebäude, nämlich eine ehemalige Schutzhütte im Erzgebirge S. 52 – 53 (die Brüder Fröhlich sind begeisterte Skifahrer und nutzen sie als Ferienhaus).

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Eines der jüngsten realisierten Gebäude, das Wohnprojekt für die »AFF-Familie« ist das Baugruppenhaus in der Rummelsburger Bucht von 2012. Elf viergeschossige schmale, graue Häuser ergeben das Gesamtbild eines Riegels. Schon nach außen zeigt er, dass hier Gemeinschaft und Individualität zu Hause sind. Architekt und Bauherr in einem, wie klappt das mit der Rollenverteilung? »Die Hülle war vorgegeben, im Inneren bestimmt jeder selbst«, bringt es Martin Fröhlich auf eine knappe Formel. Was nicht 1:1 durchgehalten wurde. Beim nächsten Mal würde er die Trennung strenger handhaben, aber insgesamt habe der Bauprozess gut funktioniert. Auch hier gilt: es wird miteinander geredet. Und die nähere Zukunft? Martin Fröhlich ist optimistisch. Wachsen möchten die Brüder mit ihrem Büro nicht, die jetzige Größe sorgt für Stabilität. Auch die Regel, sich nicht auf eine bestimmt Nische festzulegen, halten sie für ein gutes Rezept. Diese Offenheit zeigte sich zuletzt bei der Sanierung des »Zentrums Taufe« in der Taufkirche Luthers in Eisleben für eine überkonfessionelle Nutzung, die mit dem Architekturpreis Sachsen-Anhalt 2013 bedacht wurde. Ausstellungsgestaltungen wie für das »Sportmuseum Berlin« und das Münzkabinett im »Georgenbau« des Dresdner Schlosses (2014) kommen hinzu. »Es gibt immer mehr Bauaufgaben im Bestand«, so Martin Fröhlich. Außerdem engagieren sich er und seine Frau, die Architektin Anja Fröhlich, in der Lehre, indem sie sich eine Professur an der EPFL Lausanne teilen. Der »Import und Export« ist ihnen dabei wichtig, und so laden sie für ihre Lehrveranstaltung deutsche Architekten in die Schweiz ein, die dort vom Beginn ihrer Tätigkeit erzählen. Auch an Wettbewerben nehmen AFF weiter teil. Ein länger zurückliegender Gewinn, das ArndtGymnasium in Berlin-Zehlendorf, das vom Bezirk ausgelobt wurde, wird wohl 2014 mit dem Baubeginn starten. »Es wird weitergehen wie bisher«, fasst Martin Fröhlich seine Prognose zusammen, und: »Spaß muss es machen!«


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Schloss Freudenstein, Freiberg


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Gemeinschaftsschule Anna Seghers, Berlin-Adlershof


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Schutzh端tte im Erzgebirge


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Ludwig-Hoffmann-Schule, Berlin Friedrichshain


3Deluxe Von Inken Herzig

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Standorte: Wiesbaden, Hamburg Gründungsjahr: 1997 Inhaber: (3deluxe architecture) Dieter Brell und Peter Seipp, (3deluxe graphics) Andreas und Stephan Lauhoff, (3deluxe motion) Andreas und Stephan Lauhoff, Sascha Köth Schwerpunkte: Architektur und Innenarchitektur in allen Leistungsphasen (nach HOAI); Generalplanung. Ausstel­ lungsarchitektur- und Innenarchitektur; multimediale Insze­ nierungen. Mitarbeiter: 30 www.3deluxe.de

»Eigentlich sollten wir Schönheit als Oberbegriff für unsere Architektur wählen«, sagt Peter Seipp lachend und Dieter Brell nickt. Die beiden sitzen in einem Jahrhundert­ wen­de-Bau in Wiesbadens Süden. Dort, wo die schicken Einkaufsstraßen, die Alleen und distinguierten Villen enden und die Gegend rauer, urbaner wird. Wiesbaden? Es braucht nicht die Megacity für 3deluxe zu sein, sondern eine gute Anbindung an den internationalen Flughafen, um rund um den Globus oder zwischen Osnabrück und Bad Driburg zu agieren. »Und dabei nehmen wir uns nicht ganz so ernst«, kommt es mit einem Schuss Humor. Andere tun es schon, denn das, was 3deluxe auszeichnet, ist nicht der akademische »form follows function« -Gedanke, nicht Bauhaus- oder Jahrhundertwende-Bauten. Sie mögen zwar in einem solchen residieren, aber sie planen bewusst für die Moderne. »Modern und modisch sind für uns keine Schimpfworte«, sagt Designer Dieter Brell. »Wir haben ein Gefühl dafür, wie Architektur im Moment aussehen soll. Danach entwerfen wir und glauben, dass es funk­ tioniert.« So entsteht in Hessens Hauptstadt, in einem Altbau mit Rennrädern auf den Fluren und zeitgenössischer Fotografie an den Wänden, Architektur voller Poesie und mit ikonografischem Charakter. Entwürfe, die nicht den Anspruch erheben, als Stein geschlagenes Zeugnis für die nächsten Generationen zu gelten, und Adjektive wie schön oder ästhetisch nicht scheuen. »In Deutschland fehlt oft der Sinn für Ästhetik«, bedauert Dieter Brell, »was hier gebaut wurde, erinnert häufig an ein Trauerspiel.« 3deluxe steuert gegen das Grau der Städte – mit hellen Fassaden, geschwungenen Oberflächen und lichter Innenarchitektur, die an blauen Himmel, schönes Wetter oder Sonnenstrände in Kalifornien denken lässt. »Menschen agieren und arbeiten international und sind in der Lage, diese Formensprache zu verstehen«, ist Brell überzeugt. »Und da in diesem Bereich so wenig gebaut wird, stellen wir auch keine Gefahr für andere dar«, fügt Peter Seipp augenzwinkernd hinzu. Seipp und Brell? Nur auf den ersten Blick der Kreative und der Taktiker. Auf den zweiten Blick zweimal geballte Emotio­ nalität und Brennen für die Sache. Die beiden kennen sich seit 30 Jahren. Dieter Brell startete zunächst mit den Grafikern Andreas und Stephan Lauhoff und weiteren Produktdesignern und Innenarchitekten Anfang der 1990er Jahre ein

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Designbüro. Das Büro wuchs am Thema Messearchitektur und explodierte vor der Expo 2000. Und plötzlich war Bedarf da: nach einem, der nicht nur die ästhetische, sondern auch die wirtschaftliche Seite verstand. Peter Seipp, als Wirtschaftsingenieur, begriff 1999 schnell die Nöte des Unternehmens, führte, bewegte, und 3deluxe wuchs, auch in der Architektur. Heute auf 30 Mitarbeiter, drei Fachgebiete, Niederlassungen in Hamburg und Wiesbaden und seit 2006 auch mit Architekturprojekten. Ikonen, die Resonanz brachten. Vielleicht war es der unverstellte Blick, der Möglichkeiten nicht von Unmöglichkeiten trennt. Vielleicht die dreidimensionale Assoziation, die nicht nur grafische Welten, sondern auch Mauern dehnen und verschieben kann. Vielleicht auch die Charakter-Mischung aus Brell und Seipp, die Hindernisse spielerisch überwand. Der Durchbruch gelang mit dem »Leonardo Glass Cube« im Jahr 2007 in Bad Driburg S. 58 – 59. Die Zentrale von Glaskoch, einem Hersteller, der unter dem Namen Leonardo weltweit Glasprodukte und Geschenkartikel vertreibt. Bekannt wurde das Unternehmen mit seinen bunten Pressgläsern, die mit weißen Wölkchen versehen waren und in Möbel- und Kaufhäusern schnell ihre Käuferschichten fanden. Laut einer Studie sollen zwei Drittel aller deutschen Haushalte Leonardo-Produkte besitzen. Dennoch wurde es irgendwann still um das Unternehmen. Bis sich der Inhaber entschloss, den Firmensitz neu bauen zu lassen. Die Glasfassade mit ihren organischen Formen spielte sowohl mit ungewohnten Sehgewohnheiten als


auch auf die gläserne Welt des Inneren an. Ein Neubau, der die rund 360 Mitarbeiter so beflügelte, dass sie gerne deutlich länger arbeiten als zuvor. Das spacige Gebäude diente später für Fernsehsendungen oder für Werbeaufnahmen exklusiver, deutscher Automarken – die PR kam für Leonardo sozusagen frei Haus. Das ganze Unternehmen bekam ein Markenlifting, wirkte nach außen transparent, frisch, wiederbelebt; gründete im gleichen Jahr noch einen EShop und brachte zwei Jahre später eine eigene Möbelkollektion heraus. Der Sprung ins Millenium war für Glaskoch geschafft. Und 3deluxe? Wurde nicht nur mit zahlreichen Publikationen, sondern für den Cube auch mit Architekturpreisen bedacht. »Als Quereinsteiger hatten wir Blut geleckt«, berichtet Brell. »Wir fanden das Thema Architektur spannend, weil es mehr erlaubte und die Aufmerksamkeit eine größere war.« Das Team entwarf weitere Vorzeigeprojekte: 2004 den »Cocoon Club« in Frankfurt. 2.700 Quadratmeter Fläche mit zwei Restaurants, die von innen und außen komplett durchinszeniert wurden. Von der Speisekarte bis zum Sessel – es gab nichts, was nicht von 3deluxe gestaltet war. Für Furore sorgte auch das jüngste Gebäude, dass die Kreativen für die Unternehmensgruppe Kaffee Partner in Osnabrück entwarfen S. 60 – 61. Das strahlend weiße Headquarter mit den wellenförmigen Balustraden an der Fassade wurde von dem Fachforum »german-architects« als Gebäude des Jahres 2012 gewählt. Eine besondere Auszeichnung für 3deluxe. Versteht sich das Büro bis heute nicht allein der Architektur, sondern dem Crossover aus Kommunikations- und Grafikdesign, Motion- und Webdesign und natürlich Innenarchitektur und Architektur verpflichtet. Dieses interdisziplinär agierende Team arbeitet zusammen, wenn es gewünscht ist oder die Kreativität des Auftrags es verlangt. Sein bester Entwerfer sei kein Architekt, sondern ein Produktdesigner, sagt Brell. Das neue Headquarter für Kaffee Partner aus Osnabrück erinnert die einen an die Architektur von Miami, die anderen an Kaffeeschaum – alles ist erlaubt. »Es soll freie Assoziationen wecken – wenn es das tut, haben wir es richtig gemacht«, ist Brell überzeugt. Dass gerade ein Architektenforum wie »german-architects« das Ergebnis ihrer freien, interdisziplinären Arbeitsweise auszeichnet, freut ihn besonders. »Wir wollten nicht die Geschichte der Kaffeebohne mit 57

dem Bau erzählen, sondern einen freundlichen Ort in zeitgemäßer Architektur und mit positiver Ausstrahlung schaffen. Einen Ort, der Dynamik verbreitet, so wie das Unternehmen.« Für Peter Seipp, den ausgebildeten Wirtschaftsingenieur, der nicht nur Herr der Finanzen von 3deluxe ist, sondern zugleich Projektentwickler und Akquisiteur, hat das formschöne Gebäude noch einen entscheidenden Nebeneffekt: Mit 1.650 Euro Baukosten pro Quadratmeter ist es ein echter Preisschlager. Ein Beweis, dass Ästhetik auch im bezahlbaren Rahmen zu kalkulieren ist. Dass man sich aber nach wie vor auch Visionen leistet, beweisen die neuen Objekte: eine High-End-Shoppingmall in Kairo, ein Hotel Resort mit Villen in Marrakesch, das Sharjah Light Island nahe Dubai, beide Projekte zusammen mit André Heller. Sharjah Light Island war bisher eine kleine, verwahrloste Insel, die in ein poetisches Erholungseiland verwandelt werden soll. Ohne Hotel, aber mit Freiflächen und Pflanzen und viel Licht. Illuminationen schenken diesem Inselchen ein neues Gesicht. »Ein zeitgemäßes und charmantes Projekt«, findet Dieter Brell. »Die Zeit des Gigantismus ist auch in den Emiraten vorbei. Heute ist es nicht mehr wichtig, das Größte zu haben, sondern etwas, das die Menschen wirklich berührt.«


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Leonardo Glass Cube, Bad Driburg


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Kaffee Partner Osnabr端ck


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Textile Spaces

Carpets Textiles Acoustics www.carpet-concept.de


J. Mayer H. Von Ulf Meyer

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Standort: Berlin Gründungsjahr: 1996 Inhaber: Jürgen Mayer H. Schwerpunkte: Architecture, Design, Research Mitarbeiter: ca. 20 www.jmayerh.de

Manchen Gebäuden gelingt sie einfach, die Quadratur des Kreises: städtebaulich angenehm konservativ und dennoch architektonisch innovativ zu sein – dies gilt beispielweise für ein aufsehenerregendes neues Wohnhaus in Berlin-Mitte, entworfen von Jürgen Mayer H. Es ist eine »Neuinterpretation des klassischen Berliner Wohnhauses« – allerdings der besonderen Art. Denn obwohl der Typus des an den Blockrand schließenden Mietshauses in Berlin gut eingeführt ist, ist es die Fassadengestaltung, die völlig aus dem spröden Berliner Rahmen fällt: Eine vielfach gewölbte, vor eine Glasfassade gehängte Schicht aus dreidimensional gefrästen Aluminium-Lamellen dient bei dem Wohnhaus in der Johannisstraße unweit der »Kalkscheune« zur Verschattung S. 67. Diese Schicht lenkt geschickt Tageslicht in die Innenräume und lässt das Haus im braven Berliner Blockrand dennoch wie einen extra­terrestrischen Zyklop wirken. Die seltsam geschmolzen wirkenden weichen Formen, ein Markenzeichen des Architekten, finden sich auch bei seinem neuesten Werk, einer »OLS House« genannten Villa bei Stuttgart S. 66. Dieses ungewöhnliche, luxuriöse Einfamilienhaus mit 500 Quadratmetern Fläche liegt auf einem Hanggrundstück mit weitem Blick in ein Tal. Die Bauherren wünschten sich einen Neubau, der diesen Ausblick auch im Inneren erlebbar macht. Die fließenden Räume, die Jürgen Mayer H. dem Haus eingeschrieben hat, öffnen sich visuell entsprechend zum Tal hin mit raumhohen Fenstern. Zusätzlich sind alle Böden mit einem spiegelglatten Estrich versehen, der dem Haus seine coole James-Bond-Ästhetik gibt. Für einen Architekten seiner Generation ist Jürgen Mayer H. auch außerhalb der deutschen Landesgrenzen ungewöhnlich erfolgreich: in Spanien, Dänemark und Georgien konnte der Wahlberliner bereits bauen – und auch im benachbarten Belgien. Ausgerechnet in der Provinzstadt Hasselt hat er einen spektakulären Justizpalast entworfen, der nicht nur wegen seiner prominenten Lage am Bahnhofsplatz sofort zum neuen Wahrzeichen der Stadt avancierte. Mit 13 Etagen ist er von der gesamten City aus gut sichtbar, auch weil seine skulptural-baumhafte Form auf ungewöhnliche Art drei unterschiedliche Volumen miteinander verschmelzen lässt. Als Inspiration für seinen Entwurf dienten Mayer H. die Haselnussbäume im Stadtwappen von Hasselt und die mittelalterliche Tradition, Gericht unter Bäumen abzuhalten. Vom Panoramarestaurant in der Spitze des Justiz-Turmes in 64 Metern Höhe kann man auf die ganze Stadt blicken – nur hier sieht man ihr neues bauliches Merkzeichen dann nicht.

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Das Büro J. Mayer H. Architekten beschäftigt heute fast zwei Dutzend Mitarbeiter, die sich neben Architektur- auch mit Kunst- und Design-Projekten beschäftigen. Im Büro in der Knesebeckstraße in BerlinCharlottenburg arbeitet man in einer Altberliner Wohnung mit Vorliebe an der Schnittstelle zwischen diesen Bereichen. »Meine künstlerischen Arbeiten habe ich nie unabhängig von der Architektur gesehen«, sagt Jürgen Mayer H. etwa, der einst Bildende Kunst studieren wollte, bevor er sich mehr für dreidimensionale Objekte interessierte und schließlich für ein Architekturstudium entschied. Der Hauptunterschied zwischen Kunst und Architektur liegt für ihn nur im Maßstab – und der Geschwindigkeit: In der freien Kunst lassen sich Ideen schneller umsetzen als in der Baukunst. Jürgen Mayer H. (Jahrgang 1965) ist der Maßstab seiner Aufgaben weniger wichtig, als dass Architekt und Auftraggeber die Neugier am Abenteuer Architektur teilen. Um Mayer H.'s ungewöhnliche Raumideen und eigenwillige Formensprache umzusetzen, bedarf es einer produktiven Komplizenschaft. Der organische Formenkanon, für den Mayer H. heute weltberühmt ist, wurde einst von dem deutsch-jüdischen Meister der 1920er-Jahre-Architektur, Erich Mendelsohn, inspiriert. Dessen Kaufhaus Schocken in Stuttgart von 1928 hat Mayer H. einst dazu gebracht, Architektur studieren zu wollen. Mendelsohn war der Meister der einmalig eleganten geschwungenen Fassaden mit horizontalen Fensterbändern – die damals noch völlig ohne Computerprogramm entworfen und baubar gemacht wurden. Selbst sehen hat Mayer H. dieses Meisterwerk leider nicht mehr können, denn es wurde 1960 ohne Not abgerissen. Aber auch für Mayer H.'s Baukunst spielt die mediale Vermittlung eine zentrale Rolle. Denn kaum einer wird sein Erstlingswerk aus eigener Anschauung kennen. Des Architekten erster großer Auftrag steht in seiner schwäbischen Heimat: Mit dem 2001 eröffneten »Stadthaus« in Ost­fildern wurde Jürgen Mayer H. bekannt. Es zeigt exemplarisch sein Interesse am Potenzial von Materialien, die, Zitat, »gezielt ungewöhnlich eingesetzt werden, um Sehgewohnheiten in Frage zu stellen, und so Irritationen auslösen«. Eine Holzkonstruktion aus vorgefertigten Elementen für die Mensa in Karlsruhe wurde mit einer vollflächig gummiartigen Kunststoffschicht aus Polyurethan über­zogen, geboren aus dem Gedanken 65

der Kostenersparnis und des Witterungsschutzes für das Holz. Dieser PolyurethanÜberzug wurde bis dahin nur für Dach­ abdeckungen und Brückensanierungen verwendet und ermöglicht formal das »Verschleifen« von Wand, Decke und Fußboden, so das ein »elastischer Raum mit kontinuierlichen Oberflächen« geschaffen wird, beschreibt der Architekt. Wie Kumulus-Wolken ist sind hingegen die Silhouetten des der »Danfoss Uni­ verse«-Gebäudes geformt, das die der Architekt 2007 in einem Technikpark in Nordborg/Dänemark gebaut hat. Die wechselnden Ausstellungen sollen Jugendlichen digitale Technologien auf spielerische Weise nahe bringen und in eine wortwörtliche »Entdeckungslandschaft« entführen. Noch exotischer muten die Formen von Mayer H.s Bauten in Georgien an. Ausgerechnet in diesem Land gibt es die höchste Konzentration von Gebäuden mit der Mayer H.’schen Architekturästhetik: eine Grenzstation, ein Flughafenterminal, eine Polizeistation und ein Bürgerhaus, das an mittelalterliche Wehrtürme erinnert S. 68. An der georgisch-türkischen Grenze sticht sein gekurvter Bau einer Grenzkontrollstation aus dem ländlichen Kontext hervor. Wie ein gebautes Willkommenszeichen für das aufstrebende »neue Georgien« bietet der exaltierte Neubau weite Terrassen mit Aussicht auf das nahe Schwarze Meer. Des Baumeisters Opus Magnum bleibt einstweilen jedoch seine Wolkenpromenade in Sevilla. Die »Metropol Parasol« genannten hölzernen Riesensonnenschirme über der Plaza de la Encarnación in der spanischen Stadt basieren auf einem orthogonalen Steckraster aus Holzeleme­ nten. Etwa 3.000 Kubikmeter finnische Fichte wurden in den sechs Riesenstützen und dem Dach verbaut, das wiederum wie die Mensa in Karlsruhe mit cremefarbenem Polyurethan überzogen wurde. Das Wolkendach, eine riesige urbane Skulptur, wurde zum neuen Wahrzeichen der Stadt: in bis zu 28 Meter Höhe kann man auf den Schirmen vom PanoramaRundgang auf die Dächer der Altstadt schauen – und träumen.


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OLS House, Stuttgart


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Wohnhaus JohannisstraĂ&#x;e, Berlin


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Grenzkontrollstation, Georgien


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MeirĂŠ und MeirĂŠ

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brandherm + krumrey interior architecture Von Inken Herzig

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Standorte: Köln, Hamburg Gründungsjahr: 1999 in Köln, 2000 in Hamburg Inhaber: Susanne Brandherm, Sabine Krumrey Schwerpunkte: Innenarchitektur Mitarbeiter: 15 www.b-k-i.de

die intensive Zusammenarbeit zwischen Susanne Brandherm und Sabine Krumrey. Beide Innenarchitektinnen starteten in Köln, Krumrey betreut heute den Hamburger Standort, während Susanne Brandherm die Kölner Institution hält. »Als Siamesische Zwillinge sind wir scherzhaft bekannt«, lacht Susanne Brandherm. Was nicht an dem zum Verwechseln ähnlichen Äußeren der beiden liegt, sondern eher an der Tatsache, dass sie die Wege zwischen der norddeutschen und der rheinischen Metropole bewusst kurz halten. Wichtig ist ihnen, dass Kunden in der Regel beide Innenarchitektinnen per­sönlich kennen. Eine wechselseitige Absicherung. »So ist jeder in das Projekt der anderen involviert und kann auch einspringen«, erklärt Susanne Brandherm. Dass die Intuitivgemeinschaft, die im alten Sitzungssaal im Kölner Rheinauhafen mit einem Zwei-Frauen-Büro begann, so lange und so erfolgreich miteinander arbeiten würde, war zu Beginn nicht abzusehen. Aus der Arbeitsgemeinschaft erwuchsen eine gute Freundschaft und dann fundierte Aufträge. Brandherm und Krumrey entwickelten sich mit Tempo und der ihnen eigenen Spannbreite – von 90 bis 30.000 Quadratmeter, ob bundesweit oder international agierend, gestalten sie alles.

Die Büroadresse? Die Aachener Straße in Köln. Dort, wo sie am lebendigsten ist. Wo Biertische und Sonnenschirme auf den Bordsteinen stehen, bis in den Nachmittag gefrühstückt werden kann und der Flaneur die Auswahl zwischen mindestens zehn Kölner kulinarischen Institutionen hat. Also: da, wo das Leben flirrt, die Straßenbahn um die Ecke rattert und der Kaffee in Köln immer noch am besten schmeckt, sitzt das Büro brandherm + krumrey interior architecture. Ein wenig zurückgenommen von den Wogen der Szene, in einem der typischen Kölner Hinterhöfe: Ziegelsteinmauern, das Haus fünf Stockwerke hoch, im Erdgeschoss das Büro. Was die Innenarchitektinnen Brandherm und Krumrey anders machen als andere? Ein roter Faden von Zeitlosigkeit durchzieht ihre Projekte. So wirken Ausstellungen – wie zum Beispiel das kleine Museum für die Duftmarke 4711 in Köln – immer noch so prägnant wie am ersten Tag. Seit 17 Jahren besteht 72

Groß-Projekte wie Unternehmensetagen, Restaurants, Hotels und Krankenhäuser gehören zu ihren Spezialitäten. Eines ihrer jüngsten Projekte, das gleich zwei Nutzungsmöglichkeiten – Hotel und Krankenhaus – vereint, ist der viergeschos­ sige Neubau der Main-Taunus-Privatklinik S. 74 – 75, den sie gemeinsam mit dem Frankfurter Architekturbüro »woernerundpartner« gestalten konnten. Hier gelang den Entwerferinnen der Spagat zwischen einem Krankenhaus mit einem Foyer, das die Gäste und Patienten bewusst mit Hotelambiente empfangen soll, einem nichtöffentlichen Restaurant und einem Hotel mit zehn Zimmern. Dass sie die Sterilität eines Krankenhauses vermeiden wollten, zugleich ihre Kompetenz einer modernen, zeitlosen Handschrift auf alle Räume übertragen und somit das Erscheinungsbild »Hotel« als roten Faden erkennbar durch das gesamte Haus führen, macht die Grundkonzeption aus. Dazu gehören auch die Pflegebereiche mit fast siebzig Betten, die von der anspruchsvollen Gestaltung her ebenfalls an Hotelzimmer erinnern. »Wir wollten auch den Begleitpersonen der Patienten das Gefühl des Dabeiseins vermitteln«, erläutert Susanne Brandherm. So ist bei unterschiedlicher Verwendung des Hauses ein stimmiges Gesamtkonzept gelungen, das einen ein­ heitlichen Auftritt auch bei ganz spezifischen Aufgabenfeldern bildet.


Dass die beiden Innenarchitektinnen nicht nur große, sondern auch kleine, feine Objekte wie das Kapitänshaus auf Sylt oder eine Leukämie-Station für Kinder planen dürfen, freut Susanne Brandherm besonders. »Als Studentin dachte ich immer, man müsse sich spezialisieren«, erzählt sie. »Heute mache ich die Erfahrung, dass sich alle unsere Projekte gegenseitig befruchten.« Über rein als Hotel genutzte Objekte macht sich die Kölnerin ebenfalls ganz individu­elle Gedanken. So zum Beispiel beim Projekt Hotel »Weinhaus Henninger« in der Pfalz S. 76 – 77. Ein historisches Gasthaus mit fast 160-jähriger Geschichte wurde in Kallstadt an der Weinstraße umgebaut. Kallstadt, ein 1.200 Einwohner großes, verträumtes Winzerdorf, ist durch seine Weine und Pfälzer Spezialitäten im Nah- und Fernbereich bekannt. Inzwischen ist das Weinhaus eines der Lieblingsprojekte von Susanne Brandherm, die vor dem Umbau erst einmal an den Wirtshaustisch verbannt wurde und eine Portion der Pfälzer Spezialität zu verspeisen hatte – Saumagen. Was für eine Kölnerin exotisch oder sogar fast wie eine Zumutung erscheint, wurde Grundlage für einen guten Arbeitsdiskurs zwischen Auftraggebern, Architekt Jochen Ziegler und der Innenarchitektin. »Das Restaurant in Kallstadt war schon zuvor feinschmeckerisch bekannt«, erzählt die Innenarchitektin. Seit 1855 genießt das Weinhaus einen legendären Ruf, an seinen Tischen nahmen Queen Elisabeth II., Reeder Aristoteles Onassis oder Champagner-Mogul Remy Heidsieck Platz. Die Küche war zu einstigen Zeiten auch nicht zu verachten: Benz soll sein Auto nur erfunden haben, um schneller an die Tische nach Kallstadt zu kommen, heißt es. »Die Gaststube mit ihren Holztischen und dunkel vertäfelten Wänden haben wir bei der Gestaltung deshalb kaum angerührt. Sie hat soviel Geschichte und Atmosphäre und wurde nur behutsam angefasst«, erzählt Susanne Brandherm. Ganz individuell und neu gestaltet sind jedoch die dreizehn Gästezimmer, die jetzt zum Haus gehören. Dass der Gast sich hier wie zu Hause fühlen soll, vermitteln die Räume auf den ersten Blick: die Farben der Gaststube wurden in den Wohnbereich gespiegelt und übertragen. Groß und offen wirken die Räume, die mit Platz und Möglichkeiten spielen. Die Zahl der Zimmer wurde im Planungsprozess mehrfach reduziert und so entstanden weite, offene Gemächer, die mit der romantisierenden Fachwerkgemütlichkeit des Außen bewusst wenig zu tun haben. 73

Sie binden eher Natur und Ort ein, vermitteln Panoramablicke über die Weinberge von Kallstadt bis zum Bismarckturm. Das Interieur ist reduziert, kosmopolitisch und zurückgenommen. Ein Platz, der viele Geschichten erzählen kann: von der feinen Küche, die einen Stock tiefer zelebriert wird, von dem Inhaber und Geschäftsführer Franz Weber, der dieses gewaltige Umbau-Unternehmen mit den Unternehmern Jochen Lampert und Frank Nickel in Angriff nahm. Von der gemeinsamen Idee, einen Ort der Geselligkeit, der Tradition, des Weines und des guten Essens zu schaffen – aber zeitgenössisch bitte! Und so schwebt der Duft der Pfälzer Küche und Gastlichkeit durch die Räume, sprudeln aus der Menükarte die Delikatessen und Verlockungen des Hauses, trifft man sich zum Digestif in der Weinbar oder dem von Brandherm und Krumrey gestalteten voluminösen Weinkeller, der bis zu 300 Personen fassen kann. Dass Verjüngerungskuren bei den Einheimischen nicht immer positiv aufgenommen werden, befürchtete die Innenarchitektin, durfte aber das Gegenteil erfahren. Einem 96-jährigen Gast, der schon als Kind zum Mittagessen ins Henninger kam, gefiel die Renovierung so gut, dass er jetzt noch regelmäßiger dort zu sehen ist.


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Main-Taunus-Privatklinik, Hofheim


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Weinhaus Henninger, Kallstadt


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MeirĂŠ und MeirĂŠ

Dornbracht Deque

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ASTOC Architects and Planners Von Ulf Meyer

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Standort: Köln Gründungsjahr: 1990 Inhaber: Peter Berner, Oliver Hall, Ingo Kanehl, Andreas Kühn, Markus Neppl, Jörg Ziolkowski Schwerpunkte: Architektur und Städtebau Mitarbeiter: 50 www.astoc.de

Die Gesetze der Proportion gelten in allen Maßstäben: Vom Großraum einer Stadt, eines Bezirkes, einer Straße, eines Gebäudes bis hin zu einem kleinen Raum im Haus und einem Möbelstück oder einem Detail in diesem Raum führt ein enormer Zoom: Alle Gestalter träumen davon, vom größten Zusammenhang bis in das kleinste Detail hinein entwerfen zu können — aber nur wenigen gelingt es. Denn zwischen den Disziplinen »Städtebau« und »Architektur« klafft eine Lücke. Entlang dieser klaffenden Lücke hat sich das Kölner Büro ASTOC Architects and Planners etabliert, das die Klaviatur der unterschiedlichen Maßstäbe beherrscht. Die Planungen umfassen den großmaßstäb-

lichen Stadtumbau genauso wie Kleinstprojekte. Es zeichnet dieses Büro aus, auf allen Maßstabsebenen, also von ganz groß nach ganz klein, zu denken, zu entwerfen und zu bauen. Diese Fähigkeit hat ihren Reiz: denn im Detail werden die Ergebnisse des planerischen Denkens sichtbar und vice versa. Anhand der HafenCity in Hamburg, dem größten Stadtentwicklungsprojekt Europas, ist ASTOCs Arbeit mit dem Ziel »Vielfalt« deutlich ablesbar S. 82 – 83. Die urbanistischen Vorgaben von ASTOC sind so robust, dass auch schwächere Architekturentwürfe dem städtebaulichen Konzept für Hamburg seine Stärke nicht nehmen können. Denn Masterpläne überleben Gebäude: Architekturen kommen und gehen — die Stadt aber bleibt. »Ein guter Masterplan erträgt auch vielfältige Architektur« — auf diese Formel bringt es das Kölner Büro. Ein wichtiger Schlüssel zu erfolgreichem Städtebau ist die Prozessgestaltung — und die setzt im eigenen Haus an. Um die Herangehensweise an neue Projekte »frisch« zu erhalten, dient die organisatorische Struktur bei ASTOC, die von den sechs Partnern (zu den drei Gründern kamen später noch drei Geschäftsführer hinzu) als »bisweilen anstrengend, aber immer förderlich« beschrieben wird. Die ökonomischen und auch architektonischen Tendenzen unserer Zeit und Gesellschaft führen heute oft zu einer Fragmentierung, die wilde Patchwork-Städte hervorbringt. Nachhaltiger Städtebau hat deshalb die vordringlichste Aufgabe, über eine Ansammlung geballter Egoismen hinauszugehen und ein kohärentes Bild zu entwerfen und zu entwickeln, das dennoch nicht zum engen Korsett wird.

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Bei der HafenCity gab es zunächst einen Wettbewerb und danach ging der Auslober davon aus, dass nun alles gebaut werden könne. Nach der Planung fängt die Arbeit für ASTOC eigentlich erst an. Auftraggeber müssen von den Vorteilen einer langfristigen Projektbegleitung überzeugt werden. Nach der Erstellung eines Masterplans gibt es meist einen Personalwechsel auf Seiten des Bauherren. Städtebau wird von vielen als Umsetzung von Einzelinteressen angesehen. Diese Einzelinteressen können nur ausbalanciert werden, wenn Planer und Bauherr präsent sind. Die Stadt muss also bereit sein, die Rolle des »Kerns« einzunehmen. Oft will sie sich aus dieser Verantwortung zurückziehen. Kommunen dürfen gegenüber Investoren aber nicht als Bittsteller auftreten, sondern als selbstbewusste Partner, die eigene Vorstellungen von ihrer Entwicklung haben. Beispiel Campus Nicht erst seit dem Wettbewerbserfolg für den Neubau der »Hochschule Ruhr West« in Mülheim an der Ruhr 2010 S. 84 – 85 (ge­ mein­sam mit HPP Architekten, Düsseldorf) richtet sich der Blick von ASTOC auf Campus-Planungen für Universitäten und Krankenhäuser. Der Hochschulbau in Deutschland entwickelt sich derzeit weg von der traditionellen »Bedarfsplanung«. Mit der Konkurrenz unter den Hochschulen genügt baulich der »niedrigste gemeinsame Nenner« nicht mehr. Universitäten sollen und wollen stärker in der Stadt präsent sein und genießen ihre architektonische Ausstrahlung. Um bessere Stadtbausteine zu werden, müssen Hochschulbauten attraktive Erdgeschosse bekommen und ansprechende städtische Räume bilden. Angenehme Eingangs- und Aufenthaltsbereiche gehören dazu. Ziel des Entwurfs für Mülheim sind konkret »Einheit und Vielfalt« bei der Gestaltung der unterschiedlichen Fassaden sowie der öffentlichen Räume zur Aufwertung des angrenzenden Stadtgebiets. ASTOC beschäftigt sich auch mit der Planung von Klinik-Campi und untersucht Expansionspotenziale. Planung bedeutet für das Architektur- und Planungsbüro, vorhandene Ressourcen, z. B. Freiflächen, überschaubare Dimensionen und Entschleunigung als Qualitäten aufzudecken. Planung schafft einen Raum, in dem die beteiligten Partner miteinander kommunizieren. Eine aktive Masterplanung sucht Konsens unter den Beteiligten, weil sich über die Möglichkeit der Betrachtung klären lässt, was gewollt oder sinnvoll ist. Verbal, visuell, juristisch und ökonomisch gestaltet das Team bei ASTOC seine Entwürfe so, dass sie vom Gegenüber ein »Ja« oder ein »Nein« verlangen. Der Planer muss abwägen, begleiten und provozieren. Erst die Darstellung macht 81

die Themen diskutabel und beurteilbar und befähigt so zur Entscheidung. Das Büro ASTOC wurde Anfang der 1990er Jahre zusammen mit niederländischen Partnern gegründet. »Beim Planen spielt die Zeit eine große Rolle und in der Architektur das Objekt und der Raum«. ASTOC versteht sich als »Architekten mit Fokus, der über das einzelne Gebäude hinausgeht« und der Architektur und Stadt zusammendenkt. Ein Architekturbüro mit städtebaulicher Expertise — der ganzheitliche Blick auf den Raum. ASTOC ist nicht wie ein klassisches Unternehmen streng hierarchisch von oben nach unten strukturiert. In ihrem Büro in der Kölner Südstadt, in einer hohen, lichtdurchfluteten ehemaligen Gewerbehalle beheimatet, ist zu spüren, dass gelungene Städtebau- und Architekturkonzepte nicht autoritär, sondern nur im Team erfolgreich bearbeitet werden können. Eine unverwechselbare »ASTOC-Handschrift« wird den Projekten nicht aufgezwungen. Die Projekte sind individuell und entstehen aus dem Dialog mit dem Ort, den Bauherren und der Aufgabe. Der Fokus liegt nicht auf der einheitlichen Handschrift, sondern auf der Lösung vielfältiger Aufgaben.


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Hafen City, Hamburg


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Hochschule Ruhr West, in M端lheim an der Ruhr


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Das Architektur & Kunst-Projekt MIK in Krefeld Helge Drafz im Gespr채ch mit Christiane Lange und Paul Robbrecht

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Mies 1:1 das Golfclub Projekt – Ein begehbares Architekturmodell Ausstellung in Krefeld, Egelsberg 26. Mai – 27. Oktober 2013 Öffnungszeiten: Mittwoch, Freitag – Sonntag 12–20 Uhr Donnerstag 12–18 Uhr (14.7., 15.9., 22.9. geschlossen) Eintritt regulär: 12 € www.projektmik.com

»Ein solches Modell zu entwickeln ist, als habe man die Noten eines Stückes von Bach und müsse es nun spielen.« Der Duft von Feldern und Wiesen streift durch die offenen Räume, ein Segelflugzeug dreht am Himmel weite Kreise – im »Landschaftsschutzgebiet Egelsberg« in Krefeld wurde ein Plan des berühmten Architekten Mies van der Rohe Realität: Das durch die Weltwirtschaftskrise nie realisierte Golfclubhaus des Architekten aus dem Jahre 1930 wurde als begehbares Modell im Maßstab 1:1 am Originalstandort errichtet. Es ist noch bis zum 27. Oktober 2013 zu besichtigen. Wie es zu dem spektakulären Plan kam, erklären die Kuratorin des Projekts MIK, Christiane Lange aus Krefeld, und der künstlerische Leiter, Architekt Paul Robbrecht, aus Gent. Helge Drafz: Wie entstand die Idee, einen Entwurf von Mies als 1:1-Modell zu realisieren? Christiane Lange: Es gibt diese Legende um das 1:1-Modell nach Plänen von Mies für das niederländische Ehepaar KröllerMüller von 1912. Um einen Entwurf in seiner Wirkung besser beurteilen zu können, ließ der Industrielle und Kunstsammler Anton Kröller Mies van der Rohes Pläne für ein Wohn- und Ausstellungshaus in Wassenaar angeblich als Attrappe aus Holz und bemalter Leinwand im Maßstab 1:1 realisieren. Zuvor hatte er das auch mit einem Entwurf von Peter Behrens getan. Während das Behrens’sche 1:1-Modell fotografisch überliefert ist, bestehen bei Mies Zweifel, ob die einzige erhaltene Fotografie nicht vielleicht eine Montage sein könnte. Wie dem auch sei, die Idee eines Modells in Originalgröße ist betörend, zeigt sie doch, dass die physische Präsenz von Architektur und ihre räumliche Ausdehnung durch Pläne, Skizzen und Zeichnungen nicht vermittelt werden können. Anstatt die Geschichte von Mies van der Rohes langjähriger Tätigkeit für Krefelder Auftraggeber mit einer Dokumentarausstellung zu würdigen, entstand die Idee, sie mit nur einem einzigen Ausstellungsstück zu erzählen: mit einem lebensgroßen Modell des Golfclub-Entwurfs. Das 1:1-Modell wird so zur Simulation eines Denkmals. Paul Robbrecht: Wir waren sofort begeistert von dieser Idee eines 1:1-Modells. Sie knüpft an dieses Ideal von Architektur als spürbare Erfahrung, als Raumerfahrung an. Dann haben wir uns ausführlich über das Gebäude informiert und stellten fest: Das ist gar kein kleiner Pavillon. Es ist eine

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riesige, ausgedehnte Konstruktion über 80 Meter in beide Richtungen – wie das überdimensionale Kreuz einer Kompassrose in der Landschaft. Wir haben uns überlegt, welche physische Präsenz dieses Gebäude wohl hätte und wie es wäre, darin umherzugehen, außen herumzulaufen und es in der Landschaft stehen zu sehen. Es hat großen Spaß gemacht, sich das in der Phantasie vorzustellen. Helge Drafz: Was bedeutet es für einen Architekten des 21. Jahrhunderts, sich mit Ludwig Mies van der Rohe auseinander zu setzen? Paul Robbrecht: Für Architekten von heute ist Mies nach wie vor eine faszinierende Persönlichkeit. Als ich in den 1960er und 70er Jahren studiert habe, war er nicht besonders populär. Man kannte ihn als einen führenden Vertreter der Moderne, aber man kritisierte ihn, besonders für seine amerikanischen Bauten. Es gab dieses berühmte Buch von Robert Venturi (»Complexity and Contradiction in Architecture«, 1966), in


dem er Mies vorwarf, ein Architekt nur für die Wirtschaft zu sein und so weiter. Mies war damals ein umstrittener Architekt. Aber das hat sich komplett geändert. Die Präsenz von Mies in der Architektur ist heute allgegenwärtig.Er ist eine der wenigen Persönlichkeiten, deren architektonisches Vokabular so fundamental ist, dass man es nicht ignorieren kann. Dieses Mies’sche Vokabular gehört zum Kanon architektonischen Wissens. Ein »Mies’scher Raum« – wenn man davon spricht, weiß jeder, was gemeint ist. Kol­ legen wie Rem Koolhaas haben darauf hingewiesen: »Mies’ Architektur müssen wir wieder berücksichtigen.« So ist Mies wieder auf der Tagesordnung, in jeder Diskussion. Es ist »Er« oder die anderen, denke ich. (Paul Robbrecht lacht.) Helge Drafz: Warum habt ihr den Entwurf für das Clubhaus gewählt? Es gibt ja noch andere Entwürfe von Mies für Krefeld, die nicht gebaut wurden: Das wunderschöne Wohnhaus für Ulrich Lange und die Versei­ dag-Hauptverwaltung. Paul Robbrecht: Ich denke, das Golfclubhaus ist ein sehr interessantes Projekt, weil Mies es auf dem Höhepunkt der Entwicklung seiner Architektursprache entwarf. Christiane Lange: 1930 hatte Mies den Barcelona-Pavillon gebaut, Haus Tugendhat in Brünn wurde gerade fertig gestellt. Er hatte sein architektonisches Vokabular ausgebildet und wandte es souverän an. Der Golfclub wäre sicherlich der bedeutendste Bau der Krefelder Serie geworden. Um 1930/31 war Mies übrigens mit drei Aufträgen aus Krefeld gleichzeitig beschäftigt: Neben dem Golfclub entwarf er noch gemeinsam mit Lilly Reich die Ein­ richtung der Wohnung Crous und seinen einzigen Fabrikbau, das Färbereigebäude für die Vereinigte Seidenwebereien AG, die Verseidag. Zwei weitere Krefelder Aufträge hatte er zu Jahresbeginn fertig gestellt: Die Häuser Lange und Esters waren im März bezugsfertig geworden, der Pavillon für die Deutsche Seide auf der Weltausstellung in Barcelona wurde Anfang 1930 abgebaut und in Köln wieder aufgebaut. Der Golfclub-Entwurf repräsentiert rückblickend also auch den Höhepunkt der Krefelder Projektreihe. Paul Robbrecht: Das Golfclubhaus ist ein fehlendes Gebäude in der Serie von großen Bauten aus dieser Periode von Mies’ Karriere. Es beinhaltet alles Physische und auch Metaphysische eines Mies’schen Raumes. 89


Christiane Lange: In gewisser Weise realisierte Mies beim Golfclub-Entwurf seine frühen Visionen einer Architektur, die sich physisch mit der Natur verzahnt. Wie ein asymmetrisches Kreuz ist der Bau auf der Kuppe des Hügels verankert. Deshalb war es für uns eine unverzichtbare Voraussetzung, das Modell in der originalen Topografie errichten zu können. Es ist ein Glücksfall, dass dieses Terrain nie bebaut wurde. Paul Robbrecht: Das Golfclubhaus ist eines der typischsten Bauwerke von Mies im Hinblick auf sein Verhältnis zur Landschaft. Es ist ein Gebäude, das mit der Landschaft regelrecht in Dialog tritt. Das Vordach auf der einen Seite, die Galerie auf der anderen, das ganze Clubhaus bezieht die Landschaft ein. Und Mies führt hier die Idee einer Theaterinszenierung ein: Wenn man sich von Osten nähert, verdeckt das Gebäude erst einmal teilweise die Landschaft. Man sieht die kräftige Linie des Vordaches, aber die zwei Flügel des Gebäudes verstellen den Blick. Aber wenn man das Gebäude betritt, eröffnet sich der Ausblick. Diesem Moment der Überraschung über die Weite der Landschaft liegt eine Idee von Inszenierung zugrunde, die Inszenierung der Landschaft. Christiane Lange: Das Raster der Bodenplatten in den Perspektiven von Mies macht besonders deutlich, wie präzise er den Übergang von innen nach außen als einen Prozess der Kontinuität und Transformation inszeniert: Innenraum – überdachte Terrasse – offene Terrasse – Natur.

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Paul Robbrecht: Das Raster der 1 1 Meter großen Bodenplatten ist wie ein perspektivisches Liniengewebe, das in die Landschaft weist und diese Richtung hervorhebt. Es ist das Maß-System des Gebäudes, des Raumes überhaupt. Das Raster und seine Linien erscheinen wie eine Partitur, auf der Mies sein Gebäude komponiert. Mies’ Gebäude haben dieses Moment des Übergangs vom Materiellen ins Immaterielle. Sie sind sehr präzise in ihrer Materialität, aber ein Mies’scher Raum weist über das Materielle hinaus: Es geht um die Kompo­sition von Räumen, wie sie zueinander angeordnet sind, wie sie in Beziehung zur Umgebung stehen. Wenn uns das 1:1Modell des Golfclubs wirklich gelingt, wird es dem Besucher dieses Gefühl der Transformation geben. Helge Drafz: Wie seid ihr an diese Aufgabe herangegangen, an die Umsetzung der Pläne von Mies als 1:1-Modell? 90

Christiane Lange: Wir haben uns von mehreren Seiten genähert. Zum einen mussten wir wie Restauratoren prüfen, was wir überhaupt haben, welche Informationen zu Mies’ Planung erhalten sind. Wir mussten aber auch darüber nachdenken, wie wir mit diesen Informationen umgehen. Wir wollten Mies’ Golfclub-Entwurf nicht »rekonstruieren«, zumindest nicht im populären Verständnis des Wortes. Wir wollten die Essenz seines Entwurfs destillieren und zeigen. Eine »Rekonstruktion seines Konzeptes« könnte man es nennen. Paul Robbrecht: Als wir eine Vision für diese temporäre Installation entwickelten, gelangten wir von der »Unmöglichkeit einer Rekonstruktion« zu einem »möglichen Modell des Golfclubhauses von Ludwig Mies van der Rohe«, das unsere Interpretation der Essenz von Mies’ Architektur zeigt. In gewisser Weise fordert das Modell vom Besucher dieselbe Haltung wie etwa beim Besichtigen einer historischen Ruine, bei der man nur die Überreste einer vergangenen Epoche erlebt. Es bleibt viel Raum für die Phantasie jedes einzelnen Betrachters. Christiane Lange: Mies’ Pläne vom Golfclub liegen im Mies-van-der-Rohe-Archiv im Museum of Modern Art in New York: wenige Grundrisse, davon einer mit dem Titel »Endgültiger Zustand«, außerdem mehrere Perspektiven, ein Schnitt. Es waren Wettbewerbsentwürfe ohne Details. Die Perspektiven entsprechen nicht immer exakt dem Grundriss, sie dienten eher der Verdeutlichung des räumlichen Konzepts. Aber sie liefern die entscheidenden strukturellen Daten: das Stahlskelettraster, die Proportionen und die Anordnung der Baukörper, der frei stehenden Wände und Fenster. Das bei Mies so wichtige Spannungsgefüge aus rhythmisierendem Raster, Flächen und Raum ist gut lesbar. Paul Robbrecht: Die Zeichnungen von Mies zeigen, was in seinem Kopf vorging. Es sind mehrere Zeichnungen, und jede davon ist etwas anders. Wir mussten uns in Mies hineinversetzen und herausfinden, was bei seiner Planung letztendlich herausgekommen wäre. Da gab es eine klare Richtung, weil sich in vielen Zeichnungen grundlegende Gedanken wiederholen. Aber keine zeigt eine abschließende Version. Wir folgten Mies in seinem Schaffensprozess und versuchten, mit ihm zusammen nachzudenken, wie ein solches Modell zu machen sei. Ein solches Modell zu entwickeln, das ist, als habe man – als Beispiel – die Noten eines Stückes von Bach und müsse es nun spielen. Es gibt so viele Möglichkeiten, es zu verstehen und zu interpretieren. Es ist eine vergleichbare Arbeit. Man


muss in Mies’ Kopf hineinschauen. Deshalb ist es eine so wunderbare architektonische Erfahrung. Es gibt Menschen, die lesen eine Partitur und haben die Musik dazu im Kopf. So ist es auch hier: Man schaut die Zeichnungen an, geht im Geiste in das Gebäude, läuft herum, versteht das Gebäude. Christiane Lange: Ein Detail hat Mies doch präzisiert: die Stahlstütze mit kreuzförmigem Grundriss und Blechummantelung. Wir haben sie wie eine Art unechte Spolie, also einen architektonischen Überrest, als einziges erzählendes Element in das Modell übernommen. Paul Robbrecht: Mies war sehr präzise bei der Wahl seiner Materialien. Er war einer dieser großen Architekten der Moderne, die genau diese Präzision hatten. Wie er die chromummantelten Stützen einplant, Stützen wie Juwelen, das wollten wir möglichst originalgetreu realisieren. Aufgefordert, eine neue Interpretation von Mies’ Entwurf zu entwickeln, haben wir eine Abstraktion des Golfclubhauses – es wird aus Sperrholz gebaut – im Originalmaßstab am Originalstandort entwickelt: ein »objet d’architecture« inmitten einer Landschaft, das eine eigene Autonomie und Interpretation beansprucht.

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Golfclub Projekt – begehbares Architekturmodell, Krefeld


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Das Ungers Archiv f체r Architekturwissenschaft Inken Herzig im Gespr채ch mit Sophia Ungers

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Ungers Archiv für Architekturwissenschaft Belvederestraße 60 D-50933 Köln Tel +49 221 94 98 360 Fax +49 221 94 98 366 www.ungersarchiv.de Nächste Publikation mit Veranstaltung im September: Die Stadt in der Stadt. Berlin – ein grünes Archipel. Ein Manifest Lars Müller Publishers ISBN 976-3-03778325-2

Blätter rauschen, die Sonne blinzelt über gepflegte Vorgärten, Rasensprenger surren – beschaulich ist die Atmosphäre in Köln-Müngersdorf. Ein- und Zweifamilienhäuser wechseln sich ab, darunter ein dreigeschossiger Backsteinbau, der sich bewusst in seiner Gestaltung zurücknimmt. Es ist nicht irgendein Haus, sondern eine Architektur-Ikone, die hier in der Belvederestraße steht. Das Haus des berühmten Architekten Oswald Mathias Ungers, der bei Egon Eiermann in Karlsruhe studierte und später selbst bekannte Baumeister wie Rem Koolhaas ausbildete.

Hier arbeitete und lebte Ungers, denn direkt an die Bibliothek schließt sich sein Wohn- und Bürohaus in der Belvederestraße an, das er 30 Jahre zuvor entwarf. Und hier findet man auch das gesamte Werk des Meisters: alte Pläne, Photographien und die zahlreichen Modelle von Architektur-Ikonen, die er als abstrakte Gips-Miniaturen in der eigenen Souterrain-Werkstatt von Bernd Grimm hat anfertigten lassen. Noch heute ist der Ort vielen Kölnern nicht bekannt. Von der regionalen Presse eher unbemerkt, aber von der Architekturpresse gefeiert, lebt es jetzt wieder auf: das Ungers Archiv.

1950 gründete O.M. Ungers sein Büro in Köln und war Professor für Architektur, unter anderem Dekan an der Universität Berlin. Später erhielt Ungers Professuren in Cornell, Harvard und Los Angeles sowie an der Kunstakademie Düsseldorf. Seit den 1950er Jahren begann der Architekt und Architekturtheoretiker eine Architekturbibliothek aufzubauen, die er in den 1990er Jahren mit seiner Frau Liselotte Ungers in eine Stiftung überführte. Mit aktuell 12.000 Bänden eröffnet sie einen Blick in die Architekturgeschichte der letzten 500 Jahre. Darunter befinden sich bibliophile Schätze – Palladios vier Bücher der Architektur von 1616 oder das komplette Werk Piranesis von 1780.

Gegründet auf dem geistigen Feuerwerk von O.M. Ungers, genießt es Weltruf. Zu den regelmäßigen Veranstaltungen reisen Autoren wie Star-Architekten an, um in der einmaligen Atmosphäre der Bibliothek zu diskutieren oder einer Lesung beizuwohnen. Nicht zuletzt auch, um die Gastfreundschaft von Sophia Ungers zu genießen, der Tochter des renommierten Architekten. 2007 starb O.M. Ungers, und Sophia, die in den USA Kunstgeschichte studiert und 1989 eine eigene Galerie für Zeitgenössische Kunst in Köln eröffnet hatte, nahm sich – zuerst gemeinsam mit der Mutter Liselotte – dem Ort an. Heute leitet sie hauptgeschäftsführend das Archiv in enger Zusammenarbeit mit Anja SieberAlbers und Bernd Grimm, das sich seit 2011 nicht nur wie einst Studenten und Wissenschaftlern öffnet, sondern auch geführte Touren durch Haus und Werk des Meisters anbietet. Zugleich hat Sophia Ungers eine hochkarätige Veranstaltungsreihe unter der Bezeichnung »Ex Libris« etabliert. Zu jedem Termin werden ein Architekt und ein Architekturtheoretiker eingeladen, sich jeweils einem Buch aus der Bibliothek zu widmen, es vor Ort der Öffentlichkeit vorzustellen und darüber zu diskutieren. Koryphäen wie Fritz Neumeyer und Hans Kollhoff, Vittorio Magnago Lampugnani und Adam Caruso sowie Stephan Trüby und Rem Koolhass lieferten sich dabei ausgesuchte Wortgefechte und Dialoge. Zugleich entwickelte das Ungers Archiv auch eine Sommer-Akademie und plant für die Zukunft eine Summerschool mit internationalen Partnern.

Für diese Kostbarkeiten entwarf Ungers 1989 eine besondere Bibliothek: zweigeschossig, in einem Kubus ruhend, von einer Empore umsäumt, stehen hier die Werke in einer besonderen Atmosphäre und sind geprägt von der Handschrift des Mannes, der sie gesammelt hat.

Obwohl das UAA-Team mit inspirierenden Ideen und frischen Ansätzen das Potenzial des Ungers-Archivs in ein ganz neues Licht setzt, ist die finanzielle Situation des Ortes nicht geklärt. Da sind zwar die etwa 140 Mitglieder des Freundeskreises der Stiftung, die immer mal wieder kleine Projekte möglich machen, ebenso die Unterstützung dreier mittelständischer Unternehmen – aber das war’s. Um den besonderen Ort am Leben zu erhalten, fehlt noch die Landeshand. Die aber interessiere sich schon, so berichtet Sophia Ungers, und hofft, dass sie dadurch bald langfristigere Pläne für ihren besonderen Architekturort machen darf. 98


KAP Magazin: Was fasziniert Sie heute noch persönlich an der Arbeit Ihres Vaters? Sophia Ungers: Was mich an Ungers fasziniert ist das Brennen für Architektur in allen Facetten. Architektur als Gesamtkonzept zu verstehen, das jeden berühren kann. Diese Leidenschaft ist faszinierend und die möchte ich gerne weitergeben. KAP Magazin: Welchen Ideen-Ansatz, welchen Plan haben Sie nach dem Tod Ihrer Mutter verfolgt? Sophia Ungers: Unsere Hauptarbeit ist heute, den erweiterten Architekturgedanken zu vermitteln. Das heißt konkret: Viele Veranstaltungen reflektieren nicht nur Ungers, sondern beschäftigen sich mit Architekturthemen im Allgemeinen. Denn wir verstehen den Dialog von Architektur im Kontext der Geschichte und zur gleichen Zeit im zeitgenössischen Verständnis. KAP Magazin: Ist das Ungers-Archiv heute noch ein verborgener Ort? Sophia Ungers: Ich glaube, langsam bemerkt man das UAA. Zeitschriften nehmen Notiz und auch in der Allgemeinheit, nicht nur in Fachkreisen, sind wir präsenter. KAP Magazin: Wie trägt sich ein solcher Ort, welche Unterstützungen erhalten Sie aktuell? Sophia Ungers: Wir erhalten Unterstützung durch die Initiative des Freundeskreises. Wir haben temporäre Sponsoren, also Friedrich Wassermann, Köln; FSB, Brakel; Matthias Hühne, Berlin, dazu unser eigenes Engagement durch das Erbe. Doch ist da jetzt naturgemäß ein Ende erreicht. Denn wir benötigen dringend langfristige Unterstützung. Das Archiv hat hier mit Anja Sieber-Albers und Bernd Grimm engagierte Mitarbeiter, die seit zwanzig Jahren für den Kosmos Ungers tätig sind. Ihr Know-how und die Kenntnis über Ungers sind unwiederbringlich, deshalb möchten wir die Arbeitsplätze hier erhalten. KAP Magazin: Wenn Sie träumen dürften, was würden Sie mit dem Ungers-Archiv bewegen wollen? Sophia Ungers: Ich würde gerne das Haus mit Wechselausstellungen stärker bespielen. Zugleich wäre ein Ziel, dass wir die Sommerakademie mit Workshops für Schulen und Universitäten besser gestalten. Natürlich gehört dazu, dass wir auch den Diskurs und die Ex-Libris-Veranstaltungen durchgängig führen können. Wir haben hier viele Möglichkeiten, zum Beispiel Ausstellungen zur Architektur mit vertieftem Verständnis für den Entwurfsprozess sowie 99

Themen von Architektur in Kunst oder Design. Ich würde diese und weitere Ideen gerne umsetzen – aber noch fahre ich mit angezogener Handbremse. Denn auch bei Ausstellungen braucht man Geld und Personal. KAP Magazin: Was könnte helfen, den Traum zu realisieren? Sophia Ungers: Die Langfristigkeit wäre zum einen durch Landesmittel zu stabilisieren, zum anderen ist der Traum, fünf Sponsoren zu haben, die sich wenigstens fünf Jahre einbringen, um die Langfristigkeit mitzusichern. Dann ist endlich der Albtraum vorbei, den ich oft habe: dass wir nächstes Jahr schließen müssen.


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Ungers Archiv, Bibliothek, Kรถln


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„Intelligente Gebäudetechnik von Gira“ enthält eine Vorschau der Home Server / Facility Server App und ist kostenlos für iPhone und iPad im Apple App Store erhältlich. Damit können Nutzer selbst erleben, wie einfach die Bedienung des Gira Home Servers ist. Mehr unter: www.gira.de/homeserver Abb.: Gira Home Server / Facility Server App auf dem iPhone


KAP Programm

weitere Infos unter: kap-forum.de

Mies 1:1 Das Golfclub Projekt

Köln Architektur und Immobilien #11 Innovation und Projektentwicklung, Kompaktseminar und Podium

Besichtigung und Führung: Sonntag, 29. September 2013 ab 15.00 Uhr Golfturnier: Montag, 30. September 2013 ab 9.00 Uhr Ort: 1:1-Modell Krefeld Egelsberg 3Deluxe in / exterior Profile / Positionen Donnerstag, 10. Oktober 2013 19.00 Uhr Referenten: Peter Seipp Dipl.-Wirtschaftsingenieur, Kfm.-Geschäftsführer von 3deluxe in /exterior, Wiesbaden Dieter Brell Designer, Kreativ-Geschäftsführer von 3deluxe in /exterior, Wiesbaden Das, was 3deluxe auszeichnet, ist nicht der akademische »form follows Funktion«Gedanke, sie planen bewusst für die Moderne. »Modern und modisch sind für uns keine Schimpfworte«, sagt Designer Dieter Brell. »Wir haben ein Gefühl dafür, wie Architektur im Moment aussehen soll. Danach entwerfen wir und glauben, dass es funktioniert.« (Quelle: KAP Magazin #8) Ort: KAP Forum Salierring 32 50677 Köln Abgrillen Wir feiern den Herbst mit Bekanntem, Neuem und Traditionellem für den heißen Rost! Donnerstag, 17. Oktober 2013 19.00 Uhr Ort: Terrasse Rotonda Restaurant Pantaleonswall 27 50676 Köln

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Dienstag, 12. November 2013 19.00 Uhr Referenten: Jürgen Engel Geschäftsführender Gesellschafter, KSP Jürgen Engel Architekten GmbH, Frankfurt a. M. Coen van Oostrom Gründer und CEO der OVG, Rotterdam / NL Peter Tzeschlock Vorstandsvorsitzender Drees & Sommer AG, Stuttgart Dr. Markus Wiedenmann Geschäftsführender Gesellschafter, ArtInvest Real Estate Management GmbH & CO. KG Ort: KAP Forum Salierring 32 50677 Köln Einblicke #4 3 30 Minuten Junge Positionen – Baukunst jetzt!

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Dienstag, 26. November 2013 19.00 Uhr  3 30 Minuten

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Referenten: Philip Behrend, Philipp Bilke, Micky Damm, Michael Weichler N222, Düsseldorf / Basel Martin Bachem Martin Bachem Architektur, Köln Patricia Gola, Defne Saylan, Shidokht Shalapour Dreihausfrauen, Düsseldorf Mit dieser Reihe blicken wir im KAP Forum in loser Folge hinter die Kulissen von jeweils drei Architektur- / Design­büros. Es geht um aktuelle Projekte, Haltungen und verschiedene Sichtweisen der Arbeit. Präsentiert und bei einem Kölsch diskutiert. Ort: KAP Forum Salierring 32 50677 Köln

Workshop Licht in der Architektur Erforschen von Lichteinwirkungen mit Anwendungen, Übungen, Szenarien –  Bauen konkreter Objekte Donnerstag, 28. November 2013 14.00 – 18.00 Uhr Referentin: Ulrike Brandi, Lichtplanung & Leuchtenentwicklung GmbH, Hamburg Ort: KAP Forum Salierring 32 50677 Köln


Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe Helge Drafz, M.A., Jahrgang 1962, studierte Geschichte, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Literaturwissenschaften und Philosophie in Düsseldorf, Bonn und Paris. Arbeitet als Journalist, Autor und DokumentarfilmProduzent, u.a. für den WDR. Berät deutsche und niederländische Institutionen, Gebietskörperschaften und Verbände im Bereich Corporate Culture und PR. Persönliche Interessen und Arbeitsschwerpunkte: Architektur, Städtebau, Strukturpolitik und Regionalentwicklung, Photographie. Helena Feldmann-Fischer Architekturstudium an der Universität Karlsruhe und University of East London. Mitarbeit an international renommierten Architekturbüros wie Prof. Gernot Kramer, Veit Ruser und Partner und Zaha Hadid Architects, London Seit 2004 Mitarbeit bei O&O Baukunst, Wien / Berlin / Köln Seit 2005 Assistenz und Lehrauftrag in der Baukunstklasse an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Max Dudler, Prof. Nathalie de Vries und Prof. Calle Petzinka

Christina Gräwe, geb. 1965 in Idar-Oberstein. Krankenschwester, Dipl.-Ing. Architektur. 2003–06 Volontärin und Kuratorin am DAM. Dort zahlreiche Ausstellungen, u. a. »Martin Elsaesser und das Neue Frankfurt« (2009). Seit 2007 freie Kuratorin und Publizistin. Lehrauftrag an der TU Berlin. Weitere Ausstellungen: »Modernisierung der Platte« (2009/10), »Stadtvisionen 1910–2010« (Architekturmuseum TU Berlin, 2010). Seit 2012 Redakteurin beim BauNetz. Partnerin der Kuratorenwerkstatt Förster Gräwe Winkelmann. Dr. Oliver Herwig, arbeitet als freier Journalist in München. Für seine Reportage über das London Eye erhielt er 2000 einen der Karl-TheodorVogel-Preise für herausragende TechnikPublizistik. 2009 gewann er mit einem Beitrag in der Frankfurter Rundschau den COR-Journalistenpreis Wohnen und Design.

Inken Herzig, M.A., Journalistin, Schwerpunkt Architektur und Design. Studierte Kunstgeschichte und Neuere Deutsche Literatur; Ausbildung zur Redakteurin. Mehrjährige Berufserfahrung im Rundfunk, Fernsehen und bei Fachmagazinen. Schreibt seit über zehn Jahren für die Architektur- und Designpresse. Betreut als Chefredakteurin das mehrfach ausgezeichnete KAP Magazin. Berät architekturnahe Unternehmen im Bereich Auftritt und PR. Ulf Meyer, Architekturjournalist in Berlin, hat an der TU Berlin und am IIT in Chicago Architektur studiert. Er arbeitete in Tokyo bei Shigeru Ban und in San Francisco beim SF Chronicle. Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitungen und Fachzeitschriften im In- und Ausland, sowie div. Bücher, zuletzt »Tokyo Architecture« und »The World's Greenest Buildings«. 2010/11 Professur an der Kansas State University und 2011/2012 Hyde Chair of Excellence an der Univ. of Nebraska-Lincoln.

Editorial Design

Fotografen dieser Ausgabe

großgestalten Strategisches Kommunikationsdesign, Köln Tobias Groß

S. 8 – 11 S. 16, 19 S. 17 S. 18, 25 – 27 S. 32 – 35 S. 50 – 54 S. 58 – 59 S. 60 – 61 S. 66 S. 67 S. 68 S. 74 – 77 S. 92 – 93 S. 100

großgestalten wurde 2004 von Tobias Groß gegründet. Mit einem 7-köpfigen Team aus Designern und einem breiten Netzwerk freier Web-Entwickler, Fotografen, Architekten, Philosophen, Kommunikationswissenschaftler und Germanisten arbeitet großgestalten an interdisziplinären Kommunikationslösungen, die vielfach international ausgezeichnet wurden.

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Florian Holzherr Zooey Braun Rainer Retzlaff Michael Heinrich Iwan Baan Hans Christian Schink Emanuel Raab (raab@emanuelraab.de) Sascha Jahnke David Franck Ludger Paffrath Jesko Malkolm Johnsson-Zahn Joachim Grothus Michael Dannenmann (www.michael-dannenmann.de) Stefan Müller


Impressum KAP Forum Das KAP Forum ist Netzwerk- und Kommunikationsplattform der Unternehmen Alape, Artemide, Carpet Concept, Dornbracht, Gira und Zehnder. Im KAP Forum kommen Experten aus Architektur, Technologie und Design mit einer interessierten Öffentlichkeit zusammen. Die vielfältigen Ausstellungen, Symposien, Vorträge und Seminare eröffnen einen aktiven Dialog über Architektur und Städtebau, Kommunikation und Design, Wirtschaft und Kultur.

Das KAP Magazin ist klimaneutral. Die durch die Herstellung dieses Druckproduktes verursaschten Treibhausgasemissionen wurden kompensiert durch Investitionen ein WWFKlimaschutzprojekt nach Gold Standard.

Herausgeber KAP Forum Architektur, Technologie, Design Andreas Grosz Salierring 32 D-50677 Köln www.kap-forum.de Redaktionsleitung Inken Herzig www.inken-herzig.de Anzeigenleitung großgestalten Kommunikationsdesign T +49 221 210 61 20 info@grossgestalten.de www.grossgestalten.de Gestaltung großgestalten Tobias Groß Layout: Jana Polgart, Jazek Poralla Illustration: Dominik Kirgus Lektorat Tanja Motzkau www.lektoratsbuero.net Druck Media Cologne GmbH www.mediacologne.de Schrift Naiv Papier Montana Farbe HKS 27


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