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A BRETTL, A GFÜHRIGER SEE, JUCHHE!
Der Kampf um die Balance und gegen Vorurteile.
Wie ich als Stand-up-Paddler den Fun-Faktor fand.
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Text MICHAEL HUFNAGL
Haben Sie noch Sex, oder golfen Sie schon?“ Wie oft habe ich das schon hören und kommentieren müssen – eine als Witz getarnte Süffsanz, die von der Annahme ausgeht, diese Form des Schlägerschwingens würden nur jene Menschen zur Leidenschaft erklären, die längst alle Lebensgeister aus der Flasche gelassen haben und daher am sportlichen Gnadenbrot knabbern.
Da ich allerdings immer noch gute Bewegungslaune habe und unter anderem auch mit Freude über Wiesen und durch Wälder streife, um einen kleinen weißen Ball in ein kleines Loch zu befördern, entgegne ich den Sexkomikern gerne: „Ich empfehle eine hochsommerliche 18 Loch Runde in einem bergigen Golfclub wie Adamstal, zu Fuß. Und ich würde mich sehr wundern, wäre das kein Erweckungserlebnis – mit Staunen über den Grad der körperlichen und geistigen Erschöpfung.“
Sehr langsam, sehr wackelig
Nun, der französische Philosoph Voltaire schrieb einst: „Vorurteile sind die Vernunft der Narren.“ Von Kaiser Friedrich II. wiederum ist das Zitat überliefert: „Wenn man sich blindlings seinen Vorurteilen überlässt, ohne die Dinge gründlich zu prüfen, täuscht man sich oft empfndlich.“ Und so mancher golfende Debütant musste in Anbetracht der Herausforderung sein despektierliches Weltbild neu defnieren.
Aber was soll ich sagen? Es begab sich vor einigen Jahren eines schönen Urlaubstages, dass ich mich nach einer anstrengenden, aber gelungenen Runde im Wasser abkühlte. Ich ließ mich gemächlich auf dem Rücken im prachtvollen Millstätter See treiben, schwimmen konnte man das nicht nennen. Und als ich – von Erholung beseelt – meinen Blick schweifen ließ, erspähte ich in der Ferne zwei Gestalten, die scheinbar übers Wasser gingen. Da ich man den sportlichen Ehrgeiz begraben haben, um sich diesem Pipifax hinzugeben.
Es wurde noch ein lustiger Abend, mit viel Wein, im Zuge dessen jede Meinungsverschiedenheit mit dem polemischen Satz endete: „Jo eh, magst nicht lieber mit Omi und Opi paddeln gehen?“ nicht daran glaube, dass sich alle zweitausend Jahre Wunder wiederholen, sah ich genauer hin. Und je näher das Duo kam, desto klarer wurde das Bild. Ein Mann und eine Frau gehobenen Alters standen auf zwei Brettern, hatten Paddel in der Hand und glitten sehr langsam und sehr wackelig über den See. Sie wirkten angespannt, hoch konzentriert – und doch auf sonderbare Weise zufrieden.
Umso überraschter waren wir alle, als im Jahr darauf ein Brett an der Hausmauer des Ferienhauses lehnte. Und sein Besitzer mit einem Augenzwinkern zu mir sagte: „Wird unterschätzt, ist lustig. Probier’s aus!“ Einige Tage lang wehrte ich mich gegen einen Erstversuch noch mit dem Argument, derlei Aktivität sei unvereinbar mit meinem athletischen Stolz. Ich fragte: „Schau ich aus wie ein polynesischer Fischer?“ Aber irgendwann war es so weit.
Ich lächelte. Und der erste Gedanke war: „Jössas!“ Mit dieser Haltung kehrte ich zurück und berichtete der Freundesschar von meiner Begegnung. Was genau ich sagte, weiß ich nicht mehr. Aber die Tonalität fel in die Kategorie: Bitte, wie tief muss
Ich ließ mich kurz über das impor tierte Phänomen Standup Paddeln aufklären, schnappte mir das meterlange Brett und begab mich, einer Empfehlung folgend, auf dem Bauch liegend in sichere Entfernung – eine innere Stimme sagte mir: Besser kein Publikum. Eine kluge Entscheidung. Den ersten Akt, aus der Bauchlage auf die Knie, absolvierte ich noch mit Bravour. Der zweite Akt indessen geriet zu einer SlapstickEinlage, von der ich nur hoffte, dass sie nicht von Omi und Opi beobachtet wurde. Ich richtete mich im Zeitlupentempo auf, das Board wackelte, ich wackelte mit, begann mit meinem ganzen Körper den Kampf um die Balance und verlor
MICHAEL HUFNAGL Leidenschaftlicher
Der See ruft: Boarding, please! Wer die ideale Paddelzugphase entwickelt, ist bereit für die große Überfahrt.
ihn. Absturz. Und der Gedanke: Von Paddeln keine Rede, ich kann nicht einmal stehen! Ich versuchte es wieder und hielt in Anbetracht dieser Imagekatastrophe erneut Ausschau nach spottenden Zeugen.
Viel Kraft, wenig Technik Bald darauf war es geschafft. Ich hatte die richtige Position gefunden und die Schwerpunkt-Prüfung gestemmt. Und da stand ich nun, bereit, in See zu stechen! Dieses Abenteuer hatte jedoch eher nicht die Ästhetik einer entschlossenen Eroberung, die Pose erinnerte vielmehr an einen gestrandeten Rollatorpatienten. Der mit viel Kraft bemüht war, wenig Technik zu kompensieren. Und sich von vorbeiflitzenden Brettartisten demütigen lassen musste. Aber ich bin ein Kämpfer. Und irgendwann gelang es mir, mit einer gewissen
Leichtigkeit über den See zu paddeln und es tatsächlich auch noch schön zu fnden. Motto:
A Brettl, a gführiger See, juchhe! Der Tatsache, dass sich die Kapitäne in ihren Bootstaxis für die kichernden Passagiere einen Jux daraus machten, in unmittelbarer Nähe ihre Kurven zu fahren, begegnete ich nach einiger Zeit mit fröhlichem Winken. Ehe ich freiwillig absprang, um mir das lachhafte Schicksal eines Kenterns infolge von Wellenwucht zu ersparen.
Wettrennen und Wellengang
Von da an sollte kein Urlaubstag mehr vergehen, ohne dass ich trotz historischen Muskelkaters an meiner Karriere als Stand-upComedian feilte. Ich beschäftigte mich mit unterschiedlichen Board-Typen (zwischen zwei und vier Metern Länge), sah mir You-
Tube-Vorträge zur idealen Paddelzug phase an und suchte nach Superlativen. Im vergangenen September beispielsweise trafen sich 305 Menschen auf dem Bodensee, um den Weltrekord in der Disziplin SUP-Yoga zu brechen. Und der Niederländer Bart de Zwart steht im Guinnessbuch, weil er in 24 Stunden paddelnd 193,8 Kilometer zurücklegte.
Ich forderte sämtliche Freunde zu Wettrennen über den See auf, entdeckte dank wachsender Distanzen und höherem Tempo den Fitnesswert des Stand-up-Paddelns und suchte die Herausforderung, auch bei hohem Wellengang lässig zu wirken – dass ich dann einmal gegen den Wind ein bisserl entkräftet in die Bauchlage zurückkehrte, um mit den Armen zu rudern, soll nur eine Rand notiz sein. Entscheidend war, dass ich immer sicherer, immer mutiger, immer williger wurde. Aus dem einstigen „Jössas“ wurde ein begeistertes „Jippieh“. Seite an Seite mit Omi und Opi.
Zurückfauchen
Ich verkündete allerorts, dass man einen sportlichen Fun-Faktor am besten erst dann bewerten sollte, wenn man sich voller Spürsinn auf dessen Suche gemacht hat, und ich erntete viel Respekt. Nur einer verweigerte eindrucksvoll den Applaus.
Ich war wieder einmal fott Richtung Nordufer unterwegs, als sich mir – ebenso fott – ein Schwan näherte. Erst dachte ich, der imposante Entenvogel würde wohl rechtzeitig abdrehen – immerhin schien ich größer, stärker, mächtiger zu sein. Ein Irrtum. Er steuerte auf mich zu und fauchte laut. Ich tat, was man in solchen Situationen angeblich tun soll: Oberkörper nach vorne beugen, Arme ausbreiten und zurückfauchen – um zu beweisen, dass man der überlegene Schwan ist.
Leider vergaß ich im Zuge meiner Gegenattacke, dass ich auf einem Board stand. Ich verlor durch die Gewichtsverlagerung die Balance, hampelte ein paar Sekunden tollpatschig herum, ehe ich ins Wasser platschte. Dort schnappte ich sofort mein Paddel (wozu das nämlich gut sein kann), um mich allenfalls verteidigen zu können. Was nicht notwendig gewesen wäre: Der Schwan kehrte einfach um. Als hätte er seine Entertainment-Mission absolviert, um seinen Freunden möglicherweise fröhlich trompetend zu erzählen: „Herr Pipifax hat seine Lektion gelernt.“
Angenehm: Wer genug vom Stand-up hat, kann zwischenzeitlich zur Erholung in den Sitzstreik wechseln. Um zu paddeln oder sich einfach nur zu sonnen.