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Zeit für Weinlese und Revolution Der Oktober ist geprägt vom einsetzenden Herbst und einschneidenden politischen Ereignissen. Mit dem Monat endet die Betrachtung der Monate in GN-live. L Text: A. Meistermann | Foto: Lenin-Museum, Tampere, Finnland
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m 22. September hat der Herbst Einzug gehalten. Das Jahr neigt sich allmählich seinem Ende entgegen. Schon jetzt ein Ende finden die Monatsbetrachtungen durch GN-live, die im November vergangenen Jahres begonnen haben und auf die Besonderheiten jedes einzelnen von ihnen eingegangen sind. Nun also der Oktober. Zuallererst muss gesagt werden, dass er eigentlich missbräuchlich benannt wird. Schuld sind die alten Römer, die ihren achten Monat des Jahres, den mensis october (lat. octo = 8), eigentlich richtig benannt haben. Aber dann wurde er nach der julia-
„Tja, die alten Römer und ihre Nachlässigkeiten“ nischen Kalenderreform 4. v. Chr. an die zehnte Stelle verschoben und der Name einfach nicht geändert. Tja, die alten Römer und ihre Nachlässigkeiten. Dann wendet der Betrachter sich eben dem deutschen Kulturraum zu. Dort wird der Oktober unter anderem als Weinmonat bezeichnet. Dieser Name soll bereits von Kaiser Karl dem Großen im 8. Jahrhundert eingeführt worden sein und weist auf den Beginn der Weinlese und der weiteren Weinverarbeitung hin. Der altdeutsche Name lautet übrigens Gilbhart und setzt sich aus gilb für die Gelbverfärbung des Laubes und aus hart zusammen, das für das Wort viel steht. Allgemein wird er wegen des Beginns der Verfärbung häufig als Goldener Oktober bezeichnet. Wem
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Wladimir Iljitsch Lenin spricht anlässlich der Oktoberrevolution in Russland.
diese Ausführungen an dieser Stelle etwas zu banal erscheinen, dem kann recht gegeben werden, denn mit dem Oktober lassen sich nicht nur Weinlese und Laubverfärbung, sondern auch wichtige geschichtliche Ereignisse und dadurch ausgelöste politische Veränderungen verbinden.
„Wir beginnen jetzt mit dem Aufbau der sozialistischen Ordnung.“ Wladimir Iljitsch Lenin, Politiker
Nicht nur der, bei dem das Herz politisch links schlägt, wird sofort an die Oktoberrevolution im russischen Zarenreich denken. Was war damals aber eigentlich genau passiert? Zar Nikolaus II. hatte sein schon lange marodes und Stück für Stück erodierendes Land durch die Beteiligung am Ersten Weltkrieg in den endgültigen Abgrund gesteuert. Die Februar-Revolution 1917 führte
dann zu seinem Sturz. Im März erfolgte die erzwungene Abdankung, und eine provisorische Regierung, bestehend aus Vertretern des Großgrundbesitzes, des Kapitals und zu einem zunächst noch geringen Anteil der politischen Linken, ergriff die Hebel der Macht. Im Juli wurde Alexander Kerenskij zum Ministerpräsidenten ernannt. Zwei zentrale Fehler seiner Politik brachten ihn schnell um seine Karriere. Er sprach sich trotz Kriegsmüdigkeit für die Weiterführung des Krieges aus und nahm eine dringend erforderliche Agrarreform, die die wirtschaftliche Not der ärmeren Bevölkerung hätte lindern können, nicht in Angriff. Wasser auf die Mühlen der Bolschewiki, einer radikalen Minderheit innerhalb der Linken unter Führung von Wladimir Iljitsch Lenin. In Geheimverhandlungen der Revolutionäre mit der deutschen Reichsregierung wurden im Falle ei-
nes Sieges der Bolschewiki spätere Friedensgespräche (Frieden von Brest-Litowsk) vereinbart, und die Bolschewiki versprachen der ärmeren Bevölkerung Land. Auch gegen Widerstände seiner Partei rief Lenin im Oktober zur Revolution auf. Mit 12.000 Rotgardisten und 30.000 Soldaten übernahmen Lenin und seine Mitstreiter Ende Oktober das einstmals stolze Zarenreich.
Wechsel zum gregorianischen Kalender Eine neue Zeitrechnung hatte begonnen, 1918 zum Beispiel durch den von der kommunistischen Regierung vorgenommenen Wechsel vom julianischen zum gregorianischen Kalender, was zur Folge hatte, dass die Oktoberrevolution umdatiert werden musste. Aus dem 25. Oktober wurde der 7. November. Schon ein bisschen verwirrend oder?