Dienstag, 23. September 2008
NACHBARN ZUSAMMENLEBEN IM GRENZGEBIET
Die Initiative ging von unten aus Vor 50 Jahren wurde die Euregio gegründet
Zur Behandlung über die Grenze Marktwirtschaft im Gesundheitswesen setzt sich immer mehr durch
Hier Diesel, dort Benzin Einkaufen jenseits der Grenze ist heute nichts Besonderes mehr
Integration ist das Schlagwort Immer mehr Niederländer zieht es über die Grenze
Vater nahm mir den Pass weg Liebe über die Grenzen hinweg hatte schon früher ihre Tücken
Guten Morgen, Herr Professor Das D-Team überspült die niederländischen Universitäten und Hochschulen
Mit dem Zug zum Wochenmarkt Bahnverbindung zwischen Gronau und Enschede wird gut angenommen
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I N H A LT Die Initiative ging von unten aus
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Wenn die Euregio ein eigener Staat wäre
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„Sch . . . Bürokratie! Sie sind ein Grenzfall“
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Zur Behandlung über die Grenze
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Auf deutsche Patienten eingestellt
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Konkurrenz Gesundheitswesen
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Augenklinik Ahaus: 9000 14 Operationen jährlich Grenzgänger haben es heute leichter
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Am Fußball schieden sich die Geister
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Hier Diesel, dort Benzin
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Die Landschaft fasziniert
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Trip über die Grenze längst 19 selbstverständlich Oranje war zum Füchten
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Filiale jenseits der Grenze
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Integration ist das Schlagwort
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Der ganz große Boom ist erst einmal vorbei
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Ein Dirigent aus Eggerode
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Vater nahm mir den Pass weg 25/26/27 Holländischer Abend – 25 deutscher Abend Auf Holländisch trauen auf der Burg 27 in Bad Bentheim „Man spricht Deutsch“
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Guten Morgen, Herr Professor 29/31/32 Niederländisch eine Art 31 Deutsch für Anfänger Mit dem Zug zum Wochenmarkt 33/34/35 Ein halber Deutscher
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Der Verkehr rollt
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Halt!
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FMO zählt immer mehr Niederländer
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Lederhosen
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Das deutsch-niederländische Redaktionsteam der gemeinsamen Zeitung „Nachbarn – Zusammenleben im Grenzgebiet“ (von links): Julia Henkel, Redakteurin der in Enschede erscheinenden Tageszeitung „De Twentsche Courant Tubantia“, Freimuth Schulze, Redakteur der „Grafschafter Nachrichten“, Martin Borck, Redakteur der „Westfälischen Nachrichten“, und Jan Haverkate, Redakteur „De Twentsche Courant Tubantia“. Die vier Journalisten haben in vielen gemeinsamen Redaktionsbesprechungen in den Räumen der Euregio in Gronau und Glanerbrug das Konzept für dieses bisher einmalige grenzüberschreitende Projekt erabeitet und selber den größten Teil der auf den nachfolgenden Seiten veröffentlichten Reportagen und Kolumnen geschrieben.
Eine historische Zeitung ür Sammler von Raritä- Aber anstatt eine Zeitung F ten ist diese Zeitung eine über Unterschiede zu maAusgabe zum Aufbewahren. chen, entschieden wir uns Es ist die erste Zeitung in der Geschichte, die von niederländischen und deutschen Journalisten für ihre jeweiligen Leser gemacht wurde. Sie erscheint heute in einer Auflage von ca. 420 000 Exemplaren in den niederländischen Grenzregionen Twente und Achterhoek, im Münsterland und in der Grafschaft Bentheim. Der Inhalt ist der gleiche, nur die Sprache ist verschieden. Die Idee für diese Zeitung entstand vor einem Jahr. Rob Meijer, Sprecher der Euregio, fragte damals bei den Redaktionen von „De Twentsche Courant Tubantia“, „Westfälische Nachrichten“ und „Grafschafter Nachrichten“ an, ob wir im Jahr 2008 bereit seien, das 50-jährige Bestehen der Euregio, des Zusammenarbeitsverbandes deutscher und niederländischer Grenzgemeinden, entsprechend zu würdigen. Der Plan reifte damals schnell. Es war in den zurückliegenden 50 Jahren viel passiert, alte Feindschaften waren beseitigt worden.
für eine Zeitung über Gemeinsamkeiten. Wenn die Grenze zwischen den Niederlanden und Deutschland denn tatsächlich ihre Bedeutung verloren hatte, so fragten wir uns, müsste es dann nicht möglich sein, für das gesamte Verbreitungsgebiet unserer Tageszeitungen die gleiche Zeitung zu machen? Wir beschlossen, die Probe aufs Exempel zu machen. Die Zeitung kam in einträchtiger Zusammenarbeit zwischen den Redaktionen unserer Tageszeitungen zustande. Ob wir mit unserem Auftrage erfolgreich waren, können nur Sie als Leser beurteilen. Lassen Sie es uns bitte wissen. Wir hoffen, dass Sie ebenso viel Spaß beim Lesen dieser Zeitung haben wie wir ihn beim Machen hatten. Reagieren? Schicken Sie dann eine E-Mail an redaktion@gn-online.de Martin Bork Jan Haverkate Julia Henkel Freimuth Schulze
IMPRESSUM NACHBARN ZUSAMMENLEBEN IM GRENZGEBIET Eine Koproduktion aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Euregio • De Twentsche Courant Tubantia (Enschede) • Westfälische Nachrichten & Partner (Münster) • Grafschafter Nachrichten (Nordhorn) Gesamtauflage ca. 420.000 Exemplare Dieses Produkt ist die Teilausgabe für den Landkreis Grafschaft Bentheim Herausgeber Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn, Tel. +49 (05921) 707-0 Redaktion Martin Bork, Westfälische Nachrichten Jan Haverkate, De Twentsche Courant Tubantia Julia Henkel, De Twentsche Courant Tubantia Freimuth Schulze, Grafschafter Nachrichten Guntram Dörr, Grafschafter Nachrichten (verantwortlich) Anzeigen Ulrich Schläger, Grafschafter Nachrichten Matthias Richter, Grafschafter Nachrichten (verantwortlich) Technische Herstellung Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn
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Die Initiative ging von unten aus Vor 50 Jahren wurde die Euregio gegründet – Erste Geschäftsstelle in Rheine Von Martin Borck GRONAU. 1958: Der Zweite
Weltkrieg ist seit 13 Jahren vorbei. Man pfeift den RiverKwai-Marsch, „Sputnik I“ verglüht beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, die Römischen Verträge zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft treten in Kraft – und die erste grenzübergreifende Organisation auf regionaler Ebene in Europa entsteht: die Euregio. Die Idee war beim Neujahrsempfang der Stadt Münster ausgebrütet worden. Der damalige Enscheder Bürgermeister Van Veen regte beiderseitige Kontakte an. Damit rannte er offene Türen bei den Mitgliedern der Interessengemeinschaft (später Kommunalgemeinschaft) Rhein-Ems ein. In dieser Organisation hatten sich vier Jahre zuvor Kommunen aus dem deutschen Grenzgebiet zusammengeschlossen, um ihre gemeinsamen Interessen gegenüber Land und Bund zu vertreten. Auf niederländischer Seite bildeten sich zwei Interessengemeinschaften in Enschede und Doetinchem. Die Euregio bestand zunächst aus diesen drei kommunalen Zusammenschlüssen. Die Zeit für grenzüberschreitende Kooperationen war reif. Dennoch war die Art und Weise, wie sie zustande kam, etwas Besonderes. Die Initiative ging von unten aus, von den Kommunen. Sie wurde nicht von oben aufgestülpt. Die Beteiligten wussten genau, wo der Schuh drückte, hatten sie doch hautnah mit den Nachteilen zu kämpfen, die die Grenzlage mit sich brachte. Dementsprechend setzten sich die ersten „Euregianer“ für die Öffnung von Grenzübergängen ein, sie machten sich stark für eine bessere Anbindung an die Autobahnnetze und kümmerten sich um die Probleme von Grenzgängern. Dass der Region dabei nichts geschenkt würde, war den Initiatoren schnell klar. Der damalige EuregioratsPräsident Hans Poetschki sagte 1980: „Bereits Anfang der 60er-Jahre setzte sich die Auffassung durch, dass
gungen. Noch wesentlicher aber muss ein ganz anderer Aspekt gewichtet werden: das Zusammenbringen von Menschen. Damit wurde eine Vertrauensbasis gelegt, auf der die anderen Erfolge aufbauen konnten. „Ich habe Anfang der 60erJahre – damals noch von der Stadt Rheine aus – Jugendbegegnungen geleitet“, erinnert sich InEuregio-Mentor Alfred Mozer: „Wenn geborg Hoffkamp, es hier nicht funktioniert, funktioniert es spätere Mitarbeinirgendwo. terin des ersten Geschäftsführers Hilfen von außen für diesen der Euregio-KommunalgeRaum und seine Zielsetzun- meinschaft Rhein-Ems, Augen nur zu erwarten sind, gust Kersting. „Erst fuhren wenn die Region zur Eigen- wir Deutschen für ein paar leistung und Selbsthilfe Tage über die Grenze, anschreitet.“ schließend kamen die nieDie 60er-Jahre müssen derländischen Jugendlichen als Vorbereitungsphase für in deutsche Familien.“ Spädie systematische Zusam- ter gab es riesige grenzüberSportfeste, menarbeit gesehen werden. schreitende Es gab kleine, greifbare Er- Kommunalbeamte unterfolge, zum Beispiel die (zu- nahmen gemeinsame Studimindest vorübergehende) enfahrten, SeniorenbegegErhaltung von Bahnlinien in nungen fanden statt. JährZeiten von Streckenstillle- lich begegneten sich auf die-
se Weise bis zu 300 000 Menschen. Gerade in den Grenzgebieten müsse eine enge Zusammenarbeit stattfinden, um bürgernah dem künftigen Europa ein Profil zu geben, sagte auch Euregio-Mentor Alfred Mozer: „Wenn es hier nicht funktioniert, funktioniert es nirgendwo.“ Der Begriff „Euregio“ wurde übrigens 1965 erstmals für eine deutsch-niederländische Wanderausstellung verwendet. „Das Wort hatte August Kersting eingeführt“, erinnert sich Hoffkamp. Kersting war wie Mozer unermüdlich in Sachen grenzüberschreitender Arbeit unterwegs, und das zunächst ehrenamtlich. Raumordnung, Arbeitsmarkt, Verkehr und die Regelung alltäglicher Grenzfragen blieben die Hauptthemen. Aber auch auf anderen Arbeitsfeldern wurde die Euregio immer aktiver. Das erforderte eine stärkere Professionalisierung. 1971 erhielt die Euregio-Kommunalgesellschaft Rhein-Ems ihre erste Geschäftsstelle in Rheine. „Wir waren zu zweit: August Kersting und ich“, erinnert sich Ingeborg Hoffkamp. Sie kam wenige Monate später bei einem Unfall ums Leben.
Ein politischer Meilenstein und eine Pioniertat auf europäischer Ebene war 1978 die Gründung des paritätisch deutsch-niederländisch besetzten Euregiorats. Die Region erhielt damit ein politisches Beratungs- und Koordinierungsorgan. Seit den 90er-Jahren stehen Mittel aus dem Europäischen Strukturfonds für Projekte in der Region zur Verfügung. Im Rahmen des Interreg-Programms flossen -zig Millionen Euro ins Euregio-Gebiet. Die Wirtschaftsministerien von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und den Niederlanden sowie die Provinzen Overijssel und Gelderland beteiligen sich an der Projektförderung. Das ermöglichte fast 300 grenzüberschreitende Projekte – vom Niederländisch-Lehrbuch für den Unterricht an allgemein bildenden Schulen bis hin zum Technologietransfer zwischen Hochschulen und kleinen und mittelständischen Betrieben. Nicht zuletzt durch beharrliche Arbeit der Euregio kann das Gebiet erhebliche Fortschritte verbuchen. Die West-Ost-Autobahn E 30 und die A 31 wurden fertig gestellt, die Bahnverbindung zwischen Enschede und Gronau wurde wieder in Betrieb genommen. Kleine und mittelständische Unternehmen arbeiten ebenso zusammen wie Hochschulen. Grenzüberschreitender Wissenstransfer hilft den Unternehmen, sich besser auf dem internationalen Markt zu behaupten. Ein grenzüberschreitender Gefahrenabwehrplan erhöht den Schutz der Bürger im Katastrophenfall, für den grenzüberschreitenden Jugendaustausch wurde das Servicebüro Diabolo eingerichtet. Grenzpendler finden Hilfe in der Eures-Beratungsstelle. Doch den größten Erfolg sah der langjährige Euregiorats-Präsident Wim Schelberg darin, dass im Laufe der Jahre „das deutsch-niederländische Miteinander zu einer Selbstverständlichkeit Hoher Besuch: Im Herbst 2007 waren die niederländische Königin Beatrix und Bundespräsi- geworden ist und Offenheit, dent Horst Köhler (Bildmitte) zu Gast bei der Euregio. Rechts Euregiorats-Präsident Frans Respekt und Verständnis Willeme aus Denekamp. vorherrschen“.
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Wenn die Euregio ein eigener Staat wäre... Flächenmäßig größer als Zypern, Malta und Luxemburg Von Martin Borck
ie Euregio ist nicht nur eine Organisation; der Begriff bezeichnet eine Region mit immerhin einer Fläche von rund 13 000 Quadratkilometern. Fast 3,4 Millionen Einwohner leben hier. Etwa zwei Drittel der Fläche und der Bevölkerung gehören zum deutschen und ein Drittel zum niederländischen Staatsgebiet. Wo würde die Euregio stehen, wenn sie ein unabhängiger Staat wäre? Ein rein spekulatives Gedankenspiel, das aber das Potenzial der Region verdeutlicht. Flächenmäßig läge die Euregio auf Platz 157 aller Länder weltweit (zwischen den Bahamas und Vanuatu). Oder, um es ein bisschen anschaulicher zu machen: Die Euregio ist größer als die EU-Mitgliedsstaaten Zypern, Malta oder Luxemburg. Die 3,4 Millionen Einwohner würden Rang 128 auf der Liste der 193 Staaten der Welt bedeuten. In der Euregio wohnen somit mehr Menschen als in den baltischen Staaten Estland oder Lettland. Nun werden in der Euregio zwei Sprachen gesprochen. Das wäre nicht so ungewöhnlich. In Belgien, der Schweiz und in zahlreichen anderen Ländern gibt es ebenfalls mehrere Amtssprachen. In der Euregio würde sich als dritte Amtssprache vielleicht Platt anbieten. In der Frage der Staatsform müssten sich die Euregianer einigen, ob sie als Staatsoberhaupt einen Präsidenten oder einen Monarchen wollten. Adelsgeschlechter existieren in der Region durchaus. Obwohl: Eine Wahl zum Präsidenten würde sich wahrscheinlich einfacher gestalten. Die Abgeordneten des Euregiorats, der betroffenen Provinz- und Regionalparlamente und Kreistage könnten in einer „Euregio-Versammlung“ den künftigen Präsidenten wählen. Der
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Schauspielerin Franka Potente stammt gebürtig aus Hans-Gert Pöttering, Präsident des Europäischen Parladem Münsterland. ments, wurde ebenfalls in der Euregio (Bersenbrück) geboren.
wäre vermutlich aus christdemokratischem Hause, da sowohl im deutschen als auch im niederländischen Teil der Euregio die CDU beziehungsweise CDA bei den jüngsten Wahlen die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnten. Aussichtsreiche Kandidaten wären zum Beispiel der derzeitige Euregio-Chef Frans Willeme aus Denekamp oder auch Bart van Winsen (Haaksbergen), der die Mozer-Kommission leitet. Oder der Mann mit der wohl meisten Europa-Erfahrung: Hans-Gert Pöttering, der in Bersenbrück geborene Präsident des Europäischen Parlaments. Als Hauptstadt oder zumindest Regierungssitz würde sich die zentral gelegene „Doppelstadt“ Gronau-Enschede anbieten. Von der Infrastruktur her steht die Euregio gut da: Der große Flughafen Münster-Osnabrück, dazu mehrere kleine Landeplätze, gute Straßen- und Bahnverbindungen. Auch
per Schiff kann man auf den Kanälen der Region die wichtigsten Städte erreichen. Noch fehlt allerdings eine Verbindung zwischen Twente- und Mittellandkanal . . . Universitäten und Fachhochschulen sind in den Oberzentren Münster, Osnabrück und Enschede sowie in kleineren Städten wie Steinfurt vorhanden. Die Wirtschaft der Euregio ist geprägt von gesunden, innovativen mittelständischen Unternehmen, die Landwirtschaft spielt weiterhin eine große Rolle. Die Arbeitslosigkeit ist unterdurchschnittlich. Bodenschätze sind eher rar: Es existieren ergiebige Salzvorkommen, am Rande der Euregio wird in Ibbenbüren und im Bereich Ahlen Kohle gefördert. Richtung Emsland/Grafschaft Bentheim gibt es Öl. Was berühmte Einwohner angeht, bräuchte sich die Euregio nicht zu verstecken. Zum Beispiel stammt ein Oscar-Preisträger aus
der Region: Bert Haanstra (1916-1979), geboren in Espelo und in Twente aufgewachsen, erhielt 1959 für seinen Film „Glas“ die Auszeichnung für den besten Dokumentar-Kurzfilm. Zahlreiche Olympia-Gewinner stammen aus der Euregio: Eine der derzeit besten Schwimmerinnen der Welt kommt aus Borne: Marleen Veldhuis (geboren 1979), Weltrekordhalterin und gerade erst mit Staffelgold aus Peking zurückgekehrt. Ellen van Langen (1966), 1992 Olympiasiegerin über 800 Meter, wurde in Oldenzaal geboren. Reiter Ulrich Kirchhoff (1967 in Lohne) war mehrfacher Olympiasieger und lebt im Münsterland, ebenso Klaus Balkenhol, der bei den Olympischen Spielen 1992 und 1996 Gold holte, und Otto Becker, 2000 in Sydney erfolgreich. Die Münsteraner Rainer Klimke (1938-1999) und seine Tochter Ingrid (1968) sind ebenfalls mit olympischen Edelmetall ausgezeichnet.
Die auch in Deutschland bekannten Schriftsteller Jan Cremer (1940) und Marcel Möring (1957) wurden in Enschede geboren, die auch in Hollywood aktive Schauspielerin Johanna ter Steege kam 1961 in Wierden zur Welt. Ihre Kollegin Franka Potente stammt aus dem Münsterland, ebenso Sängerin Ute Lemper. Der erste niederländische Astronaut, Wubbo Ockels, wurde 1946 in Almelo geboren. Sogar mit Nobelpreisträgern kann sich die Euregio schmücken: Johannes Georg Bednorz, geboren 1950 in Neuenkirchen, erhielt 1987 den Nobelpreis für Physik. Klaus Klitzing (Nobelpreis für Physik 1985) hat in Quakenbrück sein Abitur gemacht. Ein Fußballer, der 1954 in Bern Furore machte, als er das Siegtor im FußballWM-Finale für Deutschland schoss, war später in der Region aktiv: Helmut Rahn spielte von 1960 bis 1963 beim SC Enschede.
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„Sch...Bürokratie! Sie sind ein Grenzfall“ Wie ein Manta GT auf nicht ganz legale Weise den Weg von Deutschland nach Holland fand Von Freimuth Schulze
ie oft habe ich die Grenze in der Vergangenheit verflucht, wenn ich wieder einmal zum Warten verurteilt war. Eine Stunde und 50 Minuten habe ich einmal in der Schlange vor dem ehemaligen Übergang Nordhorn-Frensdorferhaar gestanden, einen wichtigen Termin verpasst. Aber auch 20 Minuten Stillstand können einem auf die Nerven gehen, wenn man es eilig hat. Und eilig hat ein Journalist es eigentlich immer. Kilometerlange Autoreihen vor der Grenze waren vor 20, 30 Jahren gang und gäbe, die Ursachen unterschiedlicher Art: Feiertagsausflugsverkehr, Terroristenfahndung. Bauernaufstand, Streikaktionen der Trucker. Als so genannter Grenzgänger, mit Wohnsitz im niederländischen Grenzort Denekamp und Arbeitsplatz in Nordhorn, profitiere ich heute natürlich vom Wegfall der Grenzen. Aber das war nicht immer so. Mindestens viermal am Tag „pendele“ ich zwischen Holland und Deutschland hin und her. Dabei wurde ich in der Vergangenheit oftmals zum „Grenzfall“. Mit europäischer Grenzbürokratie bekam ich schon unmittelbar nach meiner Übersiedlung von Schüttorf ins Land der Mühlen, der Blumen, der Kanäle und des Käses zu tun. Als Neubürger Hollands musste ich meinen Manta GT umschreiben und mit einem niederländischen Kennzeichen versehen lassen. Offenbar eine schnell zu erledigende Pflichtübung. Wenn da nicht die Vorschriften wären . . . Wohlweislich hatte ich mir schon einen Urlaubstag genommen. Ich wollte alles in Ruhe regeln. Frühmorgens um acht stand ich mit meinem gelborangefarbenen Manta – mein ganzer Stolz – am Grenzübergang Nordhorn-
ohne die – das hatte ich bereits erfahren –, der Wagen beim niederländischen Straßenverkehrsamt nicht angemeldet werden konnte. Und ich wusste inzwischen auch, dass zwischen Anmeldung und Erteilung des neuen Kennzeichens einige Wochen vergehen können. Der holländische Zollbeamte wies mich freundlich, aber bestimmt daraufhin, dass ich das Auto nicht einführen könne, bevor es nicht ausgeführt sei. Und für die Ausfuhr seien die deutschen Kollegen zuständig.
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Freimuth Schulze
Frensdorferhaar. Und ich hatte auch schnell einen Zollbeamten gefunden, der mich darüber aufklärte, dass Kraftfahrzeuge nur über den A 30-Grenzübergang Springbiel/De Poppe bei Bad Bentheim in die Niederlande eingeführt werden können. Also meldete ich mich eine halbe Stunde später in De Poppe bei der holländischen Douane mit der Bitte, die Formalitäten zu regeln und mir eine Einfuhrbescheinigung auszustellen,
Also suchte ich einige Türen weiter meine Landsleute auf. Aber auch da war ich zunächst einmal an der falschen Adresse: „Als Privatmann können Sie kein Kraftfahrzeug ausführen. Das geht nur über eine Spedition.“ Die gab es damals an den Grenzübergängen in Hülle und Fülle. So stand ich schon bald am Tresen einer bekannten Firma, die Ein- und Ausfuhren regelt. Der Papierkram war schnell erledigt, die Gebühr bezahlt. Mein nächster Gang führte mich wieder zum deutschen Zoll.
Der hatte nun die vorgeschriebenen Papiere, ich aber noch nicht den Stempel, der die Ausfuhr des Fahrzeugs bescheinigt. „Dann werden wir erst einmal das Kennzeichen vernichten“, erklärte mir der deutsche Zöllner. Mir begannen die Knie zu schlottern. Was sollte ich wochenlang mit einem Auto, das keine Nummernschilder mehr hat. „Die Kennzeichen sind Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Wenn das Auto ausgeführt wird, bleiben die Nummernschilder hier“ – ich ließ mir die Papiere wiedergeben und fuhr erst einmal nach Hause. Am Nachmittag suchte ich das für mich zuständige holländische Finanzamt in Enschede auf. Auch dort wusste man sich keinen Rat, schickte mich zu den Kollegen nach Oldenzaal. Die wiederum verwiesen mich an den Zoll auf dem Bahnhof: „Vielleicht haben die eine Lösung.“ Ich sehe den DouaneBeamten noch genau vor mir. Er saß im Büro eines alten Lagerschuppens.
Links auf dem Schreibtisch eine Tasse Kaffee, im Mundwinkel eine selbst gedrehte Zigarette. Das Thema kam zunächst einmal auf die deutsch-holländischen Beziehungen in der Vergangenheit. Während des Krieges hatte sich der niederländische Zollbeamte längere Zeit in Schüttorf aufgehalten, meiner Geburtsstadt. Er schwärmte vom guten Essen bei „Pus“ – einer urigen Kneipe, die auch heute noch für ihre deftigen Mahlzeiten bekannt ist. Natürlich bot mir der Beamte das in Holland obligatorische „kopje koffie“ an. Nach längerer Unterhaltung fand ich dann Gelegenheit, mein Anliegen vorzubringen. Mit wenigen Worten in bestem Deutsch gab mein Visavis seine Antwort auf mein Problem: „Sch . . . Bürokratie! Sie sind ein Grenzfall!“ Packte einen Stempel, drückte ihn auf eine Einfuhrerklärung und mir danach die Papiere in die Hand. Mein Manta war damit „offiziell“ ein „Holländer“.
Er kennt die Grenze in der Euregio wie kaum ein anderer Journalist. Unzählige Geschichten hat der seit 33 Jahren in Denekamp wohnende GN-Redakteur Freimuth Schulze in der Vergangenheit von seinen täglichen Grenzübertritten mitgebracht. Bis die Schlagbäume 1993 fielen.
Kurzurlaub und Ausflug „um die Ecke“ Unberührte Naturparadiese und verborgene Gärten, zauberhafte Schlösser und charmante Städtchen – die niederländische Grenzregion lockt mit einem vielfältigen Angebot. Ob für den Aktivurlaub oder die Kulturreise, den Ausflug mit der Großfamilie oder das romantische Pärchenwochenende: Zahlreiche Tipps für einen angenehmen Urlaub oder Tagesausflug finden Sie in der Broschüre „Urlaub in der Grenzregion, das andere Holland“. In der Tagesausflugskarte sind mehr als 80 Tipps aufgelistet für Tagestouren mit der ganzen Familie in der niederländischen und deutschen Grenzregion. Sie können diese Broschüren anfordern unter www.niederlande.de/grenzregion Dort finden Sie auch eine Auswahl preiswerter Angebote und mehr.
Auf zwei Rädern unterwegs
Paradies für Radwanderer: Die östlichen Grenzregionen der Niederlande mit ihren flachen Wegen und den gut ausgeschilderten Radrouten sind das ideale Ziel für einen Urlaub/Ausflug auf zwei Rädern. Zahlreiche deutschsprachige Routenbeschreibungen und Fahrradkarten stellen die Schönheiten vor. Besonders zu empfehlen sind die 22 Radwanderrouten in der Broschüre „Radeln in der Grenzregion“, die Sie auf der Internetseite bestellen können. Wer den Ausflug mit einem kleinen Stadtbummel verbinden möchte, der kann „Von Hansestadt zu Hansestadt“ radeln. www.niederlande.de/grenzregion
Großer Spaß für kleine Abenteurer Veranstaltungstipps 1.-5. Oktober Internationale Glaskunstveranstaltung, Tubbergen www.glasrijk.nl
5. Oktober Weinfestival in Zwolle www.wijnfestivalzwolle.nl
Freche Äffchen in Freiheit bestaunen, rasante Loopings drehen oder sich auf eine aufregende Expedition in die Eiszeit begeben. Sich als Ritter verkleiden oder durch ein riesiges Labyrinth irren. Zahlreiche Bauernhöfe, Handwerksbetriebe und Heimatmuseen zeigen wie in früheren Jahrhunderten gelebt und gearbeitet wurde – interessante Eindrücke für Kids von heute. Von spektakulären Attraktionen bis zu kindgerechten, pädagogischen Angeboten. Für Kinder bietet die niederländische Grenzregion zahllose spannende Möglichkeiten. www.niederlande.de/grenzregion
9. – 12. Oktober Militarywoche, Boekelo www.military-boekelo.nl
16. – 21. Oktober LEGO WORLD 2008, Zwolle www.legoworld.nl
17. – 19. Oktober “Schlacht um Grolle”, Groenlo www.slagomgrolle.nl
18. – 26. Oktober Herbstkirmis, Enschede www.vvvenschede.nl
Ein TOP-Tag mit den TOPs Das Auto parken und los geht’s! Dafür steht ein TOP. Die deutsch-niederländische Grenzregion kennt verschiedene Touristische Orientierungpunkte, kurz TOPs. Ein TOP ist ein idealer Ausgangspunkt für verschiedene Rad- und Wanderrouten. Lassen Sie das Auto einfach auf einem der Gratisparkplätze stehen und wechseln Sie auf’s Fahrrad oder ziehen Sie die Wanderschuhe an. Bei jedem TOP finden sich beschilderte Tagestouren von etwa 40 km. Über die Website www.grenzerlebnisse.de ist es möglich die zugehörigen Karten von einem oder mehreren TOPs zu bestellen. Eine Karte kostet E 1,90 und 5 nur noch E 7,90!
19. Oktober Tag der alten Fahrzeuge, Boekelo www.vvvenschede.nl
19. Oktober Herbstliche Messe für Dampf- und Modelleisenbahnen, Boekelo www.museumbuurtspoorweg.nl
25. – 26. Oktober Landgoed Twente Fair, De Lutte www.landgoedtwentefair.nl
5.-9. November Holiday on Ice Mystery, Zwolle www.ijsselhallen.nl Mehr Veranstaltungen unter www.niederlande.de/grenzregion
Urlaubstipps für Kids Internetseite für Kinder gibt Tipps für tolle Ferien
Es ist soweit: die Herbstferen stehen wieder vor der Tür. Weißt Du schon was Du in den Ferien machen wirst? Wenn nicht, dann schau doch mal auf www.urlaubfuerkinder.de nach, Lilli und Luuk haben tolle Tipps für Dich! Falls das noch nicht ausreicht kannst du auch auf www.niederlande. de/grenzregion die „Tagesausflugskarte“ bestellen. Bei den mehr als 80 Attraktionen ist sicherlich etwas Tolles für Dich dabei. So gut ausgerüstet können die Ferien ja dann losgehen!
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Zur Behandlung über die Grenze Marktwirtschaft im Gesundheitswesen setzt sich immer stärker durch Bislang haben zwei Hälften noch kein Ganzes gemacht. Eine Trennungslinie – die Landesgrenze – ging immer mitten hindurch. Somit war auch das Versorgungsgebiet der Krankenhäuser im deutschen und niederländischen Grenzgebiet jahrelang halbiert: Es hörte an der Grenze auf. Von Rindert Paalman NORDHORN/ENSCHEDE.
„Wenn nur diese Trennungslinie nicht wäre. Wenn die andere Seite nur auch dazu gehören würde“, hörte man regelmäßig Seufzer im Medisch Spectrum Twente (MST) in Enschede, dem Krankenhaus mit einer Spit-
zenversorgung in den Bereichen Kardiologie, Onkologie, Neurochirurgie und Gefäßchirurgie. Genau das Gleiche war aus der Fachklinik Bad Bentheim, spezialisiert auf Rheumatologie, chronische Erkrankungen und Dermatologie zu hören: „Hätten wir nur mehr niederländische Patienten.“ Ja natürlich, die Krankenhäuser in Twente und dem Achterhoek, im Münsterland und der Grafschaft Bentheim haben immer schon Patienten von jenseits der Grenze versorgt. Es handelte sich aber nie um spektakuläre Zahlen, höchstens um einige Dutzend Patienten pro Jahr. Erst seit einigen Jahren verstärkt sich allmählich der Zustrom vor allem aus den Niederlanden nach Deutschland; auf etwa 600, schätzt das Euregio Ser-
vicezentrum für Gesundheit (ESG). In die andere Richtung sind es weniger. Doch sei die Tendenz steigend, sagt Annette Dwars, die niederländische Geschäftsführerin des ESG. Die Erwartung geht denn auch dahin, dass in den nächsten Jahren immer mehr Niederländer und Deutsche jenseits der Grenze die jeweiligen Krankenhauseinrichtungen in Anspruch nehmen werden. Die Einrichtungen selbst seien darauf vorbereitet, sagen sie. Sie sehnen es sogar herbei und fürchten die Konkurrenz der anderen Seite überhaupt nicht. In den Niederlanden dürfte Marktwirtschaft im Gesundheitswesen mittlerweile ein bekannter Begriff sein, aber auch in Deutschland setzt sich dieses Phänomen immer stärker durch.
Beim ESG handelt es sich um ein grenzüberschreitendes Netzwerk mit etwa 30 großen Partnern aus dem Gesundheitswesen. Nicht nur die Universitäten und Hochschulen sind beteiligt, sondern auch Krankenversicherungen, Krankenhäuser und Gesundheitsämter genauso wie Ärzte- und Patientenverbände. Das Netzwerk hat inzwischen einen guten Überblick, wie es im Bereich Gesundheit auf beiden Seiten der Grenze aussieht. Wo befindet sich welche Einrichtung und wo fehlt ein Angebot? Wo kann ein Patient so schnell wie möglich und so wohnortnah wie möglich die für ihn beste Versorgung erhalten? „Nicht unwichtig, so ein Versorgungsaltas“, sagt Annette Dwars, denn Patienten, Ärzte und Krankenversicherun-
gen hätten bis vor Kurzem kaum gewusst, was jenseits der Grenze machbar ist. EU-Bürger dürfen sich unter bestimmten Umständen in einem anderen Mitgliedsland behandeln lassen. Das gilt auf jeden Fall, wenn es im eigenen Land für die Behandlung eine Warteliste gibt. Im Prinzip herrsche Wahlfreiheit, praktisch gehe es aber noch recht unflexibel zu, so die Erfahrung der Krankenhäuser in der Euregio. Es gibt also immer noch Barrieren. Damit müsse Schluss sein, sagte die EUKommission kürzlich. Bevor es jedoch so weit ist, werden wohl noch Jahre ins Land gehen. Die Krankenversicherungen werden jedoch entgegenkommender. „Sie machen längst nicht mehr solche Schwierigkeiten“, sagt
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Das Thoraxzentrum in Enschede zählt heute zur Spitze der niederländischen Herzzentren.
A. Steinkamp, Direktionsmitglied der Euregio-Klinik in Nordhorn. „Die niederländischen Versicherungen sind auf jeden Fall bereit, sich mit der Materie auseinander zu setzen. Versicherungen – und darin unterscheiden sich die niederländischen nicht von den deutschen – interessieren sich für drei Fragen: Was kostet es? Wie ist die Qualität? Wie ist der Service? Wenn sich dann herausstellt, dass etwas auf der anderen Seite der Grenze günstiger zu haben ist, geben sie zügig ihre Zustimmung zu einer Behandlung.“ Auch Dwars (ESG) stellt fest, dass die Krankenversicherungen nicht mehr so unzugänglich sind wie noch vor wenigen Jahren und sich jetzt immer aufgeschlossener geben. „Lange Zeit wurde behauptet, dass lediglich fünf Prozent der Grenzbevölkerung an einer Behandlung jenseits der Grenze interessiert seien. Aber das war nur so über den Daumen gepeilt. Zudem konnte auch die Qualität der Versorgung jenseits der Grenze nicht zufrieden stellend eingeschätzt werden.“ Ausführliche ESG-Befragungen unter den Bewohnern und Ärzten in der Grenzregion haben jedoch erwiesen, dass rund 60 Prozent der Niederländer und ein etwas geringerer Prozentsatz der Deutschen erwägen, für eine zukünftige Behandlung die Grenze zu überqueren. „Also deutlich mehr als fünf Prozent“, so Dwars. „Wenn man berücksichtigt, dass im Euregiogebiet ungefähr 3,5 Millionen Menschen leben, dann hat
man es mit einem enormen Potenzial zu tun.“ Niederländer sind in erster Linie an einer deutschen Behandlung im Bereich der Orthopädie (Bad Bentheim und Gronau), der Augenheilkunde (Ahaus) sowie der Gefäßchirurgie und der Urologie (Gronau) interessiert. Großes Interesse besteht auch an der so genannten Onestop-Untersuchung (Nordhorn und Gronau): Alle Untersuchungen erfolgen an einem Tag, und zum Schluss erhält man die Diagnose und die Behandlungsempfehlung. Und das alles lässt sich kurzfristig realisieren. Ganz anders als in den Niederlanden, wo der Patient immer wieder neue Termine machen muss und wo er erst
nach Monaten weiß, wie es um ihn steht. Die Deutschen suchen gern die Einrichtungen für Rehabilitation („Het Roessingh“ in Enschede), Kardiologie (MST Enschede) und Psychologie/Geriatrie (Bruggerbosch Enschede) in den Niederlanden auf. Teilweise ist das durch vorhandene spezialisierte Therapiezentren nah der Grenze zu erklären. Es hat aber auch mit den bestehenden Wartelisten sowohl auf deutscher als auch auf niederländischer Seite zu tun. Während die Niederländer vor allem nach Möglichkeiten suchen, sich schneller behandeln zu lassen, ist für die Deutschen die wohnortnahe Behandlungsmöglichkeit wichtig.
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Auch die Krankenversicherungen erkennen, dass sich die Situation gegenüber der Zeit von vor etwa zehn Jahren drastisch verändert hat. Patienten sind mündiger geworden. Sie suchen über das Internet heraus, wo sie die beste und schnellste Behandlung erhalten können und konfrontieren ihre Versicherung mit diesem Wissen. „Warum soll ich 150 Kilometer fahren und Monate auf eine Herzoperation warten, wenn mir direkt jenseits der Grenze in Enschede geholfen werden kann“, fragt sich ein Deutscher, während sich ein Niederländer fragt: „Warum muss ich in Enschede monatelang auf eine neue Hüfte warten, wenn ich in einem Spezialkrankenhaus in Bad Bentheim nach wenigen Wochen Wartezeit operiert werden kann?“ „Als Krankenversicherung“, sagt Dwars, „ist man verpflichtet, die beste Behandlung zu ermöglichen, auch wenn sie im Ausland erfolgen muss. Deutsche Versicherungen sind da, finde ich, schon viel weiter als die niederländischen. Sie sind wirklich bereit, den Markt zu öffnen.“ Aber, wo drückt denn nun der Schuh? Sind niederländische Krankenhäuser teurer als deutsche? Dwars vermutet es, kann es aber nicht mit Sicherheit sagen. Das hänge von der Art der Behandlung ab. Bei einigen Eingriffen sind deutsche Krankenhäuser teurer. Es
hat vor allem mit dem komplizierten Tarifsystem zu tun. Auf die niederländischen Endpreise wird vieles aufgeschlagen, auch die Investitionen in Gebäude und Apparaturen, was man in Deutschland so nicht kennt. Dass sich in den nächsten Jahren immer mehr Patienten bei den Nachbarn jenseits der Grenze behandeln lassen werden, darüber ist man sich einig. Dass es jedoch zu großen Verschiebungen bei den Patientenströmen kommen wird, ist zu bezweifeln. „Wir brauchen wirklich nicht in Größenordnungen von tausenden von Patienten zu denken“, sagt Dwars. Die Sprachbarriere sollte dabei kein Problem darstellen. In Bad Bentheim, Nordhorn, Gronau und Ahaus wurden niederländische Mitarbeiter eingestellt, außerdem sprechen viele deutsche Mitarbeiter Niederländisch. Auf der anderen Seite der Grenze, bei „Het Roessingh“ und am MST in Enschede ist es genauso: Es gibt Mitarbeiter mit einem deutschen Pass, und es gibt Personal, das Deutsch spricht. „Als wir vor vier Jahren das Thoraxzentrum eröffneten“, sagt Clustermanager Henny Voss, „haben wir viel zusätzliches Personal eingestellt. Eine der Einstellungsvoraussetzungen war, dass deutsche Sprachkenntnisse vorhanden sein mussten beziehungsweise Deutsch gelernt werden musste.“
Rehabilitation im Ausland: das Reha-Zentrum „Het Roessingh“ in Enschede sieht das deutsche Grenzgebiet als interessanten Markt.
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Auf deutsche Patienten eingestellt Thoraxzentrum Twente und Reha-Zentrum „Het Roessingh“ schielen über die Grenze Erwartungsvoll sieht man im Thoraxzentrum Twente in Enschede der Ankunft des ersten deutschen Herzpatienten entgegen, der ganz normal korrekt von seinem deutschen Arzt überwiesen worden ist und dessen Krankenkasse die Kosten der Behandlung übernimmt. „Dann werden wir zur Feier des Tages flaggen“, sagt ClusterManager Henny Voss. „Wir werden sogar zwei Fahnen aushängen, die deutsche und die niederländische.“ Von Rindert Paalman ENSCHEDE. Der „Debütant“
wird nicht mehr lange auf sich warten lassen, prophezeit das Krankenhaus Medisch Spectrum Twente (MST), dem das Thoraxzentrum angegliedert ist. Und wenn der Damm erst einmal gebrochen ist, wird es einen Strom von Herzpatienten aus dem deutschen Grenzgebiet geben, erwartet – und hofft – man. Einige Hundert sollen es pro Jahr sein. „Wir sind bereit dafür“, so Voss. Deutsche Patienten sind an und für sich nichts Besonderes im MST. Das Krankenhaus hat, vor allem wenn es um Traumatologie (Unfallmedizin) geht, eine grenzüberschreitende Funktion. Im vergangenen Jahr wurden – verteilt auf alle Abteilungen – nahezu 300 Patienten aufgenommen, über 900 suchten die Poliklinik auf. In Enschede hat man schon immer begierige Blicke auf das potenzielle Versorgungsgebiet jenseits der Grenze geworfen. Doch dabei blieb es auch – vor allem wegen der Hürden, die vor allem die Krankenkassen aufbauten. Jetzt hat sich die Situation erheblich verändert, sagt Voss. Umfragen des Euregionalen Servicezentrums Gesundheit (ESG) ergaben, dass sich 60 Prozent der Deutschen im Grenzgebiet auf den Gebieten der Reha-
Elf Kardiologen und fünf Herzchirurgen sind derzeit im Thoraxzentrum in Enschede beschäftigt.
bilitation, Psychologie/Geriatrie, aber vor allem der Kardiologie, gerne in den Niederlanden behandeln lassen würden. Für sie spielt die Nähe zum Behandlungsort eine wichtige Rolle. Herzpatienten aus Nordhorn oder Gronau, Ahaus oder Vreden sind derzeit auf Behandlungen in Münster, Bad Rothenfelde oder Bad Oeynhausen angewiesen; allesamt nicht um die Ecke gelegene Kliniken. Doch gerade im akuten Notfall ist die räumliche Nähe zu einem Herzzentrum von ausschlaggebender Bedeutung. Außerdem bestehen für bestimmte Eingriffe in den deutschen Kliniken lange Wartezeiten. Im Thoraxzentrum in Enschede kommen Patienten meistens schon innerhalb von drei Wochen an die Reihe. Das Thoraxzentrum mit seinen elf Kardiologen und fünf Herzchirurgen existiert seit vier Jahren und hat in dieser Zeit, so Voss, „einen Spitzenplatz in der Liga der niederländischen Herzzentren erobert“. Neben kardiologischen wie zum Bei-
spiel elektrophysiologische und Herzkatheter-Untersuchungen sowie Behandlungen wie dem Einsetzen von Herzschrittmachern und Defibrillatoren werden auch PTCA (Aufdehnung eines verengten Herzkranzgefäßes) und Operationen an Herzklappen ausgeführt sowie Bypässe gelegt. „Bei uns läuft es mittlerweile rund. Wir können die Kosten für die einzelnen Eingriffe gut beziffern, sodass wir uns weiter auf den Markt vorwagen können. Wir können jetzt über die Grenzen unseres Versorgungsgebiets Twente und Achterhoek hinaus blicken.“ Kürzlich hatte das Zentrum deutsche Ärzte, Vertreter von Krankenkassen und andere Gesundheitsexperten zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Die Zusammenkunft, von einem der Herzchirurgen, einem Deutschen, geleitet, sei ein großer Erfolg gewesen, so Voss. Die Verhandlungen mit der Barmer-Ersatzkasse befinden sich in einem weit fortgeschrittenen Stadium. „Deshalb erwarten wir den ers-
ten Patienten schon in diesem Jahr.“ So weit ist „Het Roessingh“ in Enschede noch nicht. Das Reha-Zentrum, das in den Niederlanden den Ruf einer Spitzen-Einrichtung hat, bietet eine integrierte Verfahrensweise mit neurologischer, orthopädischer, traumatologischer, Schmerz- und Kinderrehabilitation an. Eine Kombination, die es so in Deutschland offenbar nicht gibt, zumindest nicht unter einem Dach. Dabei geht es nicht nur um Behandlungen in der Klinik, sondern auch um ortsnahe, ergänzende ambulante Behandlungen. Auch „Het Roessingh“ betrachtet das deutsche Grenzgebiet als einen interessanten Markt, so RehaArzt Dr. Govert Snoek. Er hat in der Vergangenheit, was bemerkenswert ist, viele deutsche Patienten behandelt. Ein anderer der dort tätigen Reha-Ärzte hielt mehrere Jahre in deutschen Krankenhäusern Sprechstunden ab und fungierte als Berater. In seinem Kielwasser begaben sich et-
liche deutsche Patienten zur weiterführenden Reha nach Enschede. „Aber Mitte der 90er-Jahre hörte das auf. Die deutschen Kassen machten immer häufiger Schwierigkeiten bei der Kostenübernahme. Jetzt aber stellen wir wieder einen allmählichen Umschwung fest. Das liegt, vermute ich, daran, dass der Patient mündiger wird. Er meldet sich bei seiner Kasse, wenn er etwas möchte. Für einen Querschnittsgelähmten aus Gronau befindet sich die nächstgelegene deutsche Reha-Klinik irgendwo im Ruhrgebiet oder im Sauerland. Aber so weit weg will der Patient nicht, und seine Familie auch nicht. Also fragt er seine Kasse: Warum kann ich nicht nach Enschede?“ Deutsche Krankenversicherungen tun sich mit der Kostenübernahme schwer, so Snoek, weil die Rehabilitation anders verlaufe und die Kosten auf andere Art berechnet würden. „Auch die Kassen wissen, dass wir qualitativ hochwertige Arbeit leisten; gleichzeitig aber finden sie, dass wir, was die Tarife betrifft, im hohen Preissegment angesiedelt sind. Ja, dass wir zu teuer sind. Wir handhaben sozusagen einen All-inklusive-Preis. Dadurch ist es schwierig, die Behandlung in beiden Ländern zu vergleichen. Unterm Strich kann ich nicht ausschließen, dass wir sogar günstiger sind.“ Wie groß der potenzielle deutsche Markt für „Het Roessingh“ ist, vermag die Einrichtung nicht einzuschätzen. Das Reha-Zentrum wirbt bislang noch nicht aktiv auf dem deutschen Markt – etwas, was das Thoraxzentrum durchaus konkret plant. „Aber wir wissen, dass wir aktiv werden müssen. Die Zeiten, dass der Patient – gleich ob Deutscher oder Niederländer – wie selbstverständlich von sich aus zu uns kommt, sind vorbei. Man muss in allen Bereichen konkurrenzfähig sein: Qualität, Preis und Service. Aber was das angeht, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.“
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Konkurrenz Gesundheitswesen Nordhorner Euregio-Klinik wirbt mit Anzeigen in den Niederlanden Fürchten die Krankenhäuser im deutschen Grenzgebiet die niederländische Konkurrenz? Betrachten sie Spitzeneinrichtungen wie das Medisch Spectrum Twente (MST) mit seinem Thoraxzentrum und das Rehabilitationszentrum „Het Roessingh“ in Enschede als eine Bedrohung? Überhaupt nicht, ertönt es fast im Chor. Aber was denn dann? Von Rindert Paalman NORDHORN/ENSCHEDE.
Genauso wie in den Niederlanden sehen sich auch in Deutschland immer mehr Krankenhäuser dazu genötigt, den Konkurrenzkampf aufzunehmen, zudem werden sie immer stärker nach den Kriterien Qualität, Preis und Service beurteilt. Die Euregio-Klinik in Nordhorn, in der im vergangenen Jahr mehr als 150 niederländische Patienten
Die Nordhorner Euregio-Klinik wirbt mit Tageszeitungsanzeigen in den Niederlanden um Patienten.
spezialisiert auf Knie- und Hüftoperationen mit minimalinvasiver Chirurgie, zertifiziertes Zentrum für Vorsorgeuntersuchungen nach Brustkrebs usw. „Wir hatten“, sagt Direktionsmitglied A. Steinkamp, „das Bedürfnis, die niederländische Bevölkerung zu informieren. Nicht um zu betonen, dass wir die Besten seien, sondern um aufzuzeigen, was wir alles zu bieten haben. Wir haben festgestellt, dass man nicht einmal in den Orten unmittelbar jenseits der Grenze wie in der Gemeinde Dinkelland genau weiß, was wir hier so alles machen und können.“ Für die Euregio-Klinik ist klar wie Kloßbrühe, dass sie sich dem Wettbewerb stellen muss. „Die Situation, dass sich Krankenhäuser bequem zurücklehnen konnten nach dem Motto: die Patienten kommen ja doch, ist vorbei. Wir müssen uns anstrengen – nicht nur im Hinblick auf die niederländischen, sondern auch auf die anderen deutschen Krankenhäuser.“ Das St.-Antonius-Hospital in Gronau, das in Nordrhein-Westfalen unter andeDas Paulinenkrankenhaus in Bad Bentheim fürchtet die niederländische Konkurrenz rem für seine Verwendung nicht. der 3D-Navigation bei der behandelt worden sind, hat kürzlich eine halbseitige Anzeige in der niederländischen Tageszeitung „De Twentsche Courant Tubantia“ aufgegeben. Eine Aufsehen erregende Aktion, nicht nur für niederländi-
sche, sondern auch für deutsche Begriffe. Das Krankenhaus pries sich bewusst selbst als Einrichtung an, die Niederländern viel zu bieten habe: kurze Wartezeiten für radiologische und MRT-Aufnahmen,
Implantation künstlicher Gelenke bekannt ist, behauptet, keinerlei Probleme mit dem medizinischen Tourismus über die Grenze zu haben. Das ist nicht verwunderlich. Mit jährlich 600 ambulanten und 250 stationären niederländischen Patienten ist es bei seinen Nachbarn recht beliebt. „Wir betrachten das MST, das keine zehn Kilometer von Gronau entfernt ist, absolut nicht als Konkurrenz“, so Xenia LorenzRebers, Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit im Antonius-Hospital, „sondern eher als Partner. Es ist doch wunderbar, dass sich hiesige Herzpatienten zur Behandlung ins Thoraxzentrum in Enschede begeben können.“ Im Bereich der Urologie arbeitet das Antonius-Hospital recht intensiv mit dem MST zusammen. „Wir würden am liebsten auch in anderen Bereichen die Zusammenarbeit verstärken.“ Verwaltungsleiter Gert de Groot vom Paulinenkrankenhaus in Bad Bentheim fürchtet die niederländische Konkurrenz ebenfalls nicht. Zum Paulinenkrankenhaus gehört ein großes Orthopädiezentrum, das wegen seiner Hüft- und Knieoperationen sowie der Implantation künstlicher Gelenke hohes Ansehen genießt. Bei der Rehabilitation der Patienten arbeitet es eng mit der Fachklinik Bad Bentheim zusammen, die ebenfalls in dem Kurort angesiedelt ist. „Ich betrachte die niederländischen Krankenhäuser absolut nicht als Konkurrenz“, sagt er. „Ich würde mir eine gute Zusammenarbeit wünschen.“ Groot weiß auch, dass auf Grund der beschränkten OP-Kapazitäten die Wartelisten bei orthopädischen Eingriffen in den Niederlanden lang sind. Er könnte sich deshalb vorstellen, „um nur ein Beispiel herauszugreifen“, dass ein Arzt aus Hengelo alle zwei Wochen oder einmal im Monat einige seiner Patienten in Bad Bentheim operiert. „Warum eigentlich nicht?“
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9000 Operationen jährlich Auch immer mehr Niederländer kommen in die Augenklinik in Ahaus Die Krankenhäuser im deutsch-niederländischen Grenzgebiet können vom „ausländischen“ Erfolg der Augenklinik in Ahaus nur träumen. Jährlich finden sich 2000 Niederländer in den Sprechstunden zu Beratungen, Kontrollen oder zur Einholung einer zweiten Meinung ein. Von Rindert Paalman AHAUS. In jedem Jahr werden dort mehr als 300 niederländische Patienten operiert. Und die Zahlen würden noch weiter steigen, meint Betty Graauw, niederländische Mitarbeiterin der Klinik. „Die Niederlande sind für uns ein Wachstumsmarkt, sie wer-
den für uns immer wichtiger.“ Die Augenklinik in Ahaus ist die drittgrößte ihrer Art in Deutschland. Sie ist eine der modernsten und nimmt eine Vorreiterrolle bei der Anwendung neuer Entwicklungen ein. 13 Ärzte, jeder mit eigenem Spezialgebiet, von denen acht operieren, arbeiten an der Klinik. 30 000 Patienten, nicht nur aus Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen sondern aus ganz Deutschland, kommen jährlich in die Sprechstunden; 9000 Operationen werden vorgenommen. Was die Krankenhäuser in der Grenzregion regelrecht neidisch macht, ist die Tatsache, dass die Augenklinik für die Behandlung niederländischer Patienten feste Verträge mit einigen großen niederländischen Krankenversi-
rungen haben wir ein gutes Verhältnis“, so Betty Graauw. „Das ist aber nicht reibungslos über die Bühne gegangen. Wir brauchten schon einen langen Atem. Es lief darauf hinaus, dass wir uns dem niederländischen Krankenkassenvergütungssystem angenähert ha9000 Augenoperationen werden jährlich ben.“ Niederin der Augenklinik in Ahaus vorgenommen. ländische Krankenversicherungen wie Menzis, Ach- cherungen seien nicht einfamea und Ohra Delta Lloyd cher oder schwieriger als abgeschlossen hat. „Zu den deutsche, sagt sie. „Niederanderen Krankenversiche- ländische Versicherungen
sind pragmatisch, deutsche halten sich stärker an die Vorschriften.“ Die Augenklinik gilt als kommerzielle Einrichtung, mehr oder weniger als Privatklinik. „Wir sind hier alle daran interessiert, dass die Klinik gut läuft. Denn wenn es gut läuft, kann man auch wieder in neue Geräte und neue Entwicklungen investieren. Ich glaube, dass wir uns hierin auch von vielen niederländischen Krankenhäusern unterscheiden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es den niederländischen Krankenhäusern egal ist, ob ein Patient bei der Sprechstunde eine Wartezeit von 90 Minuten und mehr in Kauf nehmen muss oder dass es monatelang dauert, bevor ihm geholfen wird. Das können wir uns nicht erlauben.“
Die Augenklinik in Gronau ist längst eine grenzüberschreitend ausgerichtete Einrichtung. Immer mehr Niederländer kommen in die Sprechstunden, mehr als 300 von ihnen lassen sich derzeit jährlich in Ahaus auch operieren.
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Grenzgänger haben es heute leichter Aus ursprünglich geplanten zwei Monaten wurden für den Gronauer Werner Ostendorff 23 Jahre Die Staatsgrenze ist wie ein Tellerrand. Wer es schafft, darüber zu blicken, dem eröffnet sich eine neue Welt. Mit Herausforderungen, Risiken, aber auch unverhofften Chancen. Von Martin Borck GRONAU/LOSSER. So war es vor 23 Jahren bei Werner Ostendorff. Der Gronauer hatte als Techniker in einer Spinnerei in Gronau gearbeitet, als die Textilkrise zuschlug. Er fand einen neuen Job bei einem Pumpenhersteller. Doch auch der machte pleite. „Ich war also arbeitslos. Aber dann bekam ich vom Gronauer Arbeitsamt den Hinweis, dass die Firma Johma in Losser eine Stelle frei habe. Ich habe angenommen. Eigentlich wollte ich nur zwei Monate bleiben. Tja – und nun bin ich immer noch hier. Die Arbeit macht mir einfach Spaß“, sagt Ostendorff, der zum Leiter Instandhaltung bei dem niederländischen Unternehmen aufgestiegen ist. Johma, von zwei Glanerbrückern vor 40 Jahren gegründet und jetzt Teil der englischen Uniq-Holding, beschäftigt in zwei benachbarten Betrieben in Losser rund 400 feste Mitarbeiter. Das Unternehmen kreiert Salate und Sandwiches in zahllosen Variationen und für alle Gelegenheiten: Johma-Produkte sind in Supermärkten ebenso zu finden wie in Gaststätten und bei Cateringfirmen. „Neben den 400 festen stellen wir viele Mitarbeiter befristet ein, um Produktionsspitzen aufzufangen“, erläutert Personalleiter Peter Davids. „Meistens sind es 70 bis 80, in Topzeiten können es aber auch 250 sein.“ Genügend geeignete Arbeitskräfte ließen und lassen sich nicht immer auf dem niederländischen Arbeitsmarkt finden. Das Unternehmen hat seinen Sitz gerade mal drei Kilometer von der Grenze entfernt – da lag es auf der Hand, auch in Deutschland zu suchen. „Wir arbeiten vor allem eng mit spezialisierten
erst von mir keine Steuererklärung, weil ich in Deutschland wohnte – und in Deutschland hatte ich ja kein Einkommen, darum fühlte sich auch die hiesige Steuerbehörde nicht zuständig.“ Es dauerte, bis sich das fiskalische Durcheinander klärte. Ostendorff zahlt seine Einkommensteuer in den Niederlanden – und setzt wie seine niederländischen Kollegen die Hypothekenzinsen für sein Haus von der Steuer ab. Obwohl das Haus in Deutschland steht. Eine Regelung, von der das niederländische Finanzamt erst überzeugt werden musste. „Als ich anfing, gab es nur wenig Informationen über Steuern und Sozialversicherungen für Grenzpendler“, sagt „Natürlich muss man immer noch die Fallstricke kennen“ – der Gro- Ostendorff. nauer Werner Ostendorff (rechts) arbeitet jetzt schon seit 23 Jahren bei „Das ist durch Johma in Losser. Darüber freut sich Peter Davids, Personalleiter des nie- die Arbeit der derländischen Produzenten von Salaten aller Art. Euregio deutlich besser geZeitarbeitsfirmen zusam- Angestellten sozialversiche- worden. Europäischer.“ Bemen“, sagt Davids. rungstechnisch oder fiska- hörden, Krankenkassen Bedeutet die Einstellung lisch also keine Probleme wurden für die Probleme der von deutschen Arbeitneh- dar. Für Arbeitnehmer dage- Grenzgänger sensibilisiert. mern nicht einen Haufen gen bringt ein grenzüber- Mittlerweile weiß jeder bürokratischer Mehrarbeit schreitendes Arbeitsverhält- Krankenkassen-Mitarbeiter, für einen Arbeitgeber? „Je- nis viel Lauferei mit sich. was es mit dem für Grenzder unserer Arbeitnehmer – Grenzgänger Werner Os- pendler wichtige Formular bei uns sind 25 Nationalitä- tendorff musste sich in den „E 106“ auf sich hat. ten vertreten – wird nach 80er-Jahren bei den BehörDiese bürokratischen Erniederländischem Recht ver- den beiderseits der Grenze leichterungen führen dazu, sichert und steuerlich be- noch durchbeißen. „Zum dass die Grenze immer selhandelt“, sagt Davids. Für Beispiel in Sachen Einkom- tener ein Hindernis für Arden Arbeitgeber stellen Na- mensteuer: Das niederländi- beit suchende darstellt. „Nationalität und Wohnort der sche Finanzamt wollte zu- türlich muss man immer
noch die Fallstricke kennen“, meint Ostendorff. Als „alter Hase“ gilt er im Unternehmen mittlerweile selbst als Experte für Grenzpendler-Fragen. „Zum Beispiel die Altersrente. Wer in den Niederlanden wohnt oder arbeitet und 65 wird, bekommt automatisch die Altersrente, die AOW. Doch die Ehefrau, die in Deutschland lebt, erhält aus dieser Kasse keinen Cent. Für sie muss man also auf andere Art und Weise für das Alter vorsorgen.“ Das ist nicht optimal, aber durchaus machbar. Was sich Ostendorff und Davids wünschen, ist ein Ansprechpartner in Deutschland, der Stellenangebote niederländischer Betriebe annimmt. „In der Beziehung gibt es noch zu wenig Kontakt untereinander“, meint Ostendorff. Manchmal existiert die Grenze also doch noch. Und die Barriere in den Köpfen der Bewohner? Gibt es die? „Die Twenter sind ziemlich nüchterne Leute. Die Mentalität unterschiedet sich nicht großartig von der der Menschen aus der deutschen Grenzregion“, findet Davids. „Ich habe noch nie erlebt, dass die Herkunft eines Mitarbeiters eine Rolle gespielt hätte.“ Ostendorff bestätigt den Eindruck. „Die niederländischen Kollegen machen es den deutschen wirklich nicht schwer. Sie sind sehr offen und gehen auf einen zu.“ Auch wer zunächst sprachlich nicht zurechtkommt, braucht nicht zu verzweifeln. Die Niederländer kramen ihre DeutschKenntnisse hervor, zur Not behilft man sich mit Platt. Dank der deutlich verbesserten schulischen Angebote verfügen immer mehr Deutsche über Niederländisch-Kenntnisse, die sich mit der Zeit im Kontakt mit niederländischen Kollegen automatisch verbessern. Ostendorff ist das beste Beispiel: Als er Mitte der 80er-Jahre anfing, konnte er kein Wort Niederländisch. „Und jetzt“, scherzt Davids anerkennend, „spricht er besser Niederländisch als Deutsch.“
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Am Fußball schieden sich die Geister Inzwischen laufen die Duelle zwischen Holland und Deutschland längst friedlich ab Von Martin Borck
eutsch-niederländische Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Behörden, grenzübergreifende Schulkontakte oder auch wiederhergestellte Bahnverbindungen – alles gut und schön. Hat die Euregio gut gemacht. Keine Frage. Aber haben sich die Mühen und der finanzielle Aufwand auch gelohnt? Wie sieht es mit den Schlagbäumen in den Köpfen der Euregio-Bewohner aus? Darüber geben weder der Höhe der ausgegebenen Interreg-Millionen noch Euregiorats-Protokolle Auskunft. Wer in Kopf und Herz der Euregianer schauen will, wer wissen will, wie es um die deutschniederländischen Befindlichkeiten wirklich bestellt ist, braucht einen anderen Gradmesser: Fußball. Länderspiele zwischen Deutschland und Holland. Und da scheint sich in den vergangenen gut 20 Jahren doch eine ganze Menge zum Positiven gewendet zu haben. Rückblick: 24. Juni 1990. Deutschland hat das Achtelfinale der Fußball-WM in Mailand gegen die Niederlande gewonnen. Nichts Gutes ahnend, stehe ich als Reporter am Grenzübergang Gronau-Glanerbrug Tatsächlich versammeln sich hier kurz nach dem Schlusspfiff an beiden Seiten Menschen. Reinier, ein Niederländer, überschreitet die Grenze, geht auf die verdutzten deutschen Fans zu und gratuliert ihnen zum Sieg ihrer Mannschaft. Doch leider bleibt das eine Einzelaktion. Wenn auch der Großteil der Fans einfach nur gut drauf ist, kommt es kurz darauf zu Provokationen. Niederländische Lastkraftwagen werden blockiert, von niederländischer Seite fliegen Flaschen und Steine, wenig später wird ein Auto auf die Seite gekippt und demoliert. Es herrscht Eiseskälte im Verhältnis zwischen den meisten deut-
D
„Fußball ist eigentlich Krieg“ sagte einst der niederländische Trainer Rinus Michels, der 1974 mit der holländische Nationalmannschaft Vize-Weltmeister und 1988 Europameister wurde. Hier haben niederländische Fußballfans am Grenzübergang Gronau-Glanerbrug nach einem Sieg des Oranje-Teams über den Nachbarn ein deutsches Auto demoliert.
schen und niederländischen „Fans“. Zwei Jahre später. Bei der Europameisterschaft in Göteborg treffen beide Mannschaften wieder aufeinander. Ich berichte vom Oude Markt in Enschede, der sich in ein Oranje-Meer verwandelt hat. Um mich herum Niederländer, die ihr Team anfeuern. Sobald ich mich
Martin Borck
als Deutscher zu erkennen gebe, beteuern die Fans, dass sie ihre Schlachtgesänge nun wahrlich nicht persönlich meinen . . . Aber ich gebe meine deutsche Staatsangehörigkeit nicht allen preis. Vor allem nicht denen, die sich nach dem 3:1-Sieg der Niederlande („Schade, Deutschland, alles ist vorbei!“) an der Grenze in Glanerbrug zusammenrotten. Wieder kommt es zu Auseinandersetzungen. Der Grenzübergang wird gesperrt. Die Polizei – sie hat von den Vorfällen zwei Jahre zuvor gelernt – hält Hunderte rivalisierende Fans auseinander. Trotzdem fliegen wieder Flaschen und Steine. Ein deutsches Reporter-Fahrzeug bleibt in den Menschenmassen auf Glanerbrücker Seite stecken. In Enschede werden trotz des niederländischen Erfolgs Wagen mit deutschen Kennzeichen zerkratzt. Ein weiterer Tiefpunkt.
23. Februar 2000, Amsterdam. In der Arena kommt es zum Freundschaftsspiel zwischen Holland und Deutschland. In der Amsterdamer Innenstadt sind deutsche Fans auszumachen. Aber – welch Wunder – es kommt zu keinerlei Zwischenfällen. Vor der Arena spreche ich mit dem Amsterdamer Polizeichef, der sich selbst zu wundern scheint, dass alles so friedlich abgelaufen ist. Auch an der Grenze Gronau-Glanerbrug bleibt es ruhig, genauso wie bei den Duellen 2002, 2004 und 2005. Die paar Leutchen, die möglicherweise darauf aus sind zu provozieren, finden keinen Widerpart. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Niederländern scheint sich zu normalisieren. 2006 und 2008 bei der WM beziehungsweise bei der EM treffen Mannschaft und Elftal nicht aufeinan-
der. Aber die in Deutschland lebenden Niederländer zeigten Flagge. Und zwar Oranje. Und was passiert? Anhänger beider Teams frotzeln fröhlich übereinander, amüsieren sich über die Kids, die in viel zu großen Fan-Shirts über die Straße laufen. Selbst eingefleischte Fans der deutschen Mannschaft geben zu, dass die Holländer bei der WM toll gespielt haben und trösten ihre holländischen Nachbarn nach dem Ausscheiden der Oranjes. Fans ihrer jeweiligen Mannschaft bleiben sie allemal – aber Randale zu machen, kommt offenbar keinem Menschen mehr in den Sinn. Und wenn das schon im Fußball so ist, lässt das doch sehr darauf schließen, dass es mit dem Verhältnis zwischen Deutschen und Niederländern in der Euregio so ganz schlecht nicht bestellt sein kann . . .
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Hier Diesel, dort Benzin Einkaufen jenseits der Grenze ist heute nichts Besonderes mehr Von Freimuth Schulze
it der Einführung des Euro zu Beginn des Jahres 2002 ist alles ganz einfach geworden: Einkaufen jenseits der Grenze ist heute nichts Besonderes mehr. Schließlich stehen ja auch schon lange die früher so lästigen Zollkontrollen nicht mehr im Wege. Die Deutschen besorgen sich zwischen Frühstück und Mittagessen schnell noch ein Paar Pfund Kaffee im holländischen Supermarkt an der Grenze, decken sich mit Zigaretten und „geele vla“ ein („Diesen Vanillepudding im Liter-Pack kennt man bei uns so nicht. Schmeckt köstlich!“) und füllen vor der Rückfahrt den Tank mit günstigem Diesel. Die Niederländer zieht es regelmäßig in die großen deutschen Verbrauchermärkte entlang der Grenze. Aldi, Lidl und K & K sind bei ihnen besonders beliebt. Hier sind viele Lebensmittel günstiger als im eigenen Land. Dazu Spirituosen – wer hat nicht immer seine Flasche „Mümmelmann“ in der Hausbar – und Drogerieartikel. Und dann wird noch schnell getankt, denn in Deutschland ist Benzin wiederum billiger. Zu Attraktionen haben sich in den vergangenen Jahren vor allem an den Wo-
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Fest in deutscher Hand ist an bestimmten Tagen des Gartencenter Oosterik in Denekamp. Die Autokennzeichen auf dem Foto: Freimuth Schulze riesigen Parkplatz sind der Beweis dafür.
chenenden einige ehemalige Grenzübergänge entwickelt. Der Hollandmarkt Ter Huurne zwischen Ahaus und Buurse ist ein beliebtes Ziel für ganze Familien – mit Spielgarten, Livemusik und Amüsement; selbst Radtouren werden angeboten. Und
an der Rammelbecke zwischen Nordhorn und Denekamp ist nach dem Wegfall der Grenzkontrollen rund um den Supermarkt Tensundern sogar ein kleines Einkaufszentrum entstanden – mit unter anderem Restaurant, Obst- und Gemüsela-
den, Fischgeschäft und sogar Apotheke. Drei Einkaufsziele auf niederländischer Seite der Grenze sind bei den Deutschen besonders beliebt: der Sonnabend-Markt in Enschede, Ikea mit den umliegenden großen Fachgeschäf-
ten in Hengelo und – allen voran – das Gartencenter Oosterik in Denekamp. „Ich komme hier bereits zum zweiten Mal mit dem Bus. So etwas habe ich noch nie gesehen“, berichtet eine ältere Dame auf dem Weg zum Eingang des Gartencenters. Sie
Die Landschaft fasziniert ie Landschaft genießen – die Bewohner von beiderseits der Grenze begegnen sich immer häufiger auf den inzwischen unzähligen Rad- und Wanderrouten im Euregio-Gebiet. Dabei zieht es die Niederländer noch weitaus häufiger über die Grenze als die Deutschen. Das belegen aktuelle Statistiken. Die schöne Landschaft, die attraktiven Aktivangebote, der ländliche Charme sowie die interessanten Städte und Kulturschätze – das sind die Hauptmotive niederländischer Gäste für einen Tagestrip oder einen Kurzurlaub im Münsterland, im Osna- Immer ein beliebtes Ziel von Radwanderern: die Burg in brücker Land oder in der Bad Bentheim.
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Grafschaft Bentheim. Diese Regionen präsentieren sich seit Mitte 2002 im BeneluxGebiet unter dem gemeinsamen Nenner „Geheimnis hinter der Grenze“ (Geheim over de grens“). 47 Prozent der niederländischen Gäste im deutschen Teil der Euregio stammen aus den Grenzprovinzen Overijssel und Gelderland. Besonders beliebt sind bei ihnen die bekannten Radwanderrouten wie die „100 Schlösser Route – Entdeckungsreise durch die Parklandschaft des Münsterlandes“ und die „Friedensroute – Auf den Spuren des Westfälischen Friedens“. Aber es gibt auch viele
grenzüberschreitende Routen wie die von Zwolle entlang der Vechte bis ins münsterländisch Darfeld führend Vechtetalroute. Ein grenzenloses Wandervergnügen bietet auch der Handelsweg von Osnabrück über Rheine und Oldenzaal bis nach Deventer. Neu für das Grenzgebiet sind die „Touristischen Orientierungspunkte“ – kurz TOPs genannt. Für jeden der 13 TOPs in den Regionen Münsterland, Grafschaft Bentheim, Achterhoek, Twente und Vechtdal wurde jeweils mindestens eine Route für Rad- und Wandertouren entwickelt, zum Teil auch mit Strecken für Inlineskater und Kanuten.
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ist bereits um 7 Uhr in Bielefeld in den Bus eines Reisebüros gestiegen, das allein in diesem Jahr zehn Mal von Ostwestfalen aus in die Twente fährt. 23 Euro hat die allein stehende Dame für den Tagesausflug nach Holland bezahlt: „Dafür bin ich aber auch den ganzen Tag unterwegs. Von Oosterik aus geht es nämlich auch noch zum Wochenmarkt nach Enschede.“ „Diese Kombination bieten verschiedene Busunternehmen aus dem nordwestdeutschen Raum an“, berichtet Marcel Reinders, Clustermanager des Denekamper Gartencenters, nach dessen Auskunft etwa 60 Prozent der Kunden aus Deutschland kommen: „Unser Einzugsgebiet reicht bis Hamburg, Hannover und an den Rand des Ruhrgebietes.“ An manchen Tagen wird Oosterik von bis zu 15 Bussen und mehr angesteuert, an Spitzentagen werden an die 20 000 Kunden in dem mehr als 40 000 Quadratmeter großen Einkaufsparadies gezählt. „Die Deutschen sind dabei die Ersten, die vor der Eingangstür stehen, oftmals schon um 8 Uhr“, weiß Reinders zu berichten. Sie müssen bis 9 Uhr warten, um Einlass zu finden. Wenn Busgesellschaften kommen, ist der erste Gang der überwiegend älteren Reisenden der zur Toilette. Danach geht es ins Gartencenter-Café, um anschließend gestärkt einige Stunden lang durch die Einkaufswelt zu bummeln. Für den jungen Mann aus Warendorf führt der erste Gang auf dem Enscheder Wochenmarkt zur Imbiss-Bude: „Original holländische Pommes mit Majo, Gewürzketschup und rohen Zwiebeln – immer wieder Spitze“. Etwas später lässt sich der Münsterländer noch einen Backfisch und frische Scampis schmecken. Und dann werden Käse („Schön, dass man fast alles erst probieren kann“) und noch einige Süßigkeiten eingekauft, wobei „drop“ (Lakritz) natürlich nicht fehlen darf. Tausende deutsche Tagesausflügler bevölkern sonnabends den Enscheder Wochenmarkt, vor allem in den Sommermonaten, wenn es wieder den „Hollandse Nieuwe“ gibt, die neuen Matjesheringe. Dafür fahren Liebhaber kilometerweit. Der Enscheder Wochenmarkt ist jeden Sonnabend bis 17 Uhr geöffnet – viel Zeit also, um das besondere Flair zu genießen und sich unter anderem auch mit frischem Obst und Gemüse einzudecken. Die Deutschen machen nach Auskunft der Stadt Enschede derzeit ein Viertel der WochenmarktBesucher aus: gut 13 000 kommen dafür jeden Sonnabend in die Grenzstadt. Dabei ist die Tendenz allerdings leicht rückläufig: Vor drei Jahren machten die Deutschen noch mehr als 16 500 oder 31 Prozent aller Markt-Besucher aus.
Und was zieht den niederländischen Verbraucher außer zum Einkauf in den Verbraucher-, Drogerie und Getränkemärkten nach Deutschland? Zum Beispiel die großen Elektro- und Elektronikfachmärkte und natürlich die Möbelhäuser im Münsterland und in der Grafschaft Bentheim. Ein besonders beliebtes Ziel sind XXXLutz und der angrenzende Media-Markt in Nordhorn, – der rote „größte Stuhl der Welt“ macht schon an der Grenze auf dieses Einkaufszentrum aufmerksam. „Wir sind hier heute mit der ganzen Familie und haben uns bereits in der Wohnwelt und im Media-Markt umgesehen. Jetzt geht es zum Essen ins Restaurant“, so ein junges Ehepaar aus Almelo, das schon häufiger zum Einkauf in Nordhorn war und vor allem von der Innenstadt mit dem angrenzenden Vechtesee begeistert ist: „Hier kann man unbeschwert bummeln und einkaufen.“ In den Niederlanden einen Namen hat Nordhorn als Küchenstadt. Aus ganz Holland kommen die Küchenkäufer, verbinden dies nicht selten mit einem Einkaufsbummel oder einem Abstecher zur Burg in Bad Bentheim. Selbst Großstädte haben im Verhältnis zur Einwohnerzahl und zur Grundfläche nicht so viel Ausstellungsfläche für Küchen zu bieten wie die vielen Fachgeschäfte zwischen Bad Bentheim und Emlichheim – an die 25 000 Quadratmeter. Nur klein hinsichtlich der Ausstellungsfläche ist die Firma Küchen Heilig im südlichen Nordhorner Stadtteil Blanke, auf holländischer Seite der Grenze aber ist dieses Fachgeschäft ein Begriff. „Für manche Neubaugebiete in den grenznahen Orten liefern wir bis zu 50 Prozent aller Küchen, richten dort die neuen Wohnungen ganzer Straßenzüge mit unseren Küchen ein“, so Inhaber Manfred Heilig: „Die Niederländer lieben gerade bei Küchen und Einbaugeräten deutsche Wertarbeit. Und schielen natürlich immer auf den Preis.“ Und auch „uit eten“ im deutschen Grenzgebiet steht bei den Niederländern hoch im Kurs. Dabei ist es nicht nur die „gutbürgerliche“ deutsche Küche, die die Nachbarn lockt, sondern vor allem auch der günstige Preis. Ein komplettes Menü für unter zehn Euro ist hier noch ganz normal, und auch beim Bierpreis haben die deutschen Gastronomen noch lange nicht das Niveau ihrer niederländischen Kollegen erreicht. Und dann sind die Restaurants zwischen Münster, Osnabrück, Gronau und Nordhorn natürlich für ihre großen Portionen bekannt. „Das Schnitzel reicht nicht selten über den Tellerrand hinaus“, so ein Winterswijker, der regelmäßig mit der Familie oder mit Bekannten zum Essen über die Grenze fährt.
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Der Trip über die Grenze ist längst selbstverständlich ls es die Schlagbäume noch gab, war die Fahrt über die Grenze doch immer etwas Besonderes – egal, ob für Deutsche oder für Niederländer. Schließlich mussten bei der Rückfahrt immer die Zollkontrollen passiert werden. „Haben Sie etwas anzugeben? – wer von den älteren Grenzbewohnern kann sich an diese immer wiederkehrende Frage nicht mehr erinnern. Heute ist dies längst Geschichte. Für die Bewohner des deutschen Teils der Euregio ist der wöchentliche oder gar tägliche Trip über die Grenze zu den westlichen Nachbarn inzwischen ebenso selbstverständlich wie für die niederländischen Grenzbewohner die Fahrt zu den „buren“ auf östlicher Seite. Und dabei sind die Gründe so vielfältig und unterschiedlich, wie nie zuvor. „Wir fuhren früher mit unseren Kindern einmal im Jahr zur Sommerrodelbahn nach Ibbenbüren, das war’s“, so eine Frau um die 60 aus Ootmarsum. Die Kinder ihrer Kinder waren zwar auch schon einmal auf der Sommerrodelbahn, für sie gehören Besuche im Wellenfreibad in Nordhorn oder in den Diskotheken „Zak“ in Uelsen, „Index“ in Schüttorf oder „Aura“ in Ibbenbüren aber längst zum Alltag, ebenso wie für viele Familien aus dem niederländischen Grenzgebiet der Tagesausflug zu den Zoos in Osnabrück und Münster und natürlich zum Nordhorner Tierpark. „Etwa die Hälfte unserer jährlich inzwi-
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schen rund 300 000 Besucher sind Holländer“, so TierparkGeschäftsführer Thomas Berling. Auch die deutschen Weihnachtsmärkte wie die in Nordhorn, Münster und Osnabrück üben alljährlich auf die Niederländer eine große Anziehungskraft aus.
Janna – Seehundbaby im Nordhorner Tierpark.
Und die deutschen Grenzbewohner? Sie fahren nicht selten der Geselligkeit und der vielen Terrassen wegen ins Nachbarland. Im Galerienstädtchen Ootmarsum wimmelt es sonntags von Besuchern aus Deutschland, die auch gerne die Konzerte im Musikzentrum in Enschede und die Opern im „Muziekkwartier“ der Grenzstadt besuchen. In den Sommermonaten sind die grenznahen Erholungsgebiete mit ihren Badeseen wie „het Rutbeek“, „het Hulsbeek“ und Hilgelo bei den Deutschen besonders beliebt. Und natürlich die Freizeitparks wie Hellendoorn und Slagharen.
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Oranje war zum Fürchten Von der Fußball-WM 1974 bis zum Leben „auf der Grenze“ Von Guntram Dörr
lar, ich kannte Frau Antje mit dem Käse aus der Fernsehwerbung. Und Rudi Carell, der König des Samstagabends, war Stammgast im elterlichen Wohnzimmer – via TV, versteht sich. Die dralle Blonde und der charmante Schlaks mit der Stirnlocke sprachen dieses lustig akzentuierte Deutsch, brachten locker und unverkrampft ihre Botschaften unters Volk. Ganz im Gegensatz zu den immer ernsthaft-bemüht wirkenden Fernsehfiguren diesseits der Grenze, die damals, ich war gerade 13, noch einige hundert Kilometer von zu Hause entfernt lag. Von einer echten Berührung, gar einer Nähe zu Holland, konnte nicht die Rede sein. Das änderte sich 1974 deutlich und – später mehr – 1993 grundlegend. Zunächst zum ersten Jahresdatum, das allen Sportfans unvergessen bleiben wird und oranje durch die leuchtenden Fußballtrikots der niederländischen Nationalmannschaft zur gefürchteten Farbe machte. Ich hatte mir wenige Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaft einiges anzuhören, weil ich eines Tages zum Punktspiel meiner Jugendmannschaft mit Schuhen der Marke „Puma Cruyff “ auftauchte. Die schwarzorangen Treter gefielen mir eben besser als die Adidas-
sellschaft wieder – Improvisationstalent, Freude am Augenblick, Fehler zu tolerieren und neue zu wagen, Zusammenrücken auf engem Raum – gleichzeitig Sehnsucht nach Weite. Und nach Land, das dieses Volk dem Wasser abtrotzte, um es gleichzeitig mit den Kanälen in einem Maße zu nutzen, von dem man, beispielsweise in Nordhorn, gerade erst zu träumen beginnt. Die Grenze ist, zum Glück, längst gefallen, wir sind beiderseits mitten in
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Europa angekommen. Wir sind Nachbarn, und wir helfen einander, wenn es nötig ist. 600 000 (damals noch) Mark spendeten die Grafschafter im Rahmen einer großen Hilfsaktion der Grafschafter Nachrichten für die Opfer der Explosionskatastrophe in Enschede – ganz selbstverständlich. Im Alltag schwindet das Trennende mehr und mehr, doch dürfen Eigenarten erhalten bleiben. Ich werde mich nie anfreunden mit „frikandel uit de muur“ oder
getarnten Radarblitzgeräten in Abfallbehältern. Ich staune über Weltläufigkeit, Sprachgewandtheit und Kinderfreundlichkeit. Und über die folkloristische Begeisterung für ein Königshaus, das Identität stiftet. Ich tröste mich damit, dass die Nachbarn in der Twente tagtäglich mit ähnlichen Alltagssorgen zu kämpfen haben wie die Grafschafter und dies bei Bier oder Genever, einander zunickend, erörtern. Wenn es nicht gerade um Fußball geht.
Guntram Dörr
Modelle mit den Schriftzügen „Müller“ oder „Beckenbauer“, die meine Mitspieler trugen. Als der geniale „König Johan“ während des Turniers die Fußballwelt verzauberte, fühlte ich mich durchaus nicht bestätigt, sondern fieberte mit den deutschen Helden. Doch haben wir uns mehr als einmal zugeraunt: Donnerwetter, können die spielen – die Holländer! Knapp 20 Jahre später rückte ich den Niederlanden auf den Leib. Von Nordhorn aus erfuhr und erlebte ich, dass die Leichtigkeit und Unverkrampftheit der legendären 74er Elf durchaus die Lebenseinstellung der Niederländer widerspiegelt. Vieles von dem, was die Oranjeteams auf dem grünen Rasen zelebrieren, findet sich im Alltag dieser Ge-
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„König Johan“ und „Kaiser Franz“: Das holländische Team um den genialen Spielmacher Cruyff beeindruckte bei der Fußballweltmeisterschaft 1974 – auch Guntram Dörr, damals 13 Jahre alt, heute Chefredakteur der Grafschafter Nachrichten. „Du Beckenbauer!“ soll in Teilen der Niederlande hingegen als Schimpfwort gebraucht worden sein. Und heute? Über vieFoto: dpa les lässt sich im Grenzgebiet inzwischen reden – gelegentlich sogar über Fußball.
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Filiale jenseits der Grenze Bäckermeister aus Epe macht in Holland hervorragende Geschäfte Ohne die Anregung seiner niederländischen Angestellten hätte der Eper Bäckermeister Hermann Dust vielleicht nie den Sprung über die Grenze gewagt. „Carla hat mir immer wieder erzählt, wie gern ihre Nachbarn Brötchen von deutschen Bäckern mögen. Und sie war sich sicher, dass sich eine Filiale in Glanerbrug bestimmt lohnen würde.“ Von Martin Borck GRONAU/GLANERBRUG. Nun: Dass Niederländer deutsche Backwaren mögen, war dem Bäckermeister nicht neu: „In einigen grenznahen Filialen in Gronau kommen, schätze ich, 40 Prozent der Kunden aus den Niederlanden.“ Brötchen hatte er schon vor Jahren, noch zu Schlagbaum-Zeiten, an ein Geschäft nach Overdinkel liefert. Aber eine eigene Filiale – das war doch eine ganz neue Herausforderung. Zumal er unterschiedliche Signale erhielt: „Der Betriebsberater meiner Einkaufsgenossenschaft sagte: Holland – das ist hopp oder topp. Einige Bäcker seien gar nicht glücklich geworden, andere dagegen kriegten das Lachen nicht mehr aus dem Gesicht.“ Den Knoten hackte Dust durch, als er eine deutsche Filiale aufgab – und er somit eine Inneneinrichtung übrig hatte. Dust ging das Risiko ein und begab sich ernsthaft auf die Suche nach einem geeigneten Geschäftsraum jenseits der Grenze. „Das war gar nicht so einfach“, erzählt der Bäckermeister. Zunächst gab es in Glanerbrug keinen freien Laden. Und als ein Geschäft frei wurde, fing der Genehmigungsreigen an. „Zum Glück hat mir die Kreishandwerkerschaft Borken geholfen“, sagt Dust. Die hat nämlich ein eigenes EUReferat. Das angeschlossene Inter-Ned Beratungscenter unterstützt kleine und mittlere Unternehmen bei ihren Auslandsaktivitäten. Mitfinanziert wird es aus Interreg-Mitteln.
Der Eper Bäckermeister Hermann Dust – hier mit zwei Mitarbeiterinnen in seiner Filiale in der niederländischen Grenzgemeinde Glanerbrug – lieferte schon zu Schlagbaum-Zeiten frische Brötchen ins Nachbarland.
Mit den niederländischen Behörden machte Dust unterschiedliche Erfahrungen. Die einen waren äußerst hilfsbereit, andere dagegen ließen ihn mit ihren Formularen allein. „Ich spreche leider kein Niederländisch. Das machte die Abwicklung natürlich nicht einfacher.“ Zum Glück hatte er seine Mitarbeiterin Carla, die einiges an Schriftverkehr übersetzte . . . Der neue Konkurrent behagte den eingesessenen Betrieben in Glanerbrug verständlicherweise nicht besonders. Dust musste sich daher durchsetzen. „Zum Beispiel war das Rot meiner
Außenwerbung den Kollegen des Einzelhändlerverbandes zuerst zu grell.“ Aber schließlich ging es doch. Dafür hatte Dust kurz nach der Eröffnung die ersten Lebensmittelprüfer im Geschäft, die sich davon überzeugen wollten, dass die Kühlkette bei den angebotenen Waren nicht unterbrochen wurde. „Der Mann hat sich vor Ort davon überzeugen können, dass unsere Produkte keine Zeit hatten, schlecht zu werden“, schmunzelt Dust. Der grenzenlose EU-Binnenmarkt hat dem Bäcker unterm Strich Vorteile gebracht. „Früher, als ich Bröt-
chen nach Overdinkel geliefert habe, musste ich noch jedes Mal den Lieferschein bei einem Büro abgeben, das dann die Zollangelegenheiten regelte. Heutzutage fährt man einfach so über die Grenze – eine Erleichterung. Und erstmal das einheitliche Geld. Seit Einführung des Euro gibt es keine Wechselkursverluste mehr zwischen Gulden und Mark.“ Dennoch ist nicht alles Gold, was glänzt: „Ohne niederländischen Steuerberater käme ich nicht zurecht“, gibt Dust zu. Eine Fachfrau hat er über seinen deutschen Steuerberater in
Von Grenzen nie aufhalten lassen er Handel im Raum Münsterland/Grafschaft Bentheim/Twente/ Achterhoek hat sich sich von Grenzen nie ernsthaft aufhalten lassen. Marskramer, Tödden und Kiepenkerle, Tuchhändler und Hausierer, waren schon im 19. Jahrhundert in diesem Raum unterwegs. Je nachdem, wo die Wirtschaft florierte, zogen auch Arbeitskräfte über die Grenze. Grenzorte wie Glanerbrug oder Overdinkel wären ohne die florierenden Textilfabriken in Gronau nicht entstanden. In den kleinen Orten siedelten sich niederländische Arbeiter an, die täglich zur Arbeit nach Deutschland gingen.
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Die Textilindustriellen in den deutschen Grenzstädten waren übrigens zum größten Teil Niederländer, die ab etwa dem Jahr 1840 den preußischen Markt erobern wollten. Den „grenzenlosen Wirtschaftsraum“ hat es schon im 19. Jahrhundert gegeben. Die Etablierung der Nationalstaaten und erst recht der Zweite Weltkrieg machten die Grenzen undurchlässiger. Unterschiedliche Sozial- und Steuersysteme erschweren heutzutage die Arbeitsaufnahme im Nachbarland. Die Euregio gibt Grenzgängern Hilfe bei Fragen und Problemen.
Gronau gefunden. „Natürlich kostet die Beratung in Steuerfragen Geld. Auch sind die Tariflöhne in den Niederlanden spürbar höher. Für die Lohnfortzahlung an seine Angestellten im Krankheitsfall muss ich eine eigene Versicherung abschließen. Die niederländische Krankenkasse bezahlt das nämlich nicht.“ Trotz dieser Mehrkosten hat sich der Schritt über die Grenze gelohnt. „Ich habe in keiner einzigen Filiale in Deutschland einen so hohen Umsatz.“ Vor allem die kleinen Mahlzeiten wie Mettbrötchen oder „broodjes gezond“ (mit Salat und Schinken) gehen weg – eben wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Woran es liegt? „Die Niederländer essen ja erst abends eine warme Mahlzeit. Unser Angebot zum mittäglichen Lunch kommt ihnen da sehr entgegen.“ Ganze Belegschaften von Betrieben aus dem Industriegebiet am Ortsrand geben telefonisch ihre Bestellungen durch. Sein Verhältnis zu Niederländern war sowieso stets gut. Die Kunden sind nett. „Unterm Strich“, sagt Hermann Dust daher, „würde ich es sofort wieder machen.“
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Integration ist das Schlagwort Immer mehr Niederländer zieht es über die Grenze, nur noch wenige Deutsche nach Holland Die Anzahl der im deutschen Grenzgebiet wohnenden Niederländer hat sich in vergangenen zehn Jahren verdoppelt: von knapp 15 000 auf mittlerweile rund 30 000. Dagegen ist die Anzahl der in den holländischen Grenzregionen Twente und Achterhoek lebenden Deutschen seit 1996 nahezu unverändert geblieben: insgesamt knapp 40 000. Von Freimuth Schulze NORDHORN/ENSCHEDE.
Ulrike Wilbers-Luckman war eine der ersten Niederländerinnen der vor acht Jahren so richtig in Fahrt gekommenen Emigrationswelle Richtung Deutschland. In Denekamp geboren, ließ sie sich vor 15 Jahren als damals 23-Jährige in Hannover nieder und eröffnete dort einige Jahre spä-
ter das Blumen- und Floristikfachgeschäft „Artfleur“. Vor vier Jahren bezog sie dann mit ihrem aus Hengelo stammenden Ehemann Marc im Bad Bentheimer Neubaugebiet Pieper-Werning einen schmucken Neubau und spricht heute von völliger Integration. „Der Umgang mit den Nachbarn ist super. Wir unternehmen viel gemeinsam; Grillen ist dabei besonders beliebt“, so die engagierte Geschäftsfrau. Gemeinsam mit Ehemann Marc spielt Ulrike WilbersLuckman seit drei Jahren Tennis bei TuS Gildehaus. Die beiden genießen das deutsche Vereinsleben, würden es aber begrüßen, wenn die Niederländer noch etwas mehr Geselligkeit mit in den Klub bringen würden. Sohn Tim, in Bad Bentheim geboren, ist inzwischen dreieinhalb und besucht mit Begeisterung den Gildehauser Kindergarten „Regenbogen“. „Ein sehr gemütlicher Kindergarten“, befindet Mutter Ulrike. Vieles
Einmal wöchentlich kauft Ulrike Wilbers-Luckman Blumen beim Oldenzaaler Großhändler W. Kempers ein. Die engagierte Geschäftsfrau stammt gebürtig aus Denekamp, wohnt seit einigen Jahren in Gildehaus und betreibt schon seit längerem erfolgreich ein BlumenFoto: Freimuth Schulze und Floristikfachgeschäft in Hannover – eine echte Europäerin.
Der ganz große Boom ist erst einmal vorbei Deutsches Grenzgebiet bei Niederländern aber immer noch sehr beliebt wischen den Jahren 2000 und 2005 stieg die Zahl der im deutschen Grenzgebiet wohnenden Niederländer um rund 10 000. Derzeit haben etwa 30 000 Niederländer ihren Wohnsitz auf deutscher Seite der Grenze. Bis 1999 war diese Zahl über viele Jahre hinweg mit etwa 14 000 stabil geblieben, ehe der große AuswandererBoom einsetzte. Unterschiedlich ist die Entwicklung in den einzelnen deutschen Kommunen entlang der Grenze. Als eines der beliebtesten Ziele der Niederländer gilt Bad Bentheim. Hier hat sich ihre Zahl allein zwischen 2000 und 2004 mehr als verdreifacht. Im August 2008 wohnten exakt 1854 Niederländer in der Burgstadt. 1991 waren es noch 293 gewesen, im Jahr 2000 insgesamt 414. „Aber die Zahl der
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verlief die Entwicklung ähnlich. Dort waren Ende Juli 6120 Niederländer gemeldet, die meisten davon in Gronau. Am 31. Dezember 2002 hatte die Zahl noch bei 3206 gelegen, 2003 bei 3688, 2004 überstieg sie mit 4212 erstmals die Grenze von 4000 niederländischen Einwohnern und zwei Jahre später dann die Grenze von 5000 Einwohnern (5184). Auffallend groß im Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl ist der Anteil der Niederländer in den relativ kleinen Grafschafter Gemeinden Uelsen und Emlichheim, die im Vergleich aller deutschen Städte und Gemeinden zwischen Emlichheim und Emmerich beide unter den ersten Die Studenten aus dem Nachbarland sorgen in Enschede Sechs liegen. In der Samtgedafür, dass der Anteil der Deutschen unter den Einwohnern meinde Uelsen waren am 1. Foto: dpa August 1801 der insgesamt der niederländischen Grenzstadt stetig wächst. Holländer, die sich bei uns ansiedeln, steigt derzeit nur noch gering“, so ein Sprecher des Bad Bentheimer Einwohnermeldeamtes. Die Landkreise Grafschaft Bentheim und Borken zählen zu den beliebtesten bei den ausreisewilligen Niederländern. Nach einer
Erhebung des Statistischen Bundesamtes wohnten in der Grafschaft im August genau 9256 Niederländer – fast drei Mal so viele wie 1997 (3481). Im Jahr 2002 waren es 5245, 2006 insgesamt 8083 und ein Jahr später 8590. Im Landkreis Borken
11 397 Einwohner niederländischer Herkunft, in der Samtgemeinde Emlichheim waren es 1995 bei 14 348 Einwohnern. In den niederländischen Grenzregionen Twente und Achterhoek bleibt die Anzahl der dort gemeldeten Deutschen schon seit mehr als 15 Jahren weitgehend stabil beziehungsweise ist sogar leicht rückläufig. Waren hier 1996 insgesamt 41 915 Deutsche gemeldet, so waren es laut der letzten Erhebung von I&Q Research im Jahr 2002 exakt 40 240. Die meisten Deutschen wohnen danach in Enschede. Hier melden sich derzeit jährlich mehr als 500 Deutsche neu an. Einer der Gründe dafür ist die Tatsache, dass sich immer mehr junge Deutsche für ein Studium in der Grenzstadt entscheiden.
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erinnert sie dort an ihre eigene Kindergartenzeit. Den Kontakt zu ihren niederländischen Kollegen hat Ulrike Wilbers-Luckman nie verloren. „Selbst von Hannover aus ist man über die Autobahn schnell in Alsmeer und noch schneller in Oldenzaal“, so die Floristin, die ein Mal wöchentlich ihren Bedarf an frischen Blumen in der Blumengroßhandlung W. Kempers B.V. in Oldenzaal deckt. Ulrike Wilbers-Luckman und Ehemann Marc sind zwei von rund 15 000 Niederländern, die in den vergangenen 15 Jahren ihr Heimatland Richtung Deutschland verlassen haben. Die großen Unterschiede bei den Preisen für das Wohnen in den Niederlanden und in Deutschland sind nach einer von der Regio Twente in Auftrag gegebenen Untersuchung die wichtigste Ursache für diesen Umzug, Integration ist das Schlagwort. Für die meisten niederländischen Familien ist die Integration laut Untersuchungsbericht völlig unproblematisch. Und auch das Schulproblem stellt sich längst nicht mehr so schwierig dar wie noch vor einigen Jahren.
Noch 2004 platzte die Grundschule Sint Plechelmus in De Lutte aus allen Nähten. Der Großteil der Niederländer, die sich inzwischen in Bad Bentheim und Umgebung angesiedelt hatte, schickte seine Kinder zum Schulunterricht in den kleinen, zur Gemeinde Losser gehörenden Ort unweit der Grenze bei Gildehaus. „In der Spitze hatten wir 43 Schüler aus Deutschland“, berichtet Gerard Pross, Leiter der Grundschule Sint Plechelmus. Damals musste sogar Unterrichtsraum in einer Gaststätte angemietet werden. Inzwischen hat sich das Blatt deutlich gewendet – für Pross eine „äußerst positive Entwicklung“: „Für die Kinder ist es besser, dass sie in ihrer eigenen Wohnumgebung auch zur Schule gehen.“ Sint Plechelmus zählt heute nur noch knapp 20 Schüler, die täglich aus Deutschland nach De Lutte kommen. Ganz anders sieht es dagegen an der Grund- und Hauptschule in Gildehaus aus. Die Anzahl der Schüler mit niederländischer Nationalität hat hier von Jahr zu Jahr zugenommen. 60 sind es aktuell – mehr als zehn Prozent der gesamten Schüler-
zahl. „Ohne die niederländischen Schüler hätten wir heute einige Klassen weniger“, so Schulleiter Fritz Niemeyer, der mit seinem persönlichen Engagement sehr viel zur Integration holländischer Familien in Bad Bentheim und Umgebung beigetragen hat. Niemeyer hat sogar festgestellt, dass sich viele übersiedlungswillige niederländische Familien heute erst einmal über die Schule informieren, die ihre Kinder besuchen könnten. Erst dann entscheiden sie sich für den Kauf einer Wohnung oder den Bau eines Hauses bei den östlichen Nachbarn. Die Grund- und Hauptschule in Gildehaus arbeitet intensiv daran, den niederländischen Schülern die bestmögliche Schulausbildung bieten zu können. Die Kinder erhalten heute nicht nur Deutsch-, sondern auch Niederländisch-Unterricht – finanziert von der Stichting Nederlandse taal en cultuur (NTC). Fritz Niemeyer: „Das heißt, zwei Stunden Sprache und zwei Stunden Kultur.“ Nach einer Bestandsaufnahme des Landkreises Grafschaft Bentheim lebten im Schuljahr 2003/2004 in der Grafschaft insgesamt 570 nie-
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derländische Kinder im Alter von sechs bis 16 Jahren, überwiegend in den Kommunen Uelsen, Emlichheim und Bad Bentheim. 57 Prozent davon besuchten schon damals eine deutsche Schule, in Uelsen waren es von 150 niederländischen Kindern sogar 89 Prozent. Besonders stark gestiegen ist in den vergangenen Jahren entlang der gesamten Grenze im Bereich der Euregio die Zahl der Kinder niederländischer Abstammung, die einen deutschen Kindergarten besuchen. Der Besuch eines deutschen Kindergartens oder einer deutschen Schule trägt maßgeblich zu einer erfolgreichen Integration bei. Das sieht auch die deutsche Bevölkerung so. Aber: „Im Anschluss an die weiterführende Schule bietet Enschede mehr Möglichkeiten als das deutsche Grenzgebiet. Viele deutsche Schüler absolvieren deshalb zum Beispiel eine Ausbildung an der Saxion Hogeschool in Enschede. Sie sehen Enschede vielfach nicht als Stadt in einem anderen Land, sondern als eine Großstadt mit den dazugehörigen Einrichtungen für die Bewohner der Euregio“, heißt es in einer vor einiger Zeit
von der Regio Twente, der Provinz Overijssel, den Landkreisen Grafschaft Bentheim und Borken sowie der Bezirksregierung in Münster und der Euregio bei I&Q Research in Enschede in Auftrag gegebenen Untersuchung. Während Deutsche heute vornehmlich aus schulischen oder beruflichen Gründen oder auch der Liebe wegen ins Nachbarland übersiedeln, entscheiden sich Niederländer in erster Linie aus wirtschaftlichen Überwägungen dazu, ihr Heimatland zu verlassen. Viele haben sich bereits seit längerem auf dem Grundstücks- und Wohnungsmarkt im eigenen Land umgesehen, schrecken dann aber vor den hohen Kosten zurück und sehen sich lieber auf dem deutschen Markt um. Makler beiderseits der Grenze haben allerdings festgestellt, dass sich potenzielle niederländische Wohnungskäufer heute besser auf eine Umsiedlung nach Deutschland vorbereiten als zu Beginn des Auswanderungsbooms vor sechs bis acht Jahren. Sie analysieren zunächst die Vor- und Nachteile, bevor sie eine Entscheidung treffen.
Ein Dirigent aus Eggerode Sein jährlicher Ausflug mit dem Jungenchor führte immer ins Münsterland Von Jan Haverkate
ugust Vörding stammte aus dem Wallfahrtsort Eggerode bei Schöppingen und wurde 1923, nach dem Studium der Kirchenmusik in Münster, Dirigent des Kirchenchors der St.-Lambertus-Kirche im niederländischen Hengelo, etwa 15 Kilometer von der Grenze entfernt. Dort lernte ich ihn 1953 kennen, nachdem er mich als Sopran in seinen Jungenchor aufgenommen hatte. Das Repertoire, das er mit uns einstudierte, hätte auch einem professionellen Chor zur Ehre gereicht. Palestrina, Des Prez, Sweelinck, Bruckner – wir sangen alles. Aber dafür musste geprobt werden – und zwar richtig. Mit viel Disziplin und dafür mit wenig Humor – aber das tat dem Spaß keinen Abbruch. Er gab uns das Gefühl, dass
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wir gemeinsam mit ihm etwas Großes auf die Beine stellten. Mindestens zwei Mal pro Woche, an den freien Mittwoch- und Sonnabendnachmittagen, probten wir. Dazu kamen die Aufführungen in der Kirche einschließlich der alljährlichen MatthäusPassion. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich wegen Stimmbruchs den Chor verlassen musste, bestimmten die Proben den Rhythmus meiner Kindheit. So müssen es auch die anderen Jungs empfunden haben. In dem halben Jahrhundert, in dem Vörding Chorleiter war, – er starb 1973 – sind es Hunderte gewesen. Er sang nicht nur mit seinen Jungs, er unternahm mit ihnen auch Ausflüge. Mindestens ein Mal jährlich lud er seine kleinen Sänger in einen Bus. Das Ziel stand immer fest: eine Tour durch das Müns-
Jan Haverkate
terland, vor allem in die Baumberge. Denn: Auch wenn er seinen Beruf in den Niederlanden ausübte – sein Herz schlug für Westfalen, eine Liebe, die er in all den Jahren auch auf seine jungen Schüler zu übertragen versuchte. In
meinem Fall mit Erfolg. Das Deutschland, durch das wir mit ihm fuhren, verkörperte für uns den Reiz des Fremden. Es war Mitte der 50er-Jahre, und Reisen ins Ausland waren für die meisten Jungen meines Alters noch eine Ausnahme. Wir waren unbefangen. Es müssen damals noch Spuren des Krieges zu sehen gewesen sein, aber die bemerkten wir nicht. Ich kann mich auf jeden Fall nicht daran erinnern. Woran ich allerdings noch sehr gute Erinnerungen habe, sind die Straßenbauarbeiten. Immer wurden irgendwo Fahrbahnen aufgebrochen, sodass der Bus Umwege fahren musste. Das erste deutsche Wort, das ich kannte, hieß „Umleitung“. Außerdem weiß ich noch, dass das Deutschland, durch das wir abends
unterwegs waren, dunkel war, sehr dunkel. Die Straßen waren nur sparsam erleuchtet, die Läden an den Häusern geschlossen, und Schaufenster sahen wir keine. Nur über den Eingängen der Dorfkneipen brannten helle Leuchtreklamen. Meistens von der Biermarke, die drinnen gezapft wurde. Das verlieh den Dörfern eine seltsame Art von Behaglichkeit. Das Münsterland hat sich seitdem so verändert, dass es kaum wiederzuerkennen ist, genauso wie die Region in den Niederlanden, aus der ich stamme. Aber die Faszination, die das erste Stückchen Ausland auf mich ausübte, hat das Münsterland stets behalten. 50 Jahre später komme ich noch regelmäßig hierhin. Wie viele andere Jungen, die Mitglied des Chors waren. Dank unseres deutschen Dirigenten.
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„Vater nahm mir den Pass weg“ Liebe über die Grenze hinweg hatte früher schon ihre Tücken Auf dem Tisch liegt „De Twentsche Courant Tubantia“ neben den „Westfälischen Nachrichten“, und Truus Dropmann serviert gefüllte Spekulatius zum deutschen Kaffee. Für Fritz (75) und Truus (72) Dropmann aus Gronau ist das Leben an beiden Seiten der Grenze die normalste Sache der Welt – und das schon seit über 50 Jahren. Von Julia Henkel GRONAU/AALTEN. In dem
Jahr, in dem die Euregio aus der Taufe gehoben wurde, fuhr das deutsch-niederländische Paar in den Hafen der Ehe ein. Wenn es nach Vater
Stuivenberg in Glanerbrug gegangen wäre, dann wäre aus der Hochzeit seiner Truus mit dem deutschen Jungen nichts geworden. „Mein Vater war gar nicht glücklich über unsere Freundschaft“, erzählt Truus Dropmann. „Er nahm mir sogar meinen Pass weg. Meine Mutter war anders, die gab ihn mir wieder zurück. Ach ja, die Vergangenheit war noch frisch, sie hatten eine Menge durchgemacht. Andererseits: Man kann doch nicht ewig nachtragend sein.” Die beiden hatten sich bei Engels in Enschede getroffen. Dahin kamen auch Jugendliche aus Gronau zum Tanzen. Fritz Dropmann: „In dem Imbiss nebenan haben wir uns kennen gelernt.” – „Ja, wir kamen ins Gespräch. Na ja, sozusagen. Ich
konnte ja kein Deutsch und du kein Holländisch.“ – „Nein, aber wir haben uns trotzdem verstanden. Mit ein bisschen Deutsch, ein bisschen Holländisch und ein bisschen Dialekt.“ Mit den beiden wurde es ernst, und auch Vater Stuivenberg begann sich an den Gedanken zu gewöhnen, einen Schwiegersohn aus Deutschland zu bekommen. Die Dropmanns heirateten 1958. Truus zog zu ihrem Mann nach Gronau, darüber wurde nicht lange diskutiert. Leicht fand sie das anfangs nicht. „Ich fuhr wohl zwei Mal am Tag nach Hause und wieder zurück“, erzählt sie lachend. „Jedes Mal durch die Passkontrolle, mit Stempeln und allem Drum und Dran. Vor allem, um mit Leuten reden zu können. Ich konnte ja immer noch kein
Deutsch. Dabei waren die Nachbarn unheimlich nett zu mir, und Christa, die Frau eines Freundes von meinem Mann. Die schleppte mich überall mit hin.“ Jan (43) und Karin (40) Westerveld aus Aalten lernten sich in einer Diskothek in Dinxperlo kennen, die in den 80er-Jahren auch bei vielen deutschen Jugendlichen beliebt war, auch bei Karin aus Rhede. „So richtig negative Reaktionen gab es nicht. Aber einige Leute wundern sich, auch heute noch.“ Das Paar ließ sich in den Niederlanden nieder, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. „Ein eigenes Haus in Deutschland war zu der Zeit sehr teuer, und auch der Wechselkurs zwischen Gulden und D-Mark wirkte sich sehr ungünstig auf das Gehalt meines Mannes aus.“
Zuhause sprach man Niederländisch, dabei hatten Jan und Karin zu Beginn ihrer Freundschaft vor allem Deutsch miteinander geredet. „Ich konnte zwar den Aaltener Dialekt verstehen, aber kein Niederländisch. Als es dann ernster wurde, habe ich an NiederländischKursen teilgenommen. Ich wollte verstehen, worum es ging, wenn das Telefon klingelte, jemand vor der Tür stand oder die Post kam.“ Die Westervelds wollten ihre Kinder Jan (14) und Anne (11) eigentlich zweisprachig erziehen, aber der Ältere hatte Schwierigkeiten damit. „Wir machen es darum nicht mehr ernsthaft, aber sie kommen trotzdem gut in beiden Sprachen zurecht. Wichtiger finden wir, dass sie etwas von der deutschen Fortsetzung auf Seite 26
Holländischer Abend – deutscher Abend Aber was einmal war, ist heute in der Diskothek „Zak“ ganz anders Von Julia Henkel
ine bewusste Regelung steckt nicht dahinter, es hat sich einfach so ergeben und zu gegebener Zeit wusste es jeder: freitags ist der „deutsche Abend“ in der Diskothek „Zak“ in Uelsen, Sonnabendabend kommen die Niederländer. „Jahrelang ging das auch nicht anders“, so Betriebsleiterin Ingrid Kränzel: „Der Musikgeschmack und die Art des Feierns waren einfach total unterschiedlich. Bei den Holländern ist die Stimmung sofort gut, die Deutschen müssen erst einmal in Gang kommen.“ Seit einigen Jahren ist die Trennung weniger streng. „Heute läuft alles mehr durcheinander. Die Deutschen haben erkannt, dass sie auch mit den Niederländern einen schönen Abend verleben können“, so Ingrid Kränzel. Springt der Funke denn schon einmal über? Bei Niels (22) aus Geesteren bei Ootmarsum schon. Er besucht regelmäßig das „Zak“ und
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hat dort seine deutsche Freundin kennen gelernt. „Krista aus Uelsen. Wie das läuft? Prima! Sie versteht Niederländisch und Twenter Platt und die Mentalität an beiden Seiten der Grenze ähnelt sich“, so Niels. Helen (18) und Kerstin (18) aus Uelsen kommen ins „Zak“, um Spaß zu haben und Menschen kennen zu lernen: „Ja, auch Niederländer. Die meisten sprechen gut Deutsch, ansonsten spielt es keine große Rolle, woher man kommt.“ Für Jan (29) und Rob (26) aus Nijverdal gibt es wohl Unterschiede zwischen Deutschen und Niederländern: „Wir sind forscher, Deutsche mehr verlegen. An der Art des Tanzens kann man erkennen, ob jemand aus Deutschland oder aus den Niederlanden kommt. Und an der Kleidung. Niederländer sind einfach hipper. Eine deutsche Freundin? Die Nationalität spielt keine Rolle. Hauptsache, sie ist hübsch.“ Dominik (25) aus
In der Uelsener Diskothek „Zak“ stehen deutsche und niederländische Jugendliche heuFoto: Karsten Rump te friedlich nebeneinander auf der Tanzfläche. Das war nicht immer so.
Ahaus genießt häufiger das Ausgangsleben in Enschede. „Man kann dort besser feiern“, meint er: „Holländer tun nicht so ver-
krampft.“ Auch mit dem Musikverein kommt er regelmäßig in den Niederlanden: „Eine schwierige Sache? Überhaupt nicht, es
gibt so viele Kontakte. Ein Freund von mir ist mit einer Niederländerin verheiratet. Das ist doch ganz normal.“
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Liebe über die Grenze hinweg: die Eheleute Truus und Fritz Dropmann aus Gronau während ihrer Trauung vor 50 Jahren (links) und heute. Fortsetzung
Kultur mitbekommen. Wir feiern mit unseren niederländischen Verwandten Sinterklaas und mit den deutschen Weihnachten. Wir haben nun mal beide Traditionen, man kann nicht einfach eine aufgeben.“ Bei den Dropmanns in Gro-
nau wurde im Dezember ebenfalls regelmäßig zweimal gefeiert – zur großen Freude der Kinder. Mit Sohn und Tochter wurde bei den Dropmanns Deutsch gesprochen. „So hatten sie in der Schule keine Probleme, und auf der anderen Seite der Grenze kamen sie auch zurecht.“
Truus Dropmann entschied sich, ihren niederländischen Pass gegen einen Deutschen einzutauschen. „Im Krieg hatte ich erlebt, dass die Mutter einer Freundin weg musste, weil sie Deutsche war. Das sollte mir und meinen Kindern nicht passieren.“
Im alltäglichen Leben waren und sind es vor allem die kleinen Dinge, die Truus Dropmann und Karin Westerveld daran erinnern, dass sie in einem anderen Land aufgewachsen sind. So begeben sich beide Frauen regelmäßig zum Einkaufen über die Grenze. Truus Drop-
mann besorgt sich Joghurt, Vla (Pudding) und Erdnüsse in Holland, Karin Westerveld fährt für Spezialitäten wie Spätzle oder Lebkuchen zum deutschen Supermarkt. Die Unterschiede zwischen den beiden Ländern sind anno 2008 bei weitem nicht mehr so stark wie in
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den 50er- oder 60er-Jahren. „In Deutschland ging es zu der Zeit viel formeller zu. Die Leute legten großen Wert auf Titel und darauf, dass man sie siezte,“ erinnert sich Truus Dropmann. Das gemütliche Kaffeetrinken ist heute allerdings immer noch anders. „In Deutschland wird fast ausschließlich nachmittags getrunken, in den Niederlanden dagegen den ganzen Tag über. Und Geburtstage – das ist auch so ein Thema: Ich lade Holländer und Deutsche immer gemeinsam ein. In den Niederlanden würde es reichen, abends ein Schälchen mit Käsehäppchen herumzureichen. Aber in Deutschland kommt immer warmes Essen auf den Tisch.“ „Einige Dinge unterscheiden sich völlig“, hat auch Karin Westerveld erfahren. „Die Gesundheitsfürsorge in den Niederlanden ist minimal, vor allem wenn man den deutschen Standard gewöhnt ist, und erst recht wenn man Kinder bekommt. In Deutschland geht jede Frau zum Gynäkologen. Entbindungen zu Hause sind eine Seltenheit und die „kraamzorg“ (ein Angebot zwischen Haushaltshilfe und Hebamme für Wöchnerinnen, Anm. d. Red.) ist völlig unbekannt. Auch in der Schule werden viele Dinge anders angegangen.“ Schwierig findet sie das nicht. „Ich muss manchmal noch nachfragen, wie es hier abläuft, aber ich mache bei allen Aktivitäten mit. So tolerant muss man doch sein.“ Und wenn beim Fußball Oranje gegen die deutsche Mannschaft spielt? „Die Frage stellt uns jeder“, meint
Karin Westerveld. „Wir drücken beiden die Daumen.“ Im Hause Dropmann lässt man sich deswegen auch nicht verrückt machen. „Der Bessere soll gewinnen.“ „Dass man gut miteinander auskommt und glücklich ist, das ist das Allerwichtigste“, findet Karin Westerveld. „Zwei Kulturen nebeneinander ist nicht immer einfach. Du kommst in ein Land, in dem du nicht verwurzelt bist. Wenn hier mal etwas völlig anders gehandhabt wird, denke ich schon: Mensch, das will ich doch auf meine gewohnte Weise machen. Weihnachten zum Beispiel ist in den Niederlanden viel kommerzieller. Auf der anderen Seite kann man sich aus beiden Kulturen die Rosinen herauspicken. Dein Blickfeld erweitert sich. Wenn man gegen alles ankämpft, nur Kritik hat oder auf Dinge von oben herabschaut, kannst du dich nie integrieren. Versuchst du aber ernsthaft, Fuß zu fassen, haben die Menschen Respekt vor dir. Andererseits sollen sie mir auch nicht verbieten, Deutsch zu sein und mich nicht verpflichten, alles auf die niederländische Art zu tun.“ Auch die Dropmanns leben ihr deutsch-niederländisches Leben mit gegenseitigem Respekt, Toleranz und Humor. So spannend wie früher, als noch geschmuggelt wurde, ist es an der Grenze schon lange nicht mehr. Die Unterschiede verblassen. Truus Dropmann zeigt das Foto der Volkstanzgruppe vom Heimatverein Gronau. „Fünf Niederländer machen da mit“, erzählt sie stolz. Und ihre eigene Heimat? „Die ist hier“, sagt sie. „Aber auch da.“
Seit 2005 Ratspräsident
Frans Willeme ist seit 2005 Präsident des Euregio-Rates. Er bekleidete fast 20 Jahre lang das Amt des Bürgermeisters der Gemeinde Denekamp und der heutigen Gemeinde Dinkelland.
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Auf Holländisch trauen auf der Burg in Bad Bentheim Sogar ein niederländischer Standesbeamter darf im Ernst-August-Zimmer dabei sein
Trauungen auf der Burg in Bad Bentheim sind seit einigen Jahren möglich. Die Brautpaare geben sich im historischen Ernst-August-Zimmer das Ja-Wort. Von Julia Henkel
ür einige Brautpaare könnte es nicht romantischer sein: heiraten in einem echten Schloss. Seit etwa acht Jahren ist dies in den Sommermonaten in Bad Bentheim möglich. Paare aus den Niederlanden können daraus sogar eine Hochzeit in niederländischem Stil machen – dank der Euregio. Die Euregio schlug vor einigen Jahren TandemHochzeiten auf der Burg vor, geschlossen von einem deutschen und einem niederländischen Standesbeamten. „Standesamtliche Trauungen sind in Deutschland formeller als in den Niederlanden“, erläutert HeinzGerd Bökenfeld, Standesbeamter und Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Bad Bentheim: „In den Niederlanden ist alles persönlicher, wobei der Lebensgeschichte des Brautpaares viel Aufmerksamkeit geschenkt wird.“ Eine derartige Atmosphäre kann jetzt auch in Bad
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Bentheim kreiert werden. Der Standesbeamte der Stadt sorgt für die Formalitäten, jemand anders für den persönlichen Touch. „Das braucht kein niederländischer Standesbeamter zu sein, auch andere Personen sind willkommen“, so Bökenfeld. In den Niederlanden ist eine derartige Trauung von Ausländern übrigens nicht möglich; dort können Trauungen nur vorgenommen werden, wenn mindestens einer der Partner die niederländische Nationalität hat oder in den Niederlanden wohnt. Im Jahr 2007 wurden in den Niederlanden sowie in den beiden deutschen Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen 1559 deutsch-niederländische Ehen zwischen Männern und Frauen geschlossen und in den Niederlanden zusätzlich noch einmal 34 zwischen zwei Männern oder zwischen zwei Frauen. 1980 zählte die Statis-
tik im gleichen Gebiet 1931 grenzüberschreitende Eheschließungen. Daraus Schlüsse zu ziehen, fällt schwer – es wird im Allgemeinen weniger geheiratet. In Bad Bentheim hat Heinz-Gerd Bökenfeld sogar eine leichte Zunahme bei den Trauungen zwischen Deutschen und Niederländern registriert. „Möglicherweise deshalb, weil hier stets mehr Niederländer wohnen“, so Bökenfeld. Formelle Probleme gibt es selten. Trauwillige Paar müssen sich wohl einiger Dinge bewusst sein. Bökenfeld: „In den Niederlanden behält man offiziell immer seinen Geburtsnamen, auch wenn man den Namen des Partners annehmen möchte. Entscheidet sich ein Niederländer in Deutschland für den Namen seines Partners, dann ist er seinen eigenen Namen für immer los. Selbst die niederländische Geburtsurkunde wird dann angepasst.“
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„Man spricht Deutsch“ Über den verzweifelten Versuch, mit Niederländern in ihrer Heimatsprache zu kommunizieren Von Andrea Kutzendörfer
prache ist die erfolgreichste Kommunikationsform des Menschen, sagt das Lexikon. Sie fördert das Miteinander und kann Völker verbinden, dachte ich – und lernte Niederländisch. Denn das ist die Sprache unserer Nachbarn. Und mit ihnen will man sich schließlich auch unterhalten können. Zum Beispiel am Wochenende, wenn man „overstapt“, um jenseits der Grenze einen schönen Tag lang zu shoppen, das besondere niederländische Flair zu genießen oder einfach nur einige freundliche Worte zu wechseln – selbstverständlich in der Sprache des Landes, das gebietet schon die Höflichkeit. Ich wollte es auch anders machen als meine Mutter. „Zegels erbij . . ?“ höre ich sie noch heute fröhlich in unserer Küche flöten. Das war das Einzige, was sie aus unserem so heiß geliebten nordholländischen Urlaubsort mitgebracht hatte – die Frage der netten Verkäuferin an der Kasse, ob wir Rabattmarken sammelten. Meine Mutter hatte als Antwort immer nur ein Kopfschütteln parat, kein einziges „Nee, bedankt“ war ihr über die Lippen gekommen. „Wieso? Sie können doch alle Deutsch“, recht-
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Der Obsthändler auf dem Enschede Markt lacht sich kaputt über die deutsche Journalistin Andrea Kutzendörfer, die sich alle Mühe gegeben hatte, um sich in Niederländisch mit dem Händler zu unterhalten.
fertigte sie sich immer. Ich wollte es, wie gesagt, anders machen und studierte, vielleicht nicht zuletzt aus diesem Grund, Niederländisch. Um es kurz zu machen: Wirklich geholfen hat es nicht. Meine Versuche, im Grenzgebiet mit einem Niederländer in seiner Sprache in Kontakt zu kommen, nehmen mittlerweile eher groteske Züge an. Oder sagen wir: Sie gleichen einer Komödie. Zum Beispiel auf dem Markt in Enschede: Bevor mir nur ein einziges „Goede morgen!“ über die
Lippen kommen kann, spricht mich der Obstverkäufer an: „Erdbeeren, junge Frau? Lecker, lecker!“ Ich seh’ mich um. Meint der mich? Ich blicke an mir herunter. Sehe ich so Deutsch aus? Ich antworte ihm kleinlaut in meiner Muttersprache, schließlich will ich ihn nicht enttäuschen. Und er hat ja Recht: Ich bin keine von ihnen. Das nächste Mal bin ich klüger. Bevor mich überhaupt jemand ansprechen kann, presche ich vor. „Een patat oorlog!“ Das kommt gut, denke ich. Welcher
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Guten Morgen, Herr Professor Das D-Team überspült die niederländischen Universitäten und Hochschulen Deutsche Jugendliche stürmen massenhaft die niederländischen Universitäten und Hochschulen. Umgekehrt geschieht dies allenfalls nur tröpfchenweise. Deutsche finden jenseits der Grenze, was sie im eigenen Lande vermissen: schöne und helle Gebäude, umgängliche und offene Dozenten sowie ein gutes und gut organisiertes Studienangebot. Und eigentlich ist Holland auch durchaus gesellig. Von Marten de Jongh und Gerard Lage Venterink ENSCHEDE. Die erste Über-
raschung war, dass sie praktisch von Anfang an dazugehörten. „Als ich hierher kam, hatte ich anfangs schon ein wenig Angst vor Vorurteilen gegenüber Deutschen“, so Dirk Terbahl, im vierten Jahr Student Kommunikationswissenschaften an der Universität Twente. „Doch das war nicht so. In der Twente sind diese ohnehin geringer als im Westen des Landes.“ Zu Beginn seines Studiums gab es eine kurze Zeit lang zwei Gruppen, berichtet Felix Zschockelt, der in Enschede im dritten Jahr Psychologie und Business Administration studiert. Aber dann liefen Deutsche und Niederländer schon schnell durcheinander. „Niederländische Jugendliche meiden uns absolut nicht.“ Vielleicht auch deshalb nicht, weil die Universität erhebliche Anstrengungen unternimmt, die Integration zu fördern. Sprachkurse sind Pflicht. Und eine spezielle „Wurst- und KäseKommission“ fördert von der Einführung an die gegenseitigen Kontakte durch gemeinsame Film-Besuche oder kostenlose Essen, wenn deutsche Studenten einen niederländischen Freund mitbringen. Das alles trage dazu bei, so Terbahl, dass man sich schon schnell „ein wenig als Niederländer fühle.
dagogik-Student, den enormen Unterschied in der Anziehungskraft. „Man hat es hier mit kleinen Gruppen zu tun – persönliche Aufmerksamkeit, die ist viel wert. Wenn man eine Frage hat, spricht man ganz einfach den Dozenten an. Das ist in Deutschland mit seinen großen Universitäten schon anders.“ Es sind stets die gleichen Argumente, die zum niederländischen Abenteuer verleiten: Die deutschen Universitäten und Hochschulen sind veraltert, überfüllt, starr und hierarchisch. Während niederländische Schuleinrichtungen einen hervorragenden Ruf haben: gut organisiert, kleiner und damit mit mehr Aufmerksamkeit für den einzelnen Studenten, informell und leichter zugänglich. Es gibt allerdings noch einen wichtigen Grund: Die deutsche Nachfrage nach Studienplätzen im eigenen Land übersteigt das Angebot bei weitem. Studenten, die ein Fach studieren möchte, für das in Deutschland eine strenge Zulassungsbeschränkung (Numerus clausus) gilt, weichen dann schon schnell in die Niederlande aus, um ihren Studientraum zu verwirklichen. Das gilt zum Beispiel für Biologie und Psychologie. An der Universität Twente (UT) in Enschede sind deutsche Studenten beim Studiengang Psychologie inzwischen sogar in der Mehrheit. Die Erfahrungen mit ihnen sind ausgesprochen gut. „Sie beenden ihr Studien in der ReDie Universität Twente in Enschede ist bei deutschen Studenten beliebt. gel mit höheren Noten als Seit etwa sechs Jahren schulen in Enschede bringen „Der Unterricht in den ihre niederländischen Kollezieht es immer mehr deut- es zusammen allein bereits Niederlanden ist einfach gen. Es gehen zum Beispiel sche Studenten über die auf rund 3000 deutsche Stu- besser“, erklärt Kim Dum- viele Preise für DiplomarbeiFortsetzung auf Seite 31 Grenze. „Go West, junger denten. pelmann, im dritten Jahr PäMann“, ist offenbar die DeviDem Zustrom deutscher se vieler junger Menschen“, Studenten nach Holland so Studienbegleiter Richter steht nur eine Hand voll von der Universität Münster. Niederländer gegenüber, die Im zurückliegenden Studi- es ebenfalls über die Grenze enjahr waren nahezu 16 000 zieht. Die Universitäten und deutsche Studenten an nie- Hochschulen in Münster, derländischen Universitäten Osnabrück und Steinfurt beeingetragen. Damit rangiert grüßen jährlich nicht viel das Nachbarland noch vor mehr als fünf bis zehn Studen Vereinigten Staaten und denten aus dem NachbarGroßbritannien als wichtigs- land. Und häufig kommen ten ausländischen Zielen diese lediglich für ein oder Westersand 24 · 49824 Emlichheim · Tel. 0 59 43/9 33 00 deutscher Studenten. Die zwei Jahre im Rahmen eines www.autohaus-kronemeyer.de Universität und die Hoch- Austauschprogrammes.
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Stets mehr deutsche Studenten finden auch den Weg zur Saxion Hochschule in Enschede. Fortsetzung
ten an deutsche Studenten“, so Sprecher Joop Admiraal von den Saxion Hochschulen. „Was auffällt, ist ihr Eifer“, bestätigt Pollus Fornerod, Projektleiter Deutschland-Werbung der UT. Vor allem vor einigen Jahren, als die deutschen Studenten noch selber ihren Weg zur UT suchen mussten, waren sie besonders ehrgeizig. Sie hatten sich ganz bewusst für ein anderes Land entschieden, wollten unbedingt ei-
nen erfolgreichen Abschluss. „Jetzt, wo wir Studenten anwerben, sind die Verhältnisse normaler. Es sind nicht mehr allein Pfiffikusse, die hierher kommen.“ Sowohl Saxion als auch die UT werben aktiv Studenten in Deutschland. Auch im niederländischen Unterrichtswesen hat die Marktwerbung Einzug gehalten. Niederländische Hochschulen haben ein Interesse an einer ständigen Steigerung der Anzahl ihrer Studenten. Für jeden zusätzlichen Stu-
denten erhalten sie zusätzliches Geld, während die deutschen Universitäten und Hochschulen einen festen Betrag pro Unterrichtssektor erhalten. „Für uns ist die Grenzregion daher kein Ausland“, so Joop Admiraal. „Die niederländischen Regionen Salland und Twente sowie der deutsche Teil der Euregio sind unser Kerngebiet.“ Die UT beschäftigt inzwischen ein spezielles D(eutschland)-Team, das von Münster bis Berlin und
von Hamburg bis München Unterrichtsmessen besucht, um junge Deutsche dazu zu bewegen, in die Twente zu kommen. Vor allem im Umkreis von rund 150 Kilometern entscheiden sich junge Deutsche schneller für Enschede. Sie kennen die Niederlande von Tagestrips und Urlaub, haben teilweise in der Schule NiederländischUnterricht erhalten und die kulturellen Unterschiede sind hier nicht so groß. Die Entscheidung zum Studium jenseits der Grenze wird da-
durch stets leichter. Die Niederlande bleiben zwar Ausland, aber es ist für viele eine Art „Ausland light“, wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ unlängst schrieb. „Der größte Unterschied ist, das hier abends warm gegessen wird“, lachen Dirk Terbahl (aus Gronau-Epe) und Felix Zschockelt (Wetter an der Ruhr). „Seitens der Deutschen heißt es natürlich auch immer: Unser Brot ist knuspriger als das Niederländische. Und Holland ist Fortsetzung auf Seite 32
„Niederländisch ist eine Art Deutsch für Anfänger“ ie niederländische Sprache ist für deutsche Studenten so gut wie keine Barriere, sich für ein Studium in den Niederlanden zu entscheiden. „Sie betrachten das Fach als Deutsch für Anfänger“, so Pollus Fornerod, Projektleiter Deutschland-Werbung an der Universität Twente (UT) in Enschede. Deutsche Studenten erhalten zur Vorbereitung auf ihr Studium im Nachbarland einen einen Monat
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dauernden Intensivkurs Niederländisch und legen anschließend ein spezielles Staatsexamen ab. Etwa 80 Prozent sind dabei auf Anhieb erfolgreich. „Der Kursus ist schwer, aber gut zu absolvieren, wenn man sich wirklich reinkniet“, so Felix Zschockelt, der aus der Nähe von Dortmund stammt. „Niederländisch hat viel von einem Gemisch aus Deutsch, Niederländisch und Englisch weg. Man muss ganz ein-
fach wollen, die Sprache zu lernen. Das erhöht später auch die Chancen auf einen Job.“ Viel Studienmaterial ist zudem in Englisch. Den Unterricht ganz in Englisch ablaufen zu lassen, wie dies zum Beispiel an der Universität in Maastricht geschieht, hält Felix Zschockelt nicht für erforderlich: „Wir sind hier doch eine Art Gast. Dann muss man auch Niederländisch lernen. Zudem er-
höht dies später die Chancen auf einen Arbeitsplatz.“ Untereinander sprechen deutsche Studenten in der Regel in ihrer Landessprache. Zschockelt: „Man fühlt sich dann mehr zu Hause, aber für die Sprachentwicklung ist es ein Nachteil.“ Umgekehrt ist die Sprache vielleicht ein – übrigens bescheidener – Grund, warum so wenige Niederländer zum Studium nach Deutschland ge-
hen, vermutet Steven Averbeck, Studienberater an der Fachhochschule in Steinfurt. „Die Kenntnis der deutschen Sprache ist in den Niederlanden rückläufig. Das macht den Übergang doch schwieriger. An der Universität Münster gibt es inzwischen mehr Niederländisch-Studenten als Deutsch-Studenten im gesamten Nachbarland. Das ist bezeichnen für die derzeitige Situation.“
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Fortsetzung
gesellig. Niederländer finden es gesellig – ein Ausdruck, den wir nicht kennen –, viel miteinander zu unternehmen.“ Das Dorf, das der Campus der UT eigentlich ist, erleichtert dadurch die Anpassung. Und es verringert die Chance, dass Neulinge sich verloren vorkommen. Die Niederlande haben zwar den Ruf, besonders international orientiert zu sein. Doch während niederländische Studenten lieber „zu Hause“ bleiben, scheint Studieren jenseits der Grenze geradezu ein Trend unter junge Deutschen zu sein. Im Jahr 2000 zogen noch 52000 Deutsche zum Studieren ins Ausland, 2006 waren das bereits 76000. Die Qualität des Unterrichts und Neugier nach der Fremde spielen eine Rolle. Aber auch die größere Chance auf Arbeit. „Ein ausländisches Studium macht sich gut im Lebenslauf“, meint Felix Zschockelt,
Eingangsbereich der Saxion Hochschule in Enschede.
der selber dem D-Team der UT angehört. „Man zeigt damit zukünftigen Arbeitgebern seine Flexibilität.“ Es ist eines der Argumente, die stets wieder genannt werden: „Wer hier studiert, hat später zwei Chancen auf einen Job.“ Kim Dumpelmann aus Dortmund würde selber ger-
Losser: Die Schatzkammer von Twente Die Gemeinde Losser gilt mit Fug und Recht als die Schatzkammer von Twente. Mit ihrer reichen Geschichte, ihren verborgenen Perlen und ihren Bodenreichtümern gibt es Schätze in Hülle und Fülle. Davon kann sich jedermann selbst überzeugen. Die Türen der Schatzkammer sind sperrangelweit geöffnet. Sie sind herzlich willkommen. Losser kann sich der Tatsache erfreuen, dass es über die meisten und schönsten Landgüter von Twente verfügt, die sich nahtlos in die wunderschönen Naturgebiete wie Lutterzand, der Duivelshof (Teufelshof) und der Tankenberg einbinden und knapp hinter der Grenze fast unmerklich in das Gildehauser Venn und den Bentheimer Wald übergehen. Es sind nur einige wenige Beispiele für den Reichtum an Naturschätzen, die sich in Losser und Umkreis zuhauf finden. In Losser lassen sich die touristischen Wander- und Fahrradrouten genießen, die sich gemeinsam über mehr als 500 Kilometer erstrecken. Damit bietet die Gemeinde das größte und abwechslungsreichste Angebot in Twente. Als Beispiele nennen wir die Böggelpadroute, die Toer d’ Energie und die Lutter Bergwanderung. Wer ‘kurz’ die Grenze überqueren möchte, entscheidet sich für die Gildehaus Dinkelroute. Sie werden in Erfahrung bringen, dass die deutschen Grenzorte mehr als nur ein guter Nachbar von Losser sind. Die Geschichte von Losser wird aus dem Reichtum an Denkmälern, alten Bauernhöfen, Kirchenpfaden, Markensteinen, Wegekreuzen, Kapellen, Grabhügeln und Urnenfeldern ersichtlich. Es gibt noch zahlreiche Traditionen, Heimatprodukte und Legenden, die die kulturhistorische Identität von Losser prägen. Erleben Sie auch die Geschichte des Grenzdorfes im Schmuggler- und Textilmuseum. Die Schatzkammer bietet Ihnen noch vieles mehr! Das Gebiet im Losser Raum ist in geologischer Hinsicht sehr interessant. Die reiche und abwechslungsreiche Geschichte von Losser reicht bis in die Prähistorie zurück. Das Stromgebiet der Dinkel bietet dem Besucher Einblicke in die 30.000 Jahre währende Entstehungsgeschichte. Es betrifft hier die älteste geschichtliche Region im niederländischen Raum. Werfen Sie einen Blick in die Vergangenheit und besuchen Sie den Sandsteinbruch Staringgroeve oder die alte Ziegelei De Werklust. Die Gemeinde Losser und deren fünf Kirchdörfer laden Sie gerne dazu ein, die Schatzkammer von Twente zu entdecken. Denn dieser Reichtum gehört jedem. Natur genießen, Erholung suchen, leckeres Essen, Kraft und Energie tanken, Aktivurlaub; alles ist möglich in Losser.
ne später in den Niederlanden hängen bleiben. „Die Arbeits-Atmosphäre scheint mir hier besser als in Deutschland zu sein. Die Menschen sind doch etwas geselliger, fröhlicher. Es ist alles etwas ungezwungener.“ Dennoch entscheidet sich bei weitem nicht jeder, der
Schätze in Hülle und Fülle
Die Sehenswürdigkeiten von Losser werden von Themen wie Gewerbstätigkeit und Bauernwirtschaft geprägt, aber auch Geologie und Abenteuer nehmen einen ganz besonderen Stellenwert ein. Einige Beispiele für das Angebot aus der Schatzkammer von Twente.
GRENZHISTORISCHES TEXTILUND SCHMUGGLER MUSEUM Die Welt der Schmuggler und Zöllner, aber auch die der schwer arbeitenden Textilarbeiter wird im Grenzhistorischen Textil- und Schmugglermuseum in Overdinkel wieder zum Leben erweckt. Aben-teuer verflechtet sich dort mit der Erinnerung an die Industrie, für die Twente während vieler Jahre so bekannt war. Für weitere Informationen: www.smokkelmuseum.nl
den niederländischen Unterricht mit dem Abschluss in der Tasche verlässt, für einen Verbleib im Nachbarland. Diesbezüglich ist die Angst vor einem „braindrain“, den einige Politiker und Unterrichtswissenschaftler in Deutschland offenbaren, etwas übertrieben. Deutschland verliert zwar stets mehr intelligente Jugendliche an ausländische Schulen, erhält dafür aber gut ausgebildete Erwachsene zurück. „Denn 50 Prozent der Studenten kehrt schließlich nach Deutschland zurück“, so Joop Admiraal von der Saxion Hochschule in Enschede: „Der Rest orientiert sich auf ein anderes Land, was nicht unbedingt die Niederlande sein müssen. Sie suchen ihr Heil auch in anderen Ländern. Es handelt sich ganz einfach um eine international orientierte Gruppe von Studenten.“ Und lange nach ihrem Abschied von den Hochschulen
MARTINUSTURM Der Turm der St. Martinuskirche ist das älteste bauliche Denkmal, das in Losser an frühere Zeiten erinnert. Der "alte" Turm ist nur ein Teil des ursprünglichen Kirchengebäudes, das sich damals an dieser Stelle befand. Der Turm misst 22 Meter und ist aus Backstein erbaut. Der Turm ist von Mai bis einschl. August am Mittwoch und Freitagnachmittag für Besucher geöffnet. Für weitere Informationen: www.deschatkamervantwente.nl
HOLZSCHUHMUSEUM In einer Region, wo der Holzschuh (auf Holländisch Klomp genannt) immer noch zum gängigen Schuhwerk gerechnet wird, darf ein Holzschuhmuseum mitsamt Holzschuhmacherei selbstverständlich nicht fehlen. Generationen der Familie Koop aus De Lutte haben seit 1800 von Hand Holzschuhe gefertigt. Alte Anlagen und Werkzeuge wecken Erinnerungen an vergangene Zeiten. Auch jetzt noch zeigt Johnnie Koop Ihnen gerne, wie er sich auf dieses edle Handwerk versteht. Für weitere Informationen: www.klompenmakerijkoop.nl
SANDSTEINBRUCH DE STARINGGROEVE Der Boden von Losser birgt jede Menge geologische Bodenschätze. Der Sandsteinbruch Staringgroeve im Dorf Losser gilt als der bekannteste Fundort für Fossilien. Für weitere Informationen: www.beleeflosserindediepte.nl
ZIEGELEI ‘DE WERKLUST’ Die vormalige Ziegelei De Werklust mit ihrem einzigartigen Ringofen sowie Trockenschuppen erfreut sich immer noch einer großen
und Universitäten profitieren auch die Niederlande noch von jungen Deutschen, die sie ausgebildet haben. Weil die Kenntnis und das gegenseitige Verständnis zwischen zwei Nachbarländern größer geworden ist. Und weil es wirtschaftliche Chancen bietet. Stets mehr zukünftige Macher in der deutschen Wirtschaft, der Politik oder der Gesellschaft sprechen Niederländisch, kennen die Niederlande und deren Kultur. „Makro-wirtschaftlich gesprochen kommt uns das entgegen“, meint Pollus Fornerod von der UT. „Es gibt wahrscheinlich nur wenige niederländische Studenten, die gut Deutsch sprechen und sich im Nachbarland auskennen. Dem steht aber gegenüber, dass es viele deutsche Studenten gibt, die gut Niederländisch sprechen und hier zu Hause sind. Sie sind die besten Botschafter der Niederlande.“
Bekanntheit, die auf die früher hergestellten und nach der Familie Osse benannten OsseZiegel zurückzuführen ist. Das entsprechende Verfahren steht in der sorgfältig restaurierten Ziegelei zur Besichtigung offen. Für weitere Informationen: www.dewerklust.nl
ZUNFTWERKSTATT An einem ländlichen Ort in der Nähe von Beuningen befindet sich die Zunftwerkstatt ‘Het Dinkelwerk’, die einen Arbeits- und Ausstellungsraum für fünf Twentener Handwerksleute beherbergt, die in früheren Jahrhunderten als Zunftmeister bezeichnet wurden. Es betrifft einen Kerzenhersteller, einen Edelschmied, einen bildenden Künstler, einen Tiffany-Künstler und eine Kunstmalerin. Sie können ihnen bei der Arbeit zusehen, ihre Werkstücke bestaunen und … Sie dürfen das Handwerk auch gerne selbst mal ausprobieren. Für weitere Informationen: www.gildenwerkplaats.nl
FREILUFTMUSEUM ERVE KRAESGENBERG Dort wird das Bauernleben vorgeführt, das sich um das 17. Jahrhundert herum im Freiluftmuseum Erve Kraesgenberg und Umkreis abgespielt hat. Liebevoll und mit fachlichem Können sind die Gebäude des alten Bauernhofes restauriert und in einem wunderschön ausgestalteten Park untergebracht, der außer einem Rosarium mitsamt Skulpturengarten auch einen Kräutergarten beherbergt. Für weitere Informationen: www.erve-kraesgenberg.nl
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Die Pünktlichkeit der zwischen Enschede und Münster vekehrenden Regionalbahn 64 liegt bei fast 97 Prozent.
Mit dem Zug zum Wochenmarkt Bahnverbindung zwischen Gronau und Enschede wird gut angenommen Da will man eine Geschichte über den Erfolg der Bahnstrecke zwischen Gronau und Enschede schreiben – da schlägt der Vorführeffekt erbarmungslos zu. Auf dem Bahnsteig in Gronau knackt der Lautsprecher und die Stimme aus dem Off ertönt: „Wegen eines technischen Defekts fällt der Zug aus Dortmund in Richtung Enschede aus. Nächste Möglichkeit zur Fahrt nach Enschede besteht um 16.09 Uhr.“ Von Martin Borck GRONAU/ENSCHEDE. In 30 Minuten. Das ist zwar zu verschmerzen, aber blöd ist es doch. Dabei sind Ausfälle der Bahn extrem selten. Klar: Beim Schneechaos im November 2005 lagen so viele abgebrochene Äste auf
den Gleisen, dass der Bahnverkehr nach Münster für einige Tage eingestellt wurde. Aber sonst dieseln die „Talent“-Züge zuverlässig von morgens früh bis abends spät zwischen den beiden Grenzstädten hin und her. Im Halb-Stunden-Takt, an Wochenenden für Nachtschwärmer sogar bis 1.30 Uhr. Doch jetzt ist es Donnerstagnachmittag. Im Zug sitzen gut 50 Personen. Darunter Reinie Cohen aus Enschede und ihr Sohn Michiel aus Hengelo. „Wir waren in Gronau shoppen“, erzählt sie. Jetzt geht es zurück nach Hause. „Wir haben kein Auto. Für uns ist die Bahnverbindung ideal.“ Michiel findet, dass sie bis Hengelo durchgezogen werden sollte. In Enschede besteht zwar ein direkter Anschluss in Richtung Westen, doch man muss umsteigen. Das Gleis am Bahnsteig 5 in Enschede, auf dem die Züge aus Gronau ankommen, endet an einem Prell-
bock. Der Schienenstrang ist durchtrennt. Konzessionsrechte und unterschiedliche Bahnsicherungssysteme machen Plänen, die Verbindung
bis Hengelo oder gar Almelo durchzuziehen, einen Strich durch die Rechnung. Doch es gibt Hoffnung: Politiker zweier niederländischer Re-
Wenig Zugausfälle Rund 5600 Reisende wöchentlich ontags bis freitags sind auf der Bahnstrecke Gronau-Enschede täglich 1800 Reisende unterwegs – 1200 in den Zügen der Regionalbahn (RB) 64 von beziehungsweise nach Münster und 600 in der Regionalbahn 51 von beziehungsweise nach Dortmund. Das hat der Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Münsterland ermittelt. Sonnabends beträgt das gesamte Fahrgastaufkommen in den Zügen zwischen den beiden Nachbarstädten 2800 Reisende (1800 in der RB 64 und 1000 in der RB 51).
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An Sonn- und Feiertagen nutzen immerhin noch 1000 Menschen die Züge auf der 2001 wiedereröffneten Strecke (800 in der RB 64 und 200 RB 51). Die Pünktlichkeit der RB 64 liegt für 2008 bisher bei 96,6 Prozent. Nur 0,2 Prozent der Züge fielen aus. Der Jahreswert für 2007 lag bei 95,9 Prozent bei 0,5 Prozent Zugausfällen. Die Pünktlichkeit der RB 51 liegt für 2008 bisher bei 96,2 Prozent bei 0,3 Prozent Zugausfällen. Der Jahreswert für 2007 lag bei 92,2 Prozent bei 0,6 Prozent Zugausfällen.
gierungsfraktionen fordern mittlerweile, die behindernden Vorschriften auf den Prüfstand zu stellen. „In Gronau müsste man deutlicher anzeigen, welcher Zug in welche Richtung fährt. Am Bahnsteig stehen nämlich immer zwei, und man weiß nie genau, welcher nach Enschede fährt“, fällt Reinie Cohen noch ein, bevor der Zug in Enschede einfährt. Dort warten schon etwa 40 Passagiere auf die Fahrt in Richtung Gronau, die in sechs Minuten beginnt. Ein Ehepaar aus Köln hat eine viertägige Radtour von Köln nach Zwolle unternommen. Nun geht es per Zug und Rädern zurück in die Stadt am Rhein. Als die Reisenden erfahren, dass die neun Kilometer lange Zugverbindung 20 Jahre stilllag, können sie das kaum glauben. „War denn die Auslastung so schlecht?“ Damals, 1981, durchaus. Die Deutsche Bundesbahn Fortsetzung auf Seite 34
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Fortsetzung
(DB) hatte den Betrieb eingestellt, weil er sich nicht rentierte. Was allerdings kein Wunder war: Es gab seit Ende der 70er-Jahre nur noch an Vormittagen eine einzige Alibiverbindung Ăźber die Grenze. Die DB wollte das Trajekt offenbar loswerden. Personennahverkehr war ihr offenbar zu teuer. Kaum aber war die Verbindung tatsächlich eingestellt, folgte auch schon das BemĂźhen der Euregio, sie wieder in Betrieb zu nehmen. SchlieĂ&#x;lich verbinden die Linien Enschede-Gronau-MĂźnster beziehungsweise -Dortmund die Intercitynetze beider Länder miteinander. Die Euregio gab Gutachten in Auftrag, lieĂ&#x; Fahrgastprognosen erstellen, trat Politikern und den Bahnen auf die FĂźĂ&#x;e. Die WiedererĂśffnung der Bahnstrecke nach jahrelangem ist Die Wiederaufnahme des Bahnverkehrs zwischen Gronau und Enschede hat sich gelohnt. Dicke-Bretter-Bohren wohl einer der grĂśĂ&#x;ten ErDie ZĂźge sind gut besetzt.
folge der Euregio. „Ich hätte es fast nicht fĂźr mĂśglich gehalten“, bekannte der frĂźhere, mittlerweile verstorbene Euregiorats-Präsident Wim Schelberg damals. Das Regionalisierungsgesetz in Deutschland, das den Bundesländern Steuermittel fĂźr den Schienennahverkehr zur VerfĂźgung stellte, kam zur rechten Zeit. Nun ist die Wiederinbetriebnahme eine Sache – die Akzeptanz durch die Fahrgäste eine andere. So viel lässt sich sagen: Die Prognosen waren falsch. Nämlich viel zu niedrig. Die ZĂźge sind besser ausgelastet als vorhergesagt. Vor allem sonnabends sind oft kaum noch Sitzplätze frei, wenn deutsche TagesausflĂźgler gut gelaunt nach Enschede zum Markt fahren und Niederländer die Baumberge und MĂźnster erkunden. Die Zahlen sprechen fĂźr sich: Jeden Werktag nutzen rund 1800 Menschen den Zug zwischen Gronau und Enschede,
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sonnabends 2800 und sonntags rund 1000. Nach der Wiederaufnahme des Zugverkehrs stieg das Fahrgastaufkommen zwischen Enschede und Münster sprunghaft an. Zum Erfolg trugen offenbar auch die modernen Züge des Typs Talent bei. Für Tim Enge aus Epe ist die Zugverbindung ideal. Der Jugendliche fährt oft nach Enschede, um dort mit seinen Kumpels BTX-Rad zu fahren oder zu skaten. „Ich hab mir extra eine Fun-Kart gekauft“, sagt er. Das macht das Hin- und Herreisen günstiger. „Nur fürs Fahrrad müssen die sich noch was einfallen lassen. Die Mitnahme kostet zu viel.“ Dutzende in Gronau wohnende Studenten der Saxion-Hogeschool nutzen den Zug täglich. Die Fahrt dauert schließlich nur elf Minuten. „Mein Fahrrad kann ich in Gronau am Bahnhof stehen lassen, und in Enschede laufe ich fünf Minuten bis zur Saxion“, erzählt eine Studentin. Zum ersten Mal ist Bert Jan Holtenbrink aus Losser mit Frau und dem sechs
Wochen alten Sohn im Zug nach Gronau unterwegs. Er will seine gerade geborene Nichte im Gronauer Krankenhaus besuchen. „Von Losser aus lohnt es sich eigentlich nicht, den Zug zu nehmen. Aber wegen einer Handverletzung darf ich nicht Auto fahren.“ Dass er am Gronauer Bahnhof den Kinderwagen Treppen herunter und wieder herauf schleppen muss, gefällt ihm nicht. Doch an dem Problem arbeiten Bahn und Stadt gerade. In wenigen Monaten wird der Bahnhof behinderten- und damit auch kinderwagengerecht sein. Zwei Tage später: Bärbel Kreutz aus Lünen will mit ihrem Mann und zwei Freunden einen schönen Sonnabend in Enschede erleben. „Sonst sind wir mit dem Auto gefahren, aber zu viert für 33 Euro hin und zurück, ohne Parkplatzsuche – das ist doch viel günstiger.“ Beatrix Wesendrup aus Berlin besucht ihre Schwester in Lüdinghausen. Gemeinsam machen sie einen Ausflug nach Enschede, um
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Seit 2001 verkehren in der Euregio, deren größtes Gebiet auf deutscher Seite der Grenze liegt (siehe Karte), wieder Züge zwischen Enschede und dem Münsterland.
die Jacobuskirche und die Synagoge zu besuchen. „Mir gefällt vor allem, wie unkonventionell und hilfsbereit die Angestellten mit den
Fahrgästen umgehen“, sagt die Lüdinghausenerin. „Gibt es Probleme beim Fahrkartenautomaten, sagen die: ,Steigen Sie erst mal ein.
Das regeln wir schon‘.“ Und: „Dass die Ansagen zweisprachig sind, das gefällt mir. Das gibt der Fahrt einen internationalen Touch.“
Ein halber Deutscher Erinnerungen an spannende Rittergeschichten und den Maiglöckchen-Wald Von Marten de Jongh
in unermesslich großes Land, mit weiten Wäldern, in denen man stundenlang wandern konnte, ohne jemandem zu begegnen. Die wenigen Leute, auf die man traf, waren Gastwirte, die ihren Gästen die Wünsche von den Augen ablasen. Das ist das Deutschland, an das ich mich aus meiner Kinderzeit erinnere. Ein magisches Land, das dazu einlud, sich spannende Rittergeschichten auszudenken. Ein Land, das meine Eltern gerne in Wanderschuhen erkundeten. Wir liefen dann zum Beispiel durch den MaiglöckchenWald. Die weißen Blümchen sehe ich noch vor mir, doch den Wald, den würde ich nicht mehr wiederfinden. Ich erinnere mich an eine Tour, während der wir immer in Jugendherbergen übernachteten, die Kasernen glichen. Das tun niederländische Jugendherber-
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gen auch, aber aus völlig dubiosen Gründen ist die Assoziation deutsch. Eine Assoziation, deren Kern zu einer späteren Zeit gelegt wurde, nachdem Deutschland im Geschichtsunterricht ein anderes Gesicht bekommen hatte. Die Lektionen waren notwendig, aber sie trübten auch meine schönen Kindheitserinnerungen. Mit deren Unschuld war es vorbei. Welches Bild stimmt? Was ist die Wahrheit? Das Bild eines Landes und seiner Einwohner ist eine vage Mischung aus Erinnerungen, Fakten und (Vor-)Urteilen. Das Bild ändert sich, je nach Zeitläuften und dem Ort, in dem man wohnt. Das Bild, das die Niederländer derzeit von Deutschen haben, ist anders, positiver, nuancierter als vor gut 30 Jahren. Es wird nicht mehr nur vom Krieg beherrscht. Aber auch der Ort, an dem man selbst lebt, ändert
Marten de Jongh
die Perspektive. Der Durchschnitts-Seeländer oder Bewohner der Großstädte im Westen der Niederlande denkt anders über „den Deutschen“ als der durchschnittliche Bewohner Twentes. Jahrelang habe ich in Goes in Seeland gewohnt, wo die Bewohner geradezu schizophrene Vorstellungen über Deutsche hatten. Auf der einen Seite achteten sie
darauf, besonders freundlich zu den deutschen Touristen zu sein, die in jedem Sommer an die Küste reisten. Es hieß, dass die deutschen Urlauber es verdienten, mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Es seien schließlich hart arbeitende Menschen, die sich ihren Urlaub vom Munde abgespart hätten, um wenigstens ein Mal in ihrem Leben das Meer zu sehen. Sie kämen direkt aus dem Ruhrgebiet, wo die Sonne niemals scheine. Sie hätten den Dreck der Kohlenminen selbst dann noch hinter den Ohren, wenn sie ihre Handtücher am Strand ausbreiteten. Die Zuvorkommenheit war natürlich nicht frei von einer gesunden Dosis Eigennutz: Tourismus bringt Geld in die Kasse. Die Freundlichkeit war zweischneidig. Die andere Seite lernte ich kennen, als ich ankündigte, nach Hengelo umzu-
ziehen. „Nach Hengelo? Twente?“, fragten Seeländer, die es nur gut mit mir meinten. „Bis du verrückt geworden? Da wohnen doch nur halbe Deutsche!“ Die Leute, die das sagten, wussten nicht, dass ich dort, in Hengelo, aufgewachsen bin. Dass dort meine Wurzeln lagen. Ich ein halber Deutscher? So hatte ich das noch nie betrachtet. Ach ja, warum auch nicht. Denn es ist wahr: Wir sind uns schrecklich ähnlich, wir Deutschen und Niederländer in der Grenzregion. Man braucht sie sich doch nur anzuschauen, die Deutschen auf Schnäppchenjagd in Enschede und bei IKEA in Hengelo. Sind das nicht halbe Niederländer? Ja, es sind Niederländer so wie ich. Menschen, die wahrscheinlich genauso schöne Erinnerungen an das Nachkriegs-Deutschland ihrer Kinderjahre haben wie ich auch.
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Das Fernstraßennetz (hier die A 30 bei Gildehaus) in der Euregio ist gut.
Der Verkehr rollt
Foto: Werner Westdörp
Ab dem 1. April 2008 sind wir in unseren neuen, erweiterten Praxisräumen im Gesundheitszentrum am St. Antonius-Hospital für Sie da.
Möllenweg 26
48599 Gronau
Tel. Praxis 0 25 62 / 915-18 60 Fax Praxis 0 25 62 / 915-18 65
Tel. Schlaflabor 0 25 62 / 915-23 20 Fax Schlaflabor 0 25 62 / 915-23 32
e-mail: gronemeier@st-antonius-gronau.de
Gutes Fernstraßennetz in der Euregio ie Stärken und Schwächen in Bezug auf das Thema Verkehr hat die Euregio ständig im Blick. Die Autobahnverbindungen schätzt sie bis auf vereinzelte Lücken und Engpässe im Autobahn- und Bundesstraßennetz als sehr gut ein. Auch das regionale Straßennetz wird insgesamt als ausgewogen und leistungsfähig beschrieben. Nachholbedarf gibt es beim grenzübergreifenden Schienenverkehr. Bis auf die DB-Verbindungen zwischen Bad Bentheim und Hengelo (Strecke Berlin-Amsterdam) gibt es nur
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die regionale Linie Gronau-Enschede. Unterschiedliche Strom- und Bahnsicherungssysteme erschweren Fortschritte. Die Anbindungen ans Wasserstraßennetz gelten in der Euregio als gut. Manko: Es existiert keine leistungsfähige Verbindung zwischen Twentekanaal und Mittellandkanal. Mit dem Flughafen MünsterOsnabrück verfügt die Euregio über einen internationalen Verkehrsflughafen. Die Anbindung an die Flughäfen in Amsterdam und Düsseldorf gelten ebenfalls als gut.
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Der Euregio herzlichen Glückwunsch zum
50.
Geburtstag !
Halt! Mit der Solex schnurstracks in die Terroristenfahndung im Zwillbrocker Venn Von Jan Bengevoord
s dürfte im Jahr 1972 gewesen sein. Viele kleinere Grenzübergänge waren damals vom späten Abend bis zum frühen Morgen geschlossen. Auch der Grenzübergang in der Nähe des Zwillbrocker Venns, das sich von Vreden aus bis in die niederländischen Gemeinden Winterswijk, Groenlo und Eibergen erstreckt. Das heute von vielen Menschen besuchte Gebiet war damals noch ein Geheimtipp. Ein Eldorado für Naturforscher. Im Venn brüteten Bartmeisen, schwarze Seeschwalben und Rohrweihen. Von Lachmöwen und Flamingos – heutzutage eine touristische Attraktion – gab es damals noch keine Spur. Wie in vielen anderen Naturschutzgebieten an der Grenze herrschten hier absolute Ruhe und Unberührtheit der Natur. Es war an einem Sonntagmorgen, als ich be-
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schloss, mich über den illegalen Grenzpfad ins Venn zu begeben. Ich war mit ein paar Freunden im Naturreservat verabredet. Von Winterswijk aus war es mir zu weit, bis zum offiziellen Grenzübergang in Zwillbrock zu fahren. Auf meinem ersten Moped, der Solex von meinem Opa, tuckerte ich an einem Grenzstein aus Sandstein vorbei. Ich wusste, dass sich direkt dahinter ein tiefes Schlammloch im Weg befand. Ich schaltete also den Motor aus und schob mit der Solex an der Hand durchs Strauchwerk und an Schlammtümpeln vorbei. Klitschnass erreichte ich den Sandweg, der zur prächtigen Kirche von Zwillbrock führt. „Halt!“ Von allen Seiten kamen Männer mit automatischen Waffen aus den Büschen. Bundesgrenzschutz mit Schuhcreme im Gesicht und Eichenzweigen auf dem Barett. „Hinlegen!“
Jan Bengevoord
Ab und zu durchlebe ich diese Situation im Traum noch einmal, und ich sehe mich bäuchlings auf dem schlammigen Weg liegen. Ich wurde durchsucht und durfte dann wieder aufstehen. Noch schlammbedeckt wurde ich in einem Bus verhört, der ein Stück entfernt stand. Was ich hier täte? Vögel beobachten.
Warum ich illegal die Grenze passiert hätte? Weil das kürzer war. Ob ich Freunde in Deutschland hätte? Ja natürlich. Ob ich politisch aktiv sei? Nein, eigentlich nicht. Wie lange ich in dem Bus gesessen habe, weiß ich nicht mehr. Es dauerte auf jeden Fall lange. Mein ganzes Sündenregister wurde durchforstet. Meine Passnummer durchgegeben. Und dann wieder Fragen. Sind Sie Bernard Bengevoord? Nein, ich heiße Jan. Falsche Antwort. Wieder folgten Gespräche übers Feldtelefon. Was ich hier mache? Mit Freunden Vögel beobachten. Wo die Freunde denn seien? Wahrscheinlich im Venn, ich hätte sie noch nicht getroffen. Der Offizier schaute mich ungläubig an. Warum, weiß ich bis heute nicht, aber auf einmal durfte ich gehen. Ich wurde bis zum Grenzstein begleitet. Dort habe ich eine Zeit lang zitternd ge-
standen, dann die Solex wieder gestartet und bin nach Hause gefahren. Erst viel später wurde mir bewusst, dass in den Wochen ganz Deutschland wegen terroristischer Anschläge in Aufruhr war. Ich dagegen hatte von Baader oder Meinhof zu dem Zeitpunkt noch nichts gehört. Inzwischen fahre ich seit vielen Jahren über den offiziell zum „grünen Grenzübergang“ ernannten Patt nach Zwillbrock. Auf ein Bier in Ludwigs Kneipe, ins Restaurant Kloppendiek oder zum Sonntagnachmittagskonzert in der Kirche. Ganze Volksstämme sind mittlerweile auf der „illegalen Route“ unterwegs, bei schönem Wetter ist es regelrecht voll. Als ich meinen Kindern erzählte, dass man mir mal kurz hinterm Grenzpfahl Handschellen angelegt hat, glaubten sie mir das nicht: „Vater erzählt mal wieder Märchen . . .“
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FMO zählt immer mehr Niederländer Im vergangenen Jahr bereits 160 000 Fluggäste von jenseits der Grenze und 1,6 Millionen Fluggäste zählte der Flughafen Münster/Osnabrück (FMO) im vergangenen Jahr. Zehn Prozent von ihnen, also 160 2000, stammten aus den Niederlanden. „Das ist schon ganz beachtlich“, findet Andres Heinemann, Pressesprecher des FMO. „Vor allem, wenn man die Entwicklung betrachtet: Vor zehn Jahren kamen nur drei Prozent der Reisenden aus dem Nachbarland.“ In allen Bereichen, sowohl dem der Geschäftsreisenden als auch bei der Städte- und Pauschaltouristik, steigt der Anteil der niederländischen Nutzer in den vergangenen Jahren an. „Und sie fühlen sich offensichtlich wohl bei uns“, so Heinemann. Eine niederländische Website und Broschüren, niederländische Durchsagen und Beschriftungen wo es geht und sinnvoll ist – in Greven ist man bemüht, dem Anspruch als Flughafen für die gesamte Euregio gerecht zu werden. Der FMO ist schließlich keine 50 Kilometer von der Grenze entfernt. Für einen großen Teil der niederländischen Euregio-Bewohner ist er schneller und besser zu erreichen als der Flughafen Schiphol bei Amsterdam. Auch bei den niederländischen Rei-
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Der Flughafen Münster/Osnabrück (FMO) ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für das gesamte Gebiet der Euregio und selbst darüber hinaus. Auch immer mehr Niederländer nutzen den FMO für Geschäfts- oder Urlaubsflüge.
severanstaltern setze sich dieses Bewusstsein immer stärker durch, sagt Heinemann. Was, wenn der Flugbe-
trieb am Flughafen Twente wieder aufgenommen werden sollte? Einer Nutzung des Enscheder Airports als Start- und Lan-
deplatz für Geschäftsflugzeuge stehe nichts entgegen. Doch: „Zwei große Flughäfen in der Euregio wären zu viel“, ist sich
Heinemann sicher. „Wir stehen mit den Verantwortlichen in Enschede in Kontakt und informieren sie offen und ehrlich.“
Die Handwerkskammer engagiert sich im intensiven Know-how Austausch mit den Niederlanden. Unsere Lehrgangsangebote im Bereich Bau und Energie richten sich an Handwerker aus der ganzen EUREGIO.
Bildung macht erfolgreich Gebäudeenergieberater 14.11.08 ■ fr 16–20 Uhr, sa 8.30–12.30 Uhr 27.01.09 ■ di+do von 18–22 Uhr
Fachkraft für Solartechnik 03.11.08 ■ mo–fr 8.30–17 Uhr 21.11.08 ■ fr 16–20 Uhr, sa 8.30–12.30 Uhr
Fachwirt für Gebäudemanagement 24.10.08 ■ fr 16–21 Uhr, sa 8–16.30 Uhr
Gerade wurde das INTERREG-Projekt „Energiesparendes Bauen” erfolgreich abgeschlossen. Näheres über die Ergebnisse findens Sie unter www.demozentrum-bau.de, dort Projekte. Schauen Sie mal rein!
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Auftritte von zwei deutschen Künstlern: Olaf Berger und Gaby Baginsky. Baginsky Nähere Informationen und unsere Bedingungen finden finden sie auf hollandcasino.de
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Historische Steine markieren in der Euregio die Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden (links). Das Bild rechts zeigt das Euregio-Sekretariat in Gronau.
Lederhosen Und Streusel auf weichem holländischen Weißbrot Von Julia Henkel
ie Erinnerung daran ist noch sehr lebendig: an die Ferien in Egmond aan Zee, festgehalten in einigen Schnappschüssen im Fotoalbum. Ich bin ungefähr drei Jahre alt und stehe in meiner Lederhose mitten in einer holländischen Landschaft, eine Windmühle stolz im Hintergrund. Es ist die Geschichte von dem weichen Weißbrot mit Streuseln drauf in der Jugendherberge, wo wir mit allen Kindern der Kinderkrippe ein paar Tage Ferien machten. In den 70erJahren, als unsere Eltern auf dem Alternativ- und Gesundheitstrip waren. Zu Hause in Deutschland wäre auf keinen Fall Schokocreme auf den Tisch gekommen. In Holland dagegen schon. Mit skeptischem Blick sahen sie zu, wie wir uns die Fruchtstreusel schmecken ließen. Jahre später verguckte ich mich dann richtig in Holland. Während einer Radtour mit einer Freundin begann ich dieses kleine, nasskalte Land zu lieben. Es war da so schön, die Menschen so freundlich und vor allem diese witzige Sprache ließ mich nicht mehr los. Ein Fahrrad – „fiets“–, das brummte – „brommen“–, war ganz einfach eine „bromfiets“. Dass wir da nicht selbst schon längst drauf gekommen waren! Nach meinem Studium bekam ich einen Job bei einer Zeitung, in den Nieder-
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Julia Henkel
landen. Ich war überglücklich. So hatte ich mir mein Leben vorgestellt. Auf der Schule hatte man es uns schließlich eingeimpft: lernt Sprachen, seht euch die Welt an, nutzt eure Chancen! Die Gelegenheit war da, jetzt, da die Grenzen wirklich offen waren. Einer Frau von Welt war es doch einerlei, wo in Europa sie wohnte und arbeitete! Es wurde also Holland. Aber es war nicht ganz so, wie ich mir das gedacht hatte. War das das schöne, nette, tolerante Land? Ich begann zu zweifeln. Hier war ich auf einmal nicht mehr die Frau von Welt, sondern die Deutsche. Und das ließen sie mich durchaus spüren. Ich musste eine ganze Menge erklären. Im Grunde genommen aber auch wieder nicht. Denn an ernsthaften Gesprächen zeigte kaum jemand Interesse. Aber ihre Witze, die
durfte ich mir anhören: Wo denn im Krieg ihr Fahrrad geblieben sei. Über Sandburgen. Und über Prinz Bernhard. Wohl hundert Mal. Und ich musste auch noch mitlachen, denn, tja, Deutsche und Humor – das war auch so‘ne Sache. Ganz behutsam eine kritische Bemerkung über die Niederlande machen? Nichts da! Ich war zwar willkommen, hatte aber meinen Mund zu halten. Meinen großen, deutschen Mund auf jeden Fall. Ups! So hatte ich mir mein Leben in Europa nicht vorgestellt. Hatte ich mir dafür ein paar Jahre Zeit genommen, mir alle Spitzfindigkeiten der niederländischen Sprache anzueignen, mich in die schwierige Geschichte der beiden Länder vertieft und mit offenem Herzen den Schritt über die Grenze gewagt? Glücklicherweise begegnete ich auch anderen Menschen. Die es wagten, über ihre Nasenspitze hinauszublicken. Die sich genau wie ich vor allem als Europäer oder Weltbürger fühlten, mehr als nur als Niederländer oder Deutscher. Einige Jahre später ist nun die naive Ernüchterung in einen entspannten Realitätssinn umgeschlagen. Ich bin in Europa angekommen, wohne in Deutschland, arbeite in den Niederlanden, habe einen deutschen Pass, einen niederländischen Mann und ein französisches Auto. Ich
Julia Henkel, deutsche Journalistin in Diensten der niederländischen Tageszeitung „De Twentsche Courant Tubantia“, erinnert sich gern an die Ferien in Egmond an Zee, wo sie als Dreijährige in Lederhose vor einer Mühle posierte.
spreche Niederländisch mit einem deutschen und Deutsch mit einem leicht niederländischen Akzent. Und ich esse Streusel, wann immer ich will, auf einem leckeren, dunklen deutschen Butterbrot. Im Fotoalbum meines Mannes befindet sich ebenfalls ein über 30 Jahre alter Schnappschuss. Er lacht
fröhlich in die Kamera, seine kurzen Beine stecken in einer Lederhose, im Hintergrund ein stolzer Berg. In den Ferien bei Freunden in Deutschland bekam der Besuch aus den Niederlanden regelmäßig Kaffee mit einem großen Stück Sahnetorte aufgetischt. Die Erinnerung daran ist noch sehr lebendig.
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