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IN CONVERSATION WITH WOLFGANG HÄUSLER

Interview Daniel Chardon von Art of Magazin und Wolfgang Häusler von Häusler Contemporary Zürich

Herr Häusler, in Ihrer Galerie Häusler Contemporary vertreten Sie seit langem den amerikanischen Künstler James Turrell. Sie haben soeben die elfte Ausstellung mit Werken des Künstlers eröffnet und begleiten aktuell mehrere Projekte für private und institutionelle Kunden. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit James Turrell?

Die erste Begegnung mit James Turrell hatte ich Anfang der 1990er Jahre anlässlich einer Operninszenierung in Paris. Er schuf das Bühnenbild für die Oper „To be Sung“, in dem die Sänger in schattenlosem Licht agierten, ein Erlebnis das in mir einen unglaublich starken Eindruck hinterliess. Zur ersten Zusammenarbeit kam es dann 1997 in Vorbereitung seiner Ausstellung anlässlich der Eröffnung des von Peter Zumthor gestalteten Kunsthaus Bregenz. Damals bekam ich einen tieferen Einblick in Turrells Arbeitsweise, es war für mich eine faszinierende Erfahrung.

James Turrell ist eine Künstlerpersönlichkeit, die ihresgleichen sucht. Er verfügt über eine immense Vorstellungskraft und arbeitet mit einer hohen Präzision. Mein erstes „eigenes“ James Turrell-Projekt konnte ich mit der Munich Re in München 2003 umsetzen. Mit der Installation The Inner Way erfuhr ich Schritt für Schritt, welche Möglichkeiten das Medium Licht bietet und wie James Turrell es einsetzt. Seine Konzepte sich plastisch vorzustellen, in diesem Fall die Gestaltung eines 200 Meter langen unterirdischen Ganges, ist manchmal schwierig. Architekten konstruierten deshalb ein massstäbliches Modell, um die Wirkung zu demonstrieren. Das imposante Raum- und Farberlebnis war auch in der minimalen Version mehr als überzeugend. Heute brauchen wir keine Modelle mehr, es gibt weltweit Anschauungsbeispiele (lacht).

Mit jedem Turrell-Werk oder einer seiner Installationen, entsteht eine sinnliche Erfahrung, eine räumliche Illusion wie in einem Theater, die erst im Erleben ihre volle Wirkung entfaltet.

Die Anfänge Eurer Zusammenarbeit liegen nun schon mehr als 30 Jahre zurück. Wo liegen die Ursprünge von James Turrell?

Er war einer der Initianten des Light & Space Movement. Da waren Künstler wie Doug Wheeler, Robert Irwin mit dabei. Sie hatten damals auch Forschungsgelder von Flugzeugherstellern bekommen, um das sog. Ganzfeldphänomen zu untersuchen. Das erlebt jeder Pilot, wenn er in eine Nebelbank hineinfliegt. Wir kennen das als White out vom Skifahren, wenn wir in den Nebel oder ins Schneegestöber geraten. Zu diesem Zweck haben sie ein Hotel in eine Dunkelkammer umgebaut, um das Phänomen realistisch umzusetzen.

James Turrell ist nicht nur Künstler, er ist auch Wissenschaftler, seine Werke sind akribisch berechnet und dokumentiert, mit detaillierten Zeichnungen und Plänen. Er bezieht Erkenntnisse aus der Physik, Mathematik oder Astronomie mit ein. Immer wieder erstaunt es mich, wie er die Details mit Handwerkern, Ingenieuren und Lichtinstallateuren in einem hohen Grad an Perfektion realisiert und dabei immer seiner Vision treu bleibt.

Das Werk Turrells ist facettenreich und schliesst monumentale Rauminstallationen ebenso mit ein wie Lichtarbeiten in kleineren bis intimen Formaten. Werke, die auch für den privaten Bereich geeignet sind?

In den letzten Jahren sind zahlreiche Einzelwerke entstanden, die Nachfrage privater Sammler ist groß, Werke, wie wir sie aktuell in unserer Ausstellung haben, können auch im privaten Umfeld installiert werden. Es braucht allerdings eine genaue Einschätzung der räumlichen Situationen.

Seit unserer ersten Ausstellung in Zürich 2007 haben wir viel Expertise aufgebaut, unter anderem in der Entwicklung von Materialien. Mit Know How von Zumtobel und anderen Lichtdesignern konnten wir Werke besser auf europäische Verhältnisse und Dimensionen abstim- men.

Auch unsere Sammler und Sammlerinnen, die Lichtarbeiten von James Turrell besitzen, haben dazu beigetragen. Mit jedem dieser Projekte, die in ihrer Art immer einmalig sind, haben wir dazugelernt und unsere Expertise erweitert.

Wann immer die Rede auf James Turrell kommt, wird sein Projekt Roden Crater in Arizona diskutiert. Ein Opus Magnum, an welchem der Künstler seit den 1970er Jahren mit großem Einsatz arbeitet und dessen Vollendung von Kunstfreunden rund um den Globus erwartet wird. In der Ausstellung vermitteln die skulpturalen BronzeModelle von einzelnen Räumen im Inneren des Vulkans einen Eindruck von der Komplexität des Projektes?

Die Bronze-Skulpturen sind das Ergebnis einer exklusiven Zusammenarbeit von James Turrell mit unserer Galerie. Das Architektur-Institut der Universität Venedig liess Studenten die Räume des Roden Crater dreidimensional erfassen. Diese Zeichnungen waren die Basis. Wir beauftragten in Abstimmung mit Turrell einen Bronzegiesser und einen Stukkateur in Deutschland, welche mit unglaublicher Präzision bisher acht Bronze-Gips Skulpturen realisierten. James Turrell hat den Entstehungsprozess mit Begeisterung begleitet und in all seinen Ausstellungen sind sie seitdem ein wichtiger Bestandteil.

Das in Zürich präsentierte Tall-Glass mit seinen faszinierenden Lichtmodulationen ist ein Beispiel für verschiedene Serien?

Es ist EIN Werktyp. Es gibt unterschiedliche Formen: Rechtecke, Ellipsen, Kreise oder Diamantform. Es gibt auch unterschiedliche Grössen, die der räumlichen Situation angepasst werden können. Wichtig ist: Jedes Werk ist und bleibt ein Unikat. Mit eigenem Titel und Zertifikat, welches im Werksverzeichnis hinterlegt wird.

Die Exponate der Ausstellung umfassen auch feine Aquatinta Radierungen, Fotografien und Drucke.

Auch hier ist Turrell ein Perfektionist. Die Drucktechnik entspricht der Heliogravur, einem fotografischen Edeldruckverfahren, mit dem sich echte Halbtöne darstellen lassen. 1984, im gleichen Jahr, in welchem Turrell die Arbeiten am Roden Crater startete, schuf er mit dem siebenteiligen Mappenwerk «Deep Sky» zum ersten Mal überhaupt Druckgraphik. Nach ersten Kooperationen mit dem Verleger Peter Blum fand er im Zürcher Kupferdrucker Peter Kneubühler den kongenialen Partner und kam über viele Jahre alljährlich nach Zürich. Peter Kneubühlers Qualität als eines der letzten Genies des Kupferdrucks blieb nach seinem Tod leider unerreicht.

Turrells Werk lässt sich nicht auf die Räume einer Galerie reduzieren?

Ja, und wenn, braucht es auch hier die erwähnte Perfektion, welche Turrells Werke immer einfordern. Sie sind nicht nur mehrdimensional in ihrer Wirkung, in ihrer Entstehung sind sie auch interdiszplinär. Wo immer Handwerker, Ingenieure oder Designer zum Einsatz kommen, wählt Turrell nur die Besten, um dem Zustand der Perfektion möglichst nahe zu kommen.

Ich habe ein Team von Spezialisten hier in Europa aufgebaut, die sich dem Werk intensiv widmen und die Möglichkeiten, welche das „Material“ zulässt, optimal ausschöpfen. So gesehen geht unsere Zusammenarbeit mit James Turrell weit über die einer klassischen Galerie hinaus. Das macht es aber umso spannender. Sie umfasst Projektmanagement, Beratung, Architektur, Lichtdesign und bauliche Umsetzung.

Die Zusammenarbeit mit James Turrell wird mit dessen grösseren Werken wie Skyspaces oder Ganzfeld-Installationen noch komplexer?

Ja. Jedes dieser Projekte braucht intensive Zuwendung. Man kann solche Projekte in drei Phasen gliedern: Phase 1 ist die Entscheidfindung, in welcher wir beratend zur Seite stehen und Erfahrungen sowie Besichtigungen von bestehenden Projekten mit eingebunden werden. In Phase 2 sitzen Architekten, Lichtdesigner und Handwerker an einen Tisch und stimmen die Schnittstellen ab. Phase 3 ist die finale künstlerische Abstimmung, Programmierung und die Eröffnung respektive Inbetriebnahme.

Und die Projektdauer gestaltet sich sehr unterschiedlich?

Ein Projekt wie das Diözesanmuseum erstreckte sich über mehr als ein Jahrzehnt! Der Shallow Space im Swarovski-Museum in Wattens wurde innert sechs Monaten realisiert.

Solche Spaces können auch privat installiert werden. Vor allem in den USA gibt es einige tolle Beispiele wie den Baker Pool in Greenwich, Connecticut. Turrell liebt solche Individualitäten.

Viele seiner Werke bedingen eine Anreise und eine Hingabe?

Turrell fordert vom Betrachter eine Leistung und Zuwendung. Typisch sind die Skyspaces wie zum Beispiel in Lech am Arlberg. Man muss sich zuerst physisch hinbegeben, dann kann man sich der Installation hingeben. Nicht konsumieren, sondern Zeit mitbringen. Turrell ist es nie um den schnellen Erfolg gegangen. Das zeigt sein Lebenswerk Roden Crater eindrücklich. Ihn zeichnet eine tiefgehende Spiritualität aus.

Welche Projekte haben Wolfgang Häusler besonders beeindruckt?

Das Projekt mit der Munich Re lieferte die Grundbausteine und war schlicht ein Abenteuer! Extrem beeindruckend war die Umsetzung des Skyspace für die Familie Kofler im Hotel Posada Ayana in Uruguay. Robert Kofler, ein begeisterter Skifahrer, erlebte den Skyspace in Lech und wollte das Projekt bei sich realisieren. Dann kam Corona dazwischen. Bis zur Eröffnung im Dezember 2021 wurde das gesamte Projekt mit Videokonferenzen geplant und abgewickelt. Inzwischen ist der Skyspace öffentlich zugänglich und fast immer ausgebucht. Turrells Werke berühren viele Menschen tief emotional.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft?

Für den Roden Crater wage ich keine Prognose. Aber Turrell setzt alles daran, ihn fertigzustellen. Er ist fast täglich vor Ort.

Eines meiner Lieblingsprojekte ist das Kinderspital Zürich, das in seinem Neubau einen Skyspace erhält. Das wird nicht nur ein Meilenstein in der Spitalarchitektur darstellen, es ist auch das Resultat des Zusammenspiels vieler exzellenter Menschen. Finanziert ist das Projekt mit Spenden, auch Turrell hat dem Spital ein Werk geschenkt. Dieser Skyspace ist als Ort der Ruhe für Eltern und Kinder in schwierigen Lebenssituationen gedacht. Ich bin von den positiven Aspekten überzeugt und denke, dass die Wirkungs- und Wahrnehmungsforschung uns sicher noch interessante Ergebnisse liefern wird.

2024 wird auch ein Turrell-Symposium an der ETH Zürich abgehalten, welches sich des Themas wissenschaftlich annimmt. Über die weiteren Projekte sprechen wir ein andermal, wenn die Planung und Umsetzung näher rücken. Tatsache ist, dass James Turrell weiterhin eine spannende Herausforderung bleibt.

Welche Werke kann Häusler Contemporary Interessierten vermitteln?

Zum einen die Arbeiten, welche wir selbst zur Verfügung haben. Aber letztlich können wir dank unseres direkten Kontaktes zu James Turrell fast jedes Werk beschaffen.

www.haeusler-contemporary.com

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